BERICHT UND ANTRAG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND MASSNAHMEN ZUR LANGFRISTIGEN FINANZIELLEN SICHERUNG DER ...
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BERICHT UND ANTRAG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND MASSNAHMEN ZUR LANGFRISTIGEN FINANZIELLEN SICHERUNG DER AHV Behandlung im Landtag Datum 1. Lesung 2. Lesung Schlussabstimmung Nr. 92/2020
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3 INHALTSVERZEICHNIS Seite Zusammenfassung .................................................................................................. 5 Zuständiges Ministerium......................................................................................... 5 Betroffene Stellen ................................................................................................... 5 I. BERICHT DER REGIERUNG ....................................................................... 7 1. Ausgangslage ................................................................................................. 7 2. Begründung der Vorlage ................................................................................ 9 3. Schwerpunkte der Vorlage .......................................................................... 13 3.1 Überlegungen zum Staatsbeitrag....................................................... 13 3.2 Vorgeschlagenes Massnahmenpaket................................................. 16 3.3 Wirksamkeit der Massnahmen .......................................................... 17 3.4 Ausgleich der Mehrbelastung ............................................................ 18 4. Vernehmlassung .......................................................................................... 21 4.1 Vernehmlassungsteilnehmer ............................................................. 21 4.2 Vernehmlassungsergebnis ................................................................. 23 4.2.1 Grundsätzliches .................................................................... 23 4.2.2 Einmaleinlage und Staatsbeitrag ......................................... 25 4.2.3 Erhöhung der AHV-IV-FAK-Beiträge ..................................... 33 4.2.4 Reduktion der FAK-Beiträge................................................. 34 4.2.5 Rentenaltererhöhung........................................................... 35 4.2.6 Alternative Modelle betreffend Pensionsantritt bzw. Rentenalter .......................................................................... 37 4.2.7 Beitragspflicht bei Erwerbstätigkeit im Rentenalter ........... 40 4.2.8 Beitragspflicht auf (überhöhte) Dividendenausschüttungen ................................................. 42 4.2.9 Rentenvorbezug bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung .... 43 5. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen unter Berücksichtigung der Vernehmlassung ....................................................... 44 5.1 Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) .... 44 5.2 Gesetz über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz; FZG) ....... 46 5.3 Finanzbeschluss über die Gewährung eines ausserordentlichen Staatsbeitrages ................................................................................... 46
4 6. Verfassungsmässigkeit / Rechtliches ........................................................... 47 7. Auswirkungen auf Verwaltungstätigkeit und Ressourceneinsatz ............... 47 7.1 Neue und veränderte Kernaufgaben ................................................. 47 7.2 Personelle, finanzielle, organisatorische und räumliche Auswirkungen ..................................................................................... 47 7.3 Evaluation ........................................................................................... 47 II. ANTRAG DER REGIERUNG ..................................................................... 48 III. REGIERUNGSVORLAGEN ....................................................................... 49 1.1 Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) .... 49 1.2 Gesetz über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz; FZG) ....... 53 1.3 Finanzbeschluss über die Gewährung eines ausserordentlichen Staatsbeitrages an die Liechtensteinische Alters- und Hinterlassenenversicherung............................................................... 55
5 ZUSAMMENFASSUNG Von Gesetzes wegen hat die Regierung mindestens alle fünf Jahre eine versiche- rungstechnische Prüfung des Vermögens der Anstalt über einen 20 Jahre voraus- schauenden Zeitraum, beginnend ab dem jeweiligen Jahresende des Vorjahres, er- stellen zu lassen und das Ergebnis dem Landtag binnen drei Monaten ab Erhalt des Gutachtens zur Kenntnis zu bringen. Mit Bericht und Antrag Nr. 138/2019 hat die Regierung dem Landtag ein entspre- chendes Gutachten zur Kenntnis gebracht. Das Gutachten kommt im Wesentlichen zum Schluss, dass sich das Verhältnis des AHV-Fonds zur Jahresausgabe mit der aktuellen Gesetzeslage ab dem Jahr 2036 von zurzeit rund 10.2 auf unter 5 redu- zieren wird. Von den in Bericht und Antrag Nr. 138/2019 vorgeschlagenen bzw. vom Landtag diskutierten Massnahmen sollen nunmehr die folgenden Massnahmen umgesetzt werden: Erhöhung des Beitragssatzes von 8.1% auf 8.7 % ab 1. Januar 2024 sowie Einmaleinlage bzw. ausserordentlicher Staatsbeitrag von CHF 100 Mio. aus dem Staatsvermögen in den AHV-Fonds per Ende 2020. Die Wirksamkeit des vorgeschlagenen Massnahmenbündels verbessert das Ver- hältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben um insgesamt 0.96 Einheiten, wo- mit dieses im Rahmen der Modellannahmen per Ende 2038 von 4.26 (ohne Mass- nahmen) auf 5.22 verbessert werden und somit über die gesetzlich vorgeschriebe- nen Grenze des Fünffachen der Jahresausgaben angehoben werden kann. Die aufgrund der Beitragserhöhung resultierende Mehrbelastung soll teilweise mit einer Reduktion der Beiträge an die Familienausgleichskasse (FAK) dahingehend ausgeglichen werden, dass diese um 0.24 Prozentpunkte reduziert werden. Diese Minderbelastung der Arbeitgeber soll paritätisch auf die Arbeitgeber und Arbeit- nehmer aufgeteilt werden, so dass die effektive Zusatzbelastung je 0.18 Prozent- punkte des AHV-pflichtigen Lohns beträgt. ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM Ministerium für Gesellschaft BETROFFENE STELLEN AHV-IV-FAK Anstalten
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7 Vaduz, 1. September 2020 LNR 2020-1241 P Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und An- trag betreffend Massnahmen zur langfristigen finanziellen Sicherung der AHV an den Landtag zu unterbreiten. I. BERICHT DER REGIERUNG 1. AUSGANGSLAGE Gemäss Art. 25bis AHVG 1 (Versicherungstechnische Prüfung des Vermögens) hat die Regierung mindestens alle fünf Jahre eine versicherungstechnische Prüfung des Vermögens der Anstalt über einen 20 Jahre vorausschauenden Zeitraum, be- ginnend ab dem jeweiligen Jahresende des Vorjahres, erstellen zu lassen und das Ergebnis dem Landtag binnen drei Monaten ab Erhalt des Gutachtens zur Kenntnis zu bringen (Abs. 1). Die erste versicherungstechnische Prüfung des Vermögens ist spätestens binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des LGBl. 2016 Nr. 230, sohin bis zum 1. Januar 2019 in Auftrag zu geben (§ 5 ÜB). Gemäss Abs. 2 hat die Regierung innerhalb von zwölf Monaten nach der Kenntnisnahme der 1 Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, LGBl. 1952 Nr. 29 i.d.g.F.
8 versicherungstechnischen Prüfung durch den Landtag diesem Vorschläge für Mas- snahmen zu unterbreiten, welche ein Vermögen von mindestens fünf Jahresaus- gaben am Ende des Zeitraums sicherstellen, falls die versicherungstechnische Prü- fung zeigt, dass am Ende dieses Zeitraums damit zu rechnen ist, dass das Vermö- gen der Anstalt unter das Fünffache der Jahresausgabe fällt. Am 13. November 2018 hat die Regierung die Libera AG2 mit der Erstellung eines versicherungstechnischen Gutachtens beauftragt. Dieses Gutachten wurde dem Landtag mit Bericht und Antrag Nr. 138/2019 zur Kenntnis gebracht. Darin wurden die folgenden Vorschläge für Massnahmen auf- gezeigt: 3 Szenario Ordentliches Rentenalter Beitragssatz und Staatsbeitrag Alter 64 für die Jahrgänge 1957 Insgesamt 8.1% des beitragspflichtigen Aktuelle und älter Lohnes ab 1.1.2018 Gesetzeslage Alter 65 für die Jahrgänge 1958 Staatsbeitrag 30 Mio. CHF ab 2018 (in- und jünger dexiert) Alter 64 für die Jahrgänge 1957 Insgesamt 8.1% des beitragspflichtigen und älter Lohnes ab 1.1.2018 Erhöhung Bei- Alter 65 für die Jahrgänge 1958 Erhöhung auf 8.4% des beitragspflichti- tragssatz und jünger gen Einkommens ab 1.1.2024 Staatsbeitrag 30 Mio. CHF ab 2018 (in- dexiert) Alter 64 für die Jahrgänge 1957 Insgesamt 8.1% des beitragspflichtigen und älter Lohnes ab 1.1.2018 Erhöhung Renten- Alter 65 für die Jahrgänge 1958 bis Staatsbeitrag 30 Mio. CHF ab 2018 (in- alter 1962 dexiert) Alter 66 für die Jahrgänge 1963 und jünger Alter 64 für die Jahrgänge 1957 Insgesamt 8.1% des beitragspflichtigen Erhöhung Staats- und älter Lohnes ab 1.1.2018 beitrag Alter 65 für die Jahrgänge 1958 Staatsbeitrag 30 Mio. CHF ab 2018 (in- und jünger dexiert) 2 Die Libera AG (damals: LCP Libera AG) hat bereits mehrfach und letztmals im Jahr 2013 ein entsprechen- des Gutachten erstellt. 3 Bericht und Antrag Nr. 138/2019, Seite 12.
9 Erhöhung um 10 Mio. CHF ab 2020 (in- dexiert) Alter 64 für die Jahrgänge 1957 Insgesamt 8.1% des beitragspflichtigen und älter Lohnes ab 1.1.2018 Kombination Alter 65 für die Jahrgänge 1958 bis Erhöhung auf 8.4% des beitragspflichti- (Erhöhung Bei- 1962 gen Einkommens ab 1.1.2024 tragssatz / Ren- Alter 66 für die Jahrgänge 1963 Staatsbeitrag 30 Mio. CHF ab 2018 (in- tenalter / Staats- und jünger dexiert) beitrag) Erhöhung um 10 Mio. CHF ab 2020 (in- dexiert) Im Bericht und Antrag Nr. 138/2019 betreffend das versicherungstechnische Gut- achten 2019 für die AHV sind weitergehende Überlegungen ausgeführt bezüglich der Finanzierung der AHV, welche in diesem Bericht und Antrag teilweise wieder- holt werden. 2. BEGRÜNDUNG DER VORLAGE Am 19. November 2019 hat die Libera AG dem Ministerium für Gesellschaft bzw. der Regierung das versicherungstechnische Gutachten mit dem Titel «Versiche- rungstechnisches Gutachten per 31.12.2018, mögliche künftige Entwicklung mit Betrachtungszeitraum bis 2038 und Trendaussage bis 2058» übermittelt. Das Gut- achten kommt im Wesentlichen zum Schluss, dass sich das Verhältnis des AHV- Fonds zur Jahresausgabe mit der aktuellen Gesetzeslage ab dem Jahr 2036 von zurzeit rund 10.2 auf unter 5 reduzieren wird. Zusätzlich werden im Gutachten die Ergebnisse mittels einer Sensitivitätsanalyse auch als Schwankungsbereich dargestellt, um den Einfluss von Schätzfehlern in wesentlichen Parametern insbesondere gegen Ende des Berechnungszeitraums darzustellen. Hierzu werden die Parameter «erwartete Rendite» und «Entwick- lung der Beitragszahler» als wesentliche Einflussfaktoren in Form eines pessimis- tischen und eines optimistischen Verlaufs variiert. Die beiden Verläufe sollen un- terschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen darstellen.
10 Der pessimistische Verlauf berücksichtigt eine um 0.5 Prozentpunkte tiefere er- wartete jährliche Rendite des angelegten Kapitals, der optimistische Verlauf eine um 0.5 Prozentpunkte höhere erwartete Rendite. Die Berechnung der Anzahl Bei- tragszahler findet über den Netto-Zuwachs bei den Zupendlern statt, welcher über den gesamten Simulationszeitraum hinweg im pessimistischen Verlauf in der jähr- lichen Wachstumsrate um 0.5 Prozentpunkte tiefer und im optimistischen Verlauf um 0.5 Prozentpunkte höher liegt als in der im mittleren Szenario angenommenen Entwicklung. Die Ergebnisse dieser Sensitivitätsanalyse sind für die unveränderte Fortschrei- bung der aktuellen Gesetzeslage in Graphik 15 und Graphik 16 des Gutachtens dargestellt und in Abbildung 1 sowie Abbildung 2 wiedergegeben.4 4'000 Fondsvermögen Ende Jahr (Mio. CHF) 3'000 Aktuelle Gesetzeslage 2'000 1'000 0 2003 2008 2013 2018 2023 2028 2033 2038 2043 2048 2053 2058 Abbildung 1: Stand Fonds bei aktueller Gesetzeslage zusammen mit Bandbreiten eines optimis- tischen und pessimistischen Szenarios. 4 Vgl. auch Bericht und Antrag Nr. 138/2019, Seite 8 f.
11 13 12 11 10 9 Fonds/Jahresausgabe 8 7 6 Aktuelle Gesetzeslage 5 4 3 2 1 0 2003 2008 2013 2018 2023 2028 2033 2038 2043 2048 2053 2058 Abbildung 2: Verhältnis Fonds zu Jahresausgaben zusammen mit Bandbreiten eines optimisti- schen und pessimistischen Szenarios. Im mittleren Szenario fällt der AHV-Fonds betragsmässig von CHF 3.04 Mio. Ende 2018 auf CHF 2.85 Mia. Ende 2038 ab, das Verhältnis von Fonds zu Jahresausgaben verringert sich in diesem Zeitraum von 10.22 auf 4.26, womit gemäss den gesetz- lichen Bestimmungen Massnahmen zur Verbesserung dieses Verhältnisses vorzu- schlagen sind. Im optimistischen Verlauf wächst der AHV-Fonds bis ans Ende des relevanten Zeit- raums von 20 Jahren (2038) um rund CHF 0.5 Mrd. gegenüber heute an, das Ver- hältnis AHV-Fonds zur Jahresausgabe sinkt bis Ende 2038 nicht unter 5. Im pessimistischen Verlauf liegen die Mittel des AHV-Fonds Ende 2038 zwar tiefer als heute, aber immer noch deutlich über CHF 2 Mia. Das Verhältnis AHV-Fonds zur Jahresausgabe liegt erstmals im Jahr 2034 unter 5 und sinkt bis in Ende 2038 auf 3.5, liegt aber Ende 2032 noch über 5, so dass im Berechnungsmodell im Jahr 2033 noch eine inflationsbedingte Rentenerhöhung erfolgt.
12 Zusammengefasst kommt das Gutachten zu folgenden Feststellungen und Emp- fehlungen: 5 • Die AHV Liechtenstein wird mit der aktuellen Gesetzeslage ihre Verpflichtun- gen unter den getroffenen Annahmen und gemäss dem angewendeten Be- rechnungsmodell über die nächsten 20 Jahre erfüllen können. Am Ende des Projektionszeitraums von 40 Jahren wird der AHV-Fonds jedoch voraussicht- lich negativ sein. Da die jährlichen Beiträge zudem geringer als die jährlichen Ausgaben sind, werden diese ab dem Jahr 2055 nicht mehr vollständig durch die Beiträge und den AHV-Fonds gedeckt sein. • Das wichtige Verhältnis des AHV-Fonds zur Jahresausgabe reduziert sich in allen betrachteten Szenarien. Mit der aktuellen Gesetzeslage sinkt dieses Verhältnis ab dem Jahr 2036 von zurzeit rund 10.2 auf unter 5.0. Dieser lang- fristig ungünstige Trend hält in leicht abgeschwächter Form auch bei den Szenarien «Erhöhung Rentenalter», «Erhöhung Beitragssatz», «Erhöhung Staatsbeitrag» und in der Kombination dieser drei Szenarien an. • In den Szenarien «Erhöhung Beitragssatz» und «Erhöhung Staatsbeitrag» liegt das Verhältnis des AHV-Fonds zur Jahresausgabe ab dem Jahr 2037 un- ter 5.0. Im Szenario «Erhöhung Rentenalter» tritt diese Situation ab dem Jahr 2039 und im Szenario «Kombination» ab dem Jahr 2042 ein. • Verglichen mit dem letzten versicherungstechnischen Gutachten per 31. De- zember 2012 vom 27. August 2013 mit Berücksichtigung der damaligen ak- tuellen Gesetzeslage (Staatsbeitrag Null ab 2018) fällt die Entwicklung güns- tiger aus. Diese Aussage gilt auch im Vergleich zum Bericht vom 17. Dezem- ber 2013 mit verschiedenen Massnahmen bei Betrachtung der dort darge- stellten Variante eines indexierten Staatsbeitrags von 30 Mio. CHF ab dem 5 Gutachten, Seite 40 f., Ziff. 7; Bericht und Antrag Nr. 138/2019, Seite 10 f.
13 Jahr 2018. Diese Entwicklung erklärt sich hauptsächlich durch die mit der Gesetzesrevision vom 12. Mai 2016 beschlossenen Massnahmen zur lang- fristigen finanziellen Sicherung der AHV Liechtenstein. • Gemäss Art. 25bis AHVG hat die Regierung alle fünf Jahre eine versiche- rungstechnische Prüfung über einen 20 Jahre vorausschauenden Zeitraum erstellen zu lassen. Zeigt die Prüfung, dass am Ende dieses Zeitraums damit zu rechnen ist, dass das Vermögen unter das Fünffache der Jahresausgabe fällt, hat die Regierung Vorschläge für Massnahmen zu unterbreiten, welche ein Vermögen von mindestens fünf Jahresausgaben am Ende des Zeitraums sicherstellen. • Die vorliegenden Berechnungen zeigen nun, dass mit der aktuellen Geset- zeslage und den festgelegten Berechnungsparametern der oben erwähnte Zeitraum von 20 Jahren knapp nicht eingehalten wird und das Vermögen erstmals im Jahr 2036 unter dem Grenzbetrag der fünffachen Jahresausgabe liegen kann. In den Szenarien «Erhöhung Rentenalter» und «Kombination» (Erhöhung Rentenalter, Beitragssatz und Staatsbeitrag) könnte der Zeitraum von 20 Jahren eingehalten werden. 3. SCHWERPUNKTE DER VORLAGE Der Schwerpunkt dieser Vorlage liegt darin, die Einnahmen der AHV zu erhöhen und gleichzeitig einen Staatsbeitrag anzusetzen, welcher angesichts der Situation des Staatshaushalts leistbar ist. Auf eine Erhöhung des Rentenalters soll verzichtet werden. 3.1 Überlegungen zum Staatsbeitrag Der Staat richtet jährlich einen Beitrag an die AHV aus. Die Regeln für die Höhe dieses Beitrags haben sich im Lauf der Zeit geändert, eine historische Herleitung findet sich im BuA Nr. 108/2015. Im Rahmen der letzten AHV-Revision entschied
14 der Landtag, dass ein jährlicher Staatsbetrag von CHF 30 Mio. ausgerichtet wird, indexiert mit der Preisentwicklung (Art. 50 AHVG), welcher aus den allgemeinen Staatsmitteln aufgebracht wird (Art. 52 AHVG). Im Rahmen der Diskussion um die Verbesserung der finanziellen Situation der AHV ist eine Erhöhung der Zuwendungen aus Mitteln des Staats ein naheliegender Ge- danke. Dabei kann überlegt werden, ob dieser jährliche Beitrag angepasst oder ob eine Einmaleinlage aus den Staatsreserven ausgerichtet werden soll. Eine Einmal- einlage in den AHV-Fonds aus Staatsmitteln hat den Vorteil, dass die Staatsausga- ben der Folgejahre in der laufenden Rechnung nicht durch eine Erhöhung des jähr- lichen Staatsbeitrags an die AHV belastet werden. Somit ist die Wirkung einer Ein- maleinlage abschliessend quantifizierbar und belastet in der Zukunft die Rechnung des Staats nicht mehr. Zudem trägt eine Einmaleinlage in den Folgejahren zum Kapitalmarktergebnis des AHV-Fonds bei. Die ausserordentlich gute Ertragslage des Staats im laufenden Jahr, in dem nicht nur von einer sehr guten Konjunkturlage des Vorjahres mit entsprechend hohen Unternehmensgewinnen profitiert werden kann, sondern auch ein ausserordentli- cher Steuerertrag von über CHF 200 Mio. für das Land angefallen ist 6, erlaubt eine solche Einmaleinlage, auch wenn noch mit einigen Aufwendungen im Rahmen der Wirtschaftspakete in Folge der Coronakrise gerechnet werden muss. Aber gerade auch als Folge der Coronakrise ist es sehr wahrscheinlich, dass die Steuereinnah- men des kommenden Jahres und aufgrund der bei der Steuerberechnung anzuset- zenden Verlustverrechnung auch für einige Folgejahre deutlich einbrechen könn- ten. Besonders in solchen Situationen ist die Erhöhung des jährlichen Staatsbei- trags sehr ungünstig, so dass eine Einmaleinlage die bessere Alternative darstellt. 6 Medienkonferenz des Regierungschefs vom 22. April 2020 sowie kleine Anfrage vom 6. Mai 2020 des Abg. Manfred Kaufmann
15 Um diese Frage der Wirksamkeit einer Einmaleinlage zu klären, wird in einer Be- rechnung im Rahmen der Modellannahmen des dem Bericht und Antrag Nr. 138/2019 zugrundeliegenden Gutachtens der Betrag der Einmaleinlage mit der erwarteten langfristigen Rendite von 2.5% pro Jahr bis in das Jahr 2038 hoch- gerechnet. Da die Einmaleinlage Ende 2020 erfolgen soll, verbleiben bis 2038 noch 18 Jahre, in denen auf diese Einmaleinlage eine Kapitalmarktrendite erwirtschaf- tet werden kann. Die Einmaleinlage muss zudem nicht zwingend in Form von Bar- geld erfolgen, sondern kann auch durch Übertragung von Wertschriften gesche- hen. Das Resultat wird dann ins Verhältnis gesetzt zu den im Gutachten der LIBERA errechneten Jahresausgaben des Jahres 2038 7. Die Berechnung ist in Abbildung 3 dargestellt. Höhe der Einmaleinlage (CHF Mio.) 100 Erwartete Rendite pro Jahr 2.5% Anzahl Jahre 18 Zusätzlicher Beitrag Ende 2038 (CHF Mio.) 156 Jahresausgabe 2038 (CHF Mio.) 668 Zusätzlicher Beitrag Ende 2038 in Jahresausgaben 0.23 Abbildung 3: Wirksamkeit einer Einmaleinlage Eine Einmaleinlage bzw. ein ausserordentlicher Staatsbeitrag von CHF 100 Mio. per Ende 2020 hätte gemäss dieser Berechnungsmethode eine Verbesserung des Verhältnisses von Fonds zu Jahresausgaben per Ende 2038 von 0.23 Einheiten zur Folge. Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Rentner im Ausland wohnen und der Staatsbeitrag auch der Deckung des Umlagedefizits dient, kann abgeleitet werden, dass ein Staatsbeitrag gleichzusetzen ist mit einem teilweisen Export von 7 Siehe BuA Nr. 138/2019
16 Steuermitteln. Je höher der Staatsbeitrag, desto höher der Export. Das gilt sowohl für einen jährlichen Staatsbeitrag als auch für eine Einmaleinlage. Zudem stösst der Gedanke, die AHV auch in der Zukunft aus Staatsmitteln zu un- terstützen, an Grenzen. Die AHV wächst dem Staat davon, so dass die Möglichkei- ten der finanziellen Unterstützung für den Staat begrenzt sind. Das Ausgabevolu- men der AHV wird im Jahr 2040, somit also in 20 Jahren, in der Prognose die Summe von rund CHF 700 Mio. erreichen. Es wäre eine grosse Belastung für den Staatshauhalt, wenn dieser einen substanziellen Teil davon jährlich mitfinanzieren müsste. Für weitere Ausführungen wird auf den Bericht und Antrag Nr. 138/2019 ab Seite 21 verwiesen. 3.2 Vorgeschlagenes Massnahmenpaket Von den in Bericht und Antrag Nr. 138/2019 vorgeschlagenen bzw. vom Landtag diskutierten Massnahmen sollen nunmehr die folgenden Massnahmen umgesetzt werden: • Erhöhung der Beitragssätze in Summe von 8.1% auf 8.7 % ab 1. Januar 2024; 8 sowie • Einmaleinlage von CHF 100 Mio. aus dem Staatsvermögen in den AHV-Fonds per Ende 2020. 8 Auch in der Schweiz wurden die AHV-Beiträge per 1. Januar 2020 von bisher 8.4% auf 8.7% erhöht; Die Erhöhung der Beitragssätze bedingt eine entsprechende Anpassung in den Artikel 38, 39, 41, 43, 48 und 63quinquies.
17 3.3 Wirksamkeit der Massnahmen Die Wirksamkeit dieser exemplarisch betrachteten Massnahmen wurden bereits im Bericht und Antrag Nr. 138/2019 wie folgt dargestellt.9 Fonds/Jahres- Wirksamkeit Wirksamkeit Wirksamkeit der Verdoppelungs- ausgaben BuA 108/2015 doppelten faktor Ende 2038 Ausprägung gem. BuA 108/2015 Ohne Massnahmen 4.26 Beitragssatz +0.3% 4.63 0.37 0.44 0.87 1.98 Rentenalter +1 Jahr 5.00 0.74 0.82 1.43 1.74 Staatsbeitrag +10 Mio. 4.65 0.39 0.34 0.69 2.03 Kombination gerechnet 5.80 1.54 Summe der Beiträge 1.50 Abbildung 4: Wirksamkeit von drei Massnahmen Eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0.3 Prozentpunkte verbessert das Verhältnis von Fondsvermögen zu Jahresausgaben im Jahr 2038 um 0.37 und bei einer Erhö- hung um 0.6 Prozentpunkte um (gerundet) 0.73 (0.37 * 1.98). Die Wirksamkeit eines Staatsbeitrags in Form einer Einmaleinlage von CHF 100 Mio. beträgt, wie im vorherigen Abschnitt ausgeführt, 0.23 Einheiten. Somit beträgt die Wirksamkeit des nunmehr vorgeschlagenen Massnahmenbün- dels insgesamt 0.96 Einheiten, womit das Verhältnis von Fondsvermögen zu Jah- resausgaben im Rahmen der Modellannahmen per Ende 2038 von 4.26 (ohne Massnahmen) auf 5.22 verbessert werden und somit etwas über die gesetzlich vorgeschriebenen Grenze des Fünffachen der Jahresausgaben angehoben werden kann. Streng genommen wäre gesetzlich nur eine Verbesserung des Verhältnisses auf 5 gefordert. Das könnte alleine durch die Erhöhung der Beitragssätze erreicht 9 Siehe Bericht und Antrag Nr. 138/2019, Seite 18, Abbildung 7.
18 werden. Es ist aber angezeigt, nicht nur gerade das Minimum anzustreben, son- dern aufgrund von Unwägbarkeiten das Verhältnis etwas stärker zu verbessern. Unwägbarkeiten liegen nicht nur in der Entwicklung der Kapitalmärkte, sondern auch in der Entwicklung der Lohnsumme und damit der Determinante der Haupt- einnahmequelle der AHV. Die Auswirkungen der Rezession, welche durch die Coronakrise ausgelöst wurde, auf die AHV-pflichtige Lohnsumme lassen sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht mit hinreichender Genauigkeit abschätzen. 3.4 Ausgleich der Mehrbelastung Die aufgrund der Beitragserhöhung resultierende Mehrbelastung soll mit einer Re- duktion der Beiträge an die Familienausgleichskasse (FAK) dahingehend ausgegli- chen werden, dass diese um 0.24 Prozentpunkte reduziert werden. Unter Berück- sichtigung der seit vielen Jahren bestehenden Überschüsse der FAK und der Ent- wicklung des FAK-Fonds sowie dem Verhältnis des FAK-Fonds zur aktuellen Jahres- ausgabe (siehe dazu die Abbildung 5 und Abbildung 6 10) erscheint diese Reduktion der Beiträge an die FAK sinnvoll und finanziell tragbar. In den Jahresberichten der AHV/IV/FAK-Anstalten wurden die Überschüsse der FAK und die Verlagerung der Beiträge zur AHV ebenfalls schon thematisiert 11. 10 Geschäftsbericht der AHV-IV-FAK Anstalten 2019, Seite 38, abrufbar unter www.ahv.li . 11 Siehe Jahresbericht 2015, Seite 40 oder Jahresbericht 2016, Seite 23, abrufbar unter www.ahv.li
19 Abbildung 5: Verhältnis FAK-Fonds zu aktueller Jahresausgabe Abbildung 6: Entwicklung des FAK-Fonds Durch die Reduktion der Beitragssätze an die FAK können die unselbständigen Ar- beitnehmer nicht entlastet werden, da sie selbst keine Beiträge an die FAK leis- ten.12 Dennoch ist es aus Sicht der Regierung angezeigt, die Mehrbelastungen, 12 Vgl. Art. 44 Familienzulagengesetz (FZG), LGBl. 1986 Nr. 28: Die Mittel für die nach diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen werden aufgebracht durch: a) die Beiträge der Arbeitgeber; b) die Beiträge der Selbständigerwerbenden, der Arbeitnehmer ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber, der Nichterwerbstätigen und durch die Beiträge von der Rentnersteuer unterstehenden Personen; c) den Beitrag des Landes; d) die Erträgnisse aus dem Vermögen der Anstalt.
20 welche sich aus dem vorgeschlagenen Massnahmenpaket ergeben, paritätisch auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen. Dazu soll nominal der Beitrag der Ar- beitgeber an die AHV stärker erhöht werden, um dadurch den Beitrag der Arbeit- nehmer zu verringern. Kompensiert um die Minderbelastung von 0.24 Prozent- punkten, der infolge der Reduktion des Beitragssatzes an die FAK auf 1.66% resul- tiert, wird so eine Mehrbelastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber von je 0.18 Prozentpunkten erreicht.13 Die Herleitung findet sich in Abbildung 7. Arbeitnehmer Arbeitgeber Total Aktueller Beitragssatz 3.95% 4.15% 8.10% Erhöhung 0.18% 0.42% Kompensation FAK -0.24% Neuer Beitragssatz 4.13% 4.57% 8.70% Netto Mehrbelastung 0.18% 0.18% Abbildung 7: Netto-Mehrbelastung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der vorgeschlagenen Umsetzung des Massnahmenpakets. Um die Frage nach der Tragbarkeit eines um 0.24 Prozentpunkte verringerten Bei- tragssatzes an die FAK zu klären, wurde die Entwicklung der FAK über die vergan- genen 10 Jahre mit einem entsprechend verringerten Beitragssatz simuliert. Dabei wurden jeweils die tatsächlich erzielten Beitragseinnahmen proportional verringert, ausgehend von einem Beitragssatz von 2.1 % für die Jahre 2010 und 2011 sowie von 1.9 % für die Folgejahre und es wurden jeweils der Fondsbestand des Vorjahresendes vermehrt um diese reduzierten Beitragseinnahmen und ver- ringert um die tatsächlich getätigten Ausgaben. Als weitere Komponente wurde die tatsächlich erzielte prozentuale Vermögensperformance berücksichtigt. Das Resultat ist in Abbildung 8 dargestellt. Mit einem um 0.24 Prozentpunkte 13 Nicht berücksichtigt bei dieser Rechnung werden die Verwaltungskosten, die zusätzlich zu den Beiträgen von den Arbeitgebern eingezogen werden. Diese betragen 2.5% der übrigen Abgaben. Bei der vorgeschla- genen Erhöhung der Beiträge werde somit die Arbeitgeber aufgrund der indirekten Erhöhung der Verwal- tungskosten um 0.009 Prozentpunkte stärker belastet als die Arbeitgeber.
21 verringertem Beitragssatz wäre der FAK-Fonds über die vergangenen 10 Jahre dennoch leicht angestiegen, sodass diese Reduktion tragbar ist und absehbar nicht zu einem Aufzehren des FAK-Fonds führt. 250 Millionen FAK-Fonds Ende Jahr tatsächlich 200 FAK-Fonds simuliert mit reduziertem Beitragssatz 150 100 50 0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Abbildung 8: Entwicklung des FAK Fonds und Simulation der Entwicklung bei reduziertem Bei- tragssatz. 4. VERNEHMLASSUNG 4.1 Vernehmlassungsteilnehmer In der Sitzung vom 16. Juni 2020 hat die Regierung den Vernehmlassungsbericht betreffend Massnahmen zur langfristigen finanziellen Sicherung der AHV verab- schiedet und den betroffenen Gemeinden, Verbänden und Organisationen zur all- fälligen Stellungnahme bis zum 31. Juli 2020 zugestellt.
22 Zur Stellungnahme wurden aufgefordert: - alle Gemeinden - AHV-IV-FAK-Anstalten - Liechtensteinische Industrie- und Handelskammer (LIHK) - Wirtschaftskammer Liechtenstein für Gewerbe, Handel und Dienstleistung - Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverband (LANV) - Liechtensteiner Seniorenbund (LSB) - Stabstelle Finanzen In der Folge gingen 16 Stellungnahmen nachstehend aufgeführter Gemeinden, Or- ganisationen und Amtsstellen ein: - Datenschutzstelle - Gemeinde Eschen - Gemeinde Mauren - Gemeinde Triesen - Wirtschaftskammer Liechtenstein für Gewerbe, Handel und Dienstleistung - Gemeinde Triesenberg - Gemeinde Balzers - Gemeinde Schaan - Gemeinde Vaduz - Vaterländische Union - Gemeinde Ruggell - AHV-IV-FAK-Anstalten - Gemeinde Planken
23 - Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverband - Liechtensteiner Seniorenbund (LSB) - Liechtensteinische Industrie- und Handelskammer Die folgenden Institutionen haben ohne jegliche Ausführungen auf eine Stellung- nahme explizit verzichtet: - Gemeinde Eschen - Gemeinde Mauren - Gemeinde Triesen - Gemeinde Triesenberg - Gemeinde Balzers - Gemeinde Schaan - Gemeinde Vaduz Die Regierung dankt an dieser Stelle den Vernehmlassungsteilnehmern für ihr In- teresse und ihre Anregungen. 4.2 Vernehmlassungsergebnis 4.2.1 Grundsätzliches Die Notwendigkeit von Massnahmen zur langfristigen finanziellen Sicherheit der AHV wird von den Vernehmlassungsteilnehmern grundsätzlich bejaht und die von der Regierung ausgearbeiteten Vorschläge bzw. Massnahmen werden zum Teil be- fürwortet, zum Teil nicht befürwortet. Es wird von einem Vernehmlassungsteil- nehmer die Ansicht geäussert, dass die vorgeschlagene Lösung als kleinster ge- meinsamer Nenner aus der Diskussion im Landtag zu werten sei (VU).
24 Auf die Vernehmlassungsergebnisse wird im Folgenden eingegangen, da keine konkreten Vorschläge für Gesetzesänderungen eingegangen sind. Ein Vernehmlassungsteilnehmer (VU) kritisiert, dass die vorgeschlagene Lösung nicht «nachhaltig» sei, da die Probleme nicht behoben, sondern lediglich eine kurz- fristige Stabilisation erfolge. Mit den Massnahmen werde der Zeitpunkt in einem mittleren wirtschaftlichen Entwicklungszenario lediglich um zwei Jahre nach hinten geschoben. Diesbezüglich ist vorab auf die Ausführungen im Kapitel I.1 Ausgangslage zu erwei- sen. Von Gesetzes wegen (Art. 25bis AHVG) hat die Regierung mindestens alle fünf Jahre eine versicherungstechnische Prüfung des Vermögens der Anstalt über ei- nen 20 Jahre vorausschauenden Zeitraum, beginnend ab dem jeweiligen Jahres- ende des Vorjahres, erstellen zu lassen und das Ergebnis dem Landtag binnen drei Monaten ab Erhalt des Gutachtens zur Kenntnis zu bringen. Des Weiteren hat die Regierung innerhalb von zwölf Monaten nach der Kenntnisnahme der versiche- rungstechnischen Prüfung durch den Landtag diesem Vorschläge für Massnahmen zu unterbreiten, welche ein Vermögen von mindestens fünf Jahresausgaben am Ende des Zeitraums sicherstellen, falls die versicherungstechnische Prüfung zeigt, dass am Ende dieses Zeitraums damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der An- stalt unter das Fünffache der Jahresausgabe fällt. Die Regierung hat, den Vorgaben des Gesetzgebers entsprechende Massnahmen vorgeschlagen, die sogar über dem Mindestniveau liegen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Regierung ge- mäss Art. 25bis AHVG lediglich eine versicherungstechnische Prüfung des Vermö- gens der Anstalt über einen 20 Jahre vorausschauenden Zeitraum erstellen lassen und das Ergebnis dem Landtag binnen drei Monaten ab Erhalt des Gutachtens zur Kenntnis hätte bringen müssen. Die Regierung hat aber nicht nur ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches diese gesetzliche Forderung erfüllt, sondern zusätzlich zur aktuellen Gesetzeslage auch exemplarisch die Szenarien «Erhöhung Rentenal- ter», «Erhöhung Beitragssatz», «Erhöhung Staatsbeitrag» und eine Kombination
25 dieser drei Szenarien geprüft. Zudem hat die Regierung das Gutachten dem Land- tag nicht nur (ohne Erläuterungen) zur Kenntnis gebracht, sondern hat einen aus- führlichen Bericht und Antrag Nr. 138/2019 erstellt, worin quantitativ aufgezeigt wurde, wie sich diese Massnahmen und Kombinationen davon in verschiedenen Ausprägungen auf dieses Verhältnis auswirken. All dies, damit sich der Landtag bereits vorab basierend auf den notwendigen Fakten mit konkreten Massnahmen befassen kann. Die Regierung nimmt für sich nicht in Anspruch, dass die vorgeschlagenen Mass- nahmen «nachhaltig» seien im Sinne, dass sie für alle Zukunft ausreichen werden. «Nachhaltig» im Sinne dieser Anregung ist der im AHVG im Rahmen der letzten Gesetzesrevision eingefügte Mechanismus, alle fünf Jahre mittels eines versiche- rungstechnischen Gutachtens die Entwicklung über 20 Jahre zu prüfen. Damit wird die Exekutive und in der Folge auch die Legislative dazu angehalten, regelmässige Prüfungen vorzunehmen, unabhängig davon, ob politisch gerade ein günstiger o- der ungünstiger Zeitpunkt vorliegt. Ergeben diese Prüfungen Handlungsbedarf, so werden die zum jeweiligen Zeitpunkt opportunen und mehrheitsfähigen Massnah- men ergriffen. Mit der Schwelle von fünf Jahresausgaben in einem Zeithorizont von 20 Jahren ist in diesem Mechanismus zudem ein quantitativ festgelegtes Ziel vorgegeben. Dieses Ergebnis der letzten AHV-Revision hält die Regierung immer noch für zweckmässig. 4.2.2 Einmaleinlage und Staatsbeitrag Die vorgeschlagene Einmaleinlage in Höhe von CHF 100 Mio. wird kontrovers dis- kutiert, wobei dieser Vorschlag von einem Vernehmlassungsteilnehmer als poli- tisch vermutlich erfolgsversprechendste Massnahme bezeichnet wird (Gemeinde Planken). Von einigen Teilnehmern wird eine Einmaleinlage in Höhe von CHF 100 Mio. dem Grunde und der Höhe nach befürwortet (Wirtschaftkammer; AHV-IV- FAK-Anstalten; LANV), zum Teil wird ausgeführt, dass allenfalls geprüft werden
26 könnte, ob die Einmaleinlage «etwas höher» ausfallen könnte (LIHK). Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass diese Einmaleinlage zusätzlich zu einer Erhöhung des jährlichen Staatsbeitrages um jeweils CHF 10 Mio. erfolgen müsste (LANV). Ein Vernehmlassungsteilnehmer weist darauf hin, dass die Höhe der vorgeschlagenen Einmaleinlage - ohne weitere Massnahme - nicht ausreichend wäre und als allei- nige Massnahme mindestens verdoppelt werden müsste (Gemeinde Planken). Als Gegenvorschläge werden ein jährlicher Staatsbeitrag, wonach sich der Staat zu 50 % am Umlagedefizit der AHV beteiligt, mindestens jedoch mit CHF 30 Mio. und maximal mit CHF 55 Mio. pro Jahr vorgebracht (VU; die Gemeinde Planken erach- tet dies jedenfalls als prüfenswert) sowie eine Erhöhung des jährlichen Staatsbei- trags um CHF 10 Mio., dies anstatt einer Einmaleinlage und in Kombination mit einer Beitragssatzerhöhung auf 8.7 % (LSB). Die VU vertritt den Standpunkt, dass eine Einmaleinlage nicht nachhaltig sei und ein Mechanismus geschaffen werden müsse, der nachhaltig auf das System wirke und den wirtschaftlichen Verläufen flexibel Rechnung trage. Schliesslich wird von einem Vernehmlassungsteilnehmer kritisiert, dass durch eine Einmaleinlage das Anlagerisiko auf einen Schlag an die AHV verschoben werde und sich die Regierung aus der Verantwortung nehme (Ge- meinde Planken). Auch im Zuge der Diskussion um die Neufestlegung des Staatsbeitrags wurde im Landtag im Rahmen der Lesung des Bericht und Antrag Nr. 138/2019 neuerlich eine Koppelung des Staatsbeitrags an versicherungstechnische Grössen der AHV in die Diskussion eingebracht. Konkret wurde vorgeschlagen, den Staatsbeitrag gekop- pelt an das Umlagedefizit mit einer Unter- und Obergrenze neu festzulegen. Vorab ist auf die grundsätzlichen Überlegungen zum Staatsbeitrag im Kapitel 3.1 hinzuweisen. Aus den darin ausgeführten Gründen schlägt die Regierung weiter- hin eine Einmaleinlage in Höhe von CHF 100 Mio. vor. Insbesondere in Kombina- tion mit der vorgeschlagenen Beitragserhöhung erscheint dieses
27 Massnahmenbündel ausgewogen und zielführend, sodass von einer höheren Ein- maleinlage und/oder Erhöhung des jährlichen Staatsbeitrages abgesehen wird. Der Kritik, dass durch eine Einmaleinlage das Anlagerisiko auf einen Schlag an die AHV verschoben werde und sich die Regierung aus der Verantwortung nehme, ist entgegen zu halten, dass bei einem längeren Anlagehorizont die von der AHV ge- wählte Anlagestrategie in der Vergangenheit stets positive Kapitalmarktrenditen erbracht hat und es sich nicht erschliesst, wieso dies in Zukunft anders sein sollte. Würde man dem Argument des erhöhten Anlagerisikos folgen, dann müsste man den AHV-Fonds abbauen, womit sich dieses Argument als widersinnig erweist. Betreffend den Gegenvorschlag, den jährlichen Staatsbeitrag dahingehend anzu- passen, dass sich der Staat zu 50 % am Umlagedefizit der AHV beteiligt, mindes- tens jedoch mit CHF 30 Mio. und maximal mit CHF 55 Mio. pro Jahr, ist auf die Ausführungen im Bericht und Antrag Nr. 108/2015, Seite 41, 4.2.2 Staatsbeitrag zu verweisen: «Wie bereits ausgeführt, hat der Landtag die Regierung beauftragt, eine Gesetzes- vorlage zur Entkoppelung des Staatsbeitrags von der Rentenentwicklung mit Wir- kung ab 2012 vorzulegen. Wie in Ziff. 3.1.2 des Vernehmlassungsberichts ausge- führt, erscheint aus Sicht der Regierung die Festlegung als Prozentsatz der Leistun- gen wie in der Vergangenheit als nicht mehr opportun, da der Staatsbeitrag von der Entwicklung der Ausgaben entkoppelt werden soll. Zudem ist ein fixer Betrag einem variablen Staatsbeitrag vorzuziehen, da damit der Staat aber auch die AHV‐ IV‐FAK Anstalten Planungssicherheit erhalten. Aus diesen Gründen hält die Regie- rung am Vorschlag eines fixen Staatsbeitrages fest, allerdings indexiert mit der Teuerung». Ausführungen zu diesem Thema finden sich auch in der Stellungnahme bzw. Be- richt und Antrag Nr. 40/2016, Kapitel 2.3.1 Koppelung an das Umlagedefizit ab
28 Seite 12. Im Folgenden werden diese Aussagen auf heutige Verhältnisse angepasst bzw. aktualisiert dargelegt. Das Umlageergebnis ist die Differenz zwischen Beitragseinnahmen und Renten- ausgaben eines Jahres, also das versicherungstechnische «Bruttoergebnis» der AHV ohne Berücksichtigung von Erträgen aus Finanzanlagen. Seit dem Jahr 2003 liegen die Beitragseinnahmen in jedem einzelnen Jahr tiefer als die Ausgaben der AHV (siehe Abbildung 9). Es besteht also seit nunmehr 16 Jahren ein Umlagedefi- zit, in den letzten Jahren in der Grössenordnung von CHF 40-50 Mio. In der Prog- nose mit konstanten Parametern (Gutachten der Libera AG, siehe BuA Nr. 138/2019) wird davon ausgegangen, dass sich dieses Defizit in den kommenden Jahren weiter steigern wird, im Wesentlichen weil die Entwicklung der AHV-pflich- tigen Lohnsumme weniger stark wächst als die Rentenausgaben. In den letzten beiden Jahren der Hochkonjunktur ist die Lohnsumme stärker gewachsen als die Rentenausgaben und das Umlagedefizit hat sich verringert. Aufgrund der Coronakrise wird sich dieser Trend höchstwahrscheinlich in der Rechnung 2020 der AHV umkehren.
29 300 250 Umlagedefizit (Mio. CHF) 200 150 100 50 0 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 Gemessen Prognose Abbildung 9: Umlagedefizit der AHV Der Staatsbeitrag könnte nun in Abhängigkeit des Umlagedefizits, gegebenenfalls mit einer zusätzlichen festen Obergrenze, festgelegt werden. Dieses Vorgehen würde bedeuten, dass der Staat sich grundsätzlich zur (teilweisen oder ganzen) Ausfinanzierung des Umlagedefizits verpflichten würde. Würde das Umlagedefizit stark ansteigen, dann wäre damit schnell der Ruf verbunden, dass die Obergrenze angehoben wird, um unangenehmen politischen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, beziehungsweise am «beschlossenen Prinzip» der Ausfinan- zierung des Umlagedefizits durch den Staat festzuhalten. Die Koppelung an das Umlagedefizit hat noch einen weiteren Nachteil. Da sich diese Zahl aus der Differenz von zwei grossen Zahlen ergibt, kann sie sehr volatil sein. Die in der Abbildung 9 dargestellten Grössen sind Schätzungen, welche auf einem Prognosemodell basieren. Während die Ausgaben der AHV aufgrund des bekannten Bestandes an Rentnern und Erwerbstätigen recht gut prognostizierbar
30 sind, hängen die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber von der Lohnsumme ab. Wächst die Lohnsumme in einer Rezession nicht oder bricht sie gar ein, dann wirkt sich dies empfindlich auf das Umlagedefizit aus. Konjunkturelle Schwankun- gen sind normal und Rezessionen kommen regelmässig vor. Eine konjunkturelle Delle hätte also zur Folge, dass der Staatsbeitrag an die AHV schlagartig ansteigen würde und dies ausgerechnet in einer Zeit, in welcher mit verminderten Steuereinnahmen zu rechnen ist. Damit wirkt eine solche Koppe- lung grundsätzlich prozyklisch, was aus Gesichtspunkten des Staatshaushalts sehr ungünstig ist. Zu einer allfälligen Obergrenze wurde bereits im Bericht und Antrag Nr. 40/2016, Seite 18, Kapitel 2.3.5 «Obergrenzen für den Staatsbeitrag», Seite 18, Folgendes ausgeführt: «In der ersten Lesung wurde von einigen Abgeordneten gefordert, dass bei einer Koppelung des Staatsbeitrags an versicherungstechnische Grössen der AHV eine betragsmässige Obergrenze definiert werden sollte. Die obigen Ausführungen zei- gen, dass mit den grundsätzlich umsetzbaren Varianten der Koppelung an das Um- lagedefizit oder die Kosten für die dreizehnte Rente früher oder später eine solche Obergrenze erreicht würde. Die Definition einer Obergrenze wäre im Effekt also nichts anderes als die verzögerte Einführung eines fixen Staatsbeitrags.» Ein Vernehmlassungsteilnehmer (VU) hat um Beantwortung der folgenden Fragen gebeten: Wie hätte sich die Situation bei einer Annahme des VU-Antrages aus dem Jahre 2015 (50% des Umlagedefizites; mind. 30 Mio., max. 55 Mio.) über die Jahre entwickelt? Welche Auswirkungen auf die Beteiligung des Staates wäre in den letz- ten Jahren entstanden und mit welcher Entwicklung des Staatsbeitrages hätte man in den nächsten Jahren (z.B. bis 2038) rechnen müssen?
31 Die Antwort ergibt sich aus der Abbildung 10 auf der Seite 23 des Bericht und An- trag Nr. 138/2019 und wird nun neuerlich und ergänzt um das Ergebnis des Jahres 2019 in Abbildung 10 dargestellt. Die Neuregelung des Staatsbeitrags aufgrund der AHV-Revision 2015 ist mit dem Jahr 2018 wirksam geworden, sodass die Jahre seit 2018 für die Beantwortung der Frage zu betrachten sind. 80 70 60 Staatsbeitrag (Mio. CHF) 50 40 30 20 10 0 2015 2025 2035 2045 2055 Staatsbeitrag 30 Mio. indexiert 50% des Umlagedefizits, min. 30 Mio./max. 50 Mio. 50% des Umlagedefizits, min. 30 Mio./max. 50 Mio., indexiert Abbildung 10: Simulation Staatsbeitrag in Abhängigkeit des Umlagedefizits Die vom Vernehmlassungsteilnehmer vorgeschlagene Vorgehensweise, einen Staatsbeitrag von 50% des Umlagedefizits zu entrichten, ist in Abbildung 10 dar- gestellt 14. Es zeigt sich, dass der dynamische Mechanismus nur über wenige Jahre spielt, in der Simulation sind das nur drei Jahre. Vorher verbleibt der Staatsbeitrag 14 In der Praxis müsste man den Staatsbeitrag am Umlagedefizit des Vorjahres ausrichten, denn das Umla- geergebnis ist erst nach Erstellung des Jahresberichts bekannt. Diese Feinheit ist in der hier dargestellten Simulation vernachlässigt.
32 an der Untergrenze und kippt innerhalb von drei Jahren zur Obergrenze. Bei einer praktischen Umsetzung des Vorschlags würde mit grosser Wahrscheinlichkeit die Forderung erhoben werden, die Unter- und Obergrenzen für den Staatsbeitrag der Inflation anzupassen, so wie der heute festgelegte Staatsbeitrag ebenfalls inde- xiert ist. Diese Ausgestaltung des Staatsbeitrags ist in Abbildung 10 ebenfalls dar- gestellt. Wäre die Obergrenze von 50 Mio. erreicht, so würde eine Indexanpassung (ausgehend vom Jahr 2018) eine deutliche Steigerung des Staatsbeitrags nach sich ziehen. Für das Jahr 2038 würde sich in dieser Prognose bei Fortschreibung der heutigen Regeln ein Staatsbeitrag von CHF 36.6 Mio. ergeben, beim einer starren Ober- grenze von CHF 50 Mio. würden diese CHF 50 Mio. erreicht und bei einer indexier- ten Obergrenze würde der Staatsbeitrag CHF 61 Mio. betragen. Der von einem Vernehmlassungsteilnehmer (LANV) geäusserten Möglichkeit, künftige Überschüsse der Landesrechnung mit einem fixierten Anteil, zum Beispiel 25 %, in die AHV fliessen zu lassen, ist insbesondere auch die fehlende Planungs- sicherheit entgegen zu halten. Zudem würde in Zeiten mit geringen Überschüssen der Beitrag an die AHV geringer, was umgehend die Forderung nach Einführung bzw. Erhöhung des «anderen» Staatsbeitrags bzw. die Wiedereinführung eines zu- sätzlichen Staatsbeitrags, der unabhängig vom Ergebnis der Landesrechnung ist, nach sich ziehen würde. Es sei an dieser Stelle bezüglich des Staatsbeitrags grundsätzlich erwähnt, dass die AHV aufgrund des heute schon grossen und in Zukunft weiter steigenden Anteils an Rentnern, die ihren Anspruch als Grenzgänger erworben haben und nach der Verrentung im Ausland leben, Liechtenstein in einer im Vergleich zu anderen Staa- ten sehr besonderen Situation ist. Die AHV trägt zum Teil den Charakter eines «re- gionalen Versorgungssystems». Sich auf ausschliesslich inländische Staatsbeiträge in hohem Mass zu verlassen hiesse, bei der absehbaren
33 Wachstumsgeschwindigkeit der Rentenausgaben, den Staat mittelfristig zu über- fordern und ihm Gestaltungsfreiheiten bezüglich anderer Projekte zu entziehen. Aus all diesen Erwägungen sieht die Regierung keine Veranlassung, die gegen- ständliche Gesetzesvorlage dahingehend anzupassen, dass der Staatsbeitrag mit einer Unter- und Obergrenze künftig an das Umlagedefizit der AHV und/oder an allfällige Überschüsse der Landesrechnung gekoppelt sein soll. 4.2.3 Erhöhung der AHV-IV-FAK-Beiträge Die vorgeschlagene Erhöhung der AHV-IV-FAK-Beiträge wird auch kontrovers dis- kutiert. Teilweise wird eine Beitragserhöhung grundsätzlich bzw. zum jetzigen Zeit- punkt abgelehnt (Wirtschaftskammer bzw. Gemeinde Planken), als nachvollzieh- bar erachtet (AHV-IV-FAK-Anstalten) oder grundsätzlich befürwortet (LANV; Seni- orenbund). Ein Vernehmlassungsteilnehmer steht einer Lohnnebenkostenerhö- hung äusserst zurückhaltend gegenüber und spricht sich gegen die «Ausweitung des Delta zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebereiträgen» aus. Anstatt einer Er- höhung der AHV-Beitrag der Arbeitgeber sei eine Einmalzahlung aus der FAK an die AHV vorstellbar (LIHK). Wie von einigen Vernehmlassungsteilnehmern ausgeführt wird, erscheint eine Er- höhung der Beitragssätze auf 8.70% massvoll zumutbar. Die Beitragserhöhung er- scheint insbesondere auch massvoll und zumutbar, da die vorgeschlagene Höhe den Schweizer Beitragssätzen entspricht sowie ein Ausgleich der Mehrbelastung durch eine Reduktion der FAK-Beiträge erfolgt (siehe Kapitel 3.2 und 3.4). Dem Vorschlag einer Einmalzahlung aus dem FAK-Fonds in den AHV-Fonds anstatt einer Erhöhung der AHV-Arbeitgeberbeiträge steht die Regierung ablehnend ge- genüber, da damit bereits für die Familienzulagen bezahltes und vorhandenes Geld zweckentfremdet würde (vgl. Art. 23 FZG), dies im Gegensatz zur
34 vorgeschlagenen Lösung der künftigen Reduktion der FAK-Beiträge. Zudem ist höchst fraglich bzw. zweifelhaft, ob dies aus rechtlichen Gründen überhaupt zu- lässig wäre. Auch wenn die Beitragssätze letztmals per 1. Januar 2018 von 7.8 % auf 8.1 % er- höht wurden, erscheint eine weitere Erhöhung per 1. Januar 2022 nach Ansicht der Regierung verhältnismässig und nicht verfrüht. Bei der Diskussion um einzelne Massnahmen sind auch immer die Alternativen und ihre Auswirkungen zu betrachten. Vorausgesetzt, dass auch weiterhin der ge- setzgeberische Wille besteht, die finanzielle Situation im Sinne des im AHVG ver- ankerten Mechanismus regelmässig zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen, ist beispielsweise zwischen einer Erhöhung des Rentenalters und einer Erhöhung der Beiträge abzuwägen. Aus Abbildung 4 kann abgeleitet werden, dass die Wirkung einer Erhöhung des Rentenalters um ein Jahr der Wirkung einer Erhöhung der Bei- träge um 0.6 Prozentpunkte gleichzusetzen ist. Es ist zu vermuten, dass eine Bei- tragserhöhung in dieser Höhe einer Erhöhung des Rentenalters jedenfalls vorge- zogen wird, solange die absolute Höhe der Lohnabzüge nicht zu hoch ist. Für die finanzielle Stabilität der AHV ist es aber unwesentlich, ob die Verbesserung des Verhältnisses von Fondsvermögen zu Jahresausgaben aus einer Erhöhung des Rentenalters oder der Beitragssätze stammt. In der politischen Diskussion jedoch sind höhere Lohnnebenkosten gegen längere Lebensarbeitszeit abzuwägen. 4.2.4 Reduktion der FAK-Beiträge Die Reduktion der FAK-Beiträge zum Ausgleich der Mehrbelastung durch die AHV- Beitragserhöhung wird von mehreren Vernehmlassungsteilnehmern nicht begrüsst bzw. kritisiert (Wirtschaftskammer; Gemeinde Planken; LANV). Begründet wird dies damit, dass die FAK-Beiträge in Zukunft voraussichtlich wieder erhöht werden müssen (Wirtschaftskammer), dass dies eine Querfinanzierung und Zweckentfrem- dung darstelle (VU; Gemeinde Planken; LANV) sowie indirekt Fortschritte bei der
35 besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf verhindert werden könnten (VU). Mit den Überschüssen könnten die bezahlte Elternzeit teilfinanziert werden (LANV). Von den AHV-IV-FAK-Anstalten wird die «Verlagerung» von der FAK zur AHV als nachvollziehbar beurteilt. Diesbezüglich ist vorab auf die Ausführungen im Kapitel 3.4 hinzuweisen. Um die Arbeitgeber nicht unnötig und unverhältnismässig zu belasten, erscheint ein Aus- gleich dieser Mehrbelastung unbedingt angezeigt. Hierbei ist zudem zu berück- sichtigen, dass einerseits im Bereich der AHV von Gesetzes wegen Handlungsbe- darf besteht bzw. Massnahmen notwendig sind, andererseits die Reduktion der FAK-Beiträge ohne Einschränkungen bzw. Leistungsreduktion tragbar sind. Wie insbesondere aus der Abbildung 8 entnommen werden kann, würde sich der FAK- Fonds auch bei einem reduzierten Beitragssatz langfristig nicht verringern. Somit ist davon auszugehen, dass künftig keine Erhöhung der FAK-Beitragssätze notwen- dig sein wird, sofern keine bestehenden und/oder neuen Leistungen künftig durch die FAK finanziert werden sollen. Dies ist zudem nicht die erste Reduktion der FAK-Beitragssätze. Schon im Jahr 2011 wurden die Sätze reduziert. Eine Reduktion der FAK-Beitragssätze stellt weder eine «Querfinanzierung» noch eine «Zweckentfremdung» dar, sondern ist eine Neufestlegung der Beiträge im Rahmen der Kompetenz des Gesetzgebers. 4.2.5 Rentenaltererhöhung Im Vernehmlassungsbericht wurde ausgeführt, dass auf eine Erhöhung des Ren- tenalters verzichtet werden soll. Ein Vernehmlassungsteilnehmer schlägt vor, an- statt der AHV-Beitragssätze das Rentenalter zu erhöhen (Wirtschaftskammer). Ein anderer Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst den Verzicht auf eine Rentenalter- erhöhung, wobei die Lebensarbeitszeit verlängert werden solle (LANV). Des Weite- ren wird ausgeführt, dass eine Rentenaltererhöhung von der Fachlogik her folge- richtig wäre, der Verzicht darauf jedoch nachvollziehbar sei. Eine
36 Rentenaltererhöhung sei aber mittelfristig zu erwarten (AHV-IV-FAK-Anstalten) bzw. müsse in Zukunft «in Erwägung gezogen werden» (LIHK). Schliesslich wird kri- tisiert, dass die Erhöhung des Rentenalters sowie eine Flexibilisierung des Renten- alters «völlig ausgeblendet» werde (Gemeinde Planken). Vorab ist darauf hinzuweisen, dass eine Rentenaltererhöhung nicht «völlig ausge- blendet» wurde. Insbesondere wurde im Gutachten, welches dem Landtag mit Be- richt und Antrag Nr. 138/2019 zur Kenntnis gebracht wurde, als Vorschlag für Mas- snahmen auch die Rentenaltererhöhung aufgezeigt 15. Nach der Diskussion dieses Bericht und Antrages im Landtag hat die Regierung im Vernehmlassungsbericht jedoch darauf verzichtet, eine Rentenaltererhöhung zum jetzigen Zeitpunkt vorzu- schlagen, da absehbar ist, dass diese keine Mehrheit finden wird. Stattdessen wa- ren andere Massnahmen zu ergreifen um die im AHVG verankerte Forderung, am Ende eines Betrachtungszeitraums von 20 Jahren ein Verhältnis von Fondsvermö- gen zu Jahresausgabe von über 5 zu erreichen. Aufgrund der Stellungnahmen zum Vernehmlassungsbericht sieht die Regierung keine Veranlassung, in diesem Be- richt und Antrag eine Rentenaltererhöhung vorzuschlagen. Sollte sich bei der nächsten versicherungstechnischen Prüfung erweisen, dass Massnahmen nötig sind, so ist sehr wahrscheinlich, dass die Regierung wieder zumindest die Wirkung naheliegender Massnahmen wie einer Erhöhung der Beitragssätze, des Rentenal- ters und des Staatsbeitrags im Rahmen des Gutachtens quantifizieren lassen wird. Der Gesetzgeber wird zu diesem Zeitpunkt zu entscheiden haben, welche Kombi- nation von Massnahmen angemessen ist, um das im AHVG verankerte Ziel zu er- reichen. 15 Vgl. beispielsweise die Seiten 13 und 18.
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