Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV

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Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020

Globale Agrarwirtschaft
und Menschenrechte:
Deutsche Unternehmen und Politik
auf dem Prüfstand
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                                                                                                                                                                                                      Inhaltsverzeichnis

Inhalt                                                                                                                                                                                      4. Die staatliche menschenrechtliche Schutzpflicht Deutschlands und der Agrarsektor .  .  .  .  .  .  . 29
                                                                                                                                                                                                4.1        EU-Handels- und Investitionsabkommen behindern Umsetzung von Menschenrechten.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 29
                                                                                                                                                                                                4.1.1      Die Welthandelsorganisation als internationaler Rahmen des Agrarhandels. . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Vorwort .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6
                                                                                                                                                                                                4.1.2      Bilaterale und regionale EU-Handelsabkommen.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .31
Kernbotschaften.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8                     4.1.3      Geistige Eigentumsrechte an Saatgut.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .34
                                                                                                                                                                                                4.1.4      Investitionsschutzabkommen: Einengung politischer Handlungsspielräume .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .35
1. Einleitung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 10                  4.1.5      Menschenrechtsansatz der EU ungenügend.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .37
                                                                                                                                                                                                4.1.6      Quo vadis .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 37
2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen:
                                                                                                                                                                                                4.2        Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 40
   global, europäisch und national.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12
    2.1   Signalwirkung für eine gesetz­liche Rahmensetzung auf globaler Ebene .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12                                             5. Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht im Agrarsektor – Auswertung der
    2.2   Impulse für eine stärkere Regulierung auf EU-Ebene .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14                              Unternehmens­befragung.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 46
    2.3   Deutschlands mühsamer Weg zu gesetzlicher Rahmensetzung.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .15
                                                                                                                                                                                                5.1        Methodik inklusive Unternehmensauswahl .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .46
    2.3.1 Umsetzung des Nationalen Aktionsplans: Monitoring verwässert, verschleppt und mit
                                                                                                                                                                                                5.2        Grundsatzerklärung zu Menschenrechten.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .48
          ernüchterndem Ergebnis.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .15
                                                                                                                                                                                                5.3        Integration von Menschenrechten in die Unternehmenspolitik – Beispiel Lieferantenkodizes .  .  .  .  .  .  .  .50
    2.3.2 Nationale Umsetzungsprozesse von EU-Rahmensetzungen schöpfen Potenzial nicht aus .  .  .  .  .  .  .  .  .  .17
                                                                                                                                                                                                5.4        Kontinuierliche Ermittlung und Bewertung von Risiken und Auswirkungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 52
    2.4 Quo vadis: Deutschland sollte europäischer Vorreiter werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
                                                                                                                                                                                                           Kasten: 1. Landkonflikte und Menschenrechtsverletzungen durch Sojaanbau in Südamerika.  .  .  .  .  .  .  .54
                                                                                                                                                                                                           Kasten: 2. Sojaanbau gefährdet Recht auf Gesundheit .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 56
3. Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Standards, Risiken und Verpflichtungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 22
                                                                                                                                                                                                           Kasten: 3. Antibiotikaproduktion ohne Abwasserbehandlung als Ursache für die Ausbreitung von
    3.1       Menschenrechtliche Risiko­bereiche entlang der Wertschöpfungskette.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .22
                                                                                                                                                                                                           Antibiotikaresistenzen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .57
    3.2       Relevante Menschenrechtsnormen im Agrarsektor .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 27
                                                                                                                                                                                                           Kasten: 4. Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in der Fleischindustrie Süd-Oldenburg.  .  .  .  .  .  .  .58
                                                                                                                                                                                                           Kasten: 5. Menschenrechtliche Folgenabschätzungen von Arlas Investitionen in den
                                                                                                                                                                                                           Westafrikanischen Milchsektor.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .60

     Impressum                                                                                                                                                                                  5.5
                                                                                                                                                                                                           Kasten: 6. Europäische Geflügelexporte nach Westafrika.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .62
                                                                                                                                                                                                           Gegenmaßnahmen.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 64
     Bericht 2020                                                                                  Herausgeber:
                                                                                                                                                                                                5.6        Transparenz.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .66
     Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte:                                                                                                                                                5.7        Beschwerdemechanismen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 68
     Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                                                                         5.8        Quo vadis – Ohne gesetzliche Regelung kaum Fortschritte zu erwarten .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 71
                                                                                                   Bischöfliches Hilfswerk                 Germanwatch e. V.
     Autor*innen:                                                                                  MISEREOR e. V.                          Büro Berlin
     Cornelia Heydenreich und Armin Paasch                                                         Mozartstr. 9                            Stresemannstr. 72                                6. Bisher keine wirksamen Beschwerdewege für Betroffene .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  76
                                                                                                   52064 Aachen                            10963 Berlin
     Mit Beiträgen von Reinhild Benning, Thomas Fritz, Julia Otten,                                                                                                                             6.1 Zugang zu gerichtlicher Abhilfe.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .76
                                                                                                   Tel. +49 (0)241 / 442 0                 Tel. +49 (0)30 / 28 88 356-0
     Tobias Reichert, Sarah Schneider und Franziska Wohltmann
                                                                                                   Fax +49 (0)241 / 442 188                Fax +49 (0)30 / 28 88 356-1                          6.1.1 Ohne Rechtsgrundlage kein Zugang zu Abhilfe: Transnationale Fälle aus der Agrarwirtschaft in
     Wir danken für wertvolle Hinweise und Kommentare von                                          www.misereor.de                         www.germanwatch.org                                        Deutschland .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 76
     Christoph Bals, Lion Bintz, Bernd Bornhorst, Gertrud Falk,                                    info@misereor.de                        info@germanwatch.org
     Cäcilia Hagenow, Roman Herre, Johanna Kusch, Philipp Mimkes,                                                                                                                               6.1.2 Regelungslücken beim Zugang zu Recht in Deutschland .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .80
     Nina Möhren, Helene Pinsuwan, Angela Reitmaier,                                               Kontakt:                                Kontakt:                                             6.1.3 Quo vadis: Verbesserung des Zugangs zu Recht in Deutschland .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 84
     Miriam Saage-Maaß, Christian Schliemann, Johanna Sydow,                                       Armin Paasch                            Cornelia Heydenreich
     Joseph Wilde und Michael Windfuhr.
                                                                                                                                                                                                6.2 Die OECD-Leitsätze als außergerichtlicher Beschwerdemechanismus .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 85
                                                                                                   armin.paasch@misereor.de                heydenreich@germanwatch.org
     Redaktion: Claudia Fix
                                                                                                                                                                                                6.2.1 Nur Teilfortschritt bei der Umstrukturierung der NKS.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .86
                                                                                                   MISEREOR                                Büro Bonn                                            6.2.2 Verfahrensfragen und Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .87
     Layout: Dietmar Putscher                                                                      Arbeitsstelle Berlin                    Dr. Werner-Schuster-Haus
                                                                                                   Chausseestr. 128/ 129                   Kaiserstr. 201
                                                                                                                                                                                                6.2.3 Von wirksamer Abhilfe für Betroffene noch weit entfernt.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .89
     Titelbild (Mato Grosso, Brasilien): shutterstock/PARALAXIS
     Titelbild Grafik-Auge: Kopp/MISEREOR                                                          10115 Berlin                            53113 Bonn

     Januar 2020
                                                                                                   Tel. +49 (0)30 / 44 35 19 8-0           Tel. +49 (0)228 / 60 492-0                       7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 92
                                                                                                   Fax +49 (0)30 / 44 35 19 86             Fax +49 (0)228 / 60 492-19
     ISBN: 978-3-943704-78-5, Bestellnummer: 20-4-01                                                                                                                                            7.1        Neue Entwicklungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 92
     Gedruckt auf Recyclingpapier (FSC) mit umweltfreundlichen                                                                                                                                  7.2        Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Risiken und Standards.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .93
     Druckfarben auf Basis nachwachsender Rohstoffe                                                                                                                                             7.3        Die menschenrechtliche Schutzpflicht Deutschlands im Agrarsektor .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .95
     (Pflanzenölbasis nach DIN ISO 12647-2).                                                                                                                                                    7.4        Menschenrechtliche Sorgfalt deutscher Unternehmen – ambitionierte gesetzliche Vorgaben nötig.  .  .  .97
     Diese Studie können Sie herunterladen unter                                                                                                                                                7.5        Weiterhin kein Zugang zu wirksamer Abhilfe .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 99
     www.germanwatch.org/de/17692 bzw.
     www.misereor.de/fileadmin/publikationen/bericht-globale-
     agrarwirtschaft-und-menschenrechte.pdf                                                                                                                                                 Literaturverzeichnis.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  102

2                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        3
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                                                                                                                    Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis                                                                                                                                                                               Abkürzungsverzeichnis
Tabellen                                                                                                                                                                                            ALSO       Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg
                                                                                                                                                                                                    AWE        Agentur für Wirtschaft und Entwicklung
Tabelle 1: Unternehmensauswahl für die Untersuchung.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .47                                  BDA        Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Tabelle 2: Die 15 Unternehmen des Agrarsektors im Überblick – Ausgewählte menschenrechtliche Aspekte .  .  .  .74                                                                                   BDI        Bundesverband der Deutschen Industrie
                                                                                                                                                                                                    BMAS       Bundesministerium für Arbeit und Soziales
                                                                                                                                                                                                    BMEL       Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Grafiken                                                                                                                                                                                            BMWi       Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
                                                                                                                                                                                                    BMZ        Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
 Grafik 1:		     Rangfolge im Weltagrarhandel .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .10
                                                                                                                                                                                                    BSCI       Business Social Compliance Initiative
 Grafik 2:       Menschenrechtliche Grundsatzerklärungen der 15 untersuchten Unternehmen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48
                                                                                                                                                                                                    CESCR      Committee on Economic, Social and Cultural Rights
 Grafik 3:		     Verhaltenskodizes für Lieferanten der 15 untersuchten Unternehmen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 51
                                                                                                                                                                                                    CPT        Comissão Pastoral da Terra
 Grafik 4:       Risikoanalysen & Folgenabschätzungen der 15 untersuchten Unternehmen.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .52
                                                                                                                                                                                                    CSR        Corporate Social Responsibility (Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen)
 Grafik 5:       Beschwerdemechanismen der 15 untersuchten Unternehmen: Erfüllung ausgewählter
                                                                                                                                                                                                    DEval      Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit
                 Wirksamkeitskriterien .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 68
                                                                                                                                                                                                    DIMR       Deutsches Institut für Menschenrechte
                                                                                                                                                                                                    ECCHR      European Center for Constitutional and Human Rights
                                                                                                                                                                                                    EPA        Economic Partnership Agreement
Textkästen                                                                                                                                                                                          EZ         Entwicklungszusammenarbeit
Menschenrechtliche Verpflichtungen im Bereich der Handels- und Investitionspolitik .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30                                                          FAO        Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen/ Food and Agriculture
Westafrika: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen gefährden das Recht auf Nahrung.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .32                                                                         Organisation
Everything but Arms: Landgrabbing in Kambodscha .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 34                              FEFAC      Europäischer Verband der Mischfutterindustrie
Investitionsschutzabkommen mit Myanmar: Landrechte in Gefahr .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36                                            FIAN       FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk e.V.
                                                                                                                                                                                                    GAP        Gemeinsame Agrarpolitik
Grüne Innovationszentren.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .41
                                                                                                                                                                                                    GMP        Good Manufactoring Practice
Alliance for a Green Revolution for Africa (AGRA).  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .42
                                                                                                                                                                                                    ILO        International Labour Organisation / Internationale Arbeitsorganisation
Landkonflikte und Menschenrechtsverletzungen durch Sojaanbau in Südamerika .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 54
                                                                                                                                                                                                    IMA        Interministerieller Ausschuss OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
Sojaanbau gefährdet Recht auf Gesundheit.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .56
                                                                                                                                                                                                    INCRA      Instituto Nacional de Colonização e Reforma Agrária
Antibiotikaproduktion ohne Abwasserbehandlung als Ursache für die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen .  . 57
                                                                                                                                                                                                    LCV        Landes-Caritasverband für Oldenburg
Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in der Fleischindustrie Süd-Oldenburg .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 58
                                                                                                                                                                                                    MERCOSUR   Mercado Común del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens)
Menschenrechtliche Folgenabschätzungen von Arlas Investitionen in den Westafrikanischen Milchsektor.  .  .  .  .  .60
                                                                                                                                                                                                    NAP        Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte
Europäische Geflügelexporte nach Westafrika.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 62                       NKS        Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze
Zertifizierungen und Standards im Sojaanbau .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 64                      NRO        Nichtregierungsorganisation(en)
Mangelnde Kennzeichnung bei Pestizidexport durch die Bayer AG: Noch kein Fall für deutsche Gerichte .  .  .  .  .  .  .76                                                                           OECD       Organisation for Economic Co-operation and Development / Organisation für wirtschaftliche
Die Kaweri Kaffeeplantage der Neumann Kaffee Gruppe: Betroffene seit mehr als 18 Jahren ohne Zugang Recht. 78                                                                                                  Zusammenarbeit und Entwicklung
Zivilklage vor dem Landgericht Dortmund gegen den Textildiscounter KiK .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 80                                                 PAN        Pestizid Aktions-Netzwerk
Die Musterfeststellungsklage.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .82      PPPs       Public-Private-Partnerships
                                                                                                                                                                                                    RTRS       Round Table on Responsible Soy
                                                                                                                                                                                                    SDG        Sustainable Development Goals
                                                                                                                                                                                                    TÜV        Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE)
                                                                                                                                                                                                    UN         United Nations (Vereinte Nationen)
                                                                                                                                                                                                    UNDROP     United Nations Declaration on the Rights of Peasants and other People Working in Rural Areas
                                                                                                                                                                                                    UNLP       UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
                                                                                                                                                                                                    VGGT       Voluntary Guidelines for the responsible governance of tenure of Land, Fischery and Forests
                                                                                                                                                                                                    VLOG       Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V.
                                                                                                                                                                                                    VN         Vereinte Nationen
                                                                                                                                                                                                    WHO        World Health Organization / Weltgesundheitsorganisation
                                                                                                                                                                                                    WTO        World Trade Organisation
                                                                                                                                                                                                    ZPO        Zivilprozessordnung

4                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   5
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                                                                                                                                              Vorwort

Vorwort
   Die Debatte zu Wirtschaft und Menschenrechten hat in                                reien, Geflügelproduzenten, Futtermittelhersteller und                          diese Position unterstützt, sind gesetzgeberische Maß-                              Mercosur-Handelsabkommen wird dafür zum Testfall. Mit
den letzten Monaten in Deutschland enorm an Dynamik                                    Agrarchemiekonzerne befragt. In unserer Analyse kommen                          nahmen unumgänglich. Deshalb begrüßen wir ausdrück-                                 unseren Analysen und Schlussfolgerungen möchten wir
gewonnen. Dabei dreht es sich im Kern um die Frage, ob                                 wir zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen des                              lich die Ankündigung von Bundesarbeitsminister Huber-                               dazu beitragen, dass die deutsche Bundesregierung und
die Bundesregierung mit einem Lieferkettengesetz insbe-                                Agrarsektors noch weit davon entfernt sind, ihrer men-                          tus Heil und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller,                                deutsche Unternehmen des Agrarsektors die Menschen-
sondere die großen oder in Risikosektoren tätigen Unter-                               schenrechtlichen Sorgfaltspflicht angemessen nachzu-                            nun Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz auszuarbeiten.                             rechte zukünftig ambitionierter umsetzen.
nehmen verpflichten soll, bei ihren weltweiten Geschäften                              kommen. Gleichzeitig lassen sich anhand unserer Un-                             Zugleich appellieren wir an die gesamte Bundesregie-
die Menschenrechte zu achten. Mit dem Nationalen Akti-                                 tersuchung auch grundlegende Schwachpunkte in der                               rung und die Wirtschaftsverbände, den Vorstoß für ein                               Aachen und Bonn, Januar 2020
onsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) hatte die                                  Methodik und im Anforderungsrahmen des NAP-Monito-                              wirkungsvolles Gesetz zu unterstützen.
Bundesregierung 2016 zunächst beschlossen, die Unter-                                  rings aufzeigen.
nehmen freiwillig zur Achtung der Menschenrechte auf-                                                                                                                     Um seitens der Zivilgesellschaft den Prozess hin zu
zurufen. Gleichzeitig beauftragte sie ein Monitoring, um                                  In unserer Befragung haben wir die Unternehmen mit                           einer gesetzlichen Regelung voranzutreiben, haben
zu überprüfen, ob die großen deutschen Unternehmen                                     menschenrechtlichen Problemen konfrontiert, von denen                           Germanwatch und Misereor gemeinsam mit vielen an-
ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht bereits aus-                                unsere Partnerorganisationen seit vielen Jahren berich-                         deren Organisationen im September 2019 die Initiative
reichend nachkommen.                                                                   ten und zu denen wir bereits seit langem aktiv sind. Dies                       Lieferkettengesetz ins Leben gerufen. Wir treten dafür ein,
                                                                                       betrifft einerseits die Futtermittelproduktion, insbesonde-                     dass die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperio-
  Das Ergebnis des ersten Monitorings ist ernüchternd:                                 re die von Soja in Südamerika, die vor allem in Brasilien                       de ein Gesetz zur Durchsetzung der menschenrechtlichen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Foto: Gerold Kier
                                                                                                                                                                                                                                                                                      Foto: MISEREOR
Nur 20 Prozent der antwortenden Unternehmen erfüllen                                   Landrechtsfragen dramatisch verschärft. Auch der steigen-                       Sorgfaltspflicht von Unternehmen beschließt. Das wäre
demnach ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten ge-                                de Pestizideinsatz für die Soja-Monokulturen gefährdet                          ein wichtiger Schritt, um auch im Agrarsektor den Schutz
mäß dem Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung.                                    häufig das Menschenrecht auf Gesundheit. Am anderen                             der Menschenrechte voranzutreiben. Aber auch in der Han-
Dabei haben sich nur wenige Unternehmen überhaupt an                                   Ende der Wertschöpfungskette zerstören der Export von                           delspolitik, in der Subventionspolitik, in der Entwicklungs-                        Pirmin Spiegel, MISEREOR                    Christoph Bals, Germanwatch
der Befragung beteiligt. Germanwatch und MISEREOR be-                                  Milchpulver und Geflügelteilen aus Europa lokale Märkte                         zusammenarbeit oder beim Rechtszugang für von Men-
obachten das Monitoringverfahren von Beginn an intensiv                                in Afrika und gefährden das Recht auf Nahrung der loka-                         schenrechtsverletzungen Betroffene gibt es noch großen
und kritisieren die schwache Methodik, die Verwässerung                                len Produzent*innen.                                                            Handlungsbedarf, um den Menschenrechten zum Durch-
von Anforderungen sowie die zeitliche Verschleppung.                                                                                                                   bruch zu verhelfen. Wenn die Europäische Union interna­
                                                                                          Unsere Unternehmensrecherche bestärkt unsere Ein-                            tional als Hüterin der Menschenrechte auftritt und die                              Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer MISEREOR
   Im Rahmen des vorliegenden Berichtes haben wir 15                                   schätzung, dass die deutschen Unternehmen – in diesem                           Umsetzung des Pariser Klimaabkommens fordert, dann                                  Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer Germanwatch
deutsche Unternehmen des Agrarsektors darauf unter-                                    Fall die des Agrarsektors - freiwillig ihrer menschenrecht­                     muss sie im Rahmen des European Green Deal das
sucht, wie sie ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht                              lichen Verantwortung nicht ausreichend gerecht werden.                          Konzept der Handelsverträge grundlegend und men-
nachkommen. Konkret haben wir die größten Molke-                                       Da auch das Monitoring im Auftrag der Bundesregierung                           schenrechtskonform neu definieren. Der Umgang mit dem

                                                                                                                                                                                                                                Foto: Schneider/MISEREOR
                                                                                                                                               Foto: Ressel/MISEREOR

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Foto: Fred Dott
                                                                     Foto: Fred Dott

6                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        7
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                                                                                               Kernbotschaften

Kernbotschaften
 Ernährungsindustrie und Landwirtschaft gehören                                 nismen über die eigenen Beschäftigten hinaus auch für                       Auslandsgeschäfte gesetzlich zu verankern. Im Rah-                nicht für Schäden, die durch ihre Tochterunternehmen
    zu den Sektoren, in denen es weltweit am häufigs-                            externe Betroffene an. Nur ein Unternehmen stellt in                        men des UN-Menschenrechtsrats haben konstruktive                  oder Auftragnehmer im Ausland verursacht werden.
    ten zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Betrof-                             der Darstellung des Beschwerdemechanismus einen                             Verhandlungen über den Entwurf eines neuen völker-                Zum anderen stehen Betroffene im Ausland beim Zu-
    fen sind Produzent*innen, Konsument*innen sowie                              expliziten Bezug zu Menschenrechten her. Und nur drei                       rechtlichen Abkommens zu Wirtschaft und Menschen-                 gang zu deutschen Gerichten vor zahlreichen prozes-
    Anwohner*innen entlang der gesamten Wertschöp-                               Unternehmen stellen das Beschwerdeverfahren für Be-                         rechten begonnen. Der deutsche Bundestag hat zudem                sualen Hürden. Dazu gehören insbesondere fehlende
    fungskette. Wesentliche Risiken betreffen den Zugang                         troffene transparent und berechenbar dar. Damit be-                         die Bundesregierung aufgefordert, während ihrer Euro-             Kollektivklagemöglichkeiten, mangelnde Offenlegungs-
    zu Land und Wasser, Gesundheitsschäden durch exzes-                          stätigt die Studie den dringenden gesetzgeberischen                         päischen Ratspräsidentschaft 2020 für eine EU-Gesetz-             verfahren bei der Beweiserhebung, das hohe Kosten­
    siven Einsatz von Pestiziden und Antibiotika, ausbeu-                        Handlungsbedarf in Deutschland, damit Unternehmen                           gebung zur menschenrechtlichen Sorgfalt einzutreten.              risiko bei Zivilklagen sowie zu kurze Verjährungsfristen.
    terische Arbeitsbedingungen auf Plantagen, Marktver-                         ihrer menschenrechtlichen Verantwortung künftig um-
    drängung von Kleinbetrieben durch Dumpingexporte                             fassend gerecht werden.                                                   Handels- und Investitionsabkommen schränken                     Seit fast zehn Jahren wurde keine Beschwerde zum
    und mangelnden Schutz von Agrarmärkten, Gewalt                                                                                                           vielfach staatliche Spielräume zur Umsetzung von                  Agrarsektor bei der deutschen Nationalen Kontakt-
    und Repression sowie den Klimawandel. UN-Gremien                          Aufgrund des schlechten Abschneidens deutscher                                Menschenrechten im Agrarsektor ein. Dies gilt für das             stelle (NKS) für die OECD-Leitsätze für multinationale
    haben seit der Jahrtausendwende mehrere internati-                           Unternehmen beim Monitoring ihrer menschenrecht-                            Agrarabkommen der Welthandelsorganisation WTO,                    Unternehmen eingereicht. Dies liegt auch an der man-
    onale Standards zum Schutz der Menschenrechte in                             lichen Sorgfalt haben die Bundesminister für Arbeit                         aber mehr noch für die bilateralen Handelsabkommen                gelnden Glaubwürdigkeit dieses außergerichtlichen
    diesem Bereich entwickelt.                                                   und Soziales sowie für Entwicklung im Dezember 2019                         der EU etwa mit Westafrika, Kolumbien, Peru sowie                 staatlichen Beschwerdeverfahrens. Die NKS erfüllt auch
                                                                                 Eckpunkte für ein deutsches Lieferkettengesetz ange-                        die geplanten Abkommen mit Mexiko, den Mercosur-                  nach der im NAP zugesagten Reform bei weitem nicht
 Unsere Befragung und Analyse von 15 deutschen                                  kündigt. Zugleich stockt die Umsetzung des deutschen                        Staaten und Myanmar. Diese gefährden nicht nur den                die Anforderungen der UN-Leitprinzipien und bleibt
    Unternehmen im Agrarsektor zeigt, dass diese ihre                            Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschen-                        Zugang von Kleinproduzent*innen zu Märkten, son-                  hinter den zivilgesellschaftlichen Erwartungen weit zu-
    menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bisher un-                            rechte in anderen Bereichen wie der Handelspolitik,                         dern zum Teil auch zu Saatgut und Land. Instrumente               rück: Die NKS ist weiterhin nicht unabhängig vom Bun-
    genügend umsetzen. Nur sieben von 15 Unternehmen                             öffentlichen Beschaffung und Außenwirtschaftsför-                           wie Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen, Menschen-                 deswirtschaftsministerium. Der Beschwerdeleitfaden
    verfügen über eine Grundsatzerklärung zu Menschen-                           derung. Auch bei der nationalen Umsetzung der CSR-                          rechtsklauseln und Nachhaltigkeitskapitel bieten bis-             legt NRO nahe, während des Verfahrens auf öffentliche
    rechten, welche grundlegenden Anforderungen der                              Richtlinie der EU und der EU-Verordnung zu Konflikt­                        her keinen Schutz vor negativen menschenrechtlichen               Kampagnen zu verzichten. Und die Handlungsemp-
    UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte                          rohstoffen hat die Bundesregierung das Potenzial zur                        Auswirkungen.                                                     fehlungen beschränken sich unverändert auf künftige
    entspricht. Nur eins der 15 Unternehmen hat bislang                          Stärkung von Sorgfaltspflichten nicht hinreichend aus-                                                                                        Situationen und sehen keine Abhilfemaßnahmen für
    systematische menschenrechtliche Folgenabschätzun-                           geschöpft.                                                                Obgleich im Agrarsektor im Ausland viele Menschen-                 die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen vor,
    gen durchgeführt. Gegenmaßnahmen zur Vermeidung                                                                                                          rechtsverletzungen unter Beteiligung deutscher Un-                die eigentlich Gegenstand des Verfahrens sind.
    oder Beendigung von Menschenrechtsverletzungen                            International zeichnet sich im Bereich Wirtschaft und                         ternehmen dokumentiert sind, haben Betroffene
    sowie die Berichterstattung der Unternehmen be-                              Menschenrechte ein Paradigmenwechsel zu mehr                                bisher noch keine Entschädigungsklage vor einem
    schränken sich meistens auf Fälle, in denen diese be-                        Verbindlichkeit ab: Der UN-Sozialausschuss sieht                            deutschen Zivilgericht eingereicht. Grund ist zum                          A uf den Seiten 92-101 finden Sie eine
    reits mit öffentlicher Kritik konfrontiert wurden. Nur                       Staaten schon jetzt in der Pflicht, menschenrechtliche                      einen die mangelnde Grundlage im deutschen Recht:                          Zusammenfassung des Berichtes.
    sieben der 15 Unternehmen bieten Beschwerdemecha-                            Sorgfaltspflichten von Unternehmen auch mit Blick auf                       Deutsche Unternehmen haften in der Regel bislang

                                                                                                                                                                                                                                                                                        Foto: Stéphane Lelarge/Initiative Lieferkettengesetz
                                                                                                                                    Foto: Kopp/MISEREOR

Sojafelder verdrängen den Chaco-Wald in Santiago del Estero, Argentinien.                                                                                 Die Initiative Lieferkettengesetz fordert, dass die Bundesregierung Unternehmen gesetzlich zur weltweiten Achtung der
                                                                                                                                                          Menschenrechte verpflichtet.

8                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   9
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                                                                            1. Einleitung

1. Einleitung
   Regionale Lebensmittel und öko-soziale Standards                          portierte Agrarprodukte sogar in Höhe von 101 Milliarden     dem bereits 2014 ein sektorübergreifender Bericht zu           termittelhersteller und Agrarchemie. Einerseits wurden
für deren Erzeugung genießen in der Bevölkerung hohe                         US-Dollar. Deshalb stehen sowohl die deutsche Politik als    Wirtschaft und Menschenrechten und 2017 ein Bericht zur        die Unternehmen zu den einzelnen Kernelementen der
Wertschätzung, gleichzeitig nimmt in Deutschland die                         auch deutsche Unternehmen des Agrarsektors in einer          Energiewirtschaft und Menschenrechten erschienen sind.         menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht befragt, anderer-
Globalisierung und Industrialisierung des Ernährungs-                        besonderen Verantwortung, die Menschenrechte in der          Inwieweit deutsche Politik als auch deutsche Unterneh-         seits wurden sie mit konkreten Menschenrechtsverstö-
systems zu: Pestizidexporte, Futtersoja aus Regenwald-                       Agrarwirtschaft weltweit zu schützen beziehungsweise         men des Agrarsektors ihrer menschenrechtlichen Verant-         ßen, etwa beim Zugang zu Land, beim Pestizideinsatz im
regionen Südamerikas, Antibiotika aus Indien, Exporte                        zu achten.                                                   wortung gerecht werden, analysieren wir auf Grundlage          Sojaanbau, bei der Antibiotikaproduktion in Armutslän-
von Geflügelresten und Milchpulvermassen auf sensible                                                                                     internationaler Standards, insbesondere der UN-Leitprin-       dern, beim Umgang mit Schlachthofmitarbeiter*innen
Märkte Afrikas – all dies sind Beispiele aus der globalen                        MISEREOR und Germanwatch beschäftigen sich seit          zipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 und          und beim Export von Billigfleisch- und Billigmilchpulver
Wertschöpfungskette unserer industriellen Fleisch- und                       vielen Jahren mit den Auswirkungen der globalen Agrar­       der Allgemeinen Bemerkung Nr. 24 des UN-Ausschusses            konfrontiert. Darüber hinaus haben die Autor*innen auch
Milcherzeugung. Obwohl die Globalisierung der Landwirt-                      wirtschaft auf die Lebensverhältnisse von Menschen           für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 2017.   vorliegende Veröffentlichungen und Berichte über Men-
schaft Potenziale birgt, ist sie zugleich mit hohen men-                     in Afrika, Lateinamerika und Asien. Dabei nehmen wir                                                                        schenrechtsverletzungen, an denen deutsche Unterneh-
schenrechtlichen und ökologischen Risiken verbunden.                         die Situation von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen,               Der Bericht „Globale Agrarwirtschaft und Menschrechte“     men beteiligt waren, ausgewertet.
                                                                             Landarbeiter*innen und indigenen Bevölkerungsgrup-           ist folgendermaßen aufgebaut: Anschließend an diese
   Deutschland spielt in der globalen Agrarwirtschaft eine                   pen besonders in den Blick. Denn obwohl sie einen Groß-      Einleitung analysieren wir im nächsten Kapitel (2.) die            Im sechsten Kapitel werden schließlich die Möglichkei-
wichtige Rolle. Sowohl bei den weltweiten Agrarexporten                      teil der weltweiten Ernährung sichern, sind sie besonders    politischen Entwicklungen in Deutschland, der EU und           ten für Betroffene von wirtschaftsbezogenen Menschen-
als auch bei den Agrarimporten belegt Deutschland den                        häufig von Hunger und Menschenrechtsverletzungen             den Vereinten Nationen im Bereich Wirtschaft und Men-          rechtsverstößen untersucht, mithilfe deutscher Gerichte
dritten Rang. So exportierte Deutschland im Jahr 2018                        betroffen. Daher legen wir den Schwerpunkt unseres           schenrechte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Natio-        oder des außergerichtlichen Beschwerdemechanismus
Agrargüter im Wert von 82 Milliarden US-Dollar und im-                       aktuellen Berichts auf die globale Agrarwirtschaft, nach­-   nalen Aktionsplan der Bundesregierung und der aktuellen        der OECD-Leitsätze zu ihrem Recht zu kommen (Säule
                                                                                                                                          Debatte um eine gesetzliche Regelung menschenrecht-            III der UN-Leitprinzipien). Dabei werden konkrete Fall-
                                                                                                                                          licher Sorgfaltspflichten. Im dritten Kapitel beleuchten       beispiele vor allem aus dem Agrarsektor, aber auch aus
                                                                                                                                          wir die menschenrechtlichen Herausforderungen, Staa-           anderen Sektoren dokumentiert, welche jeweils die Pro­
     Grafik 1: Rangfolge im Weltagrarhandel                                                                                               tenpflichten und Unternehmensverantwortung im Agrar-           blematik verdeutlichen.
                      im Jahr 2018, in Mrd. USD                                                                                           sektor, die den Rahmen für die folgenden Analysen bilden.
                                                                                                                                                                                                            In einer ausführlichen Zusammenfassung geben wir
                            Exporte                                                         Importe                                          Im vierten bis sechsten Kapitel werden entsprechend         eine Gesamtschau auf die Ergebnisse und wesentliche
                   USA                                            139                USA                                           156    der Struktur der UN-Leitprinzipien staatliche Schutz-          Schlussfolgerungen für die weitere Debatte zu Wirtschaft
                                                                                                                                          pflichten, unternehmerische Verantwortung und der Zu-          und Menschenrechten und konkret zum Schutz der Men-
       Niederlande                                           93                   China                                      123          gang zu Abhilfe durch Rechtsmittel und Beschwerde-             schenrechte in der Agrarwirtschaft.
                                                                                                                                          mechanismen (vgl. Graphik 2, S. 12) behandelt. Dabei
      Deutschland                                      82                 Deutschland                                  101                gehen wir im dritten Kapitel der Frage nach, inwieweit
                                                                                                                                          der deutsche Staat in Bezug auf den Agrarsektor bislang
            Brasilien                                  81                         Japan                           71                      seiner Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte
                                                                                                                                          durch Unternehmen nachkommt (Säule I der UN-Leit-
                 China                            72                      Niederlande                           68
                                                                                                                                          prinzipien). Ein Schwerpunkt liegt auf der Handels- und
         Frankreich                               71                    Ver. Königreich                         65                        Investitionspolitik (4.1), daneben wird auch die Rolle der
                                                                                                                                          Entwicklungspolitik beleuchtet (4.2).
             Spanien                        56                              Frankreich                       63
                                                                                                                                              Im fünften Kapitel wird analysiert, inwieweit große
              Kanada                      50                                      Italien               49                                Unternehmen der deutschen Agrarwirtschaft in ihren
                                                                                                                                          globalen Wertschöpfungsketten ihrer Verantwortung
                Italien                 47                                     Spanien                43
                                                                                                                                          zur Achtung der Menschenrechte gerecht werden (Säule
              Belgien                  45                                       Belgien              40                                   II der UN-Leitprinzipien). Germanwatch und MISEREOR
                                                                                                                                          haben 15 Unternehmen dazu befragt, wie sie die Anfor-
        Indonesien                   37                                         Kanada             36                                     derungen aus den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und
                                                                                                                                          Menschenrechte erfüllen. Ausgewählt wurden die größten
                                                                                                                                          Unternehmen aus verschiedenen Teilbereichen der Agrar­
      Eigene Darstellung nach AMI 2019/AB-109, Quelle: WTO
                                                                                                                                          wirtschaft: Milchproduzenten, Geflügelproduzenten, Fut-

10                                                                                                                                                                                                                                                                11
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                                  2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen: global, europäisch und national

2. Der gesetzliche Rahmen für die menschen-                                                                                                                                  Allgemeine Bemerkung Nr. 24 geht über
                                                                                                                                                                             UN-Leitprinzipien hinaus
                                                                                                                                                                                                                                                   Fortschritte bei Verhandlungen des
                                                                                                                                                                                                                                                   UN-Abkommens für Wirtschaft und
   rechtliche Sorgfalt von Unternehmen:                                                                                                                                         Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund die „All-
                                                                                                                                                                                                                                                   Menschenrechte

   global, europäisch und national                                                                                                                                           gemeine Bemerkung“ Nr. 24, die der UN-Ausschuss für
                                                                                                                                                                             wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (auch UN-
                                                                                                                                                                                                                                                      Um ein Level Playing Field und Rechtssicherheit im
                                                                                                                                                                                                                                                   Bereich Wirtschaft und Menschenrechte für alle Unterneh-
                                                                                                                                                                             Sozialausschuss genannt) im Jahr 2017 verabschiedet                   men weltweit zu schaffen, bedarf es einer Rahmensetzung
    Die Debatte um gesetzliche Regelungen für ein men-                                                                                                                       hat. Als offizielles „Vertragsorgan“ des UN-Paktes für wirt-          auf globaler Ebene. Bereits 2014 hatte der UN-Menschen-
schenrechtskonformes Handeln von Unternehmen hat in                                                                                                                          schaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist er für des-            rechtsrat einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe das
den letzten Monaten und Jahren enorm an Fahrt gewon-                                                                                                                         sen Auslegung, die Präzisierung der daraus abzuleiten-                Mandat erteilt, ein „völkerrechtlich verbindliches Instru-
nen. Das folgende Kapitel beleuchtet zunächst wesent­                                                                                                                        den staatlichen Verpflichtungen sowie die Überwachung                 ment“ zur menschenrechtlichen Regulierung wirtschaft­
liche Prozesse auf internationaler und europäischer Ebene                                                                                                                    der Umsetzung durch die Vertragsstaaten zuständig. Die                licher Aktivitäten zu erarbeiten. Auf Grundlage vierjähriger
und untersucht anschließend den Umsetzungsprozess des                                                                                                                        sogenannten „Allgemeinen Bemerkungen“ der offiziel-                   Konsultationen legte der ecuadorianische Vorsitzende der
                                                                                                      UN-Leitprinzipien für
Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte                                            Wirtschaft und Menschenrechte                                               len Vertragsorgane der Menschenrechtspakte gelten als                 Arbeitsgruppe im Juni 2019 einen Entwurf des Abkom-
sowie konkrete gesetzliche Maßnahmen und Entwicklun-                                                                                                                         „autoritative“ Interpretationen der Menschenrechte.                   mens vor (OEIGWG 2019). NRO bewerteten den Entwurf
gen in Deutschland.                                                                                                                                                                                                                                überwiegend positiv, unterbreiteten zugleich aber Ver-

                                                                                                                                             Rechtsmittel und Be­schwerde-
                                                                                                                                                                                In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 24 beschreibt der                 besserungsvorschläge (Treaty Alliance 2019, CIDSE 2019).
                                                                                                                                                                             Sozialausschuss der Vereinten Nationen Verpflichtungen

                                                                                             Staatliche Schutzpflichten

                                                                                                                                             Zugang zu Abhilfe durch
2.1 Signalwirkung für eine                                                                                                                                                   von Staaten mit Blick auf wirtschaftliche Aktivitäten und                In der fünften Sitzung der Arbeitsgruppe vom 14. bis 18.
                                                                                                                                                                             Wirtschaftsakteure und fordert verbindliche Maßnahmen                 Oktober 2019 haben in Genf die substanziellen Verhand-
    gesetz­liche Rahmensetzung

                                                                                                                          Unternehmerische
                                                                                                                                                                             von den Staaten ein. Dabei verstärkt der UN-Sozialaus-                lungen über diesen Entwurf begonnen. Dabei lobten be-

                                                                                                                          Verantwortung
    auf globaler Ebene

                                                                                                                                             mechanismen
                                                                                                                                                                             schuss die in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und                sonders die Vertreter*innen von Peru, Mexiko, Südafrika
                                                                                                                                                                             Menschenrechte von 2011 enthaltenen Interpretationen,                 sowie Angola – im Namen der 54 afrikanischen Staaten
                                                                                                                                                                             insbesondere mit Blick auf die extraterritorialen Verpflich-          – den vorgelegten Entwurf des Abkommens. Ihre aktive
      UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und                                                                                                                                   tungen von Staaten, die sich auf Menschen außerhalb des               und konstruktive Teilnahme an den Verhandlungen sag-
      Menschenrechte                                                                                                                                                         eigenen staatlichen Territoriums beziehen. Dies betrifft              ten auch Länder wie Indien, Argentinien und Brasilien zu.
                                                                                             1                                2                       3                      zum Beispiel die Effekte von Außenwirtschaftsförderung,               Deutliche inhaltliche Kritik am Entwurf äußerte dagegen
     Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen                                                                                                                            öffentlicher Beschaffung und von Handels- und Investiti-              neben Russland und Kolumbien auch China, das dennoch
  verabschiedete im Juni 2011 einstimmig die Leit-                                                                                                                           onsschutzabkommen (vgl. auch Kapitel 4.1).                            den Prozess insgesamt weiterhin unterstützt.
  prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
  Die UN-Leitprinzipien beruhen auf drei Säulen: Die                                                                                                                            Deutlicher als in den UN-Leitprinzipien sieht der UN-                 Zwar nahm die EU-Kommission an der Sitzung der
  staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenrechte                               Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrech-                                      Ausschuss die Staaten in der Pflicht, Unternehmen gesetz-             Arbeitsgruppe teil. An den Verhandlungen beteiligte sie
  (1.) beschreibt die völkerrechtlichen Pflichten von                        te (vgl. Kasten) haben die Debatte zur menschenrecht­                                           lich zur menschenrechtlichen Sorgfalt zu verpflichten und             sich allerdings nicht, sondern beschränkte sich ausdrück-
  Staaten, alle Menschen durch eine angemessene                              lichen Verantwortung von Unternehmen und zu den erfor-                                          bezieht sich dabei explizit auf die Lieferkette des Unter-            lich auf „Klärungsfragen“. Die deutsche Bundesregierung
  Politik und Regulierung vor Menschenrechtsverstö-                          derlichen gesetzlichen Rahmensetzungen in den letzten                                           nehmens, inklusive Auftragnehmern, Lieferanten, Franchi-              war nur an den ersten beiden Tagen durch eine Mitarbei-
  ßen durch Unternehmen zu schützen.                                         Jahren entscheidend beeinflusst. Dabei empfiehlt der UN-                                        senehmern und anderen Geschäftspartnern (CESCR 2017:                  terin des Auswärtigen Amtes vertreten und meldete sich
                                                                             Menschenrechtsrat in den Leitprinzipien gesetzliche Rege-                                       Ziffer 16). Wenn vorbeugende Maßnahmen fehlschlagen                   nicht zu Wort. Als Begründung führten die Kommission wie
     Die Unternehmensverantwortung zur Achtung der                           lungen, formuliert dies aber nicht als eine völkerrechtliche                                    und Geschäftsaktivitäten zum Verstoß gegen Rechte füh-                auch die Bundesregierung an, dass die Mitgliedstaaten
  Menschenrechte (2.) beschreibt die menschenrecht-                          Verpflichtung von Staaten. So heißt es in Leitprinzip 3a:                                       ren, sollen die Staaten Sanktionen und Strafen gegen die              noch keine gemeinsame Position definiert und der Kom-
  liche Sorgfaltspflicht der Unternehmen.                                    „Zur Wahrnehmung ihrer Schutzpflicht sollten Staaten (a)                                        mutmaßlichen Verantwortlichen vorsehen (ebd.: Ziffer                  mission noch kein Verhandlungsmandat erteilt hätten.
                                                                             Rechtsvorschriften durchsetzen, deren Ziel oder Wirkung                                         15). Zudem sollen die Staaten dafür Sorge tragen, dass
     Als Teil ihrer Schutzverpflichtung müssen Staa-                         darin besteht, von Wirtschaftsunternehmen die Achtung                                           Betroffene von Menschenrechtsverstößen durch Tochter-                    Dieses neuerliche Versteckspiel der EU und einiger
  ten den Betroffenen von Menschenrechtsverstößen                            der Menschenrechte einzufordern, und in regelmäßigen                                            unternehmen und zentrale Geschäftspartner wirksamen                   Mitgliedstaaten ist schwer nachvollziehbar; war der ecu-
  durch Unternehmen den Zugang zu wirksamen                                  Abständen die Hinlänglichkeit dieser Rechtsvorschriften                                         Rechtszugang erhalten (ebd.).                                         adorianische Vorsitzende der EU im Entwurf doch inhalt-
  gericht­lichen und außergerichtlichen Mitteln ver-                         zu bewerten und etwaige Lücken zu schließen.“ Im erläu-                                                                                                               lich weit entgegen gekommen. Wie von der EU gefordert,
  schaffen (3).                                                              ternden Kommentar heißt es weiter „Staaten sollten […]                                                                                                                orientiert sich der Entwurf eng an den UN-Leitprinzipien
                                                                             eine intelligente Mischung nationaler und internationa-                                                                                                               für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 und dem
                                                                             ler, bindender und freiwilliger Maßnahmen in Erwägung                                                                                                                 Konzept der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten.
                                                                             ziehen, um die Achtung der Menschenrechte durch Unter-                                                                                                                Anders als in früheren Konzepten vorgesehen, sollen die
                                                                             nehmen zu fördern.“                                                                                                                                                   Sorgfaltspflichten nicht nur für transnationale, sondern

12                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        13
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                                    2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen: global, europäisch und national

prinzipiell für alle Geschäfte gelten. Ein Vorrang für Men-                                                                                                   Nach­haltigkeit ausgerichtet ist, so besteht hier ein Ansatz­-             Zunächst einmal gab es grundsätzliche Kritik an der
schenrechte vor Handels- und Investitionsabkommen fin-                                                                                                        punkt für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten auf eu-                geplanten Vorgehensweise aus dem NAP, auch von in-
det sich in dem Entwurf ebenso wenig wie der Vorschlag                                                                                                        ropäischer Ebene. Im Frühjahr 2019 gab es im Zusam-                    ternationaler Ebene. Der Sozialausschuss der Vereinten
eines internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte                                                                                                         menhang mit dieser Studie u.a. eine europaweite Online-                Nationen kritisierte, dass die Bundesregierung laut NAP
und transnationale Konzerne (Vgl. OEIGWG 2019).                                                                                                               Befragung einerseits von Unternehmen und andererseits                  nur dann gesetzliche Maßnahmen ergreifen will, wenn
                                                                                                                                                              von weiteren Stakeholdern, u.a. der Zivilgesellschaft. Die             weniger als 50 Prozent der untersuchten Unternehmen
   Immerhin erkannte Kommissionsvertreter Guus Hout-                                                                                                          Ergebnisse der Befragung sollen Anfang 2020 vorliegen.                 Prozesse zur menschenrechtlichen Sorgfalt umsetzen.
tuin dieses Entgegenkommen und die verbesserte Qualität                                                                                                                                                                              In seinen „Abschließenden Bemerkungen“, mit denen der
des Entwurfs in seiner Rede während der Sitzungsrunde                                                                                                                                                                                Sozialausschuss alle fünf Jahre den Umsetzungsstand
durchaus an. Anders als in der vierten Sitzung der Arbeits-                                                                                                   2.3 Deutschlands mühsamer Weg                                          der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in
gruppe distanzierte sich die Kommission am letzten Sit-                                                                                                                                                                              Deutschland bewertet, bemängelte er im Herbst 2018,
                                                                                                                                                                  zu gesetzlicher Rahmensetzung

                                                                                                                                        Foto: Eric Bridiers
zungstag auch nicht vom Abschlussbericht, in dem alle                                                                                                                                                                                dass es „zu einer Regulierungslücke führen kann“ (CESCR
Staaten aufgefordert werden, den Entwurf des Abkom-                                                                                                                                                                                  2018: 2), wenn ein großer Anteil der Unternehmen die Men-
mens bis Ende November schriftlich zu kommentieren.                                                                                                              Zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien auf nationaler                  schenrechtsstandards nicht anwendet.
Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission und die Bun-                                                                                                          Ebene hat die deutsche Bundesregierung im Dezember
                                                                             Zum Smart Mix der UN-Leitprinzipien gehören verbindliche
desregierung dieser Aufforderung auch Folge leisten und                      Regeln, betont deren Verfasser Professor John Ruggie.                            2016 einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Men-                     Insbesondere geriet jedoch die Methodik des Monito-
sich bei der nächsten Verhandlungsrunde im Oktober 2020                                                                                                       schenrechte (NAP) verabschiedet (Auswärtiges Amt 2017;                 rings zunehmend in die Kritik. Nichtregierungsorganisatio-
tatsächlich aktiv und konstruktiv beteiligen.                                                                                                                 vgl. Heydenreich et al. 2017: 13ff). Über den NAP-Prozess              nen und Gewerkschaften haben das Monitoring-Verfahren
                                                                             schaft und Menschenrechte vorgelegt hatte, dass Staa-                            und aktuelle politische Entwicklungen hinaus beleuchtet                im Rahmen der AG Wirtschaft und Menschenrechte des
                                                                             ten wirksame Regulierungen schaffen müssen, um Unter-                            der folgende Abschnitt mit der CSR-Berichtspflicht und                 CSR-Forums konstruktiv begleitet, zugleich die Methodik
2.2 Impulse für eine stärkere                                                nehmen auf die Menschenrechte zu verpflichten. Dies sei                          der Konfliktrohstoff-Verordnung nationale Umsetzungs-                  aber wiederholt deutlich kritisiert. Sie halten die im ers-
                                                                             ein essentieller Bestandteil vom sogenannten Smart Mix                           prozesse von zwei EU-Rahmensetzungen. Diese werden                     ten Zwischenbericht letztendlich vorgelegte Methodik für
    Regulierung auf EU-Ebene                                                 der UN-Leitprinzipien (Ruggie 2019: 3f). Anlässlich dieser                       zwar auch im NAP angesprochen, deren Umsetzungspro-                    „keine glaubwürdige, unabhängige und wissenschaftlich
                                                                             Konferenz und einen Tag nach Amtsantritt der neuen EU-                           zesse erfolgen jedoch auch unabhängig davon und sollen                 fundierte Grundlage“, um den Umsetzungsstand der men-
   Bislang gibt es noch keinen europäischen Aktions-                         Kommission forderten auch über 100 Organisationen der                            deshalb hier gesondert betrachtet werden.                              schenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen mit
plan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft                      europäischen Zivilgesellschaft, dass die EU-Kommission                                                                                                  mehr als 500 Mitarbeiter*innen angemessen und repräsen-
und Menschenrechte, obwohl die Kommission 2011 ei-                           endlich verbindliche Sorgfaltspflichten einführt, damit                                                                                                 tativ zu untersuchen und darzustellen (CorA et al. 2019: 2).
nen entsprechenden Umsetzungsplan angekündigt hatte                          Unternehmen bei ihrer weltweiten Geschäftstätigkeit die                          2.3.1		Umsetzung des Nationalen
(EU-Kommission 2011: 17) und vom Europäischen Parla-                         Menschenrechte achten und die Umwelt schützen müs-                                      Aktionsplans: Monitoring                                            So kritisieren sie, dass die Analyse und Darstellung
ment in mehreren Resolutionen dazu aufgefordert worden                       sen (11.11.11 et al. 2019). Wenige Tage zuvor hatten sich                                                                                               der Unternehmen anonym erfolgt und ohne Überprü-
                                                                                                                                                                     verwässert, verschleppt und mit
war. Im Frühjahr 2019 hat jedoch die parteiübergreifende                     über 40 institutionelle Investoren für eine gesetzliche men-                                                                                            fung durch externe Fachleute. Zudem soll das Monitoring
Responsible Business Conduct Working Group von Abge-                         schenrechtliche Sorgfaltspflichten ausgesprochen (Inves-
                                                                                                                                                                     ernüchterndem Ergebnis                                          lediglich Sorgfaltsverfahren der Unternehmen, nicht aber
ordneten im Europäischen Parlament einen „Schatten-                          tor Alliance 2019).                                                                                                                                     deren Wirkung auf die Betroffenen von Menschenrechts-
Aktionsplan“ vorgestellt. Dieser Plan beschreibt in einem                                                                                                        Herzstück des deutschen Aktionsplans Wirtschaft und                 verletzungen überprüfen. Auch bleiben die Anforderungen
Arbeitsprogramm für die neue Europäische Kommission,                            Darüber hinaus gibt es mit dem Aktionsplan zur Finan-                         Menschenrechte ist die von der Bundesregierung geäu-                   hinter den Standards der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft
wie die UN-Leitprinzipien auf EU-Ebene umgesetzt werden                      zierung nachhaltigen Wachstums von 2018 einen weite-                             ßerte Erwartung, dass alle deutschen Unternehmen ihre                  und Menschenrechte weit zurück. Die vorgesehene Plausi-
können. Der Plan umfasst eine Sorgfaltspflichtenrichtlinie                   ren Ansatzpunkt für Rahmensetzungen auf europäischer                             menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten umsetzen, so-                   bilitätsprüfung der Unternehmensantworten ist bezüglich
sowie rechtliche und finanzielle Unterstützungsmecha-                        Ebene. Ziel des Aktionsplans ist die Neuausrichtung der                          wie die Ankündigung eines entsprechenden Monitorings.                  der zentralen Elemente der menschenrechtlichen Sorgfalt
nismen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen                         Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigeren, auf Langfris-                         Damit lässt die Bundesregierung überprüfen, inwiefern                  sehr oberflächlich. Über den Comply-or-Explain-Mecha-
durch Unternehmen, aber auch Maßnahmen im Bereich                            tigkeit ausgerichteten und gerechten Wirtschaft. Her-                            große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen                   nismus können Unternehmen schließlich bei unbegrenzt
der öffentlichen Beschaffung sowie der Handels- und                          vorzuheben ist insbesondere die Maßnahme 10 des                                  ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht angemessen                  vielen Fragen erklären, warum sie eine Anforderung nicht
Investitionspolitik (RBC Group 2019).                                        Aktionsplans, mit der die „Förderung einer nachhaltigen                          nachkommen. Im NAP hatte die Bundesregierung ver-                      erfüllen und dennoch als Erfüller der Anforderungen ge-
                                                                             Unternehmensführung“ bezweckt wird. Dazu lässt die                               ankert: „Sollte keine ausreichende Umsetzung erfolgen,                 wertet werden (CorA et al. 2018a, Forum Menschenrechte
   Die finnische Regierung veranstaltete im Rahmen ihrer                     EU-Kommission derzeit untersuchen, „ob Leitungsgre-                              wird die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin                et al. 2019, CorA et al. 2019).
EU-Ratspräsidentschaft am 2. Dezember 2019 die Konfe-                        mien der Unternehmen möglicherweise verpflichtet wer-                            zu gesetzlichen Maßnahmen und zur Erweiterung der zu
renz „Conference on Business and Human Rights: towards                       den müssen, eine Nachhaltigkeitsstrategie‚ einschließlich                        erfassenden Unternehmen prüfen“ (Auswärtiges Amt 2017:                    Bereits in ihrer Leistungsbeschreibung zum Monitoring
a common agenda for action“, um nächste Schritte auf                         angemessener Sorgfaltspflichten in der gesamten Liefer-                          10). Laut Koalitionsvertrag wird die Bundesregierung in                hatte die Bundesregierung vorgegeben, die quantitative
europäischer Ebene zu diskutieren (EU2019.FI 2019). In                       kette, sowie messbare Nachhaltigkeitsziele auszuarbeiten                         diesem Fall ein Gesetz nicht nur erwägen, sondern „auf                 Auswertung nur auf jene Unternehmen zu beschränken,
seiner Keynote unterstrich John Ruggie, der im Auftrag                       und zu veröffentlichen” (EU-Kommission 2018: 14). Auch                           nationaler Ebene gesetzlich tätig [werden]“ und sich „für              die den Fragebogen beantworten. Tendenziell ist jedoch
der Vereinten Nationen 2011 die Leitprinzipien für Wirt-                     wenn der Aktionsplan schwerpunktmäßig auf ökologische                            eine EU-weite Regelung einsetzen“ (CDU et al. 2018: 156).              zu erwarten, dass vor allem jene Unternehmen antworten,

14                                                                                                                                                                                                                                                                                                          15
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
Bericht 2020 • Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand                                                                2. Der gesetzliche Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen: global, europäisch und national

die sich ohnehin schon mit den Menschenrechten beschäf-                         Die lange Auseinandersetzung innerhalb der Bundes-            Auch eine Studie des Business & Human Rights                       2.3.2 Nationale Umsetzungsprozesse
tigen. Dies bestätigt auch die Untersuchung im Rahmen                        regierung über die Methodik des NAP-Monitorings hatte         Resource Centre (BHRRC) und der School of Manage-                           von EU-Rahmensetzungen
des vorliegenden Berichtes (vgl. Kapitel 5). Ein vom Forum                   auch dazu geführt, dass die quantitative Erhebung drei-       ment and Law der Zürcher Hochschule für Angewandte
                                                                                                                                                                                                                       schöpfen Potenzial nicht aus
Menschenrechte und VENRO vorgeschlagener sogenann-                           einhalb Monate später begann. Eine weitere Verzöge-           Wissenschaften hatte den 20 umsatzstärksten deutschen
ter „Kontrollgruppenansatz“ ist auf Druck des BMWi und                       rung entstand, weil das Auswärtige Amt die Antwortfrist       Unternehmen mangelhafte menschenrechtliche Sorg-                         Mehrere europäische Rahmensetzungen der vergange-
des Kanzleramts jedoch jetzt nicht mehr vorgesehen, son-                     der Unternehmen zweimal verlängern ließ, da nicht ge-         falt bescheinigt. Demnach erfüllt keines der Unterneh-                nen Jahre, die Deutschland auf nationaler Ebene umset-
dern soll lediglich zu einem späteren Zeitpunkt erwogen                      nügend Unternehmen teilnahmen (Heydenreich 2019).             men alle untersuchten Menschenrechtsstandards aus den                 zen muss, enthalten bereits Elemente einer menschen-
werden (CorA et al. 2019: 2).                                                Damit verzögerte sich auch die Fertigstellung des zweiten     UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.                  rechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen. So umfasst
                                                                             Zwischenberichts zum NAP-Monitoring, der zunächst im          Daraufhin konstatierte Phil Bloomer, der Geschäftsführer              die sogenannte CSR-Richtlinie Berichtspflichten auch zu
   Mediale Aufmerksamkeit hatte erfahren, dass das BMWi                      Dezember 2019 veröffentlicht werden sollte. Nun beriet        des renommierten BHRRC: „Die Ergebnisse deuten auch                   menschenrechtlichen Aspekten. Und die Konfliktroh-
im ersten Halbjahr 2019 massiven Druck ausübte, um                           der Interministerielle Ausschuss für Wirtschaft und Men-      darauf hin, dass die von der Bundesregierung bewer­                   stoffverordnung schreibt menschenrechtliche Sorgfalts-
beim Monitoring einen „flexibleren Umgang“ mit den un-                       schenrechte erstmals am 10. Dezember 2019 über die            tete breitere Gruppe deutscher Unternehmen die von der                pflichten in Bezug auf Rohstoffe aus Konfliktregionen fest.
tersuchten Unternehmen durchzusetzen (BHRRC 2019b).                          ersten Ergebnisse. Am folgenden Tag beriefen Bundesar-        Regierung vorgegebene Schwelle wahrscheinlich nicht                   Bei der nationalen Umsetzung haben die EU-Mitgliedsstaa-
NRO und Gewerkschaften haben scharf kritisiert, dass                         beitsminister Hubertus Heil und Bundesentwicklungsmi-         erreichen wird.“                                                      ten einen Handlungsspielraum, den die Bundes­regierung
das BMWi neue Kategorien eingeführt hat: Unternehmen,                        nister Gerd Müller eine Pressekonferenz ein. Gerd Müller                                                                            im Sinne der menschenrechtlichen Schutzpflicht nur
welche die Anforderungen des NAP fast erfüllen („Unter-                      informierte laut Medienberichten, nicht einmal „20 Pro-          Der Nationale Aktionsplan umfasst neben dem Moni-                  unzureichend genutzt hat.
nehmen auf einem guten Wege“) oder bald erfüllen wol-                        zent erfüllen die Vorgaben“ (Zacharakis 2019). Hubertus       toring weitere 68 Maßnahmen. Im Sommer 2019 erstell-
len („Unternehmen mit Umsetzungsplan“) (Adelphi et al.                       Heil urteilte „Die ersten Ergebnisse sind mehr als ernüch-    te das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) eine               Anwendungsunsicherheit beim
2019). Durch diese Verwässerungen würde eine künstliche                      ternd.“ (BMAS 2019) Daraufhin kündigten beide Minister        Liste aller Maßnahmen und erfragte bei den zuständigen                CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz
Grauzone geschaffen und der Prozentsatz der Unterneh-                        an, dass das BMAS und das BMZ „gemeinsam Eckpunkte            Bundesministerien deren Umsetzungsstand. Anschlie-
men, die die NAP-Anforderungen nicht erfüllen, manipu-                       für ein Gesetz erarbeiten“ (ebd.). Denn sie erwarten in der   ßend erhielten Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und                   Seit April 2017 ist das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz
lativ nach unten verschoben (CorA et al. 2019). Zudem ist                    zweiten Befragungsrunde kein besseres Ergebnis (BMAS          Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit, ebenfalls              (CSR-RUG) in Kraft.1 Es verpflichtet kapitalmarktorientierte
der Umgang mit diesen Sonderkategorien auch noch nicht                       2019; Deutscher Bundestag 2019a). Die Ergebnisse kündigt      den Umsetzungsstand zu bewerten. In einer zusammen-                   Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen, Infor-
endgültig geklärt und soll zum Teil erst 2020 entschieden                    Hubertus Heil für Mai/Juni 2020 an (BMAS 2019).               fassenden Zwischenbilanz hat das DIMR wesentliche Kri-                mationen über wesentliche nichtfinanzielle Risiken im
werden (Adelphi et al. 2019: 58f).                                                                                                         tikpunkte dargestellt und Prioritäten bis zum Abschluss               eigenen Unternehmen und in Bezug auf die Geschäftsbe-
                                                                                                                                           der Umsetzungsphase Ende 2020 aufgezeigt. Demnach                     ziehungen darzulegen. Dies umfasst insbesondere Infor-
                                                                                                                                           äußerten Gewerkschaften und NRO nicht nur Kritik am                   mationen zu Umwelt, Sozial-und Arbeitnehmerbelangen,
                                                                                                                                           Monitoring und einer fehlenden gesetzlichen Regelung,                 Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Kor-
                                                                                                                                           sondern u.a. zu mangelnden Maßnahmen bei der Außen-                   ruption und Bestechung. Auswertungen der ersten Lage-
                                                                                                                                           wirtschaftsförderung, gegen ausbeuterische Arbeitsbe-                 bzw. Nachhaltigkeitsberichte, die seit Mitte 2018 vorlie-
                                                                                                                                           ziehungen im Inland sowie beim Zugang zu Abhilfe (DIMR                gen, fallen ernüchternd aus (Althoff et al. 2018, DGCN et al.
                                                                                                                                           noch unveröffentlicht, vgl. auch Kapitel 6.1).                        2018, EY 2018, IÖW 2019, PWC 2018). Zwar kann davon aus-
                                                                                                                                                                                                                 gegangen werden, dass seit Inkrafttreten des Gesetzes die
                                                                                                                                               Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften                  Aufmerksamkeit für die nichtfinanziellen Themen bei der
                                                                                                                                           hatten bereits im Dezember 2018 eine „magere Halbzeit-                Unternehmensleitung und dem Aufsichtsrat gestiegen ist
                                                                                                                                           bilanz“ der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gezo-               (DGCN et al. 2018), dennoch wurde die Chance, Geschäfts-
                                                                                                                                           gen. Darin kritisierten sie, dass in zentralen Bereichen der          prozesse stärker nachhaltig zu gestalten, nur von wenigen
                                                                                                                                           staatlichen Schutzpflicht, wie der Außenwirtschaftsförde-             Unternehmen genutzt (MPM et al. 2018).
                                                                                                                                           rung, der öffentlichen Beschaffung oder bei den Handels-
                                                                                                                                           abkommen, „nur Trippelschrittchen“ erfolgten. (CorA et                   Untersuchungen der Berichterstattung der DAX 30 wei-
                                                                                                                                           al. 2018b: 6). So verschiebt das federführende BMWi seit              sen darauf hin, dass den nichtfinanziellen Leistungsindi-
                                                                                                                                           fast drei Jahren mit unterschiedlichen Begründungen die               katoren nicht dieselbe Relevanz beigemessen wird wie
                                                                                                                                           Erarbeitung des angekündigten Stufenplans für öffentliche             den finanziellen Leistungsindikatoren (Althoff et al. 2018).
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                                                                                                                                           Beschaffung und reagiert nur auf wiederholte Nachfragen               Das mag teilweise auch daran liegen, dass die interpretati-
                                                                                                                                           z. B. durch den Bundestag oder durch Nichtregierungsor-               onsoffenen Formulierungen des Gesetzes bei den Anwen-
                                                                                                                                           ganisationen. Anders als im NAP versprochen, will sich die            dern zu Unsicherheiten und operativen Schwierigkeiten
                                                                                                                                           Bundesregierung zudem nicht mehr dafür einsetzen, dass                führen (DGCN et al. 2018). Die Zivilgesellschaft hatte im
                                                                                                                                           Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen vor Verhandlungs-
Entwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil fassen das heiße Eisen einer gesetzlichen Regelung an und               beginn zu Handelsabkommen durchgeführt werden (vgl.
                                                                                                                                                                                                                 1 Für eine Bewertung des Gesetzes aus menschenrechtlicher Perspektive vgl. Heyden-
wollen bereits Anfang 2020 Eckpunkte für ein Gesetz vorlegen.                                                                              auch Kapitel 4.1).                                                      reich et al. 2017: 17.

16                                                                                                                                                                                                                                                                                                17
Globale Agrarwirtschaft und Menschenrechte: Bericht 2020 - Germanwatch eV
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