Überbauung im Chileweg, Rain - Gemeinde schliesst Versorgungslücke - Begleitevaluation 2019 bis 2020
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Inhalt 1. Lücke beim stationären Angebot | 5 1.1 Zielsetzung und Fragestellungen | 7 1.2 Aufbau des Berichts | 7 2. Wissenschaftliche 5. Wohnen mit Begleitung | 9 Dienstleistungen | 28 5.1 Alterswohnungen | 28 5.2 Dienstleistungen | 30 3. Aufbauphase 5.3 Kontaktstelle Alter | 31 Wichtigste Erkenntnisse | 31 und Kontext | 10 3.1 Regionaler Kontext | 10 3.2 Politische und finanzielle 6. Gemeinschaftliche Räu- Rahmenbedingungen | 10 3.3 Projektverlauf | 12 me und «Dorfplatz» | 32 3.4 Infrastruktur | 12 3.5 Trägerschaft | 14 6.1 Mehrzweckraum und «Dorfplatz» | 33 Wichtigste Erkenntnisse | 15 6.2 Bäckerei und Bistro | 33 6.3 Mittagstisch | 33 6.4 Drittes Obergeschoss | 34 Wichtigste Erkenntnisse | 35 4. Pflegewohngruppe mit 18 Plätzen | 16 Anhang | 37 4.1 Auslastung | 17 4.2 Tarife | 18 4.3 Charakterisierung der Bewohner/-innen der Pflegewohngruppe | 19 4.4 Personal | 22 4.5 Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure | 24 Wichtigste Erkenntnisse | 26 3
Abb. 1 Eingangsschild Pflegewohngruppe Sonnenrain 1. Lücke beim stationären Angebot Der schweizweit beobachtete demografische Wandel zeigt sich auch in der Gemeinde Rain im Kanton Luzern. Von den 2’807 Einwohnern/-innen sind 11 Prozent über 65 Jahre alt und 3 Prozent über 80 Jahre alt.1 Der Anteil der über 65-jährigen Personen in Rain wird sich gemäss den Bevölkerungsszenarien von LUSTAT Statistik Luzern bis im Jahr 2045 um rund 55 Prozent erhöhen. Gemäss dem vom Kanton Luzern festgelegten Richtwert hat ein Viertel der über 80-jährigen Personen Anspruch auf ei- nen Pflegeplatz. Dies entspricht bei 82 über 80-Jährigen in der Gemeinde Rain rund 20 Pflegeplätzen. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird der Bedarf an Pflegeplätze für die Bewohner/-innen Pflegeplätzen, auch in den umliegenden Gemeinden, weiter zu- der Gemeinde Rain nehmen. Je nach Entwicklung der Anzahl Pflegeplätze in den um- In der Gemeinde Rain gab es vor der liegenden Gemeinden ist davon auszugehen, dass diese nicht in Realisierung der Zentrumsüberbauung der Lage sein werden, wie bisher betagte Personen aus Rain auf- im Chileweg 16 Alterswohnungen. Die zunehmen. Deshalb wollte die Gemeinde Rain die drohende Ver- Gemeinde verfügte über kein eigenes Al- sorgungslücke mit einem eigenen stationären Angebot schliessen ters- und Pflegeheim. 12 Personen (Stand und hat sich entschieden, eine eigene Pflegewohngruppe aufzu- September 2019) sind in den Heimen der bauen sowie das bestehende Angebot der Alterswohnungen zu umliegenden Gemeinden platziert: Hoch- erweitern. dorf (5 Personen), Sempach (2 Personen), Rothenburg (2 Personen), Beromünster Deshalb wurde mitten in Rain das Projekt «Zentrum Chileweg» (1 Person), Escholzmatt (1 Person), Lu- umgesetzt. Im Frühjahr 2018 wurde der Betrieb der Pflegewohn- zern (1 Person). gruppe mit 18 Einzelzimmern aufgenommen. Die Überbauung 1 https://www.lustat.ch/files_ftp/daten/gd/1037/w012_003t_gd1037_ss_d_2018_002.html, Zugriff am 9. September 2019. 5
wurde von der Gemeinde realisiert und umfasst neben der Pflegewohngruppe im ersten und zweiten Obergeschoss auch ein Bistro, die Verkaufsstelle einer Bäckerei sowie einen Mehrzweckraum, der sich im Parterre des Gebäudes befindet. Der grosszügig konzipierte Aussenraum des Areals hat das Potenzial, ein neuer Dorfplatz zu werden. In unmittelbarer Nähe wurden zusätzlich zwei Mehrfamilienhäuser mit 17 Mietwohnun- gen erstellt, die ursprünglich als Alterswohnungen konzipiert wurden. Im Erdgeschoss eines der beiden Gebäude befindet sich eine Kindertagesstätte. 6
Die Age-Stiftung hat das Projekt «Zentrum Chileweg» unter an- derem aufgrund der engagierten Haltung der Gemeinde, der in- novativen Ansätze bei der Landsuche und des Betriebskonzepts als förderungswürdig beurteilt und unterstützte dieses mit einem Förderbeitrag. Im Rahmen dieser Förderung sollen die Erkennt- nisse und Lehren aus dem Projekt und der wissenschaftlichen Begleitstudie der interessierten Öffentlichkeit zugänglich ge- macht werden. Die Genossenschaft Pflegewohngruppe Sonnen- rain und die Age-Stiftung haben dazu Interface mit der evaluati- ven Begleitung des Projekts beauftragt. 1.1 Zielsetzung und Fragestellungen Der Aufbau und das eigenständige Führen und Bewirtschaften von 18 stationären Plätzen sowie die Realisierung von Alterswohnungen sind Aufgaben, welche für eine Gemeinde mit der Grösse von Rain nicht alltäglich sind. Die Erkenntnisse und Lehren der beteiligten Akteure sollen daher im vorliegenden Bericht beleuchtet werden. Im ersten Teil des Berichts stehen der Kontext, die Aufbauphase und die Zielsetzungen des Projekts im Fokus. Weiter werden die Erfahrun- gen mit der Umsetzung dargelegt. Davon ausgehend werden Er- kenntisse für die interessierte Fachöffentlichkeit abgeleitet. Im Zen- trum stehen folgende Fragestellungen: 1. Inwiefern haben die Rahmenbedingungen den Aufbau des Pro- jekts beeinflusst? 2. Wie gut konnte das geplante Konzept in die Praxis umgesetzt werden? Welche Angebote wurden im Rahmen des Projekts realisiert? 3. Wie zufrieden sind die involvierten Akteure mit der Umset- zung des Projekts? 4. Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Planung und der Er- arbeitung des Projekts für andere Gemeinden oder Projektträ- ger ableiten? 1.2 Aufbau des Berichts Im Kapitel 2 wird das methodische Vorgehen dargelegt. Im Ka- Abb. 2 pitel 3 werden die Aufbauphase sowie die Einbettung in den Blick in die Pflegewohngruppe Gesamtkontext beschrieben. Anschliessend wird in den Kapi- Sonnenrain teln 4 bis 6 die Umsetzung der einzelnen Elemente des Projekts erläutert. Am Ende jedes Kapitels sind die wichtigsten Erkennt- nisse zusammengefasst. 7
D 1.1: Übersicht Gemeinde Rain und Umgebung Quelle: Darstellung Interface, Geometrie BFS. Legende: Hellgrau: Gemeinden, in welchen Rainer/-innen in Pflegeinstitutionen platziert sind. Hellgrün: Gemeinden, welche eine Pflegewohn- gruppe haben. 8
2. Wissenschaftliche Begleitung Die wissenschaftliche Begleitung, die im Zeitraum 2019 bis 2020 stattgefunden hat, basiert auf verschiedenen Informations- und Datenquellen. Darstellung D 2.1 gibt einen Überblick über das methodische Vorgehen sowie die Zeitpunkte der Erhebungen. Während in der ersten Erhebungsphase (2019) vor allem die Analyse der Aufbauphase und des Kontextes im Fokus standen, widmet sich die zweite Erhebungsphase (2020) der Analyse der Umsetzung. Einen ersten Zugang zur Thematik gaben Einen bedeutenden Zugang zum Untersu- rungen der Akteure mit der Umsetzung die verfügbaren Dokumentationen zum chungsgegenstand bildeten zudem die In- und der Zusammenarbeit untereinander Projekt und zur Projektplanung. Davon terviews mit den Verantwortlichen der vertieft beleuchtet. Eine Liste der inter- ausgehend wurden insbesondere für die strategischen und der operativen Ebene viewten Personen findet sich im Anhang. Analyse des Kontextes weitere Doku- der Genossenschaft Pflegewohngruppe Schliesslich war die Zufriedenheit der Be- mente beigezogen. Dazu gehören ver- Sonnenrain sowie Interviews mit kommu- wohner/-innen und die Wirksamkeit der schiedene gesetzliche Grundlagen und nalen Verantwortlichen, Akteuren der Al- Pflegewohngruppe von Interesse. Dazu Planungsberichte auf kantonaler und terspolitik und ausgewählten Stakehol- haben wir drei Porträts von Bewoh- kommunaler Ebene sowie Dokumente, dern, die im Bereich der Pflege und nern/-innen verfasst. Die Porträts basieren die den Aufbau der Genossenschaft Pfle- Betreuung von älteren Menschen aktiv auf Erzählungen der Bewohner/-innen gewohngruppe Sonnenrain dokumentie- sind. In der ersten Phase standen die kon- und ihren Angehörigen sowie auf Infor- ren. Zusätzlich wurden quantitative Pro- zeptionellen Aspekte des Projekts und der mationen der Betriebsleiterin. zessdaten aus dem betrieblichen Kontext, in welchem die Planung des Pro- Monitoring der Pflegewohngruppe ausge- jekts stattgefunden hat, im Fokus. Zu ei- wertet. nem späteren Zeitpunkt wurden die Erfah- D 2.1: Übersicht der Erhebungsinstrumente 2019 2020 Dokumentenanalyse Analyse von Prozessdaten Interviews mit Verantwortlichen der Genossenschaft Interviews mit kommunalen Verantwortlichen Erhebung zur Zufriedenheit bei Zielgruppen Berichterstattung Quelle: Darstellung Interface. 9
3. Aufbauphase und Kontext 3.1 Regionaler Kontext Ebenso wertvoll war die Zusammenar- In der Umgebung von Rain gibt es einige beit mit der Residio AG in Hochdorf, die Pflegewohngruppen. So zum Beispiel in ambulante und stationäre Dienstleistun- den Gemeinden Buchrain, Buttisholz, gen anbietet. So war den Projektverant- Root, Schwarzenberg und Udligenswil. wortlichen bereits beim Aufbau der Pfle- Beim Aufbau der Pflegewohngruppe Son- gewohngruppe klar, dass es aufgrund der nenrain in Rain hat man sich insbesondere geringen Grösse sinnvoll ist, die Reini- an der Pflegewohngruppe Primavera in gung an die Residio AG auszulagern. Zu- Buttisholz orientiert. Ein Besuch in Buttis- sätzlich übernimmt die Residio AG in holz überzeugte die zu Beginn eher skepti- betriebswirtschaftlichen Fragen und im schen Gemeinderäte vom Konzept einer administrativen Bereich eine beratende Pflegewohngruppe. Vor dem Besuch war Funktion. Dies ist insbesondere auch da- ihnen nicht klar, was eine Pflegewohn- durch möglich, dass die Pflegewohn- gruppe genau ist; nämlich, dass die älteren gruppe dieselben IT-Systeme für die Menschen in alltägliche Arbeiten einge- Administration, die Buchhaltung, die bunden werden und ihre eigenen Möbel Personaleinsatzplanung und die Pflege- mitbringen können. Auch bei der Umset- dokumentation der Bewohner/-innen zung konnte von den Erfahrungen in But- verwendet wie die Residio AG. tisholz bezüglich baulicher Hindernisse, Hygienevorschriften und Abläufe in einer 3.2 Politische und finanzielle Rahmen- Pflegewohngruppe profitiert werden. bedingungen Schliesslich war die aktuelle Betriebsleite- Wie in den meisten Kantonen der Deutsch- rin der Pflegewohngruppe Sonnenrain zu- schweiz sind auch im Kanton Luzern die vor im Primavera in Buttisholz tätig. Gemeinden für die ambulante und statio- D 3.1: Übersicht zu den verschiedenen Projektphasen März 2012: 13. November 2013: Gründung Arbeitsgruppe Informationsabend für «Bedürfnisabklärung – die Rainer Bevölkerung Wohnen im Alter» Ende April 2014: Januar 2003: Beschaffung Gründung Arbeitsgruppe 30. Mai 2012: Genossenschafts- («Kommission Genehmigung kapital abgeschlossen Pflegewohngruppe») Sonderkredit Wettbewerb über 170’000 CHF an der Gemeindeversammlung Betten- Konzeption (1. Phase) Konzeption (2. Phase) jkjlkj moratorium 2003 2004 2005–2010 2011 2012 2013 2014 2015 Juli 2013: Gründung Oktober 2003: Arbeitsgruppe Erstes Konzept «Betreiberfindung» «Wohnen im Alter» 20. Oktober 2014: 8. März 2013: liegt vor Gründung Aufnahme der Gemeinde Rain auf Genossenschaft die Pflegheimliste Sonnenrain August 2012: 10. Juni 2014: Zweites Konzept Genehmigung Sonderkredit «Wohnen im Alter» Planung und Landerwerb wird vom Gemeinderat über 3,7 Millionen CHF an genehmigt der Gemeindeversammlung Quelle: Darstellung Interface. 10
näre Betreuung und Pflege von betagten Im Kanton Luzern entscheidet der Regie- Neben den politischen Rahmenbedin- und pflegebedürftigen Personen zustän- rungsrat unter Einbezug der Gemeinden gungen war das Projekt für die Gemeinde dig. Dazu gehört die Krankenpflege zu der jeweiligen Planungsregion über die Rain auch finanziell eine Herausforde- Hause, die im Auftrag der Gemeinden Anzahl der angebotenen Pflegeplätze. Im rung. Die Gemeinde investierte mit durch verschiedene Spitex-Organisatio- Rahmen der Pflegeheimplanung des Jah- 21 Millionen Franken das Dreifache ihrer nen gewährleistet wird. Weiter sind die res 2006 verfügte der Regierungsrat ein üblichen Bilanzsumme. Dank der guten Gemeinden verpflichtet, einen Mahlzei- Bettenmoratorium, das bis zum Jahr Zinssituation konnte das gesamte Pro- tendienst sowie Tages- oder Nachtstruktu- 2010 keinen weiteren Ausbau bei den jektbudget mittels Fremdkapital finan- ren zur Verfügung zu stellen. Schliesslich Pflegebetten ermöglichte. Dementspre- ziert werden. Darüber hinaus umfasste müssen die Gemeinden eine angemessene chend mussten die Verantwortlichen der bei der Gründung der Genossenschaft Krankenpflege in Pflegeheimen bereitstel- Gemeinde Rain ihre Pläne «auf Eis» le- Pflegewohngruppe Sonnenrain das Ge- len. Mit der im Jahr 2011 eingeführten gen. Schliesslich beschloss der Regie- nossenschaftskapital 1,1 Millionen Fran- «Neuordnung der Pflegefinanzierung» rungsrat am 8. März 2013 ein stationäres ken anstelle der ursprünglich benötigten wurde die Aufteilung der Pflegekosten Angebot in der Gemeinde Rain auf die 600’000 Franken. Die befragten Projekt- zwischen pflegebedürftigen Personen, Pflegheimliste zu setzen. Die Aufnahme verantwortlichen führen diesen Erfolg Krankenversicherern und der öffentlichen auf die Pflegheimliste erfolgte unter dem unter anderem auf das in der Nähe der Hand neu geregelt. Für die Gemeinden im Vorbehalt, dass die 18 vorgesehenen Baustelle aufgestellte «Finanzierungsba- Kanton Luzern bedeutet das, dass sie den Plätze bis spätestens Ende 2017 realisiert rometer» zurück. Dieses zeigte jeweils nicht durch die Patientenbeteiligung und werden. Zudem erfolgte die Auflage, dass an, wie viel des benötigten Genossen- die Krankenversicherer gedeckten Kos- Ausbildungsplätze für Pflegeberufe ge- schaftskapitals bereits geäufnet werden tenanteil der ambulanten und stationären schaffen werden müssen. konnte und motivierte so weitere Ein- Pflege als sogenannte «Restkosten» für wohner/-innen ebenfalls Genossen- die Einwohner/-innen ihrer Gemeinde schafter/-in zu werden. übernehmen müssen. August 2017: Aufrichtfest im «Haus der Begegnung» Mitte April 2018: August 2020: Bezug der Start Pilotphase Räumlichkeiten der 10. Juni 2015: Kontaktstelle Alter Pflegewohngruppe Genehmigung Sonderkredit Überbauung «Chileweg» Februar 2019: über 17,5 Millionen CHF an Vollbelegung der Gemeindeversammlung Pflegewohnungen Bau Betrieb 2016 2017 2018 2019 2020 2021 September 2016: April 2019: November 2020: Baubeginn «Haus der Start Evaluation Ende Evaluation Begegnung» Interface Interface Mai 2018: Aufnahme der operativen 14. Juli 2016: Tätigkeit in der Spatenstich Pflegewohngruppe Zentrumsüberbauung Sonnenrain «Chileweg» März/April 2018: Bezug der Mietwohnungen 11
3.3 Projektverlauf gagierten Einsatz verschiedener Akteure menarbeitserklärung unterzeichnet. Der Der Realisierung des «Zentrums Chile- schliesslich das Projekt «Zentrum Chile- Rest des Grundstücks mit Kirchenparkplatz weg» ging eine lange Phase der Planung weg» mit der Pflegewohngruppe Sonnen- befand sich bereits im Eigentum der Ge- und Konzeption voraus. Bereits in den rain, den gemeinschaftlichen Räumen (in- meinde Rain. Jahren 2003 und 2004 erarbeitete eine klusive «Dorfplatz») sowie den Projektgruppe ein Konzept für eine Pfle- Mietwohnungen entstanden. | Überbauung «Zentrum Chileweg» gewohngruppe in der Gemeinde. Das An der Gemeindeversammlung vom Projekt scheiterte aber damals an den 3.4 Infrastruktur 30. Mai 2012 bewilligte die Bevölkerung kantonalen Vorgaben für Pflegebetten | Beschaffung des Grundstücks einen Planungskredit über 170’000 Fran- (Bettenmoratorium). Als auch ein Antrag Das Gebiet Chileweg/Chilestrasse wies ken. Damit konnten die nächsten Planungs- für den Einkauf von Pflegeplätzen bei ei- grosses Potenzial für die Entstehung eines schritte bis zur Vorlage eines Baukredits ner Nachbargemeinde im Jahr 2011 abge- Ortszentrums auf. Die Gemeinde konnte eingeleitet werden. lehnt wurde, beschloss der Gemeinderat, von einer privaten Person das Grundstück eine Projektgruppe einzusetzen, die das (1’714 m2) unter der Bedingung erwerben, 2018 wurde die Überbauung «Zentrum altersgerechte Wohnen zusammen mit der dass altersgerechter Wohnraum geschaffen Chileweg» erfolgreich realisiert. Sie um- Ortskernplanung grundsätzlich bearbeiten wird. Mit zwei weiteren benachbarten Lie- fasst ein Hauptgebäude («Haus der Begeg- sollte. In diesem Kontext ist unter dem en- genschaftseigentümern wurde eine Zusam- nung»), zwei Mehrfamilienhäuser sowie Abb. 3 Grundstück vor der Überbauung 12
einen grossen Platz im Innenhof, der das Mehrzweckraum und der Platz können ge- Potenzial zum «Dorfplatz» hat. Im Erdge- mietet werden (siehe rote Box ). Gegenüber schoss des Hauptgebäudes finden sich ein dem «Haus der Begegnung» befinden sich grosser Mehrzwecksaal, eine Bäckerei so- 15 Mietwohnungen. Die zwei Mehrfamili- wie ein Bistro. Im ersten und zweiten Stock enhäuser umfassen sieben 2½-Zimmer- des Hauptgebäudes ist die Pflegewohn- Wohnungen und je vier 3½-Zimmer- und gruppe Sonnenrain eingemietet. Der dritte 4½-Zimmer-Wohnungen. Im Erdgeschoss Stock umfasst zwei 3½-Zimmer-Wohnun- des einen Mehrfamilienhauses befindet gen und eine 6½-Zimmerwohnung. Der sich zudem eine Kindertagesstätte. D 3.2: Überbauung Zentrum Chileweg Haus der Begegnung 6 Mietwohnungen + Kita 3 Mietwohnungen PWG - 9 Einzelzimmer 9 Mietwohnungen PWG - 9 Einzelzimmer Bäckerei, Bistro, Mehrzweckraum Quelle: Darstellung Interface. Legende: PWG = Pflegewohngruppe. Quelle: Darstellung Interface auf Grundlage einer Fotoaufnahme der Gemeinde Rain. Legende: 1 = «Haus der Begegnung», 2 = «Dorfplatz», 3 = Mietwohnungen. 13
3.5 Trägerschaft Welche Vorteile bringt das Modell Genossen- Für den Betrieb der Pflegewohngruppe Sonnenrain ist die gleich- schaft? namige Genossenschaft verantwortlich. Zur Gewinnung von Ge- Eine Genossenschaft ist ein Zusammenschluss von nossenschaftern/-innen wurde am 13. November 2013 ein Informa- Personen, die gleiche oder ähnliche Ziele verfolgen. tionsanlass von der Gemeinde und der Arbeitsgruppe für die Die Genossenschafter/-innen tragen gemeinsam eine Bürger/-innen der Gemeinde Rain durchgeführt. Das Interesse der Idee. Dabei steht nicht das Erwirtschaften von Ge- Bevölkerung war gross und der Informationsanlass sehr gut be- winn im Vordergrund. Es schliessen sich zwei sonst sucht. Ziel war es, eine Genossenschaft mit einem Startkapital von am Markt gegenüberstehende Rollen zusammen, wie mindestens 600’000 Franken zu gründen. Vor der Gründung konn- zum Beispiel Mieter/-in und Vermieter/-in. Aufgrund ten interessierte Personen eine Absichtserklärung unterschreiben, des Demokratieprinzips verfügen alle über das gleiche dass sie bei der Gründung Anteilscheine der Genossenschaft kaufen Stimmrecht an der Generalversammlung. Dank ihrem würden. Mit einem entlang der stark befahrenen Dorfstrasse (in der Solidaritätsprinzip verfolgt die Genossenschaft be- Nähe vom Chileweg) aufgestellten Barometer wurde der Stand des stimmte Werte und Ziele. Die Mitgliedschaft in der Ge- zugesicherten Kapitals für die Genossenschaft visualisiert. Schliess- nossenschaft Pflegewohngruppe Sonnenrain bringt lich wurden Absichtserklärungen im Wert von 1,1 Millionen Fran- besondere Vorteile. So werden die Mitglieder beim ken unterzeichnet und die Genossenschaft «Pflegewohngruppe Eintritt in die Pflegewohngruppe prioritär behandelt. Sonnenrain» konnte am 20. Oktober 2014 gegründet werden. Aktu- Zusätzlich können die Mitglieder bei der Umsetzung ell zählt die Genossenschaft rund 360 Mitglieder. Die grössten An- des Projekts mitbestimmen. teile halten die Gemeinde Rain als Gründerin sowie die katholische Kirchgemeinde. Vier Firmen und eine politische Partei sind eben- falls Mitglieder der Genossenschaft. Die Verwaltung besteht aus fünf Mitgliedern, wovon ein Mitglied jeweils den Gemeinderat ver- tritt. Während der Aufbauphase waren zwei Gemeinderäte aus den Ressorts Finanzen und Soziales im Verwaltungsrat der Genossen- schaft vertreten. Seit der Betriebsaufnahme bildet die Gemeinderä- tin des Ressorts Soziales die Schnittstelle zwischen Gemeinderat und Genossenschaft. Auch Personen, die nicht in Rain wohnhaft sind, können Genossenschafter/-in werden. In der Konzeptionsphase wurden auch andere Rechtsformen wie beispielsweise Einzelunternehmen einer privaten Person, Aktien- gesellschaft (AG), Stiftung oder Verein in Betracht gezogen. Dabei wurden die Aspekte Mitspracherecht, Gewinnorientierung und Ver- bindlichkeit geprüft. Die Wahl der Trägerschaft in der Rechtsform einer Genossenschaft erwies sich für die Pflegewohngruppe aus verschiedenen Gründen als zielführend: Die Genossenschafter/-in- nen sind wichtige Werbeträger und Botschafter nach aussen, die gemeinsam eine Idee verfolgen und sich aktiv bei der Mitgestaltung einbringen können. Schliesslich hat das zusammengetragene Ge- nossenschaftskapital die Gemeindefinanzen massgeblich entlastet und das finanzielle Risiko des Projekts für die Gemeinde erheblich reduziert. Abb. 4 Finanzbarometer für Genossenschaftskapital 14
Wichtigste Erkenntnisse aus der Aufbauphase – Geeignete Trägerschaft finden: Die Wahl der Träger- gewohngruppe liefert sowie eine beratende Funktion bei schaft in Form einer Genossenschaft führte im Zentrum betriebswirtschaftlichen Fragen übernimmt. Chileweg zu einer breiten Akzeptanz des Projekts in der Bevölkerung. Dies wiederum hatte auch einen positiven – Ausreichend Zeit einplanen: Der Aufbau einer Pflege- Einfluss auf die Unterstützung des Projekts von Seiten Ge- wohngruppe benötigt viel Zeit. Einerseits für die Konzi- meinde. Zudem entlastete das zusammengetragene Ge- pierung und andererseits für die politischen Entschei- nossenschaftskapital nicht nur die Gemeindefinanzen, dungsprozesse, die Kapitalbeschaffung und schliesslich sondern die Genossenschaft trug auch das finanzielle Ri- für die baulichen Massnahmen. siko des Projekts. Die Rechtsform Genossenschaft erwies sich auch deshalb als zielführend, weil die Genossenschaf- – Aufbau schrittweise gestalten: Es empfiehlt sich, die ter/-innen wichtige Werbeträger und Botschafter nach Aufnahme des operativen Betriebs schrittweise zu gestal- aussen sind, gemeinsam eine Idee verfolgen und aktiv am ten und Prozesse langsam aufzubauen sowie bei Bedarf Geschehen teilnehmen. anzupassen. Dabei zeigt sich, dass es aufgrund der Be- triebsgrösse zielführend sein kann, gewisse Prozesse wie – Realistische Budgetierung mit betrieblichen Kennzah- etwa die Reinigung oder die Zubereitung von Mahlzeiten len erstellen: Die betriebliche Finanzierung muss von auszulagern. Im Zentrum Chileweg machte man zudem Anfang an geklärt sein. Kosten für den Aufbau und den die Erfahrung, dass sich Bedürfnisse in einer neu aufge- Betrieb sind realistisch zu budgetieren. Dabei spielen Stel- bauten Umgebung zuerst entwickeln müssen und das An- lenpläne für das Personal und die angestrebte Auslastung gebot anschliessend gemäss dem Bedarf aufgebaut wer- eine massgebende Rolle. Die entsprechenden Kennzahlen den sollte. wurden von den Verantwortlichen erhoben und laufend beobachtet. Bei Abweichungen wurden Anpassungen auf – Erfahrenes Personal in Aufbauphase wichtig: Insbeson- der Ausgabenseite vorgenommen. Erfahrungen aus ande- dere in der Aufbauphase ist es wichtig, dass erfahrene Per- ren Gemeinden zeigen, dass Fixkosten für nicht belegte sonen mit entsprechendem Know-how beteiligt sind, die Betten oft ungenügend in die Budgetierung einfliessen. wegweisende strategische Entscheide fällen können. Dass unter den Projektverantwortlichen eine im Altersbereich – Relevante Akteure früh einbinden: Es ist wichtig, bereits engagierte Gemeinderätin, der Präsident der Spitex Sem- zu Beginn des Projekts relevante Entscheidungsträger/-in- pach und Umgebung sowie eine Leiterin für die Pflege- nen und weitere Akteure einzubinden. Sei es, um das Pro- wohngruppe zur Verfügung stand, welche langjährige jekt politisch abzustützen oder bauliche Massnahmen an- strategische Erfahrungen als Vorstandsmitglied einer Trä- spruchsgerecht umzusetzen. Der frühe Einbezug gerschaft einer Pflegewohngruppe einbringen konnte, verschiedener Akteure führt auch zu einer grösseren Ak- brachte viel Know-how für den Aufbau der Pflegewohn- zeptanz des Projekts. So konnten beispielsweise mit einem gruppe zusammen. Zudem sind die Projektverantwortli- Besuch in der Pflegewohngruppe Primavera in Buttisholz chen innerhalb und ausserhalb der Gemeinde sehr gut ver- auch die zu Beginn eher skeptischen Gemeinderäte vom netzt und zeigten grosses Engagement. So war eine Konzept einer Pflegewohngruppe überzeugt werden. Privatperson bereit, ihre Liegenschaft abreissen zu lassen, Ebenso bestand von Beginn an ein regelmässiger Aus- damit die Überbauung «Zentrum Chileweg» realisiert tausch mit der Residio AG in Hochdorf, die auch die Rei- werden konnte. nigung übernimmt, die Mahlzeiten am Mittag für die Pfle- 15
4. Pflegewohngruppe mit 18 Plätzen Die Pflegewohngruppe befindet sich im «Haus der Be- gegnung» und belegt das erste und zweite Oberge- schoss des dreistöckigen Gebäudes. Den Bewoh- nern/-innen stehen insgesamt 18 Einzelzimmer, acht Nasszellen sowie auf beiden Stockwerken je eine Küche und ein grosszügiger Wohn- und Essbereich mit Balkon zur Verfügung. Des Weiteren gibt es eine Wellnessoase. Abb. 5 Grundriss Pflegewohngruppe 1. und 2. Stock Eine Pflegewohngruppe umfasst neun Bewohner/-in- nen. Die Zimmer sind mit Pflegebett, Nachttisch und einem eingebauten Schrank ausgestattet. Die restliche Zimmermöblierung kann individuell gestaltet werden und ermöglicht es den Bewohnern/-innen, ein Stück von zu Hause mitzubringen. Quelle: Darstellung Interface auf der Grundlage des Grund- risses von cometti truffer architekten. Legende: Grau: Zimmer der Bewohner/-innen der Pflege- wohngruppe à 16 m2; Gelb: Gemeinschaftsräume (links: Koch-/Essbereich à 44m2, rechts: Wohnbereich à 27m2 mit Loggia à 17m2). 16
Das Mittagessen für die Pflegewohngruppe wurde werden sehr geschätzt. Zudem ermögliche das At- bei Betriebsbeginn vom Bistro im Erdgeschoss an- rium im «Haus der Begegnung» den Bewoh- geliefert. Das Bistro musste jedoch im Sommer nern/-innen sich auch zu bewegen ohne nach 2019 aus betriebswirtschaftlichen Gründen ge- draussen gehen zu müssen (insbesondere wäh- schlossen werden (vgl. Abschnitt 5.3). Seither wird rend der Covid19-Pandemie). Für die Zukunft das Mittagessen bei der Residio AG in Hochdorf wünscht sich die Betriebsleiterin jedoch, dass die von einem Fahrdienst abgeholt. Dies wird auch bei Pflegewohngruppe noch mehr belebt wird. Zu Dis- Wiederinbetriebnahme des Bistros beibehalten. kussionen führen nach wie vor die Nasszellen, die Die Küche des Bistros ist aus Sicht der Projektver- jeweils von zwei Zimmern geteilt werden müssen. antwortlichen nicht für die Zubereitung altersge- Aus Sicht der Projektverantwortlichen wird die rechter Mahlzeiten ausgelegt. Das Frühstück und Kritik eher von Angehörigen oder Aussenstehen- das Nachtessen werden auf der Pflegewohngruppe den geäussert. Den Bewohnern/-innen der Pflege- zubereitet. Die Bewohner/-innen werden nach wohngruppe sei hingegen bewusst, dass sie so- Möglichkeit bei der Vor- und Zubereitung der wieso Unterstützung beim Gang auf die Toilette Mahlzeiten miteinbezogen. Ebenso können die Be- und daher keine private Toilette bräuchten. Zudem wohner/-innen beim Waschen und Wäsche zusam- würden dadurch die Hotelleriekosten für die Be- menlegen eingebunden werden, weshalb auf eine wohner/-innen tiefer ausfallen, weil weniger Unter- Auslagerung der Wäscherei verzichtet wurde. haltskosten anfallen würden. Insgesamt sind alle Befragten sehr zufrieden mit 4.1 Auslastung der Umsetzung der Pflegewohngruppe. Insbeson- Der Betrieb der Pflegewohngruppe wurde am dere der familiäre Rahmen und die Wohnlichkeit 1. Mai 2018 aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt 17
wohnten zwei Personen im 2. Stock. Laufend Stelle stehen Bürger/-innen der Gemeinde bereicherten neue Personen die Wohnung. Rain. Es wird jedoch auf die Gesamtsituation Die Pflegewohngruppe wurde dann im Au- geachtet. Wie ist die Situation zu Hause? gust 2018 um drei weitere Bewohner/-innen Welchen Pflegebedarf weist die Person auf? im 1. Stock erweitert. Seit Februar 2019 sind Kann das Personal im Sonnenrain diesem alle 18 Pflegeplätze besetzt. Insgesamt betrug Pflegebedarf gerecht werden? Die Entschei- die Auslastung 2019 96 Prozent, 2020 sind es dung fällt die Genossenschaft gemeinsam mit gar 100 Prozent (Stand Juni 2020). Die Be- der Sozialvorsteherin/dem Sozialvorsteher gründung liegt in der tiefen Fluktuation der der Gemeinde. Bewohner/-innen. Zudem gibt es eine Warte- liste, auf welcher im Juni 2020 fünf Personen 4.2 Tarife notiert sind. Dies sind insbesondere Rainer/-in- Die Tarife für den Aufenthalt in der Pflege- nen, die in Heimen ausserhalb von Rain platziert wohngruppe setzen sich aus den Kosten für sind, oder Personen, die zu Hause von der Spi- die Pflege und den Kosten für die Hotellerie tex betreut werden. (Betreuung, Wohnen, Verpflegung) zusam- men. Die Preise sind tendenziell höher als für Die Erweiterung um zusätzliche vier Pflege- stationäre Angebote in den umliegenden Ge- betten im dritten Obergeschoss konnte an- meinden, in welchen betagte Personen aus fänglich leider infolge des Überangebots von Rain bisher platziert wurden. Im Vergleich zu Langzeitpflegebetten im Kanton Luzern nicht den Angeboten im Umfeld der Stadt Luzern realisiert werden. Deshalb suchte die Ge- liegen die Kosten für die Hotellerie aber deut- meinde eine andere Lösung, um die 6 ½-Zim- lich tiefer. Zudem bewegen sich die Preise im mer-Wohnung im dritten Obergeschoss im Bereich des von den Sozialversicherungen «Haus der Begegnung» zu vermieten. Eine und den öffentlichen Leistungsträgern aner- Arztpraxis aus Rain, welche Interesse an ei- kannten Rahmens. Bei Betriebsbeginn betru- ner Miete der Räumlichkeiten hatte, zog ihr gen die Kosten für die Hotellerie 140 Franken Interesse jedoch wieder zurück. Die Verant- pro Tag und pro Person, im Januar 2019 wortlichen der Pflegewohngruppe werden zu wurde der Tarif auf 145 Franken pro Tag und gegebener Zeit einen neuen Antrag für zusätz- pro Person angehoben. 2020 erfolgte eine liche Pflegeplätze bei der Planungsregion ein- weitere Erhöhung von 8 Franken auf 153 Fran- reichen (vgl. Abschnitt 5.3). ken pro Tag. Aus Sicht der Projektverantwort- lichen müsste der Tarif aufgrund der hohen Grundsätzlich haben Mitglieder der Genos- Fixkosten noch weiter erhöht werden. Um senschaft Sonnenrain Vorrang bei der Auf- konkurrenzfähig zu bleiben, wird jedoch vor- nahme in die Pflegewohngruppe. An zweiter läufig darauf verzichtet. Was ist eine Pflegewohngruppe? Eine Pflegewohngruppe ist ein Wohnangebot für betagte Menschen. Als pflegebedürftig werden vom Kan- ton Luzern Personen betrachtet, die in den Pflegestufen 3–12 eingeordnet werden.2 Die Bedürfnisse der Bewohner/-innen stehen dabei im Mittelpunkt. Die älteren Frauen und Männer wohnen in Kleingruppen und werden bei Aktivitäten des täglichen Lebens (Bewegung, Essen und Trinken, Sicherheit, Beschäftigung usw.) wenn nötig unterstützt. Die Bewohner/-innen können den Tagesablauf selber bestimmen, sich freiwillig an Hausarbeiten beteiligen, ausgehen, Besuch empfangen oder sich zurückziehen. Die Bewohner/-innen werden 24 Stunden durch Fachpersonal betreut. Für die ärztliche Betreuung ist in der Regel die Hausärztin oder der Hausarzt zuständig. Sie schliessen einen Pensionsvertrag ab, welcher Vollpension, Putz- und Waschdienst beinhaltet. Die Wohnungen bestehen in der Regel aus Einzelzimmern mit Pflegebetten und einem für alle zugänglichen Wohn- und Essbereich. Die Zimmer können von den Bewohnern/-innen nach ihren eigenen persönlichen Bedürfnissen eingerichtet werden. Pflegewohngruppen ermöglichen das Ver- bleiben in der Gemeinde bis ans Lebensende. 2 Kanton Luzern (2017): Bericht Versorgungsplanung Langzeitpflege Kanton Luzern 2018–2025, Luzern. 18
4.3 Charakterisierung der Bewoh- von 7 vor. Die bisher gemachten Erfah- gestufen 7 bis 12 und ein Drittel den ner/-innen der Pflegewohngruppe rungen zeigten jedoch, dass eine durch- Pflegestufen 1 bis 6 zuzuordnen. Die Seit der Betriebsaufnahme der Pflege- schnittliche Pflegestufe von 5 realisti- Begründung liegt einerseits darin, dass wohngruppe im Mai 2018 haben 32 Per- scher ist. 2018 betrug die durch- Bewohner/-innen, die seit Beginn in der sonen dort ihr neues zu Hause gefunden. schnittliche Pflegestufe nach BESA 5,1, Pflegewohngruppe wohnen, pflegebe- In dieser Zeit sind fünf Personen ver- 2019 5,3 und im ersten Halbjahr 2020 dürftiger geworden sind. Andererseits storben, zwei Personen haben in eine 5,6. Darstellung D 4.1 zeigt die Vertei- nimmt die Genossenschaft aufgrund der andere Institution gewechselt und sie- lung der geleisteten Pflegestunden auf hohen Nachfrage prioritär Personen auf, ben sind nach einem Kurzzeitaufenthalt die Pflegestufen für die Zeiträume Mai bei welchen der Bedarf, in die Pflege- nach Hause zurückgekehrt. Fast 90 Pro- 2018 (Betriebsbeginn) bis Dezember wohngruppe zu wechseln, am grössten zent der Bewohner/-innen sind Frauen. 2018, Januar bis Dezember 2019 und Ja- ist. Diese Bewohner/-innen sind ent- Die Hälfte der Bewohner/-innen stammt nuar bis Mai 2020. Dabei ist ersichtlich, sprechend pflegeintensiver. aus der Gemeinde Rain. Die andere dass im ersten Betriebsjahr knapp zwei Hälfte kommt aus den umliegenden Ge- Drittel der geleisteten Pflegestunden den meinden Beromünster (3 Personen), Ho- Pflegestufen 1 bis 6 zugeordnet wurden, henrain (2 Personen), Eich (1 Person), gut ein Drittel den Stufen 7 bis 12. Im Nottwil (1 Person) und Rothenburg (1 Per- ersten Halbjahr 2019 wurde die korrekte son). Eine Person wohnte vorher ausser- Zuordnung geschult und genauer durch- halb des Kantons Luzern. geführt mit der Folge, dass 35 bezie- hungsweise 54 Prozent der geleisteten Die Bewohner/-innen der Pflegewohn- Pflegestunden den Pflegestufen 4 bis 6 gruppe werden gemäss dem Einstu- beziehungsweise 7 bis 12 zugeordnet fungssystem BESA LK20103 den Pfle- wurden. 11 Prozent wurden den Pflege- gestufen 1 bis 12 zugeordnet. Der stufen 1 bis 3 zugeordnet. Von Januar Businessplan der Pflegewohngruppe bis Mai 2020 sind mehr als zwei Drittel sieht eine durchschnittliche Pflegestufe der geleisteten Pflegestunden den Pfle- D 4.1: Pflegestunden nach Pflegestufen gemäss BESA LK2010 Mai bis Dezember 2018 30% 34% 36% Januar bis Dezember 2019 11% 35% 54% Januar bis Mai 2020 8% 24% 68% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Pflegestufen 1–3 Pflegestufen 4–6 Pflegestufen 7–12 Quelle: tacs®-Daten Pflegewohngruppe Sonnenrain, Stand Juni 2020. 3 Mithilfe des Einstufungssystems BESA LK2010 (Bewohner-Einstufungs- und Abrechnungssystem) wird der Pflegebedarf für Al- ters- und Pflegeheimbewohner/-innen ermittelt. Dabei handelt es sich um ein differenziertes und fundiertes Instrument, das von den Krankenversicherern für die Abrechnung des Pflegeaufwands anerkannt ist. Die Einstufung liegt zwischen 1 bis 12, wobei die Stufe 12 den höchsten Pflegebedarf anzeigt. 19
| Porträts von Bewohnern/-innen Zur Veranschaulichung der Zufriedenheit der Bewohner/-innen und damit der Nutzen der Pflege- wohngruppe haben wir Porträts verfasst. Sie basieren auf Erzählungen der Bewohner/-innen und ihren Angehörigen sowie auf Informationen der Betriebsleiterin. Heidi Mollet, 77 Jahre Marie Heim, 90 Jahre In der Pflegewohngruppe seit Juli 2018 In der Pflegewohngruppe seit Mai 2018 Der Einzug von Frau Mollet fand kurz nach der Eröffnung der Frau Heim lebt seit der Eröffnung in der Pflegewohngruppe Pflegewohnungen im Juli 2018 statt. Ursprünglich wollte sie Sonnenrain. Sie ist mit 88 Jahren als erste Bewohnerin auf zusammen mit ihrem pflegebedürftigen Partner ihren Lebens- Empfehlung ihres Hausarztes eingezogen. Zuvor lebte sie im abend in Rain, in der direkten Nachbarschaft ihrer Tochter ver- angrenzenden Quartier in einer Kleinwohnung. Obwohl ihre bringen. Frau Mollet verliess ihren bisherigen Wohnort im Kan- Familie sie gut in den eigenen vier Wänden begleitet hat, fühlte ton Solothurn und damit ihren Freundeskreis und fand in der sie sich zunehmend einsam. Auch die täglichen Arbeiten in der Pflegewohngruppe Sonnenrain ein neues Daheim. Dort wartete Wohnung wurden ihr mit der Zeit zu viel. sie auf den Nachzug ihres Partners. Leider verstarb er noch kurz Frau Heim ist eine begnadete Malerin. Bilder von ihr zieren die vor dem Wohnsitzwechsel nach längerer Krankheit im Spital. Wände in der Pflegewohnung und erfreuen nebst den Mitbe- Bis kurz vor ihrem Einzug in die Pflegewohnung fuhr Frau wohnern/-innen auch die Besucher/-innen. Mit ihren Bildern Mollet Auto und gestaltete ihren Alltag eigenständig. Durch den gestaltet Frau Heim wunderschöne Karten. Über eine handge- Tod ihres Partners fühlte sie sich einsam und genoss vom ersten schriebene Karte dürfen sich nebst der Familie auch viele Ver- Tag an die Gemeinschaft mit ihren neuen Mitbewohnern/-in- wandte und Freunde in der ganzen Schweiz freuen. Selbst die nen. Mitarbeitenden erhalten nebst der Weihnachtspost immer wie- Frau Mollet ist eine aufgeschlossene und sehr hilfsbereite Per- der liebe Dankesworte auf einer einmalig gestalteten Karte. sönlichkeit. Sie hilft aktiv vor allem im Bereich Küche mit und Durch den Eintritt in die Pflegewohngruppe fühlt sich Frau ist immer sehr besorgt um ihre Mitbewohner/-innen. Sie ist sehr Heim umsorgt und gut aufgehoben. Dank ihrer geistigen Fit- feinfühlig und spürt, wenn jemand Unterstützung und Zuwen- ness kann sie ihren Alltag eigenverantwortlich gestalten. Sie dung braucht. freut sich besonders, wenn sie Grüsse oder Neuigkeiten aus ih- Frau Mollet liebt es, immer wieder einen Rundgang durch die rer alten Heimat, dem Luzerner Hinterland erhält. Damit sie Gemeinde Rain zu machen. Dadurch kennt man sie auf der nach wie vor über diese Region informiert ist, hat sie die Regio- Strasse und weiss, dass Frau Mollet im Sonnenrain zuhause ist. nalzeitung, den «Willisauer Bote», abonniert. Sie geniesst auch die ausgedehnten Spaziergänge zusammen Die Mithilfe in der Hauswirtschaft bereitet Frau Heim nach wie mit ihrer Tochter. vor Freude und Befriedigung. So unterstützt sie die Mitarbei- tenden gerne bei Rüstarbeiten und beim Zusammenfalten von Frottierwäsche. Frau Heim schätzt den Aufenthalt sehr und strahlt eine grosse Zufriedenheit aus. 20
Maria und Heinrich Hausheer, beide 87 Jahre In der Pflegewohngruppe seit August 2018 Nach einem Kuraufenthalt von Frau Hausheer war die Rück- kehr auf den Bauernhof Seeblick in Kleinwangen nicht mehr möglich. Zu diesem Zeitpunkt waren in dieser Umgebung je- doch keine Betreuungs- und Pflegeplätze frei, weshalb die bei- den beschlossen, nach Rain in die Nähe ihres Sohnes zu ziehen. Ihr Sohn ist Pfarreileiter in Rain und wohnt mit seiner Familie via-à-vis der Pflegewohngruppe Sonnenrain. Zwei nebeneinanderliegende Bewohnerzimmer in der Pflege- wohngruppe wurden so umfunktioniert, dass das eine als Schlafzimmer und das andere als Wohnstube dient. Maria und Heinrich Hausheer haben dadurch innerhalb der Pflegewoh- nung ihre eigene 2-Zimmer-Wohnung mit Nasszelle, jedoch ohne Küche. Das Ehepaar besucht nach Möglichkeit jeweils am Donnerstag- und Sonntagmorgen den Gottesdienst in der Pfarrkirche. Wenn es die Kraft und ihre Hände zulassen, strickt Frau Hausheer sehr gerne. Herr Hausheer geniesst währenddessen die Ruhe auf dem Sofa. Besondere Freude bereitet den beiden ein Besuch bei ihrem Sohn im benachbarten Pfarreihaus. Dort verrichten sie kleine Handreichungen wie zum Beispiel Wäsche zusammen- legen. Das Gefühl von «noch gebraucht werden» ist dadurch allgegenwärtig. Im April 2020 konnten Maria und Heinrich Hausheer ihre Dia- mantene Hochzeit feiern. Sie gaben sich vor 60 Jahren das Ja- Wort in der Pfarrkirche Sins. Im Dorf kennt man inzwischen die Eltern des Pfarreileiters. Bei den Spaziergängen rund um das Haus und die Pfarrkirche erle- ben Maria und Heinrich Hausheer dadurch wundervolle Begeg- nungen. 21
4.4 Personal In der Vorbereitungs- und Startphase der Pflege- Die laufende Erfassung von Kennzahlen ermög- wohngruppe wurde eine Projektleiterin mit einem licht die erforderte strukturelle Führung. Mit dem 20-Prozent-Pensum von der Genossenschaft ange- Controlling-System tacs® werden neben der Ein- stellt. Sie brachte sehr viel Erfahrung aufgrund ih- stufung der Bewohner/-innen auch die geleisteten rer früheren Tätigkeit in der Pflegewohngruppe Arbeitsstunden aufgeschlüsselt nach den Aufga- Buttisholz mit. Sie übernahm eine beratende Funk- benbereichen Bewohner/-innen, Organisation, Bil- tion in der Baukommission bezüglich der Planung dung sowie Absenzen festgehalten. Ferner werden der Räume für die Pflegewohngruppe. Zusätzlich finanzielle Kenngrössen aus der laufenden Bilanz war sie für die Budgetierung, die Einkäufe und die und Erfolgsrechnung erstellt. Zusätzlich kann der Personalrekrutierung zuständig. Mit den zuneh- Personalbedarf berechnet werden. Darstellung menden Aufgaben nahm auch das Pensum der Pro- D 4.3 zeigt den berechneten Personalbedarf für den jektleiterin, die ab Juli 2017 als Betriebsleiterin Betrieb der Pflegewohngruppe für 24 Stunden an eingestellt wurde, kontinuierlich zu. Die Betriebs- sieben Tagen pro Woche im Vergleich zu den effek- leitung umfasst seit Juli 2019 ein Pensum von 70 tiv verfügbaren Ressourcen und der tatsächlich ein- Prozent. Neben der Betriebsleitung wurde auch gesetzten Personalzeit. Die Berechnung des Perso- eine Leitung Betreuung und Pflege eingestellt. nalbedarfs erfolgt anhand der Einstufung der Diese unterstützte die Betriebsleiterin insbesondere Bewohner/-innen in die Pflegestufen in Kombina- bei der Personalrekrutierung und beim Einkauf des tion mit dem hinterlegten Zeitbudget für das ge- Mobiliars. Aufgrund der knappen finanziellen Res- samte Team. sourcen wurde die Stelle der Leiterin Betreuung und Pflege per Ende Juli 2019 gestrichen. Stattdes- Aus der Darstellung geht hervor, dass im ersten Be- sen hat die Genossenschaft eine Teamleiterin ein- triebsjahr mehr Stunden geleistet wurden (grüner gesetzt. Balken) als effektiv benötigt worden wären (blauer Balken). Dies wurde in der Aufbauphase so ge- Die Pflegewohngruppe Sonnenrain nahm im Mai plant, damit genügend Ressourcen zur Verfügung 2018 ihren Betrieb mit 14 Mitarbeitenden (8,1 Voll- standen. Ab Februar 2019 waren alle Betten belegt zeitstellen) auf. Die Mitarbeitenden betreuten zu und die Pflegegruppe Sonnenrain wechselte in die diesem Zeitpunkt drei Bewohner/-innen. Die Be- Vollbetriebsphase. Der Personalbedarf und die Per- wohnerzahl stieg bis Ende 2018 auf 15 Personen. sonalzeit bewegen sich seitdem in etwa auf dem Seit dem 1. Februar 2019 sind die beiden Pflege- gleichen Niveau. Die verfügbaren Ressourcen (rote wohnungen mit 18 Bewohnern/-innen voll belegt. Linie) stellen die verfügbaren Arbeitsstunden des Seither sind 28 Mitarbeitende (13,4 Vollzeitstellen) Personals dar. Diese decken sich in den meisten angestellt. Davon sind 31 Prozent Pflegefachpersonen, Monaten sehr gut mit den effektiv geleisteten Stun- 22 Prozent Fachangestellte Gesundheit und 40 Prozent den. Lediglich in den Monaten Dezember (2018), Assistenzpersonal. 7 Prozent fallen auf die Administ- März und April (2019) sowie Juni 2019 sind deut- ration und Geschäftsleitung. Ziel der Projektver- lich mehr Stunden geleistet worden als effektiv ver- antwortlichen wäre, 15 Vollzeitstellen besetzen zu fügbar gewesen wären. Die Begründung liegt in können. Die laufende Änderung der Anzahl Mitar- den Feiertagen (Dezember) respektive Wochenen- beitender in der Aufbauphase erforderte von der den. Daraus ergaben sich bei gleicher Stellenbeset- Betriebsleitung permanente Struktur- und Prozess- zung weniger Arbeitsstunden. Im März und April anpassungen sowie sehr flexibles und motiviertes gab es viele Absenzen und so kam es zu Überzeit. Personal. Aufgrund der vielen Absenzen konnte der Perso- 22
D 4.2: Personalbedarf und verfügbare Ressourcen 3’500 3’000 2’500 2’000 Arbeitsstunden 1’500 1’000 500 0 Nov Dez Nov Dez Juli Okt Juli Okt Mai Mai Mai Aug Aug Sept April Sept April Jan Jan März März Feb Feb Juni Juni 2018 2019 2020 Personalbedarf Personalzeit Verfügbare Ressourcen Quelle: Daten Pflegewohngruppe Sonnenrain aus dem Controlling-System tacs®, Stand Juni 2020. nalbedarf ab März nicht mehr vollumfänglich auf- Werte werden den angestrebten Soll-Werten ge- gefangen werden, weshalb die verfügbaren Res- genübergestellt. Die Soll-Werte werden von den sourcen ab Juli – durch die Erhöhung des Pensums Projektverantwortlichen aufgrund von Erfahrungs- einer bestehenden Mitarbeiterin sowie den Einsatz werten definiert. So zeigt sich, dass im ersten Be- neuer Mitarbeitenden – erhöht wurden. Im Novem- triebsjahr der Anteil Administration und Organisa- ber 2019 gab es wiederum viele Absenzen infolge tion mit 40 Prozent deutlich über dem Soll-Wert Krankheit sowie zwei Kündigungen. Dank der Fle- von 28 Prozent liegt. 2019 wurde der geplante Wert xibilität der Mitarbeitenden, die kurzfristig ihr Pen- von 28 Prozent sogar leicht unterschritten. Im ers- sum erhöhten, konnten die zu leistenden Stunden ten Halbjahr 2020 konnte der Soll-Wert eingehal- erbracht werden. Die hohe Personalfluktuation be- ten werden. Gemäss Aussagen der Projektverant- gründen die Projektverantwortlichen damit, dass wortlichen liegt der Anteil Stunden, der während der Aufbauphase andere Tätigkeiten im normalerweise in Alters- und Pflegeheimen für Ad- Mittelpunkt standen als im mittlerweile eingekehr- ministration und Organisation aufgewendet wird, ten Alltag. Zudem würden insbesondere Betreu- zwischen 18 und 22 Prozent. Das Ziel für die Pfle- ungsaufgaben im Vordergrund stehen und nicht gewohngruppe Sonnenrain liegt bei 25 Prozent. Es pflegerische Aufgaben, was einzelne Mitarbeitende ist jedoch nachvollziehbar, dass insbesondere in bevorzugt hätten. Nach der eher unruhigen Phase der Aufbauphase der Anteil an administrativen und Ende 2019 wollen die Projektverantwortlichen organisatorischen Arbeiten höher ausfällt. Für die 2020 das Team konsolidieren und mit einem Team- Aus- und Weiterbildung des Personals wurden Coaching die gemeinsame Strategie und Philoso- 2018 und 2019 etwas weniger Stunden eingesetzt phie der Pflegewohngruppe vermitteln. als vorgesehen. 2020 wurden die geplanten 5 Pro- zent hingegen überschritten. Grund dafür seien die In Darstellung D 4.3 ist ersichtlich, wie viele Stun- zusätzlichen Weiterbildungen zur Teambildung. den für die einzelnen Tätigkeitsbereiche der Pflege- Die befragten Projektverantwortlichen heben zu- wohngruppe aufgewendet wurden. Die effektiven dem hervor, dass der Anteil Absenzen eher hoch 23
D 4.3: Geleistete Stunden nach Tätigkeitsbereich Mai bis Dezember Ist 42% 40% 5% 13% 2018 Soll 50% 28% 8% 14% Dezember 2019 Ist 49% 29% 3% 19% Januar bis Soll 51% 31% 5% 13% Januar bis Mai Ist 48% 28% 6% 19% 2020 Soll 51% 27% 5% 17% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Bewohner/-innen Organisation Bildung Absenzen Quelle: Daten Pflegewohngruppe Sonnenrain aus dem Controlling-System tacs®, Stand Juni 2020. ausfällt. Dies sei auf eine schlechte Ferienplanung sowie auf keiten im «Haus der Begegnung» von der Gemeinde Rain viele Ausfälle infolge Krankheit und Unfall zurückzuführen. gemietet. Zudem ist die zuständige Gemeinderätin des Res- Haupttätigkeit der Pflegewohngruppe bildet die Betreuung sorts Soziales in der Verwaltung der Genossenschaft Pflege- der Bewohner/-innen. Dementsprechend soll die Hälfte der wohngruppe Sonnenrain und bildet damit die Schnittstelle geleisteten Stunden für diesen Tätigkeitsbereich eingesetzt zwischen Gemeinderat und Genossenschaft. Einmal pro werden. Im ersten Betriebsjahr konnte dieser Wert nicht ganz Jahr präsentiert die Genossenschaft dem Gemeinderat die erreicht werden, 2019 wurde das Ziel erreicht. Im ersten Halb- Betriebszahlen und berichtet über Erfolge und Herausforde- jahr 2020 wurde das Soll fast erreicht. In diesem Kontext ist rungen. zu erwähnen, dass es den Verantwortlichen wichtig ist, dass – Residio AG: Die Residio AG bietet ambulante und statio- die Bewohnerinnen und Bewohner eine qualitativ hochste- näre Dienstleistungen für die ältere Bevölkerung im Raum hende Betreuung erhalten. Diese kann leider nicht immer rest- Hochdorf und Umgebung an. Aufgrund der langjährigen Er- los über den Leistungskatalog gemäss Krankenpflege-Leis- fahrungen mit ambulanten und stationären Dienstleistungen tungsverordnung (KLV) abgerechnet werden. Darunter fallen tauscht sich die Betriebsleiterin regelmässig mit den Ver- beispielsweise Unterhaltungsaktivitäten wie Gesellschafts- antwortlichen der Residio AG aus. Zudem ist die Residio spiele, Basteln, Singen oder Spaziergänge. Der Zielwert von 30 AG für die Reinigung der Pflegewohngruppe zuständig und Prozent nicht KLV-pflichtiger Leistungen 2018 und 2019 konnte liefert seit der Schliessung des Bistros das Mittagessen. Zu- zwar erreicht werden. Für 2020 wird aufgrund des knappen Bud- sätzlich werden die Stellvertretungen im Austausch mit der gets jedoch mit einem Anteil von 25 Prozent nicht KLV-pflich- Residio AG organisiert. Damit die Zusammenarbeit einfa- tiger Leistungen geplant. cher abgewickelt werden kann, benutzt die Pflegewohn- gruppe dieselben IT-Systeme für die Administration, die 4.5 Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure Buchhaltung, die Personaleinsatzplanung und die Doku- Die Projektverantwortlichen arbeiteten von Beginn an eng mit ver- mentation der Bewohner/-innen. schiedenen Akteuren zusammen (vgl. Darstellung D 4.4): – Spitex Sempach und Umgebung: Die Spitex Sempach und – Gemeinde Rain: Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Umgebung hilft bei der Durchführung des Mittagstisches Rain ergibt sich auf verschiedenen Ebenen. So hat die Ge- mit und betreut die Bewohner/-innen in den Mietwohnun- nossenschaft Pflegewohngruppe Sonnenrain die Räumlich- gen am Chileweg. Zusätzlich werden Lernende der Pflege- 24
wohngruppe auch in der Spitex einge- Mieter/-innen am Chileweg bei alltäg- dienst für den Transport der setzt und umgekehrt. lichen Handwerker-Arbeiten wie bei- Mahlzeiten von der Residio AG zur – Verein Bsuech: Regelmässig besu- spielsweise dem Wechseln von Glüh- Pflegewohngruppe zuständig. Der chen Freiwillige des Vereins Bewoh- birnen, dem Aufhängen von Bildern, Frauenbund Rain organisiert zwei bis ner/-innen der Pflegewohngruppe, um dem Umzug von Pflegebetten oder der drei Anlässe im Jahr (z.B. Advents- mit ihnen Gesellschaftsspiele zu spie- Entsorgung von Karton, Glas usw. feier), an welche die Bewohner/-innen len oder spazieren zu gehen. – Welcome Immobilien AG: Die Immo- der Pflegewohngruppe ebenfalls ein- – Lang Forst + Garten Umgebungs- bilienverwaltung ist für die Vermie- geladen werden. pflege GmbH: Zweimal pro Woche tung der Wohnungen am Chileweg – Pfarrei Rain: Jeden Freitag führt das sorgt das Team der Forst + Garten zuständig. Insbesondere bei der Erst- Seelsorgeteam der Pfarrei Rain in der Umgebungspflege GmbH im Auftrag vermietung arbeitete die Gemeinde Pflegewohngruppe eine Kommuni- der Gemeinde Rain dafür, dass im mit der Immobilienverwaltung zu- onsfeier durch. Zusätzlich übernimmt «Haus der Begegnung» und in den sammen, weil die Mehrheit der Woh- das Team die individuelle Seelsorge zwei Häusern am Chileweg mit den nungen an ältere Menschen vermietet der Bewohner/-innen. Mietwohnungen der Eingangsbereich, werden sollte. das Treppenhaus, der Lift und die all- – Frauenbund Rain: Der gemeinnützige Keine Zusammenarbeit besteht aktuell gemeinen Räumlichkeiten (WC-Anla- Verein Frauenbund Rain bietet einen mit dem Bistro im Erdgeschoss des gen, Kellerräume) im Untergeschoss Fahrdienst an. Dieser wird von den «Hauses der Begegnung». Der Bäcker sauber sind. Zusätzlich unterstützt das Bewohnern/-innen der Pflegewohn- unterstützt die Pflegewohngruppe hin- Team der Lang GmbH die Pflege- gruppe beispielsweise für Arztbesu- gegen ebenfalls beim Transport der wohngruppe, aber auch die älteren che genutzt. Zudem ist dieser Fahr- Mahlzeiten. D 4.4: Zusammenarbeit unter den Akteuren Quelle: Darstellung Interface. 25
Verein Bsuech Der Verein Bsuech bietet einen kostenlosen Besuchs- dienst in den Gemeinden Eich, Hellbühl, Neuenkirch, Rain, Sempach und Sempach-Station an. Geschulte ehrenamtlich tätige Mitarbeitende besuchen Mitmen- schen in der Region, begleiten sie auf Spaziergängen, sind Gesprächspartner/-innen oder unterstützen sie im Alltag. Der Verein erhält finanzielle Unterstützung der Kirchengemeinden und den Gemeinden. Ansonsten finanziert sich der Verein über Spendengelder und Bei- träge von Passivmitgliedern. Wichtigste Erkenntnisse aus der Umsetzung der Pflegewohngruppe – Regelmässiges Monitoring implementieren: Auch nach der Aufbauphase gilt weiterhin zu beachten, dass die betriebsinternen Prozesse reflektiert und wo nötig angepasst werden. Dazu gehört auch das regelmässige Monitoring von ausgewählten Kennzahlen (z.B. Aus- lastung, abgerechnete Leistungen), damit das Projekt auch betriebswirtschaftlich auf Kurs bleibt. Die monatlichen Auswertungen der Kennzahlen mit Soll-Ist-Vergleichen ermögli- chen den Projektverantwortlichen, zeitnahe strategische und betriebswirtschaftlich zielfüh- rende Anpassungen vorzunehmen. Die benötigten personellen und finanziellen Ressourcen können genau geplant und die Tarife auf einem konkurrenzfähigen Niveau gehalten wer- den, ohne Verlust zu machen. Es ist eine grosse Herausforderung, die hohen Fixkosten (insbesondere die Miete der Räumlichkeiten der Pflegewohngruppe) jedes Jahr decken zu können. – Nachfrage für Angebot ist gross: Die Akteure sind sich einig, dass das Angebot der Pfle- gewohngruppe Sonnenrain die Gemeinde Rain aufwertet. Die durchwegs hohe Auslastung zeige auch, dass ein Bedarf für ein solches Angebot bestehe. Trotzdem gebe es nach wie vor die Möglichkeit, Pflegebedürftige in den umliegenden Gemeinden zu platzieren. – Vernetzung der Akteure sicherstellen: Die Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen der Genossenschaft Pflegewohngruppe Sonnenrain und den involvierten Akteuren wie bei- spielsweise der Residio AG, der Spitex und der Gemeinde Rain wird von allen Seiten als gut beurteilt. Dadurch, dass jeweils die amtierende Gemeinderätin/der amtierende Gemein- derat Ressort Soziales in der Verwaltung der Genossenschaft vertreten ist, besteht ein Bin- deglied zwischen der Genossenschaft und der Gemeinde. – Personalkultur im Auge behalten: Die Personalrekrutierung gestaltete sich zu Beginn des Projekts einfach. Das Personal war motiviert und zeigte sich bei den laufenden Anpassun- gen flexibel. Im Verlauf des Projekts und mit dem Einkehren des Alltags entstanden jedoch vermehrt Absenzen und die Personalfluktuation nahm zu. Die Projektverantwortlichen füh- ren dies auf die spannendere Aufbauphase zurück. Ein Vorteil der Pflegewohngruppe ist die überschaubare Grösse, was neuem oder temporärem Personal sowie Mitarbeitenden mit kleinen Pensen ermöglicht, schnell einen Überblick zu gewinnen. Die flache Hierarchie und kurzen Dienstwege tragen massgeblich zur Akzeptanz von Entscheiden beim Personal bei. Die Projektverantwortlichen haben sich für die Zukunft zum Ziel gesetzt, das Team zu konsolidieren und in die gemeinsame Philosophie der Pflegewohngruppe zu investieren. Auf einen weiteren Ausbau der Pflegewohngruppe im dritten Obergeschoss wird vorläufig verzichtet. 26
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