Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung | Gesundheitsschutz

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Bundesgesundheitsblatt
Gesundheitsforschung | Gesundheitsschutz
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Elektronischer Sonderdruck für
H.-E. Wichmann
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Bundesgesundheitsbl 2012 · 55:781–789 · DOI 10.1007/s00103-012-1499-y
                                                                            zur nichtkommerziellen Nutzung auf der
                                                                        privaten Homepage und Institutssite des Autors
© Springer-Verlag 2012

H.-E. Wichmann · R. Kaaks · W. Hoffmann · K.-H. Jöckel · K.H. Greiser · J. Linseisen

Die Nationale Kohorte

 www.Bundesgesundheitsblatt.de
Leitthema

Bundesgesundheitsbl 2012 · 55:781–789       H.-E. Wichmann1 · R. Kaaks2 · W. Hoffmann3 · K.-H. Jöckel3 · K.H. Greiser2 ·
DOI 10.1007/s00103-012-1499-y               J. Linseisen1
Online publiziert: 7. Juni 2012             1 Helmholtz-Zentrum München, Neuherberg
© Springer-Verlag 2012                      2 Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg

                                            3 Universität Greifswald, Greifswald

                                            4 Universitätsklinikum Essen, Essen

                                            Die Nationale Kohorte

Chronische Krankheiten sind in Deutsch-     zinische Untersuchungen, wiederholte             tiiert wurden (vor bis zu 25 Jahren), als
land ebenso wie in anderen westlichen       Befragungen und Entnahmen von Blut-              zahlreiche der heute üblichen Untersu-
Industrieländern die Haupttodesursache.     proben Informationen über die Studien-           chungstechniken noch nicht verfügbar
Durch den demografischen Wandel wird        teilnehmer vor der eventuellen Diagno-           waren. Des Weiteren werden bei einigen
die Bedeutung dieser sogenannten Volks-     se einer Krankheit gesammelt werden.             der größeren deutschen Kohortenstudien
krankheiten in den kommenden Jahr-          Somit können für eine Vielfalt von Ge-           die Bioproben der für die Forschung inte-
zehnten weiter zunehmen und eine gro-       sundheitszuständen oder Krankheits-              ressanten Personen in den nächsten zehn
ße Belastung für das Gesundheitssystem      kombinationen (Multimorbidität) die              bis 20 Jahren größtenteils aufgebraucht
darstellen. Eine starke Erhöhung der Pa-    Auswirkungen von Lebensstil, Umwelt              sein.
tientenanzahl wird besonders für Dia-       und genetischer Konstellationen ge-                  Daher hat ein Netzwerk von Wissen-
betes mellitus, Schlaganfälle, Lungen-      meinsam untersucht und umfassend, va-            schaftlerinnen und Wissenschaftlern aus
erkrankungen, Krebs sowie neuropsych-       lide und verlässlich quantifiziert werden.       der Helmholtz-Gemeinschaft, den Uni-
iatrische Erkrankungen erwartet [1]. Die        Bisher gibt es in Deutschland einige         versitäten, der Leibniz-Gemeinschaft und
Folgen sind steigende Kosten für die Ku-    mittelgroße Kohortenstudien mit zusam-           der Ressortforschung deutschlandweit
rativmedizin, Rehabilitation und Pfle-      men etwa 100.000 bis 120.000 Teilneh-            die Initiative zum Aufbau einer groß an-
ge. Beispielsweise belaufen sich aktuelle   mern. Zu nennen sind hier zum Beispiel           gelegten, bevölkerungsbezogenen Lang-
Schätzungen für die direkten kurativme-     folgende Studien: CARLA (Cardiovascu-            zeit-Kohortenstudie ergriffen [9]. Diese
dizinischen Kosten von Herz-Kreislauf-      lar Disease, Living and Ageing in Halle),        Nationale Kohorte wird eine hoch stan-
Erkrankungen auf 35 Mrd. Euro jährlich,     EPIC (European Prospective Investiga-            dardisierte und umfassende Datenbasis
für die von Diabetes auf 5,6 Mrd. und für   tion into Cancer and Nutrition in Heidel-        liefern, die der Heterogenität der deut-
die von Krebs 15 Mrd. Euro [1].             berg und Potsdam), KORA (kooperative             schen Bevölkerung sowohl in Bezug auf
    Gesundheitsökonomische Analysen         Gesundheitsforschung im Raum Augs-               Risikofaktoren als auch auf die bedeu-
zeigen, dass die Krankheitsvorbeugung       burg), Heinz Nixdorf Recall Studie (Risk         tendsten Erkrankungen Rechnung trägt.
(Prävention) ein kostengünstigeres Mit-     Factors, Evaluation of Coronary Calcifi-         Die Nationale Kohorte zielt auch darauf
tel als die kurative Medizin ist, um die    cation and Lifestyle) in Essen und SHIP          ab, ein breites Spektrum von Biomateria-
Morbidität und Mortalität bei den meis-     (Study of Health In Pomerania in Greifs-         lien – auch wiederholt – zu sammeln und
ten chronischen Erkrankungen zu sen-        wald) [4, 5, 6, 7, 8]. Viele wurden jedoch       für wissenschaftliche Analysen zur Ver-
ken [2, 3].                                 unabhängig voneinander geplant und ha-           fügung zu stellen. Auf diese Weise wird
    Zur Entwicklung effektiver Strate-      ben unterschiedliche Studienelemente.            die Bearbeitung einer Vielzahl von For-
gien für die Prävention chronischer         Daher können Daten aus den bestehen-             schungsthemen mit ausreichender sta-
Krankheiten besteht weiter großer           den Kohortenstudien nur in einem ein-            tistischer Power ermöglicht, was mit be-
Forschungs­bedarf. Als Grundlage hier-      geschränkten Umfang zusammengefasst              stehenden deutschen Kohorten nicht um-
für sind exakte Daten über die Ursachen     und für gemeinsame wissenschaftliche             setzbar wäre (zur Berechnung der statisti-
dieser Erkrankungen und über die Ef-        Auswertungen genutzt werden. Zudem               schen Power siehe [13]).
fekte des Vermeidens oder Verringerns       liegt der Median der Altersverteilung bei            Ähnlich große Kohortenstudien in
ihrer wichtigsten Risikofaktoren erfor-     den Probanden in den meisten Studien             Europa sind die UK Biobank in Groß-
derlich. Diese Daten werden in epide-       mittlerweile bei deutlich über 55 Jahren,        britannien, CONSTANCES in Frank-
miologischen Studien gewonnen; das          sodass die frühe Entwicklung von Krank-          reich und LifeGene in Schweden [10, 11,
hierfür optimale Studiendesign ist die      heiten oft nicht untersucht werden kann.         12]. Gegenüber diesen Studien wird die
prospektive Kohortenstudie. Auf diese       Hinzu kommt, dass viele der existieren-          Nationale Kohorte einige Besonderheiten
Weise können durch wiederholte medi-        den Kohortenstudien zu einer Zeit ini-           aufweisen, wie zum Beispiel die Bereit-

                                                          Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6/7 · 2012   | 781
Leitthema

                                                                                                     (COPD), Asthma) und Infektionskrank-
                                                                                                     heiten (vor allem bezüglich Atemwegs-
                                                                                                     system, Magen-Darm-Trakt und Mund-
                                                                                                     gesundheit). Neben den klinisch manifes-
                                                                                                     ten Erkrankungen steht die Untersuchung
                                                                                                     subklinischer Vorstufen (zum Beispiel
                                                                                                     durch Messung der kognitiven Funktion,
                                                                                                     der Lungenfunktion oder der Intima-Me-
                                                                                                     dia-Dicke der Halsschlagader) und funk-
                                                                                                     tioneller Veränderungen (zum Beispiel
                                                                                                     muskuloskelettale Untersuchungen) im
                                                                                                     Fokus. Zu den Risikofaktoren bzw. Ex-
                                                                            Abb. 1 9 Rekrutie-       positionen, die besondere Beachtung fin-
                                                                            rungscluster (Kreise),   den werden, zählen Lebensstilfaktoren
                                                                            Studienzentren und       (zum Beispiel körperliche Aktivität und
                                                                            Rekrutierungsgebie-      Fitness, Ernährung), psychosoziale und
                                                                            te der Nationalen Ko-
                                                                                                     sozioökonomische Faktoren sowie gene-
                                                                            horte
                                                                                                     tische Faktoren und Umweltbedingungen
                                                                                                     [13]. Beispiele für einzelne wissenschaftli-
    stellung hochwertiger Bioproben durch            Wissenschaftliche                               che Fragestellungen, die sich mithilfe der
    eine hochgradig standardisierte Präanaly-        Fragestellungen und Ziele                       Nationalen Kohorte beantworten lassen
    tik und automatische Lagerung, die wie-          der Nationalen Kohorte                          werden, finden sich im wissenschaftlichen
    derholte Untersuchung aller Probanden                                                            Konzept der Nationalen Kohorte [13].
    nach fünf Jahren, eine detaillierte Unter-       Die Nationale Kohorte hat im Wesentli-
    suchung präklinischer Krankheitsstadien          chen vier Hauptziele:                           Ausgangsbevölkerung
    und die Implementierung der Magnet­              F die Ursachen chronischer Krankhei-           und Studienregion
    resonanztomographie (MRT) als zeitge-               ten und ihren Zusammenhang mit
    mäße Bildgebungstechnik in der medizi-              genetischen, Lebensstil- und Umwelt-         Die Studienbevölkerung für die Nationa-
    nischen Forschung [13].                             faktoren aufzuklären,                        le Kohorte wird in insgesamt 18 Studien-
       Das wissenschaftliche Konzept der Na-         F neue Risikofaktoren zu identifizie-          zentren über ganz Deutschland verteilt
    tionalen Kohorte wurde durch das Epide-             ren und zur Aufklärung der bestehen-         rekrutiert (. Abb. 1). Aus den regiona-
    miologische Planungskomitee (EPC) und               den geografischen und sozioökono-            len Einwohnermelderegistern wird eine
    das Projektmanagement Team – auf der                mischen Ungleichheiten im Gesund-            nach Alter und Geschlecht stratifizierte
    Basis intensiver Vorarbeiten der Themati-           heitszustand und Krankheitsrisiko in         Zufallsstichprobe der Allgemeinbevölke-
    schen Arbeitsgruppen – ausgearbeitet [14,           Deutschland beizutragen,                     rung im Alter von 20 bis 69 Jahren gezo-
    15]. Die Thematischen Arbeitsgruppen             F Risikovorhersagemodelle für chro-            gen, um insgesamt 200.000 Personen, da-
    bestehen nicht nur aus Epidemiologen,               nische Erkrankungen zu entwickeln            von 100.000 Frauen und 100.000 Männer,­
    sondern aus Wissenschaftlern aus vielen             und Wege einer wirksamen Vorbeu-             zu untersuchen [13]. Es wird ein Betei-
    medizinischen Fächern sowie aus den Na-             gung aufzuzeigen (personalisierte            ligungsanteil von 50% angestrebt, das
    tur- und Geisteswissenschaften. Diese Ex-           Präventionsstrategien) sowie                 heißt, die Einwohnermelderegisterstich­
    perten wurden vom EPC ausgewählt, um             F Möglichkeiten zur Früherkennung              probe­ umfasst ca. 400.000 Personen
    bei spezifischen Themen, wie zum Bei-               chronischer Krankheiten zu identi-           (Bruttostichprobe). Die Ziehung dieser
    spiel den wichtigsten Krankheitsbildern             fizieren (Evaluation von Markern als         Stichprobe findet voraussichtlich zu zwei
    oder MRT, aus ihrer fachlichen Perspek-             effektive Hilfsmittel zur Krankheits-        Zeitpunkten statt, zu Beginn und nach
    tive heraus Ratschläge zum Einsatz geeig-           prävention).                                 2,5 Jahren.
    neter Instrumente zu erhalten.                                                                      Es erfolgt eine Anreicherung höherer
       Die Details des Konzepts zur Nationa-         Folgende chronische Krankheiten spielen         Altersgruppen. So sind die beiden Deka-
    len Kohorte sollen im Folgenden näher            in der Nationalen Kohorte eine besonde-         den 20–29 Jahre und 30–39 Jahre mit je
    vorgestellt werden.                              re Rolle: kardiovaskuläre Erkrankungen          10% in der Kohorte vertreten, die älteren
                                                     (v. a. Herzinfarkt, Schlaganfall), Diabetes     Dekaden mit einem Anteil von je 26,7%.
                                                     mellitus, Krebs (vor allem Brust-, Darm-,       Dieser höhere Anteil an 40- bis 69-Jähri-
                                                     Prostata- und Lungenkrebs), neurodege-          gen ist durch das größere Risiko gerecht-
                                                     nerative und neuropsychiatrische Krank-         fertigt, in diesem Alter chronische Krank-
                                                     heiten (vor allem Demenz, Depression),          heiten in der näheren Zukunft zu ent-
                                                     Erkrankungen der Atemwege (vor allem            wickeln. Um die Untersuchung früher
                                                     chronisch obstruktive Lungenerkrankung          Krankheitsstadien (intermediäre Phäno-

782 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6/7 · 2012
Zusammenfassung · Abstract

typen, frühe Funktionsstörungen, sub-            Bundesgesundheitsbl 2012 · 55:781–789  DOI 10.1007/s00103-012-1499-y
klinische Krankheitsstadien) zu ermög-           © Springer-Verlag 2012
lichen, werden aber auch Personen ab
                                                 H.-E. Wichmann · R. Kaaks · W. Hoffmann · K.-H. Jöckel · K.H. Greiser · J. Linseisen
20 Jahren eingeschlossen. Diese Vertei-
lung nach Alter und Geschlecht wird in           Die Nationale Kohorte
jedem Studienzentrum gleich sein.                Zusammenfassung
    Eine Unterstichprobe von 40.000 Per-         Die Nationale Kohorte (NK) ist ein gemein-         ein noch ausführlicheres Programm einge-
sonen wird ein zusätzliches beziehungs-          sames interdisziplinäres Vorhaben von Wis-         setzt. Ferner werden etwa 40.000 Probanden
                                                 senschaftlern aus der Helmholtz-Gemein-            eine Untersuchung mittels Magnetresonanz-
weise umfangreicheres Untersuchungs-
                                                 schaft, den Universitäten und anderen For-         tomographie (MRT) erhalten. Nach fünf Jah-
programm durchlaufen. Diese Personen             schungsinstituten in Deutschland. Ihr Ziel         ren werden alle Teilnehmer nochmals unter-
werden nach dem Zufallsprinzip ausge-            ist es, die Entstehung der wichtigsten chro-       sucht. Postalische Nachbefragungen zur Ge-
wählt, jedoch entsprechend der prozen-           nischen Krankheiten (Krankheiten des Herz-         sundheitssituation werden alle zwei bis drei
tualen Alters- und Geschlechtsverteilung         Kreislauf-Systems und der Lunge, Diabetes,         Jahre erfolgen. Mit der NK wird eine heraus-
der Gesamtstichprobe. Die zufällige Zu-          Krebs, neurodegenerative/-psychiatrische           ragende Basis für die zukünftige epidemio-
                                                 und Infektionskrankheiten), ihre subklini-         logische Forschung in Deutschland geschaf-
ordnung zu dieser Gruppe erfolgt vor der
                                                 schen Vorstufen und auftretende funktionel-        fen. Ihre Ergebnisse werden neue Möglich-
Kontaktaufnahme, da sich das Informa-            le Veränderungen zu untersuchen. Die NK soll       keiten zur Prävention, Vorhersage und Früh-
tionsmaterial für diese von dem für die          200.000 Männer und Frauen im Alter von 20–         erkennung der wichtigsten Volkskrankhei-
Basisgruppe unterscheidet.                       69 Jahren umfassen, die in 18 Studienzentren       ten eröffnen.
    Der gewählte Studienumfang stellt            aus einer repräsentativen Stichprobe der Be-
                                                 völkerung ausgewählt werden. Zusätzlich zu         Schlüsselwörter
einen Kompromiss dar, der auf Schät-
                                                 Interviews und Fragebogenerhebungen wer-           Bevölkerungsbezogene Kohorte ·
zungen der Zahl der Neuerkrankungen              den eine Reihe medizinischer Untersuchun-          Chronische Krankheiten · Lebensstilfaktoren ·
an wichtigen Krankheitsbildern und der           gen durchgeführt und verschiedene Biopro-          Magnetresonanztomographie · Subklinische
Häufigkeit und Verteilung wichtiger Risi-        ben gesammelt. Bei 20% der Personen wird           Vorstufen · Funktionelle Veränderungen
kofaktoren basiert. Zusätzlich sind natür-
lich auch finanzielle Aspekte eingeflossen.
    Umfangreiche, komplexe Fallzahlab-           The German National Cohort
schätzungen sind im Anhang des Antrags           Abstract
dargestellt [13]. Beispielhaft werden nach       The German National Cohort (GNC) is a joint        is foreseen. Also in 40,000 participants, mag-
zehn Jahren Follow-up folgende Zahlen            interdisciplinary endeavour of scientists from     netic resonance imaging of the whole body,
an Neuerkrankungen erwartet: für Herz-           the Helmholtz Association, universities and        heart and brain will be performed. After 5
infarkt ca. 5000, für Diabetes ca. 9000, für     other German research institutes. Its aim is to    years, a follow-up examination will be per-
                                                 investigate the development of major chron-        formed in all subjects and active follow-up by
Brustkrebs ca. 3600, für Lungenkrebs ca.         ic diseases (cardiovascular diseases, cancer,      postal questionnaires is planned every 2–3
1100.                                            diabetes, neurodegenerative psychiatric dis-       years. The GNC will provide an excellent ba-
                                                 eases, pulmonary and infectious diseases),         sis for future population-based epidemiology
Rekrutierung der                                 the subclinical stages and functional chang-       in Germany and results will help identify new
                                                 es. In 18 study centres across Germany, a rep-     and tailored strategies for prevention, predic-
Studienteilnehmer                                resentative sample of the general population       tion and early detection of major diseases.
                                                 will be drawn to recruit in total 200,000 men
Die Personen aus den Bevölkerungs-               and women aged 20–69 years. In addition            Keywords
stichproben werden in einem mehrstufi-           to interviews and questionnaires, the base-        Population-based cohort · Chronic disease ·
gen Einladungsverfahren in die Studien-          line assessment includes a series of medical       Life-style factors · Magnet resonance
zentren eingeladen. Als Erstes wird eine         examinations and the collection of a diverse       imaging · Subclinical stages · Functional
                                                 range of biomaterials. In 20% of the partici-      changes
schriftliche Einladung auf dem Postweg
                                                 pants, an intensified assessment programme
verschickt. Dieser Brief enthält ein Ein-
ladungsanschreiben, eine Beschreibung
der Ziele und Untersuchungselemen-
te der Studie, den Hinweis auf die Zu-         trums genannt, um Termine zu vereinba-               rung Rechnung getragen, da sie nicht aus-
stimmung des Datenschutzbeauftragten           ren oder um zusätzliche Informationen                schließlich tagsüber stattfinden, sondern
und der Ethikkommission und mögli-             erfragen zu können. Wenn innerhalb von               auch abends und am Wochenende.
cherweise Unterstützungsbriefe regiona-        vier Wochen kein Kontakt hergestellt wer-               Um eine hohe Teilnahme zu erreichen,
ler Behörden und der Schirmherren des          den konnte, wird eine Erinnerungseinla-              werden verschiedene Maßnahmen ergrif-
Projekts. Personen, deren Telefonnum-          dung per Post geschickt zusammen mit ei-             fen. Es wird Öffentlichkeitsarbeit betrie-
mer aus öffentlichen Telefonbüchern be-        ne\r vorgefertigten, frankierten Antwort-            ben werden, um den Bekanntheitsgrad der
kannt ist, werden im Verlauf der folgen-       karte und mit Terminvorschlägen für den              Nationalen Kohorte in der Bevölkerung zu
den Tage vom Studienpersonal angeru-           Besuch des Studienzentrums. Sowohl bei               erhöhen. Dies beinhaltet auch die Infor-
fen. Gleichzeitig wird den Personen die        Telefonanrufen als auch Hausbesuchen                 mationsweitergabe an und die Integration
Telefonnummer des lokalen Studienzen-          wird dem Anteil der arbeitenden Bevölke-             regionaler Allgemeinärzte und Apothe-

                                                            Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6/7 · 2012              | 783
Leitthema

        Tab. 1    Nationale Kohorte: Studiendesign und Zeitplan                                                     befragt, medizinisch untersucht und um
        Studiendesign                                                                                               die Abgabe von Biomaterialien gebeten.
        – Bevölkerungsbezogene prospektive Kohorte (Männer und Frauen)                                              Die Befragung erfolgt über ein compu-
        – Alter 20 bis 69 Jahre                                                                                     tergestütztes persönliches Interview so-
        – Zufallsstichprobe von Einwohnern definierter geografischer Regionen                                       wie mittels Fragebögen, die zum Teil im
        – 18 Studienzentren                                                                                         Untersuchungszentrum am Touchscreen-
        – Level 1, n=200.000                                                                                        Computer ausgefüllt werden und zum Teil
        – Level 2, n=40.000                                                                                         von zu Hause im Internet oder als Papier-
        – Level 3, n=variabel (Zusätzliche Forschungsfragen mit zusätzlicher Finanzierung)                          version ausgefüllt werden können. Eine
        – Magnetresonanztomographie (MRT)-Programm, n=40.000                                                        Folgeuntersuchung (Nachuntersuchung)
        – Basisuntersuchung mit Interviews, Fragebogen-Modulen, körperlicher Untersuchung, Tests der
                                                                                                                    aller Probanden ist nach fünf Jahren ge-
        kognitiven Funktion, Sammlung von Bioproben (Blut, Urin, Speichel, Nasenabstriche, Stuhl)                   plant, ergänzt durch postalische Befra-
           2,5 Stunden Untersuchungsprogramm für Level 1 und                                                        gungen (Nachbeobachtung) alle zwei bis
           4 Stunden intensiviertes Untersuchungsprogramm für Level 2                                               drei Jahre. Die Durchführung der Basis-
        – Nach 5 Jahren Folgeuntersuchung bei allen Studienteilnehmern                                              und Folgeuntersuchung wird insgesamt
        – Kalibrierungs-Substudie (Messungswiederholungen sowohl innerhalb der Basisuntersuchung als                zehn Jahre umfassen (. Tab. 1). Die im
        auch der Folgeuntersuchung)                                                                                 Laufe der Nachbeobachtung über weitere
        – Kombination von aktiver (postalische Fragebögen alle 2–3 Jahre) und passiver Nachbeobachtung              zehn bis 20 Jahre bei einigen Teilnehmern
        (Verknüpfung mit Registern)                                                                                 auftretenden Erkrankungen können dann
        Zeitplan                                                                                                    mit den zuvor zur Basisuntersuchung bzw.
        – 2009–2012 Planung, Pretests                                                                               zur Folgeuntersuchung erhobenen Daten
        – 2013 Pilotstudie                                                                                          in Verbindung gebracht werden.
        – 2013–2017 Basisuntersuchung
        – 2018–2022 Folgeuntersuchung                                                                               Basisuntersuchung
        – Ab 2015 Aktive Nachbeobachtung, alle 2–3 Jahre (Fragebögen per Post)
        – Ab 2018 Nutzung für epidemiologische Studien                                                              In der Intensitätsstufe 1 (Level 1), die von
                                                                                                                    allen 200.000 Teilnehmern durchlaufen
        Tab. 2    Nationale Kohorte: Fragebögen                                                                     wird und ca. 2,5 Stunden dauert, werden
        Allgemeine Fragebögen                                  Spezielle Fragebögena                                Interviews und Fragebögen (. Tab. 2)
        – Soziodemografische und sozioökonomische              – Neurologische und psychiatrische Faktoren          sowie verschiedene Untersuchungsver-
        Faktoren                                               (Symptomfragebögen zu Depression, Angststö-          fahren (. Tab. 3) eingesetzt. In der Be-
                                                               rung, Kopfschmerz und Schlaf)                        fragung werden Informationen zu so-
        – Medizinische Anamnese                                – Psychosoziale Faktoren (Persönlichkeit, chroni-    ziodemografischen Faktoren, zu Lebens-
                                                               scher Stress, Trauma, beruflicher Stress, soziales   gewohnheiten (zum Beispiel körperliche
                                                               Netzwerk; Konflikte im Beruf und in der Familie,     Aktivität, Rauchen, Ernährung, Beruf), zu
                                                               berufliche Unsicherheit)
                                                                                                                    psychosozialen und sozioökonomischen
        – Familienanamnese                                     – Infektionen und Immunfunktion
                                                                                                                    Faktoren, zur medizinischen Anamnese
        – Medikation der letzten sieben Tage                   – Schmerzen im Muskel-Skelett-System                 und zur Familienanamnese erhoben.
        – Teilnahme an Screening-Untersuchungen                – Mundgesundheit                                         Die Untersuchungen umfassen Mes-
        – Frauen-/Männergesundheit                             – Körperliche Aktivität (Beruf, Freizeit, Sport)     sungen anthropometrischer Indizes, des
        – Rauchen, Alkohol, weitere Drogen                     – Ernährung                                          Blutdrucks, der arteriellen Steifigkeit, ein
        – Gesundheitsbezogene Lebensqualität                   – Umweltfaktoren (Wohnungsadresse, Berufs-           Elektrokardiogramm (EKG), eine Spiro-
                                                               adresse)
                                                                                                                    metrie, Messungen der körperlichen Ak-
        – Weitere persönliche Charakteristika                  – Beruf (Screening spezieller Arbeitsbedingun-       tivität (Akzelerometrie) und Fitness, der
                                                               gen)
                                                                                                                    kognitiven Funktionen und die Erfassung
                                                               – Nutzung des Gesundheitssystems (Arzt­
                                                               besuche, Krankenhausaufenthalte)
                                                                                                                    des Zahnstatus. Ein weiteres wichtiges
        aDie Machbarkeit wird derzeit zum Teil noch erprobt.                                                        Element ist die Sammlung von Biomate-
                                                                                                                    rialien von allen Teilnehmern. Die Proto-
                                                                                                                    kolle zur Probenentnahme und Lagerung
    ken sowie die Einrichtung eines Service-                    Basisuntersuchung, einschließlich der La-           von Aliquots werden so geplant, dass sie
    telefons und einer Homepage im Inter-                       bordaten.                                           die größtmögliche Auswahl für zukünf-
    net. Zudem wird es Informationskampa-                                                                           tige Laboranalysen erlauben. Die Biopro-
    gnen in Printmedien, Radio und Fernse-                      Das Untersuchungsprogramm                           ben umfassen Blutproben, Plasma, Se-
    hen geben. Wichtige Anreize für die in-                                                                         rum, Dimethylsulfoxid-präparierte leben-
    dividuelle Teilnahme stellt beispielsweise                  Die Studienteilnehmer werden bei ihrem              de weiße Blutzellen (in einer Untergrup-
    die Mitteilung der eigenen Ergebnisse der                   Besuch im Studienzentrum ausführlich                pe), Erythrozyten, Urin, Speichel, Nasen-

784 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6/7 · 2012
Tab. 3    Nationale Kohorte: Untersuchungsmodule und Bioproben                                                 Der Zeitraum, in dem die Folgeunter-
 Untersuchungsmodulea                                   Bioprobena                                          suchungen durchgeführt werden, beträgt
 – Herz-Kreislauf-System [Blutdruck, Herzfre-           – Biomaterialien [Serum, Blut, Plasma, Erythro-     – analog zur Basisuntersuchung – fünf
 quenz, EKG (10 s, 12 Ableitungen; 24 h), Carotis-      zyten, Desoxyribonukleinsäure (DNA), Ribonuk-       Jahre, sodass im Mittel jede Person fünf
 Sonographie (Intima-Media-Dicke)]                      leinsäure (RNA), lebende Zellen, Urin, Speichel,    Jahre nach Eintritt in die Studie ein zwei-
                                                        Nasenabstrich, Stuhl]                               tes Mal untersucht werden kann. Auf Ba-
 – Diabetes [Oraler Glukose-Toleranz-Test (OGTT),       – Umfang: 20 Mio. Aliquots, 100 Aliquots pro        sis der Erfahrungen aus anderen deut-
 Advanced-Glycation-Endproducts (AGE)-Mes-              Proband                                             schen Kohortenstudien, wird bei der Fol-
 sung der Haut]
                                                                                                            geuntersuchung von einer Beteiligung
 – Kognitive Funktion (Testbatterie)                    – Zentrales Biorepository (insgesamt 2/3 aller
                                                                                                            von 80% ausgegangen [4, 5].
                                                        Proben, dabei 1/6 im automatischen Lager, 1/2
                                                        im zentralen Flüssigstickstoff-Lager)                   In der Folgeuntersuchung wird ein
 – Lungenfunktion (Spirometrie, exhaliertes             – Regionale Flüssigstickstoff-Lagerung (1/3 aller   großer Teil der Untersuchungen aus der
 Stickstoffmonoxid)                                     Proben)                                             Basisuntersuchung erneut durchgeführt.
 – Muskel-Skelett-System (medizinische Unter-           Magnetresonanztomographie (MRT)a                    In dieser werden Veränderungen bei den
 suchung)                                                                                                   Risikofaktoren, bei quantitativen Parame-
 – Mundgesundheit (Zahnstatus, Untersuchung             – Ganzkörper-MRT                                    tern der präklinischen Morbidität und bei
 der Mundhöhle)                                                                                             anderen funktionellen Parametern sowie
 – Sinnesorgane (Augenuntersuchung, Hörtest,            – Herz-MRT                                          neu aufgetretene Krankheitsdiagnosen er-
 Riechtest)                                                                                                 fasst.
 – Körperliche Aktivität und Fitness (7-Tage-Ak-        – Gehirn-MRT
 zelerometrie, kardiorespiratorischer Fitness-Test,
 Handgreifstärke)
                                                                                                            Kalibrierungs-/
 – Anthropometrie (Körpergewicht, Körpergröße,
                                                                                                            Reliabilitäts-Substudie
 Taillen- und Hüftumfang)
 aDie Machbarkeit wird derzeit zum Teil noch erprobt.                                                       Zusätzlich zur mittelfristigen (Fünf-Jah-
                                                                                                            res-)Wiederholung von Messungen im
                                                                                                            Rahmen der Folgeuntersuchung werden
abstriche und Stuhlproben, die in einem                  lung sowie ihre zeitlichen Veränderungen           Kurzzeit-Wiederholungsmessungen in-
zentralen Biorepository mit dezentraler                  darzustellen. Diese Datenbasis wird ver-           nerhalb eines Jahres (im Mittel 6 Mona-
Backup-Lagerung langfristig gelagert wer-                wendet, um neue morphologische, MRT-               te) nach der Erstuntersuchung durchge-
den (. Tab. 3).                                          basierte Risikomarker für verschiede-              führt. Sie werden an einer Subgruppe von
   In der Intensitätsstufe 2 (Level 2) wird              ne Krankheitszustände und subklinische             6000 Personen aus der Basisuntersuchung
bei einer repräsentativen Untergruppe                    morphologische und funktionelle Verän-             und von 4000 Personen aus der Folge-
der Kohorte (20%, 40.000 Teilnehmer)                     derungen zu identifizieren.                        untersuchung durchgeführt. Diese Kali-
ein umfangreicheres Untersuchungs-                           Schließlich sind zusätzlich „Le-               brierungs-/Reliabilitäts-Substudien die-
programm von insgesamt vier Stunden                      vel 3“-Studien mit weiteren vertiefenden           nen dazu, intraindividuelle Zufallsvaria-
durchgeführt (. Tab. 1). Zusätzlich zu                   Untersuchungen oder gesundheitlichen               tion bei den unterschiedlichen Messun-
den Untersuchungen aus Level 1 sollen                    Endpunkten möglich. Voraussetzung ist              gen zu bestimmen, um bei den statisti-
eine Carotis-Sonographie mit Messung                     allerdings, dass sie unabhängig finanziert         schen Auswertungen Korrekturen für Ab-
der Intima-Media-Dicke, ein Langzeit-                    werden und nicht mit dem Level-1- und              schwächungseffekte zu ermöglichen, die
EKG und erweiterte motorische, sensori-                  Level-2-Programm kollidieren.                      sich aus der zufälligen Fehlklassifizierung
sche und kognitive Funktionstests durch-                     Für die Rekrutierung und Basisunter-           ergeben.
geführt werden. Außerdem wird ein Mar-                   suchung aller 200.000 Studienteilnehmer
ker für Atemwegsentzündung gemessen,                     ist ein Zeitraum von fünf Jahren vorgese-          Methoden der Nachbeobachtung
es werden die Mundhöhle und der Bewe-                    hen.                                               (Follow-up)
gungsapparat untersucht und zusätzliche
Fragebögen eingesetzt.                                   Folgeuntersuchung                                  Neben den beiden Untersuchungen (Ba-
   Ein weiterer Programmpunkt ist die                    nach fünf Jahren                                   sis- und Folgeuntersuchung) im Studien-
Magnetresonanztomographie (MRT).                                                                            zentrum werden die Studienteilnehmer
Diese wird an ca. 40.000 Personen durch-                 Alle Teilnehmer der Nationalen Kohorte             alle zwei bis drei Jahre kontaktiert und
geführt und umfasst eine Ganzkörper-                     werden zu einer Folgeuntersuchung fünf             gebeten, Kurzfragebögen auszufüllen.
untersuchung mit zusätzlichen speziellen                 Jahre nach der Basisuntersuchung einge-            Mit dieser werden Veränderungen im Le-
Untersuchungselementen für Gehirn und                    laden. Es werden auch Probanden nach-              bensstil und anderer gesundheitsrelevan-
Herz. Die MRT-Untersuchungen werden                      verfolgt, die inzwischen nicht mehr in             ter Charakteristika (Medikamentenein-
umfassende Daten liefern, die es gestatten,              ihrer ursprünglichen Studienregion woh-            nahme, Rauchen, Menopause, ausgewähl-
die Prävalenz und Inzidenz MRT-basier-                   nen; diese werden dann im nächstgelege-            te Krankheitssymptome) und das Neu-
ter Befunde und ihre räumliche Vertei-                   nen Studienzentrum untersucht.                     auftreten ausgewählter, wichtiger Erkran-

                                                                       Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6/7 · 2012   | 785
Leitthema

    kungen erfasst („aktives“ Follow-up), und        fehlungen des Deutschen Ethikrats zu            die zentrale Datenspeicherung und zu-
    es wird für wichtige Entitäten durch Ein-        Forschungsbiobanken [17] sowie ande-            gehörige Datenqualitätsüberprüfungen
    sichtnahme in medizinische Unterlagen            re ethisch relevante Richtlinien zugrun-        verantwortlich. Zusätzlich wird es soge-
    validiert. Bei Krebserkrankungen wird ein        de gelegt. Wichtiges Ziel ist die Sicherstel-   nannte Kompetenzeinheiten zur Bearbei-
    Abgleich mit existierenden Krebsregistern        lung des Vertrauens in die Art der Daten-       tung komplexer Studiendaten (zum Bei-
    durchgeführt („passives“ Follow-up). Pa-         sammlung und Speicherung. Das Kon-              spiel Akzelerometrie-Daten, EKG-Daten)
    rallel dazu wird alle zwei bis drei Jahre ein    zept der Nationalen Kohorte wurde in en-        geben, die auch für die jeweiligen quali-
    Mortalitäts-Follow-up mithilfe der Ein-          ger Abstimmung mit dem „Arbeitskreis            tätssicherungsbezogenen Aspekte zustän-
    wohnermelderegister durchgeführt.                Wissenschaft“ der Datenschutzbeauftrag-         dig sind.
        Darüber hinaus wird eine Verknüp-            ten auf Grundlage der Empfehlungen des              Für das externe Qualitätsmanage-
    fung mit weiteren Sekundärdaten zur ge-          Deutschen Ethikrats zu Biomaterialien           ment wird eine unabhängige Experten-
    sundheitlichen Situation und Versorgung          entwickelt. Vor Beginn der Rekrutierung         gruppe beauftragt werden. Diese evalu-
    angestrebt, zum Beispiel mit Krankenver-         wird die finale Fassung des Studienproto-       iert engmaschig und systematisch die in-
    sicherungsdaten.                                 kolls umfassend durch die jeweils verant-       ternen Qualitätssicherungsprozesse und
        Für die interne Validität der Ergeb-         wortlichen Datenschutzbeauftragten und          leitet bei Auffälligkeiten die Informatio-
    nisse aus der Nationalen Kohorte ist eine        Ethikkommissionen überprüft. Ein exter-         nen über notwendige Korrekturen rasch
    möglichst geringe Ausfallrate (loss to fol-      ner Ethikbeirat wird die Kohorte während        an die zuständigen Stellen weiter. Sowohl
    low-up) entscheidend. Aufgrund der sehr          ihrer gesamten Laufzeit begleiten.              die interne als auch die externe Qualitäts-
    positiven Erfahrungen in bestehenden                                                             sicherung werden ihre Erkenntnisse in
    deutschen Kohortenstudien wird auch              Qualitätssicherung                              Berichten dokumentieren.
    für die Nationale Kohorte von einer Be-          und -kontrolle
    teiligungsrate an der Nachbeobachtung                                                            Bisherige Ergebnisse
    von über 80% ausgegangen. Von beson-             Um sicherzustellen, dass die Nationale          und aktueller Stand
    derer Bedeutung ist hierfür die kontinu-         Kohorte im Ganzen einschließlich Daten-
    ierliche Kommunikation mit den Studien-          erhebung und Umgang mit den Daten so-           Die Vorarbeiten zur Nationalen Kohor-
    teilnehmern.                                     wie der Biomaterialgewinnung, -aufberei-        te laufen seit 2009. Ihr wissenschaftliches
                                                     tung und -lagerung von standardisiert ho-       Konzept wurde im Februar 2011 beim
    Lagerung von Biomaterialien                      her Qualität ist – sowohl über die Zeit als     Bundesministerium für Bildung und For-
    (Biobanking)                                     auch über die 18 Studienzentren hinweg          schung (BMBF) zur Begutachtung einge-
                                                     –, wird ein Qualitätsmanagementsystem           reicht. Die Begutachtung durch ein inter-
    Der größte Teil der Bioproben, die wäh-          etabliert werden. Eine Zertifizierung ge-       nationales Gremium erfolgte im April
    rend der Basisuntersuchung und der               mäß ISO 9001 wird angestrebt. Es wird           2011. Alle wesentlichen Eckpunkte der
    Nachuntersuchung gesammelt werden,               sowohl ein internes als auch ein externes       Studie wurden von den Gutachtern sehr
    wird in einer zentralen Biobank (Biore-          Qualitätsmanagement geben.                      positiv bewertet.
    pository) der Nationalen Kohorte einge-             Für die Erhebung werden ausschließ-              Derzeit werden an den beteiligten Stu-
    lagert, die am Helmholtz-Zentrum Mün-            lich standardisierte Instrumente einge-         dienzentren Machbarkeitsstudien (Pre-
    chen eingerichtet wird und ein vollauto-         setzt, und alle Untersuchungen werden           tests) durchgeführt. Eine Gruppe von et-
    matisches Lagersystem und ein manuelles          anhand detailliert beschriebener Vor-           wa 2000 Probanden, die über eine nach
    Lager in Flüssigstickstoff-Tanks umfasst.        gehensweisen, das heißt anhand soge-            Alter und Geschlecht stratifizierte Ein-
    Eine zusätzliche lokale Back-up-­Lagerung        nannter Standard Operating Procedures           wohnermeldeamtsstichprobe ausgewählt
    (in den Clustern beziehungsweise Stu-            (SOPs), durchgeführt. Das durchführen-          wird, wird analog der geplanten Basis-
    dienzentren) ist für ein Drittel der Pro-        de Personal wird umfangreich geschult           untersuchung in den Studienzentren be-
    ben geplant (. Tab. 3). Für alle inziden-        und für jedes einzelne Element in der Er-       fragt und medizinisch untersucht; auch
    ten Fälle wichtiger Krebserkrankungen            hebung zertifiziert. Über den Zeitverlauf       wird die Abnahme von Biomaterialien
    ist die systematische Sammlung von Tu-           werden in regelmäßigen Abständen wie-           getestet. Ziel der Machbarkeitsstudien ist
    morgewebe vorgesehen, das in einer zen-          derholte Trainings und die Erneuerung           es, zentrale Funktionseinheiten (zum Bei-
    tralen Tumorbank am Deutschen Krebs-             der Zertifizierung stattfinden. Ebenso          spiel Management der Bioproben, Daten-
    forschungszentrum in Heidelberg gelagert         erfolgt eine standardisierte Dokumenta-         management und Qualitätskontrolle) ein-
    werden wird.                                     tion der Abläufe im Studienzentrum. Un-         zurichten sowie Arbeitsabläufe zu entwi-
                                                     angekündigte Besuche zur Überprüfung            ckeln, zu testen und auf ihre Machbarkeit
    Ethik und Datenschutz                            der Abläufe und Untersuchungen im Stu-          hin zu prüfen. Des Weiteren werden bei-
                                                     dienzentrum werden durch ein internes           spielsweise verschiedene Instrumente zur
    Die Nationale Kohorte wird auf der               Qualitätssicherungsteam durchgeführt            Datenerhebung und medizinische Unter-
    Grundlage der deutschen Datenschutz-             werden. Die Qualitätskontrolle der Daten        suchungsgeräte auf ihre Verwendbar-
    gesetze [16] und weiterer Vorschriften           erfolgt auf lokaler und zentraler Ebene.        keit und Praktikabilität in großen popu-
    durchgeführt. Ferner werden die Emp-             Die beiden Integrationszentren sind für         lationsbezogenen Kohortenstudien, ein-

786 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6/7 · 2012
schließlich ihre Akzeptanz bei den Pro-       lität und Diversität der gesammelten Bio-                   4. Greiser KH, Kluttig A, Schumann B et al (2005) Car-
                                                                                                             diovascular disease, risk factors and heart rate va-
banden, getestet, um die Auswahl der am       materialien und (iv) der Durchführung                          riability in the elderly general population: de-
besten geeigneten Instrumente zu ermög-       einer MRT-Untersuchung bei 40.000 Per-                         sign and objectives of the Cardiovascular dis­ease,
lichen und vorhandene Instrumente spe-        sonen (und der damit einhergehenden                            ­Living and Ageing in Halle (CARLA) Study. BMC
                                                                                                              Cardiovasc Disord 5:33
ziell für die Studienzwecke anzupassen.       Erstellung einer Datenbank zur Bildge-                      5. Bergmann MM, Bussas U, Boeing H (2000) Fol-
    Anhand der Empfehlungen der Gut-          bung).                                                          low-up procedures in EPIC Germany – data quality
achter und auf Basis der Ergebnisse der       Limitationen einer so breit angelegten                          aspects. Ann Nutr Metab 43(4):225–234
                                                                                                          6. Holle R, Happich M, Lowel H, Wichmann HE (2005)
Machbarkeitsstudien ist das Konzept für       Kohorte sind, dass (i) die Gesamtzahl                           KORA – a research platform for population ­based
die Nationale Kohorte bis zum Frühjahr        komplexer und teurer Untersuchungsins-                          health research. Gesundheitswesen 67(Suppl
2012 überarbeitet worden und im Mai           trumente aus Zeit- und Kostengründen                            1):19–25
                                                                                                          7. John U, Greiner B, Hensel E et al (2001) Study of
2012 erneut begutachtet worden. Im Jahr       eingeschränkt ist, (ii) sehr aufwändige                         Health In Pomerania (SHIP): a health examination
2013 ist die Durchführung der Pilotstudie     Verfahren zum Erreichen einer hohen Be-                         survey in an east German region: objectives and
geplant, die dann bereits das volle Unter-    teiligung, nicht möglich sind und (iii) die                     design. Soz Praventivmed 46:186–194
                                                                                                          8. Erbel R, Möhlenkamp S, Moebus S et al (2010) Co-
suchungsprogramm für die Hauptstudie          Logistik und Qualitätssicherung durch                           ronary risk stratification, discrimination, and re­
umfasst. Nach kleineren Korrekturen, die      die große Zahl von Studienzentren kom-                          classification improvement based on quantifi-
sich aus den Erfahrungen der Pilotstudie      pliziert wird.                                                  cation of subclinical coronary atherosclerosis:
                                                                                                              the Heinz Nixdorf Recall study. J Am Coll Cardiol
ableiten lassen, wird zügig mit der Haupt-    Insgesamt überwiegen nach Ansicht der                           56:1397–1406
phase begonnen werden.                        Autoren die Vorteile gegenüber den Li-                      9. Nationale Kohorte (2012) Nationale Kohorte.
    Ab 2013 sollen für die ersten zehn Jah-   mitationen deutlich. Die Nationale Ko-                          http://www.nationale-kohorte.de/index.html
                                                                                                         10. UK Biobank (2012) UK Biobank. http://www.ukbio-
re die benötigten Fördermittel zur Rekru-     horte stellt eine wichtige Investition in                       bank.ac.uk/
tierung der Probanden gemeinsam vom           die Zukunft dar, wird von großem Nutzen                    11. Constances (2012) Constances. http://www.cons-
BMBF, der Helmholtz-Gemeinschaft und          für die medizinische Forschung sein und                         tances.fr/index.php?option=com_ rokdown­loads
                                                                                                              &view=folder&Itemid=126&id=237%3Aannexes-
den Ländern zur Verfügung gestellt wer-       wichtige Erkenntnisse zur Verbesserung                          du-protocole-de-la-phase-pilote&limitstart=10
den.                                          der Gesundheit der Bevölkerung liefern.                    12. LifeGene (2012) LifeGene. http://www.lifegene.se/
    Die Nutzung von Daten und Biopro-                                                                         Forscientists/Questionnaire-Overview/
                                                                                                         13. Nationale Kohorte (2012) Wissenschaftliches Kon-
ben für epidemiologische Auswertungen
                                              Korrespondenzadresse                                            zept. http://www.nationale-kohorte.de/content/
kann beginnen, sobald die Basisuntersu-                                                                       wissenschaftliches_konzept_der_nationalen_ko-
chung (einschließlich Qualitätssicherung)                                                                     horte.pdf
                                              Prof. Dr. Dr. H.-E. Wichmann                               14. Nationale Kohorte (2012) EPC-Mitglieder. http://
abgeschlossen ist. Insgesamt soll die Na-     Helmholtz-Zentrum München                                       www.nationale-kohorte.de/content/epc-mitglie-
tionale Kohorte der Forschung für eine        Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg                       der.pdf
                                              wichmann@helmholtz-muenchen.de                             15. Nationale Kohorte (2012) Thematische Arbeits-
Periode von mindestens 25–30 Jahren zur
                                                                                                              gruppen. http://www.nationale-kohorte.de/con-
Verfügung stehen.                                                                                             tent/thematisch-ags.pdf
                                              Danksagung. Wir danken den vielen Wissenschaft-            16. Bundesdatenschutzgesetz (2010) Bundesdaten-
Fazit                                         lerinnen und Wissenschaftlern, die durch ihre Beteili-          schutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung
                                              gung an den Thematischen Arbeitsgruppen maßgeb-                 vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt
                                              lich an der Konzeptentwicklung der Nationalen Ko-               durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009
Die Nationale Kohorte wird wesentlich         horte mitgewirkt haben. Für die Mitwirkung an dem               (BGBl. I S. 2814) geändert worden ist. http://www.
dazu beitragen, neue und zielgenaue           vorliegenden Artikel danken wir Frau Dipl.-Geol. Inke           gesetze-iminternet.de/bundesrecht/bdsg_1990/
                                              Thiele, MPH. Des Weiteren sind wir den Mitarbeiterin-           gesamt.pdf
Strategien zur Prävention, Vorhersage­        nen und Mitarbeitern, die lokal und überregional am        17. Deutscher Ethikrat (2010) Humanbiobanken für
und Früherkennung von chronischen             Aufbau der Infrastruktur und der Durchführung der               die Forschung. Stellungnahme. http://www.ethik­
Krankheiten zu entwickeln. Ihr Beitrag        Pretests beteiligt waren, zu großem Dank verpflichtet.          rat.org/dateien/pdf/stellungnahme-humanbio-
                                                                                                              banken-fuer-die-forschung.pdf
wird durch vielfältige Synergien mit den
                                              Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
deutschen Zentren für Gesundheitsfor-         gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-
schung, die an vielen Standorten Patien-      senkonflikt besteht.
tenkohorten aufbauen, noch verstärkt
werden. Die Nationale Kohorte stellt eine
hervorragende Basis für die zukünftige        Literatur
epidemiologische Gesundheitsforschung
in Deutschland dar und hebt sich im Ver-       1. Robert Koch-Institut (Hrsg) (2006) Gesundheit in
                                                  Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des
gleich zu großen internationalen Kohor-           Bundes. Robert Koch-Institut, Berlin
tenstudien in besonderer Weise ab, ins-        2. Van Baal P, Polder J, Wit A de et al (2008) Lifetime
besondere hinsichtlich (i) der verstärkten        medical costs of obesity: prevention no cure for in-
                                                  creasing health expenditure. PLoS Med 5(2):29
Erfassung subklinischer Krankheitsmerk-        3. Rappange DR, Brouwer WB, Rutten FF, Baal PH van
male und funktioneller Messungen (in              (2010) Lifestyle intervention: from cost savings to
Ergänzung zu den klinischen Endpunk-              value for money. J Public Health 32:440–447

ten), (ii) einer Nachuntersuchung aller
200.000 Studienteilnehmer, (iii) der Qua-

                                                             Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 6/7 · 2012                       | 787
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