Regionalwirtschaftliche Effekte - Hubert Job, Cornelius Merlin, Daniel Metzler, Johannes Schamel und Manuel Woltering - BFN
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Hubert Job, Cornelius Merlin, Daniel Metzler, Johannes Schamel und Manuel Woltering Regionalwirtschaftliche Effekte durch Naturtourismus BfN-Skripten 431 2016
Regionalwirtschaftliche Effekte durch Naturtourismus in deutschen Nationalparken als Beitrag zum Integrativen Monitoring-Programm für Großschutzgebiete Hubert Job Cornelius Merlin Daniel Metzler Johannes Schamel Manuel Woltering
Titelbild: Wegenutzung und Wegschwierigkeit im Nationalpark Berchtesgaden auf Basis des aktions- räumlichen Verhaltens der Nationalparkbesucher (eigene Darstellung J. Schamel) Adressen der Autorin und der Autoren: Univ.-Prof. Dr. Hubert Job Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Manuel Woltering Institut für Geographie und Geologie Dipl.-Geogr. Cornelius Merlin Lehrstuhl für Geographie und Regionalforschung Dipl.-Geogr. Johannes Schamel E-Mail: hubert.job@uni-wuerzburg.de Prof. Dr. Daniel Metzler Hochschule für Angewandte Wissenschaften München, Fakultät für Tourismus E-Mail: daniel.metzler@hm.edu Fachbetreuung im BfN: Beate Job Hoben Fachgebiet I 2.2 „Naturschutz und Gesellschaft“ Diese Veröffentlichung wird aufgenommen in die Literaturdatenbank „DNL-online“ (www.dnl-online.de). BfN-Skripten sind nicht im Buchhandel erhältlich. Eine pdf-Version dieser Ausgabe kann unter http://www.bfn.de/0502_skripten.html heruntergeladen werden. Institutioneller Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz Konstantinstr. 110 53179 Bonn URL: www.bfn.de Der institutionelle Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollstän- digkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in den Beiträgen geäußerten An- sichten und Meinungen müssen nicht mit denen des institutionellen Herausgebers übereinstimmen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des institutionellen Herausgebers unzu- lässig und strafbar. Nachdruck, auch in Auszügen, nur mit Genehmigung des BfN. Druck: Druckerei des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) Gedruckt auf 100% Altpapier ISBN 978-3-89624-167-2 Bonn - Bad Godesberg 2016
Inhaltsverzeichnis Basisanforderungen für die Erfassung der Frequentierung und tourismuswirtschaftliche Wirkungsanalyse in Nationalparken......................................... 3 1 Einleitung ..................................................................................................................... 4 2 Daten und Methoden ................................................................................................... 6 2.1 Überblick über empirische Erhebungen ......................................................................... 6 2.2 Inflationsausgleich ......................................................................................................... 8 3 Regionalökonomische Effekte ................................................................................. 10 3.1 Besucherzahlen, soziodemographische und aufenthaltsbezogene Merkmale ............. 10 3.2 Vergleich der Nationalparkaffinität ............................................................................... 15 3.3 Vergleich der Ausgabenwerte ..................................................................................... 19 3.4 Regionale Beschäftigungswirkungen ........................................................................... 23 4 Vergleich der Primärerhebungen und Hochrechnung zu regionalökonomischen Effekten des Naturtourismus in deutschen Nationalparken .................................. 27 4.1 Ursprüngliche Destinationstypologie zur Hochrechnung .............................................. 27 4.2 Gegenüberstellung der Ergebnisse ............................................................................. 28 4.3 Anmerkungen zum ursprünglich verwendeten Destinationsschema ............................ 31 5 Diskussion und ToDos.............................................................................................. 33 5.1 Anmerkungen zur Methodik......................................................................................... 33 5.2 Fazit und Desiderata ................................................................................................... 34 5.3 Epilog .......................................................................................................................... 36 6 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 37 7 Anhang....................................................................................................................... 41 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Besucherzahlen und -strukturen in deutschen NLP .........................................11 Abbildung 2: Affinität und Kenntnisstand der Marke NLP......................................................17 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Überblick empirische Erhebungen in deutschen NLP............................................ 8 Tabelle 2: Meist frequentierte Standorte in den Wald-NLP ...................................................11 Tabelle 3: Soziodemographie Merkmale der NLP-Besucher I...............................................13 Tabelle 4: Soziodemographie Merkmale der NLP-Besucher II..............................................14 Tabelle 5: Standortspezifische Affinität in deutschen NLP ....................................................19 Tabelle 6: Ausgaben pro Kopf und Tag nach Affinität ...........................................................22 1
Tabelle 7: Regionalökonomische Effekte des Tourismus in deutschen Nationalparken (alle Touristen).............................................................................................24 Tabelle 8: Regionalökonomische Effekte des Tourismus bezogen auf NLP-Touristen im engeren Sinn ...........................................................................................25 Tabelle 9: Besucherzahlen in der Hochrechnung und der Empirie ......................................28 Tabelle 10: NLP-Affinität in der Hochrechnung und der Empirie ...........................................29 Tabelle 11: Ausgabenwerte in der Hochrechnung und der Empirie ......................................30 Tabelle 12: Einkommensäquivalente in der Hochrechnung und der Empirie ........................31 Kartenverzeichnis Karte 1: Besucherzahlen und -struktur, Affinitäten und Einkommensäquivalente in deutschen Nationalparken ................................................................................................26 Abkürzungsverzeichnis BfN Bundesamt für Naturschutz BMUB Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit BNE Bildung für nachhaltige Entwicklung BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland DZT Deutsche Zentrale für Tourismus ÖPNV Öffentlicher Personen Nahverkehr NABU Naturschutzbund Deutschland NLP Nationalpark(e) NN Nationale Naturlandschaften UG Untersuchungsgebiet UNESCO Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (englisch: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) VCD Verkehrsclub Deutschland VDN Verband Deutscher Naturparke 2
Basisanforderungen für die Erfassung der Frequentierung und touris- muswirtschaftliche Wirkungsanalyse in Nationalparken Besucherzahl = Zentrale Größe im Besuchermonitoring Zu erfassen sind jahreszeitliche Schwankungen (Saisonalität) und Unterschiede im Wochen- sowie Tagesverlauf. Zu unterscheiden sind Besuche (Aufenthalte im GSG) und Besucher (Personen): Au- tomatische Zählstellen erfassen Besuche, keine Besucher! Für die regionalwirtschaftlichen Effekte sind schlussendlich Besuchstage die Grund- lage. Es handelt sich dabei um Tage, an denen das GSG durch eine Person (u.U. auch mehrfach) besucht wurde. Erhebungen erfolgen über Stichproben an ausgewählten Terminen und Standorten (vgl. für das abweichende Vorgehen in Meeres- und Küstenparks Fußnote 2 auf S.7): - Zeitlich Streuung: Stichtage sind über das Jahr (Haupt- und Nebensaison) und mindestens über Wochentage vs. Wochenende zu verteilen, idealerweise wird auch das Wetter berücksichtigt. - Räumliche Streuung: Doppelzählungen müssen weitgehend vermieden werden. Besucherstruktur = Wesentliche Größe für das Management von Besuchern Die Struktur wird aus regionalwirtschaftlicher Sicht maßgeblich durch die touristische Klassifikation in Tagesgäste vs. Übernachtungsgäste beschrieben. Diese Struktur ist zwingend über eine echte Zufallsstichprobe (Blitzinterviews) reprä- sentativ zu erfassen, um verlässliche Strukturdaten für die Hochrechnung zu gewinnen. Weitere Komponenten der Struktur können sein: - Affinität zum Nationalpark als Schutzgebietsprädikat (NLP-Touristen im engeren Sinn vs. sonstige NLP-Touristen) - Freizeitaktivitäten - Soziodemographische Merkmale, wie Alter, Beruf, Herkunft (z.B. PLZ-Regionen) - Einstellungen und Motivationen Diese Komponenten lassen sich sinnvoll meist nur in ausführlichen Interviews erheben. Die Besucherstruktur ist zeitlich sehr variabel und muss deshalb kontinuierlich, neben der Besucherzahl, erfasst werden. Ausgaben/Verhalten/Merkmale/Einstellungen = Variablen, die für die Berechnung der regionalwirtschaftlichen Effekte und für die Aus- gestaltung des Besucherangebots relevant sind Häufig variieren diese Variablen mit der Struktur und sind innerhalb der Klassen zeitlich verhältnismäßig stabil. Im Gegensatz zur Besucherzahl und -struktur können diese Variablen wegen der rela- tiven Stabilität seltener erfasst werden. Die GSG-Orientierung ist für die korrekte Zuordnung der Effekte wesentlich und des- halb zwingender Bestandteil der Erhebungen. Die Ausgaben sind nach vorgegebenen Kategorien zu erfassen: Die Einhaltung des Kategorienschemas ist für die Berechnung der Effekte notwendig! Die Erfassung der Ausgaben erfolgt über längere strukturierte Interviews. Da die echte Besucherstruktur über die Blitzinterviews bekannt ist, können diese län- geren Interviews über eine Quotenstichprobe erfasst werden. Nachträglich werden dann die daraus erfolgenden Berechnungen durch eine Gewichtung an die echte Struk- 3 tur angepasst.
1 Einleitung Einem globalen Trend folgend werden von Seiten des Managements deutscher Nationalparke (NLP) vermehrt Anstrengungen unternommen, Naturtourismus in ihr Aufgabenspektrum ein- zubinden. Damit soll neben den zentralen Naturschutzanliegen auch ein Beitrag zur Förderung der regionalen Wirtschaft geleistet werden. Da die NLP-Regionen i.d.R. in den peripheren strukturschwachen Gebieten Deutschlands liegen, soll das dabei verfolgte Ziel eine dem Pa- radigma der Nachhaltigkeit gerecht werdende Regionalentwicklung sein. Es gilt somit, NLP nicht länger als „weiße Flecken“ auf der regionalen Landkarte anzusehen, sondern die endo- genen Potenziale mit Hilfe eines nicht-konsumtiven Naturtourismus zu erschließen. Ange- sichts tendenziell eher zunehmender Disparitäten innerhalb Deutschlands und einer entspre- chend dem Globalisierungsdruck von außen sich wandelnden Regionalpolitik, die stärker auf „Europäische Metropolregionen“ als „die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ setzt, be- sitzt dieses Faktum zugleich eine regionalwirtschaftliche wie gesamtgesellschaftliche Dimen- sion. In Deutschland begann diese zielgerichtete Inwertsetzung der NLP-Regionen als touristische Destinationen erst ab der Jahrtausendwende. Besonders das Jahr des Ökotourismus der Ver- einten Nationen 2002, das damit verbundene Aktionsjahr der Deutschen Zentrale für Touris- mus (DZT) „Lust auf Natur“ sowie das Projekt „Fahrtziel Natur“ der Deutschen Bahn rückten das touristische Potenzial der NLP gleichermaßen in den Fokus der Schutzgebietsverwal- tungen und der Tourismusbranche. Seit 2005 existiert zudem die Dachmarke „Nationale Na- turlandschaften“ (NN) unter der sämtliche deutsche Großschutzgebiete firmieren, um sich ein- heitlich am Markt zu positionieren und dadurch weitere Potenziale einer naturtouristischen In- wertsetzung zu erschließen. Viele Reiseveranstalter und Dienstleister in den jeweiligen Regi- onen haben NLP inzwischen als wichtige Alleinstellungsmerkmale aufgegriffen und zeigen da- mit, dass ihr eigenes wirtschaftliches Interesse mit dem des Naturschutzes durchaus im Ein- klang steht. Als Alleinstellungsmerkmal steht das Prädikat „Nationalpark“ somit für einen strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Destinationen (vgl. HANNEMANN U. JOB 2003). Die DZT hat das Jahr 2016 unter das Motto „Faszination Natururlaub“ gestellt und eine erneute Themenkampagne gestartet, um die NN, darunter besonders die NLP, gezielt für den Incoming-Tourismus zu bewerben. Als touristische Kernkompetenz der NLP ist das Erlebbarmachen von – im Sinne des betrie- benen Prozessschutzes – möglichst ursprünglicher Natur und im Falle Mitteleuropas sekun- därer Wildnis anzusehen. In Verbindung mit Maßnahmen zur Bildung für eine nachhaltige Ent- wicklung (BNE), offerieren NLP eine wesentliche Grundlage für die touristische Leistungser- stellung im Kontext wichtiger touristischer Trends. Die zunehmende Bedeutung der Umwelt- qualität für die Reiseentscheidung sowie die wachsende Sensibilisierung für das Thema Um- welt begann ab den 1990er Jahren und hält bis heute an. Gründe sind zum einen die „Sehn- sucht nach Wildnis“ als Flucht aus dem Alltag stark kulturell und von Technologie geprägter Lebensräume (Weinzierl 2010: 12), zum anderen das Versprechen eines individuellen Nut- zens beispielsweise in Form der Gesundheitsvorsorge (vgl. BIEGER 2005). Demnach gefällt zwei Dritteln der Deutschen die Natur umso besser, je ursprünglicher und wilder sie ist. Im- merhin rund 40% wünschen sich mehr Wildnis in Deutschland (vgl. BMUB & BFN 2014). Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung mittelfristig weiter anhält, da der Tourismus und insbesondere der Naturtourismus weiterhin als ein Wachstumsmarkt gilt (vgl. HALL et al. 2009). Der staatlich sanktionierte Status NLP bietet dementsprechend die Chance, dass zum einen- Ansprüche des Naturschutzes, zum anderen wirtschaftlichen Interessen in der Region Rech- nung getragen wird (vgl. MAYER 2013). Im Idealfall kommt es dadurch zu einer, wie häufig 4
gefordert, synergetischen Kooperation zwischen Naturschutz und Tourismus. Allerdings schei- tern solche Vorhaben noch häufig an der distanzierten oder gar ablehnenden Haltung der orts- ansässigen Bevölkerung gegenüber NLP. Deren Verwaltungen sehen sich nach wie vor Prob- lemen gegenüber, die von mangelnder Akzeptanz dieses Flächenschutzinstruments bei poli- tischen Entscheidungsträgern zeugen. Insbesondere die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit wird in solchen Diskussionen von den meisten Akteuren angezweifelt. NLP gelten hier eher als Bremser möglicher Entwicklungen. Die Ermittlung der ökonomischen Effekte durch den Naturtourismus soll hier Abhilfe schaffen und für mehr Akzeptanz vor Ort sorgen. Bei einer Pilotstudie wurden für den Alpenpark Berchtesgaden im Jahr 2002 erstmals die re- gionalökonomischen Effekte eines deutschen NLP bestimmt (vgl. JOB et al. 2003). Auf Basis dieser Pilotstudie wurde in der Folgezeit ein standardisiertes Verfahren zur Ermittlung re- gionalökonomischer Effekte von Großschutzgebieten entwickelt (vgl. JOB et al. 2006), wel- ches inzwischen in 15 der gegenwärtig 16 NLP Deutschlands Anwendung fand (vgl. JOB et al. 2009, JOB et al. 2010, Metzler et al. 2016).1 Die Untersuchungen haben nicht nur den Ent- scheidungsträgern vor Ort interessante Einblicke ermöglicht, sondern lassen auch den Quer- vergleich im Sinne eines Benchmarking zwischen den betroffenen Regionen zu und künftige NLP-Projekte planbarer werden (vgl. JOB 2010). Auf Basis der nun vorliegenden umfänglichen empirischen Daten werden im vorliegenden Be- richt aktuelle Kennzahlen zum deutschen NLP-Tourismus präsentiert sowie die 2009 bzw. 2012 vorgenommene Hochrechnung der regionalökonomischen Effekte (anhand der zum damaligen Zeitpunkt untersuchten NLP) rückwirkend evaluiert. Ein zweites Ziel des For- schungsvorhabens besteht in der Vereinfachung des umfänglichen empirischen Forschungs- designs und somit der Entwicklung eines Verfahrens für die Einbindung in ein allgemeines, langfristiges sozioökonomisches Monitoring. Damit sollen die NLP-Verwaltungen in die Lage versetzt werden, dieses Instrument künftig eigenständig und kostengünstig anzuwenden. Unter Zuhilfenahme der nun vorliegenden Datenbank geht es um die Etablierung dieses ein- heitlichen, standardisierten sozioökonomischen Monitoring-Systems in den deutschen NLP. Dieses versteht sich als originärer Beitrag zu dem Integrativen Monitoring-Programm für deut- sche NLP und Biosphärenreservate, wie es vom BfN initiiert wurde. Aufgrund der durchgeführten ökonomischen Analysen mit regionalem Bezug, kann der Bericht wertvolle Informationen für lokale Akteure liefern. Zum einen als Vergleichsmöglichkeiten für die einzelnen NLP-Verwaltungen, sowie für die Dachorganisation der NN, zum anderen für touristische Organisationen auf lokaler und regionaler Ebene als Grundlage für eine verstärkte Kooperation zur weiteren Inwertsetzung der vorhandenen, z.T. ungenutzten Potentiale. In der bundesweiten Gesamtdarstellung richten sich die Ergebnisse an die jeweiligen Landestouris- musorganisationen sowie die DZT um Initiativen im Sinne einer qualitativen Stärkung des Tou- rismus in den NLP selbst zu fördern. Für politische Akteure kann der Bericht als Grundlage dienen, die oftmals emotional geführte Debatte um Kosten und Nutzen der NLP mit wissen- schaftlich fundierten Ergebnissen zu versachlichen. 1Der NLP Hamburgisches Wattenmeer nimmt eine Sonderstellung ein. Es handelt sich um ein Gebiet, dass aufgrund seiner geringen terrestrischen Regionsgröße (erschlossen ist ausschließlich die Insel Neuwerk) touristisch in die Destination Niedersächsisches Wattenmeer fällt und mit den Analysen des dortigen NLP abgedeckt wurde (vgl. W OLTERING 2012: 87). Der 2015 gegründete NLP Hunsrück-Hoch- wald befindet sich zum Zeitpunkt der Niederschrift der vorliegenden Veröffentlichung im Jahr „Null“ und kann daher in der vorliegenden Synthese nicht berücksichtigt werden. 5
2 Daten und Methoden 2.1 Überblick über empirische Erhebungen Im Rahmen der seit dem Jahr 2002 maßgeblich vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) initiier- ten und dem Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) finanziell geförderten Reihe von Projekten zur Ermittlung der ökonomischen Effekte des Tourismus wurde stets mit der gleichen Methodik vorgegangen. Diese kann nachgelesen werden unter JOB et al. 2005, 2006 und 2009. Im Folgenden geschieht insofern nur eine knappe Darstellung der wichtigsten methodischen Grundlagen, um den Erhebungsumfang al- ler Projekte verdeutlichen zu können.2 Erhebungsinstrumente Die eingesetzten Erhebungsinstrumente umfassen drei Komponenten: Zählungen mit Blitzinterviews: Eine stichprobenartige Zählung der Besucher zur Ermittlung der Grundgesamtheit der Gäste wird mit Blitzinterviews zur repräsentativen Erfassung der Besucherstruktur kombiniert (vgl. Anhang 2). Lange Interviews: Dieser deckt Fragen zum aktionsräumlichen Verhalten, zur Prädikatisie- rung des jeweiligen NLP im Hinblick auf die Motivation des Besuchs (Affinität zum NLP als Schutzgebiets-Label), zum Ausgabeverhalten sowie zur Soziodemographie ab (vgl. An- hang 3). Erhebungszeitraum Die Untersuchungen in unterschiedlichen NLP umfassen umfangreiche Erhebungen in Form von Besucherzählungen und ausführlichen -befragungen. Die Besucherzahl touristischer Ziel- gebiete variiert sowohl zeitlich und saisonal als auch im Wochen- und Tagesverlauf. Deshalb wurde das Befragungsjahr anhand von Daten aus der amtlichen Fremdenverkehrsstatistik in folgende Abschnitte unterteilt, wobei Nebensaison I und II später rechentechnisch zusammen- gefasst werden: Wintersaison (15.11. - 14.03.; 120 Tage) Nebensaison I (15.03. - 14.06.; 92 Tage) Sommersaison (15.06. - 14.09.; 92 Tage) Nebensaison II (15.09. - 14.11.; 61 Tage) Diese Aufteilung bietet sich für ländliche Regionen in Deutschland prinzipiell an, da der saiso- nale Verlauf in der Regel grob diesen Abschnitten folgt. In den Gebieten wurde an jeweils 20 Tagen befragt, verteilt auf die verschiedenen Saisons sowie Wochen- und Wochenendtage. 2Die Darstellung der Methodik und der Ergebnisse basiert auf folgenden Quellen: J OB et al. (2009), JOB et al. (2010) sowie den Berichten JOB et al. (2014a), JOB et al. (2014b), JOB & KRAUS (2015a), JOB & KRAUS (2015b), REIN et. al. (2008), STEINGRUBE & JESCHKE (2011). Auf die Nennung der Quellen an den entsprechenden Stellen wird im Folgenden aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet. 6
Erhebungsstandorte Um einerseits das Aktivitätsspektrum der Besucher im jeweiligen NLP widerzuspiegeln und andererseits auch zu gewährleisten, dass tatsächlich die meisten Besucher an den Befra- gungstagen erfasst werden – ohne jedoch Passanten doppelt zu zählen – ist eine exakte to- pographische Verortung der Zähl- bzw. Befragungsstandorte notwendig. Zum einen bieten sich hier unterschiedlich stark frequentierte Zugänge, zum anderen mehr oder weniger vielbe- suchte Attraktionen unterschiedlichster Art an. Die gesamte Anzahl der möglichen Standorte im jeweiligen Untersuchungsgebiet (UG) richtet sich nach Größe und Raum- sowie der Besu- cherstruktur des NLP3. Für die genaue Verortung wurde im Vorfeld stets auf das im Manage- ment vorhandene Wissen zurückgegriffen; d.h. die Fixierung der Geländestandorte erfolgte unter Begleitung von erfahrenen Rangern. In den flächenmäßig kleineren NLP wie z.B. Hainich, Kellerwald-Edersee oder Jasmund wurde an fünf bis sechs Standorten erhoben, in den größeren bzw. mit überdurchschnittlich vielen Zugängen ausgestatteten an elf bis zwölf Standorten (Wattenmeer-NLP, Vorpommersche Boddenlandschaft). Im Schnitt wurden in den UG jeweils an neun Standorten Besucher er- fasst, wodurch insgesamt 162.927 Kurzinterviews und 23.478 lange Interviews geführt werden konnten (vgl. Tabelle 1). Ein Überblick über die jeweiligen Erhebungen sowie Projektname und Fördermittelgeber findet sich in Anhang 1. 3In den Gebieten Niedersächsisches und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sowie der Vorpom- merschen Boddenlandschaft können bei weitem nicht alle Zugänge zum NLP abgedeckt werden, so dass zur Ermittlung der Besucherstrukturen neben den Zählungen mit Blitzinterviews, der Einbezug der Sekundärstatistik (amtliche, Kurstatistiken etc.) unabdingbar war. Eine genaue Darstellung der Methodik wie in den drei Gebieten vorgegangen wurde, findet sich für die Region Niedersächsisches Wattenmeer beispielhaft bei W OLTERING 2012 (192ff.). 7
Tabelle 1: Überblick empirische Erhebungen in deutschen NLP4 NLP Erhebungs- Standorte Kurze Interviews Lange Interviews jahr Müritz 2010 12 3.5055 1.710 Bayerischer Wald 2007 12 11.140 1.990 Eifel 2007 7 10.250 1.651 Hainich 2007 6 15.099 1.168 Kellerwald-Edersee 2007 7 4.566 1.173 Niedersächsisches Wattenmeer 2007 12 23.026 2.830 Unteres Odertal 2008 7 4.674 505 Sächsische Schweiz 2009 7 6.481 1.469 Berchtesgaden 2014 8 9.460 1.681 Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer 2012/13 12 24.023 2.191 Harz 2012/13 11 14.404 1.779 Jasmund 2013/14 5 6.973 1.245 Vorpommersche Boddenlandschaft 2013/14 11 18.432 2.066 Schwarzwald 2014/15 9 14.399 2.020 Mittelwert/Summe 9,0 162.927 23.478 2.1 Inflationsausgleich Wie zuvor erwähnt, verteilten sich die Erhebungen in allen NLP auf einen Zeitraum von insge- samt acht Jahren, beginnend unter anderem im NLP Bayerischer Wald im Jahr 2007 bis hin zur letzten Untersuchung im NLP Schwarzwald im Jahr 2014/15. Um eine vergleichende Dar- stellung der zentralen Kenngröße der Ausgabenwerte zu ermöglichen, ist es notwendig, die allgemeine Entwicklung der Verbraucherpreise in diesem Zeitraum durch einen Inflationsaus- gleich zu berücksichtigen. Dieser wird mit dem Basisjahr 2014 durchgeführt, d.h. sämtliche Ausgabenwerte werden auf die Preise von 2014 bezogen. Die Veränderungen der Verbraucherpreise wurden aus amtlichen Datenquellen entnommen (vgl. DESTATIS 2015a). Dabei wurden die Ausgabenkategorien, wie sie in den Befragungen ermittelt wurden (vgl. Anhang 3 Frage 11) soweit möglich in die Klassifikation der Verwen- dungszwecke des Individualkonsums des Statistischen Bundesamtes eingeordnet. Beispiels- weise wurden die Ausgaben für Unterkunft in den jeweiligen Gebieten mit der Preissteige- rungsrate für Beherbergungsdienstleistungen inflationsbereinigt. Neben den Ausgaben für Un- terkunft konnten die Ausgaben für Gastronomie, Lebensmittel, Eintritte/Ausgaben für Sehens- würdigkeiten/Freizeitaktivitäten/Unterhaltung und die Verkehrsdienstleistungen spezifischen 4Die Präsentation der Ergebnisse stützt sich jeweils auf die aktuellsten verfügbaren Daten, die mit dem Standardverfahren nach JOB et al. (2006) entsprechender und nachvollziehbarer Methodik erhoben wurden, auch wenn die Studie durch Dritte durchgeführt wurde. Dies ist für die NLP Müritz (STEINGRUBE & JESCHKE 2011) und Unteres Odertal (REIN et al. 2009) der Fall. 5 Anzahl der Blitzinterviews aus dem Erhebungsjahr 2004 (vgl. JOB & METZLER 2005) 8
Verwendungszwecken zugeordnet werden, was einem Großteil der Gesamtausgaben ent- spricht. Alle sonstigen Ausgabenarten wurden aufgrund ihrer Heterogenität mit der allgemei- nen Veränderungsrate der Verbraucherpreise inflationsbereinigt. Beim Vergleich der Ausga- benwerte in Preisen von 2014 ist jedoch zu beachten, dass es sich um eine Berechnung ba- sierend auf bundesweit ermittelten Preissteigerungsraten handelt, somit werden regionale Un- terschiede nicht beachtet, wodurch die Ergebnisse mit gewissen Unsicherheiten verbunden sind. Auf die Bestimmung weiterer Kenngrößen, wie der Bruttoumsätze und letztlich der Einkom- mensäquivalente mit aktualisierten Ausgabenwerten wird verzichtet, da aus Sicht der Regio- nalökonomie die inflationsbedingt gestiegenen Ausgabenwerte für die Ermittlung der Beschäf- tigungseffekte nur bedeutsam werden, wenn sie deutlich von der Entwicklung der regionalen Primäreinkommen pro Kopf abweichen. Da sich beide Kenngrößen in den untersuchten Zeit- räumen sehr ähnlich entwickelt haben, sind von der inflationsbedingten Steigerung der Aus- gabenwerte nur sehr geringe Effekte auf die Größe der Einkommensäquivalente zu erwarten. 9
3. Regionalökonomische Effekte 3.1 Besucherzahlen, soziodemographische und aufenthaltsbezogene Merkmale Im Folgenden wird der durchschnittliche deutsche NLP-Tourist skizziert. Darüber hinaus wird bei den Auswertungen aus mehreren Gründen auch eine Differenzierung zwischen Meeres- und Küsten-NLP sowie den terrestrischen Wald-NLP angewandt. Gründe hierfür lauten: Zum einen stellen sich die Meeres- und Küsten-NLP hinsichtlich ihrer Flächenausdehnung und ihrer Besucherzahl sowie der dort vorherrschenden traditionell dominanten Stellung des Seebäder- tourismus strukturell anders dar und die Berechnung der gesamtdeutschen Kennzahlen des NLP-Tourismus wird maßgeblich von den hohen Besucherzahlen in diesen Gebieten beein- flusst. Zum anderen musste in diesen Gebieten aufgrund der genannten Flächenausdehnung und der zahlreichen Zugänge zur Küste sowie den vorgelagerten Inseln ein anderer methodi- scher Zugang unter Verwendung von Übernachtungszahlen aus der Sekundärstatistik (sowohl amtliche Daten als auch Kurstatistiken) gewählt werden.6 Für die 15 untersuchten deutschen NLP wurden 53,09 Millionen Besuchstage ermittelt. Blei- ben die Meeres- und Küsten-NLP mit überwiegendem Wasserflächenanteil unberücksichtigt (Schleswig-Holsteinisches- und Niedersächsisches Wattenmeer, Vorpommersche Bodden- landschaft), so reduziert sich die Besuchszahl auf insgesamt 9,06 Mio. Besuchstage alleine in den Wald-NLP. Wie erwähnt, fallen die beiden Wattenmeer Parke mit Besucherzahlen von 18,64 Mio. im Schleswig-Holsteinischen Teil bzw. 20,65 Mio. im Niedersächsischen Teil deut- lich aus dem Gesamtrahmen heraus. Bei den Wald-NLP liegen die Sächsische Schweiz und der Harz mit jeweils etwa 1,7 Mio. Besuchstagen an der Spitze, knapp gefolgt vom NLP Berchtesgaden mit 1,6 Mio. gezählten Besuchstagen. Die NLP Hainich, Unteres Odertal und Kellerwald-Edersee bilden mit jeweils unter 300.000 Besuchstagen die Schlussgruppe (vgl. Abbildung 1). Zieht man die jeweilige Größe des Gebietes in Betracht, stellt sich die Reihung der NLP anders dar. Der NLP Jasmund ist aufgrund seiner geringeren Größe mit 283,6 Besuchern je Hektar der Wald-NLP mit der höchsten Besucherdichte mit deutlichem Abstand vor dem NLP Säch- sische Schweiz mit 183,1 Besuchern je Hektar (vgl. Abbildung 1). In beiden Parks bestehen erhebliche Konzentrationstendenzen an den Standorten Königsstuhl und Bastei, wo jeweils 75,8 % bzw. 53,7 % der Gesamtbesucher gezählt wurden. Letzteres gilt ähnlich für den NLP Berchtesgaden, wo über die Hälfte der Besucher (55,3 %) am Königssee (Seelände) auftreten, und im NLP Harz, wo fast zwei Drittel der Gäste auf dem Brockenplateau oder am Torfhaus erfasst wurden (vgl. Tabelle 2). Der Tagesgastanteil variiert erheblich zwischen den Meeres- und Küsten-NLP, wo er im Mittel nur bei 16,3 % liegt und den Wald-NLP, wo durchschnittlich fast jeder zweite Besuchstag ei- nem Tagesgast zuzurechnen ist (48,8 %). Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass der Ta- gesgastanteil von der Lage des NLP zu den Verdichtungsräumen sowie der Tradition und Reichweite der Destination abhängt. In Regionen, in welchen die Destination noch am Beginn ihrer Entwicklung steht und meist erst mit der NLP-Ausweisung begonnen hat, ist der Tages- gastanteil generell höher. Als Beispiele dafür können der Kellerwald-Edersee, der Hainich so- wie das Untere Odertal genannt werden. In tradierten Tourismus-Regionen wie Berchtesga- 6Der NLP Jasmund wird trotz seiner Küstenlage und eines Wasserflächenanteils von 22 % zu den Wald-NLP gezählt. Der Badetourismus ist in diesem Gebiet nur von sehr untergeordneter Bedeutung, der Großteil der Besucher hält sich stattdessen in den Buchenwäldern auf. Zudem konnten aufgrund der sehr geringen Flächenausdehnung des Gebietes alle Zugänge mit der Standardmethodik erfasst werden. 10
den, dem Bayerischen Wald, der Vorpommerschen Boddenlandschaft oder den Wattenmee- ren, fällt er weitaus geringer aus. Im NLP Eifel z.B. beläuft sich der Tagesgastanteil aufgrund der hohen Bevölkerungskonzentration im Einzugsgebiet des NLP auf über drei Viertel; umge- kehrt nimmt er im Jasmund, aufgrund der räumlich sehr peripheren Lage, den geringsten Wert an (vgl. Abbildung 1). Tabelle 2: Meist frequentierte Standorte in den Wald-NLP Untersuchungs- Besucherzahl am Anteil an Gesamtbesu- Standort jahr Standort cherzahl Sächsische Schweiz 2009 Bastei 919.000 53,7% Berchtesgaden 2014 Königssee 874.000 55,3% Harz 2012/2013 Torfhaus 631.000 36,1% Harz 2012/2013 Brocken 583.000 33,4% Jasmund 2013/2014 Königsstuhl 515.000 75,8% Abbildung 1: Besucherzahlen und -strukturen in deutschen NLP Die abgefragten soziodemographischen Merkmale (vgl. Tabelle 3 und Tabelle 4) der Besucher umfassen deren Alter, Geschlecht und ausgeübten Beruf. Das durchschnittliche Alter eines NLP-Besuchers in Deutschland liegt bei 44,6 Jahren, was fast exakt dem Durchschnittsalter in Deutschland im Jahr 2014 mit 44,3 Jahren entspricht (DESTATIS 2015b: 17). Der Anteil an weiblichen Besuchern beträgt 52,3 %, wobei Unterschiede zwischen den Wald-NLP, in denen weibliche Besucher mit 48,5 % in der Unterzahl sind, zu Meeres- und Küsten-NLP (53,0 % weibliche Besucher) existieren. Etwas mehr als ein Viertel aller NLP-Besucher befindet sich in Rente bzw. Pension, wobei hier erhebliche Unterschiede zwischen den Parks bestehen: Wäh- rend es beim Jasmund nur 15,8 % sind, sind es im NLP Eifel ein Drittel (33,7 %). 11
Neben den soziodemographischen Attributen der NLP-Touristen sind aus tourismuswirtschaft- licher Sicht vor allem Merkmale zum jeweiligen Aufenthalt vor Ort interessant. Bei der Wahl des Verkehrsmittels zur Anreise in die betreffende Region ist eine eindeutige Dominanz des motorisierten Individualverkehrs festzustellen. Fast drei Viertel aller NLP-Touristen reisen mit dem PKW an, in einzelnen Parks wie dem Bayerischen Wald, dem Jasmund oder der Vor- pommerschen Boddenlandschaft sind es sogar fast 90 %. Der ÖPNV scheint auch bei gege- benem Bahnanschluss für viele Schutzgebietsbesucher keine attraktive Alternative darzustel- len (vermutlich aufgrund geringer Mobilität bzw. Flexibilität vor Ort), mit entsprechend negati- ven Folgen für die Ökobilanz des NLP-Besuchs (z.B. im NLP Berchtesgaden). Die bestehen- den Marketingkampagnen, bspw. „Fahrtziel Natur“ durch die Deutsche Bahn (in Kooperation mit BUND, NABU, VCD) müssten in diesem Sinne weiter forciert werden, um ein höheres Bewusstsein für die Erreichbarkeit der peripher gelegenen NLP mit öffentlichen Verkehrsmit- teln zu erzielen. Die im Zuge der Kampagnen erstellten Angebote müssen vor Ort stärker aus- gebaut werden, so dass die Mobilität in der jeweiligen Region mit dem ÖPNV quasi automa- tisch gegeben ist (z.B. über die (Kur-)Gästekarte). Außerdem sind höhere Gebühren für den ruhenden Verkehr notwendig (z.B. an Wanderparkplätzen oder bei den Info-Zentren), die auch entsprechend zu sanktionieren sind. Die durchschnittliche Gruppengröße, in der sich die Personen im NLP bewegen, liegt in allen untersuchten Gebieten bei 2,7, wobei hier keine Unterschiede zwischen Meeres- und Küsten- NLP und den Wald-NLP auftreten. In einem Großteil der Parks schwankt die Gruppengröße nur geringfügig zwischen 2,4 und 2,9, einzig die NLP Unteres Odertal und Schwarzwald zeigen deutlichere Abweichungen. Bei den ausgeübten Aktivitäten nimmt in allen NLP das Wandern bzw. Spazierengehen mit Abstand die Spitzenposition ein, so werden in der Sächsischen Schweiz und Berchtesgaden fast ausschließlich diese Aktivitäten ausgeübt. Andere Aktivitä- ten, wie z.B. das Felsklettern in der Sächsischen Schweiz (unter 3 % der Gesamtbesucher) spielen trotz ihrer bundesweiten Bekanntheit nur eine sehr untergeordnete Rolle. Lediglich 10,5 Prozent aller Befragten sind mit dem Rad im NLP unterwegs. Ursächlich für den geringen Anteil an Radfahrern dürfte unter anderem der Mittelgebirgscharakter vieler Wald-NLP sein, der eher sportlich ambitionierte Radfahrer als Gelegenheitsradler anziehen dürfte. Zudem ist das Mountainbike fahren in vielen NLP nur stark eingeschränkt möglich. Selten werden die NLP zum ersten Mal aufgesucht. Nur bei 17,8 % aller Gäste stellt ihr Besuch den ersten Aufenthalt in der Region dar. Die NLP Hainich, Müritz und Unteres Odertal können hier proportional am meisten „Erstbesuche“ für sich verbuchen. Die NLP Schwarzwald, Eifel, Kellerwald-Edersee und Harz profitieren hingegen anteilig am meisten von regional sehr er- fahrenen Besuchern mit mehr als zehn Besuchen, was sicherlich auch auf den größeren Anteil an Tagesgästen zurückzuführen sein dürfte, die naturgemäß eine höhere Wiederbesuchsrate an den Tag legen. Besucher von Meeres- bzw. Küsten-NLP und Wald-NLP zeigen sich strukturell unterschied- lich, wenn es um die Wahl der Unterkunft geht. Ferienwohnungen haben in den Meeres- und Küsten- NLP eine dominante Stellung – mehr als die Hälfe der Übernachtungsgäste (58,0 %) nächtigt ihn ihnen. In den Wald-NLP wird hingegen das Hotel am häufigsten als Unterkunft gewählt, wo etwas mehr als ein Drittel der Übernachtungsgäste ihren Aufenthalt verbringt. In den jüngeren Destinationen wie Hainich oder Kellerwald-Edersee spielen zudem Verwandten- und Bekanntenbesuche sowie Camping eine größere Rolle. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Beherbergungsgewerbe in diesen Gebieten noch erhebliche Entwicklungs- potentiale hat und die allgemeinen Tourismusstrukturen erst einmal ausgebaut werden müs- sen, um somit zukünftig regionalwirtschaftlich mehr Wert schöpfen zu können. 12
Tabelle 3: Soziodemographie Merkmale der NLP-Besucher I 13 NLP Anteil Ø Berufsgruppe Verkehrs- Ø Größe Aktivität Anzahl der Be- Unterkunftsart Ø Auf- Anteil Fahrzeit Fahr- weibli- mittel der suche enthalts- auslän- TG (Min) zeit ÜN cher Alter Reise- dauer in discher (Min) Besu- gruppe Näch- Besu- cher ten* cher Bayerischer Angestellt: 50,5% Pkw: 89,4% zu Fuß: 88,4% Erster: 16,0% Hotel: 31,9% 49,1% 40,5 2,6 7,1 3,8% 50 235 Wald Rentner/Pens.: 19,8% Bahn: 5,3% Rad: 2,3% Über 10: 44,0% Fe.Wo.: 36,8% Angestellt: 46,3% Pkw: 89,7% zu Fuß: 94,9% Erster: 20,9% Hotel: 34,5% Berchtesgaden 49,3% 48,5 2,6 7,9 15,6% 78 313 Rentner/Pens.: 29,0% Bahn: 6,2% Rad: 2,8% Über 10: 38,7% Fe.Wo.: 28,2% Angestellt: 40,8% Pkw: 76,8% zu Fuß: 87,1% Erster: 12,2% Hotel: 37,2% Eifel 49,5% 47,6 2,4 4,6 11,7% 47 131 Rentner/Pens.: 33,7% Bahn: 7,3% Rad: 9,1% Über 10: 66,2% Fe.Wo.: 18,7% Angestellt: 39,7% Pkw: 87,9% zu Fuß: 85,7% Erster: 33,4% Hotel: 20,8% Hainich 50,9% 43,9 2,8 3,9 1,4% 61 161 Rentner/Pens.: 28,5% Bahn: 0,9% Rad: 5,9% Über 10: 40,2% Fe.Wo.: 12,0% Angestellt: 49,6% Pkw: 72,8% zu Fuß: 85,5% Erster: 11,7% Hotel: 39,9% Harz 46,9% 46,0 2,8 4,2 4,9% 76 164 Rentner/Pens.: 20,2% Bahn: 7,7% Rad: 4,1% Über 10: 57,9% Fe.Wo.: 31,6% Angestellt: 51,6% Pkw: 87,1% zu Fuß: 98,0% Erster: 33,7% Hotel: 31,2% Jasmund 51,7% 42,3 2,8 6,3 7,6% 63 317 Rentner/Pens.: 15,8% Bahn: 6,4% Rad: 1,8% Über 10: 19,2% Fe.Wo.: 52,4% Kellerwald- Angestellt: 45,7% Pkw: 78,0% zu Fuß: 79,0% Erster: 20,1% Hotel: 16,1% 48,2% 40,2 2,7 6,5 5,8% 43 125 Edersee Rentner/Pens.: 22,2% Bahn: 0,9% Rad: 17,1% Über 10: 59,6% Fe.Wo.: 35,5% Angestellt: 49,7% Pkw: 68,3% zu Fuß: 27,2% Erster: 43,0% Hotel: 23,5% Müritz* 50,2% 43,8 2,5 7,3 1,4% 52 258 Rentner/Pens.: 20,4% Bahn: 4,7% Rad: 58,1% Über 10: 22,9% Fe.Wo.: 34,6% * Die Zahlen sind der Müritz-Studie aus 2004 entnommen, da im Bericht zur Wiederholungsstudie durch Steingrube & Jeschke (2011) wesentliche Angaben fehlen.
Tabelle 4: Soziodemographie Merkmale der NLP-Besucher II NLP Anteil Ø Al- Berufsgruppe Verkehrsmit- Ø Größe Aktivität Anzahl der Be- Unterkunftsart Ø Auf- Anteil Fahrzeit Fahr- weibli- ter tel der Rei- suche enthalts- auslän- TG(Min) zeit ÜN cher se- dauer in discher (Min) Besu- gruppe Näch- Besu- cher ten* cher Ns. Watten- Angestellt: 42,9% Pkw: 70,7% zu Fuß: 78,7% Erster: 18,1% Hotel: 22,8% 53,2% 42,1 2,5 8,8 1,5% 94 208 meer Rentner/Pens.: 28,3% Bahn: 12,4% Rad: 9,5% Über 10: 39,5% Fe.Wo.: 47,7% Sächsische Angestellt: 45,4% Pkw: 80,9% zu Fuß: 96,8% Erster: 18,3% Hotel: 26,4% 46,0% 43,7 2,4 5,2 6,3% 60 216 Schweiz Rentner/Pens.: 22,0% Bahn: 12,2% Rad: 0,4% Über 10: 54,8% Fe.Wo.: 26,4% S.H. Watten- Angestellt: 42,5% Pkw: 66,7% zu Fuß: 91,1% Erster: 16,9% Hotel: 12,8% 53,5% 46,6 2,9 8,9 1,8% 77 301 meer Rentner/Pens.: 27,9% Bahn: 8,5% Rad: 7,3% Über 10: 48,6% Fe.Wo.: 66,5% Angestellt: 48,5% Pkw: 87,5% zu Fuß: 78,3% Erster: 10,2% Hotel: 50,3% keine keine Schwarzwald 49,4% 46,1 3,2 4,7 14,6% Rentner/Pens.: 25,8% Bahn: 5,3% Rad: 1,3% Über 10: 67,2% Fe.Wo.: 14,0% Daten Daten Pkw: 68,7% Erster: 33,9% Hotel: 19,6% keine Unteres Odertal 50,5% 52,6 keine Daten 2,2 keine Daten 3,0 67 202 Bahn: 17,1% Über 10: 29,5% Fe.Wo.: 11,0% Daten Vorp. Bodden- Angestellt: 46,2% Pkw: 88,2% zu Fuß: 56,4% Erster: 17,5% Hotel: 12,9% 51,1% 46,4 2,7 8,3 7,0% 52 266 landschaft Rentner/Pens.: 26,3% Bahn: 5,5% Rad: 30,8% Über 10: 35,6% Fe.Wo.: 67,0% Angestellt: 47,4% Pkw: 82,0% zu Fuß: 87,1% Erster: 19,1% Hotel: 33,8% Wald-NLP 48,5% 45,2 2,7 5,7 8,4% 63 212 Rentner/Pens.: 23,4% Bahn: 7,4% Rad: 5,5% Über 10: 48,7% Fe.Wo.: 28,5% Meeres- und Angestellt: 43,3% Pkw: 71,7% zu Fuß: 81,0% Erster: 17,8% Hotel: 17,5% 53,0% 44,5 2,7 8,8 2,4% 81 254 Küsten-NLP Rentner/Pens.: 27,7% Bahn: 9,8% Rad: 11,3% Über 10: 42,4% Fe.Wo.: 58,0% Angestellt: 43,9% Pkw: 73,2% zu Fuß: 81,7% Erster: 17,78% Hotel: 20,1% Gesamt 52,3% 44,6 2,7 8,3 3,4% 79 249 Rentner/Pens.: 27,1% Bahn: 9,4% Rad: 10,5% Über 10: 43,% Fe.Wo.: 53,2% *Ausgenommen Tagesgäste 14
Übernachtungsgäste verbringen im Schnitt 8,3 Nächte in den NLP-Regionen, wobei die Auf- enthaltsdauer in den Meeres- und Küsten-NLP mit 8,8 Nächten im Schnitt deutlich länger aus- fällt als bei den Wald-NLP mit 5,7 Nächten. Dies ist wenig verwunderlich, finden in den Meeres- und Küsten-NLP doch häufig die klassischen mehrwöchigen Sommer- und Badeurlaube statt. Neben den Meeres- und Küsten-NLP bleiben die Übernachtungsgäste auch in den NLP Bay- erischer Wald, Berchtesgaden und Müritz im Schnitt etwas länger als eine Woche in der Re- gion. Die unterdurchschnittlichen Aufenthaltsdauern in den Wald-NLP Eifel, Hainich, Harz, Schwarzwald und Unteres Odertal mit 3,0 bis 4,7 Nächten lassen darauf schließen, dass diese Destinationen häufig im Rahmen eines Kurzurlaubs über das (verlängerte) Wochenende be- sucht werden. Kurzurlaubsreisen liegen generell im Trend im europäischen Tourismus. Dies ist nicht nur aus ökologischer Sicht, aufgrund des vermehrten An- und Abreiseverkehrs prob- lematisch, sondern resultiert auch in einer stark ungleichmäßigen Auslastung der Kapazitäten regionaler touristischer Anbieter. Im Vergleich zur amtlichen Statistik, in der der Inlandstouris- mus durch eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 2,7 Nächten (2014) gekennzeichnet ist, bleiben also die NLP-Gäste i.d.R. länger vor Ort (DESTATIS 2015c). Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die amtliche Statistik nur die Betriebe berücksichtigt, die mehr als zehn Betten anbieten und darin auch der Städtetourismus inkludiert ist. Die geringe Aufenthaltsdauer spiegelt sich auch in einem begrenzten Einzugsgebiet dieser Gebiete wider. So haben die Übernachtungsgäste in den NLP Hainich, Eifel und Harz eine vergleichsweise kurze Anreise von unter drei Stunden, während Übernachtungsgäste im NLP Berchtesgaden bereit sind, im Schnitt knapp über fünf Stunden für einen Besuch aufzuwen- den. Ähnliches gilt für die Meeres- und Küsten-NLP, zu denen im Schnitt knapp über vier Stun- den angereist wird. Am Ende dieses Feldes liegt hier der Kellerwald-Edersee mit einer durch- schnittlichen Anreisezeit der Übernachtungsgäste von nur etwas über zwei Stunden. Die durchschnittliche Anreisezeit schwankt bei den Tagesgästen zwischen 42 Minuten im Keller- wald-Edersee und 94 Minuten im Niedersächsischen Wattenmeer bei einer mittleren Anreise- zeit von 79 Minuten. Konsequenterweise haben grenznahe NLP einen höheren Anteil an ausländischen Besu- chern, insbesondere wenn jenseits der Grenze Verdichtungsräume liegen, wie beispielsweise im NLP Berchtesgaden mit der Stadt Salzburg (A), oder bei Straßburg (F) im Falle des Schwarzwaldes. Der Bayerische Wald und die Sächsische Schweiz werden trotz ihrer unmit- telbaren Grenzlage weniger stark von tschechischen Gästen aufgesucht (wobei sich diesbe- züglich die Situation in den letzten Jahren geändert haben dürfte; im erstgenannten Fall ge- rade wegen dem großen, zwischenzeitlich dort installierten Attraktionspunkt „Baumwipfel- pfad“). Die Wintersaison spielt in den meisten NLP nur eine sehr untergeordnete Rolle. Ausnahmen bilden hier die NLP Bayerischer Wald (ca. 33 % Anteil Wintersaison), Schwarzwald (ca. 26 % Anteil Wintersaison) und Harz (ca. 25 % Anteil Wintersaison), in denen wintersportliche Akti- vitäten, wie vor allem Ski-Langlauf traditionell einen großen Stellenwert besitzen. Im einzigen alpinen NLP Berchtesgaden sind Skitourengeher und Alpinskifahrer sowie die anderen Win- terbesucher mit einem Anteil von ca. 7 % an der Gesamtbesucherzahl vergleichsweise weni- ger bedeutend. 3.2 Vergleich der Nationalparkaffinität Die von JOB et al. (2003) und JOB et al. (2005) angewandte Methodik zur Abgrenzung des Besuchersegments mit einer hohen Nationalparkaffinität basiert auf Fragen zum Kenntnis- stand und dessen Rolle als Motivation zu einem Aufenthalt im jeweiligen Untersuchungsgebiet. 15
NLP-Touristen im engeren Sinne wissen, dass sie sich in einem Nationalpark befinden und selbiger spielt eine große bzw. sehr große Rolle für den Besuch7. Der Müritz NLP führt mit einem Wert von 47,7 % das Feld an, sowohl hinsichtlich der Affinität als auch beim Wissenstand um den Schutzstatus (vgl. Abbildung 2). Hier konnten fast neun von zehn Befragten (89,3 %) diesen Status richtig zuordnen. Der Bayerische Wald weist mit 45,8 % ebenfalls eine sehr hohe Affinität auf. Das verwundert nicht, ist er doch der älteste NLP in Deutschland. Nicht umsonst konnten 83,8 %8 der befragten Personen den Schutzstatus richtig zuordnen. Erstaunlicherweise reiht sich hier noch der relativ junge Hainich ein: trotz seines geringen Alters resultiert mit 40,5 % eine relativ hohe NLP-Affinität. Hier lässt sich eine starke Fokussierung der Außenkommunikation auf den Schutzstatus der jungen Destination erkennen, die besonders von dem dortigen, vielbesuchten und Deutschland weit bekannten Baumkronenpfad gestützt wird. Einen Anteil von jeweils knapp über 30 % an NLP-Touristen im engeren Sinn verzeichnen die im nordöstlichen Deutschland gelegenen Parke Unteres Odertal (32,1 %9) und Vorpommer- sche Boddenlandschaft (31,5 %). Bei letzterem fällt auf, dass für einen vergleichsweise gerin- geren Kenntnisstand des NLP-Status (65 %) eine hohe Affinität vorherrscht. Hier zeigt sich, dass eine etablierte Destination mit Seebädertradition das NLP-Prädikat als Marke nutzt, um sich breiter am touristischen Markt zu positionieren. Mit geringer Schwankungsbreite hinsichtlich der Affinitätswerte finden sich die NLP Eifel (27,3 %), Jasmund (27,5 %), Berchtesgaden (27,7 %) und Sächsische Schweiz (28,8 %) im Mittelfeld der untersuchten Regionen, da sich über alle Parks eine mittlere Affinität von 28 % errechnet. Es handelt sich im Vergleich zum Bayerischen Wald oder der Vorpommerschen Boddenlandschaft um weniger stark etablierte Destinationen. Die Tourismushistorie ist in der Regel dennoch älter als die des NLP, so dass es sich oft um bereits eingeführte Marken auf dem Reisemarkt handelt. Der Kenntnisstand liegt mit 77,2 % (Eifel), 76,4 % (Jasmund) und 78,8 % (Sächsische Schweiz) in einem ähnlichen Bereich wie für die NLP Hainich oder Vor- pommersche Boddenlandschaft, stellt jedoch ein weniger wichtiges Attribut bei der Reiseent- scheidung dar. Das kann mitunter auf die Rolle als Naherholungsgebiete (Sächsische Schweiz und Eifel) für die nahegelegenen Agglomerationsräume zurückgeführt werden. Berchtesgaden ist hinsichtlich des Kenntnisstands noch viel mehr traditionelle Destination, als die NLP mit vergleichbaren Affinitätswerten, da dort der Reiseverkehr bis in die Belle Epoque-Zeit zurück reicht. Dennoch macht sich die erfolgreiche Kommunikationspolitik der Parkverwaltung stark bemerkbar: konnten 2002 nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten den Schutzstatus der Region richtig benennen (55,1 %), so waren es 2014 fast drei Viertel (73,1 %). Die Entwicklung der NLP-Affinität zeigt sich noch dynamischer. Sie stieg innerhalb von zwölf Jahren um mehr als das 2,5-fache, von 10,1 % auf die bereits genannten 27,7 % (vgl. JOB et al. 2003; METZLER et al. 2016). Zu den positiven Steigerungen dürften auch die Eröffnung des NLP-Besucher- zentrums „Haus der Berge“ im Jahr 2013 und die dazu vorab sowie bei Inbetriebnahme um- fassende Medienberichterstattung beigetragen haben. Mit einem Anteil von 25,8 % an NLP-Touristen im engeren Sinn im Kellerwald-Edersee und 24,4 % im Harz ist das Label NLP hier nur knapp weniger Reisemotivation als in der Eifel, im 7Das genaue Vorgehen zur Abgrenzung von Nationalparktouristen im engeren Sinne und sonstigen Nationalparktouristen findet sich bei den genannten Quellen. 8In JOB et al. 2008 wird der Kenntnisstand des NLP mit 86,1 % beziffert. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Kontrollfrage (vgl. Anhang 3 Frage 6a) nicht in die Auswertung mit einbezogen wurde. 9In der Veröffentlichung von REIN et al. (2009) zum NLP Unteres Odertal fehlt eine Angabe zum Kennt- nisstand des Schutzgebietsstatus für alle Besucher des NLP. 16
Jasmund oder in der Sächsischen Schweiz. Der Anteil der Personen, die sich des Schutzsta- tus bewusst sind, liegt im Harz bei 77,8 %, im Kellerwald-Edersee bei 75,8 % und somit über dem Durchschnitt für alle NLP von 72,2 %. Der Harz, eine tradierte Destination als ehedem Sommerfrischegebiet nicht zuletzt der Berliner, mit ähnlicher NLP-Geschichte wie die Sächsi- sche Schweiz, rangiert somit am unteren Ende des Mittelfeldes hinsichtlich der Verankerung des Schutzstatus als Reisemotiv. Für den Kellerwald-Edersee, lassen sich die ähnlich hohen Affinitätswerte dadurch erklären, dass der NLP in einer touristisch wenig tradierten Region ausgewiesen worden ist und der Schutzstatus gut von Seiten der Touristiker aufgegriffen wird, um sich als Alleinstellungsmerkmal in einer normalen Mittelgebirgslandschaft zu etablieren. Abbildung 2: Affinität und Kenntnisstand der Marke NLP Mit einem Anteil von 10,9 % NLP-Touristen im engeren Sinn im Niedersächsischen und 17,1 % im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer liegen diese Parks deutlich unter dem bun- desweiten Durchschnitt (vgl. Abbildung 2). Ähnlich sieht es mit dem Wissen um den Schutz- status aus. Grund dafür ist zum einen die Tradition und Funktion als Bade-, Kur- und Somme- rurlaubsdestinationen der marinen NLP, die nach wie vor den Hauptgrund für einen Besuch der Küste darstellt. Zusätzlich sind die Wattenmeer-NLP seit 2009 als Weltnaturerbe-Stätten ausgezeichnet, was teilweise zu Verwirrungen seitens der Besucher führt. Letzteres ist aber Wasser auf die Mühlen der Anbieter naturtouristischer Aktivitäten, die seither immens zuge- nommen haben. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass das nordfriesische Wattenmeer (mit relativ aktuellen Zahlen) deutlich besser abschneidet als der ostfriesische Nachbar (wo 17
die Zahlen aus 2007 datieren, also älter sind als der Status UNESCO-Welterbestätte). Der erst im Jahr 2014 ausgewiesene NLP Schwarzwald bildet aktuell mit einem Affinitätswert von 9,3 % das Schlusslicht unter allen deutschen Parks. Immerhin schon über die Hälfte der Befragten weiß jedoch um den Schutzstatus dieser Region, was auf die bundesweite mediale Berichter- stattung im Zuge der schwierigen Ausweisung sowie die jahrelangen Vorarbeiten des dortigen Naturschutzzentrums Ruhestein zurückzuführen ist. Der Anteil von NLP-Touristen im engeren Sinn ist in den UG nicht gleich verteilt, sondern va- riiert typischerweise je nach Standort (vgl. Tabelle 5). Dies ist auf folgende Faktoren zurück- zuführen: Naturnähe, Erreichbarkeit, ausgeübte Freizeitaktivitäten, (nicht) eingesetzte Kom- munikationsinstrumente etc. Der Standort mit der höchsten Affinität zum NLP findet sich im Bayerischen Wald am Hans-Eisenmann-Haus (65,9 %) der Standort mit der geringsten Affini- tät in diesem Park liegt am Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein mit 23,6 %. Wenig überra- schend sind z.B. geringe Affinitätswerte Westerland/Sylt in Schleswig-Holstein (6,7 %), Sass- nitz-Ortsrand im NLP Jasmund (23,2 %) oder der traditionellen Seekur- und Badeinsel Borkum in Niedersachsen (2,9 %). Hier spielen andere Motive eine deutlich größere Rolle für den Auf- enthalt, wie z.B. die sehr bekannte Marke der internationalen Sea-Sun-Sand-Destination Sylt oder der ausschließlich gesundheitsorientierte Kururlaub. Standorte mit den höchsten Anteilen an NLP-Touristen im engeren Sinn sind neben dem Hans-Eisenmann-Haus, die Sundische Wiese (Vorpommersche Boddenlandschaft, 57,1 %) oder Hintersee/Klausbachhaus (Berchtesgaden, 60,1 %). Für Letzteres bspw. können die hohen Affinitätswerte zum Teil auf die vorhandenen Angebote des NLP mit einer Infostelle sowie die Rotwildfütterung im Winter zurückgeführt werden. Ähnliches gilt für die anderen „Top“ Standorte. Das Beispiel der Rotwildfütterung im Klausbachtal zeigt, dass die NLP-Affinität durch be- stimmte Natur-Events beeinflusst werden kann. Dies konnte im NLP Vorpommersche Bodden- landschaft anhand des Natur-Events Kranichzug nachgewiesen werden. Die befragten Kra- nichtouristen wiesen mit 46,1 % eine NLP-Affinität auf, die deutlich über dem Gesamtbesu- cherschnitt von 31,5% liegt (HERGET & JOB 2014). Ähnliches lässt sich auch für andere Natur- Events, primär im Zusammenhang mit Zugvögeln, vor allem in den Wattenmeerparken sowie in der Müritz vermuten. 18
Tabelle 5: Standortspezifische Affinität in deutschen NLP10 “Top-Standorte” (Anteil im enge- „Flop-Standorte“ (Anteil im engeren ren Sinne in %) Sinne in %) Bayerischer Wald Hans-Eisenmann-Haus (65,9) Grenzbhf. Bayerisch-Eisenstein (23,6) Eifel Wahlerscheid (42,9) Bruechelchen (14,5) Hainich Craulaer Kreuz (55,4) Mallinde (33,7) Kellerwald-Edersee Himmelsbreite (43,3) Brücke der Banfebucht (16,2) Ns. Wattenmeer Spiekeroog (29,9) Borkum (2,9) Müritz Mühlensee Ankershagen (55,0) Waren (Eingangsbereich) (31,8) Sächsische Schweiz Beuthenfall (54,8) Lilienstein (11,1) Schwarzwald Ruhestein (17,8%) Badener Höhe (5,4) Harz Rabenklippen (39,2) Zanthierplatz (15,1) Vorp. Boddenlandschaft Sundische Wiese (57,1) Barhöft (14,9) Berchtesgaden Hintersee/Klausbachhaus (60,1) Hinterbrand (7,6) Jasmund Waldhalle (46,7) Sassnitz (23,2) S.H. Wattenmeer Hamburger Hallig (37,0) Westerland Sylt (6,7) 3.3 Vergleich der Ausgabenwerte Die Ausgabenwerte wurden nach der weiter oben beschriebenen Methodik inflationsbereinigt und werden hier in Preisen von 2014 angegeben. Die Gegenüberstellung der Kennziffern er- folgt getrennt nach den vier zentralen Zielgruppen der Tages- bzw. Übernachtungsgäste, so- wie der NLP-Touristen im engeren Sinn und der sonstigen NLP-Touristen (vgl. Tabelle 6). Innerhalb der vier Zielgruppen sind große gebietsspezifische Schwankungen der Ausgaben- werte zu beobachten. Bei den Touristen mit hoher Affinität, die den NLP im Rahmen eines Tagesausfluges aufsuchen, reicht die Spanne von 8,10 € im Unteren Odertal bis hin zu 23,10 € im Jasmund. In dieser Gruppe sind die NLP Jasmund, Vorpommersche Boddenlandschaft, Harz und Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer durch stark überdurchschnittliche Ausgaben- werte gekennzeichnet, während neben dem Unteren Odertal auch der Kellerwald-Edersee nur über sehr geringe Ausgabenwerte verfügt. Die übrigen NLP liegen mit Ausgabenwerten zwi- schen 11,30 € und 14,10 € im Mittelfeld. Die Reihung stellt sich bei den sonstigen Touristen unter den Tagesausflüglern etwas anders dar. Es rangieren die NLP Unteres Odertal und Kellerwald-Edersee genauso wie die Müritz deutlich unter dem Durchschnittsniveau in den Ausgabenwerten. Auch hier sind es wieder die traditionellen Destinationen, wie der Harz, Berchtesgaden, der Schwarzwald, die Vorpommer- sche Boddenlandschaft, die beiden Wattenmeer-NLP und der Jasmund, welche überdurch- schnittliche Ausgaben zeitigen. Bei den Übernachtungsgästen sind ebenfalls deutliche Unterschiede in den Ausgabewerten je nach Gebiet zu beobachten. Dabei fallen die absoluten Differenzen verglichen mit den Tages- gästen naturgemäß höher aus. Grundsätzlich stellt sich die Reihung der NLP bei den Über- nachtungsgästen ähnlich wie unter den Tagesgästen dar. Auch hier sind in der Gruppe der 10Da die Daten für den NLP Unteres Odertal im Wesentlichen aus REIN et al. (2009) entnommen wurden und dieser keine Auswertungen zu Standort und NLP-Affinität beinhaltet, muss in dieser Tabelle auf eine entsprechende Differenzierung für das Untere Odertal verzichtet werden. 19
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