Bladdje för Heimatfrünnen un Butenostfreesen Nr. 54 / Weihnachten 2020 - Geschichtswerkstatt Fehnmuseum Eiland

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Bladdje för Heimatfrünnen un Butenostfreesen Nr. 54 / Weihnachten 2020 - Geschichtswerkstatt Fehnmuseum Eiland
Bladdje för
Heimatfrünnen un Butenostfreesen
   Nr. 54 / Weihnachten 2020
Bladdje för Heimatfrünnen un Butenostfreesen Nr. 54 / Weihnachten 2020 - Geschichtswerkstatt Fehnmuseum Eiland
Leeve Landslü,                             Inhaltsverzeichnis
Das vergangene Jahr war und ist eine       Seite 3 Lob des heimischen Weines
Herausforderung für die Menschheit.        Seite 6 Eine etwas böse Winterge-
Wir werden wohl noch Monate mit                     schichte
dem Virus Covid 19 leben müssen. In        Seite 7 Möderkens Wiehnachten
Ostfriesland sind die Infektionszahlen     Seite 8 Wiehnachtslicht; De Dannen--
und die Anzahl der Todesfälle im                    boom
Zusammenhang mit Covid 19 im Ver-          Seite 9 De Dannenboom dröömt
hältnis noch gering. Nun haben wir 10      Seite 10 De Wunschzeddel
Tage vor Weihnachten wieder einen          Seite 11 Weihnachtliche Überraschung
Shutdown. Das öffentliche Leben wird                im Hals
stark heruntergefahren.                    Seite 14 Meine Erinnerungen an die
Vielleicht sollten wir diese schwere               Adventszeit und Weihnachten
Zeit als Chance nutzen, um innezuhal-      Seite 16 Plumtortjes; Stutenkerl;
ten, den Moment bewusst zu erleben.                 Lecker Wiehnachtskookjes
Positiv denken. Vielleicht abends den      Seite 17 Wiehnachtsmann
Tag Revue passieren lassen, uns Dinge      Seite 18 Sachtjes fallt de Sneei; Bar-
ins Bewusstsein rufen, die an diesem               barazweig
Tag schön waren. Kleine Glücksmo-          Seite 19 Gebet
mente, die zu oft im Alltag unterge-       Seite 20 Für Ernsthafte zu jeder Jahres
hen. Ein gutes Gespräch, eine positive              zeit
Nachricht, etwas was uns Freude            Seite 20 Lichtbetrachtungen; Die schö-
bereitet hat. Den Tag etwas ruhiger                 nen Augen in der Todra-
angehen lassen, Dinge tun, die Freude              Schlucht
bereiten, denen wir schon längst nach-     Seite 21 Ein unernster weihnachtlicher
gehen wollten, aber einfach nicht die               Wunschzettel
Zeit dazu gefunden hatten. Mal wieder              Dat Pöggsken
raus in die Natur gehen. Es gibt so        Seite 22 Sünnerklaas
viele schöne Dinge, die wir tun kön-       Seite 23 Muuskes Wiehnachtsge-
nen.                                               schicht
                                           Seite 24 Hillligavend
Hoffen wir, dass uns das Jahr 2021
Besserung beschert, die Pandemie end-
lich eine Ende findet.
Ich wünsche euch frohe Festtage und
alles Gute für 2021. Bleibt alle gesund.

Der Sturm der Nacht hat den Morgen
mit Frieden gekrönt – möge der Weg,
der dir entgegenkommt, gut sein.

Altirischer Segenswunsch

A. Everts-Marx

                                                                                2
Bladdje för Heimatfrünnen un Butenostfreesen Nr. 54 / Weihnachten 2020 - Geschichtswerkstatt Fehnmuseum Eiland
Lob des heimischen Weines                  mehrere 2011er Kransteiner, reines
                                           Uferfiltrat, genehmigt – verschlug mir
                                           die Sprache. Alkohol jedweder Art,
von © Evert Everts                         setzte der Mann fort, sei abzulehnen,
                                           führe in die Krankheit und zu einem
                                           schnellen Ende. Darauf beendete ich
Wer in Oberdollendorf auf der Heister-     abrupt das Trinken.
bacher Straße die Cäsariustraße kreuzt,
passiert die von Ernemann Sander           Früh schon warnte man vor übermäßi-
beeindruckend gestaltete Bronzeplas-       gem Weingenuss. Bereits im 4. Jahr-
tik des Cäsarius von Heisterbach. Sor-     hundert beschrieb der Athener Eubulos
genvoll beugt sich der erste Abt des       die Wirkung von zehn Amphoren
ehemaligen Klosters Heisterbach über       Wein. Die erste bewirke Gesundheit,
seine Schriften. Es scheint, als käme er   die zweite Lust und Liebe, die dritte
  niemals zu einem Ende, zu sehr ge-       Schlaf, die vierte Ausgelassenheit, die
beutelt wurde die Welt seit seinem         fünfte Geschrei, die sechste Neckerei,
Ableben im Jahre 1240. Ihm und             die siebente Schlägerei, die achte Zeu-
seinen Mitbrüdern verdanken wir die        genaufrufe, die neunte Zorn und die
Verfeinerung des Weinbaus im Sieben-       zehnte Raserei. Gerade die Wirkung
gebirge und den Spruch:                    der letzten fünf Amphoren macht
                                           nachdenklich.
                                           So gesehen, dürfte der Koran bestätigt
Wer den Wein ohne Andacht trinkt, der      werden, der lehrt, durch Wein und
säuft;                                     Spiel wolle der Satan nur Feindschaft
wer ihn mit Andacht trinkt, der betet.     und Hass unter uns stiften und uns
                                           vom Denken an Allah abbringen.
Auf der Heisterbacher Straße weiter-       Der Direktor der Kriminologischen
schlendernd, kommen wir an der Kir-        Zentralstelle Wiesbaden, Rudolf Egg,
che St. Laurentius vorbei. Dahinter        äußert in der RP Online am 22. 08.
türmen sich, unterhalb der Dollen-         2011, es stünde fest, bei Straftaten sei
dorfer Hardt, die rebenbegrünten Hän-      Alkohol die Droge Nummer eins.
ge der Weinlagen Rosenhügel und Sül-       Wenn Chantal, die Ehefrau meines
zenberg. Wenig später, inmitten der        Wanderfreundes, ihren Hausarzt auf-
Weinlage Rosenhügel, fällt eine wei-       sucht, richtet dieser regelmäßig an sie
tere Bronzeplastik von Ernemann San-       die Frage, ob sie Wein trinke. Als fein-
der ins Auge: Maria im Weinberg. Und       sinnige Kennerin der deutschen Spra-
in der Tat gibt Maria ihrem Sohn eine      che, freilich unterlegt mit einem be-
Traube in den Mund.                        zaubernden französischen Akzent,
Der Anblick dieser Plastik erinnert        schildert sie den Fortgang der vom
mich an eine Weinprobe, bei der eine       Arzt einseitig geführten Unterhaltung
ältere, in meiner Nähe sitzende Frau       wie folgt: Ach so, Sie sind Französin,
mit stechendem Blick nach meinem           woraufhin er unter der Rubrik Alko-
dritten Glas spöttisch bemerkte, ich sei   holgenuss vermerkt, sie sei Trinkerin,
wohl, wie so mancher, ein stiller Säu-     was Chantal wiederum verständlicher-
fer. Das beifällige Nicken ihres Man-      weise mit der Bemerkung kom-
nes – beide hatten sich kostenneutral      mentierte: Ich könnte ihn ermorden.
                                           Totschlagen wäre der juristisch richti-
                                                                                 3
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ge Begriff. Sie hat von der Ausführung    ment des Abendmahls und als Hinweis
einer Straftat aus einsichtigen Gründen   auf Christi künftige Bestimmung ver-
abgesehen. In einer Haftanstalt wird      standen werden.
kein Wein ausgeschenkt, jedenfalls        Kommt dem Wein aber eine derart tie-
nicht in Deutschland.                     fe Bedeutung zu, so scheint es kaum
So scheint denn Jean Pauls Sinnspruch     angemessen, ihn zu verteufeln. Wir
durchaus zutreffend: Der Wein wirkt       sollten uns vielmehr dem großen anti-
stärkend auf den Geisteszustand, den      ken Arzt Hippokrates anschließen, der
er vorfindet; er macht die Dummen         im Wein ein Ding sah, das in wunder-
dümmer, die Klugen klüger.                barer Weise für den Menschen geeig-
Andererseits wird Jean Pauls Aus-         net sei, vorausgesetzt, es werde bei gu-
spruch in einer Situation bestätigt, in   ter und schlechter Gesundheit sinnvoll
der man es nicht vermutet: Als die bei-   und im rechten Maße verwandt.
den großen Schweizer Dichter Gott-        Ob dieser Grundsatz allerdings immer
fried Keller und Conrad Ferdinand         berücksichtigt wird, mag dahingestellt
Meyer nach einem durchzechten             sein. Ein Bericht über den Weinver-
Abend nach Hause wandelten, soll          brauch im Elisabeth-Hospital in Darm-
Keller gesagt haben, der Wein sei ihm     stadt aus dem Jahre 1871 schildert fol-
zu Kopfe gestiegen, worauf Meyer          gendes: In einem Zeitraum von sechs
geantwortet haben soll, der Wein ma-      Monaten, währenddessen 755 Pa-
che sich immer in dem Körperteil be-      tienten behandelt wurden, betrug die
merkbar, der am schwächsten ent-          verordnete und konsumierte Menge
wickelt sei. Bei ihm seien das die        4633 Flaschen Weißwein sowie 6233
Beine, bei Keller der Kopf. Ich glaube    Flaschen Rotwein. Hinzu kamen 60
jedoch, hier scheint eher der Satz von    Flaschen Champagner, einige Dutzend
Konfuzius zuzutreffen, der besagt, am     Bouteillen Weißwein gehobener Quali-
Rausch sei nicht der Wein, sondern der    tät, etliche Flaschen Bordeaux und un-
Trinker schuld.                           gefähr 350 Flaschen Portwein. Man
Doch kommen wir zurück auf jene           kann messerscharf folgern, daß die Pa-
wunderbare Plastik von Ernemann           tienten dieser sicherlich immer vollbe-
Sander, auf Maria im Weinberg, die        legten Klinik meist benebelt, wenn
ausgerechnet von einem Pfarrer gestif-    nicht ständig betrunken waren. So ge-
tet wurde. Sie erinnert mich an Lucas     sehen verwundert es nicht, wenn es in
Cranachs Madonna mit der Weintrau-        der lutherschen Übersetzung von
be, die in der Münchener Pinakothek       Psalm 104, Vers 15 heißt: Und dass
hängt. Die von Mutter und Kind gehal-     der Wein erfreue des Menschen Herz.
tene Weintraube ist kein beliebiges Re-   Bemerkenswert jedoch bleibt, daß der
quisit, sondern verweist sowohl auf       Wein als Arznei und damit die Wein-
Maria als auch auf Christus. Nach         therapie in der abendländischen Heil-
altchristlichen Vorstellungen galt die    kunst eine wesentliche Rolle spielte.
Muttergottes als Rebe, an der der Kna-    Im 19 Jahrhundert allerdings ent-
be als göttliche Traube gereift war.      wickelte sich die Medizin zu einer
Sanders’ Maria im Weinberg und Lu-        reinen Naturwissenschaft und ver-
cas Cranachs Maria, wirken beide          schrieb sich einer neuen Pharmazie.
trieftraurig. Dieser Ausdruck kann ver-   Der Wein verlor in den letzten 150
mutlich nur im Hinblick auf das Sakra-    Jahren seinen guten Ruf und geriet in

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den Verdacht, ein gefährliches Genuss-    über die an Ahr und Rhein wachsen-
mittel zu sein. Es wäre besser gewe-      den Weinsorten. Mein Bekannter, eher
sen, sich an die Worte des großen,        Biertrinker, hörte fassungslos zu und
1135 in Córdoba geborenen, jüdischen      fasste seine Bewunderung in dem Satz
Gelehrten Moses Maimonides zu erin-       Sie scheinen ein exzellenter Weinken-
nern. Der befand, je älter ein Mensch     ner zu sein zusammen. Der andere
sei, desto nützlicher sei für ihn der     kommentierte kölnisch trocken: »Nä,
Wein. Von allen Menschen am nötigs-       ich hann mich durchjedrunke.«
ten hätten ihn die Greise. Wilhelm        Stellen wir uns abschließend den Blick
Busch vermerkt daher folgerichtig:        vom Drachenfels auf die tief darunter
                                          sich ausbreitende Weinlage Drachen-
Rotwein ist für alte Knaben               fels vor, auf jene hinreißend unter dem
                                          Felsen eingebettete Steillage, in der
Eine von den besten Gaben.                ein vorzüglicher Riesling gedeiht.
                                          Und dort, nicht weit von diesem tra-
Wo in den fünfziger Jahren des vor-       chytgeprägten Terroir, erblickte mich
igen Jahrhunderts noch ausgedehnte        in einem Rhöndorfer Restaurant die
Wingerte die Rheinlandschaft prägten,     schon einmal erwähnte Dame mit ste-
hat heute spärlicher Baum- und Gras-      chendem Blick und böser Zunge –
bewuchs die früheren Steillagen ero-      weintrinkend, in Georg Brittings Ge-
bert. In seiner Novelle Moselfahrt aus    dichtband Lob des Weines blätternd –
Liebeskummer richtet Rudolf G. Bin-       und bemerkte süffisant: Dort sitzt er
ding an eine geheimnisvolle Schöne        wieder und säuft. In diesem Moment
die bezeichnende Frage: »Den Wein         ertönte zur Überraschung aller, woher
rechnen Sie auch zur Landschaft?« –       auch immer, eine donnernde Stimme:
»Ja, gewiß das: Er ist wie das Land«,
antwortet sie. Indessen ist uns die Ge-   Störe ihn nicht; er betet.
wissheit, wonach Wein und Landschaft
eine untrennbare Einheit bilden, längst
abhanden gekommen. Die Winzer             Veröffentlicht in Rhein! 20 Seiten 27 – 32 (2019) –
können ein Lidl davon singen, wenn        Festschrift für Prof. Dr. Kurt Rößler zum 80. Geburtstag.
sie an all die günstigen Angebote aus
anderen Ländern denken, die ihnen das
Überleben schwer machen.
                                          Wenn buten in de Büm de Lichter
Mancher selbst ernannte Weinkenner        brennen
äußert Vorbehalte gegen Wein aus dem
Siebengebirge und zieht französische      Und die Lüt sich besinnen sich wedder
Weine vor. Gegen den französischen        to kennen
Wein ist nichts einzuwenden, gegen        Selbst nach Krach und son Schit
den Vergleich sehr wohl. Er entlarvt      Dann is de Wienchtsmann nich wiet.
die fehlende Kenntnis vom hiesigen
Wein. Eine besondere Art, sein Wein-
verständnis zu belegen, lieferte vor
einiger Zeit ein älterer Herr auf dem
Kölner Weinmarkt. Er hielt seinen
Nachbarn einen umfassenden Vortrag

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Eine etwas böse Wintergeschichte              De dunkelste Tid in Jor
                                                De is so dunkel nich
8:00 Schneemann gebaut                    Denn in Dezember, un dat is wör
8:10 Die erste Emanze auf dem Weg            Da brennt ja so viel Licht
zur Arbeit beschwert sich, warum das      Und dat nich nur von de Kerzen
keine Schneefrau ist.
                                             Sondern ook in de Herzen
8:15 Schneefrau dazu gebaut.
8:17 Die Kindergärtnerin beschwert       Ganz einfach wil in Dezember eben
sich über die angedeuteten Brüste der             Wiehnachten is.
Schneefrau.
8:20 Der Schwule eine Straße weiter
beschimpft mich, weil es auch zwei
Schneemänner geben sollte.
8:25 Meine vegan lebende Nachbarin
pöbelt über die Straße, dass die Wur-
zelnase Verschwendung von Lebens-
mitteln sei.....
8:30 ich werde als Rassist beschimpft,
weil der Schnee weiß ist.
8:35 Fatma von der Ecke fordert ein
Kopftuch für die Schneefrau
8:40 Die Polizei trifft ein und
beobachtet das Szenario.
8:45 Das SEK trifft ein, weil der
Besenstil als Schlagwaffe benutzt wer-
den kann.                                        Advent, Advent,
8:50 Der IS bekennt sich zu dem                een Licht, dat brennt.
Schneemann.                                     Erst een, dann twee;
8:55 Mein Handy wird beschlagnahmt             dann dree, denn veer,
und ausgewertet, während ich mit ver-                denn steiht
bundenen Augen im Hubschrauber              dat Christkind vör de Döör.
zum Generalbundesanwalt unterwegs
bin.
9:00 das Ordnungsamt kommt vorbei.
Ich bezahle 1000 € Bußgeld, weil
Schneemann und Schneefrau keine
Maske tragen und der Mindestabstand
nicht eingehalten wird.

Schneemann bauen 2020
Ich war dabei

                                                                             6
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Möderkens Wiehnachten                   „Min Guott, van minen Jungen!“
                                        Ehr waßt, es häd’n Engel all
Wiet in de Heid’, wao Biärken staoht,   In ehre Stuowe sungen.
En Hüsken sig vebourgen;
Dao wuehnt en Möderken alleen,          „Wat he wull schriw? – Waocht, erst
                                        de Brill,
Kennt Arbeit boß un Suorgen.
                                        – Met’t Kieken wäd’t all slimmer!
So eensam ist’t in ehre Stuow,
                                        – He wünscht en fröhlich Wiehnachts-
Se faolt de möden Hände:                fest, –
„Och, wäör doch Friäden wier int        – Gesund is he noch immer. –
Land,
                                        – Wat is he wuorden? – Untrofzier? –
Wäör doch de Krieg te Ende.
                                        Jung, Jung, we soll dat denken?
                                        Ist waor? – Min Guott! – Dat isern
Düt giw en truerig Wiehnachtsfest,      Krüs
Guott het mi wull velaoten.

Min Kind, min Suohn, Min Eens un        Dei em de Kaiser schenken!
Alls,
Wiet, – wiet, – up früemde Straoten.  ‚t es wüerklik waor, he schriw’t, dao
In Rußland, wao’t so ruh un kaolt,    steiht’t;
Steiht he in’n Krieg, - in’t Füer,    „Du hätt’st es sehen müssen;
Vör veer Wiäk quam de leste Breef;    Mein Hauptmann gab mir selbst die
Aoch Guott, - he kümp nich wier.“ –   Hand
                                      Und sagt’, ich sollt’ dich grüßen.“
Un still läöt se den Rausenkranz      De Traonen rullt ehr up den Breef,
Wier dör de Finger glieden.           So glücklich nu van Hiäten.
De Dör geiht los: – „Hier, Moder, „Min leiwe Fritz! – Uss’ Härguott het
seiht,                                Mi doch no nich vergiäten;
Dat Christkind kümp bi Tieden!“
De Breefbuor reekt son kleinen Breef; Nee, uss’ leiw Här verläöt mi nich,

                                                                          7
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He sall wull wieder suorgen!“          De Dannenboom
Se mäk so fien den kleinen Baum,
Un’t Christfest fiert se muorgen. –    De Dann`nboom steiht in stille Eck
                                       un lett so smuck un gröön.
So fierlik still is’t in de Stuow,     De Lütten kiekt dat Wunner an:
Dao buten danzt de Flocken.            „Wat is de Boom doch schöön!“
Van’t Duorp harüöwer, auk vör ehr,     Doch Vadder seggt :“De Boom is
                                       scheef!“
Klingt froh de Wiehnachtsklocken.      Un Moder meent: „He is to small!“
                                       Un Opa brummt: „He is to lütt!“
© Bernard Holtmann                     Un Oma quest: „He nadelt all!“
aus: Trü un Graut in Naut un Daut.     De Dann `nboom steiht in stille Eck
Kriegsgedichte un Geschichten up       un denkt: „snackt ji man to!
mönsterlänsk Platt von Bernard Holt-   He lett jüm quarken. Un he grient:
mann                                   „De Minschen sünd wall so...“
                                       He reckt sien telgen, böört sien Licht,
                                       is nix as tro un wahr.
Wiehnachtslicht                        Un wiest jüm all mit hellen Schien
                                       den Weg in `t neje Jahr!
Wo Wiehnachtslicht brennt,
ward de Dagen so still...              van Otto Tenne
un de Alldag is nich mehr so luut.

Wo Wiehnachtslicht brennt,
wrd de Dagen so hell...
un de alldag is nich mehr so gries.

Wo Wiehnachtslicht brennt,
ward de Dagen so warm...
un de Alldag is nich mehr so kold

Wo Wiehnachtslicht brennt,
wasst in de Harten de Leev...
un de Glowen an Freeden op Eer!

van Hans Hansen Palmus

                                                                                 8
Bladdje för Heimatfrünnen un Butenostfreesen Nr. 54 / Weihnachten 2020 - Geschichtswerkstatt Fehnmuseum Eiland
De Dannenboom dröömt                     Dor steiht he nu an Hilligavend as
                                         Wiehnachtsboom so stolt.
In’t Holt mit vele anner Bööm steiht
een lütt Dannenboom.                     Warrt sungen und Geschenke deelt,
                                         fierlich warrt em in ’t Holt.
De Wind huult kolt dör ehre Telgen,
all hebbt se een Droom.
                                         Dat is keen Droom in Küll un Wind,
                                         dat is nu echt un wohr.
Eenmal in kollen Winterdag - hett ehr
de Wind toweiht,                         Man na ’n poor Daag as Wiehnachts-
                                         boom warrt em de Telgen swoor.
as Wiehnachtsboom in de warme Stu-
uv, dat weer de gröttste Freid.
                                         He is so mööd, ahn Saft un Kraft, Glit-
                                         zerkraam is egaal.
Denn keem mit Saag un grote Ext ein
                                         To ’n lesten Maal segg he nu “Ach!”,
                                         un steiht as ’n doden Pahl.

                                         Nu is he blots een Stah-in-Weg, de
                                         warrt ut Finster smeten.
                                         Un use Wiehnachstboom so stolt, den
                                         hebbt se bald vergeten.

                                         Wi all dröömt woll mennigeen Droom,
                                         dat bruukt wi in us Leven.
                                         Doch beter is, de mehrsten Drööm
                                         weern lever Drööm man bleven.

                                         © Heinz Großmann
Kerl mit Kind un Fro.
„Ach!“, sä de Boom. Denn füllt he
daal. Dat hört denn woll dorto.

Se bringt em in de warme Stuuv. Nu
kummt he meist to Kehr:
Vadder sett em in ’n iesern Foot, hett
ja keen Wuddeln mehr.

Mudder behangt de Telgen nu mit
Glitzerkraam heel vull,mit Lichten un
mit Snökerkraam. De Boom föhlt sik
as dull.

                                                                              9
Bladdje för Heimatfrünnen un Butenostfreesen Nr. 54 / Weihnachten 2020 - Geschichtswerkstatt Fehnmuseum Eiland
De Wunschzeddel                          So leep dat mit all mien Goven rein
                                         vördwars.
Oh Sünnerclaas, du gode Mann,
                                         Bloots us Lüttje freu sik to den Teddy
ik weet nich, wo ik di dat verklaren     at narrsch.
kann.
                                         Moder meen: Jung, nu wees doch
Dat ganze Johr mööt ik dor an denken     tofreden,
wo’t afloppt mit dat Wünschen un dat     Footballschoh un Böker hest ja ok
Schenken.                                noch kregen.

Mien Wunschzeddel harrst du sülvst       Se leet mi weten, dat geiht so nich an,
mitnahmen,
                                         dat man all Wünsche erfüllt kriegen
doch dor is uplest nich veel bi röver    kann.
kamen.
                                         Wecke Wunsch uplest in Erfüllung
De Wiehnachtsmann hett‘ sachs ver-       geiht,
kehrt afgäven
                                         mit Vaders Geldknipp fallt or steiht!
un anner Kinner hebbt de moi’n Saken
kregen.
                                         Oh Sünnerclaas, schull dat stimmen,
                                         wat Moder dor vertellt,
Weest noch, ik wull een Autorenn-
bahn,                                    un Vader ut sien Knipp betahlt, wat wi
                                         bi di bestellt?
dat ik gägen Navers Jan Rennen win-
nen kann.                                Denn wünsch ik mi rein gor nix mehr,
                                         wenn he dat doch betahlt,
He is ja up sien Iesenbahn ganz stolt,
                                         denn gah ik foorts to’n Laden rin un
dorbi is de man bloots slichtweg ut      kööp, wat mi gefallt!
Holt.

Aver ünnern Dannenboom stunn een         Die Autorin Ingeborg Huisken
elektrisch Toch                          wurde 1946 in Varel/Friesland gebo-
mit Hüser, Kaark un Tonnel, ok Gleise    ren. Seit 1972 lebt sie in Wiefelstede
geev dat noch un noch.                   im Landkreis Ammerland. Sie hat
                                         Plattdeutsch schon als Kind geliebt
Dor is Vader nu mit togangen, ganz       und 1989 selbt mit dem Schreiben
ievrig dorbi.                            begonnen. Viele Jahre hat sie sich im
De Wiehnachtsmann dacht mehr an          Schriever-Kring engagiert. Für sie
em at an mi.                             gillt: „Eenmal Plattdüütsch, ümmer
                                         Plattdüütsch.“
Up mien Wunschzeddel stunn een
Skateboard.                              Quelle:„ins“ Institut für Niederdeut-
                                         sche Sprache
Meenst du, dat dor wat van wurrd?
Nee, dat Skateboard hett Navers Jan      https://www.ins-bremen.de/de/lees-
nu kregenun ik mööt mit Inliners wie-    stuecken/wuenschen-wiehnachtsge-
ter dör de Gegend fegen.                 dichten/johanna-kastendieck.html

                                                                             10
Weihnachtliche                            wird mir dabei helfen, die Gräte aus
                                          Ihrem Hals zu entfernen. Sie werden
Überraschung im Hals                      sehen, es lohnt sich, Student an einer
                                          bekannten Universität zu sein. Sie
Georg schaltete das Radio ein, blickte    werden umfassend betreut und helfen
gedankenverloren aus dem Fenster in       überdies jungen Assistenzärzten, unter
die Dunkelheit. Ein bekannter             Anleitung eines erfahrenen Professors
Schauspieler mit markanter Stimme         etwas zu lernen. Am Ende sind alle zu-
trug Karel Čapeks Erzählung Ein Ver-      frieden.“
brecherischer Überfall vor. Draußen       Der Professor verschwand, und statt
begann die Oberleitung leicht zu erzit-   seiner erschien eine hübsche Kranken-
tern; dann schaukelte erneut ein Obus     schwester, die Georg erklärte, er werde
vorbei – hinab in die Stadt. Pulver-      nun unter Morphium gesetzt und brau-
schnee wirbelte hinter ihm auf.           che keine Angst zu haben, jemals das
Mittlerweile hatte Georg den Faden in     Verlangen zu spüren, nochmals diese
der Erzählung verloren; denn die Stim-    Erfahrung zu machen. Student an einer
me des Schauspielers erinnerte ihn an     bekannten Universität zu sein, lohne
eine andere Stimme, die mit einem Er-     sich. Man werde umfassend betreut
lebnis zusammenhing, das in seine         und helfe jungen Assistenzärzten, un-
Studentenzeit zurückreichte. Es war       ter Anleitung eines erfahrenen Profes-
die jenes Professors, der ihm vor Jah-    sors etwas zu lernen.
ren eine Gräte aus dem Hals entfernt      „Ähnlich äußerte sich soeben auch der
hatte. „Sie haben also“, sagte der Pro-   Herr Professor“, bemerkte Georg.
fessor damals, „eine Gräte im Hals.       „So ist es“, sagte die Schwester, setzte
Lassen Sie mal sehen.“ Der rundliche      eine Spritze und geleitete ihn anschlie-
und überaus freundliche ältere Herr       ßend zu einer Liege. Dann verschwand
beugte sich über den sitzenden Georg.     auch sie, nicht ohne zuvor versichert
„Öffnen Sie den Mund weit.“ Des Pro-      zu haben, der Professor käme nach ge-
fesssors welt-umfassende, spiegelblan-    raumer Zeit zurück. Da lag er nun –
ke Halbglatze tauchte vor seinen Au-      am späten Nachmittag des zweiten
gen auf, und dann leuchtete der Ge-       Weihnachtsfeiertags - in einem geräu-
lehrte mit einer kleinen Lampe Georgs     migen Behandlungszimmer, dessen
Hals aus.                                 Wände in den Himmel zu streben
„Da sitzt sie ja“, sagte er zufrieden.    schienen. Welchen Sinn mochten de-
„Ziemlich tief und schön quer. Es hilft   rart hohe Decken haben, fragte sich
nichts; wir werden ein Rohr einführen     Georg, während es draußen zu schnei-
und die Gräte danach durch das Rohr       en begann und sich die dämmrige Hel-
herausangeln. Da das sehr schmerzhaft     ligkeit des Tages allmählich in eine
ist und Sie nicht würgen sollen, wer-     endlose Nacht zu verflüchtigen schien.
den wir Sie unter Morphium setzen
müssen. Auf andere Weise ist die          Er nickte ein und schreckte erst auf,
Fremdkörperentfernung leider nicht        als ein gleißendes Deckenlicht
möglich. Die netten Schwestern wer-       aufblitzte. Frohgelaunt stürmte der
den sich jetzt um Sie kümmern. Nach       Professor ins Zimmer, den jungen As-
einer Stunde komme ich mit meinem         sistenzarzt Dr. Höppner im Schlepp-
Assistenten, Dr. Höppner, zurück. Er      tau. „So“, sagte er zu dem jungen Arzt,
                                                                               11
„ich werde Ihnen zeigen, wie man eine       einem rohrähnlichen Gebilde, neben
Oesophagoskopie durchführt. Ich ent-        ihn und sagte: „Keine Angst, die Sa-
ferne mittels eines Endoskops die Grä-      che ist vollkommen schmerzlos und
te und anschließend dürfen Sie sich,        gänzlich harmlos. Denken Sie an et-
werter Herr Kollege, ebenfalls versu-       was Erfreuliches und ausnahmsweise
chen. Schließlich sind wir eine Uni-        nicht an Ihre Stiefmutter. Vielleicht
versitätsklinik, in der die Patienten und   werden Sie in absehbarer Zeit zum
Studenten umfassend betreut und be-         Ausgleich eine angenehmere Schwie-
handelt werden und dazu beitragen,          germutter bekommen“, bemerkte der
daß junge Assistenzärzte unter Anlei-       Professor tröstend.
tung ein erfahrener Professors etwas        Dann streckte er Georgs Hals. Der As-
lernen.“                                    sistent hielt dessen Kopf fest, und über
„Oesophagos“, murmelte Dr. Höppner,         Georg blitzte das Endoskop wie ein
aber Georg fiel ihm unvermittelt ins        Damoklesschwert auf. Der Professor
Wort.                                       schwang es mit der Fingerfertigkeit
„Oesophagos stammt aus dem Griechi-         eines Jongleurs und führte es in Se-
schen und bedeutet Speiseröhre; lati-       kundenschnelle tief in Georgs Hals
nisiert heißt es Oesophagus. Auch sko-      ein. Wenig später hielt er trium-
pein ist griechisch und bedeutet be-        phierend den Fremdkörper, eine stattli-
trachten.“ Der Professor starrte Georg      che, an beiden Enden blutige Gräte in
an und fragte: „Aber Sie studieren          der Hand, zog das Endoskop aus
Rechtswissenschaften, wenn ich rich-        Georgs Hals und gab es dem Assisten-
tig gelesen habe?“                          zarzt.
„Stimmt“, sagte Georg, „doch auch in        „Das nennt man Fremdkörperentfer-
dem Fach sind lateinische und griechi-      nung“, erklärte der Professor zu
sche Kenntnisse durchaus förderlich.“       seinem Assistenten gewandt. „Sie wer-
                                            den sehen, es ist ganz leicht. Der Hals
„Das mag zutreffen“, antwortete der         muß gestreckt sein, sehen Sie, so.“
Professor, „aber medizinisch sind Sie       Und der Professor drückte nochmals
efreulicherweise auf uns Ärzte ange-        Georgs Kopf mit energischem Griff
wiesen. Wie kam denn die Gräte in Ih-       nach hinten und führte das Endoskop
ren Hals?“                                  erneut ein, nur, um es sofort wieder
„Am Weihnachtsabend gab es Ärger            zurückzuziehen. Kurz darauf schwebte
mit der Stiefmutter und den Weih-           das junge Gesicht des Arztes über
nachtsgästen. Sie war mit den Ge-           Georg. Der sah die Schweißperlen auf
schenken nicht einverstanden und            der Stirn des Arztes und schloß erge-
grantelte herum. Ich wollte etwas ent-      ben die Augen, während der Assisten-
gegnen, aber dann kam die Gräte da-         zarzt das Endoskop verzweifelt in
zwischen“, sagte Georg.                     Georgs Hals einzuführen versuchte.
„Und die sitzt zu Lehrzwecken noch          Georg fühlte sich wie eine Schleuse, in
am zweiten Weihnachtfeiertag in Ih-         die ein Bootsführer eingefahren war,
rem Hals“, sagte der Professor hocher-      der aber sein Boot nicht in den Griff
freut.                                      bekam. Das Endoskop jedenfalls ver-
                                            hielt sich in den unerfahrenen Händen-
Danach bat der Professor Georg, er          des Assistenzarztes wie das Boot, das
möge sich in einen Untersuchungss-
tuhl setzen, trat mit einem Endoskop,
                                                                                 12
unentwegt an die Schleusenwände           Georg schüttelte den Kopf.
schlug.                                   „Ach“, sagte der Professor, niemand,
„So doch nicht“, knurrte der Professor    „nicht einmal die Stiefmutter, keine
und zog das Rohr aus Georgs Hals.         Freundin?“
„So“, und schon verschwand das Gerät      „Niemand“, brachte der malträtierte
mühelos in Georgs Speiseröhre, so, als    Georg erschöpft hervor.
ob es keine Hindernisse gäbe.
                                          „Sie werden noch ein wenig ruhen
„Also, noch einmal“, befand der Pro-      müssen. Die Schwester kümmert sich
fessor.                                   um Sie. Ich wünsche Ihnen einen schö-
Dr. Höppner hielt abermals das Endos-     nen Abend“, sagte der Professor, gab
kop in den Händen, ähnelte aber in        Georg die Hand und verließ mit Dr.
seiner gebückten Haltung eher einem       Höppner den Raum. Georg hörte, wie
Gewichtheber, der mit verzerrtem Ge-      der hinausgehende Professor zu dem
sicht soeben zum Weltrekord-versuch       jungen Arzt sagte, er könne von Glück
im Reißen ansetzte. Während der Pro-      reden, ab morgen in Urlaub fahren zu
fessor energisch Georgs Mund öffnete      können. „Der junge Mann wird einen
und dessen Kopf nach hinten bog,          wunden Hals haben und eine Woche
führte der Arzt das Endoskop erneut in    keinen Bissen herunterschlucken kön-
Georgs Rachen.                            nen. Nach alledem, was er heute erleb-
„Nein, doch nicht so, es ist zum Haa-     te, würde er Sie, lieber Herr Kollege,
reausraufen, der Patient soll den Ein-    am liebsten erwürgen.“ Die Tür fiel
griff wenigstens überleben“, schnarrte    geräuschvoll ins Schloß, und die
der Professor, strich sich mit der lin-   Schritte der beiden Ärzte verhallten
ken Hand über die Glatze und zog mit      auf dem Flur.
der Rechten das Endoskop mit elegan-
tem Schwung hervor.                       © Evert Everts
„So“, brummte er und stopfte das Ding
wieder in Georgs Hals. „Nun aber zum
letzten Mal; Sie haben noch einen Ver-
such.“
Wiederum erschien über Georg das in-
zwischen schweißüberströmte Gesicht
des bedauerns-werten Arztes. Unbe-
holfen hantierte er mit dem Gerät,
während der Professor Georgs Kopf
streckte. Dann werkelte der Arzt in
Georgs Hals, offenbar zur Zufrieden-
heit des Universitätslehrers, der den
Vorgang kurz und bündig mit einem
befreienden „na also, Herr Kollege, es
geht doch“ beendete. Dann wandte er
sich an Georg, „Sie haben es überstan-
den; die Gräte ist raus und Dr. Höpp-
ner weiß nun, wie man Gräten ent-
fernt. Wer holt Sie denn ab?“

                                                                             13
Meine Erinnerungen an die                   gab es erst wenn der Baum geplündert
Adventszeit und Weihnachten.                wurde. In meiner Erinnerung spielt
                                            auch eine Briefwaage eine Rolle mir er
Von Gerd Hasbargen                          die Stücke gewogen wurden, aber an
                                            Streit kann ich mich nicht erinnern.
Als kleiner Junge war die Zeit bis          Das war das Weihnachten unserer
Weihnachten immer unendlich lange           Kindheit.
und heute reicht die Zeit nicht einmal      1935 wurde ich im März 6 Jahre alt
um in Ruhe die kleinen Weihnachtsge-        und mein Bruder 14. Er wollte See-
schenke einzukaufen.                        mann werden. Ich erinnere mich dass
Wenn ich nun den Versuch mache in           er auf einem Motorsegler als Schiffs-
meinen Erinnerungen zu kramen, dann         junge angefangen hat. Irgendwie hat er
komme ich bis in das Jahr 1934 zu-          mich angesteckt, d.h. ich wollte auch
rück.                                       zur See fahren aber es sollte etwas mit
                                            der Technik zu tun haben.
Damals gab es von irgendeiner Ver-
sandfirma einen Katalog mit Spielzug        1943 habe ich den Schritt in diese
und irgendwo ein meiner Ablage habe         Richtung auch vollzogen, ich wurde
ich mal so einen Wunschzettel mit           Lehrling auf einer Werft in Bremen.
meiner krakeligen Kinderhandschrift         Das war mitten im 2. Weltkrieg und
gefunden. Darin war einer der Wün-          dabei habe ich auch die Zerstörung der
sche eine Ritterburg und der Wusch ist      Stadt durch Bomben mit erlebt.
mir auch erfüllt worden.                    Der Krieg hatte den deutschen Boden
In einem anderen Bericht habe ich           schon erreicht, als man mich, 16 jährig
schon davon erzählt, dass mein Vater        in ein Wehrertüchtigungslager schick-
schon im Juni 1933 verstorben ist, d.       te, nach Wildeshausen. An dieser Stel-
h. meine Mutter war es die uns das          le muss ich noch einfügen, dass ich
Weihnachtsfest gestaltet hat. Den           eine Dampfmaschine gebaut hatte die
Weihnachtsbaum beschaffen und auf-          zuvor bei meinem Onkel an der Weser
stellen, das muss sie für uns Kinder al-    in Sicherheit gebracht habe. Heute
les alleine gemacht haben. Dann war         kann ich sagen, dass ich durch einen
das Wohnzimmer für uns verschlossen         glücklichen Umstand das Kriegsende
bis zum Heiligenabend, aber bevor es        Überstanden habe, aber meine gewähl-
geöffnet wurde hat sich unsere Mutter       te Laufbahn war unterbrochen, ich war
an das Klavier gesetzt, das auf der         wieder in Hagermarsch. Erst im Herbst
Diele stand, und mit uns Weihnachts-        1945 bekam ich auf der ehemaligen
lieder angestimmt. Dann erst öffnete        Kriegsmarinewerft in Wilhelmshafen
sich für uns das Weihnachtszimmer           die Möglichkeit meine Ausbildung zu
mit dem leuchtenden Weihnachts-             einem Abschluss zu bringen, aber
baum. Von all den Geschenken und            dann war in dem Bereich der Industrie
dem geschmückten Baum sind mir              alles wie tot. Zumindest hatte ich einen
drei Teile in der Erinnerung haften         Abschluss und die Hoffnung auf bes-
geblieben. Ganz oben haben doch alle        sere Zeiten.
Tannen ein paar einfache Zweige und         Da bekam ich durch meine Mutter
daran hingen immer drei Stücke Mar-         einen Lichtblick. Der Schmiedemeister
zipan, d. h. sie hingen so hoch, dass sie   Johann Schmidt in unserer Nachbar-
nich zu erreichen waren. Diese Stücke

                                                                                 14
schaft nahm mich zu seinen beiden        Nun muss ich mich erst einmal bei
Lehrlingen noch dazu, d. h. ich habe     meiner lieben Frau Anny bedanken die
noch eine Lehre angefangen und mit       mich bei meine Entscheidungen ermu-
gutem Erfolg abgeschlossen. In den       tigt hat und immer an meiner Seite
folgenden Jahren habe ich diese Lauf-    stand.
bahn weiter verfolgt und mir gesagt,     1965 hat es uns nach Hagen in Westfa-
dazu gehört Erfahrung die man sam-       len verschlagen um meine beruflichen
meln muss. Das Ergebnis war eine An-     Aufstieg zu nutzen.
stellung bei einem Schmied in Rhein-
hessen. Ein halbes Jahr war ich dort,    Bis 1987 habe ich als Betriebschef die
mit der Erkenntnis, dass ich mit dem     Instandhaltungsbetriebe gearbeitet um
Stundenlohn nie auf einer „Grünen        dann in den Ruhestand zu gehen.
Zweig“ kommen würde. Im Dezember         © Gerd Hasbargen
1950 habe die Stelle aufgegeben, mit
dem Ergebnis, dass ich ein halbes Jahr
ohne Arbeit war. Dann hat mich unser
Nachbar als Hilfsarbeiter Arbeit gege-
ben, die besser bezahlt wurde wie in
meine Beruf.
Wenn ich mich an den Direktor der
Berufsschule in Norden erinnere, dann
muss ich dem noch Dank sagen. Durch
ihn bin ich zu einer Ausbildung zum
Lehrschweißer gekommen. Es war
wohl ein Stipendium von der Hand-
werkskammer. Nach erfolgreichem
Abschluss wurde ich von ihm auch         Impressum
noch auf die Nordseewerke vermittelt,
                                         Verantwortlich für den Inhalt und die Her-
mit dem Hintergedanken mich für sei-     stellung der Heimatzeitung „Füürtoorn“ ist:
en Schweißkursstätte zu erhalten.
Beides, die Anstellung bei den Nord-     AG der Butenostfriesenvereine in NRW
seewerken und die Schweißlehrgänge       1. Vorsitzende A. Everts-Marx
an der Berufsschule in Norden waren      Redaktion:
erfolgreiche Aktivitäten die erst 1957   Antje Everts-Marx
zu Ende gingen.                          e-mail: a.everts@web.de

1956 habe ich die Industriemeisterprü-   Mitarbeit:
fung abgelegt. Im Herbst 1957 habe       Evert Everts, Gerd Hasbargen, Wilfried
ich den Sprung in ein Ingenieurstu-      Köhler
dium gewagt und im Februar 1961 mit      Titelfoto und Fotos: A. Everts-Marx
Erfolg abgeschlossen.
Der Zufall brachte mich als Ausbil-
dungsleiter und Schweißfachingenieur
in ein Hüttenwerk nach Lübeck.
Freunde meinten ich würde da arbeiten
wo andre Urlaub machen.

                                                                                  15
„Plumtortjes“                  Schmeckt warm zum Frühstück wun-
        Pflaumentörtchen                 derbar und deshalb bereite ich alles zu
                                         und stell das Backblech über Nacht in
                                         den Kühlschrank und backe morgens.
Zutaten: 125g Mehl, 1 Eigelb, 60g
Butter, 1/2 Teel. Salz.
Fülle: getrocknete, über Nacht in Was-   Quelle: Beide Rezepte aus „Uns Blattje“
ser eingeweichte, Pflaumen ohne Stein    Ostfriesenverein Hamburg 1899 e.V.
(ersatzweise Pflaumenmus), Hagel-        Jahrgang 67 Nr. 2 Dezember 2020
zucker.
Alle Zutaten werden zusammengekne-       Vielen Dank liebe Almuth dafür, dass
tet, ausgerollt und anschließend wie     ich die Rezepte im Füürtoorn veröf-
ein Briefbogen gefaltet und wieder       fentlichen darf.
ausgerollt. Diesen Arbeitsgang wieder-
holt man viermal. Nun den Teig mes-
serrückendick ausrollen und in kleine    Lecker Wiehnachtskookjes
Quadrate schneiden. Diese dann mit
                                         „Hest du dat wüsst, dat dat „Ruller“
den eingeweichten Pflaumen belegen,
                                         un „Nich-Ruller“ gifft?“ „Nee, wat is
wieder zuschlagen, mit Hagelzucker
                                         dat denn?“ „Dat gifft Minsken, de
bestreuen und bei starker Hitze 15
                                         köönt hör Tung tosamenrullen un an-
Min. backen.
                                         nern, de köönt dat nich. Probeer maal!
                                         -Kiek, süchst du, du büst en Ruller.
            Stutenkerl                   Hebb ik vör Jahren maal in `t Tivoli-
                                         Museum in Kopenhagen sehn. Daar
500g Mehl Hefeteig zubereiten u. ge-     weer an d`Ingang en lüttje Spegel un
hen lassen.                              daar vör sull man dat utprobeern. Man
30g Hefe In der Zwischenzeit eine        wat de Lüü nich wüssen weer, dat
Schablone                                man an d`Enn van de Rundgang an an-
100g Zucker etwa 30cm hoch anferti-      ner Kant sien Pläseer daarmit harr, dat
gen.                                     man de Minsken daarbi bekieken
                                         kunn, wo se hör Snuut vertrecken
150g lauwarme Milch Den Teig 1cm         deen. Dat weer nämlich en semiper-
dick ausrollen und 1Prs. Salz            meabel Spegel, so `n Halvdörkiekspe-
4 Keerle auschneiden. Gesicht, Mütze,    gel.“
1Teel. Zimt Ärmel-u. Rockaufschläge      „Ja, de kenn ik, sowat hebbt se ok bi
formen                                   Aldi. Vann een Sied is dat blot en
1P. Vanillezucker und mit Eiweiß auf-    Glasschiev. Daar steiht denn dat Per-
kleben Eigelb mit                        sonal achter un beluurt di, of du woll
100g Butter 2Eßl. Milch verrühren und    wat klauen deist un du sülvst süchst
die Figuren                              blot dien Spegelbild.“
                                         „Dat gifft noch mehr, waar du Mins-
2Eßl. Aquavit damit bestreichen. Mit     ken an unnerscheden kannst, so as Lin-
Rosinen,
                                         kerpoten un Rechterpoten.“
2Eier Haselnüssen und abgezogenen
                                         „Ja, Linksdragers un Rechtsdragers.“
Mandeln verzieren. Bei 200 Grad 15
Min.backen                               „Wies even, wat büst du denn för
                                         een?“

                                                                                   16
„Foll maal dien Handen!“                    tuccini. Dat sünd italienische Mandel-
„Segg blot, du wullt vör d` Teedrinken      kookjes. Lang man driest to!!!
nu ok noch beden?“
„Nee, ik will blot wat sehn. Dat maken
Minsken nämlich ok verscheden.“             Van Elise Andresen-Bunjes
„Wat is denn nu an mien folden Han-
den anners as bi dien?“ Sücht doch                              Foto A. Everts-Marx
nettakraat so ut.“
„Nee, nee, kiek maal genau hen: Bi mi
liggt de rechte Duum boven un bi di de
linke. Maak dat maal annersrum!“
„Dat föhlt sük raar an.“
„Süchst woll! Minsken follen hör Han-
den immer up de sülvige Aard, de een
Soort mit de rechte Duum boven un de
annern mit de linke. Daar kannst hör
ok an unnerscheden.“
„Dat is ja interessant. Wat gifft `t denn
noch?“
„Annerlestens hebb ik wat van en fo-
rensische Toxikolgin ut de Rechtsme-                 Wiehnachtsmann,
dizin in Hambörg höört. Se hett seggt,                  ik roop di an;
dat dat Minsken gifft, de Blausuur ru-         Bring mi mal en Hampelmann
ken köönt un welken, de dat nich              mit bunte Arms, mit bunte Beens.
köönt. Daarum sünd daar al faken               Un treck ik an dat Tüdelband,
Minsken mit umbrocht worden, umdat                    denn geiht he op;
se dat nich roken hebben, wenn hör dat               denn geiht he daal.
een in`t Eten daan hett.                            Oh Wiehnachtsmann,
Se hett daar en Experiment mit hör                   den bring mi mal.
Studentinnen un Studenten mit
maakt.“                                                Vertellt van
„Wat mit Blausuur?“                                   Marianne Ehlers
„Nee, dat weer ja to gefahrelk west. Se
hett dat mit Bittermandelölje utpro-
beert. Dat nimmt man to `n Backen un
dat ruckt nettakraat so.“
„Nimmst du dat ok för dien lecker
Kookjes?“
„Doo ik, un ik hebb ok noch anner
Backölje in `t Huus. Wullt du daar
maal an ruken?“
„Ja! Dit is Zitronenölje, dat is Rum un
dat Vanille. Man dit hier ruckt na nix.“
„Kiek, daar steiht Bittermandelöl up.“
„Ik kann dat nich ruken.“
„Maakt ja nix, drink man noch en Tass
Tee un hier - lecker sülvstbackt Can-

                                                                                 17
Sachtjes fallt de Sneei                  Brauchtum
                                         Der Brauch geht auf eine Überlie-
                                         ferung von der Heiligen Barbara zu-
Sachtjes fallt al de Sneei,              rück, nach der sie auf dem Weg in das
still un klaar liggt de See,             Gefängnis mit ihrem Gewand an
Wiehnachten tinkelt in´t Holt,           einem Zweig hängenblieb. Sie stellte
                                         den abgebrochenen Zweig in ein Ge-
frei di, de Heiland kummt bold.          fäß mit Wasser, und er blühte genau an
                                         dem Tag, an dem sie das Martyrium
In de Harten word´ warm,                 erlitt.
still is Unfree un Targen,
Bliedskupp bi jung un bi old,            Nach regionalem Volksglauben bringt
                                         das Aufblühen der Barbarazweige
frei di, de Heiland kummt bold.          Glück im kommenden Jahr. Teilweise
                                         ist es Brauch, dass die jungen Mäd-
Bolt is heilige Nacht,                   chen jedem einzelnen Zweig den Na-
                                         men eines Verehrers zuweisen. Der
Chor van Engels singt sacht,
                                         Zweig, der zuerst blüht, soll auf den
Leevde is mehr wert as Gold,             zukünftigen Bräutigam hinweisen.
frei di, de Heiland kummt bold.          Barbarazweige waren aber auch
                                         Grundlage anderer Orakel, wie Ern-
                                         teorakel, wo die Blütenanzahl die Ern-
                                         tegröße zeigte, oder auch zur Vor-
Barbarazweig                             hersage von Lottozahlen fanden sie
                                         Anwendung. Dieser Brauch hat seine
                                         Analogien in vielen Kulturen („Le-
Barbarazweige am Heiligen Abend          bensrute“) und zählt somit zu den vie-
                                         len Orakel­bräuchen. Schriftlich nach-
Barbarazweige sind Zweige von Obst-      gewiesen ist der Barbarabaum seit dem
bäumen, die nach einem alten Brauch      13. Jahrhundert.
am 4. Dezember, dem liturgischen Ge-
denktag der hl. Barbara in der rö-       Eine Bauernregel besagt: „Knospen an
misch-katholischen und der grie-         St. Barbara, sind zum Christfest Blü-
chisch-orthodoxen Kirche (Barbara-       ten da.“
tag), geschnitten und in einer Vase in
der Wohnung aufgestellt werden. Je       Barbarabaum
nach Gegend und Brauchtum werden
Kirsch-, Apfel-, Birken-, Haselnuss-,
Rosskastanien-, Pflaumen-, Holunder-,    Eine Sonderform des Barbarazweiges
Rotdorn- oder Forsythienzweige zur       ist das Brauchtum des Aufstellens
Treiberei verwendet. Sie sollen bis      eines Barbarabaums, regional auch
zum Heiligen Abend blühen und zum        Weihnachtsmaien genannt. Bei einem
Weihnachtsfest      die      Wohnung     Barbarabaum werden ganze Äste oder
schmücken.                               gröbere Zweige von Obstgehölzen,
                                         teils auch Kastanie, Birke und Vogel-
                                         beere, verwendet, die reich mit vergol-

                                                                             18
deten Nüssen und Äpfeln, später auch                Wiehnachtsmann,
mit gläsernem Christbaumschmuck                        kiek mi an,
behängt wurden. Die Bezeichnung                 lütten Deern bin ik man!
Barbarabaum leitet sich dabei von der         Veel to seggen, hebb ik nich,
Sitte ab, diese Äste einige Tage vor                Wiehnachtsmann,
dem Gedenktag der hl. Barbara – eini-               vergeet mi nich!
ge Quellen erwähnen den Andreastag
– zu schneiden und am Barbaratag in
die warme Stube zu stellen, sodass die
Zweige am Weihnachtsfest erblühten.
Ein solcher Barbarabaum konnte die
gesamte Wand eines Zimmers oder
einen ganzen Winkel der Stube ein-
nehmen. Im 18. Jahrhundert ließ we-
gen des Überhandnehmens des Plün-
derns von Obstbäumen der Bayreuther
Markgraf das Aufstellen von Barbara-                          Gebet
bäumen verbieten.
                                                               Herr,
Quelle Wikipedia                              setze dem Überflusse endlich Grenzen,
                                                lasse Grenzen uns nicht begrenzen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Barbara-     Lass die Menschen kein Falschgeld machen,
zweig                                       doch das Geld auch keine falschen Leute!
                                           Bringe manche Frauen wieder zum Lachen,
                                         überzeuge die Männer davon – Frauen sind keine
                                                               Beute.
                                              Schenke allen Freunden mehr Wahrheit
                                                  und mehr Freunde der Wahrheit
                                           Bessere unsere Beamten und Geschäftsleute
                                             die wohl tätig, doch nicht wohltätig sind.

                                            Nimm den Deutschen den Genderstern
                                           und den Hang zum schlechten Denglisch;
                                             denn zu schön klingt gutes Englisch.
                                                 Schenke ihnen die Erkenntnis,
                                          Corona ist weder Lüge noch ein ferner Stern.
                                            Verlange von uns ein klares Bekenntnis
                                              zur Hilfe, Demut und Nächstenliebe
                                           und nimm uns den Drang auf Seitenhiebe.
                                         Denn ein böses Wort ist schneller als der Wind.

                                                               Herr,
                                          sorge dafür, dass wir in den Himmel kommen,
                                                         aber nicht sofort.

                                         Frei nach dem Neujahrsgebet des Pfarrers von
                                                    St. Lambert in Münster,
Urheber: Peter Schmelzle                              aus dem Jahre 1823

                                                 © Evert Everts (im Dezember 2020)
                                                                                     19
Für Ernsthafte zu jeder                   Die schönen Augen in der
Jahreszeit                                Todra-Schlucht
Was man guten Freunden schreibt,          Über den Ufern des Todra verschwei-
sei’s Karte, Brief, Gedicht, es treibt    gen die Dattelpalmen das Leid gebeug-
zu heller Freude oder Widerspruch,        ter Frauenrücken, auch die heitren
zuweilen gar zu wildem Wutausbruch.       Worte, während harte Frauenhände
                                          den Schmutz aus bunten Takschitas
Statt Heiterkeit zu entfachen,            waschen.
oder herzlich lautes Lachen,
heißt’s: den Reimen fehlt Artistik,       Das Bild verschwimmt im Vorüberg-
ganz zu schweigen von Stilistik.          leiten und eine schroffe Stimme platzt
                                          in die marokkanische Wärme des
Leider glücken Metrum, Vers und Satz      schon sichtlich gealterten Jahres, zu
nicht jedem so prägnant wie Rin-          Hause, im Bergischen, fiele Schnee.
gelnatz und wenige nur sind klug wie
Zoroaster, dafür die bess’ren Kritikas-
ter.                                      Behutsam schlängelt sich der Bus in
                                          die Todra-Schlucht.
                                          In den himmelstrebenden Wänden der
Lichtbetrachtungen                        Felsen verfolgen Schweizer Winter-
                                          flüchtige verbliebene Sonnenstunden,
Die Städte wirken wie entrückt            da die Regenschauer noch im Hohen
in dunklen Nächten wie diesen.            Atlas hausen.
Die Straßen fließen lichtbestückt ins
Irgendwo. –                               Unter jähem Felsenbuckel rasten Au-
                                          tos, öffnen ihre Türen und fördern
                                          landschaftshungrige Reisende zutage.
Es hat sich erwiesen,
häufig bleiben wir zu oberflächlich,      Eine ausgestreckte Hand, erwartungs-
auch wenn sich uns der Blick ins Inne-    volles Mahnmal eines Mädchens,
re öffnet. Das Tiefe scheint ne-          formt eine stille Bitte.
bensächlich,
doch wir staunen, so erinnere             Die klimpernden Münzen, die dieses
                                          Land nicht fliehen dürfen und die ich
ich mich, trifft uns der Strahl des       in seine Hand tropfen lasse, vertreiben
Lichts, der Erkenntnis – wie aus dem      die nordische Kälte in mir.
Nichts.
© Evert Everts (2019)                     Ein Leuchten erhellt sein Gesicht.
                                          Die Münzen, die seine Finger um-
                                          schließen, wiegen wenig, seine Blicke
                                          desto mehr.

                                          © Evert Everts

                                                                              20
Ein  unernster        weihnachtlicher    Geratet im Walde nicht in Dunkelheit,
Wunschzettel                             oder wähnt euch nie in Sicherheit,
                                         auch habt bei Gefahr Vertrauen, wagt
Ernüchtert stell’ ich jährlich fest,     es, euch etwas zuzutrauen, glaubt,
                                         selbst wenn euch nicht wohl zumute,
wenn winterlicher Regen uns durch-       im Menschen stets an das Gute, nehmt
näßt,                                    euch nicht alles so sehr zu Herzen,
und ich endlich den Rasenmäher           sucht im Garten nach römischen Ses-
in die kalte Garage schiebe,             terzen.
rückt das Jahresende näher.              Hört zu, wenn jemand etwas erzählt
                                         und tut nicht so verletzend gequält.
Manche nennen es - Fest der Liebe.       Wer Sorgen hat, der braucht euren Rat
                                         zuweilen gar die helfende Tat.
Und jedes Jahr sagt dann Hans Rich-      Und wenn ihr nun meint, mein Ge-
ter:                                     dicht läßt erheblich an gedanklicher
„Lieber Freund, du bist ein Dichter;     Tiefe fehlen, sei sogar dabei, das The-
schreib den Leuten mal was Gutes.“       ma zu verfehlen, so wünsch’ ich euch
                                         ein frohes Fest.
Man denkt an Erich Kästner und tut es.

So wünsch’ ich gern euch allen,          © Evert Everts
geratet nicht in die bösen Fallen
schlechter Banken oder des Fiskus,                   Dat Pöggsken
euch schmerze nicht der Meniskus,
seht euch keine faden Krimis an,           Pöggsken sit in `n Sunnenschien;
                                             O, wat is dat Pöggsken fien.
wählt an der Kasse von Tengelmann                  Met de gröne Büx
geschickt die schnelle Schlange;                Pöggsken denkt an nix.
denn wer falsch wählt, wartet lange.         Kömmt de witte Gausemann;
                                                Hät so rode Stieweln an,
                                                Mäck en graut Gesnater,
Stehlt keine Weihnachtsbäume,                          hu wat fix.
hegt keine hohlen Träume,                  Springt dat Pöggsken met de Büx,
fühlt den Politikern auf den Zahn                  Met de gröne Büx,
                                                Met de Büx in `t Water!
und fahrt statt Auto mit der Bahn.
                                              Pöggsken = kleiner Frosch
Vor allem nehmt euch Zeit für Einsa-
                                                Gausemann = Gans
me, sucht mit ihnen das Gemeinsame,
Seid nicht so ernst und tiefgründig,     © Augustin Wibbelt (1862-1947
werdet heiter, frei und mündig.
Ich weiß, es gilt als unbedacht,
wer viel und lauthals lacht.

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Sünnerklaas                                 Wie auch anderswo stellten und stellen
                                            Kinder früher und heute am Abend des
                                            5. Dezember einen Teller mit Weg-
Sünnerklaas, ik mag di beden,               zehrung für das Pferd bereit – nur, dass
gah neet an uns’ Huus vörbi;                man ihn in Ostfriesland häufig nicht
                                            nur mit Brot oder Keksen füllt, son-
Gröönkohl liggt al up uns’ Teller           dern auch gerne einmal mit einem
van mien Süster un van mi!                  Blatt Grünkohl. Als Belohnung für ar-
                                            tige Kinder gibt es hierzulande einen
                                            Klaaskerl aus Stutenteig oder einen Ri-
Vader seggt, du kannst neet komen,          der up Peerd und jede Menge Sünner-
wiel du harst van’t Jahr keen Geld!         klaasgood in den extra aufgestellten
Man uns’ Moder lachte bliede:               Stiefel oder Teller.
Sünnerklaas hört d’ hele Welt!
                                            Quellen:
Vööl bruukt dat ja heel neet wesen,         Ostfriesland Journal, Hedwig Hangen
                                            (Hrsg.), Volkskunde und Brauchtum in
’n bietje maak uns ok al blied;
                                            Ostfriesland. Ergebnisse der Arbeits-
sünd ja noch so völe Kinner                 gruppe Volkskunde und Brauchtum
up dien Weg so groot un wiet!               der Ostfriesischen Landschaft aufge-
                                            zeichnet von Ingrid Buck

Unse Huus hett Nummer twalven!
Sünnerklaas, weest dat ok noch?
Un wi hebben moje sungen,
Sünnerklaas dat freit di doch!

© Karl Böke

Dass Sünnerklaas, also der heilige
Sankt Nikolaus, zu den Kindern ins
Haus kam und ihnen eine milde Gabe
brachte, war in früherer Zeit eine wirk-
liche Besonderheit und jedes Kind
freute sich alljährlich auf das besinnli-
che Fest. Das liegt daran, dass das ei-
gentliche friesische Bescherungsfest
nicht wie heute Weihnachten ist, son-
dern ursprünglich am 6. Dezember ge-
feiert wurde, so, wie es auch heute
noch in den Niederlanden der Fall ist.      Foto A. Everts-Marx
Sankt Nikolaus ist nämlich Patron der
Seefahrer und stellt so in Küstenregi-
onen eine wichtige Persönlichkeit dar.

                                                                                 22
Ein herzlicher Dank an Menno, dass          maken - un wi wassen tominnst hun-
ich diese Geschichte im Füürtoorn           nert.
veröffentlichen darf.                       De Nacht was unrüsterg. Mien Kulant-
Muuskes Wiehnachtsgeschicht                 jes un ik wurren alltieds dör dat Sten-
                                            nen un Krieten van de Frau upstöört,
Wat en Lawai disse Nacht! Eerst was- so lang, bit de lüttje Jung upstaan was.
sen twee freedsame Minsken in unse Upstaan sünner Medicus. De Römers
Schaapstall komen. De junge Frau mit scheelde dat neet, wenn so en lüttje
hör dicke Buuk satt up en olle Esel, de jöödske Fent up de Welt kwamm. Blot
al wat stöterg leep. De Mann, de wall Josef harr hulpen un dat Kind in de
de Vader van dat lüttje Minske was, de Krübb leggt. Denn fung de Lawai eerst
bold up de Welt komen wull, leet al recht an! Over de Stall gung en bannig
wat ollerder. He truck de Esel achter grote Steern up, de dat hele Land
sük an, de allmetts neet recht wieder- gleinig lüchten leet. Engels un Po-
gahn wull.                                  saunen satten up de Wulken un wassen
Wo se heten deen? Ik meen, dat se van an `t Tuten as mall. De Lüü seen d`r
Josef hum seggt harr. Un se kunn wall van Musik an, man ik weet neet recht,
Miriam of sowat heten. Ik hebb daar of dat Musik was. - Luud was `t. Een
neet wieder um docht. Dat Stroh in de Engel stunn up boverste Wulk to böl-
Stall was arig an `t Russeln, dat een ken: Wi sullen neet bang wesen, för
haast nix verstahn kunn. Dat is je ok uns was de Heiland up de Welt komen.
keen Wunner bi so vööl Musen! Wi Ik weet neet, well dat is, un all de Mu-
harren alltieds satt to freten, in de Stall sen ut de Schaapstall weten dat ok
stöörde uns nüms up - un denn wurr neet. Dat is seker weer so en Wick-
spiekert as man wat! Elk un een weet wark, waar se uns Musen mit ver-
je, dat wi Musen geern vööl Kinner moorden of tominnst verjagen wölen.
hebben! Man, daar nu van of. De beid Ik bün denn ok heel gau verswunnen,
Minsken söchden blot en Dack over de un all de anner Musen achter mi an.
Kopp. Se harren in `t Weertshuus keen De Düvel sall doch de Engel halen, de
Kamer un ok keen Slaapstee mehr fun- uns sükse Maleschen maakt. De Lüü
nen. De halve Welt was up Stapp, al- seggen, dat was en Erzengel. Is seker
lerwegens wurr wat van Tellen proot, wat Besünners, man ik kann d`r nix
as wenn de grootmachtige Kaiser van mit anfangen. Ik hebb mi achter de
Room weten wull, wovööl Minsken in fievte Boom van de lüttje Allee ver-
sien Riek leevden. För wat se denn all stoppt, de na Bethlehem geiht. Wenn
dör de Welt keiern mussen, weet ik ok mi hier nüms findt, will ik tofree we-
neet. De anner Musen hebben d`r ok sen. Unner de Wuddel in en Gatt in de
keen Verstand van. Uns Musen hett Grund waar en Muuske as ik jüst in-
noch nüms tellen wullt. De frömde krupen kann. Daar kummt keen Puus
Minsken bunnen hör Esel an de Pahl un hopentlik ok keen Erzengel. Ik bün
vör de Stall an, moken för uns sük d`r doch bang vör, wenn ik dat ok neet
sülvst en Bedde van Stroh un söchden togeven will. De Schandaal hett en
wat Brood ut de Sack, de se bi sück paar Dagen un Nachten andüürt, un
harren. Ik harr al Hoop, dat för uns denn kwammen ok noch dree heel ari-
Musen ok wat offallen kunn, man de ge Keerls an, war se van Majestät an
paar Krömmels, de up de Grund ful- seggen deen. Daarna mutten dat Köni-
len, kunnen neet maal een Muus satt gen of villicht sogaar Kaisers west we-

                                                                                23
sen. De wullen blot graleren un Gold    Mann wurr as in `n Drööm völes wahr.
un Sülver brengen. För mi is dat nix. IsGlück in d´ Familie, Eenklang, en lütt-
to hard to freten. Kanns neet mal an    je Gebedd un Wiehnachtsleder. An d´
knibbeln un knabbeln. Se harren ok      Müür hung en lüttje Bild. Tomaal keek
noch Wiehrook un Myrrhe. Is al neet     he dat an. Ik see an hum: „Dat is en
smakelk. Denn bünd de Kerls weer up     Bild van mien Moder.“
hör Kamelen wegreden. Un Josef mit      Na en lüttje Sett begünnde he to schre-
sien Ollske un de Lüttje bünd ok of-    ven, heel gottserbarmelk. Snückernd
trucken. De Esel hebben se mitnomen.    see he: „Dat is doch Maria, vör 50 Jahr
Un ok de gülden Ring, de de nare Fent   harren wi uns heel leev. Nu weet ik, ik
tomaal up de Kopp harr. Sowat harr ik   bün dien Vader un du mien Söhn.“ 50
noch nooit sehn. Nu is dat bold en      Jahr de egen Vader nooit sehn un nooit
Maant her, dat Josef mit sien Lüü weg-  kennt! - Mien Moder harr mi vertellt,
gahn is. Wenn ik d`r nu recht over na-  he was för `t Vaderland´ in de groot
denken doo, meen ik doch, dat ik beter  Oorlog trucken.
neet van de Düvel proot harr. Un ok     Tranen vör Bliedskupp, Tranen vör
neet so minnachtig van de Erzengel un   Freid ...un Wiehnachten is vandaag -
de Musik. Ik lööv nu, de Lüttje, de     Hilligavend. Na so vööl Jahren! De oll
daar upstaan is, is doch heel wat Be-   Mann düürt nu sien leste Jahren mit
sünners. Wenn he man neet noch de       sien neei Familie verbrengen.
hele Welt up Kopp stellt!               An d` Wiehnachtsboom brannen de
                                        Keersen un lüchtern arig mooi. In uns
                                        Harten fieren wi mit Grootvader, Va-
Hilligavend                             der un Söhn dat Weersehn.
An d` laat Namiddag fuhr ik mit mien As armselig Mann van d`Straat broch
Auto na Huus. Do sah ik an d` Straten- ik hum na mien Tohuus.
kant en olle Mann stahn - heel alleen. Mojer kann Wiehnachten gaar neet
Sien Baart was grau, sien Utkieken wesen!
sach ut, as wenn he alls verloren harr.
Vandaag is Wiehnachten, Hilligavend - Up hoogdüütsk schreven hett disse Ge-
wat maak ik blot, gung mi dat dör de schicht Josef Wittmann, he kummt ut
Kopp. Ik bleev stahn un froog: „Waar Öösterriek un wohnt nu in Senioren-
sall `t hengahn?“                       residenz in Weener.
He see trürig: „Ik hebb kien Ziel, ik Evert Druivenga hett, nadeem he hum
hebb kien Familie un ok kien Tohuus fraagt harr, de Geschicht in `t Rhei-
mehr.“                                  derlanner Platt oversett.
Ik overleggde neet lang un see: „Stiegt                      Foto A. Everts-Marx
in, ik breng Hör na mien Tohuus.“
In de kommodig warm Stuuv löösde
sük dat Ies van sien grau Bart, umdat
Buten bitterkolt was. Dat hele Land
was witt van Sneei. Sien Gesicht
waakte up un sien Ogen begünnden to
lüchten. An d` Kachelovend - veer
Keersen un en Kranz. Dat Füür brann-
de in de Ovend. Daar satt heel upge-
reegt en lütte Kinnerschaar. För de oll
                                                                             24
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