BRIENZ AM SEE FEKKER-CHILBI - DER SCHWEIZER FAHRENDEN - Gemeinde Brienz
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BRIENZ AM SEE 1. bis 3. Oktober 2010 FEKKER-CHILBI DER SCHWEIZER FAHRENDEN Jahrgang 34 Ausgabe 3 Oktober 2010 erscheint vierteljährlich
Inhalt Seite 3 Editorial Deutsch / Französisch von Sandra Bosshard 4 Die RG ist aktiv: Schwyz 5 Inserate 6 Fekker-Chilbi: Marta und Tschawo Minster von Thomas Huonker 7 Die RG ist aktiv 8-9 Fekker.Chilbi: Impressionen von Monique Werro 10 Fekker-Chilbi: Sponsoren 11 Bücherliste / DVD 12 Inserate 13 - 15 Medienberichte 16 - 19 Fekker-Chilbi: Die Jenischen oder Woher kommt eigentlich Gleichberechtigung? von Thomas Huonker 20 Medienberichte 21 Vernissage des Filmes „jung und jenisch“ sowie des Buches „Zigeunerhäuptling Martina Rieder und Caroline Arn, Willi Wottreng 22 - 23 Fekker-Chilbi: Fotoimpressionen 24 Fekker-Chilbi: Bootschen von Venanz Nobel 25 Wir nehmen Abschied 26 Infobox 27 Inserate 28 Letzte Seite 2
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser Chères lectrices, chers lecteurs, Noch immer im Rausch der Fekker-Chilbi 2010 - dem herrlichen encore sous le charme du Fekker-Chilbi 2010 - le temps Wetter, der wunderbaren Natur, der feinen Düfte, des fröhlichen magnifique, la nature merveilleuse, les parfums délicats, les éclats Gelächters, der lüpfigen Musik - schreibe ich Ihnen heute meine de rires, la musique dansante - je vous écris aujourd'hui mes Gedanken und Gefühle dieser himmlischen drei Festtage in Brienz pensées et mes sentiments sur ces trois jours de festival divins à am magischen See. Brienz sur les bords du lac magique. Nach der 1. Fekker-Chilbi 2009, welche ein toller Erfolg war, stand Après le 1er Fekker-Chilbi 2009 qui a été un franc succès, la barre die Messlatte dieses Mal noch höher. Die Vorbereitungen liefen auf était cette fois-ci encore plus haute. Les préparatifs battaient leur Hochtouren. Vor drei Monaten haben Monique Werro und ich, sowie plein. Monique Werro et moi, ainsi que de nombreux bénévoles, viele liebe Helfer die Organisation in die Hand genommen. Unser avons assuré l'organisation pendant trois mois. Notre objectif était Ziel war es, noch mehr Kultur zu zeigen und mehr Fahrende und de montrer encore plus de culture et d'atteindre encore plus de Gäste zu erreichen. Bald schon kamen die ersten Anmeldungen für gens du voyage et d'invités. Très vite, les premières inscriptions die Marktstände. Nach dem letztjährigen Erfolg, meldeten sich viele pour les stands sont arrivées. Après le succès de l'an dernier, de Fahrende neu an. Es war einfach toll, so viele bunte Stände den nombreux gens du voyage se sont à nouveau inscrits. C'était tout Gästen und Brienzern bieten zu können. simplement fantastique de pouvoir proposer autant de stands Bis zum letzten Glockenschlag waren wir mit den Vorbereitungen bigarrés à nos invités et aux habitants de Brienz. ausgelastet. Nervosität und Hektik lag in der Luft - wir wollten alles Nous avons croulé sous le poids des préparatifs jusqu'au dernier perfekt haben. Natürlich lief nicht alles perfekt, aber wir hatten alle coup de gong. La nervosité et l'effervescence étaient dans l'air - Engel auf unserer Seite: nous voulions que tout soit parfait. Bien sûr, tout ne s'est pas Das Wetter zeigte sich wieder von seiner besten Seite, die parfaitement déroulé mais le ciel était avec nous : Fahrenden kamen fröhlich und gutgelaunt auf uns zu und schon le temps nous a été à nouveau clément, les gens du voyage sont bald füllte sich der Quai mit Besuchern und interessierten venus à notre encontre de bonne et joyeuse humeur et bientôt le Einwohner. Was wollten wir noch mehr: die Fekker-Chilbi 2010 Quai s'est rempli de visiteurs et d'habitants intéressés. Que hatte begonnen. souhaiter de plus : le Fekker-Chilbi 2010 avait commencé. Eine meiner grössten Freude war im Anmarsch: ein lautes Une de mes plus grandes joies s'annonçait : un vrombissement Gebrumm, Gehupe und schon kam ein alter grüner Traktor um die bruyant, un coup de klaxon et déjà apparaissait un vieux tracteur Ecke. Marta und Tschawo waren im Anmarsch. Als ich den vert au coin. Marta et Tschawo arrivaient. Quand j'ai vu la wunderschönen alten Scharotl am Anhänger des Traktors sah, magnifique ancienne roulotte en remorque du tracteur, j'ai dû retenir musste ich meine Tränen zurück halten. Stolz fuhr Tschawo (schon mes larmes. Tschawo (déjà légèrement en hypothermie) conduisait leicht unterkühlt), mit seinem handgemachten Scharotl zu mir auf fièrement avec sa roulotte faite main. Quel moment de pouvoir voir den Rössliplatz. Was für ein Moment, so etwas sehen und spüren et ressentir quelque chose comme ça. On pouvait voir de la zu dürfen. Nostalgie, Wehmut, Geschichte war zu sehen. nostalgie, de la mélancolie, de l'histoire. Ce sont alors des moments merveilleux qui se sont suivis les uns Schlag auf Schlag folgten wunderbaren Momentente. Die après les autres. La cérémonie d'ouverture avec un grand nombre Eröffnungsfeier mit vielen tollen Gästen und beeindruckenden d'invités fantastiques et des discours impressionnants nous a Reden bewiesen uns, dass die Fekker-Chilbi einer der wichtigsten montré que Fekker-Chilbi est une des principales manifestations Anlässe für die Fahrenden ist. Sogar die Musikgruppen spürten pour les gens du voyage. Même les groupes de musique ont senti diesen speziellen Moment und spielten uns Musik von ihrer Seele. ce moment bien spécial et nous ont joué de la musique qui leur venait de l'âme. Das Markttreiben war schon im Gange. Alle Fahrenden fröhlich und unbeschwert, hatten sich viel zu erzählen. Man genoss die Le marché battait déjà son plein. Les gens du voyage joyeux et gemeinsamen Stunden ohne die alltäglichen Sorgen. sans soucis avaient tous beaucoup de choses à se raconter. On a Gross und Klein, Alt und Jung, Tier und Mensch, es war ein savouré les moments passés ensemble sans les problèmes magisches, unbeschreiblich- wunderschönes Zusammensein. quotidiens. Petits et grands, jeunes et vieux, humains et animaux, c'était une Von ganzem Herzen danke ich allen Menschen, welche uns diese réunion magique d'une beauté indescriptible. Fekker-Chilbi ermöglichten. Die einen unterstützen uns finanziell Je tiens à remercier de tout cœur tous les gens qui ont rendu ce oder mit Waren und Gutscheinen, die Anderen durch ihre Fekker-Chilbi possible. Les uns nous ont aidés financièrement ou unentgeltliche Hilfe. Ohne Euch alle wäre es nie möglich gewesen, avec des marchandises et des bons, les autres par leur travail diesen Anlass durchzuführen!!! bénévole. Sans vous tous, il n'aurait jamais pu être possible de Es war unwichtig, ob Jenisch oder Puur, es zählte einzig und alleine mettre en place cette manifestation !!! der Moment gemeinsam dies erleben zu dürfen. Peu importe qu'on soit yéniche ou "puur", c'est seulement le Danke Brienz, danke an alle Fahrenden, danke an unsere Gäste: moment de pouvoir vivre cela ensemble qui joue un rôle. wir kommen wieder im 2011!!! Merci à la ville de Brienz, merci à tous les gens du voyage, merci à nos invités : nous reviendrons en 2011 !!! Sandra Bosshard und die ganze Radgenossenschaft Sandra Bosshard et l'ensemble de la Radgenossenschaft 3
Die RG ist aktiv Hirnlos in Ibach Ibach bedeuten uns viel und haben uns «Wir setzen uns weiterhin Mut gemacht. Wir freuen uns auf ein Wi- für Schweizer Fahrende ein» Am 26. September fand in der Gemeinde dersehen. Zur Abstimmung vom 26. September über Schwyz eine Abstimmung über eine Unter den Gegnern eines Durchgangs- die Einführung einer Sonderzone für Fahren- „Sonderzone für Fahrende“ statt. Bereits platzes beeindruckten uns die Schützen de. IG Platz für Fahrende: im Vorfeld der Abstimmung wurde dieses Ibach besonders. Die Ibächler Schützen Die 1661 Ja-Stimmen zum Durchgangsplatz Geschäft aus der Zonenplanrevision in haben nichts gegen Fahrende, aber… Sie in Ibach haben uns sehr gefreut. Die IG Schwyz ausgegliedert, um eine Ableh- sahen in dem vorgesehenen Durchgangs- «Platz für Fahrende» dankt allen, die sich für das Anliegen eingesetzt haben. Der Ja- nung dieses „Generationenwerks“ zu ver- platz eine existentielle Bedrohung ihres Stimmen-Anteil betrug mehr als einen Drit- hindern und die rund zehnjährige Bearbei- Vereins „drohende Schliessung der tel. Dies ist ein beachtliches Resultat, ange- tung nicht zu gefährden. Schiessanlage wegen strengen Lärm- sichts der rechtlichen, technischen und fi- Der Zonenplan wurde deutlich angenom- schutzvorschriften des Bundes!“ ebenso nanziellen Probleme, die von der Gegner- men, 22 Hektaren neue Bauzonen weist wurde befürchtet, dass „keine Parkplätze schaft ins Feld geführt wurden. er auf. Die Sonderzone für Fahrende wur- mehr für grössere Schiessanlässe“ zur de ebenso deutlich mit 2652 zu 1661 Verfügung stehen würden. Auch fürchten Differenziertes Konzept fehlte Stimmen abgelehnt. sich die Schützen vor „Romas und Sinti, Dank einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit 1661 Wählerinnen haben der Schaffung welche in Frankreich und Italien ausge- konnte erreicht werden, dass sich ein gros- einer Sonderzone für einen Durchgangs- wiesen werden“. ser Teil der Bevölkerung differenziert mit der platz zugestimmt, wir danken diesen herz- Wir haben den Schützenverein zu einem Thematik auseinandersetzte. Verschiedene Seiten haben sich im Verlauf der Diskussio- lich für Ihre Zustimmung. sportlichen Wettkampf herausgefordert, nen öffentlich wie auch privat dazu bekannt, Die IG Pro Fahrende in Ibach hatte zu einem friedlichen Jagdschiessen, weil dass sie nichts gegen Schweizer Fahrende Beginn klar gestellt, dass nicht alle Ibäch- persönliche Begegnungen Vorurteile ab- hätten. ler gegen einen Durchgangsplatz sind, bauen helfen, weil wir von der völkerver- Zum Ausgang der Abstimmung haben nach sondern einen solchen als willkommene bindenden Wirkung des Sportes über- unserer Einschätzung folgende Aspekte Bereicherung der kulturellen Vielfalt in zeugt sind. Statt eines fairen Wettkamp- beigetragen: Es fehlte ein differenziertes Schwyz betrachten. Die persönlichen fes erhielten wir folgendes Schreiben: Konzept zum Erwerb und Betrieb des Plat- Begegnungen mit unseren Freunden in zes. Dies schürte Ängste, wie beispielsweise überdimensionierte Kosten oder die illegale Sehr geehrter Herr Huber Ibach den 08. Sept. 2010 Belegung des Durchgangsplatzes durch Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass unser Verein keine Jäger oder Jagdschützen hat ausländische Fahrende. Die Medienmeldun- und darum kein Wettkampf stattfinden wird. Leider konnte niemand gefunden werden. gen, welche von der Schliessung von Roma- siedlungen in den umliegenden europäi- Darum erkläre ich Sie bereits als „Sieger“, so wie Sie es bereits in einem Brief erwähnt hatten. schen Ländern berichteten, haben die ableh- Weil wir „nicht Schiessen können“, sind momentan alle Schützen betreffend der bevorstehen- nende Haltung bestärkt. den Abstimmung sehr beschäftigt und machen „demokratische Politik“. Wer dort schlussend- Unbeantwortet bleibt weiterhin die Frage, ob lich als „Sieger“ hervorgeht wissen wir auch noch nicht? die Schweizer Fahrenden einen Rechtsan- spruch auf die nötige Infrastruktur geltend Aufgrund der Aussage Sie „hie und da“ die Webseite der Schützen-Ibach betreffend neuesten machen könnten. Da sie als nationale Min- Ergebnisse im Schiessen anklicken, müssen wir folgendes feststellen: derheit anerkannt sind, müsste dies eigent- - Dass Sie unsere Webseite vor der Bekanntgabe eines Durchgangplatz Ortes, nicht mal eine lich vorausgesetzt werden können. Handvoll angeklickt haben. Mit dem Ausgang der Abstimmung vom 26. - Dass Sie, gemäss Brief vom sportlichen Schiessen leider keine grosse Ahnung haben. September wurde vorerst die Chance für - Dass die sogenannte Schiessvereinigung aus 3 unterschiedlichen Vereinen besteht. einen Durchgangsplatz in Ibach verpasst. - Dass wir auf weisse Scheiben mit schwarzem Punkt (1-10 Pkt) und Distanzen 10 / 50 / 300m Wir setzen uns jedoch weiterhin dafür ein, schiessen und nicht auf Jagdtiere oder Jagdziele. dass die Schweizer Fahrenden ihre alte - Dass wir ausschliesslich mit Sportwaffen schiessen. Lebensweise und Kultur praktizieren kön- - Dass der SV Ibach-Schönenbuch einer der besten Schwyzer Kantonal 300m Verein ist. nen. Die Begegnungen mit Jenischen haben (Ersichtlich auf div. Webseiten!) uns stets gefreut und unseren Horizont er- - Darum nehmen wir an, dass Ihre sportliche Begeisterung für das Schiessenwesen sich ein weitert. Die positiven Stimmen sind für die bisschen Aufgeblasen und in Grenzen hält. Schweizer Fahrenden eine Botschaft zur Bemerkungen: Offenheit und Toleranz. Sie lassen hoffen, Die Mitglieder der Schiessvereine haben überhaupt nichts gegen die Schweiz. Fahrenden. dass künftig Sesshafte und Fahrende auch Aber gegen eine erzwingende Politik, welche „Hirnlos“ und ohne „saubere Konzepte“ dem in unserer Gemeinde zusammenleben kön- demokratischen Bürger ein Zonenplan vorlegt, können wir nicht akzeptieren. Ebenfalls sind nen, als Beitrag zum Erhalt einer vielfältigen viele Punkte für ein Durchgangsplatz zwischen der Gemeinde und dem Kanton Schweizer Kultur. nicht geregelt. IG Platz für Fahrende: Franz Baumann, Rut Betschart, Ruth Gasser, Aurelia Imlig, Freundliche Grüsse Vorstand der Sportschützen Ibach Marlen Marty 4
Inserate Metall-Handel Transporte pfe r Ku sing und Entsorgung Mes Alum inium Bronce Chromstahl Nickel Walter Gmür Wartenbergstrasse 62 4133 Pratteln Telefon: 061 / 821 96 44 Fax: 061 / 821 12 52 Natel: 079 / 322 43 52 Angelo Graf Alteisen + Metalle Recycling Demontage aller Arten • Kupfer Angelo Graf • Messing 6252 Dagmarsellen • Alu • Bronce Tel: 079 647 58 06 • Zinn Tel: 079 794 96 62 • Inox 5
Die Fekker-Chilbi Marta und Tschawo Minster-Huser (von Thomas Huonker) Zwei Fahrende mit grosser Ausstrahlung Sie stammen beide aus fahrenden Familien, der Sinto Michael Minster, genannt Tschawo, und seine Frau, die Jenische Marta, geborene Huser. Sie hatten es nie leicht. Marta Minster wurde ihrer Familie von der Stiftung Pro Juventute entris- sen und wuchs in Heimen und als Verdingkind auf. Doch sie fand zurück in die Kultur der Fahrenden. Dies auch dadurch, dass sie sich in Tschawo Minster verliebte. Doch errst nach der Intervention eines Anwalts erlaubte die Pro Juventute ih- rem Mündel Marta die Heirat mit dem staatenlosen Sinto. Familie Minster wurde ebenfalls verfolgt. Aus dem faschisti- schen Italien verjagt, wollte sie in die Schweiz fliehen. Doch weil sie als Staatenlose keine Papiere hatten, schoben die Schweiz und Italien die heimatlose Familie immer bei Nacht und Nebel immer wieder über die Grenze. Es kam zu Schies- sereien mit den faschistischen Milizen, zu un- menschlichen Szenen im Hochgebirge, wo die Familie mehrfach tage- lang im Grenz- gebiet schutz- los umherirren musste, von beiden Seiten als uner- wünscht ver- jagt. Familie Minster wurde ins schweizeri- sche Zigeuner- register einge- tragen und ein halbes Jahr lang in ein Tes- siner Gefäng- nis gesteckt, in Abschiebehaft. Erst ab 1936 tolerierten die Behörden den Aufenthalt der Familie in der Schweiz. Sie verdiente sich durch Musik, Hausieren und Flick- handwerk ihr Brot. Als Staatenlose erhielten sie im 2. Weltkrieg keine Lebensmittelmarken und die erwachsenen Männer der Familie wurden zwecks Zwangsarbeit zum Bau der Sustenstrasse in ein Arbeitslager gesteckt. Auch nach dem Krieg blieben sie staatenlos. Tschawo Minster, in einem Stall in Laufen geboren, erhielt sein Schweizer Bürgerrecht erst 1991! Tschawo Minster ist ein begnadeter Bassist, und Marta Minster ist eine grossherzige Gastgeberin. Die beiden waren bei der Gründung der Radgenossenschaft dabei, im Jahr 1975, auch bei der abenteuerlichen Reise einiger Aktivisten nach Indien, ebenso bei der Besetzung des Luzerner Lidos 1985. Im Sommer unterwegs auf allen Plätzen der Fahrenden in der Schweiz, im Winter meist auf dem Standplatz in Bern. An jeder Fekkerchilbi, an allen Festen der Jenischen waren und sind sie anzutreffen. Stets war Tschawos Musik ein Höhepunkt. Doch in letzter Zeit hat er Mühe, in die Saiten zu greifen, das Alter macht sich bemerkbar. Einer seiner letzten Auftritte fand in der Zürcher Tonhalle statt, anlässlich der Verleihung des Fischhof-Preises an den Präsidenten der Radgenossenschaft 2009. Wir danken Marta und Tschawo Minster ganz herzlich für alles und wünschen ihnen weiter viel Glück und ein schönes Alter – im Scharotl. 6
Die RG ist aktiv!! RÜTTENEN Im Herbst 1987 bezogen 3 junge jenische Familien einen Platz auf dem Gelände des Bargetzi Steinbruchs in Rüttenen. Franz Bargetzi überliess ihnen das Grundstück kostenlos. Im selben Jahr kam Charles Huber jun. zur Welt. Die Familie Huber-Bader richtete sich ein und lebt seither in Rüttenen. Die Gemeinde weigert sich bis heute, ihre Schriften anzu- nehmen. Charlys Auto hat Walliser Nummern. Im Januar 2006 wurden Hubers wegen nicht standortgerechter Bauten im Wald von der Gemeinde Rüttenen angezeigt. Da das Gelände nicht im Wald liegt, folgte eine Verfügung wegen Bauten ausserhalb der Bauzone. Hubers Chalets (dt. Wohmobils) soll- ten abgerissen und ihr Aufenthalt in Rüttenen auf die Wintermonate beschränkt werden, wenn es nach dem Willen der Gemeinde ginge. Vom Bau- und Justizdepartement wurde der Fall ans Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dann ans Bundesgericht weitergereicht, das ihn wieder ans Verwaltungsgericht zurückwies, wo er heute noch hängig ist. Im März 2010 kündigte die Bürgergemeinde Solothurn den Hubers und forderte die Räumung des Platzes auf den 30.4.2011. Da die Bürgergemeinde nicht Besitzerin des Geländes ist, folgte wenig später die Kündigung durch die rechtmässige Besitzerin. Die- se Kündigung wurde von uns am Richteramt Solothurn-Lebern angefochten. Mit einem jahrelangen zermürbenden juristischen Hick-Hack soll Hubers das Leben schwer gemacht werden. Die Gemeindebe- hörde scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die jenische Familie zu vertreiben. Wir haben beim Verwaltungsgericht beantragt, dass die Gemeinde Rüttenen alle Akten, die die Familie Huber-Bader betreffen, herausgibt. Wir wollen wissen was da gespielt wird. Wir hoffen, dass die Zeiten vorbei sind, als jenische Familien ohne Weiteres von Gemeindebehörden vertrieben werden konnten. Wir haben eine Radgenossenschaft. Weitere News in der nächsten Ausgabe. MONTE CENERI MUSS BLEIBEN!!! Der Platz auf dem Ceneri ist auf Ende Oktober gekündigt. Er wird von der Radgenossenschaft seit 1985 betrieben. Die Verhandlun- gen um einen Ersatzplatz ziehen sich dahin, wir haben bis heute keine verbindliche Zusage. In den Standberichten der Stiftung „Zukunft für Schweizer Fahrende“ ist der Ceneri der einzige Platz der keine Mängel aufweist, mit dem die Benutzer voll und ganz zufrieden sind. Es ist der einzige Platz in der Schweiz, der von Fahrenden selbst verwaltet wird. Es wird uns nicht möglich sein, den Ceneri zu verlassen, bis ein geeigneter Ersatzplatz gefunden worden ist. Im Tessin müssen wir Angst haben uns zu wehren, unsere Anliegen an die Öffentlichkeit zu tragen, weil dort immer wieder auf Fahrende geschossen wird. Besucht den Ceneri noch im Oktober!!!!! Wir müssen alles daran geben, diesen Platz behalten zu können oder im Minimum ein gleichwertiger Platz dafür zu erhalten. Radgenossenschaft der Landstrasse An die Schweizerische Depeschenagentur Hermetschloostrasse 73 Schweizerische Depeschenagentur AG 8048 Zürich Länggassstrasse 7 Presseabteilung inland@sda-ats.ch / wirtschaft@sda-ats.ch Medienmitteilung: Rassismus als Geschäftsvorteil? Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug eröffnete anfangs Oktober eine Strafuntersuchung gegen einen Zuger Altgold-Händler. Dieser lobet sich in einem Inserat, erschienen im amtli- chen Anzeiger der Bezirke Solothurn, Lebern, Bucheggberg und Wasseramt vom 5. August 2020, als „Nr. 1 in der Schweiz beim Altgold-Ankauf“. Er betreibt sein Geschäft mobil. Der Zu- ger Goldhändler hat allerdings Konkurrenz, nämlich fahrende Händler, welche schon seit Jahr- zehnten Altgold ankaufen. Diese beschimpft der Zuger im inkriminierten Inserat als „Fahrende ohne jede Sachkenntnis von Schmuck und Gold“. Von ihnen werde „das Blaue vom Himmel herunter gelogen“. In der Schweiz besteht Gewerbefreiheit. Hingegen ist Rassismus verboten. Dass ein Gewerbe- treibender seine Konkurrenz mittels rassistischer Beschimpfungen ausstechen will, um besser ins Geschäft zu kommen, darf nicht geduldet werden. „Rassismus ist in der Schweiz ein Offizialdelikt. Dass ein solches Inserat in einem amtlichen Anzeiger erscheinen konnte, ist vollends unbegreiflich und eigentlich ein Fall auch für die Solothurner Justiz.“ So sagt es die Radgenossenschaft der Landstrasse, die Dachorganisation der Fahrenden in der Schweiz, welche das Verfahren in Zug ins Rollen brachte. Es würde uns freuen, wenn Sie diese Pressemitteilung weiterverbreiten würden. Für Nachfragen stehen wir zur Verfügung. Mit freundlichen Grüssen Radgenossenschaft der Landstrasse 7
Die Fekker-Chilbi Die Einwohnergemeinde Brienz, der Hotelierverein Brienz und ten, Jenischen sowie den Medien und informativen Veranstaltun- Brienz-Tourismus haben vom 1. bis 3. Oktober 2010 zum zweiten gen. Mal die Fekker-Chilbi der Schweizer Fahrenden organisiert. Die Jenischen kamen als Fremde, vorsichtig, sich umhörend, Mit grosser Freude haben wir diese Chilbi vorbereitet und wir wachsam! Sie wurden mit offenen Armen empfangen! Und als die erste Fekker-Chilbi 2009 zu Ende war, gingen unsere Fahrenden als Freunde von dannen. Fekker-Chilbi 2010 Unser Dank geht dieses Jahr an Dr. Tohmas Huonker für seine bewegende interessante Begrüssungs-Ansprache; an Venanz Nobel für die Ausstellung seiner Skulpturen sowie der Organi- sation der ersten Schweizer Bootschmeisterschaft (gewonnen von Daniel und Robert Huber); an Urs Walder für seine meister- haft komponierten Fotos der Jenischen, welche er seit 20 Jahren begleitet; spezielle Anerkennung geht vor allem an unsere „Schwyzerörgeler“ die mit ihrem Spiel bis in alle Nacht hinein Heiterkeit, Frohmut und Daseinsfreude darboten. Die Gruppe Caravane gehört zu unserer Chilbi und brachte Zigeuner-Weisen, danken allen teilnehmenden Fahrenden, dass sie das Wochen- ende an unserem magischen Brienzersee verbracht haben. Ein lang gehegter Wunsch ging für mich in Erfüllung, denn schon 2004 nach einem Besuch von Robert Huber im Seehotel Bären wollten wir zusammen die Chilbi neu in Brienz durchführen. Auch Sergius Golowin war von der Idee angetan – doch die Krankheit von Robert Huber, das schlimme Unwetter in Brienz und der Tod von Sergius Golowin verhinderten die Umsetzung. Juli 2009 schickte ich erneut eine Anfrage an die Radgenossen- schaft dieses Treffen der Jenischen in Brienz auszurichten. Alle waren begeistert von der Idee, die Zuständigen in Brienz, die Leitung der Radgenossenschaft und so haben wir, Sandra und ich, kurzfristig die Organisation der ersten Brienzer Fekker-Chilbi Wehmut und doch auch wieder Lebenslust und Ausgelassenheit. Ein ganz besonderes Lob und innigen Dank sprechen wir allen Jenischen aus, die mit ihren Marktständen und ihrem Da-Sein Lebensfreude, Fröhlichkeit und Atmosphäre auf den Quai und nach Brienz brachten. Der Platz beim Forsthaus oben am See war belegt mit Caravans aller Grössen und abends hörte man Musik sowie Gesang rund ums Lagerfeuer. So schön kann das Zigeunerleben sein! Den Partnern vor allem der Migros Genossenschaft, Pro Helvetia Zürich und verschiedenen Kantonen gebührt ein riesiges Merci für die Unterstützung. Viele Sponsoren aus der Region ermöglich- ten mit ihren Gaben, Spenden und Gutscheinen, dass dieser An- lass überhaupt durchgeführt werden konnte. Bei Christian Fotsch übernommen. Thomas Meier aus Interlaken kreierte und offerierte vom Hotel Lindenhof in Brienz bedanken wir uns von Herzen, für die Chilbi ein neues attraktives Logo. dass er bereits zum zweiten Mal das Festzelt gesponsert hat. Ohne ihn – kein Zelt! Wobei der Föhnsturm Sonntagnacht das Mit Erfolg konnte die erste Fekker-Chilbi – bei herrlichstem Wet- Festzelt vom Rössliplatz wegfegte… direkt in den Brienzersee! ter – durchgeführt werden, mit einem Dialog zwischen Sesshaf- 8
Die Fekker-Chilib Ein herzlicher Dank geht an all die freiwilligen Helfer, an Thomas Schichtar für die Leitung des Festzeltes, an Peter Huggler, der für das leibliche Wohl der Gäste sorgte und sie bekochte. Positiv berichteten die Medien über die Fekker-Chilbi. Auch einige der Probleme und Hauptanliegen der Jenischen wurden aufge- nommen und besprochen; wir hoffen, dass sich mit den Kantonen und den einzelnen Gemeinden gute Lösungen für die langfristige Errichtung von Durchgangs- und Standplätzen erarbeiten lassen. Last but not least geht ein grenzenloses DANKESCHÖN an Sandra für ihren Rieseneinsatz (ohne den es keine Fekker Chilbi gäbe), für ihre Geduld, gute Laune, die umsichtige und tatkräftige Umsetzung unserer Ideen und Visionen. Wir freuen uns alle auf 2011 und auf die 3. FEKKER-CHILBI vom 30. September bis 2. Oktober 2011! Machet mit! Es härzlechs Willkomme am magische Brienzersee! Monique Werro (em Name nah o fasch e Jenischi) SEEHOTEL BÄREN BRIENZ 9
Unsere Sponsoren der Fekker-Chilbi Unterstützt von:: Pro Helvetia Migros Kulturprozent Finanzverwaltung Kanton Aargau Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende Schweiz. Bischofskonferenz, Fribourg Finanzverwaltung Obwalden Finanzverwaltung Kanton Solothurn Finanzverwaltung Kanton Luzern Allianz Suisse, Zürich Hauptsponsoren Hotel Lindenhof AG Feldschlösschen, Rheinfelden Sponsoren (Gutscheine + Spenden) Grindelwald-First-Bahn, Grindelwald Abegglen Ernst, Ford Garage Brienz Hotel Art Chalet, Stefan Lanz, Ebligen Aquaviva, Peter Margowski, Brienz Hotel Bellevue, Fam. Grossmann, Niederried Bianchi AG, Comestible, Zufikon Hotel Brienz, Fam. Wettach, Brienz Brienzer Rothorn-Bahn, Brienz Hotel Chemihüttli, Fam. Rubi, Axalp Coca-Cola, Bolligen Hotel Wildbach, Ruedi Graf, Brienz Eco-Bug, Thomas Schichtar, Aarberg Iseli Gemüse, Täuffelen Egli, Metzgerei, Brienz Isler Dr. Martin, Brienz Frei Karl & Mary, Weisslingen Jungfraubahn, Interlaken Gasser AG, Schwarzenburg Landi, Brienz Glutz-Privat-Ermittlungen, Interlaken (www.glpi.ch) Lüthi Dr. Kaspar, Brienz Gourmador, Unterseen Manufaktur Jobin AG, Brienz Growa, Wilderswil Naturheilmittel Landmesser AG, Brienz Grümpel-Sepp, Antikhandel, Brünig News Sport, Peter Miescher, Brienz H & R Gastro Niesen-Bahn, Mülenen Hochstrasser Kaffee AG, Littau Pedi-Relax, Pedicure Bären, Brienz Hotel Alpbach, Fam. Gerber, Meiringen Rothorn-Apotheke, Fam. Sempf, Brienz Hotel Brienzerburli & Löwen, Fam. Huggler, Brienz Rugenbräu Twister, Interlaken Hotel Steinbock, Fam. Kovacevic, Brienz Schäft quant, Venanz Nobel Hotel Weisses Kreuz, Frau Wenger, Brienz Schild Elektro, Brienz Howeg Prodega AG, Ebikon Schilthorn-Bahn, Lauterbrunnen Jenny und Banholzer, Papeterie, Meiringen/Brienz Schynige-Platte-Bahn, Wilderswil Kunz Werner, Gärtnerei, Brienz Titlis Rotair Bergbahnen, Engelberg Mamin Albert, Weingut Montreux, Blonay Pasc Computing Schwarzgruber, Meiringen Gastgeber Pro Brienz Shopping, Brienz Einwohnergemeinde Brienz Radgenossenschaft der Landstrasse, Zürich Mitglieder des Hoteliervereines Brienz Raeuber Heizoel, Interlaken Festzelt Raiffeisenbank, Brienz Hotel Brienzerburli & Löwen, Brienz Rodi Holzwaren, Brienz Hotel Lindenhof, Brienz S’Lädeli, Schleinikon Seehotel Bären, Brienz Seehotel Bären, Monique + Ariane Werro, Brienz Siegrist AG, Gipsergeschäft, Brienz Plakat und Logo Spielakademie Brienz, Hans Fluri, Brienz Thomas Meier, Interlaken Werbeschriften, Ringgenberg Grafikatelier Martin Moser, Bern Züllig Benny, Haustechnik, Brienz Sonstige Unterstützung Spielakademie Brienz, Hans Fluri Gutscheine und Waren Aladin Boutique, René Maier, Brienz Organisationskomitee Ballenberg Landschaftsmuseum, Hofstetten Hotelierverein Brienz Bino’s Pizzeria, Brienz Monique Werro, Peter Huggler, Ruedi Rubi Boutique Ganesha, Bären, Ariane Werro, Brienz Radgenossenschaft der Landstrasse Casagrande, Boutique & Souvernirs, Brienz Sandra Bosshard Cave Fin Bec, Sion Erstellung Pressemappe und Festführer sowie Druck Diversey, Münchwilen Radgenossenschaft der Landstrasse, Sandra Bosshard Grandhotel Giessbach, M. Kögl, Direktion, Brienz 10
Bücherliste DVD ___ Stk. “Kinder der Landstrasse” Die Geschichte der Verfolgung der Jenischen Neuproduktion Spielfilm und Interviews auf DVD 2010 Fr. 38.--* ___ Stk. „Von Menschen und Akten” Die Aktion „Kinder der Landstrasse“ der Pro Juventute Buch inkl. DVD-Rom (PC) von Sara Galle/Thomas Meier Fr. 38.-- * ___ Stk. „Versorgt und vergessen” Ehemalige Verdingkinder erzählen Buch von Marco Leuenberger, Loretta Seglias Fr. 38.--* ___ Stk. „Fahrende unter Sesshaften” Probleme mit einer anderen Lebensweise Bundesamt für Kultur Fr. 38.--* ___ Stk. „Kinder zwischen Rädern“ Historische Studie von “Das Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse” / Kurzfassung Herausgegeben im Auftrag des Bundesamtes f. Kultur Fr. 10.-- * ___ Stk. “Das volle Leben” Frauen über 80 erzählen (mit Urselina Gemperle, Schwester von Röbi Huber) Hör-CD‘s (6 Stk.) von Susanna Schwager Fr. 45.--* ___ Stk. “Entrissen und entwurzelt“ Direktbetroffener berichtet über sein Leben in Romanform Bd. I Peter Paul Moser Fr. 25.--* ___ Stk. “Die Ewigkeit beginnt im September“ Direktbetroffener berichtet über sein Leben in Romanform Bd. II Peter Paul Moser Fr. 25.--* ___ Stk. “Rassendiskriminierung und Verfolgung“ Direktbetroffener berichtet über sein Leben in Romanform Bd. III Peter Paul Moser Fr. 25.--* ___ Stk. „Zigeunerhäuptling“ Willi Wottreng erzählt die Lebensgeschichte von Robert Huber Fr. 39.90* ___ Stk. “Schlussbericht über die Verteilung“ Schweizer Fonds zugunsten von Holocaust-Opfern Büchlein mit Verteilschlüssel und Auszahlungsberichten Fr. 15.--* ___ Stk. „Die Verfolgung der Jenischen in der Schweiz“ Von 1926—1973 (DVD von Dr. Thomas Huonker) Fr. 20.--* _______________________________________________________________________________________ Talon senden an: RADGENOSSENSCHAFT DER LANDSTRASSE / Hermetschloostrasse 73, 8048 Zürich Ich bestelle oben gekennzeichnete Artikel gegen Rechnung und bestätige mit meiner Unterschrift, diese innert 30 Tagen zu begleichen. Name, Vorname: ______________________________ Adresse: _________________________________________ PLZ, Ort:__________________ Datum:__________________ Unterschrift::_________________________________ *(Zuzüglich Porto und Verpackung) 11
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Medienberichte Vorzeigeschweizer auf Rädern Sie hat auch kein Problem damit, dass sie in der Gemein- schaft als Frau eine Rolle einnimmt, die ein «Sesshafter» An der Fekker-Chilbi in Brienz haben sich am Wochenende die wohl als antiquiert brandmarken würde. Sie kümmert sich um Schweizer Fahrenden grosse Mühe gegeben, sich als recht- den Haushalt, darum, dass der Wohnwagen sauber ist. schaffene Bürger zu präsentieren. Schon bald möchte sie Kinder, vier am liebsten. Benötigt ihr Mann bei der Arbeit Hilfe, springt Franziska ein. Doch Jeremy Franziska Kunfermann hat sich aus Liebe zu Jeremy Huber für ein Le- ist stolz, wenn er genug Geld nach Hause bringt, damit Fran- ben als Jenische entschieden. (Franziska Scheidegger) ziska nicht arbeiten muss. «Eine Frau sollte eine Frau sein», Ein Fahrender hatte eigentlich keinen Platz in den Zukunfts- sagt auch Daniel Huber, der 43-jährige Vater von Jeremy. plänen von Franziska Kunfermann aus dem Dörfchen Zillis im Damit sein Sohn fähig ist, an wechselnden Orten für das Ein- Graubünden. Sie hatte vor, später die Hotelfachschule zu kommen der Familie zu sorgen, hat er ihm so manches beige- bracht. Er hat ihm das Messer- schleifen und das Jagen gelehrt. Er hat ihn in den Antiquitäten- handel eingeführt, hat ihm ge- zeigt, worauf es beim Alteisen- handel ankommt und wie man mit dem Verkauf von Knoblauch Geld verdient. «Ein Jenischer hat viele Berufe», sagt Jeremys Vater. Daniel Huber ist der Präsident der Radgenossenschaft der Landstrasse, der Dachorganisati- on der Jenischen in der Schweiz. Im Gespräch mit Gemeinden und Behörden kämpft er für die immer gleichen Anliegen: Er fordert mehr Durchgangsplätze für die Fahrenden und mehr Standplät- besuchen, und überhaupt – gerade 13 Jahre war sie alt, in ze, auf denen sie überwintern ihrem Leben schien noch wenig vorbestimmt und vieles mög- können. Und er hat sich vorgenommen, gegen die Vorurteile lich. Sie sass mit ihrer Mutter in einem Restaurant beim Kaf- anzukämpfen, die er bei den Sesshaften gegenüber den Fah- fee, als er zur Tür hereinkam: Jeremy Huber, 16 Jahre alt renden ortet. Die Fekker-Chilbi in Brienz bietet ihm und seinen damals, kam gerade von der Jagd. Jeremy hatte keine Pläne, Radgenossen einen idealen Rahmen dafür. was er werden wollte, Jeremy war, was er ist: ein Jenischer. In Brienz Vorurteile bekämpfen Einer von über 30 000 Jenischen in der Schweiz, einer von Die Ursprünge des jährlichen Treffens der Jenischen gehen jenen wohl etwa 3000 bis 5000, die noch heute fahrend le- wohl auf das 16. Jahrhundert zurück. In den 1980er-Jahren ben. Sie spielten Dart zusammen, er liess sie gewinnen, sie wurde die Tradition wieder aufgenommen, und dieses Wochen- verliebten sich. ende findet die Chilbi zum zweiten Mal in Folge in Brienz statt. Wagen statt Haus, Kind statt Beruf Besen und Handtücher, Bohrer, antike Möbel, Kuhglocken, Als Jeremy volljährig wurde und zu seinem eigenen Wohnwa- Honig – verkauft wird alles, was einen Käufer finden könnte. gen kam, zog Franziska zu ihm. Seither leben sie als Mann Hier hört man die lüpfigen Töne eines Schwyzerörgelis, da wird und Frau. Verheiratet sind sie nicht, aber bei den Jenischen exzellente Hirschwurst verkauft (geschossen wurde das Tier gilt als Ehepaar, wer gemeinsam in einem Wohnwagen übrigens unlängst in den Bündner Wäldern von Jeremy). Ein wohnt. Franziska ist heute 18 Jahre alt und in der jenischen ganz gewöhnlicher «Märit» freilich ist es nicht. Viele Frauen Gemeinschaft akzeptiert. Sie hat die jenische Sprache ge- tragen opulenten, goldenen Schmuck, es wird laut gelacht und lernt, was eher aus Akzeptanz- als aus Verständigungsgrün- gerufen, es geht ausgelassener zu als an einem beliebigen den nötig war – die Jenischen sprechen heute vorwiegend Dorfmarkt. Doch die Frage, was die Jenischen von den Sess- Deutsch untereinander. Der Traum, im Hotel zu arbeiten, ist haften unterscheidet, soll in Brienz nicht im Vordergrund ste- heute keiner mehr. Dafür hat sie, die ohne Vater aufgewach- hen. (Fortsetzung Seite 14) sen ist, nun eine ganze Sippe als Familie. 13
Medienberichte Das merkt man sofort, wenn man mit den Menschen spricht, „Der Brienzer“ die all die Waren feilbieten. Alle betonen, wie schweizerisch sie «Die Erde ist ein Geschenk an alle Lebewesen» lebten. Man lernt: Jenische besuchen das Militär. Jenische Zweite Fekker-Chilbi auf dem Brienzer Quai bezahlen Steuern, Jenische haben einen Gewerbeschein, Jeni- sche sind ordnungsliebend und häuslich. Jenische schätzen Die Radgenossenschaft der die saubere Schweiz, Jeni- Landstrasse bedankte sich mit sche sind Patrioten. einem schönen Markt, mit einem reichen Kulturpro- Schweizer, nicht Roma gramm und mit viel Offen- Fragt man die Frauen und heit dafür, dass sie auf dem Männer nach ihrem Ver- Brienzer Quai bereits zum hältnis zu den Roma, die zweiten Mal Gastrecht und derzeit überall in den Unterstützung für die Fek- Schlagzeilen sind, ist der ker-Chilbi fand. «Die Erde ist Tenor stets folgender: Sie, ein Geschenk an alle Lebe- die sich zum alteuropäi- wesen», sagte Daniel Huber, schen Kulturkreis zählen, Präsident der Genossen- Ruedi Rubi, Präsident Hotelier- hätten nichts mit rumäni- schaft. verein Brienz, und Drehorgel- schen oder bulgarischen Spieler Boris Gass (links). Roma zu tun, mit «diesen Zigeunerromantik hat eher Michael und Marta Minster könnten viel wenig mit dem Alltag der Jeni- von Misstrauen und Ungerechtigkeit erzäh- Indianern», wie ein älterer len: Sie lächeln und schweigen. Herr sagt. Sie empfänden schen in der Schweiz zu tun. Etwas aber schon. «Die Fahren- es als ungerecht, wenn die den lieben das Beisammensein draussen am Feuer», sagte negativen Schlagzeilen um Roma auf sie zurückfielen, wenn Daniel Huber, Präsident der Radgenossenschaft der sie für den Müll und die Fäkalien verantwortlich gemacht wür- Landstrasse, in seiner Eröffnungsansprache der zweiten Fek- den, die Roma auf «ihren» Plätzen zurückliessen. Viele be- ker-Chilbi in Brienz. Wer sind die Jenischen? An der Fekker- richten davon, dass sie immer häufiger auf einen Durch- Chilbi konnte man sie persönlich kennenlernen. Es war viel gangsplatz kommen und dort Roma vorfinden. «Dann kann über die Fahrenden, deren Heimat die Schweiz ist und die es schon zu Konflikten kommen», sagt Daniel Huber, der be- vielfach gar keine Fahrenden mehr sind, über ihre Kultur und fürchtet, dass nun vermehrt Roma aus Frankreich in die vor allem auch über ihre Geschichte zu erfahren. In einer Schweiz kommen werden und den hiesigen Jenischen die schön gestalte- Plätze wegnehmen. ten Ausstellung Und man lernt: und mit den Auch Fahrende operieren durchaus mit den Begriffen hei- eindrücklichen misch und Schwarzweiss- fremd. Ein fotografien von mehrfach Urs Walder, mit gehörtes zwei Filmen, Argument: und – das Be- Christine Gerzner, Lisbeth und Claude Birchler, Jean- sondere an Baptiste Birchler (vlnr) mit den Jungen Charly (links) und «Wir sind Gino Gerzner der Chilbi – in unbescholte- der direkten ne Schweizer Begegnung. Eigentlich wäre die Schweiz fünfsprachig, denn Bürger, es Syntax, Joseffa und No Mad, die Manoche-Rapper-Gäste aus Paris (vlnr die Jenischen haben ihre eigene Sprache. Eine allerdings, kann nicht deren Geheimnisse nicht alle gern preisgeben: Sie diente zur sein, dass Kommunikation, wenn es Probleme mit den Sesshaften und uns Roma den Platz wegnehmen.» Auf keinen Fall könnten ihren Behörden gab. Grossrätin Christine Häsler erinnerte in sie, die Jenischen, für Probleme mit den Roma verantwortlich ihrer Ansprache daran, dass die Pro Juventute mit der Aktion gemacht werden. Einige betonen zwar auch, wie derzeit in «Kinder der Landstrasse» den Fahrenden ihre Kinder wegge- Frankreich mit den Roma umgesprungen werde, fänden sie nommen hat, um sie «den asozialen Lebensverhältnissen» zu falsch. Doch gegen das Eigeninteresse kommt die Solidarität entziehen. Ein Vorgehen, das zu unendlichem Leid geführt unter Fahrenden nicht an. Wie viele andere fordert auch Da- hat, insbesondere auch, weil die durch die Wegnahme schwer niel Huber getrennte Plätze: Durchgangsplätze für Schweizer traumatisierten Kinder oft nicht gut behandelt wurden. Auch Fahrende, Transitplätze für Roma auf der Durchreise. heute noch sind die Fahrenden nicht immer gern gesehen. (Der Bund, Tim Kollbrunner 4.10.2010) Projekte für neue Stand- oder Durchgangsplätze scheitern am «Volkswillen». 14
Medienberichte Die bestkontrolliertesten Schweizer so ist: «Niemand will die Fahrenden: die anderen sollen die Die Schweizer Jenischen leisten Militärdienst und zahlen Steu- doch nehmen – nur wir nicht!» In Brienz war das zumindest ern. «Die Mentalität ist dieselbe wie bei den Sesshaften: Si- während der drei Chilbi-Tage anders. Im Gegenzug wurde der cherheit und Ordnung stehen an oberster Stelle», sagte Daniel Brienzer Quai für einmal sehr erfreulich herbstbunt, und es Huber. Die Fahrenden seien die bestkontrolliertesten Schwei- klang im Festzelt nach Heimat und Fernweh, nach Unter- zer, fügte er leicht ironisch an. Auf einigen Durchgangsplätzen wegssein, zuweilen auch ein bisschen nach Puszta, Saintes- komme nämlich die Polizei drei Mal wöchentlich auf den Platz. Maries-de-la-mer und gesungenem Protest gegen Verstösse «Nun stelle man sich mal vor, dass drei Mal in der Woche ein gegen die Menschenrechte, die gegenüber Fahrenden immer Polizist an der Haustür steht und den Ausweis verlangt». Diese wieder vorkommen. bestkontrollierten Schweizerinnen und Schweizer feiern aber auch gern und gut, wie sich an der zweiten Fekker-Chilbi in Brienz zeig- te. Mit viel Mu- sik und mit einem Markt, der dieses Jahr vielfältig Frauenpower (vlnr): Gemeindepräsidentin Annelise Zimmer- war. Hans Fluri mann, Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber und Grossrätin vom Spielhotel Christine Häsler. Im Hintergrund Martin Casagrande, Präsident von Brienz Tourismus. Sternen sorgte für eine zusätzliche interaktive Belebung des Quais und im Festzelt gab es ein kulinarisches Angebot. Viel Spielfreude und Spass bot das Bootsch-Turnier. Mit Pflastersteinen wurde dabei Richtung Plamp geworfen. Dieser Plamp war eine Bierdose. So viel jenisch sei hier ver- raten: Plamp heisst Bier. Internationalität bekam die Chilbi mit «Syntax», dem Manoche-Rapper aus Frankreich. Sein Mit- spieler hiess «No Mad». Nicht verrückt, aber ein Nomade. Die «Wohltünere» war dabei Menschen an der Fekker-Chilbi 2010 Glaubt man dem Je- n i s c h - Wörterbuch aus Pfedel- Historiker Thomas Huonker, Objektkünstler Venanz Nobel und Fotograf Urs Walder (vlnr). bach, heisst die Sonne in der eher geheim gehaltenen j e n i s c h e n Bruno Huber,inVizepräsident der Radgenossenschaft Zürich, der Wanderausstellung in Brienz Sprache «Wohltünere». Was, auch sollte es nicht stimmen, jedenfalls Sinn macht. Sonnenschein tut wohl, und er trug seinen Teil zum Erfolg der zweiten Fekker-Chilbi bei. «Wir kamen als Fremde und gingen als Freunde», sagte Daniel Huber, Präsi- dent der Radgenossenschaft der Landstrasse, und freute sich beim Wiedersehen in Brienz. Die Jenischen brachten viel Festfreude und schöne Marktstände mit, und ganz viele Brienzerinnen und Brienzer wirkten als Sponsoren oder als Helferinnen und Helfer. Sogar die hohe Politik gab sich die Ehre. Trotzdem weiss Daniel Huber, dass es auch heute noch Mit dem Schwyzerörgeli sind die Jenischen vertraut (vlnr): Charly Gerzner, Duri Brisig und Ueli Wanderon. 15
Die Fekker-Chilbi Thomas Huonker: Vortrag Fekkerchilbi Brienz, 1. Oktober 2010 sie nur noch wenig Geld einbringen. Zudem gibt es auch andere Gruppen von Fahrenden, die nicht Liebe Anwesende, der Titel meiner kleinen Rede hier lautet: Jenische, sondern Roma oder Sinti sind. Nicht zuletzt gibt es auch sesshafte Jenische - das ist sogar die Die Jenischen grosse Mehrheit. oder: Woher kommt eigentlich Gleichberechtigung? Und schliesslich ist lebt heute ja fast jeder Sesshafte in vieler Hinsicht auch ein fahrend, sei es als Pendler, als Tourist oder, Die Jenischen haben viele Namen, nicht immer sehr nette, und ganz im Stil der Fahrenden, als Camper. oft auch solche, die man ihnen von aussen her gegeben hat, als Die Bezeichnung der Jenischen als Fahrende hat also ihre Fremdbezeichnungen. Viele davon haben mit einem lokalen Schwächen und Ungenauigkeiten. Wohn- oder Ueberwinterungsgebiet zu tun. So heissen Jeni- Deshalb ist es am besten, die Jenischen so zu nennen, wie sie sche, die von Obervaz, aber auch von einigen anderen Bündner das auch selber tun, eben Jenische. Dieser Name hängt mit ihrer Gemeinden wie Morissen, Almens oder Surcuolm kommen, oft Sprache zusammen, dem Jenischen. Die jenische Sprache und einfach Obervazer. Jenische, die im bernischen Schwarzenbur- ihre Nebenformen sind in verschiedenen Dialekten und Ausprä- gerland beheimatet sind, heissen nach einer dortigen Gemeinde gungen in weiten Teilen Europas verbreitet, und das seit vielen Jahrhunderten. In früheren Jahrhunderten wurde sie, auch das wieder ein Name, der von aussen kam, als Sprache der Vagan- ten bezeichnet, später als die der Gauner oder Jauner, was wie- der zu den weniger netten beziehungsweise krass abwertenden Bezeichnungen dieser Gruppe und ihrer Sprache gehört. Schriftli- che Quellen berichten schon aus dem 13. Jahrhundert von da- maligen Formen dieser Sprache, also muss sie schon lange vor- her entstanden sein. Die Jenischen sind somit älter als die Eidge- nossenschaft. Sie sind eine alteingesessene oder autochthone Minderheit in Europa, kenntlich an ihrer uralten, aber in einzelnen Worten fast identisch überlieferten Sprache und auch daran, dass ein Teil der Jenischen immer nomadisch, als Fahrende, oder zumindest halbnomadisch lebte und lebt. Auch zum Begriff Jenisch gibt es viele sprachliche Herleitungen, doch die sind auch nicht ganz einfach darzulegen, ich lasse sie hier ebenfalls aus. einfach Rüschegger. Weil man sie vielerorts nur als Durchreisende kannte, die be- stimmte gewerbliche Arbeiten anboten, hat man sie oft auch nach diesen Berufen genannt. So hiessen sie in Graubünden Kessler oder Spengler, im Wallis Chorbeni, in Bern, Solothurn und Luzern Chacheler oder Chachelifuerme, also Fuhrleute mit Kacheln, mit Geschirr. Das ist auch in anderen Ländern und Sprachregionen so. Im französischen Sprachgebiet hiessen sie vanniers oder remou- leurs, also Korber oder Schleifer. Es gibt auch Bezeichnungen, wie die als Fekker, deren Ablei- tung umstritten ist; ich will im Rahmen dieses kurzen Vortrags nicht auf die schwierigen Finessen der Herleitung dieser Be- zeichnung eingehen. Vielfach werden die Jenischen einfach danach benannt, dass sie in Wagen oder mit Zelten herumreisten. So hiessen sie im Tirol Karrner, in Holland heissen sie Woonwagenbewooners. Heute werden sie vielfach als Fahrende, Reisende oder gens de Und nicht zuletzt gibt es zahlreiche Theorien zur sogenannten voyage bezeichnet. Abstammung oder Herkunft der Jenischen. All diese Namen sind ungenau und verwirrend. Zu diesen Theorien möchte ich mich hier kurz äussern. Zunächst Denn Jenische haben viele Berufe, nicht nur die so genannt aber eine Frage: Woher stammen eigentlich die Berner? Was ist „typischen“; viele derjenigen Berufe, die für sie lange namensge- ihre Herkunft? Nun, man könnte sagen: Sie wurden von den Zäh- bend waren, sind zudem heute nicht mehr sehr verbreitet, weil ringern erfunden, als diese Bern gründeten. Aber man kann auch 16
Die Fekker-Chilbi sagen: Es gab doch schon vorher Leute dort. Wahrscheinlich amtlich als Berner registriert sind, weil Bern eine Stadt und ein Kanton ist, der sich selber regiert, mit Amtshäusern, Museen und Bibliotheken, mit Parlamenten und eigener Steuerverwaltung, und weil in der Schweiz die freie Niederlassung gilt. Ja, die Bermerinnen und Berner haben es gut. Nun aber zurück zu den Jenischen. Genau solche Fragen stellt man den Jenischen dauernd, und zwar überall, wo es sie gibt. Woher kommen die Jenischen eigentlich? Was sind die Jeni- schen? Und man stellt diese Fragen nicht immer aus freundli- chem Interesse. Sondern man benutzt die Unklarheit, welche die Antworten auf solche Fragen ja an sich haben müssen und bei allen Menschengruppen haben, um daraus zu folgern, es sei höchst fraglich, ob es Jenische wirklich gebe, ob es sie je gege- sprachen sie auch schon eine Art Berndeutsch. Noch vorher al- lerdings sprach man am dieser Stelle des Aareufers aleman- nisch, burgundisch, gallo-römisch, lateinisch und keltisch. Wie man in noch früheren Zeiten dort sprach, weiss man nicht mehr, aber man weiss, dass es auch vor den Kelten schon Menschen gab dort. Von ihnen allen stammen die Berner ab. Und noch da- zu stammen die heutigen Bernerinnen und Berner von allen an- dern ab, die erst nach der Zähringerzeit nach Bern kamen, und das waren ja nicht wenige. Sie alle sind, sofern sie in Bern woh- ben habe, ob sie überhaupt existieren dürfen, diese Jenischen, ob sie wirklich auch ihre Rechte haben, gleich wie andere Men- schengruppen, ob sie nicht vielleicht schon bald aus der Ge- schichte oder aus der modernen Zeit verschwinden werden und ob sie, wie andere Menschen auch, tatsächlich irgendwo einige kleine Plätzchen für sich in Anspruch nehmen dürfen, oder ob man sie nicht doch besser sofort möglichst weit weg schicken solle. Eigenartig ist auch, dass die Jenischen, die es doch in so vielen Ländern Europas als eigenständige Sprachgruppe mit ihren verschiedenen, aber recht ähnlichen Dialekten und meist auch mit ihren in vielen Elementen sehr ähnlichen Traditionen nen oder eingebürgert sind, Bernerinnen und Berner. Von ihrer Abstammung her aber kamen sie aus aller Welt. Bei den Berner Oberländern, den Thunern, Spiezern und Brienzern ist das alles noch ein bisschen anders, ich weiss, ich habe jetzt nur von den Stadtbernern gesprochen. Diese bunte, vielfältige, sich in der Vorzeit und in aller Welt ver- lierende Abstammung wird den Bernern und Bernerinnen aber nicht vorgehalten. Es heisst nicht: Ja gibt es denn überhaupt Berner? Was sind Berner? Woher kommen die Berner eigent- lich? Soll man sie überhaupt Berner nennen, oder soll man die- sen Namen in Anführungszeichen setzen? Wie unterscheidet sich denn die Sprache der verschiedenen Berner Untergruppen von der Sprache der Solothurner, Freiburger, Oberwalliser und Aargauer? Und schliesslich: Soll man solche Berner eigentlich dulden, hier, in Brienz, oder in Basel, oder im Jura, oder in Genf? Diese Fragen stellt man nicht, weil alle Berner seit Jahrhunderten (Fortsetzung Seite 16) 17
Die Fekker-Chilbi und Lebensformen gibt, zwar fast nirgends – ausser jetzt hier ist derselbe. Die Jenischen werden nicht als alte europäische in Brienz! – so ganz richtig und vollwertig dazugehören, aber Minderheit in verschiedenen Ländern respektiert und anerkannt. dann umgekehrt oft auch wieder gerne aus den allerlokalsten Ihre Rechte werden angezweifelt. Ihre Kultur wird nicht oder viel weniger als die Kulturen anderer Volksgruppen gefördert. Sie können ihre Steuern nicht selber verwalten, sondern müssen bei den Staaten, in denen sie leben, um jede Kleinigkeit an Infra- struktur betteln gehen. Die Fahrenden unter ihnen müssen es hinnehmen, dass Bürokraten oder Gemeindeversammlungen darüber entscheiden, ob sie sich überhaupt irgendwo legal nie- derlassen können oder nicht. Das sind die heutigen Folgen dieses Mangels an Respekt vor dieser Gruppe. Als Historiker habe ich auch eingehend erforscht, was die frühe- ren Folgen dieses mangelnden Respekts vor den Rechten der jenischen Volksgruppe in verschiedenen Ländern waren. Folgen dieses mangelnden Respekts waren widerliche, verleumderische Verhältnissen abgeleitet werden, ohne Blick in andere Länder, wo es auch Jenische gibt. Das ist eine weitere, und zwar die gegenteilige, Variante der Verunsicherung und Abwertung durch Herumreiten auf der Her- kunftsfrage. Sie funktioniert genau umgekehrt. Nun wird nicht mehr gefragt: Woher kommen die eigentlich? Sondern es wird bei diesem Verfahren die Antwort geliefert: Sie kommen eigent- lich von hier. Sie sind nichts Besonderes, nichts Eigenständi- ges, keine Grupppe mit eigener Identität. Es sind eigentlich ver- armte Berner, diese Rüschegger. Es sind veramte Tiroler, diese Karrner. Es sind verarmte Bündner Kleinbauern und Tagelöh- ner, diese Spengler. Und dasselbe wird auch in Holland, in Italien, im Elsass und in Deutschland von den Jenischen ge- Texte über die Jenischen von angeblichen Wissenschaftern. Es war der Ausschluss aus den Zünften, und aus der Rechtsge- meinschaft. Es waren grauenhafte Hetzjagden und Vertreibun- gen. Es waren systematische und gewaltsame Kindswegnah- men. Es waren Eheverbote und Zwangssterilisationen. Es waren sagt. Sie sprechen zwar überall jenisch, sind aber eigentlich von Einweisungen in Zwangsarbeitsanstalten und Korrektionsanstal- hier. Plötzlich sind sie dann nicht mehr Fremde, sondern eigene ten, unter den Nazis auch in Konzentrationslager und Vernich- Leute, aber eben Verarmte, Deklassierte, Davongelaufene, Da- tungslager. Es waren, kurz gesagt, verschiedene Formen der vongejagte. Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung, die in Tatbestän- Der Effekt dieser beiden widersprüchlichen und gegensätzlichen, den des Völkermords gipfelten. Das dürfen wir nie vergessen. aber oft und ungeniert auch kombiniert angewendeten Verfahren Und das darf auch nie mehr geschehen. 18
Die Fekker-Chilbi Was es braucht, ist vorbehaltloses, gleichwertiges, respektvolles, den, oder sie wird seltsam exklusiv interpretiert. Davon können ohne Austricksen und Verzögerungstaktiken gelebtes Miteinan- die Schweizer Frauen ein Lied singen, mit teilweise bitteren Stro- phen. Gleichberechtigung muss stets aktualisiert, gelebt, gehegt und gepflegt werden. So auch die Gleichberechtigung der Jeni- schen, die noch länger vergessen ging als die der Frauen. Die Schweiz hat dazu in den letzten Jahren einige wichtige erste Schritte gemacht. Solche Schritte stehen in anderen Ländern noch aus. Aber auch in der Schweiz ist es noch nicht überall so wie heute in Brienz, wo klar gesagt und dementsprechend gehan- delt wird: Die Jenischen gehören zur Schweiz, zu Bern, zu Brienz, der mit den jenischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Also zu uns. Sie leben in einiger Hinsicht anders als wir Sesshaften, Gleichberechtigung. Nun komme ich zur nächsten schwierigen Frage: Woher kommt eigentlich die Gleichberechtigung? und das ist gut so. Wir alle haben die gleichen Rechte, und wo das noch nicht so ist, da ist es auch noch nicht gut. Solche Tref- fen wie hier an der zweiten jenischen Chilbi in Brienz sind wichti- Gleichberechtigung kommt aus der Haltung heraus, dass alle ge Schritte des Entgegenkommens, des Verständnisses, des Menschen die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben. Die Kennenlernens. Viele solcher Schritte braucht es noch, damit die Schweiz hat zu dieser schönen Idee der Gleichberechtigung eini- Jenischen im Europa, in der Schweiz, im Bern im 21. Jahrhun- ge gute Beiträge geleistet, ich nenne zum Beispiel die Ideen von derts endlich als Menschen gleichen Rechts gewürdigt und res- Jean-Jacques Rousseau oder die Errichtung eines frühen demo- pektiert werden. kratischen Rechtsstaats im euopäischen Revolutionsjahr 1848. Die Gleichberechtigung kann aber auch rasch wieder verschwin- 19
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