Branchenprofil Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen Branchenprofil Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Herausgeber: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen Kaiser-Friedrich-Ring 75 65185 Wiesbaden www.wirtschaft.hessen.de
BRANCHENPROFIL CHEMISCHE UND PHARMAZEUTISCHE INDUSTRIE IN HESSEN Dr. Claus Bauer Gergana Petkova HA-Report 1035 Wiesbaden 2021
IMPRESSUM HERAUSGEBER Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen BEARBEITUNG HA Hessen Agentur GmbH KONTAKT HA Hessen Agentur GmbH Konradinerallee 9 65189 Wiesbaden Tel +49 611 95017-80 /-85 Fax +49 611 95017-8466 info@hessen-agentur.de VERFASSER Dr. Claus Bauer, Gergana Petkova STAND Juli 2021 BILDNACHWEIS Titelbild: VALENTYN VOLKOV / Fotolia HINWEISE ZUR VERWENDUNG Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgege- ben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwah- len. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlkampfveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbe- mittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Un- terrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung von Funktions- bzw. personenbezogenen Bezeichnungen, wie zum Beispiel Teilnehmer/Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter. Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten. DRUCK Hessisches Statistisches Landesamt BESTELLUNG Download unter www.hessen-agentur.de/publikationen
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen INHALT VORWORT....................................................................................................................... I CHEMISCHE UND PHARMAZEUTISCHE INDUSTRIE IN HESSEN IM ÜBERBLICK . 1 BESCHÄFTIGTE ............................................................................................................ 3 UNTERNEHMENSLANDSCHAFT ................................................................................. 5 UMSATZ........................................................................................................................ 14 PRODUKTPALETTE UND PRODUKTIONSSCHWERPUNKTE ................................. 16 INTERNATIONALES .................................................................................................... 17 FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG .......................................................................... 22 PRODUKTIONSNAHE DIENSTLEISTUNGEN ............................................................ 25 INVESTITIONEN ........................................................................................................... 26 ENERGIEVERBRAUCH ............................................................................................... 30 CLUSTER UND NETZWERKE ..................................................................................... 32 FACHKRÄFTENACHWUCHS ...................................................................................... 32 AKTUELLE ENTWICKLUNGEN UND AUSBLICK ...................................................... 33
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, die hessische Wirtschaft ist nicht nur durch einen starken Dienst- leistungssektor geprägt, sondern unser Land ist auch ein wichtiger Industriestandort. Das Branchenprofil zur „Chemi- schen und Pharmazeutischen In- dustrie in Hessen“ zeigt die Bedeutung, Vielfalt und Leistungsfähigkeit dieses Wirt- schaftszweigs mit seinen hessenweit über 63.000 Beschäftigten. Ihre Leistungsfähigkeit hat die Branche während der Corona-Pandemie eindrucksvoll bewiesen. Ein Beispiel ist der in Marburg hergestellte und von Sanofi in Frankfurt abgefüllte Covid-19-Impfstoff des Unternehmens BioNTech. Steht aktuell wirtschaftlich noch die Bewältigung der Auswirkungen der weltweiten Corona-Pandemie im Vordergrund, so bleibt die Klimaerwärmung doch die größte ge- samtgesellschaftliche Herausforderung. Innovative Produkte und Herstellungsverfahren, die darauf Antworten geben, sind darum weltweit gefragt und eröffnen Unternehmen neue Geschäftsfelder und Absatzmärkte. Das zeigt, dass ökologisches Denken sich auch ökonomisch auszahlt. Weitere Beispiele dafür finden Sie auch in den übrigen Branchenprofilen, mit denen wir unsere wichtigsten Industriezweige vorstellen. Sie wurden ebenfalls von der Hessen Agentur erstellt und stehen unter www.hessen-agentur.de/publikationen zum Download zur Verfügung. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Ihr Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen I
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen im Überblick Beschäftigte 63.330 Beschäftigte1 waren 2020 in der Chemie- und Pharmaindustrie Hessens tätig – 4,4 % mehr als im Jahr zuvor. Knapp zwei Drittel (40.251 Beschäftigte) entfallen auf die Herstellung von chemischen Er- zeugnissen, 23.079 Personen auf den Pharmabereich. Die Branche ist mit 15,9 % aller Beschäftigten der hessischen Industrie der größte in- dustrielle Arbeitgeber in Hessen. Unternehmenslandschaft Hessen ist Standort zahlreicher bedeutender Unternehmen der Bran- che. Beispiele sind Abbott, B. Braun Melsungen, BioNTech, Celanese, Clariant, CSL Behring, DAW, Evonik, Fresenius, GSK Vaccines, Merck, Procter & Gamble, Röhm und Sanofi. Der wichtigste Standort in Hes- sen ist Frankfurt. Umsatz Die Chemische und Pharmazeutische Industrie ist mit Abstand die um- satzstärkste Industrie in Hessen – sie erzielte 2020 einen Umsatz von 28,1 Mrd. Euro. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen, die im Kri- senjahr 2020 Umsatzeinbrüche hinnehmen mussten, blieb der Umsatz damit stabil (2019: 28,0 Mrd. Euro). Ein Spezifikum der Branche in Hes- sen ist die große Bedeutung der Pharmasparte: Während auf Bundes- ebene nur rund ein Viertel des Branchenumsatzes mit pharmazeuti- schen Erzeugnissen erwirtschaftet wird, sind es in Hessen über 40 %. Internationales 18,8 Mrd. Euro des Umsatzes des Jahres 2020 waren Umsatz mit dem Ausland, womit die Exportquote mit 66,6 % klar über dem Durchschnitt der hessischen Industrie (53,4 %) liegt. Der Direktinvestitionsbestand ausländischer Investoren in der hessischen Branche belief sich Ende 2018 auf das sehr hohe Volumen von 9,9 Mrd. Euro. Hessen expor- tierte 2020 chemische und pharmazeutische Produkte für 19,5 Mrd. Euro und importierte derartige Erzeugnisse für 15,4 Mrd. Euro. Forschung und Die Branche hat 2017 1,6 Mrd. Euro für interne Aufwendungen in FuE Entwicklung ausgegeben – dies ist Rang zwei nach der Automobilindustrie. Investitionen Die Bruttoanlageinvestitionen lagen 2019 bei 1,1 Mrd. Euro, die Um- weltschutzinvestitionen bei 74,0 Mio. Euro (2018). Energie Die Branche hatte 2019 einen Energieverbrauch von 13,1 Mio. MWh Energie – 37,7 % am Verbrauch der hessischen Industrie insgesamt. Fachkräftenachwuchs 5.993 Studierende der Chemie und Pharmazie und 5.199 der Biologie waren zum WS 2019/20 an hessischen Hochschulen immatrikuliert. 1 Die Daten der amtlichen Statistik zu Beschäftigten, Betrieben, Umsätzen, Investitionen und Energie- verbrauch im vorliegenden Branchenprofil beziehen sich – soweit nicht anders angegeben – auf Be- triebe von Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten. Informationen zu einzelnen Unternehmen (z.B. Zahl der Mitarbeiter, Eigentumsverhältnisse) beruhen auf Recherchen der Hessen Agentur. 1
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen 2020: Wichtige Indikatoren der Branche im Vergleich mit anderen hessischen Industriebranchen Zum Vergleich: Chemie Indikator u. Chemie Pharma Auto- Elektro Ernährung Gummi- u. Maschi- Metall Pharma mobil Kunststoff nenbau Beschäftigte 63.330 40.251 23.079 47.988 49.249 37.697 33.344 45.951 47.486 Betriebe1 181 149 32 65 313 342 216 397 421 Umsatz 28.137 15.444 11.713 16.423 10.204 8.687 6.300 9.297 19.609 (in Mio. Euro) Auslandsumsatz 18.752 10.693 8.060 10.742 5.274 2.380 2.484 5.477 10.390 (in Mio. Euro) 1 Angaben für 2019. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen 2020: Bedeutung für die hessische Industrie und für die Branche auf Bundesebene – gemessen am Anteil an Umsatz und Beschäftigung Anteil am Umsatz der Anteil am Umsatz der Branche hessischen Industrie in % auf Bundesebene in % 30,0 20,0 25,0 Chemie / Pharma Chemie / 15,0 Pharma 20,0 Metall 15,0 10,0 Metall Auto Gummi / Kunststoff Maschinen- 10,0 bau Elektro Elektro 5,0 Gummi / Auto 5,0 Maschinen- Kunststoff Ernährung bau Ernährung 0,0 0,0 0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 Anteil an der Beschäftigung Anteil an der Beschäftigung der der hessischen Industrie in % Branche auf Bundesebene in % Quelle: Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. 2
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Beschäftigte Die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen beschäftigte im Jahr 2020 ins- gesamt 63.330 Personen, was 15,9 % der Beschäftigten der hessischen Industrie ent- spricht. Damit ist dieser Teil der Wirtschaft der größte industrielle Arbeitgeber in Hessen. 13,6 % aller in Chemie und Pharma in Deutschland tätigen Personen haben ihren Ar- beitsplatz in Hessen. Den Spitzenplatz im Bundesländervergleich nimmt Nordrhein- Westfalen mit über 100.000 Beschäftigten ein. Mit jeweils rund 60.000 Beschäftigten in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie folgen Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz dicht beieinander. Die Branche ist somit deutlich weniger regional konzentriert als etwa die Automobilindustrie, bei der Baden-Württemberg und Bayern zusammen mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze bundesweit auf sich vereinen. 23.079 Personen, d.h. gut ein Drittel der Beschäftigten der Branche in Hessen, sind der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen zuzuordnen. Auf Bundesebene ist es lediglich ein Viertel. Der Blick über Hessen und Deutschland hinaus zeigt, dass Deutschland mit klarem Ab- stand der wichtigste Chemie- wie auch Pharmastandort der EU ist. Von den rund 1,2 Mio. Beschäftigten in der EU-28 in der Chemischen Industrie hat mehr als ein Viertel ihren Arbeitsplatz in Deutschland. Für die Pharmabranche sieht das Bild ähnlich aus: Etwa ein Fünftel der gut 600.000 Beschäftigen EU-weit arbeitet in Deutschland.2 Wie hat sich die Beschäftigung in der Branche in den letzten Jahren entwickelt? In den Jahren 2015 und 2016 konnte die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen – bei unbefriedigender Umsatzentwicklung – nicht an das Beschäftigungsplus der Jahre zuvor anknüpfen. Erfreulicherweise drehte die Entwicklung aber im Jahr 2017 wieder ins Positive. Und auch 2018 wurde Beschäftigung aufgebaut. Im Jahr 2019 blieb die Be- schäftigung in der hessischen Chemie- und Pharmabranche im Wesentlichen konstant (-0,3 %). Und in der Corona-Krise? Der Blick auf die Quartalsergebnisse für das Jahr 2020 zeigt, dass die Branche weitaus besser durch die Corona-Krise kommt als viele andere Indus- triebranchen (z.B. die Automobilindustrie). Für alle vier Quartale des Jahres werden po- sitive Wachstumsraten ausgewiesen, die im 2. Halbjahr nochmals klar höher ausfallen als im 1. Halbjahr. Summa summarum steht für die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen 2020 eine Zunahme der Beschäftigung um 4,4 % zu Buche – ganz im Gegensatz zur hessischen Industrie insgesamt (-3,3 %). Damit hebt sich die Branche in Hessen auch von der Entwicklung auf Bundesebene ab, wo die Chemische und Phar- mazeutische Industrie zwar ebenfalls keinen pandemiebedingten Einbruch zeigt, doch von einem nennenswerten Beschäftigungsaufbau (+0,1 %) nicht die Rede sein kann. 2 Angaben für das Jahr 2019. Vgl. VCI (Hrsg.): Chemiewirtschaft in Zahlen 2020, Frankfurt 2020, S. 158ff. 3
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung Entwicklung der Beschäftigung in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie sowie im Verarbeitenden Gewerbe in Hessen und Deutschland 2015 bis 20201 Chemische und Pharmazeutische Industrie Verarbeitendes Gewerbe in % zum Vorjahr in % zum Vorjahr bzw. Vorjahresquartal bzw. Vorjahresquartal 5 5 Beschäftigte 2020 4 4 (in 1.000): Hessen 399,1 3 3 Deutschland 6.253,5 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 Beschäftigte 2020 -3 (in 1.000): -3 -4 Hessen 63,3 -4 Deutschland 464,4 -5 -5 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 1 Die Quartalswerte sind nur eingeschränkt mit den Jahresangaben vergleichbar, da Erstere u.a. auf einem kleineren Berichtskreis basieren (Betriebe ab 50 versus ab 20 Beschäftigte). Quelle: Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Aus den Beschäftigungsangaben speziell für das Pharmasegment geht hervor, dass von diesem Teil der Branche in den letzten Jahren durchgängig Beschäftigungsimpulse für die hessische Chemische und Pharmazeutische Industrie insgesamt ausgegangen sind. Dies hat auch im Corona-Jahr 2020 Gültigkeit, denn die Zahl der Beschäftigten in der hessischen Pharmaindustrie hat um 1,2 % zugenommen – im Gegensatz zur Branche auf Bundesebene (-3,7 %). Im Vergleich dazu stellt sich die Beschäftigungsentwicklung der letzten Jahre in der Che- mischen Industrie heterogener dar. Für 2019 wird für Hessen ein Minus von 1,7 % aus- gewiesen, das durch das Plus bei der Pharmazeutischen Industrie (+2,2 %) nicht voll- ständig kompensiert werden konnte. Und im Jahr 2020? 2020 wird für die hessische Chemische Industrie eine kräftige Beschäftigungszunahme in Höhe von 6,3 % angege- ben. Auch in der Branche bundesweit waren im Jahr 2020 mehr Beschäftigte tätig als noch vor Jahresfrist. Der Beschäftigungsaufbau fiel mit einem Zuwachs um1,5 % aller- dings deutlich verhaltener als in Hessen aus. 4
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Entwicklung der Beschäftigung in der Chemischen Industrie sowie in der Pharmazeutischen Industrie in Hessen und Deutschland 2015 bis 20201 Chemische Industrie Pharmazeutische Industrie in % zum Vorjahr in % zum Vorjahr bzw. Vorjahresquartal bzw. Vorjahresquartal 8 8 6 6 4 4 2 2 0 0 -2 -2 -4 -4 Beschäftigte 2020 Beschäftigte 2020 (in 1.000): (in 1.000): -6 -6 Hessen 40,3 Hessen 23,1 Deutschland 348,9 Deutschland 115,5 -8 -8 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 1 Die Quartalswerte sind nur eingeschränkt mit den Jahresangaben vergleichbar, da Erstere u.a. auf einem kleineren Berichtskreis basieren (Betriebe ab 50 versus ab 20 Beschäftigte). Quelle: Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Unternehmenslandschaft: Betriebe und bedeutende Unternehmen 2019 gab es in Hessen 181 Betriebe der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie – sechs weniger als im Vorjahr. 149 davon sind der Herstellung von chemischen Erzeug- nissen zuzuordnen, 32 Betriebe produzieren überwiegend pharmazeutische Produkte. Da zahlreiche Anbieter in beiden Segmenten tätig sind, kann es aufgrund der Zuordnung der Betriebe gemäß dem Schwerpunktprinzip in Einzelfällen zu einem statistischen Wechsel zwischen Chemie und Pharma von einem zum anderen Jahr kommen. Die Chemiebranche in Hessen zeichnet sich durch einen überdurchschnittlich hohen Konzentrationsgrad aus: In der hessischen Branche sind 32 bzw. 21,5 % der Betriebe Großbetriebe (mindestens 250 Beschäftigte), im Verarbeitenden Gewerbe sind es nur 10,9 %. In den Großbetrieben sind 76,5 % der Beschäftigten der Chemiebranche tätig, aber nur 61,3 % aller Beschäftigten der heimischen Industrie. Die Bedeutung der Großbetriebe fällt in der Pharmabranche nochmals deutlich größer aus: Bei 15 der 32 hessischen Betriebe handelt es sich um Großbetriebe, in denen 5
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung 91,6 % der Beschäftigten der Branche 96,1 % des Umsatzes der Pharmazeutischen In- dustrie im Jahr 2019 erwirtschafteten. Damit ist die Konzentration erheblich höher als im Durchschnitt der hessischen Industrie. Sowohl für Chemie als auch für Pharma gilt zu- dem, dass die Konzentration auf Großbetriebe in Hessen höher als im Bundesdurch- schnitt ist. Anteil der Großbetriebe1 in der Chemischen Industrie an Zahl der Betriebe, Beschäf- tigten und Umsatz im Jahr 2019 21,5 Chemische Industrie in Hessen Betriebe 16,5 Chemische Industrie in Deutschland 10,9 Verarbeitendes Gewerbe in Hessen 76,5 Beschäftigte 68,3 61,3 73,4 Umsatz 69,4 73,6 0 20 40 60 80 100 Anteil in % 1 Betriebe mit 250 und mehr Beschäftigten. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Anteil der Großbetriebe1 in der Pharmazeutischen Industrie an Zahl der Betriebe, Beschäftigten und Umsatz im Jahr 2019 46,9 Pharmaindustrie in Hessen Betriebe 28,8 Pharmaindustrie in Deutschland 10,9 Verarbeitendes Gewerbe in Hessen 91,6 Beschäftigte 83,1 61,2 96,1 Umsatz 88,7 73,6 0 20 40 60 80 100 Anteil in % 1 Betriebe mit 250 und mehr Beschäftigten. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. 6
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Wie stellt sich die Unternehmenslandschaft der Chemischen und Pharmazeutischen In- dustrie in Hessen dar, d.h. wo haben z.B. große Unternehmen der Branche ihren Sitz? Was sind die Tätigkeitsschwerpunkte der hessischen Anbieter? Gibt es regionale Schwer- punkte? Zur Beantwortung dieser Fragen zeigt zunächst die umseitige Karte die regio- nale Verteilung der Zahl der Betriebe und der Beschäftigten auf Basis der amtlichen Sta- tistik, wobei sich die grafische Darstellung aufgrund der Sperrung zahlreicher Angaben für den Pharmabereich auf die Chemische Industrie beschränkt. Die räumliche Konzentration der Chemischen Industrie ist in Südhessen am höchsten, hier weist die amtliche Statistik 113 Betriebe mit knapp 30.900 Beschäftigten aus. Für Mittelhessen gibt die amtliche Statistik 17 Betriebe mit insgesamt rund 1.700 Beschäfti- gen an. In Nordhessen zählt die Chemische Industrie gemäß amtlicher Statistik 19 Be- triebe mit knapp 5.300 Beschäftigten. Die im nachfolgenden dargestellten Rechercheergebnisse der Hessen Agentur zu be- deutenden Unternehmen und Betrieben der Chemischen und Pharmazeutischen Indus- trie sowie deren Produkte und Beschäftigten sind nach Regierungsbezirken gegliedert.3 Die für die Branche relevanten Standorte dieser Unternehmen und Betriebe sind in drei weiteren Karten getrennt nach Süd-, Mittel- und Nordhessen visualisiert. Südhessen In Südhessen kommt Frankfurt am Main mit dem Industriepark Höchst eine zentrale Rolle für die Branche zu. Mit der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH befindet sich hier der größte integrierte Produktions- und Fertigungsstandort von Sanofi weltweit. Mehr als 7.700 Mitarbeiter sind vor Ort in FuE, Produktion sowie Verwaltung beschäftigt. Aus der langjährigen Kernkompetenz in puncto Diabetes ist in Frankfurt-Höchst inzwischen ein voll integrierter BioCampus entstanden, der die gesamte Wertschöpfungskette für mo- derne Biologika4 abdeckt. Allerdings wurde 2020 für den Standort Stellenabbau bis zum Jahr 2022 angekündigt. In Neu-Isenburg ist ein weiterer Standort des Unternehmens mit dem Schwerpunkt Biotechnologie. Zudem befindet sich im Industriepark Höchst ein Pro- duktions- und Forschungsstandort der Clariant Gruppe mit zuletzt über 1.000 Beschäf- tigten. Die Verwaltung der Clariant-Gesellschaften in Deutschland ist im nahen Sulzbach. Der Konzern befindet sich zurzeit im Umbau und eventuelle Auswirkungen auf die hes- sischen Standorte sind abzuwarten. 3 Ein unmittelbarer Vergleich der Rechercheergebnisse mit der umseitigen Karte, die auf Angaben aus der amtlichen Statistik beruht, ist nicht möglich. Dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens liegt den Daten der amtlichen Statistik die Betriebsebene zugrunde, während sich die Angaben im Text weit- gehend auf (größere) Unternehmen beziehen. Zweitens ist z.B. bei breitem Produktspektrum nicht immer klar erkennbar, zu welcher Branche die Zuordnung erfolgen soll (Chemie oder Pharma?). 4 Biologika sind biotechnologisch hergestellte Eiweiße, die gegen bestimmte Entzündungsbotenstoffe des Körpers oder direkt gegen Immunzellen gerichtet sind. Zu den Biologika gehören neben Insulinen u.a. Antikörper, Impfstoffe und so genannte Nanobodies. 7
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung Regionale Verteilung der Chemischen Industrie1 in Hessen im Jahr 2019 1 Da für die Pharmazeutische Industrie nahezu keine Beschäftigungsangaben auf Kreisebene vorliegen, beschränkt sich die Darstellung auf die Chemische Industrie. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Hessen Agentur auf Kartengrundlage der GfK Geomarketing GmbH. 8
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Weitere produzierende Unternehmen der Branche im Industriepark sind u.a. die Pflan- zenschutzproduzenten Bayer CropScience AG mit mehreren Hundert Mitarbeitern und BASF Agricultural Solutions GmbH, die Celanese Gruppe (insgesamt rund 1.300 Mit- arbeiter im Industriepark Höchst und in Sulzbach), die LyondellBasell / Basell Polyole- fine GmbH (rund 300 Mitarbeiter des Kunststoffherstellers sind in Höchst tätig) und das Spezialchemieunternehmen Kuraray Europe GmbH, das über das Werk im Industrie- park hinaus seine Europazentrale in Hattersheim hat. Auch der Sitz der Vertriebsorgani- sation von CSL Behring in Europa befindet sich in Hattersheim. Zu nennen sind auch die Unternehmen der auf Fein- und Spezialchemikalien fokussierten WeylChem Gruppe mit zusammen mehreren Hundert Mitarbeitern im Rhein-Main-Gebiet und weiteren Standorten in Frankfurt-Fechenheim und Wiesbaden. Der ebenfalls zur WeylChem Gruppe gehörende Hersteller von Zwischenprodukten und Spezialchemikalien Allessa GmbH hat zwei Produktionsstandorte (Frankfurt-Höchst und Frankfurt-Fechenheim). Ein weiterer großer Anbieter mit Sitz und FuE-Standort in Frankfurt und Produktion in Rein- heim (LK Darmstadt-Dieburg) ist die Merz Gruppe. Nicht zuletzt ist in Frankfurt die klini- sche Entwicklung des Tübinger Unternehmens Curevac AG angesiedelt, von wo aus z.B. die klinischen Tests des unternehmenseigenen Covid19-Impfstoffs koordiniert und überwacht werden. Mit der Wissenschaftsstadt Darmstadt liegt der zweitgrößte Standort der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Hessen ebenfalls im Süden des Landes. In Darm- stadt befindet sich mit der Merck KGaA die Dachgesellschaft für die operativen Ge- schäfte und zugleich die größte Produktions- und Forschungsstätte der Merck-Gruppe in ganz Deutschland, die zusammen mit dem Standort in Weiterstadt insgesamt knapp 12.000 Beschäftigte zählt. Am Standort wurden in den letzten Jahren erhebliche Mittel u.a. in ein neues, öffentlich zugängliches Innovationszentrum investiert. Merck zählt zu- sammen mit den über 700 Mitarbeitern in Gernsheim (LK Groß-Gerau), sowie mit dem Forschungs- und Produktionsstandort für Halbleiter in Wiesbaden zu den größten hessi- schen Arbeitgebern. Rund 1.300 Mitarbeiter des Evonik-Konzerns haben ebenfalls ihren Arbeitsplatz in Darmstadt. Seit dem Jahr 2019 firmiert die ehemalige Methacrylat-Sparte des Evonik Konzerns wieder unter ihrem historischen Namen Röhm GmbH als eigen- ständiges Unternehmen mit Sitz in Darmstadt und weiteren hessischen Standorten in Weiterstadt, Hanau und Bad König (insgesamt über 1.000 Mitarbeiter in Hessen). Vor mehr als 30 Jahren aus Röhm in Darmstadt hervorgegangen ist die stark wachsende R- Biopharm AG. Der Spezialist in den Bereichen Klinische Diagnostik sowie Lebensmittel- und Futtermittelanalytik beschäftigt am operativen Sitz der Gesellschaft in Pfungstadt über 500 Mitarbeiter. In Darmstadt befindet sich die Zentrale sowie das bisher weltweit größte FuE-Zentrum der Coty Beauty Germany GmbH. Allerdings ist das Unternehmen dabei, ein Großteil seiner Aktivitäten in Deutschland in Form eines neuen Joint Venture mit dem Finanzinvestor KKR unter dem Namen „Wella Company“ auszulagern. Damit kehrt die Marke Wella, die seit 140 Jahren besteht, zu ihren Wurzeln zurück und wird wieder ein eigenständiges Unternehmen mit Hauptsitz in Darmstadt. Ebenfalls in Darm- stadt ist der größte europäische Standort des Haarkosmetikkonzerns Kao mit Europa- zentrale, Forschungszentrum sowie Produktionsstandort, in denen insgesamt rund 700 Mitarbeiter tätig sind. In Darmstadt befindet sich auch ein Phytopharmaka-Kompetenz- 9
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung zentrum von Bayer, wo neben der Arzneimittelherstellung auch die Entwicklung neuer Phytopharmaka stattfindet. Bedeutende Unternehmen und Betriebe der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Süd- hessen Quelle: Recherchen Hessen Agentur (2020/2021), Hessen Agentur auf Kartengrundlage GfK Geomarketing GmbH. Die Landeshauptstadt ist ein weiterer wichtiger Standort für Chemie und Pharma in Hes- sen. Im Wiesbadener Industriepark Kalle-Albert betreiben mehrere Unternehmen Pro- duktionsanlagen und Forschungseinrichtungen wie z.B. der Wursthüllen- und Schwammtuchhersteller Kalle GmbH mit über 700 Mitarbeitern, die Mitsubishi Poly- ester Film GmbH – ein Hersteller von Polyesterfolien mit rund 500 Mitarbeitern, die Un- ternehmen der Shin Etsu-Gruppe wie die SE Tylose GmbH & Co. KG (Hersteller von Celluloseether) mit über 500 Beschäftigten sowie der Druckplatten-Hersteller Agfa-Ge- vaert Graphic Systems GmbH. Nicht im Industriepark Kalle-Albert, aber ebenfalls in 10
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Wiesbaden, befindet sich der Sitz der SGL Carbon SE, eines Herstellers von Produkten aus Carbon, Graphit und Verbundmaterialien mit rund 5.000 Mitarbeitern weltweit, der in Limburg eine Tochtergesellschaft hat (Dr. Schnabel GmbH), sowie die Dow Silicones Deutschland GmbH, die in Wiesbaden (rund 300 Mitarbeiter) nicht nur ihre Unterneh- menszentrale, sondern auch einen wichtigen Produktions- und Forschungsstandort für Silikone hat. Wiesbaden ist mit rund 1.800 Mitarbeitern auch der deutsche Hauptstandort des internationalen Konzerns Abbott, der u.a. auf die Entwicklung und Produktion von Diagnostik und Laborsystemen, Medizintechnik und medizinische Ernährung speziali- siert ist. Weitere Standorte von Abbott in Hessen sind Eschborn und Wetzlar. Seit der Abspaltung des forschenden Pharmageschäfts von Abbott befindet sich die Deutsch- landzentrale dieses neuen Unternehmens AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG mit über 600 Beschäftigten ebenfalls in der Landeshauptstadt. Seit dem Jahr 2020 ist auch der Pharmahersteller Allergan ein AbbVie-Unternehmen – und damit auch der Standort von Allergan in Frankfurt. Der Industriepark Wolfgang in Hanau ist der zweitgrößte Standort (mehr als 3.000 Be- schäftigte) des Evonik-Konzerns in Deutschland. Hier werden u.a. Chemiekatalysatoren, Reaktionsharze und pharmazeutische Wirkstoffe hergestellt. Weitere Standorte von Evo- nik in Südhessen befinden sich in Frankfurt-Höchst, Offenbach, Steinau an der Straße und Weiterstadt. Ein weiteres traditionsreiches Chemieunternehmen im Industriepark Wolfgang ist die Ferro GmbH mit Unternehmenssitz in Frankfurt, das mit insgesamt rund 400 Mitarbeitern in Hessen Pigmente sowie edelmetallhaltige Pulver und Pasten für Sen- soren und elektronische Bauelemente entwickelt und herstellt. Zu den größten Arbeitgebern in Hessen gehört der Procter & Gamble Konzern, für den in Hessen an insgesamt drei Standorten – Schwalbach (Unternehmenszentrale), Groß- Gerau und Kronberg – rund 3.000 Mitarbeiter tätig sind. Hergestellt werden Produkte aus den Bereichen Hygiene, Babypflege, Haarpflege, Zahnpflege und Rasur. Noch größer ist der Gesundheitskonzern Fresenius mit seinen Tochterunternehmen Fresenius Kabi (Infusionstherapie und klinische Ernährung) und Fresenius Medical Care (Anbieter von Produkten für Patienten mit Nierenversagen). Die Unternehmensgruppe mit Zentrale in Bad Homburg beschäftigt an sieben Standorten vornehmlich im Rhein-Main-Gebiet rund 5.900 Mitarbeiter in Hessen.5 Weitere bekannte Unternehmen der Branche in Südhes- sen sind der Pharmahersteller Lilly Deutschland GmbH, an dessen Hauptstandort in Bad Homburg v.d.H. über 800 Mitarbeiter beschäftigt sind, das Pharmaunternehmen STADA Arzneimittel AG mit über 900 Mitarbeitern in Bad Vilbel, die Biotest AG – Spe- zialist für Hämatologie und Immunologie – in Dreieich (über 1.200 Mitarbeiter vor Ort), die Engelhard Arzneimittel GmbH & Co.KG in Niederdorfelden im Main-Kinzig-Kreis (über 400 Mitarbeiter), die Unternehmen der DAW-Firmengruppe in Ober-Ramstadt (u.a. Alpina Farben GmbH und CAPAROL Farben Lacke Bautenschutz GmbH) mit rund 2.000 Beschäftigten in Hessen, die delta pronatura Dr. Krauss & Dr. Beckmann KG in Egelsbach, die mit mehr als 200 Mitarbeitern vor Ort u.a. die „Fleckenteufel“ produziert, sowie in Lampertheim die BASF Lampertheim GmbH (rund 500 Beschäftigte). BASF 5 Ohne die Klinikbetriebe von Fresenius Helios mit weiteren rund 3.500 Mitarbeitern in Hessen. 11
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung beschäftigt zudem rund 120 Mitarbeiter an einem Produktionsstandort für Herbizide in Frankfurt-Höchst. Mittelhessen In Mittelhessen sind insbesondere die Nachfolgegesellschaften der ehemaligen Behring- werke in Marburg zu nennen. Insgesamt haben rund 6.000 Personen ihren Arbeitsplatz in unterschiedlichen Unternehmen am „Standort Behringwerke Marburg“. Die CSL Beh- ring GmbH stellt dort Arzneimittel aus Humanplasma und Grippeimpfstoffe her. Mit etwa 3.000 Mitarbeitern (1.700 davon in Forschung und Entwicklung) ist Marburg der größte Forschungs- und Produktionsstandort des Unternehmens. Ein weiterer Nachfolger der Behringwerke ist der Impfstoffhersteller GSK Vaccines GmbH mit etwa 1.000 Mitarbei- tern. Im Jahr 2020 wurde der Standort der Novartis Manufacturing in Marburg mit rund 300 Mitarbeitern vom Mainzer Unternehmen BioNTech übernommen und die BioNTech Manufacturing Marburg GmbH gegründet. Seit Februar 2021 wird dort ein Covid-19- Impfstoff hergestellt, wobei der Standort zu einem der größten Produktionsstandorte für diesen Impfstoff ausgebaut werden soll. Ebenfalls am Standort der früheren Behring- werke unterhält die Siemens Healthcare Diagnostics Products GmbH mit rund 1.000 Mitarbeitern einer ihren größten Produktionsstandorten in Europa. Zudem sind die be- reits bei Südhessen erwähnten Unternehmen Fresenius, Abbott und SGL Carbon (Dr. Schnabel GmbH) mit Standorten in Mittelhessen vertreten. Bedeutende Unternehmen und Betriebe der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Mittel- hessen Quelle: Recherchen Hessen Agentur (2020/2021), Hessen Agentur auf Kartengrundlage GfK Geomarketing GmbH. 12
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Nordhessen In Nordhessen ist vor allem die B. Braun Melsungen AG in Melsungen zu nennen. Das Unternehmen zählt in Hessen über 7.600 Mitarbeiter (einschl. des Einmalspritzenher- stellers ALMO-Erzeugnisse Erwin Busch GmbH in Bad Arolsen sowie eines weiteren Standorts in Spangenberg). Der Schwerpunkt von B. Braun liegt auf der Medizintechnik,6 die naturgemäß in engem Zusammenhang mit Pharma zu sehen ist. So gehören z.B. auch Infusionslösungen, Wund- und Desinfektionsmittel zur Produktpalette von B. Braun. Ebenfalls in Melsungen hat die Solupharm Pharmazeutische Erzeugnisse GmbH ih- ren Sitz, deren über 400 Mitarbeiter in der Lohnfertigung steriler Arzneimittel tätig sind. Bedeutende Unternehmen und Betriebe der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Nord- hessen Quelle: Recherchen Hessen Agentur (2020/2021), Hessen Agentur auf Kartengrundlage GfK Geomarketing GmbH. 6 Das Unternehmen wird wirtschaftszweigsystematisch folglich nicht bei Chemie und Pharma erfasst. 13
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung In Bad Hersfeld betreibt The FilamentFactory GmbH ein Werk für Industriefasern und -gewebe mit rund 400 Beschäftigten. Dort befindet sich auch ein weiterer Standort von Fresenius. In Wildeck im Landkreis Hersfeld-Rotenburg und im benachbarten Gerstun- gen in Thüringen ist die zur DAW Gruppe gehörende Alsecco GmbH (insgesamt rund 360 Beschäftigte) tätig, die Fassadendämmsysteme herstellt. Umsatz Die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen erzielte 2020 einen Umsatz von insgesamt 28,1 Mrd. Euro. Dies ist annähernd ein Viertel (24,3 %) des gesamten Umsatzes der hessischen Industrie und 14,8 % des Umsatzes der Branche bundesweit. Damit ist Hessen nach Nordrhein-Westfalen und knapp hinter Rheinland-Pfalz der dritt- größte Produktionsstandort der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie deutsch- landweit. Bei getrennter Betrachtung von Chemie und Pharma entfallen auf die Chemi- sche Industrie 15,4 Mrd. Euro und auf die Pharmabranche 12,7 Mrd. Euro des Jahres- umsatzes 2020. Die Chemische Industrie in Deutschland weist nach der VR China, den USA und Japan den viertgrößten Anteil (4,3 %) am Weltumsatz auf.7 Damit ist Deutschland vor Frank- reich (2,1 %) mit Abstand der größte Standort in der EU. Für die Pharmabranche lautet die Reihenfolge in der EU: Irland (6,2 %), Deutschland (3,6 %) und Frankreich (3,3 %). Global gesehen entfällt auf die VR China vor den USA der größte Anteil am Welt- pharmaumsatz. Der Blick auf die Entwicklung des Branchenumsatzes der hessischen Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in den letzten Jahren zeigt ein uneinheitliches Bild – sowohl im Hinblick auf die Branche insgesamt als auch auf die beiden Branchensegmente Che- mie und Pharma.8 Im Jahr 2015 stand zum ersten Mal seit dem Krisenjahr 2009 für die Branche ein Umsatzminus zu Buche, das auf den kräftigen Umsatzrückgang im Phar- mabereich zurückzuführen war (Sondereffekt aufgrund Patentschutzablauf eines um- satzstarken Medikamentes). Doch bereits 2016 konnte die hessische Pharmasparte wie- der ein Plus erzielen. Allerdings stellte sich die Umsatzentwicklung in der Chemischen Industrie ungünstig dar, sodass in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie ins- gesamt betrachtet auch 2016 das Niveau des Vorjahres nicht erreicht wurde. Erfreuli- cherweise konnte die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen im Jahr 2017 wieder einen Umsatzzuwachs erwirtschaften, der 2018 ausgebaut werden konnte und 2019 nochmals etwas stärker ausfiel: Der Umsatz lag 2019 um 3,6 % höher als im Vor- jahr, wobei die expansiven Impulse von der Chemischen Industrie (+8,6 %) ausgingen, während der Pharmaumsatz um 2,6 % niedriger ausfiel. 7 Angaben für das Jahr 2019, vgl. VCI (Hrsg.): Chemiewirtschaft in Zahlen 2020, Frankfurt am Main 2020, S. 122ff. 8 Allerdings ist zu beachten, dass aufgrund der ausgeprägten Verflechtungen zwischen Chemie und Pharma – etwa in der Form, dass Anbieter in beiden Segmenten tätig sind – einer isolierten Betrach- tung der Umsatzentwicklung von Chemie und Pharma etwas Künstliches anhaftet. 14
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Umsatzentwicklung in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie sowie im Verarbeitenden Gewerbe in Hessen und Deutschland 2015 bis 20201 Chemische und Pharmazeutische Industrie Verarbeitendes Gewerbe in % zum Vorjahr in % zum Vorjahr bzw. Vorjahresquartal bzw. Vorjahresquartal 10 10 5 5 0 0 -5 -5 -10 -10 -15 -15 Umsatz 2020 Umsatz 2020 (in Mrd. Euro): (in Mrd. Euro): -20 -20 Hessen 28,1 Hessen 116,0 Deutschland 190,6 Deutschland 1.774,3 -25 -25 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 1 Die Quartalswerte sind nur eingeschränkt mit den Jahresangaben vergleichbar, da Erstere u.a. auf einem kleineren Berichtskreis basieren (Betriebe ab 50 versus ab 20 Beschäftigte). Quelle: Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Und wie hat sich die Konjunktur in der Branche während der Pandemie entwickelt? Wie die Quartalsergebnisse des Jahres 2020 zeigen, ist der Umsatz nach einem leichten Wachstum im 1. Quartal, das noch weitgehend unbeeinflusst von der Pandemie war, im 2. wie auch im 3. Quartal 2020 zurückgegangen. Für das 4. Quartal steht jedoch bereits wieder ein Plus zu Buche. Summa summarum erwirtschaftete die Chemische und Phar- mazeutische Industrie in Hessen im Jahr 2020 einen geringfügig – und zwar um 0,6 % – höheren Umsatz als im Vorjahr. Damit stellt sich die Umsatzentwicklung in der Branche im Corona-Jahr zum einen erfreulicher als in der Branche bundesweit (-3,9 %) und zum anderen deutlich besser als im Durchschnitt der hessischen Industrie dar (-6,2 %) dar. Während von der Inlandsnachfrage positive Impulse für den Umsatz ausgingen (+5,5 %), verfehlte der Umsatz mit dem Ausland das Vorjahresniveau um 1,7 %. Diesen Ergebnissen für die Branche insgesamt liegen auf der Ebene der Chemischen Industrie einerseits und der Pharmaindustrie andererseits konträre Entwicklungen zu- grunde. Während bei Ersterer der Umsatz im Corona-Jahr 2020 unter dem Niveau des Vorjahres zurückblieb (-5,0 %), konnte Letztere ein kräftiges Umsatzplus von 8,4 % er- wirtschaften – abweichend von der Pharmaindustrie bundesweit (-7,1 %). Von einer pan- demiebedingten Sonderkonjunktur für die hessische Chemische und Pharmazeutische Industrie insgesamt kann somit nicht gesprochen werden, die Pharmazeutische Industrie allein betrachtet hat sich im Jahr 2020 allerdings weit überdurchschnittlich entwickelt. 15
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung Umsatzentwicklung in der Chemischen Industrie und in der Pharmazeutischen Industrie in Hessen und Deutschland 2015 bis 20201 Chemische Industrie Pharmazeutische Industrie in % zum Vorjahr in % zum Vorjahr bzw. Vorjahresquartal bzw. Vorjahresquartal 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 -5 -5 Umsatz 2020 Umsatz 2020 (in Mrd. Euro): (in Mrd. Euro): -10 -10 Hessen 15,4 Hessen 12,7 Deutschland 143,4 Deutschland 47,2 -15 -15 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 15 16 17 18 19 20 1/20 2/20 3/20 4/20 1 Die Quartalswerte sind nur eingeschränkt mit den Jahresangaben vergleichbar, da Erstere u.a. auf einem kleineren Berichtskreis basieren (Betriebe ab 50 versus ab 20 Beschäftigte). Quelle: Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Produktpalette und Produktionsschwerpunkte Ein Großteil der umfangreichen und vielfältigen Produktpalette der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie besteht aus Vorleistungen – sowohl für andere Wirtschafts- zweige als auch für andere Unternehmen der Branche selbst. Bedeutende Abnehmer- branchen sind z.B. die Kunststoffverarbeitung, die Automobilindustrie und die Bauwirt- schaft. Die Branche stellt aber auch Verbrauchsgüter her (z.B. Medikamente und Reini- gungsmittel). Die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen ist im Vergleich zur Branche bundesweit durch eine beträchtlich größere Bedeutung der Herstellung von pharmazeu- tischen Erzeugnissen charakterisiert: 41,9 % des Gesamtumsatzes der Branche im Jahr 2019 wurde mit pharmazeutischen Erzeugnissen (pharmazeutische Grundstoffe, so ge- nannte pharmazeutische Spezialitäten und sonstige pharmazeutische Erzeugnisse) er- zielt. Auf diese Sparte entfällt auf Bundesebene nur ein Umsatzanteil von 25,9 %. Hierzu zählen nicht nur Arzneimittel, sondern beispielsweise auch Impfstoffe, Zubereitungen für die medizinische Diagnostik und Verbandsmaterial. 16
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Im Gegenzug spielt für Deutschland insgesamt die Produktion chemischer Erzeugnisse (75,0 %) eine deutlich wichtigere Rolle als in Hessen (58,1 %). Innerhalb der Chemie zeigt sich dieser Unterschied nicht nur bei den chemischen Grundstoffen (Hessen: 38,7 %, Deutschland: 46,9 %) – hierzu zählen u.a. Industriegase, anorganische wie auch organische Grundstoffe aller Art und Kunststoffe in Primärformen –, sondern auch bei anderen Segmenten, d.h. bei der Herstellung von Zwischen- und Endprodukten durch Weiterverarbeitung chemischer Grundstoffe. Chemie- und Pharmaumsatz nach Sparten in Hessen und Deutschland im Jahr 2019 Hessen Deutschland Herstellung von … in Mio. in % in Mio. in % Euro Euro chemischen Erzeugnissen 16.258 58,1 147.441 75,0 chemischen Grundstoffen, Düngemitteln und Stickstoff- 10.838 38,7 92.307 46,9 verbindungen, Kunststoffen in Primärformen und synthetischem Kautschuk in Primärformen Schädlingsbekämpfungs-, Pflanzenschutz- u. Desinfektionsmitteln 964 3,4 5.228 2,7 Anstrichmitteln, Druckfarben und Kitten 1.156 4,1 11.186 5,7 Seifen, Wasch-, Reinigungs- und Körperpflegemitteln sowie 680 2,4 12.822 6,5 von Duftstoffen sonstigen chemischen Erzeugnissen 2.449 8,8 23.910 12,2 Chemiefasern 172 0,6 1.987 1,0 pharmazeutischen Erzeugnissen 11.714 41,9 50.831 25,9 pharmazeutischen Grundstoffen n.a. n.a. 1.653 0,8 pharmazeutischen Spezialitäten und sonstigen pharmazeutischen n.a. n.a. 49.178 25,0 Erzeugnissen Insgesamt 27.972 100,0 196.619 100,0 n.a. Zahlenwert geheim zu halten. Quelle: Statistisches Bundesamt, Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. Internationales: Außenhandel, Direktinvestitionen und Eigentumsverhältnisse Von den 28,1 Mrd. Euro Umsatz der Branche im Jahr 2020 entfielen 18,8 Mrd. Euro auf den Auslandsumsatz, was einer Exportquote von 66,6 % (Chemie: 69,2 %, Pharma: 63,5 %) gleichkommt. Damit ist die Branche nicht nur deutlich stärker international aus- gerichtet als die hessische Industrie insgesamt (53,4 %), sondern die Auslandsmärkte 17
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung sind für die Chemische und Pharmazeutische Industrie nochmals wichtiger als es für die Branche auf Bundesebene (62,0 %) bereits der Fall ist. Hessen exportierte im Jahr 2020 Güter der Chemischen und Pharmazeutischen Indust- rie im Wert von 19,5 Mrd. Euro (10,7 Mrd. chemische Erzeugnisse und 8,8 Mrd. Pharma), womit die Pharmaexporte in der Pandemie unverändert geblieben sind, während die Chemieexporte um 0,7 Mrd. Euro niedriger ausfielen. Die beiden wichtigsten Export- märkte für chemische Produkte aus Hessen waren im Jahr 2020 Polen mit deutlichem Abstand vor Frankreich, wobei bei den Exporten gen Polen der Anteil der Vorerzeugnisse überproportional hoch ausfällt. Bei den hessischen Pharmaexporten ist die wichtige Rolle des US-amerikanischen Marktes augenfällig: Mehr als ein Viertel des gesamten Exports findet in den USA einen Abnehmer – eine ausgeprägte Abhängigkeit von einem einzel- nen Absatzmarkt. Die VR China und Frankreich auf den Rängen zwei und drei erreichen nur einen Bruchteil des Stellenwerts der USA. Für die Pharmaexporte in die USA gilt, was für den hessischen Pharmaaußenhandel insgesamt gilt: Pharmazeutische Grund- stoffe spielen beim grenzüberschreitenden Warenaustausch nur eine untergeordnete Rolle; es dominieren verbrauchsfertige Arzneimittel oder auch Diagnostika. Hessischer Außenhandel1 mit chemischen Erzeugnissen im Jahr 2020: Export- und Importvolumen2 sowie wichtigste Handelspartner 1 Die Angaben beziehen sich auf Fertigwaren. 2 Eine Saldierung der Ein- und Ausfuhrwerte ist aufgrund unterschiedlicher Erfassungskonzepte nicht statthaft. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. 18
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Zusammengefasst sind 37,6 % der exportierten Fertigwaren Hessens des Jahres 2020 chemische (20,7 %) bzw. pharmazeutische (16,9 %) Erzeugnisse. Damit sind diese Gü- ter hessische „Exportschlager“ schlechthin, belegen aber auch in getrennter Betrachtung beim Export Hessens die ersten beiden Ränge unter allen Fertigwarengruppen. Diese außenwirtschaftlichen Angaben unterstreichen die hohe Bedeutung der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Hessen und für Hessen. Wie sieht es in der umgekehrten Richtung aus? Hessen importierte 2020 Erzeugnisse der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie für insgesamt 15,4 Mrd. Euro (2019: 15,5 Mrd. Euro). Davon entfielen 6,3 Mrd. Euro auf chemische und 9,1 Mrd. Euro auf pharmazeutische Erzeugnisse. Die bedeutendsten Herkunftsländer für chemische Er- zeugnisse waren 2020 die USA und Frankreich, wobei aus Frankreich vor allem Duft- stoffe und Körperpflegemittel eingeführt wurden. Nicht nur auf der Exportseite, sondern auch beim Blick auf den Import von Pharmazeutika zeigt sich die ausgeprägte Verflech- tung zwischen Hessen und den USA: Knapp ein Viertel aller hessischen Importe phar- mazeutischer Erzeugnisse des Jahres 2020 wurden aus den USA eingeführt. Es folgt mit der Schweiz der größte Pharmastandort weltweit. 19,5 % der gesamten hessischen Ein- fuhr von Fertigwaren des Jahres 2020 waren chemische (7,9 %) bzw. pharmazeutische (11,6 %) Produkte. Hessischer Außenhandel1 mit pharmazeutischen Erzeugnissen im Jahr 2020: Export- und Import- volumen2 sowie wichtigste Handelspartner 1 Die Angaben beziehen sich auf Fertigwaren. 2 Eine Saldierung der Ein- und Ausfuhrwerte ist aufgrund unterschiedlicher Erfassungskonzepte nicht statthaft. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen der Hessen Agentur. 19
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung Neben dem Außenhandel stehen auch die Direktinvestitionen9 für die Integration einer Branche in das weltwirtschaftliche Geschehen. Die Motive für derartige Investitionen im Ausland – bzw. umgekehrt für ausländische Investoren in Hessen – sind vielfältig. Sozu- sagen die klassischen Motive für Direktinvestitionen sind die Erschließung eines neuen Absatzmarkts durch den Aufbau eines Vertriebsnetzes vor Ort oder die Gründung einer Auslandsniederlassung (ggf. als Joint-Venture), um marktnah produzieren zu können. Aber auch z.B. die Übernahme eines Konkurrenten im Ausland oder die Beteiligung ei- nes ausländischen Finanzinvestors an einem hessischen Unternehmen sind Direktinves- titionen. Die heimische Chemische und Pharmazeutische Industrie ist in besonders hohem Maße mit dem Ausland verflochten, wie die Angaben über die wechselseitigen Direktinvestitio- nen zeigen: Zum Jahresende 2018 waren ausländische Investoren mit einem Betrag von insgesamt 9,9 Mrd. Euro an der Chemischen (1,6 Mrd. Euro) und Pharmazeutischen (8,3 Mrd. Euro) Industrie Hessens beteiligt. Dies stellt mehr als die Hälfte des Wertes für die hessische Industrie insgesamt (18,1 Mrd. Euro) dar. Die Branche am Standort Hessen ist nicht nur attraktiv für ausländische Investoren, son- dern die Branche investiert selbst in hohem Maße im Ausland. So wird der Direktinvesti- tionsbestand der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie Hessens im Ausland zum Jahresende 2018 mit 7,5 Mrd. Euro – 5,2 Mrd. Euro Pharma und 2,3 Mrd. Euro Chemie – angegeben. Die Chemische wie auch die Pharmazeutische Industrie ist dabei auf allen Kontinenten engagiert, wobei jeweils grob die Hälfte der Direktinvestitionen auf Europa entfällt. Die Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Branche in Hessen geben ebenfalls einen Einblick in die Internationalität der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie. Die der Tabelle vorangestellten Flaggen vermitteln einen ersten optischen Ein- druck über das zahlenmäßige Verhältnis zwischen deutschem und ausländischem Ei- gentum an den nachfolgend einzeln aufgeführten Unternehmen. Unter den zahlreichen ausländischen Investoren, die gut die Hälfte der Unternehmen stellen, sind zuvorderst die USA zu nennen. Die zum Teil komplexen Verflechtungen – so z.B. werden Beteili- gungen zum Teil über Drittländer gehalten oder ein Unternehmen befindet sich im Eigen- tum mehrerer anderer Unternehmen – erschweren allerdings bisweilen eine eindeutige Aussage. Zur Perspektive des investiven Engagements in Hessen tritt naturgemäß noch die Gegenrichtung: Zahlreiche Unternehmen der heimischen Chemischen und Pharma- zeutischen Industrie sind im Ausland aktiv und unterhalten dort z.B. Produktionsstätten. 9 Als Direktinvestitionen gelten grenzüberschreitende Beteiligungen am Kapital oder an Stimmrechten eines Unternehmens von 10 % oder mehr. Die Direktinvestitionsbestände werden – grob vereinfacht – aus dem Beteiligungskapital unter Berücksichtigung der wechselseitigen Kreditbeziehungen be- rechnet. Aufgrund einer Meldefreigrenze werden Direktinvestitionsobjekte erst ab einer Bilanzsumme von über drei Mio. Euro erfasst. Datenquelle der (vorläufigen) Angaben ist die Deutsche Bundesbank. 20
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Hessen Unternehmen Konzernmutter Sitz Unternehmen bzw Sitz Konzernmutter Abbott Konzern Abbott Laboratories Inc. USA AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG AbbVie Inc. USA Agfa-Gevaert Graphic Systems GmbH Agfa-Gevaert N.V. Belgien Allessa GmbH International Chemical Investors S.E. Luxemburg Alpina Farben GmbH, alsecco GmbH, Deutsche Amphibolin-Werke von Deutschland CAPAROL Farben Lacke Bautenschutz GmbH Robert Murjahn (DAW) SE (Familienbesitz) BASF Agricultural Solutions GmbH, BASF SE (börsennotiert) Deutschland BASF Lampertheim GmbH Bayer CropScience AG Bayer AG (börsennotiert) Deutschland B. Braun Melsungen AG Familienbesitz Deutschland BioNTech Manufacturing Marburg GmbH BioNTech SE (börsennotiert) Deutschland Biotest AG Creat Group Corporation Ltd. VR China Celanese Gruppe Celanese Corp. USA Clariant Gruppe Clariant AG (börsennotiert) Schweiz Coty Beauty Germany GmbH Coty Inc. USA CSL Behring GmbH CSL Ltd. Australien Curevac AG börsennotiert Deutschland delta pronatura Dr. Krauss & Dr. Beckmann KG Familienbesitz Deutschland Dow Silicones Deutschland GmbH Dow Inc. USA Dr. Schnabel GmbH SGL Carbon SE (börsennotiert) Deutschland Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG Familienbesitz Deutschland Evonik-Konzern börsennotiert, mehrheitlich RAG Stiftung Deutschland Ferro GmbH Ferro Corporation USA 21
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung Unternehmen Konzernmutter Sitz Unternehmen bzw. Sitz Konzernmutter Fresenius SE & Co. KgaA börsennotiert, überwiegend Streubesitz Deutschland GSK Vaccines GmbH GlaxoSmithKline plc Vereinigtes Königreich Kalle GmbH Clayton, Dubilier & Rice USA Kao Germany GmbH, Kao Manufacturing Kao Corporation Japan Germany GmbH, Guhl Ikebana GmbH Kuraray Europe GmbH Kuraray Co. Ltd. Japan Lilly Deutschland GmbH Eli Lilly and Company USA LyondellBasell / Basell Polyolefine GmbH LyondellBasell Industries N.V. Niederlande Merck KgaA börsennotiert, mehrheitlich Familienbesitz Deutschland Merz Gruppe Familienbesitz Deutschland Mitsubishi Polyester Film GmbH Mitsubishi Chemical Holdings Corp. Japan R-Biopharm AG mehrheitlich Familienbesitz Deutschland Röhm GmbH Advent International GmbH USA Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Sanofi S.A. Frankreich SE Tylose GmbH & Co. KG Shin-Etsu Chemical Co. Ltd. Japan SGL Carbon SE börsennotiert, größter Aktionär SKion GmbH Deutschland Siemens Healthcare Diagnostics Products Siemens AG (börsennotiert) Deutschland GmbH Solupharm Pharmazeutische Erzeugnisse Familienbesitz Deutschland GmbH USA / Vereinigtes Kö- STADA Arzneimittel AG größter Aktionär Nidda Healthcare GmbH nigreich The FilamentFactory GmbH Familienbesitz Deutschland WeylChem Gruppe International Chemical Investors S.E. Luxemburg Quelle: Recherchen der Hessen Agentur (2020/2021). Forschung und Entwicklung Produkt- aber auch Prozessinnovationen sind von entscheidender Bedeutung für die Branche, um sich im nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten zu können. Forschung und Entwicklung (FuE) kommt deshalb eine wesentliche Rolle. Einen ersten 22
Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen Eindruck der FuE-Aktivitäten der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie können die nachfolgenden Angaben geben: Gemäß ZEW10 wurden deutschlandweit in der Chemieindustrie 15 % und in der Phar- maindustrie 17 % des Umsatzes mit Produktinnovationen erwirtschaftet (2019). Dabei konnten 79 % der Pharmahersteller und 74 % der Chemieunternehmen erfolgreich neue Produkte oder Prozesse einführen. Dieser Anteil – die so genannte Innovatorenquote – der Pharmaindustrie ist in der Erhebung des ZEW für das Jahr 2019 die höchste Inno- vatorenquote aller bedeutenden Industriebranchen. Gemäß den aktuellen Angaben der zweijährlichen Erhebung des Stifterverbandes Wis- senschaftsstatistik, die auch Daten für Bundesländer ermittelt, hat die Chemische Indust- rie 2017 in Forschungsstätten in Hessen 462 Mio. Euro für FuE aufgewendet, die Phar- mabranche 1,1 Mrd. Euro. 11 Damit entfallen 22 % der FuE-Aufwendungen der hessi- schen Industrie auf die hiesige Pharmazeutische Industrie. Dies bedeutet den zweiten Rang hinter der Automobilindustrie (1,9 Mrd. Euro bzw. 37 %). Im Vergleich der Regionen lagen 2017 die FuE-Aufwendungen der Branche in keinem anderen Bundesland höher. Geforscht wird nicht nur bei Großunternehmen wie Sanofi im Industriepark Höchst oder Merck in Darmstadt, sondern auch von KMU. Speziell KMU aus dem Bereich Life Sci- ences finden im FIZ Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie sowohl eine maßge- schneiderte Infrastruktur als auch eine Förderung durch Initiativen und Netzwerke vor. 2002 gegründet, wurde das FIZ bereits mehrfach erweitert und bietet mittlerweile für rund 700 Beschäftigte in 20 Unternehmen Laborflächen und Büros. Nicht zuletzt im Kontext der Vernetzung ist auch das House of Pharma & Healthcare in Frankfurt am Main anzu- führen. Über die branchenspezifische und interdisziplinäre Vernetzung hinaus hat es u.a. die Aufgabe, präkompetitive Kooperationen für die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel aktiv zu unterstützen. Damit hilft es Wissenschaft und Wirtschaft, For- schungsressourcen optimal einzusetzen, Parallelforschung zu vermeiden und zügig zu anwendbaren Ergebnissen zu kommen. Die Vielzahl und das Renommee der Forschungseinrichtungen in Hessen tragen zur gro- ßen Bedeutung Hessens als Chemie- und Pharmastandort bei. Zu nennen sind z.B. – das Klinikum und der Fachbereich Biochemie, Chemie und Pharmazie der Goethe- Universität Frankfurt am Main mit insgesamt zehn Instituten einschließlich zweier LOEWE-Zentren – und zwar dem LOEWE-Zentrum Frankfurt Cancer Institut und dem LOEWE-Zentrum für Translationale Medizin und Pharmakologie TMP. An Ers- terem wird in mehreren Forschungsbereichen mit Partnern daran gearbeitet, klini- sche Beobachtungen mechanistisch zu erklären und so neue Therapieansätze für Patienten zu ermöglichen. An Letzterem wird gemeinsam mit Partnern daran 10 Vgl. ZEW (Hrsg.): ZEW Branchenreport Innovationen – Chemieindustrie, und ZEW Branchenreport Innovationen – Pharmaindustrie, Mannheim 2021. 11 Hierbei handelt es sich um die so genannten internen FuE-Aufwendungen, die den überwiegenden Teil der gesamten FuE-Aufwendungen ausmachen. Externe FuE-Aufwendungen sind Aufträge an an- dere Forschungsinstitutionen. 23
Sie können auch lesen