Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist. Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas – praxisorientiertes Begleitheft (Teil 3) DER PARITÄTISCHE HAMBURG | www.paritaet-hamburg.de
2 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 3 Inhalt „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ ist ein Programm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist 2 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Grußworte 4 Seit 2016 begleitet der PARITÄTISCHE Hamburg einen ei- Unser Angebot: Inklusives Handeln – an einem Praxisbeispiel veranschaulicht 6 genständigen Sprach-Kita Verbund im Rahmen des Bun- Kommunikation muss grundsätzlich überall und in jeder Form möglich sein 8 desprogramms „Sprach-Kitas. Weil Sprache der Schlüssel • Qualifizierung der Tandems (Leitung und Sprachfach- Was ist eigentlich ein Kinderrecht? 9 zur Welt ist“. Die teilnehmenden Einrichtungen sind in kraft) zu Multiplikator*innen in unseren drei Schwer- Wir sind Kinder einer Wel 11 Teilen verbandlich unabhängig oder werden spitzenver- punkten Die Welt in der Kita 12 bandlich durch uns vertreten. • alltagsintegrierte sprachliche Bildung, Was Weihnachten bedeuten kann 13 Mit der zweiten Förderwelle des Bundes 2017 haben wir • Zusammenarbeit mit Familien und Videografie, Die bunte Welt der Lebensmittel 14 dieses Angebot um weitere 6 Verbünde erweitert und zu ei- • Inklusion. Ein Tag als Prinzessin 16 nem „Kompetenzzentrum: Sprach-Kitas“ weiterentwickelt. • Coaching, Beratung und Training für die Tandems, Vielfalt durch Bücher als Helfer im Spracherwerb! 17 Die Grundlage hierfür bildet das Konzept der alltagsinte- • direkte und praxisorientierte Unterstützung der Gegen Diskriminierung in Bilderbüchern vorgehen 18 grierten sprachlichen Bildung und Sprachförderung, der Mitarbeitenden in der Kita, Diskriminierung in Kinderbüchern auf der Spur 19 Zusammenarbeit mit Familien und der Inklusion. • die Kitas profitieren davon, dass die Fachberaterinnen Wie werden Individualität, Vielfalt und Gemeinsamkeit bei uns in der Kita gelebt? 20 Im Rahmen des Bundesprogramms „Sprach- Kitas“ be- aktuelle fachliche Entwicklungen bündeln und Vielfalt mit Kinderspielzeug sichtbar machen 21 gleiten wir aktuell 69 Einrichtungen. aufbereiten. Der Bauraum als Willkommensraum 22 Jung und Alt gemeinsam aktiv – Intergenerative Zusammenarbeit mit einer Senior*innenresidenz 23 Kontakt: Kooperation mit dem Senator-Ernst-Weiß-Haus der Hamburger Blindenstiftung 24 Aushänge für alle 25 Martin Peters Andere Länder, andere Kulturen 26 Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung Meine Familie und ich in der Kita 27 Geschäftsbereichsleitung Das Kita-Haus 28 Tel.: 040/415201- 63, Fax: 040/415201- 36 Ein Buch über Gemeinsamkeiten: „Wir haben alle eine Nase!“ 29 E-Mail: martin.peters@paritaet-hamburg.de Eltern-Kind-Memory 30 Vielfalt ist bei uns gelebte Wirklichkeit 31 Lena Kolster Elternzeitung – Von Eltern für Eltern 32 Martin Peters Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung Wort-Fensterbilder gemeinsam mit Familien gestalten 33 Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ Tag der Muttersprache 34 Tel.: 040/415201- 40 Wir fahren ans Meer – eine interkulturelle Familienreise 35 E-Mail: lena.kolster@paritaet-hamburg.de Themenabend „Resilienz“ im inklusiven Kontext 36 Vielfalt im Team 37 Nicole Michaelsen Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung Impressum 38 Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ Tel.: 040/415201- 45 E-Mail: nicole.michaelsen@paritaet-hamburg.de Lena Kolster Nicole Michaelsen Nina Strackhaar Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ Tel.: 040/415201- 49 E-Mail: nina.strackhaar@paritaet-hamburg.de Antje Waschke Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ Tel.: 040/415201-76 Nina Strackhaar Antje Waschke E-Mail: antje.waschke@paritaet-hamburg.de
4 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 5 Grußworte Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Mitwirkende und Interessierte am Bundesprogramm „Sprach-Kitas“, liebe Leser*innen, die vorliegende Praxisbroschüre zum Thema „Inklusion“ Bedarfen der Kinder und Familien ausreichend gerecht als ich im Herbst 2017 die Wie das genau aussehen kann, zeigen Ihnen die bei- vervollständigt die Trilogie der Handlungsschwerpunk- wird, statt. Anderswo steht der gemeinsame Dialog Geschäftsführung des spielhaften Umsetzungen inklusiver Kita-Pädagogik in te des Bundesprogramms „Sprach-Kitas – Weil Sprache über die Rechte von Kindern und ihrer Familien und de- PARITÄTISCHEN Hamburg dieser Praxisbroschüre. der Schlüssel zur Welt ist“. Alltagsintegrierte sprachliche ren Möglichkeiten mitzuwirken im Mittelpunkt. Wieder übernahm, war das Bun- Bildung, Zusammenarbeit mit Eltern und inklusive Päda- andere Projekte beschäftigen sich mit der Öffnung der desprojekt Sprach-Kitas Aber neben dieser Arbeitshilfe gibt es weiteren Grund gogik sind als Schwerpunktthemen im Bundesprogramm Kita hin zum Stadtteil, in die Familien und insgesamt mit bereits gut im Verband zu feiern! Seit wenigen Wochen steht fest, dass dieses zwar einzeln für sich formuliert, gehören und wirken aber dem Wirken und der Einbindung neuer Impulse durch etabliert, und eine mei- Bundesprogramm eine (zunächst) zweijährige Fortset- zusammen – das dokumentieren auch die vielen Bei- andere und anderes. Kurz gesagt: Inklusion in Kitas ist ner ersten Aufgaben be- zung erfährt. Allen, die sich dafür in den vergangenen spiele dieser Ausgabe wieder sehr anschaulich. Inklusive bunt, vielfältig, partizipativ und komplex. stand darin, eine zusätz- Monaten auf Landes- und Bundesebene eingesetzt ha- Pädagogik hat unter anderem den Anspruch, Vielfalt an- Ich wünsche allen Teilnehmenden, dass über die Doku- Kristin Alheit liche Stelle dieses auch ben, möchte ich herzlich danken. zuerkennen, Vorurteile und Barrieren abzubauen und Par- mentation der Good-Practice-Beispiele und deren Ver- bei uns so erfolgreichen Dieses Bundesprogramm tut Hamburg – seinen Kin- tizipation als Voraussetzung für die Teilhabe aller Kinder öffentlichung neue Impulse und Ideen weitergetragen Bundesprojekts zu bewilligen. Eine besondere Heraus- dern, ihren Eltern, den Kitas und Pädagog*innen und und ihrer Familien zu ermöglichen. Wie vielfältig dabei werden und diese den bestehenden Dialog im Bundes- forderung stellt(e) dabei für alle Beteiligten die soge- natürlich auch unserem Verband – richtig gut! Toll, dass der Weg zu einer inklusiven Pädagogik in Kitas gestaltet programm „Sprach-Kitas“ weiterhin anregen. nannte dritte Programmsäule dar, die „Förderung einer es nun in die Verlängerung geht. werden kann, zeigen die verschiedenen Ansätze, Projekte Ich freue mich über die Fortsetzung des Bundespro- inklusiven Pädagogik“. und Angebote, die in dieser Broschüre dargestellt werden. gramms bis Ende 2022 und auf die weitere Zusammen- Viele freie Träger, Vereine und Initiativen im PARITÄTI- Und für uns alle bedeutet das: Auch diese Praxisreihe ist Es geht zum einen um grundlegende Fragen, wie die arbeit mit Ihnen und wünsche Ihnen weiterhin viele neue SCHEN Hamburg sorgen jeden Tag mit ihrer Arbeit und sicher noch nicht zu Ende … eigene Haltung als pädagogische Fachkraft oder Kita- Entdeckungen mit ihren Kita-Kindern und deren Familien. ihrem intensiven fachlichen Engagement dafür, dass Team gegenüber bestimmten Werten, Normen, Verhal- alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ihre Talente Machen Sie es gut! tensweisen und damit verbunden die Reflexion eigener individuell und selbstbestimmt entfalten können. Sie Vorurteile. Zum anderen findet eine Auseinanderset- Angelina Ribeiro von Wersch, Referentin für Kinderta- ermutigen dazu, Vorurteile, Diskriminierung und Be- Herzlichst, zung mit der räumlichen und materiellen Ausstattung gesbetreuung, Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, nachteiligung kritisch zu hinterfragen sowie Vielfalt und der Kita und der Frage, ob diese den Bedürfnissen und Familie und Integration Diversität zu thematisieren und wertzuschätzen. Dabei wird schnell deutlich: Inklusive Pädagogik bedeu- Ihre Kristin Alheit tet Veränderung – und die oft anstrengende Einsicht, Geschäftsführende Vorständin, Liebe Kolleg*innen der Sprach-Kitas, dass es normal ist, verschieden zu sein. Der PARITÄTISCHE Hamburg liebe Leser*innen, Daher ist es sehr wichtig und vielversprechend, damit nachdem wir Ihnen im Jahr 2018 unsere erste Praxis- Wie feiern wir Fasching? Wie kann ich als pädagogische bereits bei den Jüngsten in unserer Gesellschaft zu broschüre zur alltagsintegrierten sprachlichen Bildung Fachkraft bei Diskriminierung einschreiten? Müssen die beginnen – nämlich direkt in den vielen Hamburger vorgestellt hatten, begannen wir nach deren Erfolg sehr Kinder nun alles selbst entscheiden dürfen? Viele dieser Fra- Krippen und Kitas. enthusiastisch die Arbeit an der zweiten Version mit dem gen haben wir diskutiert und gemeinsam nach Lösungen Schwerpunkt „Zusammenarbeit mit Familien“, die 2019 er- gesucht. Einige Gedanken und Ideen, die in Kitas bereits schien. Nun möchten wir Ihnen auch in 2020 zur dritten lebendig geworden sind, haben wir hier für Sie zusammen- Säule des Bundesprogramms eine erneute Zusammenstel- gefasst – ganz im Sinne von „gemeinsam verschieden!“. lung der Praxisbeispiele aus den Sprach-Kitas präsentieren. In diesem Heft finden Sie anschauliche Praxisbeispiele Dieses Mal widmen wir uns dem Schwerpunkt „Inklu- aus den Einrichtungen zum Thema „Inklusion“ und er- sion“ – ein Querschnittsthema, das vor allem angesichts halten unter anderem Einblicke in die Durchführung von seiner Vielfalt in unserer pädagogischen Arbeit zahlrei- Projekten, Teambesprechungen und Elternabenden. che Möglichkeiten und Themengebiete eröffnet sowie Herzlichen Dank an alle Einrichtungen, die uns gelunge- gleichzeitig ein Umdenken der Gesellschaft erfordert ne Beispiele zur Verfügung gestellt haben! und somit jede*n von uns herausfordert, sich kritisch Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Stöbern, beim mit ihrem*seinem Handeln auseinanderzusetzen. Es Entwickeln individueller Ideen für Ihre Kita und beim werden viele Fragen aufgeworfen. Ist bei uns Vielfalt Umsetzen in der Praxis! wirklich Normalität? Habe ich ein Diversitätsbewusst- sein entwickelt? Ist unser Morgenkreis ein inklusives An- gebot oder machen wir ihn, weil er zu unserem Tagesab- Nicole Michaelsen, Nina Strackhaar, lauf gehört? Wie sehen vorurteilsbewusste Bücher aus? Antje Waschke & Lena Kolster
6 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 7 Inklusives Handeln – an einem Praxisbeispiel veranschaulicht Über Inklusion ist schon vieles gesagt worden – und das Anna1 ist ein drei Jahre altes Mädchen, bei dem uns oftmals mit Blick auf die besonderen Herausforderun- zwar noch nicht diagnostizierte, aber sehr deutliche pen, ohne erkennbares wirkliches Interesse. Wir hatten Was nun soll dieses Beispiel zeigen? Inklusion verstehen gen und möglichen Hürden (Mangel an Ressourcen, wie Anzeichen von frühkindlichem Autismus auffielen. Ihre zu diesem Zeitpunkt ihre Vorliebe für Buchstaben und wir auch als die Anpassung des Systems (Kita-Haus am Geld, Zeit, qualifiziertes Personal usw.). Dieser Punkt ist Eltern hatten bemerkt, dass ihre motorischen Fähig- Wörter schon entdeckt. Diese Vorliebe haben wir aufge- Fleet) an die Bedürfnisse von Anna – und nicht anders- sicher wesentlich. Wenn man Inklusion aber ernst neh- keiten Unterstützung brauchten, und sie vertrauten griffen und ihr ein Buch über das Alphabet angeboten, herum. Dazu ist es erforderlich, eine Haltung zu zeigen men will (und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben darauf, dass Physiotherapie helfen würde. In der Ein- in dem sich Bilder von Tieren mit den Anfangsbuchsta- – und zwar im gesamten Team –, die durch den Willen ist immerhin das Recht eines jeden Menschen), wird gewöhnung wurde schnell deutlich, dass für Anna eine ben befanden. Und sie „las sich“ dieses Buch sofort viele gekennzeichnet ist, dies für Anna (und für alle Kinder) man sich in der Praxis nicht von solchen Stolpersteinen Eins-zu-eins-Betreuung sinnvoll und wichtig ist. Im An- Male hintereinander „vor“, sprach die Buchstaben dabei möglich zu machen. entmutigen und abschrecken lassen dürfen. Deshalb ist schluss an die notwendigen organisatorischen Termine richtig aus und konnte sie alle zuordnen. Ihr Interesse an Als Voraussetzung für einen gelingenden inklusiven Pro- es wichtig, das Thema „Inklusion“ als einen gesellschaft- im Zentrum für Kindesentwicklung, wo eine entspre- Buchstaben wurde auch bei anderen Materialien in der zess ist jedoch noch sehr viel mehr zu berücksichtigen, lichen Wandel zu betrachten, der sich nur über einen chende Diagnose gestellt wurde, und Gesprächen mit Kita sichtbar. Zum Beispiel gibt es auf unserem Leucht- was den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. So sehr langen Zeitraum vollziehen kann. dem Gesundheitsamt wurde der Eingliederungshilfe- tisch verschiedenfarbige transparente Kunststoff-For- gehören bspw. eine enge Verzahnung mit den Thera- Wenn man sich dessen bewusst ist, hilft es, eine Haltung Gutschein bewilligt. Die erforderlichen logopädischen men. Diese hielt sich Anna immer dicht an die Augen peut*innen und die Zusammenarbeit mit den Eltern un- zur Inklusion zu entwickeln, in der man zwar kleinschrit- Therapien und Physiotherapien finden regelmäßig in und wir waren überrascht, dass sich darauf winzig kleine bedingt dazu, um nur einige weitere Aspekte zu nennen. tig denkt, aber gleichzeitig die Wichtigkeit seines Han- der Kita statt. Buchstaben befanden, die keinem von uns aufgefallen Was wollen wir im Hinblick auf Inklusion weiter errei- delns in Bezug auf größere Zeiträume und die gesamt- Die Förderung und individuelle Begleitung übernah- waren. Dass Anna sie aber bemerkt hatte, überraschte chen? Wir haben im Haus nun schon zwei Kolleginnen gesellschaftliche Bedeutung anerkennt. men eine heilpädagogisch weitergebildete Kollegin uns nicht. Mit Blick auf die Bedürfnisse von Anna haben mit einer heilpädagogischen Zusatzqualifikation. Zu- Als oberstes Ziel verfolgen wir in unserer Kita bereits und ich im Rahmen meiner Vollzeittätigkeit in der Kita. wir neben ihrem bevorzugten Tagesablauf auch die mindest zwei weitere werden folgen. Da wir zu Annas die andauernde Suche nach Möglichkeiten für mehr Es ist unser Ziel, Anna den größtmöglichen individuel- Essenssituation genauer angeschaut. Und siehe da, sie Abholzeiten inzwischen eine Kollegin im Hause haben, Chancengleichheit. Die Kinder werden konsequent und len Freiraum innerhalb der Kita-Strukturen zu ermög- liebt Nudeln! Nun kochen unsere Hauswirtschaftskräfte die als Springerin für Kinder mit besonderem Bedarf ganz bewusst als gleichwertig wahrgenommen und lichen. Unser Blick liegt dabei auf Annas besonderen für sie täglich ihr Leibgericht und die Essenssituation ist eingesetzt wird, ist ein weiterer Schritt getan, der neue begleitet. Einzig die unterschiedlichen Ressourcen der Bedürfnissen. Sehr schnell wurden ihre Routine und jetzt für alle sehr viel entspannter. Die anderen Kinder Perspektiven ermöglicht. Kinder werden gesehen und anerkannt und gleichzei- ihre Vorlieben hinsichtlich der Benutzung der Räume kennen es schon, dass es Vielfalt bzw. Ausnahmen bei Annas positive Entwicklung und die Bereicherung auch tig als ihr wichtigstes Gut betrachtet. Die Kinder wer- und Materialien in unserem Haus sichtbar. War sie in der den Speisen gibt, da wir z. B. auch auf religiöse Unter- für alle anderen Kinder motiviert uns, unseren Weg wei- den in ihren individuellen Bedürfnissen gleichermaßen einen Gruppe in der Atelierecke mit dem Sortieren der schiede und Lebensmittelunverträglichkeiten achten. terzugehen. wahr- und ernst genommen. Diese Bedürfnisse stehen Stifte fertig, ging sie in die andere Gruppe, die über ein Förderlich war zudem unsere Entdeckung, dass ein im Vordergrund und das pädagogische Handeln richtet Atelier verfügt und machte dort weiter. Nachdem sie bestimmtes Lied sehr beruhigend auf sie wirkt und sie sich individuell nach dem einzelnen Kind. Anhand eines an der Holzwand zu malen begonnen hatte, haben wir sofort entspannt. Sie dockt dann an, möchte auf den Kinderland Haus am Fleet Beispiels werde ich verdeutlichen, wie die konkrete Um- ihr einige weiße Blätter aufgehängt, die sie nun täglich Schoß und kuschelt sich an. Diese Beobachtung befä- Rudolf-Ballin-Stiftung e.V. setzung bei uns im Hause geschieht und warum sie ein nutzte. In der Bibliothek schaute sie sich ein Buch an higt uns, ihr gezielt Ruhepausen zu ermöglichen, wenn kleinschrittiger Prozess ist. bzw. blätterte und öffnete die darin vorhandenen Klap- wir den Eindruck haben, dass sie sie braucht. 1 Name geändert.
8 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 9 Kommunikation muss grundsätzlich überall und in jeder Form möglich sein! Was ist eigentlich ein Kinderrecht? wohnhaft. Mit der Kita-Aufnahme machte das Kind erste Erfahrungen mit einer Kita, mit der deutschen Sprache und angewendeter Lautsprache. Die Eltern gebärden mit ihrem Kind (in der Herkunftssprache), aber das Kind spricht nicht auf diese Kommunikationsform an. Das Kind hat diagnostizierten frühkindlichen Autismus und ist insgesamt entwicklungsverzögert. Mit den Eltern nutzen wir alle denkbaren Möglichkeiten der Kommu- nikation (SMS, Videotelefonie, Bilder, Gesten, Google- Übersetzer, Dolmetscher etc.). Nun standen wir vor besonderen Herausforderungen, was unsere Kommuni- kationsmöglichkeiten betrifft! Seit Oktober 2019 haben wir unsere UK-Materialien durch Metacom-Symbolkarten erweitert. Dazu wurden Wenn eine rein lautsprachliche Kommunikation – auf- Ordner mit Klettflächen und Metacom-Symbolkarten für Das ist gar nicht so einfach zu erklären und zu verste- Kinder lernten einen richtigen Krankenhausbetrieb ken- grund von Rahmenbedingungen, entwicklungsbedingt den Kita-Alltag hergestellt. Zunächst haben wir damit hen. Ein Recht ist etwas, das jedem Kind zusteht und nen: Was passiert in der Notaufnahme? Was machen die oder aus sonstigen Gründen – nicht oder nur bedingt die bekannten UK-Materialien im Kita-Alltag ergänzt und zwar von Geburt an. Es regelt, was ein Kind tun darf und kranken Kinder auf der Kinderstation? Wie wird ein Gips- möglich ist, müssen wir andere und individuelle Formen so unseren Kindern nähergebracht. was (noch) nicht. Jedes Kind hat die gleichen Rechte. verband angelegt? Ein mutiges Kind durfte sich von der der Kommunikation mit unseren Kindern und ihren Fa- Mit dem Kind wenden wir alle UK-Materialien im Kita-All- Niemand darf die Rechte anderer verletzen. Ärztin einen Gips anlegen lassen. milien erarbeiten! tag an. Besonders interessiert ist das Kind an den Meta- Wir haben alle gemeinsam überlegt, welche Rechte Kin- Am Ende gingen wir mit insgesamt 18 Kindern und 18 Denn Teilhabe- und Mitgestaltungsmöglichkeiten – in com-Symbolkarten und der Nachahmung unserer Laut- der im Kindergarten, zu Hause und in der Schule haben Gipsverbänden nach Hause. und an einer Gesellschaft – stehen im direkten Zusam- sprache. Daraufhin haben wir ein mobiles Klettheftchen und ob diese beachtet werden. Ein Jahr lang haben wir menhang mit den Kommunikationsmöglichkeiten des für das Kind besorgt und erweitern es gemeinsam stetig unsere Arbeitsweisen und unsere Haltung zu dem The- Das Recht auf Mitbestimmung: Individuums. durch weitere Symbolkarten. Auch die Eltern haben wir ma „Kinderrechte“ beleuchtet und vieles verändert. Die Kinder besuchten mit uns das Harburger Rathaus. Wir als Kita-Team freuen uns auf diese Herausforderung in diesen Prozess eingebunden. Das Kind führt das Heft- In diesem Projekt haben die Kinder auf vielfältige Weise Hier lernten Sie die Bezirksamtsleiterin kennen und und stellen uns diesem Erarbeitungsprozess gerne. Seit chen immer am Hosenbund und nutzt es auch zu Hause. erfahren, was „Kinderrechte“ für ihr Leben in dieser Ge- konnten gemeinsam die Räume anschauen, in denen April 2019 arbeiten wir ergänzend (zur Lautsprache) all- Die Kommunikationsmöglichkeiten haben sich dadurch sellschaft bedeuten. Ausflüge, Aktionen im Kindergarten die Politiker*innen vor Ort diskutieren und demokra- tagsintegriert mit verschiedenen GUK-Materialien. Wir erheblich erweitert und verbessert. Durch die Anwen- und das Erscheinungsbild des Kindergartens wurden tisch Entscheidungen für den Stadtteil treffen. leben vor, wie vielfältig Kommunikation sein kann, und dung und den täglichen Kita-Besuch entwickelt sich nun sichtbar verändert, damit Besucher*innen, Eltern und Die Kinder erkannten Parallelen zum Kindergarten, bieten unseren Kindern und ihren Familien über sprach- der Wortschatz des Kinds in Lautsprache. auch Kinder täglich daran erinnert werden, dass in unse- auch hier diskutieren wir und die Mehrheit entscheidet. liche Grenzen hinaus erweiterte Möglichkeiten der Es haben sich einige Kolleg*innen des Trägers zusam- rem Kindergarten die „Kinderrechte“ Priorität haben. Am Ende des Besuchs konnten wir noch einen Wunsch Kommunikation. mengetan und besuchen nun eine Schulung zur deut- aufschreiben: Die Kinder wünschten sich die Reparatur Wir verwenden GUK-Kärtchen, Fotos und hauptsäch- schen Gebärdensprache im Umfang von insgesamt 40 Das Kinderrecht auf gesundheitliche Versorgung: einer defekten Schaukel auf einem öffentlichen Spiel- lich Schlüsselgebärden (gebärdet werden nur inhaltlich Stunden. Die Kinder sammeln im Kindergarten Ideen für die ge- platz in Kindergarten-Nähe. wesentliche Elemente eines Satzes). Die GUK-Kärtchen, sundheitliche Versorgung. Fotos und Gebärden hängen auf Augenhöhe der Kinder www.metacom-symbole.de • Pflaster bekommen, wenn man sich weh getan hat Das Recht auf eine Familie: sichtbar aus. www.gehoerlosen-bund.de/faq/deutsche%20gebär- • Getröstet werden Wer gehört zu meiner Familie? Mit den Kindern überle- Unterstützte Kommunikation (UK) steht für lautspra- densprache%20(dgs) • Medikamente bekommen gen wir, wie eine Familie aussieht. Mit kleinen Holzfiguren chergänzende oder ersetzende Kommunikationsformen www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/ • Zum Arzt gehen konnten die Kinder ihre eigene Familie nachstellen. Dabei von Menschen, die nicht, kaum oder nicht in der betref- Paedagogik/Heil-und-Sonderpaedagogik/Unterstu- • Im Krankenhaus behandelt werden entdeckten wir, dass nicht jede Familie gleich aussieht. fenden Situation über Lautsprache verfügen. etzte-Kommunikation-978-3-17-032974-4 Einmal gibt es eine Mama, einen Papa und Kinder. Mittlerweile nutzen sogar unsere Krippenkinder die Einige Kinder erzählten von Krankenhausaufenthalten, Einmal gibt es eine Mama, eine Mama und Kinder. Materialien und Gebärden (oder versuchen, sie nachzu- einige waren noch nie im Krankenhaus. Der Wunsch, Einmal gibt es eine Mama und Kinder. ahmen) als Kommunikationsmittel, um sich mitzuteilen. Kinderland St. Pauli ein Krankenhaus zu besuchen, wurde geäußert und wir Einmal gibt es einen Papa und Kinder. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass die Kinder erst Kinderland Hamburg e. V. konnten zügig einen Besuchstermin organisieren. Im Einmal gibt es eine Oma, einen Opa und Kinder. die Bilder, Bewegungen oder Gesten nutzen und dann Krankenhaus wurden die Kinder von einer Kinderchir- Einmal gibt es einen Papa, einen Opa und Kinder. die Lautsprache entwickeln. urgin begrüßt. Die Notaufnahme, die Kinderstation und Wir merkten: Jede Familie ist einzigartig und etwas ganz Wir haben seit September 2019 ein Kind (fünf Jahre) ein OP wurden von den Kindern entdeckt. Hier konnten Besonderes. Die Kinder gestalteten „ihr“ Familienbild. gehörloser Eltern bei uns in der Kita. Das Kind war zum sie selbst ein Ultraschallgerät ausprobieren und ent- Dieses Bild wird die Titelseite ihres Kinderrechte-Buchs. Aufnahmezeitpunkt erst sechs Monate in Deutschland decken, wie es im Inneren ihres Körpers aussieht. Die
10 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 11 Wir sind Kinder einer Welt Wie der Name unserer Kita „Bunte Biene“ verrät, sind wir Herkunft die Hände der Kinder bemalt. Weitere tolle eine vielfältige, bunte Gemeinschaft. Jedes Kind unse- Sprachanlässe wurden z. B. durch Kinderinterviews oder rer Kita lebt zu Hause die eigenen Familientraditionen, Vorlesestunden der sogenannten Lesepaten (die Eltern spricht seine Muttersprache, feiert verschiedene Feste der jeweiligen Gruppen) geschaffen. Das Faschingsfest und vieles mehr. Im Kita-Alltag sprechen die Kinder oft wird ebenfalls unter dem Motto „Wir sind Kinder einer über die genannten Themen. Welt“ gestaltet und wir freuen uns auf die verschiede- So ist die Idee des neuen Projekts „Wir sind Kinder einer nen landestypischen Kleidungen. Das Projekt wird im Welt“ entstanden. Das Projekt wurde täglich in den Ele- Juli dieses Jahrs mit unserem internationalen Sommer- mentargruppen durchgeführt. Im Morgenkreis wurden fest beendet. Wir uns freuen sehr, dass sich die Eltern neue Lieder wie „Jimba-papaluschka“, „Wir sind Kinder ebenfalls gut in das Projekt integriert und wir gemein- einer Welt“ und weitere eingeführt und gemeinsam sam den Kindern ein Leben mit mehr Achtung, Toleranz gesungen. Der Morgenkreis diente zum täglichen Aus- und Respekt vor anderen Kulturen vorgelebt haben. tausch über das Projekt sowie zum Betrachten und Le- sen interkultureller Bilderbücher, wie z. B. „Nasengruß und Wangenkuss“ (von Anne Kostrzewka und Inka Vigh) Kinderbetreuungszentrum Bunte Biene oder „Tamia – bin ich klein?“ (von Phillip Winterberg und Bunte Biene gUg Nadja Wichmann). Wichtige Feste und Feiertage wurden mit den Kindern Das Recht auf einen Namen: Zum Abschluss unseres Projekts gestalteten die Kinder besprochen und gefeiert. Mithilfe von Flipcharts wur- Wo kommt eigentlich mein Name her? Wer hat ent- ein Werbeplakat mit unseren Kinderrechten. Es wurde den Ursprung und Bedeutung von Festen erläutert und schieden, wie ich heiße? Wo steht, dass ich so heiße? Die gedruckt und für zwei Wochen am Bahnhof Neuwied- visualisiert. Im Kita-Flur hängt eine Weltkarte, auf der Kinder haben zu ihren Namen viele Fragen. enthal aufgehängt. Unsere Hamburger Senatorin Frau die Herkunftsländer der Familien und Erzieher*innen Die Fachkräfte brachten ihren Personalausweis und ihre Dr. Leonhard und Herr Dr. Bange besuchten uns, um sich markiert sind. Das Engagement der Eltern war erfreuli- KINDERBETREUUNGSZENTRUM Geburtsurkunde mit. Die Kinder schauten sich diese an mit uns gemeinsam das Werbeplakat anzuschauen. cherweise groß. Es haben uns Mütter besucht, um sich BUNTE BIENE und erfuhren, dass der Name dort steht und auch der Ein gemeinsames Foto und unser selbstgedichtetes Kin- am Projekt zu beteiligen und den Kindern ihre kulturel- Name der Eltern hier vermerkt ist – ein wichtiges Doku- derrechte-Lied bilden einen wunderbaren Abschluss len Bräuche oder Traditionen näherzubringen. Die Kin- ment, das jedes Kind besitzt. unseres Projekts. der durften eine russische Spezialität backen und bei Die Kinder brachten ihre Geburtsurkunde mit und man- einem weiteren Besuch hat eine Mutter pakistanischer che Kinder sogar schon einen Kinderausweis mit ihrem „Wer heute die Rechte der Kinder sichert, sichert die Foto. Alle Geburtsurkunden wurden vorgelesen und Menschenrechte von morgen.“ einige Kinder erfuhren hier, dass sie sogar noch einen Namen haben – einen zweiten Vornamen. „Toll“, sagten die Kinder, „das wusste ich noch gar nicht!“. Viele Kinder Kindergarten Schatzkinder waren auch erstaunt, dass Mama und Papa mehrere Vor- Pedia gGmbH namen haben. Der Wunsch der Kinder, ein Kinderrechte-Bilderbuch zu gestalten, wurde umgesetzt. Die Kinder haben sich gemeinsam eine Geschichte überlegt, diese haben wir aufgeschrieben. Die Bilder zu den Texten haben die Kinder gemalt. Nun konnte das Buch gedruckt werden. Dieses Buch hat einen festen Platz im Kindergarten, wird gerne angeschaut und auch an andere interessierte Menschen verliehen.
12 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 13 Die Welt in der Kita Was Weihnachten bedeuten kann Eine Mutter entschied sich, den Bogen für ihren Sohn auszufüllen. Die Familie war gerade aus Israel zu uns ge- zogen und dort wird Hanukkah gefeiert. Die anderen Unser Jahresthema 2019 war „Rund um die Welt“. Hierzu (hier aus datenschutzrechtlichen Gründen übermalt) Weihnachten feiern bei uns nicht alle Kinder. Bei eini- Kinder in der Kita wussten nichts über Hanukkah. Groß- haben wir uns u. a. über geografische Karten die Auftei- und Bilder von Symbolen der einzelnen Regionen, wie gen kommt das Christkind, bei anderen etwas ganz an- artig, dachten wir, dann ändern wir das jetzt. Wir be- lung der Welt in Kontinente nahegeführt. z. B. Flaggen, Tiere, Gebäude usw. Als Symbol für den deres. So zahlreich wie die Kulturen in unserem Haus, schafften ein Rezept für Sufganijot, den Text zu „I have Beim ersten Beispiel führte uns die Spur von Tieren in die Gesamtkontinent haben sich die Kinder den Tiger aus- so zahlreich sind auch die Erfahrungen und Traditionen a little dreidel“, ein Bild von einem Dreidel (eine Art Krei- verschiedensten Regionen der Welt. Als Material dienten gesucht (siehe Karte umrahmende Bastelarbeit), von im Dezember. sel) mit Spielanleitung. Der Junge war begeistert, als er hierzu eine große Weltkarte, Bilder von den verschie- dem jedes Kind der Gruppe ein Bild angefertigt hat. diese vertrauten Dinge auf den Bildern wiedererkann- densten Tieren, Bänder und Klebeband. Die Tierbilder Was wird gebraucht? te. Gemeinsam gestalteten wir ein Poster, auf dem der sind um die an der Wand befestigte Weltkarte geklebt. Junge sich kreativ verewigen konnte. Als die Mutter das Von jedem Tier aus führt ein Band, dessen eines Ende z. Kita Droopweg 1. Einen vorbereiteten Fragebogen als Word-Datei und Poster entdeckte, schrieb sie eine E-Mail an die Kita und B. noch unter dem Tier an der Wand befestigt ist, zu sei- Agilo gGmbH auf Wunsch auch ausgedruckt mit Fragen über Weih- bedankte sich. Sie beschrieb, wie schwierig es sei, die- ner Ursprungsregion auf der Weltkarte, wo das andere nachten in der Kindheit se wichtige Tradition für ihre Kinder lebendig zu halten, Ende des Bands befestigt ist. So kann jedes Kind verfol- 2. Bindfaden wenn die Umgebung eine ganz andere Art zu feiern ge- gen, dass z. B. das Faultier in Südamerika beheimatet ist. 3. Klebeband wohnt sei. Die Kita habe ihr geholfen, Hanukkah für die Kinder greifbar zu machen. Beim zweiten Beispiel führt ein Teil der Identität der Kin- Eine Überraschung Eine Kollegin nutzte die Gelegenheit und baute das der, nämlich die ursprüngliche Herkunft ihrer Familien, Dreidel-Spiel in ihre Stunden für die alltagsintegrierte in die große weite Welt – bei unserem Beispiel hier in Ursprünglich hatten wir vor, mit den Rückmeldungen Sprachbildung ein. So lernten wir auch ein wenig Heb- den Kontinent Asien. Als Material dienten die angefer- der Eltern den Kindern zu zeigen, dass es bei Weihnach- räisch. Eine andere Kollegin bat darum, das Lied „I have a tigte Karte des Kontinents, Fotos der einzelnen Kinder ten um ganz viele Dinge gehen kann und nicht nur um little dreidel“ mit den anderen typischen Liedern auf der Geschenke. Am Ende war es viel spannender für uns Weihnachtsfeier zu singen. alle, in andere Traditionen einzutauchen. So viele unse- rer Feiertage finden sich überall auf der Welt in anderer Form wieder. Warum nicht einmal erforschen, was es Kinderwelt@DESY mit dem Zuckerfest auf sich hat? Und wie viele von uns Kinderwelt Hamburg e. V. wissen eigentlich, was zu Kwanzaa gefeiert wird?
14 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 15 Die bunte Welt der Lebensmittel Ein Projekt zum Thema Individualität, Kräuter Vielfalt und Gemeinsamkeit Bei der Suche nach reifen Erdbeeren stießen die Kinder Impulsgeber für dieses Projekt waren die pädagogischen auf die ausgeschilderten und bebilderten Kräuterpflan- Fachkräfte der Kita. Nach der Sommerpause wollten die zen: Das Kräuter-Thema wurde vorgezogen, Kinder und Erzieher*innen ein Projekt inszenieren, bei dem alle Be- Erzieher*innen schwärmten erneut in den Garten zur teiligten des Hauses mitmachen konnten. Kräuter-Forschung aus. „Ernährung“ schien uns das ausreichende Potenzial für Was sind Kräuter und woran erkennen wir sie? Was be- ein inklusives Thema zu bieten. wirken sie? Dies waren naheliegende Fragestellungen. Die kontinuierlichen Gartenaktivitäten von Kindern, Wie verändert sich der Geschmack von Speisen mit und Eltern und Erzieher*innen bildeten eine vertraute Vor- ohne Kräuterzugabe? erfahrung und so kamen die Themenwünsche schnell zusammen: Mit unseren Vorgehens-Prinzipien Erdbeeren Kräuter Getreide • Finden (Wo wachsen welche Kräuter am liebsten?), • Fühlen (Wie fühlen sich Blätter, Stängel, Wurzeln an?), Jedes Thema war als Impulsgeber für ein Wochenprojekt • Vergleichen (Wie riechen, schmecken sie? Welche For- Ernährungs-Schule und Koch-Werkstatt Ästhetik = Wahrnehmung mit offenem Ergebnis gedacht. men/Oberflächen haben die Bestandteile?) und • Dokumentieren und Bestimmen (zeichnen, trocknen, Mit dem Angebot der Eltern-Bildungsreihe kamen auch Ist der Zusammenhang dieser sinnlichen Geschmacks- Erdbeeren pressen, benennen) die Eltern ins Spiel. Zum Teil durch eigene Schreber- erfahrungen mit den ästhetischen (wahrnehmenden) garten-Erfahrungen standen sie dem Ernährungs-The- Vorlieben (persönlicher Geschmack) im gestalterischen „Wir suchen Erdbeeren!“ Dieser Vorschlag wurde von den näherten wir uns möglichen Antworten auf diese Frage- ma offen gegenüber. Auf einem Elternabend themati- Bereich verknüpft? Kindern sofort aufgegriffen. Im Vorjahr hatten sie Erd- stellungen. sierten wir die „Süßigkeiten-Falle“ am Nachmittag: Oft beerbeete angelegt und machten sich neugierig auf den „Kräuter sind das Salz der Pflanzen“ – Begriffe für Ge- werden Kinder mit Süßigkeiten beim Abholen über den Vielfalt Weg zur Erdbeer-Ernte. Im Garten zeigten sich jedoch schmacksrichtungen wurden gefunden, „würzig“ war Trennungsschmerz hinweggetröstet oder motiviert, nur grüne, blassgelbe und irgendwie winzige Früchte! eine Riech- und Geschmackserfahrung geworden. sich schnell anzuziehen. Oder Schulkinder haben am Die Welt der Pflanzen ist ein Musterbeispiel für Fülle und Was war passiert? Überall in den Geschäften gab es Um das Bewusstsein für gefährliche und unverträgliche Nachmittag das Bedürfnis, etwas zu naschen. Wir inte- Reichtum: Die Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit von leuchtend rote, pralle Erdbeeren zu sehen, wieso nicht Pflanzen aufzubauen, stand über allem Vorgehen der grierten das Ernährungs-Thema in die gerade laufende Arten, Sorten und Pflanzenfamilien (es wird auch von in unserem Garten? Was braucht eine Erdbeere, um so wichtige Leitsatz: Nur bebilderte Kräuterpflanzen in un- Eltern-Bildungsreihe, die in Kooperation mit der Eltern- Pflanzengesellschaften gesprochen) mit speziellen Be- schön und saftig zu werden, wie in den Frucht- und Ge- serem Garten werden gegessen! schule Wilhelmsburg lief. dürfnissen ist Sinnbild für unsere gesellschaftliche Vielfalt. müseabteilungen der Geschäfte? Warum sind Erdbeeren dort jetzt schon reif und in unserem Garten nicht? Diese Getreide „Gesunde Snacks für Zwischendurch“ Gemeinsamkeit Fragen rückten zunächst in den Mittelpunkt des Interes- ses. Der Tag beginnt mit dem Frühstück. Ein Hauptbestandteil Auf Wunsch der Eltern luden wir eine Ernährungs-Ex- Die gemeinsame Teilhabe von Kindern, Eltern, pädago- Die Erdbeeren wurden täglich beobachtet und die Ernte davon ist das Brot, stellten die Kinder fest. Wie entsteht das pertin ein. Am Ende dieses Nachmittags sagten die gischen Fachkräften und der Eltern-Schule ist eine Ko- erst einmal aufgeschoben. Brot? Vom Mehl wussten sie durch ihre Backerfahrungen Eltern: „Ja, nun wissen wir zwar Bescheid; jetzt wollen operation, die spezifische Qualitäten bündelt und ein Wir besuchten eine Plantage, um zu ernten. Das Pflü- schon. Aber wo kommt das Mehl her? Beim Bäcker machten wir die Kenntnisse aber auch praktisch ausprobieren.“ Mehr an Kommunikation, Ideenreichtum, Erfahrungs- cken ermöglichte eine genaue Betrachtung der Frucht wir uns schlau und einige Kinder erinnerten sich: Wurde in Eine Koch-Werkstatt „Gemeinsam Kochen – gesund na- möglichkeiten für alle bedeutet. und führte zu detaillierten Kenntnissen: Die Beere trinkt der nahegelegenen Mühle nicht auch gebacken? Entspre- schen“ mit Snacks, schmackhaften Getränken und Re- durch die kleinen grünen Punkte und macht neue Pflan- chende Bücher wurden zurate gezogen, bis feststand: Mehl zepten gab viele Anregungen. Der gemeinsame Besuch zen am Ende ihrer Stängel. ist gemahlenes Getreide!Und das machen wir mal selbst. einer Bienenweide mit Kindern, Eltern und Erzieher*in- ASB Werkstatt-Kita Koppelstieg Inzwischen waren auch unsere Garten-Erdbeeren ge- Draußen auf dem Spielgelände wurden auf einem großen nen rundete dieses Projekt ab. Arbeiter Samariter Bund GmbH reift, aber die Herstellung von Nachtisch-Speisen erfor- Stein Handtücher ausgebreitet und darauf die verschiede- derte größere Mengen. Auf dem Wochenmarkt erstan- nen Getreidesorten verteilt. Mit Steinen und Hämmern wur- Individualität den wir zwei große Stiegen mit köstlichen Erdbeeren! In den die Körner zerkleinert. Die Handtücher bekamen Lö- der Kita wurde daraus Erdbeerquark. cher durch die raue Steinoberfläche, aber das Endprodukt Mit dem Themenkreis „Lebensmittel, Essen und Ernäh- Das „Schöpfen aus der Fülle“ und „Es ist genug für alle da“ ließ sich sehen: Kleine Häufchen Mehl waren entstanden. rung“ hängt für uns die Geschmacksentwicklung zu- wurden zu einer hochgenüsslichen Basis-Erfahrung! Mit dieser Grunderfahrung wurde dann der Frühstückstisch sammen. Riechen, Sehen, Schmecken und die damit bereichert: Ein Dinkel-Brot Rezept und Frischkorn-Brei wur- verbundenen Vorlieben unterliegen einer kulturellen, den erprobt und genossen. aber auch sehr individuellen Prägung.
16 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 17 Vielfalt durch Bücher als Helfer im Ein Tag als Prinzessin Spracherwerb! „Die wichtigsten Ziele unserer pädagogischen Arbeit Nach wie vor gilt es aber, dialogisch gemeinsam zu be- sind es, die Selbstbestimmung, den Selbstwert und die trachten. Beim klassischen Vorlesen befriedigen wir den Selbstständigkeit des einzelnen Kinds zu fördern. Jedes Wunsch nach Geschichten und Informationen und eröff- Kind ist etwas Besonderes und muss individuell gesehen nen spielerisch den Zugang zur literarischen Welt. Beim werden. Wir geben den Kindern den nötigen Raum für dialogischen Vorlesen werden die Kinder ermutigt, sich forschendes Auseinandersetzen mit ihrer Umgebung, aktiv einzubringen. In der Kita wird überwiegend dialo- zum Erlernen wichtiger Kompetenzen, wie Sozialver- gisch vorgelesen. Kinder und Erzieher erleben eine ge- halten, Konfliktfähigkeit oder Entscheidungsfähigkeit. meinsame Zeit voller Aufmerksamkeit und Aktivität im Eigenschaften wie Neugierde oder Wissbegierde för- Dialog. Durch gemeinsames Betrachten teilen die Kinder dern wir, um die Freude am Lernprozess zu entdecken.“ ihre eigene Sicht der Bilder mit. Ganz nebenbei erfolgt So lauten die wichtigsten Ziele unserer Kindertagesstät- sprachförderliche Arbeit. Das Besondere ist, dass bei die- te. Tagtäglich arbeiten wir in allen Bereichen an diesen ser Kommunikation alle Interaktionspartner*innen eine Zielen. Eines Tages ergab sich Folgendes: In der Kita aktive Rolle einnehmen. Die Kinder sollen die Möglich- stand Fasching an. Eine Mutter sprach ihre Stammerzie- Beim Erlernen einer Zweitsprache ist es unterstützend, keit haben, die Geschichte in ihre eigene Gedankenwelt herin an, dass ihr Sohn gerne als Prinzessin verkleidet nicht nur mündliche, sondern auch schriftliche Kennt- aufzunehmen, zu übertragen und das Gesehene auszu- kommen wollte. Sie hatte Bedenken, dass er von den nisse in der Familiensprache zu haben. Sprache wird ge- drücken. Möglicherweise hat das eine oder andere Kind anderen Kindern deswegen gehänselt oder ausgelacht braucht, um Inhalte zu vermitteln, und Kinder erschlie- ähnliche Dinge schon einmal gesehen oder eine Situati- würde. Die Erzieherin machte deutlich: Fasching im ßen sich die Sprachen selbst. Eltern sollten die Sprache on selbst erlebt – und erzählt davon. Ein Dialog entsteht! KINDERSCHLUPF bedeute, dass jeder so kommen kön- mit ihren Kindern sprechen, die sie selbst am besten be- Das Kind wir zur*m Erzähler*in! Das tägliche Sprachbad ne, wie er oder sie möge. Außerdem hatte die Erzieherin herrschen. Die Familien-Erstsprachen bilden die Basis für wird größer! Bei unserem mehrsprachigen Vorleseange- bezüglich der Kinder keine Bedenken, wollte dies aber den Erwerb weiterer Sprachen. Daher sollte in allen für bot geben wir dies an interessierte Eltern weiter. im Team noch einmal ansprechen. Im Kolleg*innenkreis das Kind relevanten Sprachen zu Hause und in der Kita Während des Betrachtens kann man auf Bilder und Ob- hatte auch niemand Bedenken; es wurde nur ein wenig reichhaltiger Input geboten werden. Zu Hause geschieht jekte zeigen, Fragen stellen, einen Bezug zum Alltag geschmunzelt. Am Faschingstag selbst haben wir nicht dies in der Familiensprache und in der Kita in Deutsch. herstellen, Impulse geben und etwas dazu erzählen erlebt, dass er gehänselt wurde. Der Junge hat viel ge- Die Wortbedeutungen in einer Sprache werden hoch- oder sich erzählen lassen. Wir greifen die Kinderbeiträ- lacht hat und die Kinder haben ihm dies gleichgetan. Es wertiger, wenn sie vielfältig sind und sich mit verschie- ge auf, formulieren sie um (korrektives Feedback), loben war eine sehr gelöste Stimmung. Außerdem hat er sein denen für die Kinder relevanten Themen beschäftigen. die Kinder für jeden ihrer Beiträge. Im Vordergrund ste- Kostüm mit großer Selbstverständlichkeit zur Schau Da Sprache gebraucht werden muss, um erworben zu hen der gemeinsame Spaß und positive Erfahrungen getragen. Das Kostüm hat er an diesem Tag sehr lange werden, muss der Input interaktiv sein. Kinder brauchen mit Sprache und Büchern. Ganz nebenbei werden die getragen. Das war für uns ein Zeichen, dass er sich wohl- die Möglichkeit, mit Sprache zu experimentieren. Sprach- und Sprechfähigkeiten der beteiligten Kinder fühlte. Später tauschte er mit einem Jungen, der eine In unserer Bibliothek können sich Eltern und Kinder Bü- gefördert. Die Erstsprachen bilden die Basis für den Er- Hulk-Maske trug, diese mit seiner Krone! cher in vielen Familiensprachen ausleihen. Wir achten werb weiterer Sprachen. Besser können aufbrechende Klischees nicht ange- darauf, dass wir zu jeder Familiensprache ein Buch in wandt werden. unserer Bibliothek haben. Wenn die Eltern die Möglich- keit haben, in der Familiensprache vorzulesen (Input Kita Kerni Kids wird angeboten), werden die Kinder in der Sprachent- Rudolf-Ballin-Stiftung e. V. Kita Kinderschlupf wicklung gefördert. Kinder und Eltern finden so ihre Stadtteilinitiative Hamm e. V. Herkunft in der Kita wieder und die familiäre Identität wird sichtbar wertgeschätzt. Alle Sprachen sind wichtig und werden als gleichwertig wahrgenommen. Inhaltlich anspruchsvolle Bilderbücher fordern und för- dern die verschiedensten Fähigkeiten. Neben aktuellen (Mainstream-)Bilderbüchern legen wir Wert auf klas- sische Bilderbücher. Auch achten wir auf Autor*innen und Illustrator*innen. Nicht nur die Sprachen sind un- terschiedlich, sondern auch die Illustrationen variieren (siehe Bild unten). So erkennen Eltern und Kinder, ob es ein „übersetztes“ Buch ist oder eines aus der Heimat „mit deutschem Untertitel“.
18 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 19 Gegen Diskriminierung Diskriminierung in Kinderbüchern in Bilderbüchern vorgehen auf der Spur Als pädagogische Fachkräfte formen wir Menschen für „Keiner verdient es, wegen Äußerlichkeiten schlecht Fazit: die Zukunft. Wir haben die Chance, gezielt Einfluss zu oder anders behandelt zu werden. Dies zu tun, ist eines nehmen. Diskriminierung geht uns alle an. Nahezu je- der größten menschlichen Versagen und zudem ein Zei- Für uns war wichtig, dass wir uns immer wieder mit den der Mensch macht in seinem Leben Erfahrungen, in chen erheblichen Mangels an Bewusstsein, an Intellekt Themen „Inklusion, Vielfalt, Gemeinsamkeit, Rassismus denen er diskriminiert wird. Mit gezielten Projekten – in und Geist.“ (Esragul Schönast) und Diskriminierung“ auseinandersetzten, um die Unter- diesem Fall die Bilderbücher betreffend – können wir schiede und Gemeinsamkeiten wahrzunehmen und be- in Kitas Einfluss auf eine anti-diskriminierende Haltung Wir, die Pädagoginnen der Kita, haben uns in diesem wusst damit umzugehen. Außerdem kamen wir zu der nehmen. Jahr mit dem Thema „Inklusion, Vielfalt und Diversität“ Erkenntnis: „Beobachte schnell, aber urteile langsam!“. auseinandergesetzt. Es gab Studientage zu interkultu- Was wird gebraucht? rellen/vielfaltskompetenten Perspektiven in der Kita und zur Inklusion. Jedes Mal wurde auf diesen Studien- ASB Werkstatt-Kita Kirchenhang • alle Bücher, die den Kindern in der Kita zugänglich tagen auch das Thema „Rassismus und Diskriminierung“ Arbeiter Samariter Bund GmbH sind gestreift. Dieses Thema hat mich berührt und ich mach- • Computer und Drucker te eine Fortbildung dazu. • große, frankierte Briefumschläge Mit vielen bewegten Eindrücken kehrte ich zurück in die Kita. Auf einer Dienstbesprechung berichtete ich Loslassen den Kolleginnen davon. Ich erzählte ihnen von Weißen, Schwarzen und POC (People of Color), deren Begriffe ich Mit den von Louise Derman-Sparks1 formulierten Die erste Rückmeldung eines Verlages kam nach etwa aus der Fortbildung mitbrachte. Ebenfalls schilderte ich „Guide for selecting anti-biased children´s books“ über- einer Woche. In seinem Schreiben dankte der Verlag für ihnen von den Darstellungen über Schwarze in Bilder- prüften die Kinder mit der Sprachfachkraft die vor- das aufmerksame Lesen und versprach, unsere Anmer- büchern, Wimmelbüchern und Kinderbuchklassikern. handenen Bilderbücher auf diskriminierende Inhalte. kungen an das Lektorat weiterzugeben. Eine Antwort zu Wir beschlossen daraufhin, uns die vorhandenen Bilder- Alle Bücher, die negativ auffielen, wurden aussortiert, bekommen ist ein enormer Erfolg für die inklusive Ar- bücher in der Erzählwerkstatt/Bücherwerkstatt genau- unabhängig davon, wie beliebt sie waren. Im Eingang beit. Projekte wie unseres füttern die vorurteilsbewuss- er anzuschauen. Dabei hatten wir folgende Fragen im wurde ein Tisch mit den aussortierten Büchern aufge- te Erziehung und Bildung und dieser Teil der Pädagogik Kopf: Werden schwarze Menschen überhaupt in den baut. Die Eltern wurden über eine E-Mail darüber infor- kann niemals genug Futter bekommen. Bilderbüchern abgebildet? Wie werden sie dargestellt? miert, dass und warum Bücher aussortiert wurden. Vom Die Ergebnisse trugen wir zusammen und waren er- Büchertisch wählten wir fünf Bücher aus, in denen wir staunt, betroffen und besorgt, wie klischeehaft und stig- die Mängel farblich kennzeichneten. Gemeinsam ver- Kinderwelt@DESY matisierend Menschen mit schwarzer Hautfarbe darge- fassten wir einen Brief an die Verlage, in denen wir er- Kinderwelt Hamburg e.V. stellt werden. Es wurde vereinbart, dass unbedingt neue klärten, warum wir diese Bücher nicht mehr lesen woll- Bilderbücher angeschafft werden müssen und andere ten. Besonders wichtig war uns der Absatz: „Wir danken Bilderbücher mit diskriminierenden Darstellungen ent- Ihnen, dass Sie diesen Brief gelesen haben und würden sorgt werden. uns freuen, wenn wir eine Antwort erhalten. Über Dis- Jetzt gibt es in der Bücherwerkstatt/Erzählwerkstatt Bil- kriminierung muss gesprochen werden.“ Wir gaben den derbücher mit schwarzen Prinzessinnen und Heldinnen, Eltern ein wenig Zeit, die Briefe zu lesen, bevor wir sie in Bücher mit unterschiedlichen Familienkulturen und ge- die Post gaben. mischten Familien. Außerdem wurde ein Familienspiel angeschafft, in dem diverse Familienkonstellationen dargestellt sind. Die Kinder der Kita haben jetzt die Mög- lichkeit, sich und ihre Familiensituation wiederzufinden. Die Pädagoginnen begannen, ihr eigenes Handeln und ihre Haltung in Bezug auf Vorurteile zu beobachten und kritisch zu hinterfragen. 1 Lehrerin und Begründerin des Anti-Bias- Ansatzes
20 Der PARITÄTISCHE Hamburg Der PARITÄTISCHE Hamburg Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3 21 Wie werden Individualität, Vielfalt und Gemeinsamkeit bei uns in der Vielfalt mit Kinderspielzeug Kita gelebt? sichtbar machen Im Rahmen einer Dienstbesprechung wollten wir uns Wir stellen immer wieder fest, dass die Checklisten ein dem Thema „Wie werden Vielfalt und Individualität bei sehr gutes Handwerkszeug sind, um Prozesse struktu- uns gelebt? widmen. Hierbei war uns wichtig, auch in riert voranzutreiben. Durch das eigenständige Überle- Bezug auf die vorurteils- und genderbewusste Erzie- gen und Mitwirken an den Handlungspunkten wurde hung einen Ist-Stand abzufragen und weitere Schritte das Thema vom Team gut angenommen und wir arbei- der Umsetzung zu formulieren. ten seitdem sehr viel konzentrierter an der Umsetzung Als Grundlage hierfür haben wir die Checkliste für den der pädagogischen Ziele „Vielfalt und Inklusion“ im Kin- Qualitätsbereich 3 „Individualität, Vielfalt und Gemein- derland Lurup. samkeit“ aus der Arbeitshilfe „Pädagogische Qualität entwickeln – Praktische Anleitung und Methodenbau- steine für die Arbeit mit dem Nationalen Kriterienkata- Kinderland Lurup log“ herangezogen. Vom Träger aus arbeiten wir bereits Kinderland Hamburg e. V. seit 2018 mit diesem Instrument. Die Checklisten sind sehr verständlich und praxisnah beschrieben, wodurch sich leicht ein Bezug zum pädagogischen Alltag herstel- len lässt. Für diesen Zyklus haben wir uns entschieden, Wir starteten damit, dass wir an unserem Konzeptions- kann die Puppe symbolisch für die Mutter oder eine an- eine erste Auswahl im Tandem (Leitung und zusätzliche tag ein gemeinsames Verständnis von Inklusion entwi- dere Bindungsperson stehen und so den Kindern über Sprach-Fachkraft) vorzunehmen. Auf einem Flipchart ckelten und darüber redeten, was Inklusion für jedes deren Abwesenheit hinweghelfen. Als vertrautes Objekt haben wir diejenigen Punkte zum Thema „Inklusion und Teammitglied vor allem im Hinblick auf unsere tägliche erleichtert sie den Kindern das Zurechtfinden in unbe- Vielfalt“ in Stichpunkten verschriftlicht, auf die wir mit Zusammenarbeit bedeutet. Das gemeinsame Verständ- kannten Situationen und die Bewältigung von Transitio- dem Team den Fokus legen möchten. In der Dienstbe- nis über die Wertschätzung untereinander haben wir nen. Abschließend konnten wir für uns als Einrichtung sprechung wurden diese Punkte erläutert und Gedan- als Basis genommen, um das Kita-Spielzeug und die feststellen, dass wir sowohl von den Kindern als auch ken von jedem Teammitglied geäußert. Hierbei war uns Lernumgebung der Kinder kritisch zu überprüfen. So von den Eltern durchweg positives Feedback zu den besonders wichtig, dass wirklich jede*r einen Beitrag haben wir das Spielzeug vorurteilsbewusst neu ausge- Puppen bekamen, sodass wir auch weiterhin mit vor- leistet, sodass Vorbehalte, Bedenken und Ideen auf- wählt, da Kinder Spielsachen häufig als Identifikations- urteilsbewusstem Spielzeug arbeiten werden. genommen werden konnten. Spannend war, dass In- instrument nutzen und der Spaß nicht ausschließlich im Mehr dazu: Ramona Noll, Dipl.-Pädagogin mit dem klusion für viele noch immer unter dem Gesichtspunkt Vordergrund steht. Um unsere Ansicht noch einmal zu Schwerpunkt frühe Kindheit, ist als Dozentin in der Aus- von Kindern mit Behinderung gesehen wird. Hier gab es verdeutlichen, haben wir uns dazu entschieden, im Fol- und Weiterbildung von Erzieher*innen tätig und leitet eine gute Diskussion, in der ich die Definition anhand genden inklusive Puppen als ein Beispiel vorzustellen. Eltern-Kind-Gruppen. konkreter Praxisbeispiele erläutern konnte. Ein Punkt, Es war uns wichtig, dass die Puppen unterschiedliche der uns schon lange beschäftigt, ist die Gruppenbil- Hautfarben, Körperformen und Geschlechter reprä- www.betzold.de/prod/97480/ dung von Kindern untereinander nach Sprachen. Da sentieren, da die Kinder sich mit ihnen identifizieren Für Puppenhaus geeignet: https://jetzt-kommt-kurth. auch dies ein Thema in der Checkliste ist, waren wir an- und sich wertgeschätzt und akzeptiert fühlen können. de/search?sSearch=biegepuppen geregt, uns mit diesem Aspekt besonders zu beschäfti- Außerdem entwickeln Kinder dadurch ab dem ersten gen und Handlungsschritte zu bestimmen. Lebensjahr Verständnis dafür, dass es schön ist, unter- Zu jedem besprochenen Punkt hat die zusätzliche schiedlich zu sein. Die Puppe ist für Kinder oft mehr als Kita Hohnerkamp Sprach-Fachkraft ein kleines Handout verfasst, in dem nur ein beliebiges Spielzeug und nicht selten haben Kin- Kinderzentrum Bramfeld e. V. die Vereinbarungen festgehalten sind. So kann jede*r der eine enge Bindung zu ihr. Sie ist daher nicht einfach Pädagog*in nachlesen, was es konkret heißt, „die eige- ersetzbar. Unterstützung erfahren Kinder außerdem, ne Haltung zu reflektieren“. Hier zum Beispiel finden indem wir als Fachkraft das Puppenspiel ernst nehmen. die Fachkräfte Impulsfragen, die sie für das Reflektieren Gegenüber der Puppe sprechen Kinder oft sehr frei und nutzen können. erfahren sie als geduldige Zuhörerin. Auch
Sie können auch lesen