Bewegt Was uns - PKV-Verband
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// 01 Editorial // 02-03 Inhalt Themen // 04-31 06 // Gesundes Wagnis Der PKV-Fonds Heal Capital startet mit drei E-Health-Investments 08 // Mit Tempo Richtung Digitalisierung Als Gesellschafter der gematik gestaltet der PKV-Verband die Zukunft des Gesundheitswesens 10 // „Da waren wir hartnäckig“ Dr. Uwe Lehrich, Geschäftsführer der Abteilung Recht, berichtet über den Einfluss der PKV auf die Gesetzgebung 14 // Ausstieg aus der Beitragsspirale Mit einem neuen Generationenvertrag will die PKV Pflege bezahlbar machen 16 // Einfach für alle Auch vorerkrankte Beamtinnen und Beamte finden in der PKV den passenden Versicherungsschutz 18 // „Das deutsche Gesundheitssystem spielt in Europa ganz vorn mit“ Bastian Biermann, Leiter der Stabsstelle Europa und Sonderprojekte, erläutert die Brüsseler Perspektive der PKV 22 // Lebensqualität erhöhen, Krankheiten vermeiden In zahlreichen Projekten engagiert sich die PKV für die Lebensweltenprävention 25 // Eine Innovation, die Hoffnung gibt Die neue Gentherapie Zolgensma rettet Leben – und wird bereits von der PKV erstattet 26 // Wie Privatversicherte dem Ruhrgebiet helfen Der Regionalatlas NRW offenbart die Auswirkungen der PKV-typischen Mehrumsätze 28 // Die PKV-Familie Wir stellen vor: ein PKV-Institut, zwei Stiftungen und mehrere Tochterunternehmen Anhang // 32-48 34 // Ausschüsse des Verbandes Die Corona-Pandemie hat auch unsere statistischen Auswertungen sowie die Redaktion dieses Rechenschafts- 40 // Mitgliedsunternehmen berichts beeinflusst. Der Zahlenteil erscheint deshalb – anders als bislang – demnächst als gesonderter Bericht. 44 // Gesetzgebung 2019/2020 R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
02 // EDITORIAL Editorial Liebe Leserinnen und Leser! W as für ein Jahr – selten beherrscht ein Thema sämtliche Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft so, wie es die Corona-Pandemie Bei allen Diskussionen und Herausforderungen können wir sagen: Das Coronavirus ist in Deutsch- land auf eines der besten Gesundheitssysteme der spätestens seit März 2020 tut. Wir haben in dieser Welt getroffen. Die Menschen können sich – gerade Zeit vieles durchlebt: von der Unsicherheit, wie mit auch bei einer Covid-19-Erkrankung – auf eine den ersten Meldungen über das SARS-CoV-2-Virus flächendeckende, gut ausgestattete ambulante aus der chinesischen Millionenstadt Wuhan umzu- und stationäre Versorgung verlassen. Mit Blick auf gehen ist, über das Entsetzen über die Zahl von viele andere europäische und erst recht außer- Todesfällen in Folge von Covid-19 in der italieni- europäische Staaten ist dies keineswegs selbstver- schen Lombardei bis hin zur ethisch-moralischen ständlich. Die im Zuge der Pandemie mit viel Auf- Diskussion, welche Einschränkungen des täglichen merksamkeit bedachte Johns-Hopkins-Universität Lebens der Bevölkerung zuzumuten sind, um die (Baltimore, USA) ernannte Deutschland quasi zum Gesundheit zu schützen. Man kann wohl sagen, Vorbild: „Vom deutschen Gesundheitssystem kann dass wir alle gelernt haben – und immer wieder neu man lernen, wie eine umfassende Versorgungs- lernen – mit dem Virus umzugehen. struktur in einer Pandemie Leben retten kann.“ Wir haben erlebt, dass unsere Kolleginnen und Die Private Krankenversicherung (PKV) leistet Kollegen von jetzt auf gleich von zu Hause aus dazu ihren Beitrag: Sie garantiert nicht nur ihren arbeiten können – mit allen Risiken und Neben- Versicherten Schutz bei Krankheit und Pflege, sie wirkungen: überlastetes Internet, parallel laufende steht auch zu ihrer gesellschaftspolitischen Mit- Kinderbetreuung, Home-Office-Koller, aber auch verantwortung. Seit Jahren leistet die PKV weitaus flexible Zeiteinteilung, Zeit- und Geldersparnis mehr für die Finanzierung des Gesundheitssystems, durch weniger Dienstreisen, schnellere, leichter als es ihrem Versichertenanteil entspricht. Mit zugängliche Online-Konferenzen. ihrem überproportionalen Mehrumsatz etwa tragen Wir bedecken mehr oder weniger bereit- die Privatversicherten für jede einzelne Arztpraxis willig Mund und Nase, waschen uns häufiger im Schnitt etwa 50.000 Euro pro Jahr zusätzlich und gründlicher als sonst die Hände, halten im zur Finanzierung bei. Dieses Geld können nieder- Supermarkt und in der S-Bahn Abstand zu unseren gelassene Ärzte in zusätzliches Personal und Mitmenschen. Beeindruckend, wie diese unaus- moderne medizinische Ausstattung investieren. gesprochene Einigkeit funktioniert. Bundesweit erhalten die Kliniken allein für Wahl- Und nicht zuletzt haben wir erkannt, welch leistungen der PKV jährlich fast drei Milliarden hohes Gut unsere Gesundheit ist. Ein Gut, das ohne Euro – ergänzend zu den allgemeinen Krankenhaus- Zweifel schützenswert ist. Aber dieser Schutz hat leistungen. Und auch die Leistungsfähigkeit der auch seinen Preis. medizinischen Labore, die schnell eine hohe Zahl R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
E DITO RI AL // 03 von Corona-Tests ermöglichten, beruht in hohem Im vergangenen Jahr konnten sich die privaten Maße auf den Finanzmitteln aus dem PKV-Mehr Krankenversicherer aber auch einmal mehr als umsatz. Innovationstreiber im deutschen Gesundheitswesen Über diesen dauerhaften strukturellen Beitrag bewähren: Im Herbst 2019 gegründet, nahm der hinaus leistet die PKV beträchtliche zusätzliche vom PKV-Verband initiierte Venture-Capital-Fonds Beiträge in der Coronakrise. So beteiligen wir uns Heal Capital im Frühjahr 2020 seine Arbeit auf direkt an den pandemiebedingten Sonderver- (s. auch Seite 6). Er fokussiert auf aussichtsreiche gütungen zu Gunsten der Leistungserbringer: Bei Unternehmen im Bereich Digital Healthcare und hat allen Zusatzentgelten für die Krankenhäuser und mittlerweile die ersten drei Investments getätigt. Pflegeeinrichtungen zahlt die PKV für die Versorgung 22 private Krankenversicherer beteiligen sich derzeit der Privatversicherten in vollem Umfang mit – die an dem Fonds – mit einem Zielvolumen von 100 Mil- Mehrkosten für diesen Schutzschirm betragen über lionen Euro. 350 Millionen Euro. Und die Pflegeeinrichtungen Besonders erfreulich aus unserer Sicht ist auch, erhalten darüber hinaus in Summe mehr als 130 Mil- dass im Jahr 2019 – und damit zum zweiten Mal in lionen Euro Zusatzzahlungen der PKV. Folge – wieder mehr Menschen von der Gesetzlichen Um die ambulanten Ärzte und Zahnärzte zu in die Private Krankenversicherung gewechselt unterstützen, haben wir mit der Bundesärzte- sind als umgekehrt. 146.800 Versicherte kamen, kammer und der Bundeszahnärztekammer eine 129.400 gingen; daraus ergibt sich ein Plus von mehr Extravergütung für Hygieneaufwand vereinbart, die als 17.000 Personen für die PKV. Hier scheint eine für jeden Arzt-Patienten-Kontakt gezahlt wird – ein Trendwende stattzufinden. Ausgleich für den Mehraufwand der Praxen für Mit diesem Ausblick wünschen wir Ihnen eine konkrete Hygienemaßnahmen und die zeitweise gesunde Zeit und eine anregende Lektüre. gestiegenen Bezugspreise etwa für Masken. Damit nicht genug: Für erweiterte Telefon- und Video- Sprechstunden der Ärzte während der Corona- Einschränkungen wenden die privaten Kranken- versicherer weitere 36 Millionen Euro auf. Und schließlich sind die Privatversicherten auch über- proportional an den steuerfinanzierten Zahlungen des Bundes beteiligt, die in die Corona-Rettungs- schirme fließen. Insgesamt tragen die Versicherten, die PKV-Unternehmen und die Beihilfe mehr als eine Dr. Ralf Kantak Dr. Florian Reuther Milliarde Euro zur Bewältigung der Pandemie bei. Vorstandsvorsitzender Verbandsdirektor R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
06 // Gesundes Wagnis Mit Heal Capital wird die PKV zum Taktgeber für digitale Innovationen E ine Idee nimmt Gestalt an: In der zweiten Jahreshälfte 2019 konnte der PKV-Ver- band den Auftakt des Venture-Capital-Fonds haben sich die beiden Geschäftsführer von Heal Capital, Eckhardt Weber und Christian Weiß, jedenfalls ambitionierte Ziele gesetzt. „Wir wol- Heal Capital verkünden. Der Fonds beteiligt len mit unserem Kapital einen internationalen sich mit seinem Wachstumskapital an jungen Champion aufbauen“, sagte Weiß im Gespräch Unternehmen, die digitale Innovationen für mit dem Magazin „Gründerszene“. die Gesundheitsversorgung entwickeln. Durch Heal Capital konzentriert sich auf Series-A- gezielte Investitionen will der Verband die Finanzierung: Die Investitionsstrategie fokussiert Qualität der medizinischen Versorgung und die also Geschäftsmodelle, die bereits in einer Digitalisierung vorantreiben, etwa bei digitalen frühen Phase am Marktgeschehen teilnehmen. Gesundheitsanwendungen, Telemedizin, digita- In dieser Phase benötigen die Unternehmen ler Prävention oder Digitalisierung der Pflege. üblicherweise höhere Kapitalsummen, um ihr Mit einem Zielvolumen von 100 Millionen Wachstum zu finanzieren. Gegenwärtig plant Euro setzt die Branche in Deutschland ein klares Heal Capital ein Investment pro Quartal mit Signal für die Zukunft des digitalen Gesundheits- einem Volumen von je fünf bis neun Millionen wesens und zeigt in der Praxis, dass die PKV als Euro. Der PKV-Fonds füllt damit eine Lücke – Motor für Innovationen im deutschen Gesund- denn in Deutschland mangelt es insbesondere heitssystem wirkt. Heal Capital gehört in seinem an Investoren für Wachstumskapital. Themenfeld zu den größten Venture-Capital- Doch Unternehmen benötigen nicht nur Fonds in Europa. Kapital. Der Fonds unterstützt ebenso mit Als Partner hat sich der PKV-Verband Know-how beim Zugang zur medizinischen Ver- die Berliner Investoren Heartbeat Labs und sorgung. Dazu gehört, dass die PKV für innova- den Inkubator Flying Health an Bord geholt. tive Angebote einen raschen Marktzugang bieten Beide Unternehmen bringen die notwendige kann, weil sie weniger Genehmigungsvorbehalte Branchenexpertise und ein umfassendes Netz- hat als die Gesetzliche Krankenversicherung werk mit. Angesichts der zahlreichen Digital- (GKV). Und je rascher der Marktzugang, desto Health-Start-ups braucht es viel Erfahrung, um schneller kommen die neuen Angebote letztlich Geschäftsmodelle zu finden, die Patientinnen auch den GKV-Versicherten zugute. So erweist und Patienten einen gesteigerten Nutzen brin- sich der Wettbewerb im dualen System von GKV gen. Auf der Suche nach geeigneten Investments und PKV einmal mehr als gut für alle. p „Wir wollen mit unserem Kapital einen internationalen Champion aufbauen“ Christian Weiß, Geschäftsführer Heal Capital R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
DI GI TALISIERUNG/ H EAL C APITAL // 07 Erstes Investment: Messaging für Mediziner Im Juli 2020 gab Heal Capital sein erstes Invest- einfachen, schnellen und datenschutzkonformen ment bekannt: Das niederländische Medical- Austausch etwa von medizinischen Befunden – Messaging-Unternehmen Siilo erhält 9,5 Millio- und über Abteilungsgrenzen hinweg. nen Euro im Rahmen einer Series-A-Finanzierung. Der bisherige Erfolg spricht für sich. In Neben Heal Capital als Leitinvestor haben sich mit Deutschland nutzen bereits Mitarbeiter aus Philips Health Technology Venture und Krankenhäusern wie der Berliner Charité, EQT Ventures zwei weitere Investoren Pflegeeinrichtungen und anderen an der Runde beteiligt. größeren medizinischen Organisationen Der Name ist Programm: Mit dem die Anwendung. Die App erfüllt mit Konzept „Netzwerkmedizin“ möchte ihrer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Siilo die Problematik von Informationssilos im derzeit einziger Messenger alle erforderlichen Gesundheitswesen aufbrechen. Die gleichnamige Anforderungen der Datenschutzkonferenz von Messenger-App ermöglicht Ärzten, Pflegekräften Bund und Ländern an Messenger-Dienste im und anderen medizinischen Fachkräften einen Krankenhausbereich. Zweites Investment: Effektive Patientenversorgung mit Künstlicher Intelligenz Ebenfalls noch im Sommer 2020 verkündete Heal Beispiel Versicherungen und Gesundheitsdienst- Capital bereits das zweite Investment: Das pol- leister. Infermedica kombiniert medizinische nische Digital-Health-Unternehmen Infermedica Expertise mit KI-Algorithmen und Machine erhält rund 10 Millionen Euro von einer inter- Learning und bietet auch Software für die Vorab- nationalen Investorenrunde. Neben Heal Capital diagnose von Patienten durch telemedizinisches und der Europäischen Bank Personal. Dadurch kann vermieden für Wiederaufbau und Ent- werden, dass Menschen mit kleine- wicklung (EBWE) sind als wei- ren Verletzungen oder leichteren tere Investoren Karma Ventures Erkrankungen die Rettungsstellen aus Estland, Inovo Venture Partners aus Polen und der Krankenhäuser aufsuchen – wenn also kein Dreamit Ventures aus den USA beteiligt. notfallmedizinischer Bedarf vorliegt. Infermedica ist eine digitale Plattform für diag- Infermedica blickt bereits auf einen namhaften nostische Empfehlungen und Ersteinschätzungen Kundenstamm aus 30 Ländern: Neben Allianz von Symptomen, die in der Primärversorgung Partners, den Sana Kliniken, Global Excel und dem von Patienten zur Anwendung kommt. Damit portugiesischen Versicherer Médis nutzt auch unterstützt das HealthTech-Unternehmen zum Microsoft die Technologie des Unternehmens. Drittes Investment: Softwarebasierte Hilfe bei Parkinson Das jüngste Heal-Capital-Investment geht in den Beispiel bei Parkinson-Patienten, behandelt Bereich der Neuromodulations-Therapie: Cere- werden. Die CereGate-Software soll völlig neue Gate entwickelt eine softwarebasierte Schnitt- Therapieformen ermöglichen. „Wir übersetzen stelle zwischen Computer und dem Informationen aus der Außenwelt in die menschlichen Gehirn – auch Compu- Innenwelt der Patienten“, erklärt der Grün- ter-Brain-Interface (CBI) genannt. Das der und Geschäftsführer Bálint Varkuti: „Wir Unternehmen mit Sitz in München sind heute in der Lage, Informationen direkt gehört auf diesem Gebiet bereits zu in das Gehirn zu übertragen – das ist ein den weltweit führenden Akteuren. revolutionärer Schritt.“ Damit ergänzt die Mithilfe von Implantaten im CBI-Technologie die heutige konventionelle Gehirn oder im Rückenmark können Symptome Tiefenhirnstimulation und andere hochmoderne wie Gang- und Gleichgewichtsprobleme, zum Therapien. R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
08 // Mit Tempo Richtung Digitalisierung Darum engagiert sich die PKV in der gematik D ie Digitalisierung des Gesundheitswesens nimmt spürbar an Fahrt auf. Dazu hat der Gesetzgeber eine Telematikinfrastruktur (TI) dem Beirat, dem TI-Ausschuss, dem Finanzaus- schuss und der AG elektronische Patientenakte (ePA) mit. Innerhalb des PKV-Verbands sorgt ein als technischen und organisatorischen Rahmen eigenes Projekt „eHealth/gematik“ unter der Lei- vorgegeben. Die TI vernetzt alle Akteure des tung von Geschäftsführer Christian Hälker dafür, Gesundheitswesens, um sicher, komfortabel die Ziele aus Sicht der Mitgliedsunternehmen im und effizient Gesundheitsdaten austauschen zu Auge zu behalten. Mehr als 40 Mitarbeiterinnen können. Für den Aufbau, den Betrieb und die und Mitarbeiter der Krankenversicherer engagie- Weiterentwicklung der TI in Deutschland ist die ren sich in den Teilprojekten gematik GmbH verantwortlich, in der sich auch der PKV-Verband engagiert. p eGK- und KV-Nummer Hauptgesellschafter der gematik ist mit p TI-Anbindung der Mitgliedsunternehmen 51 Prozent das Bundesgesundheitsministerium, p Fachdienste wie eRezept, ePA und Kommuni- die übrigen Anteile verteilen sich auf die Verbände kation im Medizinwesen (KIM) der Gesetzlichen und der Privaten Krankenver- p (Kartell-)Recht sicherung sowie die Organisationen der Leistungs- p Datenschutz erbringer wie Bundesärztekammer und Deutsche Krankenhausgesellschaft. Geschäftsführer der Die Herausforderungen sind vielfältig: Hinsicht- gematik ist seit Juli 2019 der Mediziner Dr. Markus lich der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) Leyck Dieken (siehe Interview auf Seite 09). geht es zum Beispiel um die Abstimmung der Datensätze zur Personalisierung und zum Ver- sand der Karte sowie um die erforderlichen Ziel: die ersten PKV-Unternehmen Schnittstellen zur Einholung der Rentenver- Anfang 2022 an die TI anzuschließen sicherungsnummer als Basis für die Kranken- versichertennummer. Um die Mitgliedsunter- Zum 3. April 2020 ist der PKV-Verband der gema- nehmen an die TI anzubinden, bedarf es tik als Gesellschafter beigetreten, damit die spezieller Konnektoren und Zertifikate – und der Chancen der digitalen Gesundheitsversorgung Zulassung als Kostenträger seitens der gema- auch allen privat Krankenversicherten zugute- tik. Im Bereich Recht geht es unter anderem um kommen. Die Telematikinfrastruktur werden per- Finanzierungsvereinbarungen mit den Leistungs- spektivisch sowohl privat Krankenversicherte als erbringern und um die Beachtung gesetzlicher auch Beihilfeempfänger nutzen können. Ziel ist Erfordernisse. es, die ersten Mitgliedsunternehmen des PKV- Das Gesundheitsministerium gibt mit seiner Verbands zu Beginn des Jahres 2022 an die TI agilen Gesetzgebung ein hohes Tempo für die anzuschließen. Digitalisierung des Gesundheitswesens vor. Der In der gematik arbeiten Vertreter des PKV- PKV-Verband geht dieses Tempo mit – im Sinne Verbands in der Gesellschafterversammlung, aller privat Krankenversicherten. p R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
DI GI TALISIERUNG/GEM ATIK // 09 Drei Fragen an gematik-Geschäftsführer Dr. Markus Leyck Dieken Was bringt die Digitalisierung im deutschen regierung gewünscht – damit der Datenaus- Gesundheitswesen? tausch eben nicht mehr salopp über WhatsApp Die Digitalisierung wird das Gesundheitswesen oder in offenen E-Mails läuft. verändern – ja, beflügeln. Die Telematikinfra- struktur nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Wie ist die Bereitschaft dieser 2,9 Millionen Sie verbindet Menschen und Institutionen. Heilberufler, dabei mitzumachen? Das wird den Behandlungsalltag von allen Wir sehen einen sehr unterschiedlichen Grad Beteiligten vereinfachen und die Patienten- an Enthusiasmus. Interessanterweise wol- versorgung um ein Vielfaches verbessern. Im len die, die noch nicht an die Telematik- Fokus stehen dabei zunächst vor allem das infrastruktur angebunden sind, unbedingt E-Rezept – inklusive App – und die elektroni- angebunden werden: die Pflege zum Beispiel. sche Patientenakte. Mit ihnen werden Apo- Sie möchte Teil der elektronischen Patienten- theker zügiger Arzneimittel-Interaktionen akte werden und Daten entdecken und behandelnde Ärzte rascher über die Versorgung ihrer Schlussfolgerungen ziehen können. Es gibt Patienten mit Ärzten und eine Fülle von Dingen, die in den nächsten anderen Behandlern aus- Jahren vor uns stehen – und die wir nur dann tauschen. Hinzu kom- nutzen können, wenn es in Deutschland eine men all jene, die in der gemeinsame Arena gibt, in der Digitalisierung Forschung tätig sind. im Gesundheitswesen stattfindet. Sie wünschen sich einen digitalen Ort, an dem Wie garantieren Sie den Schutz sensibler wir strukturierte Daten Daten? über sehr viele Menschen Bei all unseren Produkten streben wir das ablegen, die freiwillig höchste Sicherheitsniveau an. Zum ersten dazu bereit sind. p Mal wird es einen Raum geben, in dem Ärzte und Pflegende, insgesamt 2,9 Millionen Heil- berufler, Gesundheitsdaten Ende-zu-Ende-ver- schlüsselt austauschen. Dieses System nennen wir Kommunikation im Medizinwesen, kurz KIM. Dieser sichere Raum ist von der Bundes- R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
10 // „Da waren wir hartnäckig“ E-Health, Corona, Heal Capital und zahlreiche Steuerfragen: Dr. Uwe Lehrich, seit September 2019 Geschäftsführer Recht im PKV-Verband, über die wichtigsten Themen seiner Abteilung. Herr Dr. Lehrich, beginnen wir ausnahmsweise Schwieriger wird es da vermutlich bei den einmal nicht mit Corona: Was war neben der Bestandsversicherten ... Pandemie in den vergangenen Monaten das Ja, das ist eine große Herausforderung. wichtigste Thema in der Rechtsabteilung des PKV- Denn die Aufnahme digitaler Gesundheits- Verbands? anwendungen in bestehende Tarife wäre eine Das war eindeutig das Thema E-Health. Der Änderung bestehender Verträge. Und die ist in Bundesgesundheitsminister hat in jüngster Zeit die der privaten Krankenversicherung aus gutem gesetzlichen Grundlagen für die Digitalisierung des Grund nur unter engen Voraussetzungen mög- Gesundheitswesens umfassend überarbeitet und lich. Um die Bedingungen bei den Bestands- weiterentwickelt. Ausgehend vom Terminservice- versicherten zu ändern, bräuchten wir eine und Versorgungsgesetz (TSVG), das unter anderem dauerhafte Veränderung der Verhältnisse im die Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten Gesundheitswesen. bis spätestens 2021 elektronische Patientenakten (ePA) anzubieten, über das DVG, das Digitale-Ver- Liegt eine solche Änderung Ihrer Ansicht nach sorgung-Gesetz, das etwa digitale Gesundheits- vor? anwendungen (DiGA) auf Rezept einführt, bis hin Digitale Gesundheitsanwendungen, also zum Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG), das Gesundheits-Apps, sind etwas völlig Neues. Sie den digitalen Rechtsrahmen neu justiert und daten- sind gar nicht mit den bisherigen Kategorien schutzrechtlich optimiert. Das war natürlich von des Leistungsspektrums im Gesundheitswesen Anfang an ein Thema für uns – denn die PKV will vergleichbar. Deswegen bin ich der Ansicht, nicht einfach das gleiche anbieten wie die GKV, dass die erforderliche Veränderung vorliegt. sondern darüber hinausgehen können. Allerdings Solange es allerdings keine gesetzliche Rege- wurde der gesetzliche Rahmen für uns nicht im lung gibt, besteht Rechtsunsicherheit. gleichen Maße nachgezogen wie für die GKV. Wie gehen Sie vor? Was fordert die PKV konkret? Wir haben Anfang des Jahres intensiv mit den Es stellt sich unter anderem die Frage, wie Privat- zuständigen Ministerien und Behörden dis- versicherten rechtlich und kalkulatorisch dauerhaft kutiert – allen voran mit dem Gesundheits-, digitale Gesundheitsanwendungen zur Verfügung dem Finanz- und dem Justizministerium gestellt werden können. Das ist im Neugeschäft und der BaFin. Dabei haben wir viele posi- grundsätzlich kein Problem, weil man die Tarife tive Signale bekommen. Aber dann kam und Kalkulationen darauf ausrichten kann. Auch für Corona dazwischen. Gerade das Gesund- unsere Branchen-Tarife, allen voran der Basistarif, heitsministerium hat dann natürlich andere ist das nicht so heikel. Hier haben wir die Maßgabe, Schwerpunkte gesetzt. Demnächst werden wir ein vergleichbares Leistungsspektrum anzubieten aber wieder intensivere Gespräche aufnehmen. wie die GKV. R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
INT ERVIEW DR. U W E L EH R IC H // 11 „Nur, wenn man mit am Tisch sitzt, kann man die Prozesse mitgestalten“ Zum Thema E-Health gehört insbesondere Sehr lange die elektronische Patientenakte. Gibt es hier beschäftigt ähnliche Herausforderungen? uns auch schon Ja. Bei der elektronischen Patientenakte die Corona- und allen übrigen digitalen Services wie dem Pandemie. Welche elektronischen Rezept, Arbeitsunfähigkeits- Auswirkungen hat bescheinigungen und Arztbriefen haben wir sie auf Ihre Arbeit? die gleiche Situation: nämlich, dass die Tarife Zunächst ein- der heutigen Privatversicherten keine ent- mal hatte Corona sprechende Finanzierung vorsehen. Daher unmittelbare Aus- brauchen wir auch hier die Unterstützung des wirkungen auf den Gesetzgebers. Doch davon abgesehen ist die PKV-Verband selbst. Denn wir mussten ja auch Digitalisierung des Gesundheitswesens unter dieses Jahr eine Mitgliederversammlung durch- Nutzung der Telematikinfrastruktur ohnehin ein führen, die seit Bestehen des PKV-Verbands viel größeres Thema. Im PKV-Verband gibt es ein immer als Präsenzveranstaltung stattfand. Das großes gematik-Projekt mit fünf Teilprojekten. ließ Corona nicht zu. Wir mussten rechtzeitig Zwei betreffen juristische Themen. Da arbeiten ein angemessenes und rechtssicheres Verfahren wir mit den unterschiedlichen Fachabteilungen auf die Beine stellen, um wirksame Mitglieder- im Verband und den Experten aus den Mitglieds- voten einzuholen – und gleichzeitig unsere Mit- unternehmen eng zusammen. glieder hinreichend über die wichtigen Fragen der Branche und des Verbands informieren. Wir Was ist das Ziel? haben alle erforderlichen Beschlussfassungen Unser Ziel ist, dass Privatpatienten alle digita- im textlichen Verfahren außerhalb der Mit- len Gesundheitsservices genauso nutzen können gliederversammlung umgesetzt und dies in ein wie gesetzlich Versicherte – und nach Möglich- Videokonferenzformat integriert. Das Ziel war keit noch darüber hinaus. Um dieses Ziel zu Rechtssicherheit – immerhin haben wir ja den erreichen, hat sich die PKV im April 2020 wieder Vorstand neu gewählt. Alles hat einwandfrei an der gematik GmbH beteiligt, die die Tele- funktioniert. → matikinfrastruktur konzipiert und betreibt. Denn nur, wenn man mit am Tisch sitzt, kann man die Prozesse mitgestalten. Das tun wir als volles Mit- glied. Und natürlich tragen wir mit dafür Sorge, dass alles sicher abläuft. Sie sprechen vom Datenschutz. Dr. Uwe Lehrich Genau. Der Schutz der zukünftig über die Tele- Der Jurist und Betriebswirt arbeitete zunächst für verschiedene matikinfrastruktur fließenden Gesundheits- größere Wirtschaftskanzleien und war zuletzt stellvertretender daten der Versicherten ist für uns von höchster Abteilungsleiter Strategie / Recht bei der RheinEnergie AG. Im Bedeutung. Das ist ein hochsensibler Bereich, da September 2019 wechselte er als Geschäftsführer Recht in den darf nichts schiefgehen. Das wird uns noch lange PKV-Verband. beschäftigen. R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
12 // „In der Krise hat sich gezeigt, dass die Unternehmen sehr gute individuelle Lösungen für ihre Versicherten finden“ Wie hat Corona den Verband noch gefordert? Im Herbst 2019 ging der Da fällt mir zunächst das sogenannte Mora- Brancheninnovationsfonds Heal Capital an den torium ein: im Prinzip ein Recht der Ver- Start. Wie liefen die Vorbereitungen? sicherten, Zahlungsverpflichtungen im Rahmen Das war mit viel Arbeit verbunden. Nachdem sogenannter Dauerschuldverhältnisse zu stun- die politisch-strategische Entscheidung gefallen den. Dazu zählen auch Pflichtversicherungen war, den Fonds ins Leben zu rufen, waren viele wie eben die Krankenversicherung. Hierzu lag im Detailfragen zu klären: zum Beispiel, in welche Frühjahr innerhalb weniger Stunden ein Gesetzes- Richtung die Investments zielen, wer das Fonds- paket mit zunächst unüberschaubaren Wirkungen management übernimmt und wie wir die Ver- auf dem Tisch, das wir in kürzester Zeit bewerten sicherungsunternehmen einbinden. Das ist für und kommunizieren mussten. die Öffentlichkeit vielleicht nicht allzu spannend, aber extrem wichtig. Schließlich handelt es sich Hat es den Versicherten etwas gebracht? bei den Investments nicht um Spielgeld, sondern Eher nicht. Zum einen hat sich in der Krise wie- um das Geld der Versicherten. der eindrucksvoll gezeigt, dass die Versicherungs- unternehmen sehr gute individuelle Lösungen Inzwischen hat Heal Capital sein drittes für Versicherte finden, die in Schwierigkeiten sind Investment bekanntgegeben. Sind Sie zufrieden? und ihre Beiträge vorübergehend nicht zahlen Sehr sogar. Wir haben in kürzester Zeit den größ- können. Zum anderen handelte es sich bei dem ten Teil unseres Zielvolumens von 100 Millionen Moratorium ja eben nur um eine Stundung. Das Euro eingesammelt, und vom Startschuss bis heißt, die ausstehenden Beiträge müssen später zum ersten Investment ist nicht mal ein Jahr ver- voll nachgezahlt werden. Mit dem Notlagentarif gangen. Darauf können wir stolz sein. haben wir schon seit Jahren eine bessere Lösung: Wer nicht zahlen kann, wird nach einem Mahnver- Ihre Abteilung kümmert sich auch um fahren automatisch in diesen Tarif eingestuft, in Steuerfragen. Welche Entwicklungen gibt es dem die Beiträge deutlich geringer sind und somit hier? auch die Schulden weniger stark wachsen. Ein großes Thema war das Gesetz zur Modernisie- rung des Versicherungsteuerrechts. Das Gesetz Eine weitere gesetzliche Regelung betrifft ist für uns hochproblematisch – denn es zieht die die Rückkehr aus dem Basistarif in den Steuerbefreiung in Zweifel, die es schon seit 1937 Ursprungstarif. für Krankenversicherungsverträge gibt. Zwischen- Ja. Versicherungsnehmer, die nach dem 15. März zeitlich drohten sogar bedeutsame Bereiche der 2020 wegen Hilfsbedürftigkeit in den Basistarif existenziellen Absicherung neu der Versicherung- wechseln, erhalten unter bestimmten Voraus- steuer zu unterliegen, zum Beispiel die Beihilfe- setzungen das Recht, nach Ende der Hilfs- ablöse- und Gruppenversicherungsverträge. Das bedürftigkeit innerhalb von zwei Jahren ohne konnten wir verhindern. Aber in vielen anderen erneute Gesundheitsprüfung aus dem Basistarif Bereichen löst das Gesetz einen immensen Büro- in den Ursprungstarif zurückzukehren. Auch hier kratieaufwand aus. hätte es andere und aus unserer Sicht bessere Lösungen gegeben, die die Versichertengemein- Wie kam es zu diesem Gesetz? schaft weniger belastet hätten. Daher haben Auslöser war ein Exotenprodukt: eine Sport- wir auch diesen Gesetzgebungsprozess kritisch invaliditätsversicherung eines Fußballvereins. begleitet. Immerhin konnten wir erreichen, dass Wenn ein mehrere Millionen Euro teurer Spie- die Frist nun zwei statt der ursprünglich vor- ler aufgrund einer Verletzung nicht mehr spielen gesehenen drei Jahre beträgt. kann, würde sein Verein von der Versicherung die R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
INT ERVIEW DR. U W E L EH R IC H // 13 vereinbarte Summer erhalten. Da die Police als deutschen priva- Krankenversicherung konzipiert war, war keine ten Krankenver- Versicherungsteuer zu zahlen. Anstatt solche Aus- sicherung nicht auf nahmefälle ausdrücklich auszuschließen, wird ihren vollen Beitrag nun eine überbordende abstrakte Regelung für die französische Ver- alle Kranken- und Pflegeversicherten gelten. Das sicherungsteuer zah- kann insbesondere für die Versorgung von Drit- len müssen. Das Problem ten problematisch sein und einen enormen Auf- setzt sich aber leider fort: wand verursachen. In Belgien befinden wir uns in einer ähnlichen Situation. Und Inwiefern? auch in Frankreich gibt es nun zusätz- Vereinfacht gesagt muss bei der Absicherung von lich so etwas wie eine Solidaritätsabgabe für nahestehenden Dritten – etwa Verlobten, Ehe- das Gesundheitswesen. Dazu sind wir mit unse- partnern oder Kindern – zukünftig laufend nach- ren französischen Ansprechpartnern im engen gehalten werden, ob das Angehörigenverhältnis Austausch. Das ist also weiterhin ein Thema und noch besteht – sonst würde Versicherungsteuer bleibt spannend. fällig. Diese persönlichen Verhältnisse der Ver- sicherten sind unseren Unternehmen bislang Ebenfalls ein Dauerbrenner ist die Durchsetzung nicht bekannt, eigentlich gehen sie sie auch von Herstellerrabatten bei Pharma- nichts an. Allein die Anpassung der Prozesse Unternehmen. Wie ist der aktuelle Stand? und IT-Systeme in der Kranken- und Pflegever- Das ist sehr erfolgreich gelaufen: Wir sind prak- sicherung, in denen Versicherungsteuersachver- tisch mit allen Verfahren durch, mehr als 90 Pro- halte bislang nicht vorgesehen sind, verursacht zent sind in unserem Sinne entschieden wor- einen Umsetzungsaufwand von knapp 50 Millio- den. Für die Branche bedeutet das Einsparungen nen Euro sowie erhebliche laufende Kosten in der von mehreren hundert Millionen Euro. Offen Folgezeit. Bis 2030 kommen voraussichtlich Kos- sind noch zwei Musterverfahren, die der Bundes- ten von knapp 100 Millionen Euro zusammen – gerichtshof verhandelt. Da geht es auch um die nur um einzelne Steuerschlupflöcher zu schlie- Frage, ob wir den Rabatt geltend machen kön- ßen und ohne, dass der Staat zusätzliche nen. Steuereinnahmen generieren möchte. Eine höchstrichterliche Entscheidung gab es zu Die Besteuerung der betrieblichen den Wahltarifen von gesetzlichen Kassen. Krankenversicherung konnte der PKV-Verband ja Ja, das war definitiv eine große Erfolgs- verhindern. geschichte. Die AOK Rheinland hatte ver- Ja, das stimmt. Ende 2019 bestand kurzzeitig die schiedene Wahltarife wie die Unterbringung Gefahr, dass das Jahressteuergesetz die steuer- im Ein- und Zweibettzimmer im Krankenhaus freie Sachzuwendungsmöglichkeit im Rah- angeboten. Dagegen haben wir rund zehn Jahre men der betrieblichen Krankenversicherung lang viele Gerichtsprozesse geführt. Am Ende ausschließt. Davon machen ja viele betrieb- hat das Bundessozialgericht die AOK zur Unter- liche Krankenversicherungen Gebrauch. Diese lassung solcher Angebote verurteilt. Soweit ich Besteuerung konnten wir verhindern. höre, hat sie bereits ihre Satzung geändert. Da waren wir hartnäckig – und das hat sich aus- Vor einem Jahr war zudem die ausländische gezahlt. p Versicherungsteuer ein wichtiges Thema. Gibt es hier etwas Neues? Zunächst konnten wir nach langem Ringen mit Frankreich zumindest einen akzeptablen Modus Vivendi finden, damit Personen mit einer R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
14 // Ausstieg aus der Beitragsspirale Das PKV-Konzept für einen neuen Generationenvertrag für die Pflege D ie Finanzierung der Pflege wird in den kommenden Jahren zu einer immer größeren Herausforderung des Sozialstaates. Anders als andere Reformmodelle hat der neue Generationenvertrag nicht länger nur die Belastung der bereits heute Älteren durch stei- Denn die Zahl der Rentnerinnen und Rent- gende Eigenanteile an den Pflegekosten im Blick. ner – und damit altersabhängig auch die Zahl Er berücksichtigt ebenso die demografischen der Pflegebedürftigen – wird stark steigen, Risiken für die pflegerische Versorgung, die während die Zahl der Menschen im erwerbs- jüngere Generation und den Arbeitsmarkt. Damit fähigen Alter deutlich zurückgehen wird. Der schafft er einen tragfähigen und gerechten Aus- alte Generationenvertrag, der eine Versorgung gleich zwischen Jung und Alt. der Älteren maßgeblich aus den Beiträgen der Dabei setzt der neue Generationenvertrag Erwerbstätigen vorsieht, stößt durch diesen auf mehr Eigenvorsorge: das heißt auf kapital- demografischen Wandel an seine Grenzen. gedeckte private Pflegezusatzversicherungen, Sollte der Gesetzgeber nicht gegensteuern, die es ermöglichen, ein relativ teures Risiko wie ist davon auszugehen, dass sich der Beitragssatz die Pflege mit relativ kleinen Beiträgen abzu- der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) in den sichern. Private Vorsorge braucht allerdings kommenden beiden Jahrzehnten verdoppelt. Zeit und entsprechende finanzielle Spielräume. Zusatzbelastungen der Pflegekassen, wie etwa Daher enthält der Vertrag eine weitreichende durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen, Sozialkomponente für heute bereits Ältere, die sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. nicht mehr die Zeit zum Aufbau einer aus- In der Folge werden so nicht nur Beitrags- reichenden Vorsorge haben und weiter auf die zahlerinnen und Beitragszahler zunehmend Generationensolidarität im Umlageverfahren belastet, sondern auch der Arbeitsmarkt. angewiesen sind. Gleichzeitig werden die jün- Der PKV-Verband hat deshalb einen neuen geren Generationen nicht mit Solidarleistungen Generationenvertrag für die Pflege erarbeitet, überlastet, wenn ihnen zugleich mehr Eigenvor- der die demografischen Veränderungen berück- sorge zugemutet werden soll. Zudem ist eine sichtigt und eine für alle Generationen gerechte besondere Unterstützung für einkommens- Lösung sucht. Er setzt auf private Vorsorge und schwache Personen unter den Jüngeren vor- unterstützt zugleich diejenigen, die dafür zu alt gesehen. sind oder nur wenig Einkommen haben. Mit Pflegezusatzversicherungen lässt sich die „Pflegelücke“ heute schon zu bezahlbaren Preisen vollständig schließen R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
P FLEGEFI NANZI ER UNG // 15 Entwicklung des Pflegebedarfs Prognostizierte Anzahl der Was bedeutet das im Einzelfall? Für Pflegebedürftigen in Millionen Menschen ab 80 Jahren, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, pflege- 6,1 bedürftig zu werden oder es schon sind, 5,3 werden die Leistungen der gesetzlichen 4,8 Pflegepflichtversicherung erstmals 4,2 regelmäßig dynamisiert. Die Dynami- sierung orientiert sich an der realen Kostenentwicklung und deckt diese 2,4 zur Hälfte ab. Damit wird das Ansteigen der Eigenanteile („Pflegelücke“) stark 2010 2020 2030 2040 2050 begrenzt. Für die Geburtsjahrgänge zwischen 1940 und 1969 (also die 50- bis Quelle: Statistisches Bundesamt 79-Jährigen) wird diese regelmäßige Dynamisierung der Leistungen schritt- weise abgeschmolzen. Pflegebedürftige mit Ende 70 erhalten dann noch vergleichbare Leistungsanpassungen wie über 80-Jährige. Bis zum letzten „Baby- führung des sogenannten Pflege-Bahr gemacht. boomer“-Jahrgang (1969) wird die Dynami- Weitere, einfache Angebote für eine gezielte sierung stufenweise immer weiter reduziert. Förderung müssen dringend folgen. Geburtsjahrgänge ab 1970 können und sollen die Eine sehr effiziente Lösung wäre beispielsweise wachsenden Eigenanteile vollständig durch pri- eine staatliche Förderung auch für eine betrieb- vate Vorsorge absichern, ihr Leistungsanspruch liche Pflegeversicherung. Die Beiträge wür- an die gesetzliche Pflegeversicherung bleibt als den von Steuern und Sozialabgaben befreit. Basisschutz auf dem heutigen Niveau erhalten. Damit ließen sich ganze Firmenbelegschaften Mit Pflegezusatzversicherungen lässt sich und deren Familien gegen das Pflegerisiko die „Pflegelücke“ zwischen den gesetzlichen absichern. Weiterhin bieten sich Steuerabzüge „Teilkasko“-Leistungen und den realen Kosten für Beiträge zur Pflegezusatzversicherung mit heute schon zu bezahlbaren Preisen vollständig angemessenem Leistungsumfang an. Personen, schließen. Ein Beispiel: Wer die gesetzlichen die nicht von einer Steuerbegünstigung profitie- Leistungen bei ambulanter Pflege verdoppeln ren würden, weil sie keine oder nur wenig Steu- und im Fall stationärer Pflege den durchschnitt- ern zahlen, müssten durch direkte Zuschüsse lichen Eigenanteil von monatlich rund 2.000 unterstützt werden. Euro vollständig absichern will, erhält ent- Mit dem neuen Generationenvertrag hat der sprechende Pflegezusatzversicherungen schon PKV-Verband einen Reformvorschlag vorgelegt, ab 20 Euro im Monat – sofern der Versicherungs- der auf die demografischen Veränderungen vertrag mit 25 Jahren abgeschlossen wird. Auch unserer Zeit eingeht und bisher unberück- höhere Jahrgänge können Zusatzversicherungen sichtigte Potenziale nutzt. Er ist die Grundlage zu günstigen Konditionen erhalten. Bei für eine nachhaltige und arbeitsmarktfreund- Abschluss mit 35 Jahren sind Beiträge ab 34 Euro liche Finanzierungsbasis der Pflege. Mit ihm monatlich möglich, bei Abschluss mit 45 Jahren kann Deutschland den Ausstieg aus der Spirale ab 55 Euro und bei Abschluss mit 55 Jahren Bei- stetig steigender Beitragssätze zur gesetzlichen träge ab 89 Euro pro Monat. Pflegeversicherung schaffen. p Damit die private Pflegevorsorge in mög- lichst allen Schichten der Gesellschaft verankert werden kann, bedarf es einer weiterführenden staatlichen Förderung. Einen ersten Schritt hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren mit der Ein- R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
16 // Einfach für alle Die private Krankenversicherung bietet Beamtinnen und Beamten einen passenden Versicherungsschutz – unabhängig von Vorerkrankungen oder Behinderungen D ie Kombination aus individueller Beihilfe und privater Kranken- und Pflegever- sicherung ist für die meisten Beamtinnen und Es wird also niemand abgelehnt, weil er gesundheitlich eingeschränkt ist. Außerdem gibt es keine Leistungsausschlüsse. Das heißt, eine Beamten in Deutschland eine runde Sache. bestehende Vorerkrankung wird nicht aus den Fast 4,5 Millionen Staatsbedienstete und deren Leistungen des Versicherungsschutzes aus- Angehörige sind privat versichert – das ist mehr geklammert. Zwar können sogenannte Risiko- als die Hälfte aller Privatversicherten. Und es zuschläge aufgrund einer bei Vertragsbeginn zeigt sich, dass sich noch viel mehr von ihnen bestehenden Erkrankung erforderlich sein. Diese entsprechend absichern wollen. werden jedoch auf maximal 30 Prozent des Bei- Denn Landesregierungen und Vertreter von trags begrenzt. Beamtenverbänden berichten immer wieder Freiwillig versicherte Beamtinnen und von Beamtinnen und Beamten, die zwar in der Beamte können so von denselben Bedingungen gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig profitieren, die für Beamtenanfängerinnen und versichert sind, aber lieber die Kombination aus -anfänger dauerhaft gelten. Diese können sich PKV und Beihilfe nutzen würden. Ihnen gibt der nämlich zu den vereinfachten Bedingungen pri- PKV-Verband mit einer Sonder-Öffnungsaktion vat versichern, wenn sie einen entsprechenden vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. März 2021 Antrag innerhalb des ersten halben Jahres nach die Möglichkeit für einen Wechsel – und zwar ihrer Verbeamtung stellen. Diese Regelung gilt unabhängig von bestehenden Vorerkrankungen bereits für Beamtinnen und Beamte auf Wider- oder Behinderungen. Damit setzt die Branche ruf und besteht unabhängig von der Sonder- ein Signal, dass Beamtinnen und Beamte und Öffnungsaktion fort. PKV zusammengehören. Versichertenstruktur in der Krankheitsvoll- versicherung 8,73 Mio. Voll- 4.460.700 versicherte 4.270.400 mit Beihilfe ohne Beihilfe R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
BEAMT E I N DER PKV // 17 „Die pauschale Beihilfe sehen wir skeptisch, weil sie ein Einstieg in eine Bürgerversicherung ist – ein erster Schritt zur Abschaffung des Berufsbeamtentums“ Karoline Herrmann, Vorsitzende dbb Jugend Vorsicht ist hingegen bei der sogenannten Die Beamtinnen und Beamten müssten dort pauschalen Beihilfe geboten, die es mittler- nach einem Wechsel den kompletten Beitrag weile in fünf Bundesländern gibt. Dabei handelt zur gesetzlichen Krankenversicherung allein es sich um eine Art Arbeitgeberzuschuss für zahlen. Zudem würden sie ein Leben lang den gesetzlich versicherte Staatsbedienstete. Zwar Status „Freiwillige Versicherte“ haben. Das argumentieren die Befürworter der pauschalen bringt erhebliche Mehrbelastungen mit sich – im Beihilfe mit mehr Wahlfreiheit. Tatsächlich Pensionsalter wird etwa nicht nur ein Kranken- geht es ihnen dabei jedoch um etwas anderes: versicherungsbeitrag auf die Pension fällig, nämlich um eine schleichende Abschaffung sondern auch auf alle zusätzlichen Einkünfte der bewährten Dualität von gesetzlicher und wie private Renten, Kapitalerträge oder Miet privater Krankenversicherung in Deutschland. So einkünfte. verwundert es auch nicht, dass nur Länder mit Mittel- bis langfristig drohen durch die einer rot-grünen, rot-rot-grünen oder rot-roten pauschale Beihilfe aber noch viel gravierendere Regierungskoalition die pauschale Beihilfe ein- Folgen. So könnte sie den Einstieg in den Aus- geführt haben. stieg aus der klassischen Beamtenversorgung Beamtinnen und Beamte sollten sich gründ- bedeuten. Schon jetzt werden Forderungen lich überlegen, ob sie dieses Angebot annehmen nach einer Einbeziehung von Beamtinnen und möchten. Denn was vielen möglicherweise Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bewusst laut. Gerade jungen Menschen ist das bewusst – ist: Die pauschale Beihilfe ist mit erheblichen viele lehnen die pauschale Beihilfe daher ab. Nachteilen verbunden, die für die Versicherten „Wir sagen natürlich ganz klar, dass wir das lebenslange Konsequenzen nach sich ziehen Berufsbeamtentum zwingend brauchen, weil es können. So müssten sie unwiderruflich auf die für Sicherheit, Verlässlichkeit und Stabilität in individuelle Beihilfe verzichten. Damit berauben Deutschland sorgt“, sagt etwa Karoline Herr- sie sich nicht nur der Möglichkeit, in der PKV mann, Vorsitzende der dbb Jugend: „Vor diesem einen individuellen Versicherungsschutz zu Hintergrund sehen wir auch die pauschale wählen, der ihren Bedürfnissen entspricht. Die Beihilfe skeptisch, denn sie ist ein Einstieg in pauschale Beihilfe führt auch zu Problemen, eine einheitliche Bürgerversicherung. Und die wenn sie später einmal den Dienstherrn wech- wiederum könnte ein erster Schritt in Richtung seln: Der Bund sieht die pauschale Beihilfe Abschaffung des Berufsbeamtentums sein. Des- ebenso wenig vor wie die meisten Bundesländer. wegen beobachten wir das mit großer Sorge.“ p INDIVIDUELLE BEIHILFE Mit der individuellen Beihilfe kommt der Staat seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bediensteten nach. Wenn Beamtinnen und Beamte krank werden, beteiligt sich ihr Dienstherr an den tatsächlichen Behandlungskosten. Diese Leistung ist Teil der Vergütung des Beamten; sie nennt sich Beihilfe. Wie hoch sie ist, hängt unter anderem vom Bundesland ab. In den meisten Fällen haben Staatsbedienstete Anspruch auf mindestens 50 Prozent der Krankheitskosten, nach der Geburt von Kindern oft 70 Prozent und als Pensionäre ebenfalls 70 Prozent. Die noch offenen Kosten können über eine private Krankenversicherung abgesichert werden. Auch Ehe- oder Lebenspartner und -partnerinnen sowie eigene bzw. adoptierte Kinder können Beihilfe erhalten. Meist gilt hier eine Übernahme von 70 oder 80 Prozent der Behandlungskosten. R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
18 // „Das deutsche Gesundheitssystem spielt in Europa ganz vorn mit“ Was macht der PKV-Verband in Brüssel? Wie beeinflusst Corona die deutsche EU-Ratspräsidentschaft? Welche Chancen hat eine europäische Gesundheitsunion? Bastian Biermann, Leiter der Stabsstelle Europa und Sonderprojekte, gibt Einblicke in seine Arbeit. Herr Biermann, Sie sind Leiter der Stabsstelle an Fahrt auf. Auch hier gilt es, die besonderen Europa und Sonderprojekte im PKV-Verband. Interessen rund um das eigene Sicherungs- Was genau ist Ihre Aufgabe? system der PKV wirkungsstark zu vertreten. Wei- Ich bin sozusagen das Gesicht der PKV in Brüssel. tere Themen, die uns viel beschäftigt haben, Mit der privaten Krankenversicherung vertreten sind die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, wir auf europäischer Ebene ein System, das mit die Datenschutz-Grundverordnung, das Anti- seiner Dualität in keinem anderen Mitgliedstaat diskriminierungsrecht, der gesamte Bereich der Europäischen Union in dieser Form existiert. E-Health und die Finanztransaktionssteuer. Aus diesem Grund ist es außerordentlich wichtig, dass wir unsere besonderen Interessen, die auf Wer sind Ihre Hauptansprechpartner? dem Zwei-Säulen-Modell aus gesetzlicher und Das sind einerseits natürlich die Abgeordneten privater Krankenversicherung aufbauen, ver- und Mitarbeiter des Europäischen Parlaments. Da treten. In den Gesetzgebungsprozessen müssen meine europäische Laufbahn schon 2009 als par- wir immer wieder diese Sonderrolle gegenüber lamentarischer Referent eines CSU-Europaabge- den zuständigen Entscheidungsträgern verdeut- ordneten begann, konnte ich mir ein gutes Netz- lichen. werk aufbauen, das mir nach wie vor sehr hilft. Zum anderen ist die Europäische Kommission als Um welche Gesetzgebungsprozesse geht es Initiator von Gesetzgebungsverfahren von gro- dabei? ßer Bedeutung. Daneben sind viele andere euro- Das größte und komplexeste Thema, das mich päische Interessenverbände für meine Arbeit seit vielen Jahren in Brüssel umtreibt, ist defi- wichtig: vom GDV, der in Brüssel ebenfalls ver- nitiv Solvency II. Diese Richtlinie soll das Ver- treten ist, bis zum europäischen Dachverband sicherungsaufsichtsrecht harmonisieren. Im Insurance Europe. Auch mit dem französischen Moment befinden wir uns in der sogenannten Versicherungsverband arbeiten wir seit Jahren Solvency II Review. Das bedeutet, dass die einzel- zusammen – und haben im Bereich der Kranken- nen Stellschrauben noch einmal modifiziert versicherung bereits viel gemeinsam erreicht. werden. Wir müssen aufpassen, dass unsere Und schließlich sitzen zahlreiche Versicherungs- erzielten Erfolge nicht wieder einkassiert wer- unternehmen in Brüssel, mit denen ich mich den. Ebenso nimmt der gesamte Themenbereich regelmäßig austausche. der Sicherungssysteme für Versicherungen – die Insurance Guarantee Schemes – wieder R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
INT ERVIEW B AST I AN B IER M ANN // 19 „Mein Eindruck aus Brüsseler Perspektive ist, dass die Corona-Pandemie strukturiert und zügig angegangen wurde“ Bleiben wir mal bei der Kommission. Kennen das Thema struk- sich die Beamten aus anderen Ländern mit dem turiert und zügig deutschen System aus? angegangen wurde. Wir haben hier viele entsendete Beamtinnen Zum Beispiel hat und Beamte aus den deutschen Behörden. die Kommission Denen muss ich natürlich nichts erklären, die schon Mitte März ein kennen das System. Den anderen erläutere Corona-Beratungs- ich allerdings oft die konkreten Abläufe bei gremium instal- uns – insbesondere das System der Alterungs- liert, das die ersten rückstellungen, das es in vielen Ländern gar Krisenreaktionen für nicht gibt, häufig aber auch das Zusammen- die EU koordiniert spiel von Leistungserbringern, Versicherungs- hat. Dann gab es unternehmen und versicherten Personen. Anfang April die EU- Was unabhängig von der Funktionsweise allen Initiative Solidarität bekannt ist, ist die Leistungsfähigkeit des deut- im Dienst der Gesundheit, die sechs Milliarden schen Systems. Euro für den Bedarf der Gesundheitssysteme in Europa bereitgestellt hat. Mit neuen Leit- Wie äußert sich das? linien zur grenzüberschreitenden Zusammen- Der Gesundheitsausschuss des europäischen arbeit wurden zudem Erleichterungen des Dachverbands Insurance Europe ist mit Exper- Patiententransfers zwischen den Mitglied- ten aus verschiedenen Mitgliedstaaten besetzt. staaten geschaffen. Relativ kurzfristig wurde Hier ist interessant festzustellen, dass wir bei auch beschlossen, die Einfuhrzölle für Medizin- den meisten Themen immer mit als Erstes produkte und Schutzausrüstung aus Dritt- angesprochen und mit der Frage konfrontiert ländern aufzuheben. So konnten Länder, die werden, wie Deutschland bestimmte Heraus- dringend Bedarf hatten, aus Drittstaaten relativ forderungen angeht. Das wurde in der Corona- schnell Produkte erhalten. Diese Initiativen wer- Pandemie noch einmal besonders deutlich. den nicht immer direkt in die breite Öffentlich- Daran merkt man, dass das deutsche duale keit transportiert – in der Summe unterstreichen System überall sehr hoch angesehen ist. Es sie jedoch den Grundgedanken der euro erfüllt mich schon mit Freude, dass ich ein päischen Zusammenarbeit. → System vertreten darf, das innerhalb der Euro- päischen Union in Sachen Versorgung und Leistungsumfang ganz vorn mitspielt. Deshalb bin ich hier nach wie vor sehr gern. Nun ist das Wort „Corona“ gefallen. In der Bastian Biermann Öffentlichkeit entstand anfangs der Eindruck, Der Betriebswirt und Politikwissenschaftler begann seine dass Europa hier nicht mit einer Stimme spricht. Brüsseler Laufbahn als Parlamentarischer Referent im Euro- Es mag sein, dass die Bilder, die anfangs aus päischen Parlament. Seit 2010 ist er für den PKV-Verband tätig: Italien oder Spanien um die Welt gingen, den zunächst als Europareferent, dann als Leiter des Brüsseler Anschein erweckt haben, dass Europa nicht Büros – und seit April 2020 als Leiter der Stabsstelle Europa sonderlich solidarisch zusammensteht. Mein und Sonderprojekte. Eindruck aus Brüsseler Perspektive ist aber, dass R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
20 // „Die Pandemie hat den ursprünglichen Fahrplan für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft durcheinandergewirbelt“ Und es gab auch noch den Europäischen Soforthilfefonds. Ja. Mit insgesamt 750 Milliarden Euro soll er die wirtschaftlichen Einbußen durch die Corona-Beschränkungen abmildern. Im kom- menden Jahr soll ungefähr die Hälfte genutzt werden. Das halte ich schon für einen hervor- zuhebenden Solidaritätsgedanken. Das alles zeigt, dass wir mit der Europäischen Kommis- sion eine Institution haben, die bei den aktuel- len Herausforderungen immer wieder alle Mit- gliedstaaten zumindest an einen Tisch holt, um eine Zusammenarbeit in dieser schweren Zeit zu ermöglichen. Noch bis Ende 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus? Die Pandemie hat den ursprünglichen Fahrplan der Bundesregierung für die Ratspräsidentschaft natürlich heftig durcheinandergewirbelt. Das ist auch für uns schade, weil wir in Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium ver- schiedene Veranstaltungen geplant hatten. Worum sollte es dabei gehen? Zum einen hatten wir das Thema Pflege auf der Agenda, das im ursprünglichen Plan der deutschen Ratspräsidentschaft im Sek- tor Gesundheit einen hohen Stellenwert hatte. Zum anderen wollten wir unsere Ansätze bei der Digitalisierung präsentieren und sie gemeinsam mit dem französischen Versicherungsverband „Fédération Française de l’Assurance“ (FFA) dis- kutieren. Darunter fällt auch das Engagement des PKV-Verbands in der digitalen Start-up-Szene durch den Branchenfonds Heal Capital. Der Fonds ist insbesondere in Frankreich auf großes Interesse gestoßen, da auch die FFA viele junge Unternehmen fördert. Das hätte sehr gut in den europäischen Austausch gepasst. R E C H E N S C H A F TS B E R I C H T 2 0 1 9 / 2 0
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