Berichte aus Forschung & Züchtung 2020 - Dottenfelderhof
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Inhalt Vorwort 2 Geschäftsführung 3 Zahlen und Fakten 4 Überblick 6 Publikationen 8 Danksagung 9 Gemüse 10 Züchtungsziele 11 Aussaat und Ernte 12 Winterweizen 14 Sortenbeschreibung 16 Wintergerste 18 Winterroggen 20 Sommerweizen 22 Hafer 24 Körnermais 26 Saatgutgesundheit 28 Leindotter 30 Luzerne 32 Futterrüben 34 Impressum 36
Vorwort Geschäftsführung Kathrin Buhmann 2020 war ein ereignisreiches Jahr, in welchem der 5-jährige Nachfolgepro- M. Sc. Crop Sciences mit Spezialisierung „Pflanzenzüchtung und zess in der Forschung & Züchtung Dottenfelderhof zum Abschluss gebracht Saatgutkunde“ an der Universität Hohenheim. Seit 2017 Mitarbeite- werden konnte. Der Gründer und langjährige Leiter Dr. agr. habil. Hartmut rin der FZD und seit 2020 gemeinsam mit Dr. Carl Vollenweider ge- Spieß ist am 1. September 2020 aus der FZD ausgeschieden. schäftsführend tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Betreuung des Wintergerstenzuchtprogramms (zusammen mit Sabine Martis), Das Team der Abteilung möchte sich ganz herzlich für sein Wirken in der FZD die Entwicklung offen-abblühender Maispopulationen (mit Carl Vollen- und für die biologisch-dynamische Forschung und Züchtung bedanken. Für weider), sowie die Durchführung des BÖLN-Projekts „Zuchtmethoden seine Verdienste um den ökologischen und biologisch-dynamischen Land- Maispopulationen“ („ZuchtMetPopMais“). bau wurde Dr. Spieß im Jahr 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Die Arbeitsbereiche von Dr. Spieß wurden nunmehr vom Team übernommen. Geschäftsführend tätig sind seit dem 1. Januar 2020 Kathrin Buhmann und Dr. Carl Vollenweider. Somit ist sowohl die züchterische und wissenschaftli- che Kompetenz als auch die unternehmerische Entwicklung der Forschungs- und Züchtungsinitiative für die Zukunft in die Hände der nächsten Generation gelegt. In diesem Heft versuchen wir Ihnen einen Einblick in unsere Arbeit zu geben und stellen unsere Züchtungsprojekte und Mitarbeiter*innen vor. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre! Foto: Gesche Jäger Abb. 1: Gemeinsamer Auftritt bei der Saatguttagung Carl Vollenweider in Kassel 2020 (v.l.n.r. Dr. Carl Vollenweider, Dr. Hartmut Spieß, Kathrin Buhmann). Foto: Dr. Sc. ETH Zürich in Theoretischer Physik. Seit 2015 Mitarbeiter und seit Zukunftsstiftung Landwirtschaft, S. Münnich 2020 Co-Geschäftsführer der FZD. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehören die Getreideaussaat (zusammen mit Stefan Klause), sowie die Konzeption und Umsetzung von Projekten zu den Themen heterogene Mais- und Weizenpopulationen, pflanzengenetische Ressourcen, Saatgutvermeh- rung und Steinbrand. 2 3
Zahlen und Fakten Stefan Klause Ökologisch gezüchtete Sorten 81.000 Einzelähren in Hessen vermehren Sechs hessische Saatgutvermehrer und Landwirte gründeten im Sommer 2020 die ÖkoSaat-Hessen GmbH, eine regionale Vermehrungs- und Vertriebsgesellschaft für Saatgut von Sorten aus ökologischer Züchtung. Für die Initiativkraft der hessischen Saatgutvermehrer möchte sich die FZD ganz herzlich bedanken. Wir freuen uns auf eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. 285 ha Vermehrungs- 2.600 Groß-Parzellen 16.800 Klein-Parzellen flächen der Leistungsprüfung 3.154 Maiskolben eigenen Sorten 589 Flugbrand- Inokulationen mit ca. 40.000 Injektionen 224 Kreuzungen 105.300 Versand von geschnittene 300 Paketen Ähren 1.140 Analysen Populationen und ökologisches heterogenes Material Für die Arten Weizen, Gerste, Hafer und Mais können seit 2016 im Rahmen eines EU-Experiments (Durchfüh- rungsbeschluss 2014/150/EU) heterogene Populationen in Verkehr gebracht werden. Aktuell sind von der FZD Biodynamische Züchter gründen zwei Maispopulationen (ALMITO und BOGDAN Population), zwei Winterweizen- (BRANDEX und LIOCHARLS Vermehrungsorganisation Population) und zwei Sommerweizenpopulationen (CONVENTO C und E Population) zugelassen. Im Berichts- jahr wurde die Zulassung von einigen Populationen, welche den hohen Ansprüchen der Züchter*innen nicht Die Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk) und die Forschung & Züchtung Dottenfel- mehr genügen, darunter BRANDEX 2 sowie einige der CONVENTO Populationen, zurückgezogen. Das EU- derhof (FZD) werden künftig im Bereich der Vermarktung ihrer biologisch-dynamisch Experiment wird im Februar 2021 definitiv auslaufen. gezüchteten Sorten eng zusammenarbeiten. Am 4. Juli 2020 wurde die BioSaat GmbH von den Gesellschaftern gzpk, FZD, Gut Mönchhof KG und der Dottenfelder Mit der neuen EU-Öko-Verordnung soll es dafür möglich werden, sogenanntes „ökologisches heterogenes Bio-Saat GmbH gegründet. Ab 2021 wird die BioSaat GmbH die Vermehrungsor- Material“ für alle Kulturarten zuzulassen. Die Verordnung wird aber frühestens ab dem 1. Januar 2022 in Kraft ganisation (VO) für alle Sorten der gzpk und der FZD sein. Der regionale Saatgut- treten. Vom 1. März bis zum 31. Dezember 2021 ist Saatgut von Populationen somit in Deutschland nicht vertrieb wird weiterhin von der Bioland-Handelsgesellschaft, Marktgesellschaft der vertriebsfähig. Dieser Zustand ist inakzeptabel und dafür muss dringend mit Unterstützung verschiedener Naturlandbauern, Öko-Korn Nord, ÖkoSaat-Hessen GmbH u. a. übernommen. Organisationen eine Lösung gefunden werden. 4 5
Überblick Vegetationsperiode Kooperationsprojekte der FZD Ben Schmehe Andrea Gallehr Die Vegetationsperiode 2019/20 war geprägt von variablen Niederschlägen. In der Summe war es in 2019/20 aber Die EIP-Projekte „Getreide-Populationen Hessen“ zur Entwicklung sowie zu Anbaupraxisversuchen von Winterweizen- immer noch zu trocken und insgesamt überdurchschnittlich warm (Abb. 2). Nach den Trockenjahren 2018 und 2019 Populationen und „ÖkoSaat Hessen“ zur Saatgutvermehrung ökologisch gezüchteter Getreide-sorten werden durch waren Landwirte und Züchter zunächst froh über die reichlichen Niederschläge im Herbst 2019. Allerdings konnten die die Dottenfelder Bio-Saat GmbH noch bis Mitte 2021 bzw. Anfang 2023 durchgeführt. planmäßigen Herbstaussaaten, die mit Gerste und Roggen Ende September/Anfang Oktober normalerweise begin- 2020 ging das Projekt ZuchtMetPopMais nach Verlängerung bei der BLE im BÖLN in das vierte Versuchsjahr. nen, bis Mitte Oktober immer noch nicht erfolgen, da es ab dem 22. September nahezu durchgehend regnete. Nicht Ein Nachfolgeprojekt zu Qualitätseigenschaften von Speisemais ist beantragt. nur das Team der FZD, sondern auch die Landwirte vom Dottenfelderhof warteten im Oktober auf Schönwetterpha- sen, um die Herbstarbeiten durchführen zu können. Im November steckten teilweise noch Kartoffeln im Boden und die Die vom Saatgutfonds geförderten Innovations- bzw. Kooperationsprojekte, das „Leindotter-“ und „Resilienz-Projekt“, Steinbrandprüfung konnte erst Mitte November gesät werden. werden noch bis 2021 bzw. 2023 weitergeführt. Der Winter verlief dann äußerst mild, so dass Unkräuter nicht abfroren, was zu einer neuen Normalität zu werden Seit Anfang diesen Jahres wird durch die SAG-Stiftung das Projekt PGR-BIODYN zu pflanzengenetischen Ressourcen scheint. Bis Ende Januar herrschte noch große Sorge, wegen der immer noch viel zu trockenen tiefen Bodenschich- in Zuchtgartensortimenten und deren dynamischer Erhaltung in Populationen gefördert. ten. Ab Februar sorgte dann reichlicher Dauerregen für nasse Bedingungen. Das Wasser war dringend nötig, aber da Für das JKI, Quedlinburg wurde die MAGIC-Gerstenpopulation im Projekt NEA-KULT erneut nachgebaut. die Böden lange nicht befahrbar waren, konnten die ersten Aussaaten der Sommerungen erst am 23. März erfolgen. Im EU-Projekt LIVESEED hat die FZD als Unterauftragnehmer der Universität Kassel-Witzenhausen (Prof. Backes) Nach der Nässe im Februar-März kam die Trockenheit. Nach der Aussaat fiel von Mitte März bis Ende April kein nen- gemeinsam mit Anders Borgen (DK) verstärkt an der Steinbrand-Thematik gearbeitet. nenswerter Niederschlag. Auch im Mai waren die Niederschläge mit ca. 50 % des langjährigen Mittels sehr niedrig, In das dritte Versuchsjahr ging die Mitarbeit in den EIP-Projekten „Soja on top“ und „QS Weizen“ der Universität Gießen was insbesondere ein Problem für die Sommerungen darstellte. Anfang bis Mitte Juni fielen die lang ersehnten und für zur Eignung von Winterweizensorten für den Anbau in Mischkultur mit Sojabohne bzw. zur Proteinqualität bei Weizen. diesen Zeitraum überdurchschnittlich hohe Niederschläge. Für gute Erträge bei den Sommerungen war dies zwar zu 2020 ging die Zusammenarbeit der biodynamischen ZüchterInnen in das 28. Jahr. spät, aber die Qualität konnte damit gesichert werden. Auf den Regen im Juni folgte im Juli die zweite längere Trockenphase des Jahres. Im Juli fielen lediglich 10 mm Nieder- schlag. Für die Ernte des Getreides war das zwar gut, jedoch führte dies zu einem extrem hohen Bewässerungsbedarf Praktikant*innen und Aushilfskräfte der Gemüsekulturen und auch des Feldfutters und der Wiesen, der nicht immer gedeckt werden konnte. Im August Andrea Gallehr fielen dann knapp 84 mm Niederschlag, fast 50 % mehr als im langjährigen Mittel. Als studentische Praktikant*innen lernten Luisa Degott, Tobias Flakus, Sophie Mast, Jule Schwormstede und Tessa Willems die Züchtungs- und Forschungsarbeiten innerhalb der FZD kennen. [°C] [mm] Des Weiteren unterstützten Auguste Klause, Paul Klause, Kai Neubeck, Pedro Paço, Denisa Rohunová sowie Petr 50 100 Spevak als Aushilfskräfte das Team bei den vielfältigen Feld- und Laborarbeiten. 144% 40 182% 80 116% 128% 104% Finanzen & Investitionen 30 60 Andrea Gallehr 84% 121% 20 40 Der Gesamt-Etat der Forschung & Züchtung Dottenfelderhof (einschließlich der Dottenfelder Bio-Saat GmbH) belief 64% 56% 49% sich für 2020 auf ca. 950.000 € und schließt voraussichtlich mit einem ausgeglichenen Saldo ab. Die Gesamt-Einnah- 10 20 men, aber auch die Gesamt-Ausgaben sind im Vergleich zum Vorjahr um ca. 40.000 € geringer ausgefallen. 26% 16% Auf der Ausgabenseite ist dies auf niedrigere Investitionen und Rückstellungen, die in 2020 bei ca. 80.000 € lagen, zurückzuführen. Diese Summe beinhaltet die restliche Zahlung für einen Parzellen-Mähdrescher (33.000 €), die An- 0 0 schaffung von Saatgutkisten zur Trocknung und Lagerung von Saatgut (13.000 €) sowie Rückstellungen für den Bau eines Maschinenunterstandes (30.000 €). -10 -20 Für 2021 und die kommenden Jahre steht die FZD vor großen finanziellen Herausforderungen. Die Zuwendungen -20 -40 durch verschiedene Stiftungen werden in 2021 sinken, dazu kommt der Wegfall von Projekten (z.B. KLAR-Projekt). Die Okt 19 Nov 19 Dez 19 Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 geringeren zur Verfügung stehenden Finanzmittel müssen durch Kosteneinsparungen in allen Bereichen (Investitio- Niederschlag [mm] Dfh Mittel 30 Jahre [mm] Dfh Mittel 24 Jahre [°C] nen, Personalkosten, Sortenzulassungen und -prüfungen) ausgeglichen werden. Dabei wird großer Wert und Umsicht Max [°C] Mittel [°C] Min [°C] darauf gelegt, dass die Einsparungen sozial verträglich gestaltet und alle wertvollen pflanzengenetischen Ressourcen erhalten werden können. Abb. 2: Klimadiagramm Dottenfelderhof Vegetationsperiode 2019-20. Die Zahl über dem Balken zeigt die prozentuale Abweichung des aktuellen vom langjährigen mittleren Niederschlag. 6 7
Publikationen Danksagung Fachpublikationen Vollenweider, C.; Buhmann, K.; Eder, B. (2020). Maispopulationen – Eine Alternative zu Hybridsorten? Zeitschrift mais, DMK, 1/2020 (47. Jg.), 34-36. Vollenweider, C.; Haak, A.; Buhmann, K.; Locher, M.; Weyermann, V.; Schwittek, G.; Mascher, F.; Finckh, M.; Weedon, O. (2020). Stability of yield and baking quality parameters of heterogeneous wheat populations. SAATGUT AUSTRIA, 71. Österreichische Pflanzenzüchtertagung, 23.-24. November 2020 (Online) Während der 43 Jahre, in denen die Forschung & Züchtung auf Kawall, K.; Vollenweider, C.; Volling, A. (2020). PILTON – das neue Weizenwunder? dem Dottenfelderhof wirkt, ist sie von vielen Menschen und Institutionen unter- Unabhängige Bauernstimme, 12/2020, Nr. 449, 18. stützt und gefördert worden. Ohne diese Unterstützung war und ist die Baćanović-Šišić, J.; Dennenmoser, D.; Borgen, A.; Müller, K.-J.; Vollenweider, C.; Backes, G. (2020). Forschungsarbeit auf dem Standort Network-based GWAS revealed several candidates of genomic regions associated with race-specific Dottenfelderhof nicht denkbar. resistances to common bunt (Tilletia caries) in wheat. Liveseed/Eucarpia international conference on Hierfür möchte sich das Team herzlich breeding and seed sector innovations for organic food systems, 8. - 10. März 2021 (Online). bei allen Stiftungen, Institutionen, Spendern und auch den Landwirten, welche die Entwicklung von ökologisch M 67,2 C 100 M 100 Y 100 K 61,8 Spieß, H. (2020). Strategien des Bio-Landbaus zum Klimawandel. 61. Fortbildungskurs „Ökologischer gezüchteten Sorten mit einem freiwilligen Landbau" des SIGÖL, Bad Düben, 05. März 2020. Sortenentwicklungsbeitrag unterstützt haben, herzlich bedanken. Herrmann, M.; Schmehe, B.; Brodführer, S. (2020). Schlussbericht zum Thema Kleistogamer Hafer zur nachhaltigen Vermeidung von Flugbrand: FKZ: 2815NA107 und 2815NA172. https://orgprints.org/38456/1/ Schlussbericht_gesamt.pdf. Sonstige Veröffentlichungen Olbrich-Majer, M. (2020). Solide biodynamisch – offen für Neues: Demeter-Landwirt Robert Kasper nutzt biodynamische Sorten und Populationen. Lebendige Erde, 5/2020. Förderung 2020: AKB-Stiftung, Einbeck • Barnhouse Naturprodukte GmbH, Mühldorf am Inn • Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Bonn • DEMETER Erzeugungs- und Vertriebsgemein- schaft eV, Alsbach • Demeter Felderzeugnisse GmbH, Alsbach • Dottenfelder Bodenstiftung, Bad Vilbel • Deutsches Maiskomitee e.V., Bonn • ErdmannHAUSER Getreideprodukte GmbH, Erdmannhausen • Göhre-Stiftung, Schwalbach a. Ts. • Kultursaat e.V., Echzell • Landesbetrieb Hessisches Landeslabor, Kassel • Landwirtschaftliche Rentenbank, Frankfurt • Landwirtschaftsgemeinschaft Dottenfelderhof KG • Ludwig-Bölkow-Stiftung, Ottobrunn • MAHLE-STIFTUNG GMBH, Stuttgart • Meta und Willi Eichelsbacher- Stiftung, Mörfelden-Walldorf • Regierungspräsidium Gießen, Wetzlar • Rudolf Steiner-Fonds für wissen- schaftliche Forschung, Nürnberg • Saatgutfonds der ZSL - GLS Treuhand eV, Bochum • Software AG-Stiftung, Darmstadt • Zukunftsstiftung Landwirtschaft, GLS Treuhand eV, Bochum. Christiane und Werner D'Inka, Bad Vilbel • Reinhilde Frick, Frankfurt/Main • Maria Hering, Goslar • Gudrun und Dr. Rainer Renfordt, Oberursel • Olaf Schuth, Frankfurt/Main • Rotraut und Dr. Wolfgang Trapp, Würz- burg • Eberhard Volk, Bad Vilbel • sowie viele namentlich nicht genannte Spenderinnen und Spender für die Züchtungsforschung. 8 9
Gemüse Christoph Matthes Züchtungsziele Carl Vollenweider Im Rahmen der Kooperation mit Kultursaat e.V. wurde die Züchtungsarbeit an ver- Die Forschung & Züchtung Dottenfelderhof führte in 2020 ihre biologisch-dynamischen und ökologischen Resistenz- schiedenen Gemüsekulturen fortgesetzt. Christoph Matthes arbeitet an der Entwick- und Qualitätszüchtungsprogramme für die Kulturarten Winter- und Sommerweizen, Wintergerste, Winterroggen, Hafer lung neuer Sorten von Brokkoli, Sommerradies, Tomaten, Zuckermais und Rosenkohl. und Körnermais im Umfang wie in den Vorjahren weiter. Sieben Rosenkohl-Zuchtstämme, die aus den 2005 durchgeführten Anpaarungen Ziel der Programme ist die Entwicklung qualitätsbe- verschiedener F1-Hybridsorten mit eigenen Zuchtstämmen hervorgegangen sind, tonter Sorten für die menschliche und bei Winter- wurden in einem umfangreichen Feldanabau nachgebaut, um auf Ertragsfähigkeit gerste, Hafer und Körnermais zusätzlich die tierische und Geschmack geprüft zu werden. Unter den vier Typen mit früher bis mittelspä- Ernährung. Bei Winter- und Sommerweizen werden ter Erntereife bewährten sich zwei Favoriten, die für eine Sortenanmeldung in Frage von der FZD Sorten der höchsten Qualitätskategorie kommen. Die reiche Ernte aus dem diesjährigen Anbau konnte bereits erfolgreich in in Bezug auf Backqualitätseigenschaften (‚E-Weizen‘) ganzen Strünken im Hofladen des Dottenfelderhofes vermarktet werden. entwickelt. Ein großer Erfolg im Berichtsjahr war die Zulassung der neuen E-Weizensorte GRANNOSOS mit breitem Anbauprofil sowie Stein- und Flugbrand- Langzeitdüngungsversuch „Bodyn“ resistenz durch das Bundessortenamt. Erweiterte, Ben Schmehe, Christoph Matthes ganzheitliche Qualitätskriterien nach biologisch-dyna- mischen und ökologischen Gesichtspunkten werden Wie kann unter Ackerbaubedingungen die Bodenfruchtbarkeit langfristig erhalten in allen Selektions- und Züchtungsschritten durch die und möglichst noch gesteigert werden? Kann die Verfügbarkeit und der Ersatz von Züchter*innen der FZD berücksichtigt. Nährstoffen durch die Anwendung von biodynamischen Komposten einschließlich einer Gesundungsdüngung mit Kalium verbessert und sichergestellt werden oder Vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klima- ist man dauerhaft auf die Zufuhr mineralischer Dünger von außen angewiesen? Die- wandels kommt in den letzten Jahren verstärkt der sen Fragen wird in dem seit 1997 bestehenden Langzeitdüngungsversuch auf dem Anspruch hinzu, eine breite Widerstandsfähigkeit gegen biotische und Dottenfelderhof nachgegangen. Aufgrund einer bodengenetischen Problematik mit abiotische Stressfaktoren in den Sorten zu veranlagen. Fixierung von Kalium nimmt dieser Nährstoff eine zentrale Rolle im Versuchsaufbau Ein konkreter Ansatzpunkt zur Entwicklung solcher „resilienter“ Sorten ein. Da auch bei biodynamischer Bewirtschaftung ein Aufbau des Humusgehaltes und wichtiger Arbeitsschwerpunkt der FZD liegt im Bereich der Resis- über die Fruchtfolge und Stallmistdüngung bei üblichem Tierbesatz von einer Groß- tenzzüchtung. Im Berichtsjahr wurden die umfangreichen Resistenz- vieheinheit pro ha nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden kann, wird der Einfluss prüfungen bei Weizensteinbrand (Tilletia caries, T. foetida) sowie Wei- von Grünschnittkompostgaben im Rahmen der 12-feldrigen Fruchtfolge untersucht. zen-, Gerste- und Haferflugbrand (Ustilago tritici, U. nuda, U. avenae) Mit dem Ausscheiden von Dr. Hartmut Spieß übernimmt Dr. Ben Schmehe zusam- fortgeführt. Dazu kommen Prüfungen auf die Anfälligkeit der Zuchtlinien men mit Christoph Mattes die Versuchsbetreuung. Der Versuch folgt der üblichen gegen Fusarium bei Winter- und Sommerweizen sowie Streifenkrank- Hoffruchtfolge. 2020 stand die Winterweizen Population Brandex aus eigener Züch- heit (Pyrenophora graminae) bei Wintergerste. tung auf der Fläche. Der Ertrag lag in der Kontrolle bei lediglich 22,3 dt/ha. Die Varian- Die Grundlage der Züchtungsarbeit bilden die pflanzengenetischen ten mit reiner Kaliumsulfat- und reiner Kompostdüngung wiesen einen nicht-signifi- Ressourcen, die von der FZD in Zuchtgärten und Sortimenten erhalten kanten Mehrertrag von 23 % bzw. 27 % auf. Die Variante und verbessert werden. Besonders bei der Wintergerste wurden im Berichtsjahr Anstrengungen unternommen, die mit Kaliumsulfat plus Kompostdüngung erreichte einen Resistenzsortimente durch die Sichtung von Genbankakzessionen mit hoher Widerstandsfähigkeit gegen Flugbrand signifikanten Mehrertrag von 49%. Da Winterweizen be- systematisch zu erweitern. kanntermaßen nur schwach auf eine Kaliumdüngung reagiert, sind die Mehrerträge überwiegend als Folge der Bei Roggen und Körnermais müssen die nachbaufähigen, offen-abblühenden Populationen aus biologisch-dynami- über die Jahre auf den gedüngten Flächen verbesserten scher Züchtung gegen ertragsstarke Hybridsorten konkurrieren. Fruchtbarkeit zu verstehen und auch als Nachfrucht- In einem vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖLN) geförderten Forschungsprojekt mit Beteiligung der wirkung vom Luzernegras, das 2018 und 2019 auf der FZD konnten im Berichtsjahr weitere Fortschritte bei der Bewertung und exakten Quantifizierung der unterschiedlichen Fläche stand und mit seiner Stickstofffixierungsleistung Leistungsfähigkeit von Maispopulationen und -hybriden und von Zuchtmethoden für Populationen erzielt werden. Auf dem Winterweizen eine verbesserte N-Versorgung bot. Grundlage dieser Ergebnisse werden zukünftig Zuchtprogramme optimiert und neu aufgelegt werden können; auf- grund des erwarteten Einbruchs an insgesamt für die Züchtungsarbeit zur Verfügung stehenden Finanzmitteln muss sich die FZD ab 2021 aber zunächst einmal darauf konzentrieren, das Roggenzüchtungsprogramm zu reorganisieren und zu fokussieren. 10 11
Aussaat und Ernte Stefan Klause Mitte Oktober 2019 konnten lediglich die Leistungsprüfungen von Gerste, Winterhafer und Roggen annähernd wie geplant ausgesät werden. Aufgrund der anhaltenden Niederschläge bis zum 21. Oktober verlagerte sich ein Großteil der Herbstaussaat in den Zeitraum vom 22. bis zum 31. Oktober. Fast 30 Liter Regen pro m² Anfang November zwangen uns nochmals zu einem Unterbrechen der Arbeiten und die Aus- saat der Steinbrand-Infektionsversuche konnte erst am 15. November erfolgen. Ein grenzwertiger Bodenzustand erschwerte das Ende der Herbstaussaaten in 2019. Trockenheit, schönstes Aussaatwetter sowie die auf unsere Bedürfnisse modifizier- ten neuen Sämaschinen gestalteten die Frühjahrsaussaat vom 23. bis 31. März 2020 problemlos. Mit dem neuen Parzellenmähdrescher (Zürn 110) konnte die Ernte im Sommer 2020 entspannt ohne unvorhergesehenen Reparaturen und Ausfälle zügig in den beiden Wochen vom 13. bis 24. Juli erledigt werden. Lediglich Hafer und einige Sommer- weizen konnten erst am 10. August eingebracht werden. 12 13
Winterweizen Sabine Martis Der Fokus in der Winterweizenzüchtung liegt in der Entwicklung brand- und gelbrostresistenter Sorten. Es wurde verstärkt auf die Ertragsfähigkeit geachtet, ohne die Resilienz und Ernährungsqualität sowie weitere wichtige Merkmale außer Acht zu lassen. Zugelassen wurde in 2020 der Winterweizen GRANNOSOS, ein Grannenweizen der E-Qualität mit breitem Anbauprofil. CASTADO (HSi 172-13) hat die Register- prüfung und das letzte Jahr der Wertprüfung abgeschlossen. Seine Zulassung wird im Frühjahr 2021 erwartet. HSi 2014-388 zeigte sich im zweiten Prüfjahr als gelbrostresistent und auf die Einstufung in Ausprägungsstufe 1 darf gehofft werden. HSi 2016-390 zeigte sich im ersten Jahr mit über 100 % Relativertrag auf allen Prüfstandorten sehr vielversprechend. Zurückgezogen wurden die Zuchtstämme HSi 2016-434 aufgrund der Inhomogenität der Anthocyanfärbung der Keimscheide und HSi 2015-433 aufgrund eines Abfalls der Ertragsleistung. Für einen neuen favorisierten Zuchtstamm (HSi 2016-431) wurde die Zulassung 2020 bot sich bei den Leistungsprüfungen am Dottenfelderhof im Vergleich zum beantragt. Gladbacherhof ein gegensätzliches Bild. Am Dottenfelderhof waren die Bestän- Im Erhaltungsblock werden die zugelassenen Sorten, die angemeldeten Zucht- de, insbesondere im Ringversuch, kümmerlich und deutlich kürzer als gewöhn- linien, sowie die für eine Anmeldung vorgesehenen favorisierten Kandidaten als lich. Ganz anders am Gladbacherhof - hier waren wüchsige, starke Bestände Einzelährennachkommenschaften (EÄN) angebaut. Hier wird das Züchtersaatgut mit einer deutlich längeren Wuchshöhe als in den vergangenen Jahren zu sehen. gewonnen, welches sowohl zur Vorstufenvermehrung Dies spiegelte sich in einem mehr als als auch für die Wertprüfung des Bundessortenamtes doppelt so hohen Ertrag und einer ca. Verwendung findet. Es mussten fast 3.000 Kleinparzellen 40% höheren Wuchslänge auf dem erhaltungszüchterisch bearbeitet werden. Das bedeutet, Gladbacherhof. Geschuldet waren die- dass die EÄN zu verschiedenen Entwicklungsstadien der se Unterschiede zum einen der besse- Sichtung bedurften, um Abweichler zu eliminieren und ren Bodengüte, aber vor allem der aus- die besten Nachkommenschaften zu selektieren. geglicheneren Niederschlagsverteilung, Da es zur Aberkennung von Zuchtstämmen in der die in der Vegetationsperiode regional Registerprüfung des Bundessortenamtes gekommen stark differenzierte. ist, muss noch akribischer vorgegangen werden und die Sortenanmeldung soll künftig frühestens ab Generation F9 erfolgen. 16
Sortenbeschreibung Sabine Martis Grannosos (E) „der Borstige“ Aristaro (E) „der Grannige“ Neuzulassung 2020 2016 zugelassener begrannter E-Weizen, Verrechnungssorte des BSA, guter Ertrag Sehr standfester, begrannter, 2020 zugelassener Winter- bei sehr guter Backqualität und Steinbrandresistenz. Profitiert in sehr trockenen weizen mit hohem Rohproteingehalt und hoher Fallzahl- Jahren (2018) u. a. von der Fähigkeit Tauwasser über die Grannen sammeln zu stabilität, stein- und flugbrandresistent, hohe Gelb- und können. Braunrost- sowie Fusariumtoleranz. Thomaro (E) „der Kurze“ Graziaro (B) „der Ertragsstarke“ Kurz (für eine Sorte aus der biodynamischen Züchtung), Schöner, langer farbig abreifender Winterweizen sehr halmstabil bei hoher Blattgesundheit. Stein-, flug- mit hohem Unkrautunterdrückungsvermögen. Hoher und gelbrostresistent. Thomaro überzeugt durch hohen Ertrag, bei gleichzeitig hohem Rohproteingehalt Ertrag kombiniert mit guter Backqualität. und guter Backqualität. Stein- und flugbrandresis- tent, gering gelbrostanfällig. Unbedingt früh ernten (Fallzahl), nicht für schwere Böden und zu inten- sivem Anbau geeignet (Lager). Butaro (E) „der Altbewährte“ 2009 als erste ökologisch gezüchtete Winter- weizensorte der FZD zugelassen. Butaro ist ein steinbrandresistenter, langstrohiger, winterhar- ter E-Weizen mit hervorragender Backqualität, der sich noch immer großer Beliebtheit erfreut. Curier (E) „der Souveräne“ Robuster, blattgesunder, mittellanger Winterweizen mit Tab. 1: Auszug aus der beschreibenden Sortenliste des BSA 2020 überdurchschnittlichem Ertrag, Stein- und Flugbrand- Anfälligkeit nach resistenz sowie hoher Gelb- und Braunrosttoleranz. künstlicher Hoher Rohproteingehalt und Fallzahlstabilität. Sedimentationswert Massebildung in der Bodendeckungsgrad Mehlausbeute T550 Inokulation* Volumenausbeute Qualitäsgruppe Ährenfusarium (Tilletia caries) Feuchtkleber Blattseptoria Rohprotein Kornertrag Steinbrand Braunrost Flugbrand (Ustilago Gelbrost Mehltau Fallzahl Jugend tritici) Lager Reife DTR Sortenbezeichnung ARISTARO E 5 6 5 7 2 5 4 4 3 3 3 9 6 9 8 7 8 4 1 BUTARO E 6 6 5 7 3 4 5 3 5 3 3 9 5 9 6 7 9 3 2 CURIER E 5 7 5 4 6 4 4 2 3 4 5 8 4 8 7 8 8 1 1 GRANNOSOS E 5 6 5 3 3 4 5 2 3 3 5 9 5 9 8 9 8 1 1 GRAZIARO B 5 8 7 8 2 4 4 3 4 5 5 9 5 8 4 8 7 1 1 THOMARO E 5 6 5 4 7 4 6 2 3 4 4 8 4 8 7 7 9 1 1 SALUDO (Sommerweizen) E 5 6 6 6 5 4 n.b. 3 3 5 5 9 6 9 9 5 8 1 1 * Prüfung FZD 16 17
Wintergerste Kathrin Buhmann & Sabine Martis Im Zuchtprogramm der Wintergerste liegt der Hauptfokus auf der Züchtung einer Die Leistungsprüfung der mehrzeiligen (mz) und zweizeiligen (zz) Wintergersten wurde in 2020 um einen dritten Block flugbrandresistenten Futtergerstensorte mit hohem Ertragspotential und verläss- für Wintergerstenpopulationen erweitert. Im Frühjahr wurde teilweise starke Vergilbung bonitiert, die jedoch, wie sich licher Standfestigkeit. in Screening-Analysen der Saaten-Union gezeigt hat, nicht durch Virusbefall hervorgerufen wurde und der die Gerste entwachsen konnte. Insgesamt traten in 2020 aufgrund der für Pilzkrankheiten ungünstigen Witterungsverhältnisse nur Grundlage für die Wintergerstenzüchtung bildet das Sortiment aus genetischen wenige Krankheiten auf. Die hohe Blattgesundheit war vorteilhaft für die Entwicklung und Ertragsbildung der Winter- Ressourcen alter Sorten, Genbankakzessionen und Wildgersten sowie vielver- gersten, erschwerte aber die Selektion auf widerstandsfähige Typen. sprechenden Zuchtstämmen und leistungsstarken zugelassenen Sorten. In 2020 wurde das Sortiment der FZD um Genbankmaterial vom IPK Gatersleben zur Sichtung und Vermehrung erweitert, darunter sind Wildgerstensorten aus Grie- chenland, Aserbaidschan, Tadschikistan, Israel, Usbekistan und Turkmenistan sowie Winter-, Sommer-, und Nacktgersten mit bisher von der FZD ungenutzten Flugbrandresistenzen. Letztere sollen im kommenden Jahr durch Rückkreuzun- gen in das aktuelle Zuchtmaterial eingebracht werden. Ab der zweiten Generation (F2) steht das Wintergerstenzuchtprogramm bis zur F5 unter Flugbranddruck, der durch Infektionsstreifen aus einem Sortengemisch hoch anfälliger Sorten und Linien (u. a. IGRI) erzeugt wird. Ab der sechsten Ge- neration stehen die Zuchtlinien frei von Flugbranddruck im Quarantäneblock, der zusätzlich zum Zeitpunkt des Ährenschie- bens auf Flugbrandbefall kontrolliert und bereinigt wird. Im Berichtsjahr haben sich sowohl die sorgfältige Bereinigung vom Vorjahr als auch die strenge Selektion als sehr wirksam erwiesen: Obwohl in der F6 teilweise noch sehr hoher Befall auftrat, waren die höheren Generationen frei von Flugbrand. Zudem stehen alle Zuchtlinien Für die Sortenanmeldung favorisierte oder sich ab der F6 in der Leistungsprüfung für Er- im Zulassungsprozess befindende Zuchtstämme tragsbestimmungen und Boniturerhebun- sowie zugelassene Sorten werden im Erhaltungs- gen weiterer agronomischer Merkmale. block als Einzelähren erhalten und für die Gewin- nung von Züchtersaatgut vermehrt. Nachdem die Wintergerste CAYU, die trotz ihrer relativen Wi- derstandsfähigkeit gegen Flugbrandbefall die An- forderungen der Saatgutanerkennung nicht erfül- len konnte, zurückgezogen werden musste, wird Tab. 2: Gemittelte Ergebnisse der Wintergerstenfavoriten und aktueller Verrechnungssorten durch die Zulassung von LIOBA eine neue mehrzei- lige Winterfuttergerste „zur Ausfuhr außerhalb der Sorten/Zuchtstämme Nasschemische Untersuchung2 Mittelwerte des Befalls mit Vertragsstaaten bestimmt“ in das Sortenportfolio Ertrag 1 Rohprotein- Roh- Lysin Methionin Cystin Flugbrand Flugbrand Streifen- der FZD aufgenommen. Zwei weitere Wintergers- ertrag protein künstlich natürlich krankheit ten (HSGW 15-299 und HSGW 15-350) kommen in rel. [%] rel. [%] rel. [%] rel. [%] rel. [%] rel. [%] abs. [%] abs. [%] abs. [%] das zweite Jahr der Wertprüfung und für eine neue TITUS VRS 101 - - - - - 12 3 1 Favoritin (HSGW 2016-714) wurde die Zulassung SEMPER VRS 98 100 100 100 100 100 58 16 2 beantragt. MW VRS absolut 52.2 dt/ha 629.8 kg/ha 12.3% TM 0.46% TM 0.2% TM 0.3% TM 34.9% 9.34% 1.6% LIOBA (HSGW 573-12) 102 106 103 102 115 100 6 1.65 14.32 HSGW 15-299 102 120 102 104 110 97 0 0 4 HSGW 15-350 106 124 103 96 105 97 5 2 11 HSGW 2016-714 107 122 103 102 115 103 13 0 6 1 ) Ertragsergebnisse mz vom Standort Dfh, Kleinhohenheim und Alsfeld-Liederbach 2018-2020 2 ) Ergebnisse der Qualitätsanalysen vom Standort Dfh 2019, VRS Semper 18 19
Winterroggen Lilla Szabo Die bewährte Erhaltungssorte FIRMAMENT® der FZD wurde auf dem Dottenfelderhof züchterisch bearbeitet und durch die neugegründete Öko- Saat-Hessen GmbH vermehrt. FIRMAMENT® und die beiden Stämme HS EF I-14 und HS EF II-17 wurden Beim Winterroggen gibt es in Deutschland nur noch sehr wenige in 2020 in diversen Landessortenversuchen geprüft. Die EF-Stämme präsen- Neuzulassungen von Populationssorten, da von konventionellen tierten sich an den Standorten in Baden-Württemberg mit einem Relativertrag Züchtern aufgrund von deren Ertragsleistung fast ausschließlich von über 100% durchaus konkurrenzfähig (Tab. 3). Hybridsorten angemeldet werden. Auch in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg erzielten die beiden Po- Mit der Entwicklung ertrags- und qualitätsbetonter, fallzahlsta- pulationen sehr gute Erträge. In Hessen lag das Ertragsniveau etwas unter biler, standfester und gesunder Populationssorten möchte die dem des Vorjahres, aber dennoch etwas höher als jenes der Öko-Verrech- FZD eine Alternative zu den Hybriden bereitstellen. nungssorten. Tab. 3: Mehrjährige und mehrortige Ergebnisse für Ertrag und Fallzahl der drei eigenen Populationsroggen Anders als bei den anderen Getreidearten, muss bei der Roggenzüchtung als Fremdbefruchter der Sorte/Zuchtstämme Abstand zu anderen Roggenbeständen eingehalten werden. Aus Mangel an Isolationsflächen ist es Ertrag Fallzahl Mittel über 5 Jahre nicht möglich, mehrere neue Anpaarungen parallel zu bearbeiten. bis zu 9 Orte rel. [%] rel. [%] 1 In der vergangenen Vegetationsperiode konnten die für die Winterroggenaussaat bestimmten Flä- MW VRS abs. 46.6 dt/ha 240 s chen wegen anhaltender Niederschläge nicht zum optimalen Saatzeitpunkt befahren werden. Gerade FIRMAMENT® 96 102 beim Roggen verursacht die verspätete Aussaat jedoch Mängel im Aufgang, die von den Pflanzen im HS EF I-14 102 94 Laufe der Vegetationsperiode oft nicht mehr aufgeholt werden können. Die Roggenleistungsprüfung HS EF II-17 102 100 auf dem Dottenfelderhof musste darum im Berichtsjahr umgebrochen werden. 1 ) Verrechnungssorten: Conduct, Dukato, Inspector 20 21
Sommerweizen Lilla Szabo Aufgrund der hohen Niederschläge im Februar und März verspätete sich Das Züchtungsprogramm von Sommerweizen wurde ähnlich wie in den die Sommerweizenaussaat und so wurden die ersten Versuchsparzellen vergangenen Jahren weitergeführt. Im Vordergrund für die FZD stehen die Ende März gedrillt. Der zunächst zur Verfügung stehenden Bodenfeuch- Qualitäts- und Resistenzzüchtung, ergänzt durch die Zuchtziele Ertrag, tigkeit verdankten die Pflanzen einen guten Feldaufgang und zügige Ju- Frühreife, Trockentoleranz, Unkrautunterdrückungsvermögen und weitere gendentwicklung, die darauffolgende Vorsommertrockenheit bremste agronomische Eigenschaften. diese Dynamik. Blattkrankheiten traten auf dem Dottenfelderhof kaum auf, am Standort Die Sorte SALUDO überzeugte auch in diesem Jahr Gladbacherhof war Gelbrost zu bonitieren. Zu einem der größten Pro- durch eine hohe Backqualität und Gesundheit, ihr Er- bleme bei den Sommerungen gehört seit einigen Jahren ein verstärkt tragsniveau lag etwas unter jenem von QUINTUS. auftretender Halmfliegenbefall. Nahezu alle Standorte waren betroffen und die Versuche konnten teilweise nicht ausgewertet werden. Der neue erfolgsversprechende Sortenkandidat HSWS 2013-616 meisterte das erste Wertprüfungsjahr des BSA Die Erträge fielen mit fast 40 dt/ha auf dem Dottenfelderhof und Glad- sehr erfolgreich und schnitt auf den LSV-Standorten in bacherhof dennoch befriedigend aus und die Backqualitäten waren wie Hessen und Baden-Württemberg auch in Bezug auf den gewohnt gut. Kornertrag überdurchschnittlich ab. Leistungsprüfungen wurden auf dem Dottenfelderhof, Gladbacherhof Der Gelbweizen HELIARO wird wegen seiner hohen Er- und Mönchhof angelegt. Unsere favorisierten Kandidaten standen an nährungsqualität und seines hohen Carotinoidgehalts weiteren Standorten der Landessortenversuche. sortenrein von ErdmannHAUSER in deren Anisbrot ver- Der Dottenfelderhof stellte erneut einen von 14 Standorten für die Som- backen. Die erhaltungszüchterische Bearbeitung von merweizen-Ökowertprüfung des Bundessortenamtes (BSA). SALUDO HELIARO erfolgte auf dem Dottenfelderhof. war neben QUINTUS erneut BSA-Verrechnungssorte. Die Population CONVENTO C wurde rege nachgefragt. Alle Sommerweizen-Sorten und CONVENTO C werden künftig auch durch die ÖkoSaat-Hessen GmbH vermehrt und vermarktet. Warum wird Sommerweizen angebaut? Saludo (E) • hervorragende Backqualität und hoher Rohproteingehalt Der Sommerweizen SALUDO wurde vom BSA • kürzere Vegetationszeit in 2019 als E-Weizen zugelassen. Bei sehr guter • Erweiterung der Fruchtfolge Backfähigkeit und durchschnittlichem Ertrag ver- • Wechselweizen-Eigenschaften, kein Kältereiz fügt er über eine gute Resistenzausstattung gegen nötig Gelbrost, Steinbrand und Flugbrand. Es handelt sich • durch extreme Witterungsereignisse um eine lange aber halmstabile Sorte mit gutem geschädigte oder ausgefallene Winterungen Unkrautunterdrückungsvermögen. (Einstufung durch können durch Sommerweizen ersetzt werden BSA siehe Tabelle 1 auf Seite 16.) 22 23
Hafer Ben Schmehe 2020 wurden erstmalig im Rahmen einer Kooperation mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) auf zwei Standorten in Bayern sechs Zuchtstämme der FZD geprüft. Im Gegenzug testete die FZD auf dem Dot- tenfelderhof sechs Zuchtstämme der LfL aus dem neu- en Ökozüchtungsprogramm, welches dort von Adalbert Bund betreut wird. Insgesamt wurden auf sieben ver- schiedenen Standorten 14 neue Zuchtstämme der FZD in Prüfungen auf verschiedene Merkmale untersucht. Tabelle 4 zeigt die gemittelten Ergebnisse der Leistungs- prüfungen und jeweils die Anzahl der Orte, auf denen die einzelnen Zuchtstämme geprüft wurden. Neben den 14 neuen Zuchtstämmen wurden auch die konventionellen Verrechnungssorten (VRS) APOLLON und MAX sowie die bereits angemeldeten eigenen Sorten KASPERO und Dieses Ergebnis müsste sich allerdings im kommenden SINABA gestet. Jahr auf mehr Standorten bestätigen, bevor eine Anmel- Ein Zuchtstamm (HSH 19-609) konnte gefunden werden, dung beim Bundessortenamt in Erwägung gezogen wer- der in der Kombination der Eigenschaften Ertrag, Hekto- den kann. Interessant für zukünftige Kreuzungen sind litergewicht, Tausendkornmasse und Siebanteil besser Zuchtstämme wie HSH 16-748, der zwar einen niedrigen abschneidet als KASPERO und SINABA und darüber hi- Ertrag aufweist, dafür aber ein hohes Hektolitergewicht mit naus auch flugbrandresistent ist. einer hohen Tausendkornmasse und damit einen niedrigen Siebanteil von Körnern < 2 mm. Schwarzrostbefall (Puccinia graminis var. avenae) Tab. 4: Gemittelte Ergebnisse der Hafer-Leistungsprüfungen der FZD 2020 auf 3-7 Standorten In der Spätphase der Haferentwicklung ist in 2020 ver- Sorten/ Ertrag rel. Anzahl 1 Hlg rel. TKM 2 Siebanteil 3 Ua max. 4 Anzahl gleichsweise starker Schwarzrostbefall (Puccinia graminis Zuchtstämme Orte rel. < 2 mm abs. Jahre var. avenae) aufgetreten. Dies ist vermutlich auch auf die abs. heiße und trockene Witterung zurückzuführen. Abbildung [%] n [%] [%] [%] [%] n 3 zeigt die Symptome. Die Pilzsporen entwickeln sich am APOLLON VRS 97 5 100 106 2.1 18.9 4 Stängel und lassen ihn wie aufgerissen erscheinen. Der Pilz überdauert den Winter auf Berberitzen und breitet sich über MAX VRS 102 7 100 94 2.9 56.6 7 diesen Zwischenwirt bei günstigem Klima im Getreide aus, VRS Mittel abs. 45.1 dt/ha 57.3 kg/hl 36.9 g 2.5 % wobei es verschiedene Unterarten gibt, die neben Hafer KASPERO 102 6 99 92 5.2 0.2 7 auch Roggen, Gerste und Weizen befallen können. SINABA 85 4 97 102 2.0 6.5 9 HSH 16-748 86 7 102 102 2.2 0 4 Abb. 3: Schwarzrostbefall am Hafer- HSH 19-690 110 3 100 99 4.4 0 1 stängel, Dottenfelderhof 2020 1 ) Hlg: Hektolitergewicht; 2) TKM: Tausendkornmasse; 3) Siebanteil < 2 mm: Anteil am Ertrag, der durch das 2 mm Untersieb fällt; 4) Ua max: Maximal beobachteter Flugbrandbefall (Ua =Ustilago avenae ) 24 25
Körnermais Kathrin Buhmann & Carl Vollenweider Züchterische Bearbeitung offen-abblühender Leistungsprüfung von Populationen Maispopulationen Seit 2017 werden im BÖLN-Projekt „ZuchtMetPopMais“ offen- In 2020 wurden von der FZD vier offen-abblühende Körnermaispopulationen auf abblühende Maispopulationen und drei Vergleichshybridsor- Isolationsflächen von jeweils mehr als einem halben Hektar züchterisch bearbeitet: ten auf ihre Leistungsfähigkeit an 6-8 Standorten unter ökolo- gischen und konventionellen Anbaubedingungen geprüft. Die Die beiden im Rahmen des EU-Experiments zugelassenen Populationen ALMITO FZD stellt für diese Versuche jeweils einen ökologischen und und BOGDAN, die hauptsächlich aus Landsorten zusammengestellte Population einen konventionellen Standort, die in Limburg-Ahlbach von der GABRIEL sowie eine in Zusammenarbeit mit der Getreidezüchtung Peter Kunz ent- Agrartest GmbH/Eurofins betreut werden. wickelte Population, die 2018 aus der Anpaarung ROTER COLUMBUS X EVOLINO hervorging. Bearbeitet wurden die Populationen mit der Methode der positiven Massenaus- In der Gegenüberstellung von Relativertrag und Trockensubstanzgehalt lese, wobei pro Population ca. 500 Kolben im Feld per Hand selektiert wurden. Als der geprüften Populationen und Hybridsorten (siehe Abb. 4) wird deutlich, Selektionskriterien wurde besonders auf die allgemeine Kolben- und Pflanzenge- dass die Hybriden einen höheren Ertrag als die Populationen aufweisen, sundheit, Standfestigkeit, Kolbengröße und -besetzung sowie eine frühe Abreife dass aber die aus aktuellem Zuchtmaterial entwickelten Populationen mit geachtet. Um das Kriterium einer frühen Abreife (besonders der Kolben) noch stär- Relativerträgen von bis zu 85% bereits deutlich näher an die Hybriderträ- ker gewichten zu können, werden die Kolben ge herankommen als die ebenfalls geprüften Landsorten. Dieses Ergebnis im Zuchtprogramm der FZD zusätzlich zweimal konnte in den mehrortigen und mehrjährigen Versuchen im genannten gewogen – einmal direkt nach der Ernte und Projekt bereits mehrfach bestätigt werden. Die Leistungsfähigkeit der Po- dann nach dem Trocknen. Mit diesen beiden pulationen (relativ zu den Hybriden) scheint sich an den ökologischen und Angaben kann der Trockensubstanzgehalt konventionellen Standorten nicht zu unterscheiden (Ergebnisse der ande- bestimmt und anschließend darauf selektiert ren Standorte nicht dargestellt). Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, werden. dass die Prüfungen ausschließlich auf sehr gut versorgten, leistungsstar- ken ökologischen Standorten durchgeführt wurden. Saatgutvermehrung der zugelassenen Populationen Von der im Rahmen des EU-Experiments zu- gelassenen Population ALMITO wurden 480 kg Saatgut von Hand geerntet und aufgearbeitet. Diese Saatgutmenge ist nicht in erster Linie für den Saatgutverkauf bestimmt, sondern soll v. a. den Aufbau einer Saatgutvermehrung für die offen-abblühenden 120 Maispopulationen der FZD ermöglichen. Eine externe Vermehrung von Populationen der FZD durch interessierte 110 Vermehrer und Vermehrungsorganisationen wird voraussichtlich ab 2021 möglich werden. 100 Hybride 90 Zusammenstellung einer neuen Maispopulation Populationen Ertrag relativ [%] 80 Landsorten- Hybride öko Im Rahmen des Projekts „ZuchtMetPopMais“ soll eine neue, genetisch breite, den aktuellen Zuchtfortschritt beinhal- 70 material Hybride konv tende Population für Wissenschaft, Züchtung und die Anbaupraxis erstellt werden. Die ausgewählten Eltern wurden 60 Populationen öko im Berichtsjahr in allen Kombinationen (einem vollen Diallel) durch Handbestäubungen durchkreuzt. Pro Kreuzung Populationen konv 50 wurden 5-10 Kolben isoliert, bestäubt und geerntet, insgesamt mehr als 1.000 Kolben. In 2021 soll die neu erstellte Population an zwei Standorten vermehrt und erstmals selektiert werden. 40 Landsorte 30 20 90 92 94 96 98 100 102 104 106 TS-Gehalt relativ [%] Abb. 4: Relativer Ertrag (y-Achse) und relativer Trockensubstanzgehalt (x-Achse) der Populationen (Punkte) und vergleichbarer Hybride (Dreieck) an jeweils einem ökologischen (grün) und einem konventionellen (orange) Standort in Limburg-Ahlbach 2017-20 26 27
Saatgutgesundheit Lina Pérez In der ökologischen Landwirtschaft ist die Resistenzforschung und -züchtung zu Brand- und Streifenkrankheit Ährenkrankheiten von großer Wichtigkeit, da chemisch-synthetische Beizmittel nicht zur Verfügung stehen. Neben den entstehenden Ertragseinbußen stellen diese Krankheiten auch eine besondere Eine weitere saatgutbürtige Krankheit der Wintergerste ist die Streifenkrank- Herausforderung für die Saatgutvermehrung ökologisch heit (Drechslera graminea syn. Pyrenophora gr.). Ähnlich wie bei Flugbrand gezüchteter Sorten dar. Im Gegensatz zu konventionell wird die Pflanze im Vorjahr infiziert und der sich durch gelb-gestreifte Blätter gezüchteten Sorten, die nur ein Jahr unter ökologischen und taube Ähren auszeichnende Befall tritt im darauffolgenden Jahr auf. Die Bedingungen vermehrt werden müssen und vorher durch meisten Linien der FZD lagen im Bereich einer geringen Anfälligkeit (1–5 % chemische Beizmittel vor Befall geschützt sind, sind ökolo- Befall). Eine Linie der FZD wies gar keinen Streifenkrankheitsbefall auf. Wie gisch gezüchtete Sorten von der ersten Vermehrungsstufe alle Prüfglieder mit einem niedrigen Befall muss auch die befallsfreie Linie für an dem Befallsrisiko ausgesetzt. Selbst eine relativ hohe Wi- insgesamt 3 Jahre geprüft werden, bevor eine verlässliche Aussage über ihre derstandsfähigkeit der Sorten ist nicht immer ausreichend, Widerstandsfähigkeit getroffen werden kann. um die hohen Anforderungen der Saatgutanerkennung, bspw. bei Weizensteinbrand oder -flugbrand von weniger Flugbrand als 3 bzw. 5 befallenen Ähren pro 150 m² (Basis- und Z- Saatgut) erfüllen zu können. Flugbrand bei Weizen (Ustilago tritici), Gerste (U. nuda) und Hafer (U. avenae) sind wichtige saatgutübertrag- bare Krankheiten. Flugbrandinfizierte Pflanzen bilden Steinbrand anstelle von Körnern schwarz-braune Brandbutten, gefüllt mit Pilzsporen aus. Da im Ökolandbau keine Für die Steinbrandresistenzzüchtung von Winter- und Sommerweizen wirksamen Bekämpfungsmaßnahmen vorhanden wurden die Körner der Einzelähren vor der Aussaat mit Steinbrandsporen sind, spielt die Resistenzzüchtung eine sehr wichtige (Tilletia caries, T. foetida) künstlich inokuliert (eingepudert) und der prozen- Rolle. tuale Befall im Frühsommer ermittelt. Die Auszählung gelingt am effizientes- ten während der Blüte, da die befallenen Ähren an den fehlenden Antheren erkennbar sind. Der Befall war im vergangenen Jahr sehr niedrig (messbar mit Hilfe hochanfälliger Checksorten, die immer mitgeprüft werden), was auf die warme Witterung zurückzuführen war, die dem Keimling erlaubte, den Brandpilzen davonzuwachsen. Aus züchterischer Sicht ist dies nach- teilig, da die Selektionsmöglichkeit eingeschränkt ist. Aus diesem Grund werden in unserem Zuchtgarten jedes Jahr diverse Sorten und Zuchtstämme sowohl der FZD als auch von anderen Züchtern während der Blüte künstlich mit einer Sporensuspension inoku- liert, im folgenden Jahr ausgesät und der Flugbrandbefall ausgezählt. Die Inokulation erfordert Geduld und Fusarium viel Fingerspitzengefühl und kann nur innerhalb eines kleinen Zeitfensters (Mitte der Blüte) getätigt werden. Der Erfolg ist abhängig von den optimalen klimatischen Verhältnissen während der Durchführung. Mit Hilfe Fusarium-Arten sind Schadpilze, die bei Getreide Ertragsausfälle, Qualitäts- einer Spritze wird die Sporensuspension in jedes Blütchen eingebracht, ohne dabei die Narbe zu verletzen. verluste und erhöhte Mykotoxingehalte verursachen. Um die Widerstands- Die inokulierten Körner werden zur nächsten Vegetationsperiode ausgesät und der Befall ermittelt. Um die fähigkeit von Winter- und Sommerweizensorten bzw. -linien gegenüber Aussagekraft der Ergebnisse zu gewährleisten, wird die Resistenzprüfung für die FZD-Zuchtstämme über dem pilzlichen Erreger Fusarium culmorum zu evaluieren, wurden 2020 mindestens vier Jahre durchgeführt. ca. 200 Zuchtlinien, darunter Check-, Referenz- und Verrechnungssorten in einem separaten Block ausgesät. Alle Parzellen des Fusarium-Prüfungs- Die Flugbrandanfälligkeit der Gerste wurde mittels natürlicher und künstlicher Inokulation ermittelt. Bei den blocks wurden zwei Mal mit einer Sporensuspension zur Zeit der Blüte entsprechenden Prüfungen in 2020 erwiesen sich 33 Sorten und Linien nach künstlicher Inokulation und künstlich inokuliert. Das Befallsniveau wurde mittels zweier Boniturerhe- 158 nach natürlicher Infektion als befallsfrei. Bei der Evaluierung auf Flugbrandresistenz von Weizen wur- bungen ermittelt: Eine Ährenbonitur im Feld und eine Kornbonitur nach der den 200 Winterweizen- und 156 Sommerweizensorten bzw. -linien nach künstlicher Inokulation ausgesät. Ernte im Labor. Wie erwartet zeigten die Referenzsorten eine niedrige An- 139 Winterweizen- und 98 Sommerweizensorten/-linien blieben befallsfrei, darunter 89 bzw. 81 eigene fälligkeit gegenüber dem Pilz und die Checksorten waren mäßig bis stark Zuchtstämme. anfällig. Besonders resistent (Boniturnote 1 bis 2) gegenüber F. culmorum erwiesen sich acht Winterweizen- und sieben Sommerweizenzuchtstämme der FZD, sowie fünf Sommerweizensorten anderer Züchter. 28 29
Leindotter Ben Schmehe 2020 wurden im Rahmen des vom Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft geförderten Leindotterprojekts Projektarbeit in der Landbauschule eine Leistungsprüfung mit Sortenerhaltung, ein Mischkulturversuch Hafer-Leindotter und erstmals Kreuzungen ange- legt. Die Umsetzung der Kreuzungen hat sich aufgrund der sehr kleinen Blüten allerdings als äußerst anspruchsvoll Die Landbauschülerin Ilona Scharf hat eine Projektarbeit zum Thema Leindotter verfasst. Ein Schwerpunkt der Arbeit herausgestellt. Bei der Arbeit müssen sogar Stirnlupen getragen werden. Zudem war es schwierig, pollenschüttende mit dem Titel „Beginn eines Leindotter-Zuchtprogramms am Dottenfelderhof“ war die sorgfältige Begleitung der Ent- Blüten ausfindig zu machen, entweder sie waren noch grün oder schon weitgehend ausgestäubt. Abbildung 5 zeigt wicklungsstadien, um hier mögliche morphologische Unterscheidungskri- vergrößert eine Leindotterblüte nach der Kastration und eine für die Bestäubung vorbereitete Blüte mit offengelegten terien zwischen Sorten identifizieren zu können. Staubgefäßen. Diese Unterscheidung ist beim Leindotter deutlich schwieriger ist als bei Insgesamt wurden 18 Kreuzungen angelegt. Leider konnten nur von zwei Kreuzungen angegangene Körner geerntet Getreide. Weitere Bestandteile der Arbeit waren die Begleitung und Bo- werden, weshalb die meisten Kreuzungen im kommenden Jahr wiederholt werden müssen. Abbildung 6 zeigt eine nituren der Leistungsprüfung und des Mischkulturversuchs mit Hafer im gelungene Bestäubung mit voll ausgebildetem Schötchen. Verlauf der Vegetationsperiode, die Durchführung von Kreuzungen und die Beobachtung von blütenbesuchenden Insekten. Abb. 5: Kastrierte Leindotterblüte links und für die Bestäubung präparierte Blüte mit offenen Staubgefäßen rechts, Dottenfelderhof 2020 Abb. 7: Blütenbesucher im Leindotter, Dottenfelderhof 2020 Fotos: Ilona Scharf Bei den Blütenbesuchern wurde eine Fotodokumentation von allen Insekten gemacht, die auf den Leindotterblüten an- zutreffen waren. Neben zahlreichen Honigbienen (Apis mellifera) wurden folgende Blütenbesucher beobachtet (Abb. 7): 1. Syrphidae (Schwebfliegen) Episyrphus balteatus (Hainschwebfliege) 2. Pentatomidae (Baumwanzen) Palomena prasina (Grüne Stinkwanze) 3. Sphecidae (Grabwespe) Art unbekannt 4. Syrphidae (Schwebfliegen) Scaeva pyrastri (Großstirnschwebfliege) Abb. 6: Gelungene Bestäubung Leindotter, Dottenfelderhof 2020 5. Sesiidae (Glasflügler) Pyropteron chrysidiformis (Roter Ampfer-Glasflügler) 6. Syrphidae (Schwebfliegen) Sphaerophoria scripta (Gewöhnliche Langbauchschwebfliege) 30 31
Luzerne Martin von Mackensen und Rocío Lanthier Die Luzerne, die zur Pflanzenfamilie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae) gehört, spielt im biologisch-dynamischen Landbau als „Königin der Futterpflanzen“ eine zentrale Rolle. Aber woher stammen eigentlich die heutigen Luzernesorten? Die lateinische Bezeichnung der Luzerne ist Medicago sativa. Hinter diesem Name verbirgt sich jedoch nicht nur eine Art, sondern ein ganzer Komplex von diploiden und tetraploiden Unterarten. Bei diploiden Luzernen liegt der einfache Chromosomensatz von acht Chromosomen (n = 8) in doppelter Ausführung vor (2n), wobei jeweils ein Chromoso- mensatz von der Mutter und einer vom Vater stammt. Bei tetraploiden Luzernen ist die Chromosomenzahl nochmals verdoppelt, sodass diese insgesamt 2n = 32 Chromosomen besitzen. Die Luzernesorten, die heute in der Regel im Anbau verwendet werden, sind tetraploide „Bastardluzernen“, die durch die natürliche Kreuzung tetraploider Vertreter der Unterarten Medicago sativa ssp. sativa (der „echten Luzerne“) und Medicago sativa ssp. falcata (der „Sichel- luzerne“) entstanden sind. Spiralförmige Hülsenfrüchtler Tab. 5: Merkmale verschiedener Luzernetypen „Echte Luzerne“ „Schwedische oder „Bastardluzerne“ Um die Entstehungsgeschichte der Luzerne nachvollziehen zu können, wurden im Laufe Sichelluzerne“ der Vegetationsperiode 2019/20 verschiedene Landsorten der „echten Luzerne“ sowie Pfahlwurzel und Nebenwurzeln Medicago sativa ssp.falcata Medicago sativa ssp. varia (media) 2n=32 einige Wildsorten der „Sichelluzerne“ erst in Töpfchen ausgesät und dann ausgepflanzt. 2n=16, 32 Kreuzung von ssp. sativa und ssp. falcata Indem die Landbauschüler*innen die Vorfahren der Luzerne und deren Merkmale inten- (aus dieser Kreuzung entstanden verschie- siv beobachtet und gezeichnet haben, konnten sie ein tieferes Verständnis des Wesens dene Wirtschaftssorten) der Luzerne gewinnen. Die Kulturgeschichte der Luzerne ist ein wichtiges Thema für Stammt aus Persien Stammt aus Westsibirien Hat sich in der Welt verbreitet den Unterricht im Jahreskurs; ein Impuls, sich mit der Herkunft der Kulturpflanzen zu (dem heutigen Iran) beschäftigen und sich in Zukunft ggf. sogar um eine eigene Hof-Population kümmern Blau- oder violettblühende Gelbblühende Luzerne Die Farbe der Blüte variiert von reinblau, über zu können. Luzerne hellblau bis gelblich-weiß Hülsenfrüchtler spiralförmig Hülsenfrüchtler sichelförmig Hülsenfrüchtler spiralförmig Hoch und schmal wüchsige Niedrig und breitwachsende Mittelhoher und mittelbreiter Wuchs Pflanze Pflanze Langsamere Entwicklung Pfahlwurzel (hohe Dürrefestigkeit) Die Wurzel verästelt sich unter- Pfahlwurzel und Nebenwurzeln halb vom Wurzelhals „Echte Luzerne“ auf einem Acker des Dottenfelderhofs 32 33
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