Terroir Revue Nr. 84 - Deutschland - ein Weinmärchen - Februar 2018 - Divo
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Terroir Revue Nr. 84 Februar 2018 Deutschland – ein Weinmärchen Eine abwechslungs- und genussreiche Reise nach Franken, in die Pfalz, an die Mosel und in den Rheingau
Editorial Deutsche Weine haben sich in jüngster Zeit diesseits des Röstigrabens einen hervorragenden Ruf und eine wachsende Liebhabergemeinde geschaffen. Das ist das Verdienst ihrer vorzüglichen Qualität, aber auch das Verdienst von einzelnen Importeu- ren, die seit Jahren mit viel Engagement die besten Gewächse aus unserem nördlichen Nachbarland ausdehnen. In der Romandie dagegen fristen Weine aus Deutschland auch heute noch ein Aschenput- teldasein. Nur wenige Kenner haben die deutschen — Martin Kilchmann Rieslinge, Silvaner und Spätburgunder entdeckt. DIVO findet, es ist höchste Zeit, dass dem abge- holfen wird, und lädt Sie in dieser Revue zu einer vergnüglichen Deutschlandreise ein, auf der sie eine Handvoll authentische Winzer und ein Füllhorn von erstklassigen, charaktervollen Weine kennenlernen. Deutsche Weine können auf eine prunkvolle Vergan- genheit zurückblicken. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörten sie zu den beliebtesten und teuersten der Welt. Auf der Weinkarte des Ritz-Carlton in London finden sich beispielsweise in den dreissiger Jahren fast vierzig Positionen von Weinen der Mosel oder aus dem Rheingau, während gerade mal sieben — Walter Zambelli weisse Burgunder angeboten werden. Preislich gehen sie bis zehn Pfund hoch, während die Bur- gunder bei fünf Pfund anstehen. Ob sie trocken ausgebaut waren oder eine dezente Restsüsse besassen, ist heute schwer zu ermitteln. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich süsse deutsche Weine zu einem Exportschlager, vor allem im angelsächsischen Raum, und unter- stützten damit indirekt den Wiederaufbau. Wobei hier zum Unterschied von hochwertigen Süsswei- nen (Spätlese/Auslese/Trockenbeerenauslesen) und billigen, künstlich gesüssten Weinen mit Phantasie- namen wie Black Tower, Liebfraumilch, Nacktarsch gilt. Diese mindere Tropfen schädigten das Image des deutschen Weins, auch in der Schweiz, nach- haltig. Seit Beginn der achtziger Jahre hat sich aber die Erzeugung von klassisch restsüssen und trocke- nen Weinen entscheidend verstärkt. Parallel dazu erkämpfte sich der deutsche Wein wieder sein altes — Eric Duret Renommee. Wir sind überzeugt, dass Sie dieser Einschätzung nach dem Genuss unserer deutschen Trouvaillen begeistert zustimmen. — Martin Kilchmann 2 Titelbild: Verbandsgemeinde Cochem vereint, in Mosel. Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
Inhalt Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Franken: Silvanerland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 —— Erster Besuch: Weingut Max Müller I im unterfränkischen Volkach. . . . . . . . . . . . 5 —— Silvaner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 —— Scheurebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Pfalz: grösstes deutsches Rotweingebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 —— Zweiter Besuch: Weingut Benzinger im pfälzischen Kirchheim . . . . . . . . . . . . . . . 9 Mosel: die Gegend der Steillagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 —— Dritter Besuch: Andreas Bender in Leiwen an der Mosel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 —— Riesling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Rheingau: Gloriose Vergangenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 —— Vierter Besuch: Chat Sauvage in Johannisberg im Rheingau. . . . . . . . . . . . . . . . 16 —— Blau-, Grau- und Weissburgunder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 —— Fünfter Besuch: Bischöfliches Weingut in Rüdesheim im Rheingau . . . . . . . . . . 18 Deutschland Saale-Unstrut Sachsen Mitterlrhein Ahr Rheingau Rheinhessen Mosel Nahe Franken Hessische Bergstrasse Pfatz Würtemberg Baden Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 3
Franken: Silvanerland Das Weinland Franken zählt 6124 Hektar Rebflä- Jedenfalls ist Weinfrankenland heute Bocksbeutel- che. Identitätsstiftende Rebsorte ist der Silvaner, ein land. Den Franken ist es weitgehend gelungen, ihre wahres Chamäleon: das Qualitätsspektrum reicht Flasche zu schützen. Einzig einige badische Wein- von einfachen, herzhaften, fränkisch-trockenen güter und der portugiesische Markenweingigant Tischweinen bis zu hochwertigen, aromatischen, Mateus dürfen ihre Tropfen noch in die charakteris- kräftig strukturierten Gewächsen. Seine ganze Kom- tische Bouteille füllen. Ein Nachteil hat die Flasche: plexität zeigt ein grosser Silvaner erst nach ein paar Sie lässt sich schwer im Weinregal stapeln. Die Jahren der Flaschenreifung. Erst dann weiss er sich fränkischen Winzer haben jüngst darauf reagiert gegen die Diva Riesling zu behaupten, die auf Fran- und vom renommierten Verpackungsdesigner Peter kens Muschelkalkböden ebenfalls prächtig gedeiht. Schmidt eine schmalere, weniger rundliche, ins- Andere bemerkenswerte fränkische Weisswein- gesamt elegantere Flasche entwerfen lassen. Sie sorten sind Müller-Thurgau, die Scheurebe, eine nennt sich Bocksbeutel PS. Kreuzung von RieslingxBukettraube, und der Weiss- burgunder. Rotweine spielen mengenmässig eine diskretere Rolle. Produzenten wie Paul und Sebas- tian Fürst oder Benedikt Baltes keltern allerdings Spätburgunder (Pinot Noir), die zu Deutschlands Spitze zählen. So wie der Silvaner die Identität von Weinfranken begründet, tut dies auch die unverwechselbare, bauchige Bocksbeutelflasche, in die viele fränki- sche Tropfen gefüllt werden. Nicht restlos geklärt ist der Ursprung des Flaschennamens: Stammt er vom Bocksbeutel, einem niederdeutschen Gebet- buchbeutel, in dem gelegentlich statt der Bibel eine Flasche Wein aufbewahrt wurde, oder doch von jenem Teil des Ziegenbocks, der ihn von der Geiss unterscheidet? 4 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
Erster Besuch: Weingut Max Müller I im unterfränkischen Volkach Leicht verspätet treffen Walter Zambelli, mein Landschaft scheint von einer paradiesischen weinerpobter Begleiter von Divo, und ich vom Flug- Fruchtbarkeit. hafen Frankfurt her kommend an einem heissen Junitag gegen Mittag in Volkach ein. Das Mietauto Christian Müller steht wie ein Fels im Abhang, hatte seiner gewöhnungsbedürftigen elektronischen präsentiert uns eloquent Weingut und Reblagen, Finessen wegen den Start verzögert, und die deut- derweil sein Vater gleichsam als Begleitmusik zwei schen Autobahnen sind auch nicht mehr, was sie Gläser würzig-kräftigen «alten Satz» aus dem Lump, einmal waren: alle paar Kilometer unterbrechen Jahrgang 2015 und 2013 ausschenkt. Die Müllers Baustellen den flotten Fahrfluss. Rainer Müller und bewirtschaften in vierter Generation rund 18 Hektar sein Sohn Christian erwarten uns schon ungedul- Reben in den Toplagen Sommeracher Katzenkopf, dig in der Vinothek ihres 1692 von den Würzburger Volkacher Ratsherr und Escherndorfer Lump. Neun- Erzbischöfen erbauten barocken Gutsgebäudes zig Prozent ist Weisswein, zehn Prozent Rotwein. mitten im hübschen Städtchen. Der moderne Emp- Christian Müller: «Rot geht bei uns zurück, das fangs-, Degustations- und Verkaufsraum zeugt von sollen andere machen.» Bei den Weissen dominiert stilistisch sicherem Gestaltungswillen und wurde mit vierzig Prozent die fränkische Hauptsorte Silva- 2010 mit dem «Wein Architektur» Preis ausge- ner. Danach kommen Riesling, Müller-Thurgau und zeichnet. Wir erhalten schon eine Ahnung davon, Scheurebe. wie sich auf Max Müller I alt und neu harmonisch zusammenfügen. Wie der dreissigjährige Winzer seine Ausführungen gebärdenreich begleitet, fällt uns eine Tätowierung Nach der herzlichen Begrüssung geht es schnur- am linken Unterarm auf: «Main.Silvaner.Rockt.» Walter Zambelli stracks in die Reben, zunächst zum berühmten Das ist ein klares Statement. Christian Müller lebt von DIVO, mit Eschendorfer Lump, in dem die Müllers eine Filet- für seinen Silvaner, der gleichzeitig einer vom Main Weinjournalist parzelle auf verwittertem Muschelkalk besitzen. Steil ist. Er fiebert für dieses Chämoleon unter den Martin Kilchmann fällt der Weinberg zum Main hinunter. Das Gewässer deutschen Rebsorten, dass den Stoff für süffige und Christian macht hier eine Schleife und schafft die grösste Trinkweine im einfachen Bereich liefert – wie auch Müller vom Wein- Flussmäanderzone in Bayern. Schilf, Pappeln und jenen für charaktervolle, tiefgründig-aromatische gut Max Müller Reben säumen ihr Ufer. In den Talsenken wech- Gewächse in der hochwertigen Abteilung. 1 mit Blick auf seln Wiesen und Obstgärten ab. Die bukolische die Lage Lump in Franken. Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 5
Der Escherndorfer Lump ist eine der heissesten «Meine Philosophie des Weinmachens könnte man Lagen von Franken und ergibt – hochreif gelesen als altmodisch bezeichnen», kommentiert Christian. – Weine der Schwergewichtsklasse, häufig von tro- «Für meine besten Weine orientiere ich mich an den pischen Aromen begleitet. Den Müllers missfällt zu Prinzipien des Weinbaus, wie er vor sechzig oder viel Opulenz. Sie geben Gegensteuer durch eine siebzig Jahren betrieben wurde. Im Keller arbeite hohe Stockdichte und eine nicht zu späte Lese. ich mit Maischestandzeiten. Das gibt Rückgrat und «Eine gewisse rauchige Speckigkeit drückt dabei die Struktur. Die Lagenweine werden spontan vergoren. mächtige Kraft des Berges aus», sagt Christian. Die Bewegung der Maische und des Mostes erfolgt über Schwerkraft. Ich bevorzuge lange Gärung und Über den Volkacher Rathsherr und den Sommera- ausgedehnte Lagerzeit auf der Hefe.» cher Katzenkopf, wo unter anderem die Scheurebe wächst, geht es zurück zum Weingut. Das Mittag- Zum Schluss unseres Besuchs müssen wir sie essen wartet. Rainer Müllers Frau Monika hat doch noch stellen, die Frage nach «Max Müller I», ein reichhaltiges fränkisches Buffet aufgebaut. dem rätselhaften Namen des Weinguts. Welche Schmackhaft beispielsweise ist der «blaue Zipfel», Bewandtnis hat es mit der Zahl eins? Rainer Müller eine mit Zwiebeln und Karotten im Essigsud gesot- hat die Frage natürlich schon oft beantwortet: «Zu tene Bratwurst. Ihr Mann hat dazu eine Degustation Zeiten meines Opas gab es in Volkach zwei Betriebe quer durchs Müllersche Sortiment vorbereitet. namens Max Müller. Um die Unterscheidung zu vereinfachen, nannten die Leute sie «Max Müller Wir beginnen mit der fruchtbetonten, gradlinigen, eins» und «Max Müller zwei». Als Hommage an trinkfreundlichen 2016er Cuvée Grau & Weiss den Grossvater, der damals schon stark mit dem (Grau- und Weissburgunder) aus der Linie «Neues Weinbau verbunden war, machten wir später die Franken». Die dezent aromatische, saftige Kat- Bezeichnung zum offiziellen Firmennamen. zenkopf Scheurebe 2016 repräsentiert die Linie «Klassisches Franken», die auch an den Bocksbeu- telflaschen zu erkennen ist. Darauf wechseln wir zu den Lagerweinen in Burgunderflaschen («Grosses Franken»). Grossartig in seiner zitrusgeprägten, mineralischen Ausprägung etwa der Riesling R 2013 vom Escherndorfer Lump. Ein wahres Feuer- Max Müller I werk zündet zum Abschluss eine kleine Vertikale 2016-2013-2011 des Silvaner «Eigenart». Der Eigenart stammt aus vierzigjährigen Rebstöcken im Filetstück vom Lump und ist Christian Müllers «Aus- lehrwein», wie sein Vater den komplexen, anfänglich verschlossenen, dezent holzgeprägten und kno- chentrockenen Tropfen nennt. Christian Müller ist nach Praktikas in Südafrika (Blauwklippen) und Neuseeland (Felton Road in Central Otago) und Weinbau-Ausbildung an der Schule in Geisenheim 2008 nach Hause zurückgekehrt und kreierte mit dem Eigenart sein Gesellenstück der eigenen Art: Maischestandzeit, Spontanvergärung und langer Ausbau auf der Hefe in Halbstückfässern (600 Liter) aus fränkischer Eiche prägen den einzigartigen Wein. Der Eigenart hatte auf Anhieb Erfolg und überzeugte auch den Vater, der dem Sohn fortan zunehmend grösseren Freiraum liess. Beim genussreichen Mittagessen sind dem Senior Freude und Stolz über den Junior deutlich anzu- Franken, GrauWeiss, merken. Die Müllers repräsentieren exemplarisch Cuvée Burgunder, das Modell eines geglückten Generationenwechsels. Franken, Katzenkopf, Weingut Max Müller I, Angesichts der Zerwürfnisse, die Winzerfamilien Sommerach, 2016 bei der Stabsübergabe entzweien und öfters gar Scheurebe (Spätlese, biblisches Ausmass annehmen können, darf ihnen trocken), Weingut Ein wunderbarer gratuliert werden. «Ich mache heute noch die Max Müller I, 2016 Sommerwein zum Geniessen! Basisweine für meine Kunden. Christian keltert die Anmutiger Auftakt, geprägt grossen Weine», sagt Rainer bescheiden. Vorläufi- Herrliche volle von reifen Früchten, Pfirsich, ger Höhepunkt der harmonischen Zusammenarbeit Scheurebe mit knackiger Mirabelle und Quitte. ist die Auszeichnung «Beste Weissweinkollektion Säure und vollem Herrliche Harmonie zwischen 2017» im «Eichelmann», dem führenden deutschen Körper. Wird leider bald weissem und grauem Weinführer. ausverkauft sein! Burgunder. 6 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
Silvaner Sein Name soll vom lateinischen silva (= Wald) Domaine du Mont d’Or in Sion legte. In den Reb- abstammen. Da es im Lateinischen den Buchsta- bergen des Schlosses Johannisberg, der weltweit ben «y» nicht gibt, ist die korrekte Schreibweise ältesten Riesling-Domäne, findet sich allerdings Silvaner und nicht Sylvaner. Man nahm an, dass er keine Spur vom Silvaner! Ab 1928 wurde der Begriff direkt aus einer wilden Rebe domestiziert wurde, Johannisberg fälschlicherweise zum Synonym des am Donauufer, vielleicht gar in Transsylvanien, was Silvaners, trotz des energischen Protests von Dr. auch seinen Namen erklären würde. Mittlerweile Henry Wuilloud, Ingenieur-Agronom und Professor kann man dank DNA-Tests eine «wilde» Herkunft an der ETH Zürich. ausschliessen: Der Silvaner ist eine natürliche Kreu- zung zwischen Savagnin (oder Traminer, im Wallis Man kann sich fragen, weshalb der Silvaner im Heida oder Païen genannt) und einer seltenen alten Wallis überdauert hat – heute ist er hier sogar die Sorte aus Österreich namens Österreichisch Weiss, zweitwichtigste Weissweinsorte hinter dem Chasse- die einst in der Region von Wien für die Bereitung las –, denn er ist sehr sensibel auf Chlorose, besitzt von Schaumwein verwendet wurde und die heute Triebe, die bei heftigem Wind, was im Wallis häufig praktisch verschwunden ist. Trotz seiner österrei- vorkommt, schnell brechen, ist höchst empfind- chischen Herkunft wurde der Silvaner zum ersten lich auf Echten und Falschen Mehltau sowie auf Mal im Süden Deutschlands erwähnt, im Jahr 1665 Graufäule, zudem widersteht er Winter- und Früh- unter dem Namen «Östareiche Rebe»; das zeugt lingsfrösten nur schlecht. Auf passendem Terrain von der früheren Verbreitung dieser Rebsorte. wie etwa auf den Schuttkegeln von Chamoson entwickeln Silvaner- oder Johannisbergweine eine In der Schweiz wird der Silvaner vor allem im Wallis schöne aromatische Komplexität mit Haselnussno- kultiviert, wo er Johannisberg genannt wird. Dabei ten und einer massvollen Säure. bezeichnete der Name Johannisberg bis in die 1920er Jahre den Riesling, der gegen 1870 von — Dr. José Vouillamoz Georges Masson aus der Region Mosel ins Wallis gebracht wurde und den Grundstein zur berühmten Empfohlen durch Weingut Max Müller I Restaurant Philipp in Sommerhausen www.restaurant-philipp.de Hinterhöfle in Volkach www.hinterhoefle.de Hotel Villa Sommerach in Sommerach Weintraube www.villa-sommerach.de Scheurebe. Scheurebe Die Scheurebe ist eine gezielte Kreuzung zwi- Entwickelt, um auf den sandigen Böden Rhein- schen Riesling und einer unbekannten Sorte (bei hessens zu gedeihen, wird diese spätreifende, auf der es sich nicht um den Silvaner handelt, wie Echten Mehltau empfindliche Rebsorte in Genf und oft vorgeschlagen), 1916 in der Landesanstalt für in der Deutschschweiz kultiviert, wo sie trockene Rebenzüchtung in Alzey in Rheinhessen (Deutsch- oder süsse Weine mit einer von Natur aus markan- land) entstanden. Benannt ist sie nach ihrem ten Säure und Brombeer- sowie Cassisnoten ergibt. Züchter Georg Scheu. — Dr. José Vouillamoz Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 7
Weinlage vom Weingut Benzinger in Kirchheim, Pfalz Pfalz: grösstes deutsches Rotweingebiet Mit 23 000 Hektar Anbaufläche ist die Pfalz das Als besondere pfälzische Erfolgsgeschichte sorgt zweitgrösste und wohl auch vielfältigste deutsche der Dornfelder seit einigen Jahren für Furore. Der Anbaugebiet. Auf 85 Kilometern verknüpft Rebflä- tiefdunkle Tropfen besitzt, meist trocken ausgebaut, che die 130 Weinorte des Anbaugebiets zwischen eine beinahe südländische Anmut. Ähnliches gilt Bockenheim in der nördlichen Mittelhaardt und für die verstärkt angepflanzte neue, krankheitswi- Schweigen in der Südpfalz an der Grenze zum derstandsfähigere Rotweinsorte Regent. Inzwischen Elsass miteinander. tragen vierzig Prozent der Rebstöcke zwischen Rhein und Haardtgebirge rote Trauben – die Pfalz Das Hauptaugenmerk der Winzer in dem vom ist damit das grösste deutsche Rotweingebiet. Pfälzerwald begrenzten und durch ihn geschützten Anbaugebiet liegt auf klassischen Rebsorten, allen Die Nachbarschaft der Pfalz zu Frankreich ist über- voran dem Riesling. Der König der Weissweine ist all spürbar, nicht zuletzt in der Vorliebe der Pfälzer in der Pfalz inzwischen unbestritten die Nummer für gutes Essen. Entlang der Deutschen Weinstrasse eins mit mehr als 5000 Hektar Anbaufläche. Er haben sich inzwischen Spitzenköche etabliert, die ergibt einen klassischen, kernig-kraftvollen Wein mit mit der regionalen Küche erfolgreich experimentie- reifer Säure. Doch auch die Weiss- und Graubur- ren und einen Besuch lohnen. gunder sind stark im Kommen. Daneben gehören unter anderen Silvaner, Müller-Thurgau, Scheurebe, Gewürztraminer, Kerner und Morio-Muskat zum vielfältigen Weisswein-Angebot der Pfalz. Immer wichtiger werden die Rotweine. Da gibt es spritzig-frische Rosés von der Portugieser-Rebe und fruchtige Spätburgunder. Besonders die Süd- pfalz (früher wegen ihren vielen süssen Weinen «Süsspfalz» gerufen) mit ihrem Kalkboden ist Burgunderland. Viele junge Winzer setzen hier auf ausdrucksstarke Pinot Noirs. 8 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
Zweiter Besuch: Weingut Benzinger im pfälzischen Kirchheim Am späteren Nachmittag treffen wir nach einer in Kirchheim, Bockenheim und Obersülzen rund rund 200 Kilometer langen Fahrt nach Südwesten 100 000 Flaschen. Sechzig Prozent entfallen auf in Kirchheim ein. Das Wetter hat inzwischen geän- Weissweine, vierzig Prozent auf Rotweine. dert und ist aprillaunisch geworden: Regenschauer wechseln ab mit Sonnenschein. Kirchheim ist ein Die Namen der Ortschaften und Lagen im nörd- unauffälliges, in grösstenteils flache Rebberge lichen Teil der Mittelhaardt, der sogenannten eingebettetes Strassendorf in der nördlichen Mittel- Unterhaardt, sind weit weniger bekannt als jene haardt. Durch die Ortschaft zwängt sich auf der der Weindörfer Forst, Deidesheim, Königsbach oder alten Römerstrasse der Schwerverkehr. Eine Umfah- Gimmeldingen südlich von Bad Dürkheim. «Stein- rung wird geplant. acker», «Geisskopf» oder «Schnepf» im Norden können «Ungeheuer», «Hohenmorgen», «Ölberg» Wir werden vom Winzerpaar Volker und Ingeborg oder «Mandelgarten» im Süden nicht Paroli bieten. Benzinger im Leiningerhof mitten im barocken Dorfkern empfangen. Der stattliche Hof, seine Volker Benzinger sah sich deshalb vor einigen Grundmauern reichen bis ins Jahr 1598 zurück, Jahren zu einer Kurskorrektur gezwungen. «Vor gehörte einst den Grafen von Leinen. Bis 1984 2013 machte ich technisch saubere, brave Main- wurde er als gemischtlandwirtschaftlicher Betrieb stream-Weine», erzählt er nach unserer Rückkehr in geführt. Neben Reben baute man Getreide und den heimeligen Verkostungsraum während er einen Zuckerrüben an und betrieb Viehzucht. Im Gegen- mächtigen Grauburgunder aus alten Reben im satz zu vielen anderen Winzern, wurde der Wein Geisskopf entkorkt. «Das reichte mit der Zeit nicht aber stets gefüllt und in der Flasche verkauft. mehr, um der allgegenwärtigen Konkurrenz durch Eine Regenpause nutzend, fahren wir mit dem Supermarktketten zu begegnen. Diese bedrängen heutigen Besitzer Volker Benzinger in die Lage mit ihren Tiefpreisweinen die deutschen Winzer Steinacker am südlichen Rand von Kirchheim. Hier brutal. Doch im Alter spürt man den wirtschaft- wächst einer von Benzingers besten Weinen – der lichen Druck nicht mehr so und kann freigeistiger Volker Benzinger gelbfruchtige, mineralische Riesling Steinacker werden», fügt er hinzu. mit Tochter Julia, Kalkmergel. Benzinger keltern aus 13 Hektar Reben im Weinberg. © Andreas Durst Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 9
Der änderungswillige, sechzigjährige Pfalz QBA, Grauer Winzer konsultierte den bekannten Burgunder, Kirchheimer Geisskopf, von alten Reben Pfalz QBA, J! Scheurebe, Weinblogger und Önologen Dirk Würtz, (lachsfarben), Weingut Weingut Benzinger, 2016 Betriebsleiter bei Baltasar Ress, und liess sich mutig auf dessen Vorschläge Benzinger, 2014 «J!» steht für die Weinlinie ein. Unter dem Motto «unbekannte der Tochter Julia Bouquet Lagen – grosse Weine» stellte er auf bio- Duftende Aromen von Bananen, von gelben Früchten und logischen Weinbau um, reduzierte die Birnen und frische Kräutern. typischen Cassis-Aromen. Erträge, verbannte die Erntemaschine Sein voller Körper beeindruckt Am Gaumen frisch, straff und und investierte in den Keller. Spontan- mit weicher Frucht, lebendiger grosszugig, dezent süsslich gärung wurde ein Thema und ganz Säure und Schmelz. abgerundet. allgemein die Entschleunigung des ganzen Kelterungsprozesses. Julia Ben- zinger, die dreissigjährige Tochter, die seit zehn Jahren mitarbeitet und ihre eigene, leichtfüssigere, mit Restsüsse spielende Weinlinie «J!» verantwortet und inzwischen zu uns gestossen ist, kommentiert die geradezu kopernikani- sche Wende ihres wohl nicht immer ganz pflegeleichten Vaters trocken: «Da hab ich echt über Papa gestaunt.» Noch mehr gestaunt haben die Familie und andere Bekannte des Weinguts Benzinger, als der Patron vor zwei Jahren erstmals mit den heute in der jungen Weinszene hippen Orange- und Natur- weinen zu experimentieren begann. Nachtessen im Gutseinem Restaurant mit Volker, Tochter Julia und Inge Dies wohl wiederum auf der Suche Benzinger Weingut Benzinger in Kirchheim, Pfalz. nach Authentizität, Eigenständigkeit und einer florierenden Marktnische. Die Erörterung des heute modischen Themas sprengt den Rahmen dieser Divo-Gazette, deshalb sei nur wieder- der Steinacker Merlot zum Maibock. Das holt, wie Volker Benzinger die Eigenart Die gewöhnungsbedürftigen Tropfen Weingut hat auch mit diesen Weinen die dieser Trendweine charakterisiert. (generell verlieren sie Lagen- und Sor- 2013er Kurve gekriegt. «Orange bezeichnet maischevergorene tentypizität und kommen häufig etwas Weissweine und Naturwein solche ohne oxydativ daher) haben offenbar ein Zum Abschluss, gleichsam als Fri- Schwefelzugabe.» dankbares Publikum gefunden. Volker andise unseres Besuchs, folgende Benzinger sagt: «Es wird uns inzwischen Anmerkung: Das Essen im Restaurant eine Kompetenz in Orange angetragen, Benzinger ist von einer wehmütigen die wir nicht haben. Ich fummle noch im Stimmung getragen. Horst und Inge- Dunklen rum und weiss nicht, was dabei borg Benzinger haben es nämlich am Empfohlen durch herauskommt. Ich weiss nur, ich muss Vorabend geschlossen. Endgültig, wie sauber arbeiten.» Wir nehmen ihm ab, sie versichern. Nach der Kündigung Weingut Benzinger dass er mit dieser Aussage Bescheiden- durch den letzten Koch wollten sie das heit demonstrieren und nicht kokettieren nervenaufreibende Abenteuer beenden. Restaurant will. Elf Jahre seien genug. Extra für uns wird Restaurant das Benzinger in Kirch- nochmals geöffnet. Ein letztes Mal steht mein – www.dasbenzinger.de Orange- und Naturweine sind vor allem also der Küchenchef am Herd. Ein letz- auch bei jungen Sommeliers beliebt, da tes Mal wurde eine Menükarte gedruckt, Alte Pfarrey sie einem Gericht einen unerwarteten, wurde aufgedeckt und kerzenillumi- Untergasse 54, 67271 Neuleiningen im besten Fall bereichernden Akzent niert. Und schlussendlich wird mit einer www.altepfarrey.com schenken können. Beim festlichen Scheurebe Trockenbeerenauslese J! auf Abendessen im gutseigenen Restaurant die Vergangenheit angestossen. Zwei Zwockelsbrück paart sich ein 2016er Naturwein «Sans Monate später annonciert nun die wein- www.zwockelsbrueck.de Riesling» erfreulich mit Jakobsmuschel gutseigene Webseite «weingut-benzinger. und Gartenerbsenpüree. Und der 2015er de» überraschend die Neueröffnung. Hotel & Restaurant «Orange de Cuvée Blanc» flirtet verführe- Offenbar sind neue Pächter gefunden Kurpark-Hotel in Bad Dürkheim risch mit den französischen Weichkäsen. worden. www.kurpark-hotel.de Dass aber dennoch nicht plötzlich alles Orange sein muss, beweisen Benzingers Seehaus Forelle Haeckenhaus «traditionelle» Weine wie der Weisse Eiswoog 1, 67305 Ramsen Burgunder Geissbock zu Spargeln oder www.seehaus-forelle.de 10 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
Blick auf die Wein- lagen in Leiwen, Mosel Mosel: die Gegend der Steillagen Das Weinbaugebiet Mosel erstreckt sich entlang den Tag die Sonnenwärme und geben sie nachts wieder Flüssen Mosel, Saar und Ruwer und gilt als älteste ab. Die Wurzeln der Reben dringen metertief in den Weinregion Deutschlands. Die Römer brachten Boden ein, um sich mit Wasser und Mineralien zu den Weinbau in großem Stil an die Mosel. Rund versorgen. 5000 Winzer bewirtschaften in 125 Weinorten unter oftmals schwierigen Bedingungen 8800 Hektar Viele Mosel-Rieslinge werden mit Restsüsse gefüllt. Rebbergsfläche. Nirgends auf der Welt gibt es mehr Kommt dazu die passende Säure, ergibt das einen Steillagen-Weinberge als im fünftgrössten Weinbau- alkoholarmen, bekömmlichen Wein von geradezu tän- gebiet Deutschlands. zerischer Finesse. So lässt sich mit Fug und Recht sagen: Wenn irgendwo in Deutschland Restsüsse ihre Das Anbaugebiet ist in sechs Bereiche unterteilt. Der Berechtigung hat, dann im Weinbaugebiet Mosel. Die Bereich Burg Cochem an der unteren Mosel wird edelsüssen Weine (Beerenauslesen und Trocken- heute oft als Terrassenmosel bezeichnet, da dort beerenauslesen) erzielen an Auktionen jedes Jahr bei Weinbau meist nur auf Weinbergs-Terrassen möglich Rekordpreise. Sie sind eine einzigartige Kategorie für ist. Hier befindet sich der steilste Weinberg Europas, sich und zu Recht weltberühmt. der Bremmer Calmont. Der Bereich Bernkastel wird als Mittelmosel bezeichnet. Er ist das Herzstück des Anbaugebietes, mit bekannten Weinbaugemein- den und berühmten Weinbergslagen. Südlich von Trier beginnt die Obermosel. Der Bereich Moseltor, ein Teil der Obermosel, gehört zum Saarland. Auch im Bereich Saar wird Weinbau betrieben. Und das Ruwertal ist die kleinste Teilregion des Anbaugebiets. Die Moselwinzer verstehen sich zu Recht als Ries- ling-Spezialisten, wächst doch die noble Sorte dort auf 5000 Hektar. Ein Mosel-Riesling ist der Inbegriff von Feinheit und Eleganz. Die spät reifende, edle Weissweinsorte findet hier ideale Anbaubedingungen. Die geschützte Tallage macht die Region zu einer der wärmsten Klimazonen Deutschlands. Die stei- len Schieferhänge über den Flüssen speichern am Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 11
Dritter Besuch: Andreas Bender in Leiwen an der Mosel Nach einer ruhigen Nacht in Bad Dürkheim machen Geräte einzusetzen. Entsprechend kleiner sind auch wir uns frühmorgens auf an die Mosel. Kurz vor die Erträge: Rund 4000 Flaschen liegen hier pro dem Ziel Leiwen fahren wir aus dem Wald und zu Hektar drin, während in flachen Weinbergen bei unseren Füssen liegt prachtvoll das Flusstal der gleichem Qualitätsmassstab etwa 7000 Flaschen Mittelmosel. Die Aussicht ist imposant: rechterhand möglich sind. Trittenheim mit der bekannten Steillage Apotheke, links unter uns das Winzerdorf Leiwen. Dazwischen Als wir in die schmale Einfamilienhausstrasse schlängelt sich die Mosel, gesäumt von Weinbergen. einbiegen, an deren Ende Andreas Benders Wir reissen einen Fotostopp und erfahren später, unscheinbarer Keller liegt, frappiert uns der Kontrast dass das Panorama eine der meistfotografierten zu den zwei gestrigen Besuchen: Nicht nur entbehrt Szenerien des Weinbaugebiets ist. der Keller jeder Historie und jedes architektonischen Reizes, auch der junge Winzer, der auf dem Vorplatz Das Anbaugebiet Mosel, zu dem auch das Einzugs- mit einem Gabelstapler herumfährt, unterscheidet gebiet von Saar und Ruwer gehört, zählt zu den sich markant von gestandenen Männern wie Rainer landschaftlich spektakulärsten Weinregionen der Müller oder Volker Benzinger: mit seiner stämmigen Welt, vergleichbar etwa mit dem Dourotal in Portu- Figur, den Shorts und den Arbeitsschuhen ent- gal, mit Ribeira Sacra in Galicien oder dem Lavaux. spricht er ganz dem Typus eines Winemakers der An den Hängen des engen Flusstals, das auf der Neuen Welt. Höhe des fünfzigsten Breitengrades und damit an der Nordgrenze des Weinbaus liegt, wird in schwin- Passend dazu bezeichnet sich Andreas Bender in delerregenden Höhen Terrassenweinbau betrieben. seiner Selbstdarstellung als «Maverick». Als einer In teilweise extremen Steilhängen klammern sich der in kein gängiges Schema passe. «In den USA die Rebstöcke am steinigen Schieferboden fest. ursprünglich die Bezeichnung für ein frei herumlau- Ohne aufwendige Handarbeit geht hier gar nichts, fendes Kalb ohne Brandzeichen, ist ein Maverick im nur ein kleiner Teil der Weinberge kann mit Maschi- übertragenen Sinne ein Nonkonformist, ein cleverer nen befahren werden. An manchen Stellen ist es Bursche, der unabhängig denkt und handelt, seinen selbst mit Seilwinden unmöglich, Maschinen und eigenen Weg geht», liest man darin. Andreas Bender 12 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
Andreas Benders Rebberge fallen steil zur Mosel hinunter. Andreas Bender ist der Sohn eines Rebschulisten aus Leiwen. Schon im zarten Alter von 13 Jahren unternahm der heute 37-Jährige im familieneigenen Keller, in dem Weine für den Eigenbedarf erzeugt wurden, erste önologische Gehversuche. Das Win- zerhandwerk lernte er später in einer Mischung von Theorie und Praxis: Önologiestudium ohne Abschluss in Geisenheim, zahlreiche Reisen in die Weingebiete der Welt mit einem Praktikum in Kali- fornien, Beschäftigungen im Wein-Marketing und im Weinhandel. Derart gerüstet startete er 2010 sein «Ein-Mann-Weingut», das innerhalb von sieben Jahren von null auf 16 Hektar wächst – in der Mosel und der Pfalz, wo er vor allem die Trauben für seine Rotweine (Pinot Noir, Cabernet Sauvignon, Merlot) erzeugen lässt. Mit dem Geld, das der Flaschen- verkauf, für den er ein gutes Händchen und eine geschickte Agentur besitzt, jeweils hereinspülte, kaufte er Weinberge oder investierte in Pacht- und Mosel Saar Ruwer feste Abnahmeverträge. QBA, Weissburgunder, Weingut Bender, 2016 Unser Besuch gilt Benders Moselweinen, und so wollen wir in diesen Spalten seine Pfälzer Gewächse Sehr typischer, toller, ausblenden. Zwischen Drohn und Schweich eleganter und filigraner bewirtschaftet der Winzer sechzig Parzellen in Weissburgunder. Zeigt 17 Reblagen, hauptsächlich Riesling und etwas feine Steinobstaromen, Weissburgunder, auf konventionelle Art – «Bio geht mit köstlicher, frischer und hier nicht», meint er apodiktisch. Seine besten kräftiger Frucht. Langer, Lagen befinden sich am Schweicher Annaberg. ausgewogener Gaumen. «Steillagen, in denen sich Rot- und Blauschiefer überlappen, angereichert mit fossilen, also kalkhal- Mosel Saar Ruwer tigen Einschlüssen. Das ist für die Mineralität der QBA, Dajoar, Riesling, Weine wichtig, wobei der Rotschiefer Kraft, Stof- Weingut Bender, 2015 figkeit und Gelbfruchtigkeit, die Blauschiefer die filigrane, schlanke Eleganz der Weine fördert.» Ein Mittelmosel-Riesling wie im Bilderbuch. Die Weine probieren wir zunächst im Büro, im Haus In der Nase mit viel seiner Eltern, später zum hervorragenden Mittag- Äpfeln, gelben Pflaumen essen im «Wein & Tafelhaus», wo Alexander Oos in und Zitrusaromen. Im Sichtweite der «Trittenheimer Apotheke» eine ver- Gaumen ist er wunderbar spielte, aber sehr schmackhafte, kreative Küche mineralisch. Dieser Riesling pflegt. Auffällig bei allen Weinen ist, dass Bender macht richtig Freude! auf die Erwähnung der Lage im Etikett verzichtet. «Ich vinifiziere die Trauben meiner Parzellen mit den Naturhefen getrennt, erst dann stelle ich die Cuvées zusammen. Dabei habe ich eine bestimmte Empfohlen durch Idee des Weins im Kopf und taste mich dann im Keller bei der Assemblage an diese Idealvorstellung Andreas Bender heran.» Entscheidend ist für ihn dabei, dem Stil des jeweiligen Weins treu zu bleiben, ohne aber die Restaurant Jahrgangsunterschiede einzuebnen. Das Landgasthaus - Metzgerei in Mehring Benders Mosel-Rieslinge sind in drei Kategorien www.mueller-mehring.de mit je eigenen, originellen Namen eingeteilt: Pau- lessen, Hofpäsch und Dajoar. Die ersten beiden Hotel & Restaurant Namen gehen auf traditionelle, bis ins 17. Jahrhun- Wein & Tavelhaus in Trittenheim dert zurückgehende Haus- und Hofnamen seiner www.wein-tafelhaus.de Familie in Leiwen zurück. «Dajoar» bedeutet im moselfränkischen Dialekt «wie früher» und erinnert, Weinromatikhotel in Mülmein nebenbei gesagt, an seine Kellerphilosophie: «In Restaurant Culinarium R 2.0 meinem Keller gibt es technisch nicht viel zu sehen. www.weinromantikhotel.com Ich mache den Wein so, wie er hier an der Mosel Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 13
vor fünfzig Jahren gemacht wurde. Wie bekannten Weinführern «Eichelmann», er im Weinberg wächst, kommt er bei mir «Gault-Millau» oder «Falstaff» Bestnoten in die Flaschen.» einheimsen. Doch man sucht sie ver- gebens darin. Unser «Maverick» pfeift Doch wie unterscheiden sich die drei auf Noten und die Bewertung durch die Linien? Die spannende Degustation gibt Weinpäpste. Lieber investiert er das Geld, Auskunft: Paulessen ist ein feinfruchti- das die Teilnahme an den Wettbewerben ger, mineralischer Riesling modernen kostet, in den direkten Kundenkontakt, Stils (trocken) aus den Steilterrassen der ihn 80 000 Kilometer im Jahr herum- an Mosel und Ruwer. Dajoar ein fein- reisen lässt. herber Riesling mit zarter erfrischender Restsüsse. Hofpäsch schliesslich ein Mosel-Riesling im klassischen Stil: edel- süss, alkoholarm, mit saftiger, knackiger Säure und zarter Mineralität. In besonders guten Jahren erhalten die drei Gewächse im Sinne einer Steige- rung und Perfektionierung einen grossen Bruder namens Zenit. «Dieser stammt immer nur aus einer Parzelle und ist in seiner Kategorie mein reifster, kräftigster und tiefgründigster Wein, eine Art Gros- ses Gewächs », sagt Bender. Wunderbar schmeckte der zum Essen gereichte Paulessen Zenit 2012. Andreas Benders Ansatz ist unkon- ventionell und ungewohnt. Seine Weine überzeugen aber in jeder Prädikats- klasse mit ihrer Reintönigkeit, ihrer glasklaren Stilistik, ihrer Ausgewogen- heit. Zweifellos würden sie in den Riesling Der Riesling ist der Star unter den alten germa- Italico oder dem Welschriesling, einer Rebsorte, die nischen Rebsorten und wurde bereits 1435 im von der dalmatischen Küste stammt und deren offi- Rheingau erstmals erwähnt. Sein Name soll vom zieller Name Graševina ist. altdeutschen «rîzan» herstammen, das später zu «reissen» wurde, da seine Beeren gerne aufplatzen, Der Riesling wurde im 19. Jahrhundert unter dem wenn man sie zwischen den Fingern drückt, so wie Namen Rhin oder Petit Rhin in die Schweiz impor- beim Chasselas, dessen Walliser Synonym Fendant tiert, als Reverenz an seine Herkunftsregion; im ebenfalls diese Besonderheit hervorhebt. Wallis nannte man ihn Johannisberg, als Verweis auf das Gut, von dem die Stöcke stammten. Seit den DNA-Studien haben gezeigt, dass der Riesling wie 1920er und -30er Jahren hat man im Wallis den mehr als 80 weitere Rebsorten Zentraleuropas ein Namen Johannisberg willentlich auf den Silvaner natürliches Kund des weissen Gwäss ist, einer alten übertragen, anderweitig Gros Rhin genannt. Heute Rebsorte, die im Mittelalter in ganz Europa ver- bedeckt der Riesling in der Schweiz nur rund zehn breitet war, heute aber nahezu verschwunden ist. Hektaren Fläche, vor allem im Wallis und in Zürich, Die Identität des zweiten Elternteils ist unbekannt, wo diese spätreifende Sorte, die Kälte und Mehltau auch wenn einige irrtümlicherweise angenommen trotzt, gut strukturierte, säurereiche Weine ergibt, haben, dass es sich dabei um einen Vorfahren des deren Aromen mit zunehmendem Reife an Petrol Savagnin oder um eine wilde Rebe handeln könnte. erinnern. Der Riesling ist also ein natürlicher Halbbruder von Chardonnay, Furmint, Blaufränkisch, Gamay usw. — Dr. José Vouillamoz Dagegen ist er nicht verwandt mit dem Riesling 14 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
Assmannshausen Rheingau: Gloriose gehört mit zum UNESCO-Welterbe. Vergangenheit «Glorreicher Rheingau» – das ist in den Köpfen der den vor allem Assmannshausen mit dem berühm- Menschen drin. Die Ingredienzen dieser Vorstellung ten Höllenberg bekannt ist. Der Riesling gedeiht in sind vielfältig: reichhaltige Vergangenheit, Lebens- den trockenen, steinigen Südhängen besonders gut. kunst, eine schöne Landschaft mit fabelhaften Er übersteht auch kalte Wintertage und nutzt die Weinlagen und weltberühmten Traditionsgütern, lange Reifeperiode zur Ausbildung feiner Fruchtsäu- florierender Tourismus und ein wohlhabendes, kon- ren und Aromen. Sein geschmacklicher Charakter sumfreudiges Hinterland. Dem Rheingau hat sich (kräftig, würzig, aromatisch) liegt näher bei der Pfalz dieses ihm zugefallenen Glücks wegen den Charme als bei der Mosel. Bereits im Jahr 1775 entdeckte einer etwas verschlafenen Gegend bewahrt. Es geht das Kloster Johannisberg, aus dessen Ruinen das dem Rheingau gut. Neider aus weniger verwöhnten Schloss Johannisberg entstanden ist, den Vor- Anbaugebieten meinen zu gut. teil einer späten Weinlese, und auch heute zählen die Rheingauer Riesling Spätlesen, Auslesen und Die klimatische und geologische Besonderheit hat Beerenauslesen zu den Vorzeigeweinen der Region. der Rheingau einer Laune der Natur zu verdanken: Sie werden traditionellerweise jeweils auf Kloster in Wiesbaden biegt der sonst in Richtung Norden Eberbach versteigert, einer ehemaligen Zisterzien- fliessende Rhein nach Westen ab, um dreissig Kilo- serabtei, die zu den besterhaltenen mittelalterlichen meter später bei Rüdesheim wieder gegen Norden Klosteranlagen Deutschlands gehört. zu fliessen. Das Rheingau-Gebirge, ein von Osten nach Westen verlaufender Taunus-Ausläufer, hält den Fluss auf und zwingt ihn zur Richtungsände- rung. So entstand im fünfzigsten Grad nördlicher Breite das Rheinknie und auf dem schmalen Strei- fen rechts des Rheins zwischen Wiesbaden und Lorch am Rhein das gegen Süden gerichtete Wein- baugebiet Rheingau. Der schöne Flecken Erde ist mit 3200 Hektar Reben bepflanzt. Es ist die Heimat des Rieslings. Er wächst auf 2500 Hektar. Und jene des Spätburgunders, für Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 15
Vierter Besuch: Chat Sauvage in Johannisberg im Rheingau Am späten Nachmittag erreichen wir das Die neue Chefin dirigiert ein ganz beson- Weingut Chat Sauvage in Geisenheim. deres Weingut. Chat Sauvage debütierte Es liegt in Sichtweite des berühmten mit dem Jahrgang 2005 und hat sich Schloss Johannisberg, das der Dichter mittlerweile auf 8.5 Hektar der alleinigen Heinrich Heine mit seinem Stossseuf- Produktion von Chardonnay (25 Prozent) zer «Mon Dieu, wenn ich doch so viel und Pinot Noir (75 Prozent) verschrie- Glauben in mir hätte, dass ich Berge ben. Der Betrieb stellt gleichsam eine versetzen könnte, der Johannisberg kleine bugundische Exklave dar, umge- wäre just derjenige Berg, den ich mir ben von Riesling-Land. überall nachkommen liesse» unsterb- lich gemacht hat. Zwischen Bingen und Gründer und Besitzer von Chat Sauvage Rüdesheim nehmen wir die Autofähre ist der Hamburger Unternehmer Gün- Rheingau QBA, über den Rhein, eine empfehlenswerte ther Schulz. Ab Jahrgang 1982 begann Johannisberger Hölle, Annäherung an den Rheingau, eröffnen er hochwertige Bordeaux zu sammeln. Weingut Chat Sauvage, sich doch unserem Blick auf der kurzen Eine breite Verkostung von Roma- 2012 Überfahrt gefeierte Spitzenlagen wie née-Conti 1990 infizierte ihn mit dem Berg Roseneck oder Berg Rottland. Burgund-Virus. Es keimte der Traum Tiefgründige und Intensive Nase vom eigenen Weingut. Fündig wurde Aromen von schwarzen Beeren Verena Schöttle kredenzt als erfrischen- Schulz im Rheingau. Anfänglich kaufte mit mineralischem Hintergrund. der Begrüssungstrunk ein Glas Rosé er die Traubenernte und liess im Keller Noten von Tabak und einen Sekt. Genau der richtige Muntermacher der Schamari-Mühle keltern. Dann ent- Hauch Kreide. nach der anstrengenden Autofahrt. schloss er sich, eigene Rebberge in Die Frau ist am Dialekt unschwer als besten Lagen zwischen Winkel und Lorch Schwäbin zu erkennen. Sie trat 2015 zu kaufen und sie mit den zwei Burgun- nach einer Winzerlehre und dem Öno- der Sorten zu bepflanzen. Parallel dazu Rheingau QBA, Lorcher logiestudium an der Geisenheimer baute er 2009 in Johannisberg einen Schlossberg, Weingut Fachhochschule sowie etlichen Lehr- Keller samt Vinothek, dessen moderne Chat Sauvage, 2012 und Wanderjahren als Rebmeisterin in Architektur auch optisch verdeutlicht, Chat Sauvage ein. Vor knapp einem Jahr dass da nicht die Riesling-Tradition Noten von Cassis und rote konnte sie den verdienstvollen Betriebs- gelebt wird: Der burgunderrote Kubus Beeren. Im Gaumen sehr saftig leiter Michael Städter beerben, den es zu aus Beton und Glas hebt sich mar- mit zarter, cremig umhüllter Schloss Johannisberg gezogen hatte. kant ab von den traditionellen Gütern Beerenfrucht und Sauerkirsche. aus Fachwerk und Buntsandstein. Ein Macht richtig Spass . 16 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
frischer Akzent im etwas verschlafenen Pinot Noir Gutswein 2007. Er ist wunder- Rheingau. bar gereift. «Wir wollen nicht Burgund kopieren, aber die Richtung zielt schon Empfohlen durch Erzählenswert bei der Vorstellung von ins Burgundische», kommentiert Verena Chat Sauvage ist auch die Geschichte, Schöttle, als wir die Finesse der Weine Weingut Chat wie das kühne Unternehmen (teil-)finan- ziert wurde: Günther Schulz liess nämlich loben. Der französische Namen Chat Sauvage, der allerdings keine spezielle Sauvage seinen privaten, mit Premiers Grands Aussage besitzt, und die klassisch anmu- Crus Classés und exklusiven Burgundern tende Etikette unterstreichen die Absicht. Restaurant bestückten Weinkeller bei Christie’s ver- Günther Schulz ist inzwischen 79 Jahre Adlerwirtschaft in Eltville-Hattenheim steigern. Drei Lastwagen waren 2004 alt und in beneidenswerter Form. Er lässt www.franzkeller.de nötig, um die teuren Preziosen der Jahr- Schöttle freie Hand und diese revan- gänge 1982 bis 1990 aus Hamburg an chiert sich vorerst mit dem Kompliment: Zum Krug in Eltville-Hattenheim die Auktion zu transportieren. «Wenn ich mit 78 geistig noch so fit und www.zum-krug-rheingau.de beweglich bin wie er, bin ich glücklich.» Wir nehmen den schönen Sommerabend Mit eigenen Weinen konnte sie sich noch Hotel & Restaurant zum Anlass, in die Reben zu fahren nicht bewähren. Ihr erster eigenhändig Burg Schwarzenstein Gourmet und die verschiedenen Lagen von Chat gekelterter Jahrgang liegt jetzt im Keller. Restaurant (Nil Henkel mit 2 Miche- Sauvage zu besichtigen. Verena Schöttle Man darf gespannt sein, wie die Weine lin-Sterne) in Geisenheim ist eine kundige Führerin. Behende wie ausfallen, und ob sich die Handschrift www.burg-schwarzenstein.de eine Gemse klettert sie in den Steillagen einer Frau auf ihre Stilistik auswirken herum. Sie bewirtschaftet die Reben wird. Arbeitet sie bei der Kelterung so Fine Living Hotel in Oestrich-Winkel nach Methoden der Integrierten Pro- präzise und engagiert wie im Rebberg, www.finelivinghotel.de duktion und verzichtet auf Herbizide. steht der Fortsetzung der märchenhaften Wir starten in der Johannisberger Hölle Erfolgsgeschichte von Chat Sauvage gar und enden mitten im Pinot-Noir-Paradies nichts im Weg. des Assmannshausen Höllenberg, einer weltberühmten Schieferlage. Unter uns hat sich der Rhein wieder nach Norden gedreht und fliesst der Loreley entgegen. Wir erkennen in der Ferne Kapellen- berg und Schlossberg von Lorch, wo der Rheingau an seine Grenze stösst und Chat Sauvage ebenfalls Parzellen besitzt. Die Steilhänge sind optimal der Sonne ausgesetzt, Vater Rhein sorgt für milde und ausgleichende Temperaturen. Von Ost nach West wechselt der Boden von Löss-Lehm zu Schiefer-Quarzit. Chat Sauvage erzeugt heute rund 30 000 Flaschen: Gutswein aus dem Rheingau, Ortswein aus Lorch und Assmannshau- sen, Lagenweine aus Johannisberg, Rüdesheim, Assmannshausen und Lorch. Chardonnay vergärt in Piècen und wird sachte bâtonniert, Pinot Noir reift ebenfalls im Holz, 18 Monate, schwach getoasted und zu einem Fünftel neu. Man arbeitet mit Reinzuchthefen und verzichtet auf Schönung und Filtration. «Im Keller wird nicht gezaubert, nur behütet», sagt Verena Schöttle. Zum Abendessen im nahegelegenen Hotel Burg Schwarzenstein probieren wir die Weine. Es sind eher kühle, duftige, nie überreife Gewächse. Sie besitzen eine filigrane, elegante Stilistik. Die Lagenunterschiede sind spürbar heraus- gearbeitet. Der Gerbstoff ist fein, das Holz in der Jugend deutlich schmeckbar, tritt aber bei den älteren Jahrgängen wie 2008 oder 2006 in den Hintergrund. Für Verena Schöttle vom Weingut eine Überraschung sorgt der einfache Chat Sauvage. © Ralf Kaltenbach Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 17
Blau-, Grau- und Weissburgunder Der deutsche Name Blauburgunder für den Pinot Anlehnung an die wahre italienische Malvoisie (Mal- Noir verweist natürlich aufs Burgund, das Heimat- vasia Bianca), die berühmt war für ihre Süssweine. land dieser Rebsorte, die hier bereits 1375 erwähnt Die aus Grauburgunder gekelterten Weine können wurde. In Deutschland, genauer in der Region von trocken sein, mit Aromen von Haselnüssen und Baden, wird der Blauburgunder, hier auch Spät- einer kleinen Bitternote, oder aber süss («flétri»), burgunder genannt, seit dem Mittelalter kultiviert. mit Quitten- und Aprikosennoten. Erst in den letzten Jahren hat er an Bedeutung und Qualität gewonnen, teilweise dank der Klimaerwär- Der Weissburgunder alias Pinot Blanc, eine wei- mung und tiefen Erträgen, was zu besserer Reife tere Farbmutation des Pinot Noir, tauchte ebenfalls beigetragen hat. Die aus ihm gekelterten Weine unabhängig an verschiedenen Orten auf. Er wurde bieten Erdbeeraromen und sind in der Regel frisch zum ersten Mal 1868 im Burgund (Frankreich) und elegant. erwähnt, wo diese Mutation lange mit Chardonnay verwechselt wurde. Die frühreife Variante, die anfäl- Der Grauburgunder alias Pinot Gris, eine Farb- lig ist auf Pilzkrankheiten, ergibt mächtige Weine mutation des Pinot Noir, tauchte unabhängig an mit massvoller Säure, die in der Gastronomie sehr verschiedenen Orten auf. Zum ersten Mal erwähnt beliebt sind. wurde er 1711 in Baden-Württemberg in Deutsch- land unter dem Namen Ruländer. Diese frühreife — Dr. José Vouillamoz Variante, die recht anfällig auf Falschen Mehltau ist, wird im Wallis (Schweiz) auch Malvoisie genannt, in Fünfter Besuch: Bischöfliches Weingut in Rüdesheim im Rheingau Nach dem genussreichen Abend mit Verena Schöttle übernachten wir auch in der Burg Schwarzenstein. Das renommierte Haus gehört zur Vereinigung Relais-Château und liegt in einem schönen alten Park. Leider wurden wir in einer entfernten Dépendance untergebracht. Unsere Zimmer gehen auf eine vielbefahrene Strasse, auf der morgens in der Früh auch die schweren Brum- mis verkehren. Deshalb der Tipp: Wer in der Burg Schwarzenstein logieren will, soll auf ein Zimmer im Haupthaus bestehen. Die Fahrt zum letzten Besuch bei den «Bischöf- lichen» ist nur ein Katzensprung. Wir erscheinen pünktlich. Wir tauchen dabei tief in die Geschichte ein, wie uns die junge, sympathische Geschäftsfüh- rerin Silke Trick mitteilt. Das Bischöfliche Weingut Rüdesheim – von der Gründung der ursprünglichen Pfarrei bis zum heutigen Tag stets mit Weinbergen gesegnet – gehört zu den ältesten Weingütern des Rheingaus, ja wahrscheinlich sogar des ganzen Landes. Die frühesten Anfänge verlieren sich zwar im Dunkel der Geschichte, aber bereits im 11. Jahrhundert findet sich eine erste Erwähnung. Im 18 Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018
12. Jahrhundert zieht dann ein gewisser Engelhard Brömser Rheingau QBA, Berg, aus dem Rüdesheimer Adel in den Kreuzzug ins Heilige Land. Schlossberg Ehrenfels, Er gerät in sarazenische Gefangenschaft und gelobt, sollte er alte Reben, Riesling, wieder freikommen, in Rüdesheim eine Kirche zu bauen und Weingut Bischöfliches, 2015 der Pfarrei Weinberge zu stiften. Er überlebt die Gefangen- schaft und erfüllt sein Versprechen. Es wird vermutet, dass er Herrlich ausgewogen und damit ein schon vorhandenes Pfarrweingut vergrösserte. Mineralisch. Noten von Pfirsich, Limonen Das Pfarrweingut Rüdesheim überlebte die Stürme der Jahr- und Marille entwickeln sich hunderte bis in die heutige Zeit. 1984 wurde es vom Bistum nach wenigen Minuten im Limburg übernommen. Als Stiftung des Bischofs von Lim- Glas – Toller Wein. burg führt es seither das Wappen des Bistums. Im Laufe der Zeit wurden andere kleine Pfarrweingüter eingegliedert und zusätzliche Weinberge hinzugekauft. Zwölf Jahre später, 1996, erfolgte die Namensänderung in das heutige «Bischöfliche Weingut Rüdesheim». Es befindet sich in einem Gebäude von kirchengeschichtlich herausragender Bedeutung, dem letzten, Rheingau QBA, Berg in Spuren noch erhaltenen Flügel des ehemaligen Klosters der Rottland, Riesling, Weingut Universalgelehrten und Heiligen Hildegard von Bingen (1098 Bischöfliches, 2015 bis 1179). 1683 wurde es auf den Grundmauern aufgebaut und enthält heute auch den historischen Gewölbekeller mit Tief mineralischer Duft nach blitzenden Stahltanks und traditionellen Stückfässern, der in getrockneten Kräutern, seiner gelungenen Verbindung von alt und neu vielleicht zu den weissen Blüten, Pfirsich und schönsten seiner Art in Deutschland gehört. Aprikosen. Kräftiger Körper mit feingliedriger Struktur, Der Betriebsleiter des neun Hektar gros- elegant und sehr lang. sen Weinguts, das achtzig Prozent Riesling und zwanzig Prozent Pinot Noir anbaut, heisst Peter Perabo. Er stammt wie die meisten Perabos aus Rheingau QBA, Lorch, sein Vater war ein Teilzeitwinzer. Assmannshausen, Pinot Zeitlebens arbeitete er im Rheingau. Er Noir, Cuvée S, Weingut war weder im Burgund noch in Übersee. Bischöfliches, 2014 «Die letzten zehn Prozent verrät Dir sowieso Typische frische, elegante keiner», lacht er. 2007 trat er in Rüdesheim ein. Vorher arbei- Pinot Noir-Frucht. Dicht, tete er im Weingut Krone, dem Weingut des legendären Hotel vielfältig mit Cassisaromen Krone in Assmannshausen. Peter Perabo kennt die Geheim- und einem langen, wohligen nisse der Assmannshausener Lagen wie seinen Hosensack. Finale versehen. Ein wunder- schöner Rheingauer Spätbur- Peter Perabo ist ein Winzer und Kellermeister mit überaus gunder. klaren Vorstellungen. Laute Weine sind ihm zuwider, und er vertritt seine pointierten Ansichten durchaus leise. Er ist kein Mann des Marketings. Er wirkt auf eine wohltuend altmodi- sche Art geerdet und besitzt einen ziemlich schrägen Sinn für Humor. Dirk Würtz, der im Porträt von Benzinger schon einmal erwähnte Weinerzeuger und Blogger, schreibt auf seiner Seite wuertz-wein.de: «Perabos Verständnis für den Pinot, für den Riesling ist immens. Fast könnte man sagen, von allen her- ausragenden Weinmachern des Landes ist Perabo wohl der unbekannteste. Und herausragend ist er in der Tat.» Gibt es einen besseren Anlass zur Überprüfung dieser Behaup- tung als die Degustation der Weine? Im Empfangsraum der Empfohlen durch Bischöflichen wird lobenswert aus Zaltogläsern verkostet. Diese unterstreichen die Reinheit, Transparenz und Klarheit Bischöfliches Weingut der Weine. «Bergwasserklar, heisst das Attribut, das einem öfters zu den verschiedenen Rieslingen einfällt. Perabos Ries- Hotel & Restaurant linge sind spontanvergoren, verzichten auf den biologischen Rüdesheimer Schloss, Rüdesheim Säureabbau und werden in den höherwertigen Prädikaten, Alte Bauernschänke, Assmannshausen den Lagen, im Halbstück- und Stückfass ausgebaut. «Als ich www.ruedesheimer-schloss.com von Assmannshausen mit seiner Spätburgundertradition nach Rüdesheim kam, hatte ich Sehnsucht nach Riesling», sagt Jean, Eltville Perabo. Er liebe das «Spielen auf der Klaviatur der Rheingauer Kronenschlösschen, Hattenheim Lagen.» Die Spitzenweine – Berg Rottland, Berg Roseneck www.hotel-frankenbach.de oder Berg Schlossberg – erzählen von ihrem Terroir, besitzen Terroir – – Nr. 84 – Februar 2018 19
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