Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bericht 2020 Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand Inhaltsverzeichnis Inhalt 4. Die staatliche menschenrechtliche Schutzpflicht Deutschlands und der Agrarsektor . . . . . . . 29 4.1 EU-Handels- und Investitionsabkommen behindern Umsetzung von Menschenrechten. . . . . . . . . . . 29 4.1.1 Die Welthandelsorganisation als internationaler Rahmen des Agrarhandels. . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4.1.2 Bilaterale und regionale EU-Handelsabkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 Kernbotschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4.1.3 Geistige Eigentumsrechte an Saatgut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34 4.1.4 Investitionsschutzabkommen: Einengung politischer Handlungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4.1.5 Menschenrechtsansatz der EU ungenügend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 4.1.6 Quo vadis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen: 4.2 Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 global, europäisch und national. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.1 Signalwirkung für eine gesetzliche Rahmensetzung auf globaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 5. Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht im Agrarsektor – Auswertung der 2.2 Impulse für eine stärkere Regulierung auf EU-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Unternehmensbefragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.3 Deutschlands mühsamer Weg zu gesetzlicher Rahmensetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 5.1 Methodik inklusive Unternehmensauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 2.3.1 Umsetzung des Nationalen Aktionsplans: Monitoring verwässert, verschleppt und mit 5.2 Grundsatzerklärung zu Menschenrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48 ernüchterndem Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 5.3 Integration von Menschenrechten in die Unternehmenspolitik – Beispiel Lieferantenkodizes . . . . . . . .50 2.3.2 Nationale Umsetzungsprozesse von EU-Rahmensetzungen schöpfen Potenzial nicht aus . . . . . . . . . .17 5.4 Kontinuierliche Ermittlung und Bewertung von Risiken und Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.4 Quo vadis: Deutschland sollte europäischer Vorreiter werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kasten: 1. Landkonflikte und Menschenrechtsverletzungen durch Sojaanbau in Südamerika. . . . . . . .54 Kasten: 2. Sojaanbau gefährdet Recht auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Standards, Risiken und Verpflichtungen . . . . . . . . . . 22 Kasten: 3. Antibiotikaproduktion ohne Abwasserbehandlung als Ursache für die Ausbreitung von 3.1 Menschenrechtliche Risikobereiche entlang der Wertschöpfungskette. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 Antibiotikaresistenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 3.2 Relevante Menschenrechtsnormen im Agrarsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kasten: 4. Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in der Fleischindustrie Süd-Oldenburg. . . . . . . .58 Kasten: 5. Menschenrechtliche Folgenabschätzungen von Arlas Investitionen in den Westafrikanischen Milchsektor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Impressum 5.5 Kasten: 6. Europäische Geflügelexporte nach Westafrika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 Gegenmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Bericht 2020 Herausgeber: 5.6 Transparenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: 5.7 Beschwerdemechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand 5.8 Quo vadis – Ohne gesetzliche Regelung kaum Fortschritte zu erwarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Bischöfliches Hilfswerk Germanwatch e. V. Autor*innen: MISEREOR e. V. Büro Berlin Cornelia Heydenreich und Armin Paasch Mozartstr. 9 Stresemannstr. 72 6. Bisher keine wirksamen Beschwerdewege für Betroffene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 52064 Aachen 10963 Berlin Mit Beiträgen von Reinhild Benning, Thomas Fritz, Julia Otten, 6.1 Zugang zu gerichtlicher Abhilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .76 Tel. +49 (0)241 / 442 0 Tel. +49 (0)30 / 28 88 356-0 Tobias Reichert, Sarah Schneider und Franziska Wohltmann Fax +49 (0)241 / 442 188 Fax +49 (0)30 / 28 88 356-1 6.1.1 Ohne Rechtsgrundlage kein Zugang zu Abhilfe: Transnationale Fälle aus der Agrarwirtschaft in Wir danken für wertvolle Hinweise und Kommentare von www.misereor.de www.germanwatch.org Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Christoph Bals, Lion Bintz, Bernd Bornhorst, Gertrud Falk, info@misereor.de info@germanwatch.org Cäcilia Hagenow, Roman Herre, Johanna Kusch, Philipp Mimkes, 6.1.2 Regelungslücken beim Zugang zu Recht in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 Nina Möhren, Helene Pinsuwan, Angela Reitmaier, Kontakt: Kontakt: 6.1.3 Quo vadis: Verbesserung des Zugangs zu Recht in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Miriam Saage-Maaß, Christian Schliemann, Johanna Sydow, Armin Paasch Cornelia Heydenreich Joseph Wilde und Michael Windfuhr. 6.2 Die OECD-Leitsätze als außergerichtlicher Beschwerdemechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 armin.paasch@misereor.de heydenreich@germanwatch.org Redaktion: Claudia Fix 6.2.1 Nur Teilfortschritt bei der Umstrukturierung der NKS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86 MISEREOR Büro Bonn 6.2.2 Verfahrensfragen und Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 Layout: Dietmar Putscher Arbeitsstelle Berlin Dr. Werner-Schuster-Haus Chausseestr. 128/ 129 Kaiserstr. 201 6.2.3 Von wirksamer Abhilfe für Betroffene noch weit entfernt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 Titelbild (Mato Grosso, Brasilien): shutterstock/PARALAXIS Titelbild Grafik-Auge: Kopp/MISEREOR 10115 Berlin 53113 Bonn Januar 2020 Tel. +49 (0)30 / 44 35 19 8-0 Tel. +49 (0)228 / 60 492-0 7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Fax +49 (0)30 / 44 35 19 86 Fax +49 (0)228 / 60 492-19 ISBN: 978-3-943704-78-5, Bestellnummer: 20-4-01 7.1 Neue Entwicklungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Gedruckt auf Recyclingpapier (FSC) mit umweltfreundlichen 7.2 Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Risiken und Standards. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .93 Druckfarben auf Basis nachwachsender Rohstoffe 7.3 Die menschenrechtliche Schutzpflicht Deutschlands im Agrarsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95 (Pflanzenölbasis nach DIN ISO 12647-2). 7.4 Menschenrechtliche Sorgfalt deutscher Unternehmen – ambitionierte gesetzliche Vorgaben nötig. . . .97 Diese Studie können Sie herunterladen unter 7.5 Weiterhin kein Zugang zu wirksamer Abhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 www.germanwatch.org/de/17692 bzw. www.misereor.de/fileadmin/publikationen/bericht-globale- agrarwirtschaft-und-menschenrechte.pdf Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2 3
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Tabellen ALSO Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg AWE Agentur für Wirtschaft und Entwicklung Tabelle 1: Unternehmensauswahl für die Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 BDA Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Tabelle 2: Die 15 Unternehmen des Agrarsektors im Überblick – Ausgewählte menschenrechtliche Aspekte . . . .74 BDI Bundesverband der Deutschen Industrie BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Grafiken BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Grafik 1: Rangfolge im Weltagrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 BSCI Business Social Compliance Initiative Grafik 2: Menschenrechtliche Grundsatzerklärungen der 15 untersuchten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 48 CESCR Committee on Economic, Social and Cultural Rights Grafik 3: Verhaltenskodizes für Lieferanten der 15 untersuchten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 CPT Comissão Pastoral da Terra Grafik 4: Risikoanalysen & Folgenabschätzungen der 15 untersuchten Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . .52 CSR Corporate Social Responsibility (Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen) Grafik 5: Beschwerdemechanismen der 15 untersuchten Unternehmen: Erfüllung ausgewählter DEval Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit Wirksamkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 DIMR Deutsches Institut für Menschenrechte ECCHR European Center for Constitutional and Human Rights EPA Economic Partnership Agreement Textkästen EZ Entwicklungszusammenarbeit Menschenrechtliche Verpflichtungen im Bereich der Handels- und Investitionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 FAO Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen/ Food and Agriculture Westafrika: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen gefährden das Recht auf Nahrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 Organisation Everything but Arms: Landgrabbing in Kambodscha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 FEFAC Europäischer Verband der Mischfutterindustrie Investitionsschutzabkommen mit Myanmar: Landrechte in Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 FIAN FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk e.V. GAP Gemeinsame Agrarpolitik Grüne Innovationszentren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41 GMP Good Manufactoring Practice Alliance for a Green Revolution for Africa (AGRA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42 ILO International Labour Organisation / Internationale Arbeitsorganisation Landkonflikte und Menschenrechtsverletzungen durch Sojaanbau in Südamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 IMA Interministerieller Ausschuss OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen Sojaanbau gefährdet Recht auf Gesundheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 INCRA Instituto Nacional de Colonização e Reforma Agrária Antibiotikaproduktion ohne Abwasserbehandlung als Ursache für die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen . . 57 LCV Landes-Caritasverband für Oldenburg Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in der Fleischindustrie Süd-Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 MERCOSUR Mercado Común del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens) Menschenrechtliche Folgenabschätzungen von Arlas Investitionen in den Westafrikanischen Milchsektor. . . . . .60 NAP Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte Europäische Geflügelexporte nach Westafrika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 NKS Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze Zertifizierungen und Standards im Sojaanbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 NRO Nichtregierungsorganisation(en) Mangelnde Kennzeichnung bei Pestizidexport durch die Bayer AG: Noch kein Fall für deutsche Gerichte . . . . . . .76 OECD Organisation for Economic Co-operation and Development / Organisation für wirtschaftliche Die Kaweri Kaffeeplantage der Neumann Kaffee Gruppe: Betroffene seit mehr als 18 Jahren ohne Zugang Recht. 78 Zusammenarbeit und Entwicklung Zivilklage vor dem Landgericht Dortmund gegen den Textildiscounter KiK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 PAN Pestizid Aktions-Netzwerk Die Musterfeststellungsklage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 PPPs Public-Private-Partnerships RTRS Round Table on Responsible Soy SDG Sustainable Development Goals TÜV Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) UN United Nations (Vereinte Nationen) UNDROP United Nations Declaration on the Rights of Peasants and other People Working in Rural Areas UNLP UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte VGGT Voluntary Guidelines for the responsible governance of tenure of Land, Fischery and Forests VLOG Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. VN Vereinte Nationen WHO World Health Organization / Weltgesundheitsorganisation WTO World Trade Organisation ZPO Zivilprozessordnung 4 5
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand Vorwort Vorwort Die Debatte zu Wirtschaft und Menschenrechten hat in reien, Geflügelproduzenten, Futtermittelhersteller und diese Position unterstützt, sind gesetzgeberische Maß- Mercosur-Handelsabkommen wird dafür zum Testfall. Mit den letzten Monaten in Deutschland enorm an Dynamik Agrarchemiekonzerne befragt. In unserer Analyse kommen nahmen unumgänglich. Deshalb begrüßen wir ausdrück- unseren Analysen und Schlussfolgerungen möchten wir gewonnen. Dabei dreht es sich im Kern um die Frage, ob wir zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen des lich die Ankündigung von Bundesarbeitsminister Huber- dazu beitragen, dass die deutsche Bundesregierung und die Bundesregierung mit einem Lieferkettengesetz insbe- Agrarsektors noch weit davon entfernt sind, ihrer men- tus Heil und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, deutsche Unternehmen des Agrarsektors die Menschen- sondere die großen oder in Risikosektoren tätigen Unter- schenrechtlichen Sorgfaltspflicht angemessen nachzu- nun Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz auszuarbeiten. rechte zukünftig ambitionierter umsetzen. nehmen verpflichten soll, bei ihren weltweiten Geschäften kommen. Gleichzeitig lassen sich anhand unserer Un- Zugleich appellieren wir an die gesamte Bundesregie- die Menschenrechte zu achten. Mit dem Nationalen Akti- tersuchung auch grundlegende Schwachpunkte in der rung und die Wirtschaftsverbände, den Vorstoß für ein Aachen und Bonn, Januar 2020 onsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) hatte die Methodik und im Anforderungsrahmen des NAP-Monito- wirkungsvolles Gesetz zu unterstützen. Bundesregierung 2016 zunächst beschlossen, die Unter- rings aufzeigen. nehmen freiwillig zur Achtung der Menschenrechte auf- Um seitens der Zivilgesellschaft den Prozess hin zu zurufen. Gleichzeitig beauftragte sie ein Monitoring, um In unserer Befragung haben wir die Unternehmen mit einer gesetzlichen Regelung voranzutreiben, haben zu überprüfen, ob die großen deutschen Unternehmen menschenrechtlichen Problemen konfrontiert, von denen Germanwatch und Misereor gemeinsam mit vielen an- ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht bereits aus- unsere Partnerorganisationen seit vielen Jahren berich- deren Organisationen im September 2019 die Initiative reichend nachkommen. ten und zu denen wir bereits seit langem aktiv sind. Dies Lieferkettengesetz ins Leben gerufen. Wir treten dafür ein, betrifft einerseits die Futtermittelproduktion, insbesonde- dass die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperio- Das Ergebnis des ersten Monitorings ist ernüchternd: re die von Soja in Südamerika, die vor allem in Brasilien de ein Gesetz zur Durchsetzung der menschenrechtlichen Foto: Gerold Kier Foto: MISEREOR Nur 20 Prozent der antwortenden Unternehmen erfüllen Landrechtsfragen dramatisch verschärft. Auch der steigen- Sorgfaltspflicht von Unternehmen beschließt. Das wäre demnach ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten ge- de Pestizideinsatz für die Soja-Monokulturen gefährdet ein wichtiger Schritt, um auch im Agrarsektor den Schutz mäß dem Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung. häufig das Menschenrecht auf Gesundheit. Am anderen der Menschenrechte voranzutreiben. Aber auch in der Han- Dabei haben sich nur wenige Unternehmen überhaupt an Ende der Wertschöpfungskette zerstören der Export von delspolitik, in der Subventionspolitik, in der Entwicklungs- Pirmin Spiegel, MISEREOR Christoph Bals, Germanwatch der Befragung beteiligt. Germanwatch und MISEREOR be- Milchpulver und Geflügelteilen aus Europa lokale Märkte zusammenarbeit oder beim Rechtszugang für von Men- obachten das Monitoringverfahren von Beginn an intensiv in Afrika und gefährden das Recht auf Nahrung der loka- schenrechtsverletzungen Betroffene gibt es noch großen und kritisieren die schwache Methodik, die Verwässerung len Produzent*innen. Handlungsbedarf, um den Menschenrechten zum Durch- von Anforderungen sowie die zeitliche Verschleppung. bruch zu verhelfen. Wenn die Europäische Union interna Unsere Unternehmensrecherche bestärkt unsere Ein- tional als Hüterin der Menschenrechte auftritt und die Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer MISEREOR Im Rahmen des vorliegenden Berichtes haben wir 15 schätzung, dass die deutschen Unternehmen – in diesem Umsetzung des Pariser Klimaabkommens fordert, dann Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer Germanwatch deutsche Unternehmen des Agrarsektors darauf unter- Fall die des Agrarsektors - freiwillig ihrer menschenrecht muss sie im Rahmen des European Green Deal das sucht, wie sie ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht lichen Verantwortung nicht ausreichend gerecht werden. Konzept der Handelsverträge grundlegend und men- nachkommen. Konkret haben wir die größten Molke- Da auch das Monitoring im Auftrag der Bundesregierung schenrechtskonform neu definieren. Der Umgang mit dem Foto: Schneider/MISEREOR Foto: Ressel/MISEREOR Foto: Fred Dott Foto: Fred Dott 6 7
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand Kernbotschaften Kernbotschaften Ernährungsindustrie und Landwirtschaft gehören nismen über die eigenen Beschäftigten hinaus auch für Auslandsgeschäfte gesetzlich zu verankern. Im Rah- nicht für Schäden, die durch ihre Tochterunternehmen zu den Sektoren, in denen es weltweit am häufigs- externe Betroffene an. Nur ein Unternehmen stellt in men des UN-Menschenrechtsrats haben konstruktive oder Auftragnehmer im Ausland verursacht werden. ten zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Betrof- der Darstellung des Beschwerdemechanismus einen Verhandlungen über den Entwurf eines neuen völker- Zum anderen stehen Betroffene im Ausland beim Zu- fen sind Produzent*innen, Konsument*innen sowie expliziten Bezug zu Menschenrechten her. Und nur drei rechtlichen Abkommens zu Wirtschaft und Menschen- gang zu deutschen Gerichten vor zahlreichen prozes- Anwohner*innen entlang der gesamten Wertschöp- Unternehmen stellen das Beschwerdeverfahren für Be- rechten begonnen. Der deutsche Bundestag hat zudem sualen Hürden. Dazu gehören insbesondere fehlende fungskette. Wesentliche Risiken betreffen den Zugang troffene transparent und berechenbar dar. Damit be- die Bundesregierung aufgefordert, während ihrer Euro- Kollektivklagemöglichkeiten, mangelnde Offenlegungs- zu Land und Wasser, Gesundheitsschäden durch exzes- stätigt die Studie den dringenden gesetzgeberischen päischen Ratspräsidentschaft 2020 für eine EU-Gesetz- verfahren bei der Beweiserhebung, das hohe Kosten siven Einsatz von Pestiziden und Antibiotika, ausbeu- Handlungsbedarf in Deutschland, damit Unternehmen gebung zur menschenrechtlichen Sorgfalt einzutreten. risiko bei Zivilklagen sowie zu kurze Verjährungsfristen. terische Arbeitsbedingungen auf Plantagen, Marktver- ihrer menschenrechtlichen Verantwortung künftig um- drängung von Kleinbetrieben durch Dumpingexporte fassend gerecht werden. Handels- und Investitionsabkommen schränken Seit fast zehn Jahren wurde keine Beschwerde zum und mangelnden Schutz von Agrarmärkten, Gewalt vielfach staatliche Spielräume zur Umsetzung von Agrarsektor bei der deutschen Nationalen Kontakt- und Repression sowie den Klimawandel. UN-Gremien Aufgrund des schlechten Abschneidens deutscher Menschenrechten im Agrarsektor ein. Dies gilt für das stelle (NKS) für die OECD-Leitsätze für multinationale haben seit der Jahrtausendwende mehrere internati- Unternehmen beim Monitoring ihrer menschenrecht- Agrarabkommen der Welthandelsorganisation WTO, Unternehmen eingereicht. Dies liegt auch an der man- onale Standards zum Schutz der Menschenrechte in lichen Sorgfalt haben die Bundesminister für Arbeit aber mehr noch für die bilateralen Handelsabkommen gelnden Glaubwürdigkeit dieses außergerichtlichen diesem Bereich entwickelt. und Soziales sowie für Entwicklung im Dezember 2019 der EU etwa mit Westafrika, Kolumbien, Peru sowie staatlichen Beschwerdeverfahrens. Die NKS erfüllt auch Eckpunkte für ein deutsches Lieferkettengesetz ange- die geplanten Abkommen mit Mexiko, den Mercosur- nach der im NAP zugesagten Reform bei weitem nicht Unsere Befragung und Analyse von 15 deutschen kündigt. Zugleich stockt die Umsetzung des deutschen Staaten und Myanmar. Diese gefährden nicht nur den die Anforderungen der UN-Leitprinzipien und bleibt Unternehmen im Agrarsektor zeigt, dass diese ihre Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschen- Zugang von Kleinproduzent*innen zu Märkten, son- hinter den zivilgesellschaftlichen Erwartungen weit zu- menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bisher un- rechte in anderen Bereichen wie der Handelspolitik, dern zum Teil auch zu Saatgut und Land. Instrumente rück: Die NKS ist weiterhin nicht unabhängig vom Bun- genügend umsetzen. Nur sieben von 15 Unternehmen öffentlichen Beschaffung und Außenwirtschaftsför- wie Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen, Menschen- deswirtschaftsministerium. Der Beschwerdeleitfaden verfügen über eine Grundsatzerklärung zu Menschen- derung. Auch bei der nationalen Umsetzung der CSR- rechtsklauseln und Nachhaltigkeitskapitel bieten bis- legt NRO nahe, während des Verfahrens auf öffentliche rechten, welche grundlegenden Anforderungen der Richtlinie der EU und der EU-Verordnung zu Konflikt her keinen Schutz vor negativen menschenrechtlichen Kampagnen zu verzichten. Und die Handlungsemp- UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte rohstoffen hat die Bundesregierung das Potenzial zur Auswirkungen. fehlungen beschränken sich unverändert auf künftige entspricht. Nur eins der 15 Unternehmen hat bislang Stärkung von Sorgfaltspflichten nicht hinreichend aus- Situationen und sehen keine Abhilfemaßnahmen für systematische menschenrechtliche Folgenabschätzun- geschöpft. Obgleich im Agrarsektor im Ausland viele Menschen- die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen vor, gen durchgeführt. Gegenmaßnahmen zur Vermeidung rechtsverletzungen unter Beteiligung deutscher Un- die eigentlich Gegenstand des Verfahrens sind. oder Beendigung von Menschenrechtsverletzungen International zeichnet sich im Bereich Wirtschaft und ternehmen dokumentiert sind, haben Betroffene sowie die Berichterstattung der Unternehmen be- Menschenrechte ein Paradigmenwechsel zu mehr bisher noch keine Entschädigungsklage vor einem schränken sich meistens auf Fälle, in denen diese be- Verbindlichkeit ab: Der UN-Sozialausschuss sieht deutschen Zivilgericht eingereicht. Grund ist zum A uf den Seiten 92-101 finden Sie eine reits mit öffentlicher Kritik konfrontiert wurden. Nur Staaten schon jetzt in der Pflicht, menschenrechtliche einen die mangelnde Grundlage im deutschen Recht: Zusammenfassung des Berichtes. sieben der 15 Unternehmen bieten Beschwerdemecha- Sorgfaltspflichten von Unternehmen auch mit Blick auf Deutsche Unternehmen haften in der Regel bislang Foto: Stéphane Lelarge/Initiative Lieferkettengesetz Foto: Kopp/MISEREOR Sojafelder verdrängen den Chaco-Wald in Santiago del Estero, Argentinien. Die Initiative Lieferkettengesetz fordert, dass die Bundesregierung Unternehmen gesetzlich zur weltweiten Achtung der Menschenrechte verpflichtet. 8 9
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand 1. Einleitung 1. Einleitung Regionale Lebensmittel und öko-soziale Standards portierte Agrarprodukte sogar in Höhe von 101 Milliarden dem bereits 2014 ein sektorübergreifender Bericht zu termittelhersteller und Agrarchemie. Einerseits wurden für deren Erzeugung genießen in der Bevölkerung hohe US-Dollar. Deshalb stehen sowohl die deutsche Politik als Wirtschaft und Menschenrechten und 2017 ein Bericht zur die Unternehmen zu den einzelnen Kernelementen der Wertschätzung, gleichzeitig nimmt in Deutschland die auch deutsche Unternehmen des Agrarsektors in einer Energiewirtschaft und Menschenrechten erschienen sind. menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht befragt, anderer- Globalisierung und Industrialisierung des Ernährungs- besonderen Verantwortung, die Menschenrechte in der Inwieweit deutsche Politik als auch deutsche Unterneh- seits wurden sie mit konkreten Menschenrechtsverstö- systems zu: Pestizidexporte, Futtersoja aus Regenwald- Agrarwirtschaft weltweit zu schützen beziehungsweise men des Agrarsektors ihrer menschenrechtlichen Verant- ßen, etwa beim Zugang zu Land, beim Pestizideinsatz im regionen Südamerikas, Antibiotika aus Indien, Exporte zu achten. wortung gerecht werden, analysieren wir auf Grundlage Sojaanbau, bei der Antibiotikaproduktion in Armutslän- von Geflügelresten und Milchpulvermassen auf sensible internationaler Standards, insbesondere der UN-Leitprin- dern, beim Umgang mit Schlachthofmitarbeiter*innen Märkte Afrikas – all dies sind Beispiele aus der globalen MISEREOR und Germanwatch beschäftigen sich seit zipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 und und beim Export von Billigfleisch- und Billigmilchpulver Wertschöpfungskette unserer industriellen Fleisch- und vielen Jahren mit den Auswirkungen der globalen Agrar der Allgemeinen Bemerkung Nr. 24 des UN-Ausschusses konfrontiert. Darüber hinaus haben die Autor*innen auch Milcherzeugung. Obwohl die Globalisierung der Landwirt- wirtschaft auf die Lebensverhältnisse von Menschen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 2017. vorliegende Veröffentlichungen und Berichte über Men- schaft Potenziale birgt, ist sie zugleich mit hohen men- in Afrika, Lateinamerika und Asien. Dabei nehmen wir schenrechtsverletzungen, an denen deutsche Unterneh- schenrechtlichen und ökologischen Risiken verbunden. die Situation von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, Der Bericht „Globale Agrarwirtschaft und Menschrechte“ men beteiligt waren, ausgewertet. Landarbeiter*innen und indigenen Bevölkerungsgrup- ist folgendermaßen aufgebaut: Anschließend an diese Deutschland spielt in der globalen Agrarwirtschaft eine pen besonders in den Blick. Denn obwohl sie einen Groß- Einleitung analysieren wir im nächsten Kapitel (2.) die Im sechsten Kapitel werden schließlich die Möglichkei- wichtige Rolle. Sowohl bei den weltweiten Agrarexporten teil der weltweiten Ernährung sichern, sind sie besonders politischen Entwicklungen in Deutschland, der EU und ten für Betroffene von wirtschaftsbezogenen Menschen- als auch bei den Agrarimporten belegt Deutschland den häufig von Hunger und Menschenrechtsverletzungen den Vereinten Nationen im Bereich Wirtschaft und Men- rechtsverstößen untersucht, mithilfe deutscher Gerichte dritten Rang. So exportierte Deutschland im Jahr 2018 betroffen. Daher legen wir den Schwerpunkt unseres schenrechte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Natio- oder des außergerichtlichen Beschwerdemechanismus Agrargüter im Wert von 82 Milliarden US-Dollar und im- aktuellen Berichts auf die globale Agrarwirtschaft, nach- nalen Aktionsplan der Bundesregierung und der aktuellen der OECD-Leitsätze zu ihrem Recht zu kommen (Säule Debatte um eine gesetzliche Regelung menschenrecht- III der UN-Leitprinzipien). Dabei werden konkrete Fall- licher Sorgfaltspflichten. Im dritten Kapitel beleuchten beispiele vor allem aus dem Agrarsektor, aber auch aus wir die menschenrechtlichen Herausforderungen, Staa- anderen Sektoren dokumentiert, welche jeweils die Pro Grafik 1: Rangfolge im Weltagrarhandel tenpflichten und Unternehmensverantwortung im Agrar- blematik verdeutlichen. im Jahr 2018, in Mrd. USD sektor, die den Rahmen für die folgenden Analysen bilden. In einer ausführlichen Zusammenfassung geben wir Exporte Importe Im vierten bis sechsten Kapitel werden entsprechend eine Gesamtschau auf die Ergebnisse und wesentliche USA 139 USA 156 der Struktur der UN-Leitprinzipien staatliche Schutz- Schlussfolgerungen für die weitere Debatte zu Wirtschaft pflichten, unternehmerische Verantwortung und der Zu- und Menschenrechten und konkret zum Schutz der Men- Niederlande 93 China 123 gang zu Abhilfe durch Rechtsmittel und Beschwerde- schenrechte in der Agrarwirtschaft. mechanismen (vgl. Graphik 2, S. 12) behandelt. Dabei Deutschland 82 Deutschland 101 gehen wir im dritten Kapitel der Frage nach, inwieweit der deutsche Staat in Bezug auf den Agrarsektor bislang Brasilien 81 Japan 71 seiner Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte durch Unternehmen nachkommt (Säule I der UN-Leit- China 72 Niederlande 68 prinzipien). Ein Schwerpunkt liegt auf der Handels- und Frankreich 71 Ver. Königreich 65 Investitionspolitik (4.1), daneben wird auch die Rolle der Entwicklungspolitik beleuchtet (4.2). Spanien 56 Frankreich 63 Im fünften Kapitel wird analysiert, inwieweit große Kanada 50 Italien 49 Unternehmen der deutschen Agrarwirtschaft in ihren globalen Wertschöpfungsketten ihrer Verantwortung Italien 47 Spanien 43 zur Achtung der Menschenrechte gerecht werden (Säule Belgien 45 Belgien 40 II der UN-Leitprinzipien). Germanwatch und MISEREOR haben 15 Unternehmen dazu befragt, wie sie die Anfor- Indonesien 37 Kanada 36 derungen aus den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte erfüllen. Ausgewählt wurden die größten Unternehmen aus verschiedenen Teilbereichen der Agrar Eigene Darstellung nach AMI 2019/AB-109, Quelle: WTO wirtschaft: Milchproduzenten, Geflügelproduzenten, Fut- 10 11
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand 2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen: global, europäisch und national 2. Der gesetzliche Rahmen für die menschen- Allgemeine Bemerkung Nr. 24 geht über UN-Leitprinzipien hinaus Fortschritte bei Verhandlungen des UN-Abkommens für Wirtschaft und rechtliche Sorgfalt von Unternehmen: Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund die „All- Menschenrechte global, europäisch und national gemeine Bemerkung“ Nr. 24, die der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (auch UN- Um ein Level Playing Field und Rechtssicherheit im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte für alle Unterneh- Sozialausschuss genannt) im Jahr 2017 verabschiedet men weltweit zu schaffen, bedarf es einer Rahmensetzung Die Debatte um gesetzliche Regelungen für ein men- hat. Als offizielles „Vertragsorgan“ des UN-Paktes für wirt- auf globaler Ebene. Bereits 2014 hatte der UN-Menschen- schenrechtskonformes Handeln von Unternehmen hat in schaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist er für des- rechtsrat einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe das den letzten Monaten und Jahren enorm an Fahrt gewon- sen Auslegung, die Präzisierung der daraus abzuleiten- Mandat erteilt, ein „völkerrechtlich verbindliches Instru- nen. Das folgende Kapitel beleuchtet zunächst wesent den staatlichen Verpflichtungen sowie die Überwachung ment“ zur menschenrechtlichen Regulierung wirtschaft liche Prozesse auf internationaler und europäischer Ebene der Umsetzung durch die Vertragsstaaten zuständig. Die licher Aktivitäten zu erarbeiten. Auf Grundlage vierjähriger und untersucht anschließend den Umsetzungsprozess des sogenannten „Allgemeinen Bemerkungen“ der offiziel- Konsultationen legte der ecuadorianische Vorsitzende der UN-Leitprinzipien für Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte Wirtschaft und Menschenrechte len Vertragsorgane der Menschenrechtspakte gelten als Arbeitsgruppe im Juni 2019 einen Entwurf des Abkom- sowie konkrete gesetzliche Maßnahmen und Entwicklun- „autoritative“ Interpretationen der Menschenrechte. mens vor (OEIGWG 2019). NRO bewerteten den Entwurf gen in Deutschland. überwiegend positiv, unterbreiteten zugleich aber Ver- Rechtsmittel und Beschwerde- In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 24 beschreibt der besserungsvorschläge (Treaty Alliance 2019, CIDSE 2019). Sozialausschuss der Vereinten Nationen Verpflichtungen Staatliche Schutzpflichten Zugang zu Abhilfe durch 2.1 Signalwirkung für eine von Staaten mit Blick auf wirtschaftliche Aktivitäten und In der fünften Sitzung der Arbeitsgruppe vom 14. bis 18. Wirtschaftsakteure und fordert verbindliche Maßnahmen Oktober 2019 haben in Genf die substanziellen Verhand- gesetzliche Rahmensetzung Unternehmerische von den Staaten ein. Dabei verstärkt der UN-Sozialaus- lungen über diesen Entwurf begonnen. Dabei lobten be- Verantwortung auf globaler Ebene mechanismen schuss die in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und sonders die Vertreter*innen von Peru, Mexiko, Südafrika Menschenrechte von 2011 enthaltenen Interpretationen, sowie Angola – im Namen der 54 afrikanischen Staaten insbesondere mit Blick auf die extraterritorialen Verpflich- – den vorgelegten Entwurf des Abkommens. Ihre aktive UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und tungen von Staaten, die sich auf Menschen außerhalb des und konstruktive Teilnahme an den Verhandlungen sag- Menschenrechte eigenen staatlichen Territoriums beziehen. Dies betrifft ten auch Länder wie Indien, Argentinien und Brasilien zu. 1 2 3 zum Beispiel die Effekte von Außenwirtschaftsförderung, Deutliche inhaltliche Kritik am Entwurf äußerte dagegen Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen öffentlicher Beschaffung und von Handels- und Investiti- neben Russland und Kolumbien auch China, das dennoch verabschiedete im Juni 2011 einstimmig die Leit- onsschutzabkommen (vgl. auch Kapitel 4.1). den Prozess insgesamt weiterhin unterstützt. prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die UN-Leitprinzipien beruhen auf drei Säulen: Die Deutlicher als in den UN-Leitprinzipien sieht der UN- Zwar nahm die EU-Kommission an der Sitzung der staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrech- Ausschuss die Staaten in der Pflicht, Unternehmen gesetz- Arbeitsgruppe teil. An den Verhandlungen beteiligte sie (1.) beschreibt die völkerrechtlichen Pflichten von te (vgl. Kasten) haben die Debatte zur menschenrecht lich zur menschenrechtlichen Sorgfalt zu verpflichten und sich allerdings nicht, sondern beschränkte sich ausdrück- Staaten, alle Menschen durch eine angemessene lichen Verantwortung von Unternehmen und zu den erfor- bezieht sich dabei explizit auf die Lieferkette des Unter- lich auf „Klärungsfragen“. Die deutsche Bundesregierung Politik und Regulierung vor Menschenrechtsverstö- derlichen gesetzlichen Rahmensetzungen in den letzten nehmens, inklusive Auftragnehmern, Lieferanten, Franchi- war nur an den ersten beiden Tagen durch eine Mitarbei- ßen durch Unternehmen zu schützen. Jahren entscheidend beeinflusst. Dabei empfiehlt der UN- senehmern und anderen Geschäftspartnern (CESCR 2017: terin des Auswärtigen Amtes vertreten und meldete sich Menschenrechtsrat in den Leitprinzipien gesetzliche Rege- Ziffer 16). Wenn vorbeugende Maßnahmen fehlschlagen nicht zu Wort. Als Begründung führten die Kommission wie Die Unternehmensverantwortung zur Achtung der lungen, formuliert dies aber nicht als eine völkerrechtliche und Geschäftsaktivitäten zum Verstoß gegen Rechte füh- auch die Bundesregierung an, dass die Mitgliedstaaten Menschenrechte (2.) beschreibt die menschenrecht- Verpflichtung von Staaten. So heißt es in Leitprinzip 3a: ren, sollen die Staaten Sanktionen und Strafen gegen die noch keine gemeinsame Position definiert und der Kom- liche Sorgfaltspflicht der Unternehmen. „Zur Wahrnehmung ihrer Schutzpflicht sollten Staaten (a) mutmaßlichen Verantwortlichen vorsehen (ebd.: Ziffer mission noch kein Verhandlungsmandat erteilt hätten. Rechtsvorschriften durchsetzen, deren Ziel oder Wirkung 15). Zudem sollen die Staaten dafür Sorge tragen, dass Als Teil ihrer Schutzverpflichtung müssen Staa- darin besteht, von Wirtschaftsunternehmen die Achtung Betroffene von Menschenrechtsverstößen durch Tochter- Dieses neuerliche Versteckspiel der EU und einiger ten den Betroffenen von Menschenrechtsverstößen der Menschenrechte einzufordern, und in regelmäßigen unternehmen und zentrale Geschäftspartner wirksamen Mitgliedstaaten ist schwer nachvollziehbar; war der ecu- durch Unternehmen den Zugang zu wirksamen Abständen die Hinlänglichkeit dieser Rechtsvorschriften Rechtszugang erhalten (ebd.). adorianische Vorsitzende der EU im Entwurf doch inhalt- gerichtlichen und außergerichtlichen Mitteln ver- zu bewerten und etwaige Lücken zu schließen.“ Im erläu- lich weit entgegen gekommen. Wie von der EU gefordert, schaffen (3). ternden Kommentar heißt es weiter „Staaten sollten […] orientiert sich der Entwurf eng an den UN-Leitprinzipien eine intelligente Mischung nationaler und internationa- für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 und dem ler, bindender und freiwilliger Maßnahmen in Erwägung Konzept der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. ziehen, um die Achtung der Menschenrechte durch Unter- Anders als in früheren Konzepten vorgesehen, sollen die nehmen zu fördern.“ Sorgfaltspflichten nicht nur für transnationale, sondern 12 13
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand 2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen: global, europäisch und national prinzipiell für alle Geschäfte gelten. Ein Vorrang für Men- Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, so besteht hier ein Ansatz- Zunächst einmal gab es grundsätzliche Kritik an der schenrechte vor Handels- und Investitionsabkommen fin- punkt für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten auf eu- geplanten Vorgehensweise aus dem NAP, auch von in- det sich in dem Entwurf ebenso wenig wie der Vorschlag ropäischer Ebene. Im Frühjahr 2019 gab es im Zusam- ternationaler Ebene. Der Sozialausschuss der Vereinten eines internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte menhang mit dieser Studie u.a. eine europaweite Online- Nationen kritisierte, dass die Bundesregierung laut NAP und transnationale Konzerne (Vgl. OEIGWG 2019). Befragung einerseits von Unternehmen und andererseits nur dann gesetzliche Maßnahmen ergreifen will, wenn von weiteren Stakeholdern, u.a. der Zivilgesellschaft. Die weniger als 50 Prozent der untersuchten Unternehmen Immerhin erkannte Kommissionsvertreter Guus Hout- Ergebnisse der Befragung sollen Anfang 2020 vorliegen. Prozesse zur menschenrechtlichen Sorgfalt umsetzen. tuin dieses Entgegenkommen und die verbesserte Qualität In seinen „Abschließenden Bemerkungen“, mit denen der des Entwurfs in seiner Rede während der Sitzungsrunde Sozialausschuss alle fünf Jahre den Umsetzungsstand durchaus an. Anders als in der vierten Sitzung der Arbeits- 2.3 Deutschlands mühsamer Weg der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in gruppe distanzierte sich die Kommission am letzten Sit- Deutschland bewertet, bemängelte er im Herbst 2018, zu gesetzlicher Rahmensetzung Foto: Eric Bridiers zungstag auch nicht vom Abschlussbericht, in dem alle dass es „zu einer Regulierungslücke führen kann“ (CESCR Staaten aufgefordert werden, den Entwurf des Abkom- 2018: 2), wenn ein großer Anteil der Unternehmen die Men- mens bis Ende November schriftlich zu kommentieren. Zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien auf nationaler schenrechtsstandards nicht anwendet. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission und die Bun- Ebene hat die deutsche Bundesregierung im Dezember Zum Smart Mix der UN-Leitprinzipien gehören verbindliche desregierung dieser Aufforderung auch Folge leisten und Regeln, betont deren Verfasser Professor John Ruggie. 2016 einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Men- Insbesondere geriet jedoch die Methodik des Monito- sich bei der nächsten Verhandlungsrunde im Oktober 2020 schenrechte (NAP) verabschiedet (Auswärtiges Amt 2017; rings zunehmend in die Kritik. Nichtregierungsorganisatio- tatsächlich aktiv und konstruktiv beteiligen. vgl. Heydenreich et al. 2017: 13ff). Über den NAP-Prozess nen und Gewerkschaften haben das Monitoring-Verfahren schaft und Menschenrechte vorgelegt hatte, dass Staa- und aktuelle politische Entwicklungen hinaus beleuchtet im Rahmen der AG Wirtschaft und Menschenrechte des ten wirksame Regulierungen schaffen müssen, um Unter- der folgende Abschnitt mit der CSR-Berichtspflicht und CSR-Forums konstruktiv begleitet, zugleich die Methodik 2.2 Impulse für eine stärkere nehmen auf die Menschenrechte zu verpflichten. Dies sei der Konfliktrohstoff-Verordnung nationale Umsetzungs- aber wiederholt deutlich kritisiert. Sie halten die im ers- ein essentieller Bestandteil vom sogenannten Smart Mix prozesse von zwei EU-Rahmensetzungen. Diese werden ten Zwischenbericht letztendlich vorgelegte Methodik für Regulierung auf EU-Ebene der UN-Leitprinzipien (Ruggie 2019: 3f). Anlässlich dieser zwar auch im NAP angesprochen, deren Umsetzungspro- „keine glaubwürdige, unabhängige und wissenschaftlich Konferenz und einen Tag nach Amtsantritt der neuen EU- zesse erfolgen jedoch auch unabhängig davon und sollen fundierte Grundlage“, um den Umsetzungsstand der men- Bislang gibt es noch keinen europäischen Aktions- Kommission forderten auch über 100 Organisationen der deshalb hier gesondert betrachtet werden. schenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen mit plan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft europäischen Zivilgesellschaft, dass die EU-Kommission mehr als 500 Mitarbeiter*innen angemessen und repräsen- und Menschenrechte, obwohl die Kommission 2011 ei- endlich verbindliche Sorgfaltspflichten einführt, damit tativ zu untersuchen und darzustellen (CorA et al. 2019: 2). nen entsprechenden Umsetzungsplan angekündigt hatte Unternehmen bei ihrer weltweiten Geschäftstätigkeit die 2.3.1 Umsetzung des Nationalen (EU-Kommission 2011: 17) und vom Europäischen Parla- Menschenrechte achten und die Umwelt schützen müs- Aktionsplans: Monitoring So kritisieren sie, dass die Analyse und Darstellung ment in mehreren Resolutionen dazu aufgefordert worden sen (11.11.11 et al. 2019). Wenige Tage zuvor hatten sich der Unternehmen anonym erfolgt und ohne Überprü- verwässert, verschleppt und mit war. Im Frühjahr 2019 hat jedoch die parteiübergreifende über 40 institutionelle Investoren für eine gesetzliche men- fung durch externe Fachleute. Zudem soll das Monitoring Responsible Business Conduct Working Group von Abge- schenrechtliche Sorgfaltspflichten ausgesprochen (Inves- ernüchterndem Ergebnis lediglich Sorgfaltsverfahren der Unternehmen, nicht aber ordneten im Europäischen Parlament einen „Schatten- tor Alliance 2019). deren Wirkung auf die Betroffenen von Menschenrechts- Aktionsplan“ vorgestellt. Dieser Plan beschreibt in einem Herzstück des deutschen Aktionsplans Wirtschaft und verletzungen überprüfen. Auch bleiben die Anforderungen Arbeitsprogramm für die neue Europäische Kommission, Darüber hinaus gibt es mit dem Aktionsplan zur Finan- Menschenrechte ist die von der Bundesregierung geäu- hinter den Standards der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft wie die UN-Leitprinzipien auf EU-Ebene umgesetzt werden zierung nachhaltigen Wachstums von 2018 einen weite- ßerte Erwartung, dass alle deutschen Unternehmen ihre und Menschenrechte weit zurück. Die vorgesehene Plausi- können. Der Plan umfasst eine Sorgfaltspflichtenrichtlinie ren Ansatzpunkt für Rahmensetzungen auf europäischer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten umsetzen, so- bilitätsprüfung der Unternehmensantworten ist bezüglich sowie rechtliche und finanzielle Unterstützungsmecha- Ebene. Ziel des Aktionsplans ist die Neuausrichtung der wie die Ankündigung eines entsprechenden Monitorings. der zentralen Elemente der menschenrechtlichen Sorgfalt nismen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigeren, auf Langfris- Damit lässt die Bundesregierung überprüfen, inwiefern sehr oberflächlich. Über den Comply-or-Explain-Mecha- durch Unternehmen, aber auch Maßnahmen im Bereich tigkeit ausgerichteten und gerechten Wirtschaft. Her- große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen nismus können Unternehmen schließlich bei unbegrenzt der öffentlichen Beschaffung sowie der Handels- und vorzuheben ist insbesondere die Maßnahme 10 des ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht angemessen vielen Fragen erklären, warum sie eine Anforderung nicht Investitionspolitik (RBC Group 2019). Aktionsplans, mit der die „Förderung einer nachhaltigen nachkommen. Im NAP hatte die Bundesregierung ver- erfüllen und dennoch als Erfüller der Anforderungen ge- Unternehmensführung“ bezweckt wird. Dazu lässt die ankert: „Sollte keine ausreichende Umsetzung erfolgen, wertet werden (CorA et al. 2018a, Forum Menschenrechte Die finnische Regierung veranstaltete im Rahmen ihrer EU-Kommission derzeit untersuchen, „ob Leitungsgre- wird die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin et al. 2019, CorA et al. 2019). EU-Ratspräsidentschaft am 2. Dezember 2019 die Konfe- mien der Unternehmen möglicherweise verpflichtet wer- zu gesetzlichen Maßnahmen und zur Erweiterung der zu renz „Conference on Business and Human Rights: towards den müssen, eine Nachhaltigkeitsstrategie‚ einschließlich erfassenden Unternehmen prüfen“ (Auswärtiges Amt 2017: Bereits in ihrer Leistungsbeschreibung zum Monitoring a common agenda for action“, um nächste Schritte auf angemessener Sorgfaltspflichten in der gesamten Liefer- 10). Laut Koalitionsvertrag wird die Bundesregierung in hatte die Bundesregierung vorgegeben, die quantitative europäischer Ebene zu diskutieren (EU2019.FI 2019). In kette, sowie messbare Nachhaltigkeitsziele auszuarbeiten diesem Fall ein Gesetz nicht nur erwägen, sondern „auf Auswertung nur auf jene Unternehmen zu beschränken, seiner Keynote unterstrich John Ruggie, der im Auftrag und zu veröffentlichen” (EU-Kommission 2018: 14). Auch nationaler Ebene gesetzlich tätig [werden]“ und sich „für die den Fragebogen beantworten. Tendenziell ist jedoch der Vereinten Nationen 2011 die Leitprinzipien für Wirt- wenn der Aktionsplan schwerpunktmäßig auf ökologische eine EU-weite Regelung einsetzen“ (CDU et al. 2018: 156). zu erwarten, dass vor allem jene Unternehmen antworten, 14 15
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand 2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen: global, europäisch und national die sich ohnehin schon mit den Menschenrechten beschäf- Die lange Auseinandersetzung innerhalb der Bundes- Auch eine Studie des Business & Human Rights 2.3.2 Nationale Umsetzungsprozesse tigen. Dies bestätigt auch die Untersuchung im Rahmen regierung über die Methodik des NAP-Monitorings hatte Resource Centre (BHRRC) und der School of Manage- von EU-Rahmensetzungen des vorliegenden Berichtes (vgl. Kapitel 5). Ein vom Forum auch dazu geführt, dass die quantitative Erhebung drei- ment and Law der Zürcher Hochschule für Angewandte schöpfen Potenzial nicht aus Menschenrechte und VENRO vorgeschlagener sogenann- einhalb Monate später begann. Eine weitere Verzöge- Wissenschaften hatte den 20 umsatzstärksten deutschen ter „Kontrollgruppenansatz“ ist auf Druck des BMWi und rung entstand, weil das Auswärtige Amt die Antwortfrist Unternehmen mangelhafte menschenrechtliche Sorg- Mehrere europäische Rahmensetzungen der vergange- des Kanzleramts jedoch jetzt nicht mehr vorgesehen, son- der Unternehmen zweimal verlängern ließ, da nicht ge- falt bescheinigt. Demnach erfüllt keines der Unterneh- nen Jahre, die Deutschland auf nationaler Ebene umset- dern soll lediglich zu einem späteren Zeitpunkt erwogen nügend Unternehmen teilnahmen (Heydenreich 2019). men alle untersuchten Menschenrechtsstandards aus den zen muss, enthalten bereits Elemente einer menschen- werden (CorA et al. 2019: 2). Damit verzögerte sich auch die Fertigstellung des zweiten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. rechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen. So umfasst Zwischenberichts zum NAP-Monitoring, der zunächst im Daraufhin konstatierte Phil Bloomer, der Geschäftsführer die sogenannte CSR-Richtlinie Berichtspflichten auch zu Mediale Aufmerksamkeit hatte erfahren, dass das BMWi Dezember 2019 veröffentlicht werden sollte. Nun beriet des renommierten BHRRC: „Die Ergebnisse deuten auch menschenrechtlichen Aspekten. Und die Konfliktroh- im ersten Halbjahr 2019 massiven Druck ausübte, um der Interministerielle Ausschuss für Wirtschaft und Men- darauf hin, dass die von der Bundesregierung bewer stoffverordnung schreibt menschenrechtliche Sorgfalts- beim Monitoring einen „flexibleren Umgang“ mit den un- schenrechte erstmals am 10. Dezember 2019 über die tete breitere Gruppe deutscher Unternehmen die von der pflichten in Bezug auf Rohstoffe aus Konfliktregionen fest. tersuchten Unternehmen durchzusetzen (BHRRC 2019b). ersten Ergebnisse. Am folgenden Tag beriefen Bundesar- Regierung vorgegebene Schwelle wahrscheinlich nicht Bei der nationalen Umsetzung haben die EU-Mitgliedsstaa- NRO und Gewerkschaften haben scharf kritisiert, dass beitsminister Hubertus Heil und Bundesentwicklungsmi- erreichen wird.“ ten einen Handlungsspielraum, den die Bundesregierung das BMWi neue Kategorien eingeführt hat: Unternehmen, nister Gerd Müller eine Pressekonferenz ein. Gerd Müller im Sinne der menschenrechtlichen Schutzpflicht nur welche die Anforderungen des NAP fast erfüllen („Unter- informierte laut Medienberichten, nicht einmal „20 Pro- Der Nationale Aktionsplan umfasst neben dem Moni- unzureichend genutzt hat. nehmen auf einem guten Wege“) oder bald erfüllen wol- zent erfüllen die Vorgaben“ (Zacharakis 2019). Hubertus toring weitere 68 Maßnahmen. Im Sommer 2019 erstell- len („Unternehmen mit Umsetzungsplan“) (Adelphi et al. Heil urteilte „Die ersten Ergebnisse sind mehr als ernüch- te das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) eine Anwendungsunsicherheit beim 2019). Durch diese Verwässerungen würde eine künstliche ternd.“ (BMAS 2019) Daraufhin kündigten beide Minister Liste aller Maßnahmen und erfragte bei den zuständigen CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz Grauzone geschaffen und der Prozentsatz der Unterneh- an, dass das BMAS und das BMZ „gemeinsam Eckpunkte Bundesministerien deren Umsetzungsstand. Anschlie- men, die die NAP-Anforderungen nicht erfüllen, manipu- für ein Gesetz erarbeiten“ (ebd.). Denn sie erwarten in der ßend erhielten Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Seit April 2017 ist das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz lativ nach unten verschoben (CorA et al. 2019). Zudem ist zweiten Befragungsrunde kein besseres Ergebnis (BMAS Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit, ebenfalls (CSR-RUG) in Kraft.1 Es verpflichtet kapitalmarktorientierte der Umgang mit diesen Sonderkategorien auch noch nicht 2019; Deutscher Bundestag 2019a). Die Ergebnisse kündigt den Umsetzungsstand zu bewerten. In einer zusammen- Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen, Infor- endgültig geklärt und soll zum Teil erst 2020 entschieden Hubertus Heil für Mai/Juni 2020 an (BMAS 2019). fassenden Zwischenbilanz hat das DIMR wesentliche Kri- mationen über wesentliche nichtfinanzielle Risiken im werden (Adelphi et al. 2019: 58f). tikpunkte dargestellt und Prioritäten bis zum Abschluss eigenen Unternehmen und in Bezug auf die Geschäftsbe- der Umsetzungsphase Ende 2020 aufgezeigt. Demnach ziehungen darzulegen. Dies umfasst insbesondere Infor- äußerten Gewerkschaften und NRO nicht nur Kritik am mationen zu Umwelt, Sozial-und Arbeitnehmerbelangen, Monitoring und einer fehlenden gesetzlichen Regelung, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Kor- sondern u.a. zu mangelnden Maßnahmen bei der Außen- ruption und Bestechung. Auswertungen der ersten Lage- wirtschaftsförderung, gegen ausbeuterische Arbeitsbe- bzw. Nachhaltigkeitsberichte, die seit Mitte 2018 vorlie- ziehungen im Inland sowie beim Zugang zu Abhilfe (DIMR gen, fallen ernüchternd aus (Althoff et al. 2018, DGCN et al. noch unveröffentlicht, vgl. auch Kapitel 6.1). 2018, EY 2018, IÖW 2019, PWC 2018). Zwar kann davon aus- gegangen werden, dass seit Inkrafttreten des Gesetzes die Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften Aufmerksamkeit für die nichtfinanziellen Themen bei der hatten bereits im Dezember 2018 eine „magere Halbzeit- Unternehmensleitung und dem Aufsichtsrat gestiegen ist bilanz“ der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gezo- (DGCN et al. 2018), dennoch wurde die Chance, Geschäfts- gen. Darin kritisierten sie, dass in zentralen Bereichen der prozesse stärker nachhaltig zu gestalten, nur von wenigen staatlichen Schutzpflicht, wie der Außenwirtschaftsförde- Unternehmen genutzt (MPM et al. 2018). rung, der öffentlichen Beschaffung oder bei den Handels- abkommen, „nur Trippelschrittchen“ erfolgten. (CorA et Untersuchungen der Berichterstattung der DAX 30 wei- al. 2018b: 6). So verschiebt das federführende BMWi seit sen darauf hin, dass den nichtfinanziellen Leistungsindi- fast drei Jahren mit unterschiedlichen Begründungen die katoren nicht dieselbe Relevanz beigemessen wird wie Erarbeitung des angekündigten Stufenplans für öffentliche den finanziellen Leistungsindikatoren (Althoff et al. 2018). Foto: imago images, photothek Beschaffung und reagiert nur auf wiederholte Nachfragen Das mag teilweise auch daran liegen, dass die interpretati- z. B. durch den Bundestag oder durch Nichtregierungsor- onsoffenen Formulierungen des Gesetzes bei den Anwen- ganisationen. Anders als im NAP versprochen, will sich die dern zu Unsicherheiten und operativen Schwierigkeiten Bundesregierung zudem nicht mehr dafür einsetzen, dass führen (DGCN et al. 2018). Die Zivilgesellschaft hatte im Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen vor Verhandlungs- Entwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil fassen das heiße Eisen einer gesetzlichen Regelung an und beginn zu Handelsabkommen durchgeführt werden (vgl. 1 Für eine Bewertung des Gesetzes aus menschenrechtlicher Perspektive vgl. Heyden- wollen bereits Anfang 2020 Eckpunkte für ein Gesetz vorlegen. auch Kapitel 4.1). reich et al. 2017: 17. 16 17
Sie können auch lesen