Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...

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Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
Bundesprogramm Sprach-Kitas:
Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist.

Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas
– praxisorientiertes Begleitheft
(Teil 3)

DER PARITÄTISCHE HAMBURG | www.paritaet-hamburg.de
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
2   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                               Der PARITÄTISCHE Hamburg                                   Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   3

                                                                                                                           Inhalt
    „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ ist ein Programm                                               Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist                                              2
    des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)                                               Grußworte                                                                                          4

    Seit 2016 begleitet der PARITÄTISCHE Hamburg einen ei-      Unser Angebot:                                             Inklusives Handeln – an einem Praxisbeispiel veranschaulicht                                      6
    genständigen Sprach-Kita Verbund im Rahmen des Bun-                                                                    Kommunikation muss grundsätzlich überall und in jeder Form möglich sein                           8
    desprogramms „Sprach-Kitas. Weil Sprache der Schlüssel      • Qualifizierung der Tandems (Leitung und Sprachfach-      Was ist eigentlich ein Kinderrecht?                                                               9
    zur Welt ist“. Die teilnehmenden Einrichtungen sind in        kraft) zu Multiplikator*innen in unseren drei Schwer-    Wir sind Kinder einer Wel                                                                        11
    Teilen verbandlich unabhängig oder werden spitzenver-         punkten                                                  Die Welt in der Kita                                                                             12
    bandlich durch uns vertreten.                                 • alltagsintegrierte sprachliche Bildung,                Was Weihnachten bedeuten kann                                                                    13
    Mit der zweiten Förderwelle des Bundes 2017 haben wir         • Zusammenarbeit mit Familien und Videografie,           Die bunte Welt der Lebensmittel                                                                  14
    dieses Angebot um weitere 6 Verbünde erweitert und zu ei-     • Inklusion.                                             Ein Tag als Prinzessin                                                                           16
    nem „Kompetenzzentrum: Sprach-Kitas“ weiterentwickelt.      • Coaching, Beratung und Training für die Tandems,         Vielfalt durch Bücher als Helfer im Spracherwerb!                                                17
    Die Grundlage hierfür bildet das Konzept der alltagsinte-   • direkte und praxisorientierte Unterstützung der          Gegen Diskriminierung in Bilderbüchern vorgehen                                                  18
    grierten sprachlichen Bildung und Sprachförderung, der        Mitarbeitenden in der Kita,                              Diskriminierung in Kinderbüchern auf der Spur                                                    19
    Zusammenarbeit mit Familien und der Inklusion.              • die Kitas profitieren davon, dass die Fachberaterinnen   Wie werden Individualität, Vielfalt und Gemeinsamkeit bei uns in der Kita gelebt?                20
    Im Rahmen des Bundesprogramms „Sprach- Kitas“ be-             aktuelle fachliche Entwicklungen bündeln und             Vielfalt mit Kinderspielzeug sichtbar machen                                                     21
    gleiten wir aktuell 69 Einrichtungen.                         aufbereiten.                                             Der Bauraum als Willkommensraum                                                                  22
                                                                                                                           Jung und Alt gemeinsam aktiv
                                                                                                                           – Intergenerative Zusammenarbeit mit einer Senior*innenresidenz                                  23
                                                                Kontakt:                                                   Kooperation mit dem Senator-Ernst-Weiß-Haus der Hamburger Blindenstiftung                        24
                                                                                                                           Aushänge für alle                                                                                25
                                                                Martin Peters                                              Andere Länder, andere Kulturen                                                                   26
                                                                Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung                     Meine Familie und ich in der Kita                                                                27
                                                                Geschäftsbereichsleitung                                   Das Kita-Haus                                                                                    28
                                                                Tel.: 040/415201- 63, Fax: 040/415201- 36                  Ein Buch über Gemeinsamkeiten: „Wir haben alle eine Nase!“                                       29
                                                                E-Mail: martin.peters@paritaet-hamburg.de                  Eltern-Kind-Memory                                                                               30
                                                                                                                           Vielfalt ist bei uns gelebte Wirklichkeit                                                        31
                                                                Lena Kolster                                               Elternzeitung – Von Eltern für Eltern                                                            32
    Martin Peters                                               Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung                     Wort-Fensterbilder gemeinsam mit Familien gestalten                                              33
                                                                Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“                 Tag der Muttersprache                                                                            34
                                                                Tel.: 040/415201- 40                                       Wir fahren ans Meer – eine interkulturelle Familienreise                                         35
                                                                E-Mail: lena.kolster@paritaet-hamburg.de                   Themenabend „Resilienz“ im inklusiven Kontext                                                    36
                                                                                                                           Vielfalt im Team                                                                                 37
                                                                Nicole Michaelsen
                                                                Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung                     Impressum                                                                                        38
                                                                Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“
                                                                Tel.: 040/415201- 45
                                                                E-Mail: nicole.michaelsen@paritaet-hamburg.de
    Lena Kolster                  Nicole Michaelsen
                                                                Nina Strackhaar
                                                                Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung
                                                                Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“
                                                                Tel.: 040/415201- 49
                                                                E-Mail: nina.strackhaar@paritaet-hamburg.de

                                                                Antje Waschke
                                                                Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung
                                                                Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“
                                                                Tel.: 040/415201-76
    Nina Strackhaar               Antje Waschke                 E-Mail: antje.waschke@paritaet-hamburg.de
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
4   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                                Der PARITÄTISCHE Hamburg                                      Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   5

    Grußworte
    Sehr geehrte Damen und Herren,                                                                                          Liebe Mitwirkende und Interessierte am Bundesprogramm „Sprach-Kitas“,
    liebe Leser*innen,
                                                                                                                            die vorliegende Praxisbroschüre zum Thema „Inklusion“         Bedarfen der Kinder und Familien ausreichend gerecht
                                   als ich im Herbst 2017 die   Wie das genau aussehen kann, zeigen Ihnen die bei-          vervollständigt die Trilogie der Handlungsschwerpunk-         wird, statt. Anderswo steht der gemeinsame Dialog
                                   Geschäftsführung       des   spielhaften Umsetzungen inklusiver Kita-Pädagogik in        te des Bundesprogramms „Sprach-Kitas – Weil Sprache           über die Rechte von Kindern und ihrer Familien und de-
                                   PARITÄTISCHEN Hamburg        dieser Praxisbroschüre.                                     der Schlüssel zur Welt ist“. Alltagsintegrierte sprachliche   ren Möglichkeiten mitzuwirken im Mittelpunkt. Wieder
                                   übernahm, war das Bun-                                                                   Bildung, Zusammenarbeit mit Eltern und inklusive Päda-        andere Projekte beschäftigen sich mit der Öffnung der
                                   desprojekt Sprach-Kitas      Aber neben dieser Arbeitshilfe gibt es weiteren Grund       gogik sind als Schwerpunktthemen im Bundesprogramm            Kita hin zum Stadtteil, in die Familien und insgesamt mit
                                   bereits gut im Verband       zu feiern! Seit wenigen Wochen steht fest, dass dieses      zwar einzeln für sich formuliert, gehören und wirken aber     dem Wirken und der Einbindung neuer Impulse durch
                                   etabliert, und eine mei-     Bundesprogramm eine (zunächst) zweijährige Fortset-         zusammen – das dokumentieren auch die vielen Bei-             andere und anderes. Kurz gesagt: Inklusion in Kitas ist
                                   ner ersten Aufgaben be-      zung erfährt. Allen, die sich dafür in den vergangenen      spiele dieser Ausgabe wieder sehr anschaulich. Inklusive      bunt, vielfältig, partizipativ und komplex.
                                   stand darin, eine zusätz-    Monaten auf Landes- und Bundesebene eingesetzt ha-          Pädagogik hat unter anderem den Anspruch, Vielfalt an-        Ich wünsche allen Teilnehmenden, dass über die Doku-
    Kristin Alheit                 liche Stelle dieses auch     ben, möchte ich herzlich danken.                            zuerkennen, Vorurteile und Barrieren abzubauen und Par-       mentation der Good-Practice-Beispiele und deren Ver-
                                   bei uns so erfolgreichen     Dieses Bundesprogramm tut Hamburg – seinen Kin-             tizipation als Voraussetzung für die Teilhabe aller Kinder    öffentlichung neue Impulse und Ideen weitergetragen
    Bundesprojekts zu bewilligen. Eine besondere Heraus-        dern, ihren Eltern, den Kitas und Pädagog*innen und         und ihrer Familien zu ermöglichen. Wie vielfältig dabei       werden und diese den bestehenden Dialog im Bundes-
    forderung stellt(e) dabei für alle Beteiligten die soge-    natürlich auch unserem Verband – richtig gut! Toll, dass    der Weg zu einer inklusiven Pädagogik in Kitas gestaltet      programm „Sprach-Kitas“ weiterhin anregen.
    nannte dritte Programmsäule dar, die „Förderung einer       es nun in die Verlängerung geht.                            werden kann, zeigen die verschiedenen Ansätze, Projekte       Ich freue mich über die Fortsetzung des Bundespro-
    inklusiven Pädagogik“.                                                                                                  und Angebote, die in dieser Broschüre dargestellt werden.     gramms bis Ende 2022 und auf die weitere Zusammen-
    Viele freie Träger, Vereine und Initiativen im PARITÄTI-    Und für uns alle bedeutet das: Auch diese Praxisreihe ist   Es geht zum einen um grundlegende Fragen, wie die             arbeit mit Ihnen und wünsche Ihnen weiterhin viele neue
    SCHEN Hamburg sorgen jeden Tag mit ihrer Arbeit und         sicher noch nicht zu Ende …                                 eigene Haltung als pädagogische Fachkraft oder Kita-          Entdeckungen mit ihren Kita-Kindern und deren Familien.
    ihrem intensiven fachlichen Engagement dafür, dass                                                                      Team gegenüber bestimmten Werten, Normen, Verhal-
    alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ihre Talente      Machen Sie es gut!                                          tensweisen und damit verbunden die Reflexion eigener
    individuell und selbstbestimmt entfalten können. Sie                                                                    Vorurteile. Zum anderen findet eine Auseinanderset-           Angelina Ribeiro von Wersch, Referentin für Kinderta-
    ermutigen dazu, Vorurteile, Diskriminierung und Be-         Herzlichst,                                                 zung mit der räumlichen und materiellen Ausstattung           gesbetreuung, Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales,
    nachteiligung kritisch zu hinterfragen sowie Vielfalt und                                                               der Kita und der Frage, ob diese den Bedürfnissen und         Familie und Integration
    Diversität zu thematisieren und wertzuschätzen.
    Dabei wird schnell deutlich: Inklusive Pädagogik bedeu-     Ihre Kristin Alheit
    tet Veränderung – und die oft anstrengende Einsicht,        Geschäftsführende Vorständin,                               Liebe Kolleg*innen der Sprach-Kitas,
    dass es normal ist, verschieden zu sein.                    Der PARITÄTISCHE Hamburg                                    liebe Leser*innen,
    Daher ist es sehr wichtig und vielversprechend, damit                                                                   nachdem wir Ihnen im Jahr 2018 unsere erste Praxis-           Wie feiern wir Fasching? Wie kann ich als pädagogische
    bereits bei den Jüngsten in unserer Gesellschaft zu                                                                     broschüre zur alltagsintegrierten sprachlichen Bildung        Fachkraft bei Diskriminierung einschreiten? Müssen die
    beginnen – nämlich direkt in den vielen Hamburger                                                                       vorgestellt hatten, begannen wir nach deren Erfolg sehr       Kinder nun alles selbst entscheiden dürfen? Viele dieser Fra-
    Krippen und Kitas.                                                                                                      enthusiastisch die Arbeit an der zweiten Version mit dem      gen haben wir diskutiert und gemeinsam nach Lösungen
                                                                                                                            Schwerpunkt „Zusammenarbeit mit Familien“, die 2019 er-       gesucht. Einige Gedanken und Ideen, die in Kitas bereits
                                                                                                                            schien. Nun möchten wir Ihnen auch in 2020 zur dritten        lebendig geworden sind, haben wir hier für Sie zusammen-
                                                                                                                            Säule des Bundesprogramms eine erneute Zusammenstel-          gefasst – ganz im Sinne von „gemeinsam verschieden!“.
                                                                                                                            lung der Praxisbeispiele aus den Sprach-Kitas präsentieren.   In diesem Heft finden Sie anschauliche Praxisbeispiele
                                                                                                                            Dieses Mal widmen wir uns dem Schwerpunkt „Inklu-             aus den Einrichtungen zum Thema „Inklusion“ und er-
                                                                                                                            sion“ – ein Querschnittsthema, das vor allem angesichts       halten unter anderem Einblicke in die Durchführung von
                                                                                                                            seiner Vielfalt in unserer pädagogischen Arbeit zahlrei-      Projekten, Teambesprechungen und Elternabenden.
                                                                                                                            che Möglichkeiten und Themengebiete eröffnet sowie            Herzlichen Dank an alle Einrichtungen, die uns gelunge-
                                                                                                                            gleichzeitig ein Umdenken der Gesellschaft erfordert          ne Beispiele zur Verfügung gestellt haben!
                                                                                                                            und somit jede*n von uns herausfordert, sich kritisch         Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Stöbern, beim
                                                                                                                            mit ihrem*seinem Handeln auseinanderzusetzen. Es              Entwickeln individueller Ideen für Ihre Kita und beim
                                                                                                                            werden viele Fragen aufgeworfen. Ist bei uns Vielfalt         Umsetzen in der Praxis!
                                                                                                                            wirklich Normalität? Habe ich ein Diversitätsbewusst-
                                                                                                                            sein entwickelt? Ist unser Morgenkreis ein inklusives An-
                                                                                                                            gebot oder machen wir ihn, weil er zu unserem Tagesab-        Nicole Michaelsen, Nina Strackhaar,
                                                                                                                            lauf gehört? Wie sehen vorurteilsbewusste Bücher aus?         Antje Waschke & Lena Kolster
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
6   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                                   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                      Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   7

    Inklusives Handeln – an einem
    Praxisbeispiel veranschaulicht
    Über Inklusion ist schon vieles gesagt worden – und das       Anna1 ist ein drei Jahre altes Mädchen, bei dem uns
    oftmals mit Blick auf die besonderen Herausforderun-          zwar noch nicht diagnostizierte, aber sehr deutliche         pen, ohne erkennbares wirkliches Interesse. Wir hatten        Was nun soll dieses Beispiel zeigen? Inklusion verstehen
    gen und möglichen Hürden (Mangel an Ressourcen, wie           Anzeichen von frühkindlichem Autismus auffielen. Ihre        zu diesem Zeitpunkt ihre Vorliebe für Buchstaben und          wir auch als die Anpassung des Systems (Kita-Haus am
    Geld, Zeit, qualifiziertes Personal usw.). Dieser Punkt ist   Eltern hatten bemerkt, dass ihre motorischen Fähig-          Wörter schon entdeckt. Diese Vorliebe haben wir aufge-        Fleet) an die Bedürfnisse von Anna – und nicht anders-
    sicher wesentlich. Wenn man Inklusion aber ernst neh-         keiten Unterstützung brauchten, und sie vertrauten           griffen und ihr ein Buch über das Alphabet angeboten,         herum. Dazu ist es erforderlich, eine Haltung zu zeigen
    men will (und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben        darauf, dass Physiotherapie helfen würde. In der Ein-        in dem sich Bilder von Tieren mit den Anfangsbuchsta-         – und zwar im gesamten Team –, die durch den Willen
    ist immerhin das Recht eines jeden Menschen), wird            gewöhnung wurde schnell deutlich, dass für Anna eine         ben befanden. Und sie „las sich“ dieses Buch sofort viele     gekennzeichnet ist, dies für Anna (und für alle Kinder)
    man sich in der Praxis nicht von solchen Stolpersteinen       Eins-zu-eins-Betreuung sinnvoll und wichtig ist. Im An-      Male hintereinander „vor“, sprach die Buchstaben dabei        möglich zu machen.
    entmutigen und abschrecken lassen dürfen. Deshalb ist         schluss an die notwendigen organisatorischen Termine         richtig aus und konnte sie alle zuordnen. Ihr Interesse an    Als Voraussetzung für einen gelingenden inklusiven Pro-
    es wichtig, das Thema „Inklusion“ als einen gesellschaft-     im Zentrum für Kindesentwicklung, wo eine entspre-           Buchstaben wurde auch bei anderen Materialien in der          zess ist jedoch noch sehr viel mehr zu berücksichtigen,
    lichen Wandel zu betrachten, der sich nur über einen          chende Diagnose gestellt wurde, und Gesprächen mit           Kita sichtbar. Zum Beispiel gibt es auf unserem Leucht-       was den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. So
    sehr langen Zeitraum vollziehen kann.                         dem Gesundheitsamt wurde der Eingliederungshilfe-            tisch verschiedenfarbige transparente Kunststoff-For-         gehören bspw. eine enge Verzahnung mit den Thera-
    Wenn man sich dessen bewusst ist, hilft es, eine Haltung      Gutschein bewilligt. Die erforderlichen logopädischen        men. Diese hielt sich Anna immer dicht an die Augen           peut*innen und die Zusammenarbeit mit den Eltern un-
    zur Inklusion zu entwickeln, in der man zwar kleinschrit-     Therapien und Physiotherapien finden regelmäßig in           und wir waren überrascht, dass sich darauf winzig kleine      bedingt dazu, um nur einige weitere Aspekte zu nennen.
    tig denkt, aber gleichzeitig die Wichtigkeit seines Han-      der Kita statt.                                              Buchstaben befanden, die keinem von uns aufgefallen           Was wollen wir im Hinblick auf Inklusion weiter errei-
    delns in Bezug auf größere Zeiträume und die gesamt-          Die Förderung und individuelle Begleitung übernah-           waren. Dass Anna sie aber bemerkt hatte, überraschte          chen? Wir haben im Haus nun schon zwei Kolleginnen
    gesellschaftliche Bedeutung anerkennt.                        men eine heilpädagogisch weitergebildete Kollegin            uns nicht. Mit Blick auf die Bedürfnisse von Anna haben       mit einer heilpädagogischen Zusatzqualifikation. Zu-
    Als oberstes Ziel verfolgen wir in unserer Kita bereits       und ich im Rahmen meiner Vollzeittätigkeit in der Kita.      wir neben ihrem bevorzugten Tagesablauf auch die              mindest zwei weitere werden folgen. Da wir zu Annas
    die andauernde Suche nach Möglichkeiten für mehr              Es ist unser Ziel, Anna den größtmöglichen individuel-       Essenssituation genauer angeschaut. Und siehe da, sie         Abholzeiten inzwischen eine Kollegin im Hause haben,
    Chancengleichheit. Die Kinder werden konsequent und           len Freiraum innerhalb der Kita-Strukturen zu ermög-         liebt Nudeln! Nun kochen unsere Hauswirtschaftskräfte         die als Springerin für Kinder mit besonderem Bedarf
    ganz bewusst als gleichwertig wahrgenommen und                lichen. Unser Blick liegt dabei auf Annas besonderen         für sie täglich ihr Leibgericht und die Essenssituation ist   eingesetzt wird, ist ein weiterer Schritt getan, der neue
    begleitet. Einzig die unterschiedlichen Ressourcen der        Bedürfnissen. Sehr schnell wurden ihre Routine und           jetzt für alle sehr viel entspannter. Die anderen Kinder      Perspektiven ermöglicht.
    Kinder werden gesehen und anerkannt und gleichzei-            ihre Vorlieben hinsichtlich der Benutzung der Räume          kennen es schon, dass es Vielfalt bzw. Ausnahmen bei          Annas positive Entwicklung und die Bereicherung auch
    tig als ihr wichtigstes Gut betrachtet. Die Kinder wer-       und Materialien in unserem Haus sichtbar. War sie in der     den Speisen gibt, da wir z. B. auch auf religiöse Unter-      für alle anderen Kinder motiviert uns, unseren Weg wei-
    den in ihren individuellen Bedürfnissen gleichermaßen         einen Gruppe in der Atelierecke mit dem Sortieren der        schiede und Lebensmittelunverträglichkeiten achten.           terzugehen.
    wahr- und ernst genommen. Diese Bedürfnisse stehen            Stifte fertig, ging sie in die andere Gruppe, die über ein   Förderlich war zudem unsere Entdeckung, dass ein
    im Vordergrund und das pädagogische Handeln richtet           Atelier verfügt und machte dort weiter. Nachdem sie          bestimmtes Lied sehr beruhigend auf sie wirkt und sie
    sich individuell nach dem einzelnen Kind. Anhand eines        an der Holzwand zu malen begonnen hatte, haben wir           sofort entspannt. Sie dockt dann an, möchte auf den           Kinderland Haus am Fleet
    Beispiels werde ich verdeutlichen, wie die konkrete Um-       ihr einige weiße Blätter aufgehängt, die sie nun täglich     Schoß und kuschelt sich an. Diese Beobachtung befä-           Rudolf-Ballin-Stiftung e.V.
    setzung bei uns im Hause geschieht und warum sie ein          nutzte. In der Bibliothek schaute sie sich ein Buch an       higt uns, ihr gezielt Ruhepausen zu ermöglichen, wenn
    kleinschrittiger Prozess ist.                                 bzw. blätterte und öffnete die darin vorhandenen Klap-       wir den Eindruck haben, dass sie sie braucht.

    1 Name geändert.
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
8   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                               Der PARITÄTISCHE Hamburg                                   Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   9

    Kommunikation muss grundsätzlich
    überall und in jeder Form möglich sein!                                                                                Was ist eigentlich ein Kinderrecht?
                                                                wohnhaft. Mit der Kita-Aufnahme machte das Kind erste
                                                                Erfahrungen mit einer Kita, mit der deutschen Sprache
                                                                und angewendeter Lautsprache. Die Eltern gebärden
                                                                mit ihrem Kind (in der Herkunftssprache), aber das Kind
                                                                spricht nicht auf diese Kommunikationsform an. Das
                                                                Kind hat diagnostizierten frühkindlichen Autismus und
                                                                ist insgesamt entwicklungsverzögert. Mit den Eltern
                                                                nutzen wir alle denkbaren Möglichkeiten der Kommu-
                                                                nikation (SMS, Videotelefonie, Bilder, Gesten, Google-
                                                                Übersetzer, Dolmetscher etc.). Nun standen wir vor
                                                                besonderen Herausforderungen, was unsere Kommuni-
                                                                kationsmöglichkeiten betrifft!
                                                                Seit Oktober 2019 haben wir unsere UK-Materialien
                                                                durch Metacom-Symbolkarten erweitert. Dazu wurden
    Wenn eine rein lautsprachliche Kommunikation – auf-         Ordner mit Klettflächen und Metacom-Symbolkarten für       Das ist gar nicht so einfach zu erklären und zu verste-    Kinder lernten einen richtigen Krankenhausbetrieb ken-
    grund von Rahmenbedingungen, entwicklungsbedingt            den Kita-Alltag hergestellt. Zunächst haben wir damit      hen. Ein Recht ist etwas, das jedem Kind zusteht und       nen: Was passiert in der Notaufnahme? Was machen die
    oder aus sonstigen Gründen – nicht oder nur bedingt         die bekannten UK-Materialien im Kita-Alltag ergänzt und    zwar von Geburt an. Es regelt, was ein Kind tun darf und   kranken Kinder auf der Kinderstation? Wie wird ein Gips-
    möglich ist, müssen wir andere und individuelle Formen      so unseren Kindern nähergebracht.                          was (noch) nicht. Jedes Kind hat die gleichen Rechte.      verband angelegt? Ein mutiges Kind durfte sich von der
    der Kommunikation mit unseren Kindern und ihren Fa-         Mit dem Kind wenden wir alle UK-Materialien im Kita-All-   Niemand darf die Rechte anderer verletzen.                 Ärztin einen Gips anlegen lassen.
    milien erarbeiten!                                          tag an. Besonders interessiert ist das Kind an den Meta-   Wir haben alle gemeinsam überlegt, welche Rechte Kin-      Am Ende gingen wir mit insgesamt 18 Kindern und 18
    Denn Teilhabe- und Mitgestaltungsmöglichkeiten – in         com-Symbolkarten und der Nachahmung unserer Laut-          der im Kindergarten, zu Hause und in der Schule haben      Gipsverbänden nach Hause.
    und an einer Gesellschaft – stehen im direkten Zusam-       sprache. Daraufhin haben wir ein mobiles Klettheftchen     und ob diese beachtet werden. Ein Jahr lang haben wir
    menhang mit den Kommunikationsmöglichkeiten des             für das Kind besorgt und erweitern es gemeinsam stetig     unsere Arbeitsweisen und unsere Haltung zu dem The-        Das Recht auf Mitbestimmung:
    Individuums.                                                durch weitere Symbolkarten. Auch die Eltern haben wir      ma „Kinderrechte“ beleuchtet und vieles verändert.         Die Kinder besuchten mit uns das Harburger Rathaus.
    Wir als Kita-Team freuen uns auf diese Herausforderung      in diesen Prozess eingebunden. Das Kind führt das Heft-    In diesem Projekt haben die Kinder auf vielfältige Weise   Hier lernten Sie die Bezirksamtsleiterin kennen und
    und stellen uns diesem Erarbeitungsprozess gerne. Seit      chen immer am Hosenbund und nutzt es auch zu Hause.        erfahren, was „Kinderrechte“ für ihr Leben in dieser Ge-   konnten gemeinsam die Räume anschauen, in denen
    April 2019 arbeiten wir ergänzend (zur Lautsprache) all-    Die Kommunikationsmöglichkeiten haben sich dadurch         sellschaft bedeuten. Ausflüge, Aktionen im Kindergarten    die Politiker*innen vor Ort diskutieren und demokra-
    tagsintegriert mit verschiedenen GUK-Materialien. Wir       erheblich erweitert und verbessert. Durch die Anwen-       und das Erscheinungsbild des Kindergartens wurden          tisch Entscheidungen für den Stadtteil treffen.
    leben vor, wie vielfältig Kommunikation sein kann, und      dung und den täglichen Kita-Besuch entwickelt sich nun     sichtbar verändert, damit Besucher*innen, Eltern und       Die Kinder erkannten Parallelen zum Kindergarten,
    bieten unseren Kindern und ihren Familien über sprach-      der Wortschatz des Kinds in Lautsprache.                   auch Kinder täglich daran erinnert werden, dass in unse-   auch hier diskutieren wir und die Mehrheit entscheidet.
    liche Grenzen hinaus erweiterte Möglichkeiten der           Es haben sich einige Kolleg*innen des Trägers zusam-       rem Kindergarten die „Kinderrechte“ Priorität haben.       Am Ende des Besuchs konnten wir noch einen Wunsch
    Kommunikation.                                              mengetan und besuchen nun eine Schulung zur deut-                                                                     aufschreiben: Die Kinder wünschten sich die Reparatur
    Wir verwenden GUK-Kärtchen, Fotos und hauptsäch-            schen Gebärdensprache im Umfang von insgesamt 40           Das Kinderrecht auf gesundheitliche Versorgung:            einer defekten Schaukel auf einem öffentlichen Spiel-
    lich Schlüsselgebärden (gebärdet werden nur inhaltlich      Stunden.                                                   Die Kinder sammeln im Kindergarten Ideen für die ge-       platz in Kindergarten-Nähe.
    wesentliche Elemente eines Satzes). Die GUK-Kärtchen,                                                                  sundheitliche Versorgung.
    Fotos und Gebärden hängen auf Augenhöhe der Kinder          www.metacom-symbole.de                                     • Pflaster bekommen, wenn man sich weh getan hat           Das Recht auf eine Familie:
    sichtbar aus.                                               www.gehoerlosen-bund.de/faq/deutsche%20gebär-              • Getröstet werden                                         Wer gehört zu meiner Familie? Mit den Kindern überle-
    Unterstützte Kommunikation (UK) steht für lautspra-         densprache%20(dgs)                                         • Medikamente bekommen                                     gen wir, wie eine Familie aussieht. Mit kleinen Holzfiguren
    chergänzende oder ersetzende Kommunikationsformen           www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/                 • Zum Arzt gehen                                           konnten die Kinder ihre eigene Familie nachstellen. Dabei
    von Menschen, die nicht, kaum oder nicht in der betref-     Paedagogik/Heil-und-Sonderpaedagogik/Unterstu-             • Im Krankenhaus behandelt werden                          entdeckten wir, dass nicht jede Familie gleich aussieht.
    fenden Situation über Lautsprache verfügen.                 etzte-Kommunikation-978-3-17-032974-4                                                                                 Einmal gibt es eine Mama, einen Papa und Kinder.
    Mittlerweile nutzen sogar unsere Krippenkinder die                                                                     Einige Kinder erzählten von Krankenhausaufenthalten,       Einmal gibt es eine Mama, eine Mama und Kinder.
    Materialien und Gebärden (oder versuchen, sie nachzu-                                                                  einige waren noch nie im Krankenhaus. Der Wunsch,          Einmal gibt es eine Mama und Kinder.
    ahmen) als Kommunikationsmittel, um sich mitzuteilen.       Kinderland St. Pauli                                       ein Krankenhaus zu besuchen, wurde geäußert und wir        Einmal gibt es einen Papa und Kinder.
    Dabei stellen wir immer wieder fest, dass die Kinder erst   Kinderland Hamburg e. V.                                   konnten zügig einen Besuchstermin organisieren. Im         Einmal gibt es eine Oma, einen Opa und Kinder.
    die Bilder, Bewegungen oder Gesten nutzen und dann                                                                     Krankenhaus wurden die Kinder von einer Kinderchir-        Einmal gibt es einen Papa, einen Opa und Kinder.
    die Lautsprache entwickeln.                                                                                            urgin begrüßt. Die Notaufnahme, die Kinderstation und      Wir merkten: Jede Familie ist einzigartig und etwas ganz
    Wir haben seit September 2019 ein Kind (fünf Jahre)                                                                    ein OP wurden von den Kindern entdeckt. Hier konnten       Besonderes. Die Kinder gestalteten „ihr“ Familienbild.
    gehörloser Eltern bei uns in der Kita. Das Kind war zum                                                                sie selbst ein Ultraschallgerät ausprobieren und ent-      Dieses Bild wird die Titelseite ihres Kinderrechte-Buchs.
    Aufnahmezeitpunkt erst sechs Monate in Deutschland                                                                     decken, wie es im Inneren ihres Körpers aussieht. Die
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
10   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                              Der PARITÄTISCHE Hamburg                                    Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   11

                                                                                                                           Wir sind Kinder einer Welt
                                                                                                                           Wie der Name unserer Kita „Bunte Biene“ verrät, sind wir    Herkunft die Hände der Kinder bemalt. Weitere tolle
                                                                                                                           eine vielfältige, bunte Gemeinschaft. Jedes Kind unse-      Sprachanlässe wurden z. B. durch Kinderinterviews oder
                                                                                                                           rer Kita lebt zu Hause die eigenen Familientraditionen,     Vorlesestunden der sogenannten Lesepaten (die Eltern
                                                                                                                           spricht seine Muttersprache, feiert verschiedene Feste      der jeweiligen Gruppen) geschaffen. Das Faschingsfest
                                                                                                                           und vieles mehr. Im Kita-Alltag sprechen die Kinder oft     wird ebenfalls unter dem Motto „Wir sind Kinder einer
                                                                                                                           über die genannten Themen.                                  Welt“ gestaltet und wir freuen uns auf die verschiede-
                                                                                                                           So ist die Idee des neuen Projekts „Wir sind Kinder einer   nen landestypischen Kleidungen. Das Projekt wird im
                                                                                                                           Welt“ entstanden. Das Projekt wurde täglich in den Ele-     Juli dieses Jahrs mit unserem internationalen Sommer-
                                                                                                                           mentargruppen durchgeführt. Im Morgenkreis wurden           fest beendet. Wir uns freuen sehr, dass sich die Eltern
                                                                                                                           neue Lieder wie „Jimba-papaluschka“, „Wir sind Kinder       ebenfalls gut in das Projekt integriert und wir gemein-
                                                                                                                           einer Welt“ und weitere eingeführt und gemeinsam            sam den Kindern ein Leben mit mehr Achtung, Toleranz
                                                                                                                           gesungen. Der Morgenkreis diente zum täglichen Aus-         und Respekt vor anderen Kulturen vorgelebt haben.
                                                                                                                           tausch über das Projekt sowie zum Betrachten und Le-
                                                                                                                           sen interkultureller Bilderbücher, wie z. B. „Nasengruß
                                                                                                                           und Wangenkuss“ (von Anne Kostrzewka und Inka Vigh)         Kinderbetreuungszentrum Bunte Biene
                                                                                                                           oder „Tamia – bin ich klein?“ (von Phillip Winterberg und   Bunte Biene gUg
                                                                                                                           Nadja Wichmann).
                                                                                                                           Wichtige Feste und Feiertage wurden mit den Kindern
     Das Recht auf einen Namen:                                   Zum Abschluss unseres Projekts gestalteten die Kinder    besprochen und gefeiert. Mithilfe von Flipcharts wur-
     Wo kommt eigentlich mein Name her? Wer hat ent-              ein Werbeplakat mit unseren Kinderrechten. Es wurde      den Ursprung und Bedeutung von Festen erläutert und
     schieden, wie ich heiße? Wo steht, dass ich so heiße? Die    gedruckt und für zwei Wochen am Bahnhof Neuwied-         visualisiert. Im Kita-Flur hängt eine Weltkarte, auf der
     Kinder haben zu ihren Namen viele Fragen.                    enthal aufgehängt. Unsere Hamburger Senatorin Frau       die Herkunftsländer der Familien und Erzieher*innen
     Die Fachkräfte brachten ihren Personalausweis und ihre       Dr. Leonhard und Herr Dr. Bange besuchten uns, um sich   markiert sind. Das Engagement der Eltern war erfreuli-
                                                                                                                                                                                       KINDERBETREUUNGSZENTRUM

     Geburtsurkunde mit. Die Kinder schauten sich diese an        mit uns gemeinsam das Werbeplakat anzuschauen.           cherweise groß. Es haben uns Mütter besucht, um sich              BUNTE BIENE

     und erfuhren, dass der Name dort steht und auch der          Ein gemeinsames Foto und unser selbstgedichtetes Kin-    am Projekt zu beteiligen und den Kindern ihre kulturel-
     Name der Eltern hier vermerkt ist – ein wichtiges Doku-      derrechte-Lied bilden einen wunderbaren Abschluss        len Bräuche oder Traditionen näherzubringen. Die Kin-
     ment, das jedes Kind besitzt.                                unseres Projekts.                                        der durften eine russische Spezialität backen und bei
     Die Kinder brachten ihre Geburtsurkunde mit und man-                                                                  einem weiteren Besuch hat eine Mutter pakistanischer
     che Kinder sogar schon einen Kinderausweis mit ihrem         „Wer heute die Rechte der Kinder sichert, sichert die
     Foto. Alle Geburtsurkunden wurden vorgelesen und             Menschenrechte von morgen.“
     einige Kinder erfuhren hier, dass sie sogar noch einen
     Namen haben – einen zweiten Vornamen. „Toll“, sagten
     die Kinder, „das wusste ich noch gar nicht!“. Viele Kinder   Kindergarten Schatzkinder
     waren auch erstaunt, dass Mama und Papa mehrere Vor-         Pedia gGmbH
     namen haben.

     Der Wunsch der Kinder, ein Kinderrechte-Bilderbuch zu
     gestalten, wurde umgesetzt.
     Die Kinder haben sich gemeinsam eine Geschichte
     überlegt, diese haben wir aufgeschrieben. Die Bilder zu
     den Texten haben die Kinder gemalt. Nun konnte das
     Buch gedruckt werden. Dieses Buch hat einen festen
     Platz im Kindergarten, wird gerne angeschaut und auch
     an andere interessierte Menschen verliehen.
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
12   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                              Der PARITÄTISCHE Hamburg                                    Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   13

     Die Welt in der Kita                                                                                                  Was Weihnachten bedeuten kann

                                                                                                                                                                                       Eine Mutter entschied sich, den Bogen für ihren Sohn
                                                                                                                                                                                       auszufüllen. Die Familie war gerade aus Israel zu uns ge-
                                                                                                                                                                                       zogen und dort wird Hanukkah gefeiert. Die anderen
     Unser Jahresthema 2019 war „Rund um die Welt“. Hierzu         (hier aus datenschutzrechtlichen Gründen übermalt)      Weihnachten feiern bei uns nicht alle Kinder. Bei eini-     Kinder in der Kita wussten nichts über Hanukkah. Groß-
     haben wir uns u. a. über geografische Karten die Auftei-      und Bilder von Symbolen der einzelnen Regionen, wie     gen kommt das Christkind, bei anderen etwas ganz an-        artig, dachten wir, dann ändern wir das jetzt. Wir be-
     lung der Welt in Kontinente nahegeführt.                      z. B. Flaggen, Tiere, Gebäude usw. Als Symbol für den   deres. So zahlreich wie die Kulturen in unserem Haus,       schafften ein Rezept für Sufganijot, den Text zu „I have
     Beim ersten Beispiel führte uns die Spur von Tieren in die    Gesamtkontinent haben sich die Kinder den Tiger aus-    so zahlreich sind auch die Erfahrungen und Traditionen      a little dreidel“, ein Bild von einem Dreidel (eine Art Krei-
     verschiedensten Regionen der Welt. Als Material dienten       gesucht (siehe Karte umrahmende Bastelarbeit), von      im Dezember.                                                sel) mit Spielanleitung. Der Junge war begeistert, als er
     hierzu eine große Weltkarte, Bilder von den verschie-         dem jedes Kind der Gruppe ein Bild angefertigt hat.                                                                 diese vertrauten Dinge auf den Bildern wiedererkann-
     densten Tieren, Bänder und Klebeband. Die Tierbilder                                                                  Was wird gebraucht?                                         te. Gemeinsam gestalteten wir ein Poster, auf dem der
     sind um die an der Wand befestigte Weltkarte geklebt.                                                                                                                             Junge sich kreativ verewigen konnte. Als die Mutter das
     Von jedem Tier aus führt ein Band, dessen eines Ende z.       Kita Droopweg                                           1. Einen vorbereiteten Fragebogen als Word-Datei und        Poster entdeckte, schrieb sie eine E-Mail an die Kita und
     B. noch unter dem Tier an der Wand befestigt ist, zu sei-     Agilo gGmbH                                                auf Wunsch auch ausgedruckt mit Fragen über Weih-        bedankte sich. Sie beschrieb, wie schwierig es sei, die-
     ner Ursprungsregion auf der Weltkarte, wo das andere                                                                     nachten in der Kindheit                                  se wichtige Tradition für ihre Kinder lebendig zu halten,
     Ende des Bands befestigt ist. So kann jedes Kind verfol-                                                              2. Bindfaden                                                wenn die Umgebung eine ganz andere Art zu feiern ge-
     gen, dass z. B. das Faultier in Südamerika beheimatet ist.                                                            3. Klebeband                                                wohnt sei. Die Kita habe ihr geholfen, Hanukkah für die
                                                                                                                                                                                       Kinder greifbar zu machen.
     Beim zweiten Beispiel führt ein Teil der Identität der Kin-                                                           Eine Überraschung                                           Eine Kollegin nutzte die Gelegenheit und baute das
     der, nämlich die ursprüngliche Herkunft ihrer Familien,                                                                                                                           Dreidel-Spiel in ihre Stunden für die alltagsintegrierte
     in die große weite Welt – bei unserem Beispiel hier in                                                                Ursprünglich hatten wir vor, mit den Rückmeldungen          Sprachbildung ein. So lernten wir auch ein wenig Heb-
     den Kontinent Asien. Als Material dienten die angefer-                                                                der Eltern den Kindern zu zeigen, dass es bei Weihnach-     räisch. Eine andere Kollegin bat darum, das Lied „I have a
     tigte Karte des Kontinents, Fotos der einzelnen Kinder                                                                ten um ganz viele Dinge gehen kann und nicht nur um         little dreidel“ mit den anderen typischen Liedern auf der
                                                                                                                           Geschenke. Am Ende war es viel spannender für uns           Weihnachtsfeier zu singen.
                                                                                                                           alle, in andere Traditionen einzutauchen. So viele unse-
                                                                                                                           rer Feiertage finden sich überall auf der Welt in anderer
                                                                                                                           Form wieder. Warum nicht einmal erforschen, was es          Kinderwelt@DESY
                                                                                                                           mit dem Zuckerfest auf sich hat? Und wie viele von uns      Kinderwelt Hamburg e. V.
                                                                                                                           wissen eigentlich, was zu Kwanzaa gefeiert wird?
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
14   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                                       Der PARITÄTISCHE Hamburg                                   Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   15

     Die bunte Welt der Lebensmittel
     Ein Projekt zum Thema Individualität,                         Kräuter
     Vielfalt und Gemeinsamkeit
                                                                   Bei der Suche nach reifen Erdbeeren stießen die Kinder
     Impulsgeber für dieses Projekt waren die pädagogischen        auf die ausgeschilderten und bebilderten Kräuterpflan-
     Fachkräfte der Kita. Nach der Sommerpause wollten die         zen: Das Kräuter-Thema wurde vorgezogen, Kinder und
     Erzieher*innen ein Projekt inszenieren, bei dem alle Be-      Erzieher*innen schwärmten erneut in den Garten zur
     teiligten des Hauses mitmachen konnten.                       Kräuter-Forschung aus.
     „Ernährung“ schien uns das ausreichende Potenzial für         Was sind Kräuter und woran erkennen wir sie? Was be-
     ein inklusives Thema zu bieten.                               wirken sie? Dies waren naheliegende Fragestellungen.
     Die kontinuierlichen Gartenaktivitäten von Kindern,           Wie verändert sich der Geschmack von Speisen mit und
     Eltern und Erzieher*innen bildeten eine vertraute Vor-        ohne Kräuterzugabe?
     erfahrung und so kamen die Themenwünsche schnell
     zusammen:                                                     Mit unseren Vorgehens-Prinzipien
     Erdbeeren                  Kräuter          Getreide          • Finden (Wo wachsen welche Kräuter am liebsten?),
                                                                   • Fühlen (Wie fühlen sich Blätter, Stängel, Wurzeln an?),
     Jedes Thema war als Impulsgeber für ein Wochenprojekt         • Vergleichen (Wie riechen, schmecken sie? Welche For-           Ernährungs-Schule und Koch-Werkstatt                       Ästhetik = Wahrnehmung
     mit offenem Ergebnis gedacht.                                   men/Oberflächen haben die Bestandteile?) und
                                                                   • Dokumentieren und Bestimmen (zeichnen, trocknen,               Mit dem Angebot der Eltern-Bildungsreihe kamen auch        Ist der Zusammenhang dieser sinnlichen Geschmacks-
     Erdbeeren                                                       pressen, benennen)                                             die Eltern ins Spiel. Zum Teil durch eigene Schreber-      erfahrungen mit den ästhetischen (wahrnehmenden)
                                                                                                                                    garten-Erfahrungen standen sie dem Ernährungs-The-         Vorlieben (persönlicher Geschmack) im gestalterischen
     „Wir suchen Erdbeeren!“ Dieser Vorschlag wurde von den        näherten wir uns möglichen Antworten auf diese Frage-            ma offen gegenüber. Auf einem Elternabend themati-         Bereich verknüpft?
     Kindern sofort aufgegriffen. Im Vorjahr hatten sie Erd-       stellungen.                                                      sierten wir die „Süßigkeiten-Falle“ am Nachmittag: Oft
     beerbeete angelegt und machten sich neugierig auf den         „Kräuter sind das Salz der Pflanzen“ – Begriffe für Ge-          werden Kinder mit Süßigkeiten beim Abholen über den        Vielfalt
     Weg zur Erdbeer-Ernte. Im Garten zeigten sich jedoch          schmacksrichtungen wurden gefunden, „würzig“ war                 Trennungsschmerz hinweggetröstet oder motiviert,
     nur grüne, blassgelbe und irgendwie winzige Früchte!          eine Riech- und Geschmackserfahrung geworden.                    sich schnell anzuziehen. Oder Schulkinder haben am         Die Welt der Pflanzen ist ein Musterbeispiel für Fülle und
     Was war passiert? Überall in den Geschäften gab es            Um das Bewusstsein für gefährliche und unverträgliche            Nachmittag das Bedürfnis, etwas zu naschen. Wir inte-      Reichtum: Die Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit von
     leuchtend rote, pralle Erdbeeren zu sehen, wieso nicht        Pflanzen aufzubauen, stand über allem Vorgehen der               grierten das Ernährungs-Thema in die gerade laufende       Arten, Sorten und Pflanzenfamilien (es wird auch von
     in unserem Garten? Was braucht eine Erdbeere, um so           wichtige Leitsatz: Nur bebilderte Kräuterpflanzen in un-         Eltern-Bildungsreihe, die in Kooperation mit der Eltern-   Pflanzengesellschaften gesprochen) mit speziellen Be-
     schön und saftig zu werden, wie in den Frucht- und Ge-        serem Garten werden gegessen!                                    schule Wilhelmsburg lief.                                  dürfnissen ist Sinnbild für unsere gesellschaftliche Vielfalt.
     müseabteilungen der Geschäfte? Warum sind Erdbeeren
     dort jetzt schon reif und in unserem Garten nicht? Diese      Getreide                                                         „Gesunde Snacks für Zwischendurch“                         Gemeinsamkeit
     Fragen rückten zunächst in den Mittelpunkt des Interes-
     ses.                                                          Der Tag beginnt mit dem Frühstück. Ein Hauptbestandteil          Auf Wunsch der Eltern luden wir eine Ernährungs-Ex-        Die gemeinsame Teilhabe von Kindern, Eltern, pädago-
     Die Erdbeeren wurden täglich beobachtet und die Ernte         davon ist das Brot, stellten die Kinder fest. Wie entsteht das   pertin ein. Am Ende dieses Nachmittags sagten die          gischen Fachkräften und der Eltern-Schule ist eine Ko-
     erst einmal aufgeschoben.                                     Brot? Vom Mehl wussten sie durch ihre Backerfahrungen            Eltern: „Ja, nun wissen wir zwar Bescheid; jetzt wollen    operation, die spezifische Qualitäten bündelt und ein
     Wir besuchten eine Plantage, um zu ernten. Das Pflü-          schon. Aber wo kommt das Mehl her? Beim Bäcker machten           wir die Kenntnisse aber auch praktisch ausprobieren.“      Mehr an Kommunikation, Ideenreichtum, Erfahrungs-
     cken ermöglichte eine genaue Betrachtung der Frucht           wir uns schlau und einige Kinder erinnerten sich: Wurde in       Eine Koch-Werkstatt „Gemeinsam Kochen – gesund na-         möglichkeiten für alle bedeutet.
     und führte zu detaillierten Kenntnissen: Die Beere trinkt     der nahegelegenen Mühle nicht auch gebacken? Entspre-            schen“ mit Snacks, schmackhaften Getränken und Re-
     durch die kleinen grünen Punkte und macht neue Pflan-         chende Bücher wurden zurate gezogen, bis feststand: Mehl         zepten gab viele Anregungen. Der gemeinsame Besuch
     zen am Ende ihrer Stängel.                                    ist gemahlenes Getreide!Und das machen wir mal selbst.           einer Bienenweide mit Kindern, Eltern und Erzieher*in-     ASB Werkstatt-Kita Koppelstieg
     Inzwischen waren auch unsere Garten-Erdbeeren ge-             Draußen auf dem Spielgelände wurden auf einem großen             nen rundete dieses Projekt ab.                             Arbeiter Samariter Bund GmbH
     reift, aber die Herstellung von Nachtisch-Speisen erfor-      Stein Handtücher ausgebreitet und darauf die verschiede-
     derte größere Mengen. Auf dem Wochenmarkt erstan-             nen Getreidesorten verteilt. Mit Steinen und Hämmern wur-        Individualität
     den wir zwei große Stiegen mit köstlichen Erdbeeren! In       den die Körner zerkleinert. Die Handtücher bekamen Lö-
     der Kita wurde daraus Erdbeerquark.                           cher durch die raue Steinoberfläche, aber das Endprodukt         Mit dem Themenkreis „Lebensmittel, Essen und Ernäh-
     Das „Schöpfen aus der Fülle“ und „Es ist genug für alle da“   ließ sich sehen: Kleine Häufchen Mehl waren entstanden.          rung“ hängt für uns die Geschmacksentwicklung zu-
     wurden zu einer hochgenüsslichen Basis-Erfahrung!             Mit dieser Grunderfahrung wurde dann der Frühstückstisch         sammen. Riechen, Sehen, Schmecken und die damit
                                                                   bereichert: Ein Dinkel-Brot Rezept und Frischkorn-Brei wur-      verbundenen Vorlieben unterliegen einer kulturellen,
                                                                   den erprobt und genossen.                                        aber auch sehr individuellen Prägung.
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
16   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                    Der PARITÄTISCHE Hamburg                                    Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   17

                                                                 Vielfalt durch Bücher als Helfer im
     Ein Tag als Prinzessin                                      Spracherwerb!
     „Die wichtigsten Ziele unserer pädagogischen Arbeit                                                                     Nach wie vor gilt es aber, dialogisch gemeinsam zu be-
     sind es, die Selbstbestimmung, den Selbstwert und die                                                                   trachten. Beim klassischen Vorlesen befriedigen wir den
     Selbstständigkeit des einzelnen Kinds zu fördern. Jedes                                                                 Wunsch nach Geschichten und Informationen und eröff-
     Kind ist etwas Besonderes und muss individuell gesehen                                                                  nen spielerisch den Zugang zur literarischen Welt. Beim
     werden. Wir geben den Kindern den nötigen Raum für                                                                      dialogischen Vorlesen werden die Kinder ermutigt, sich
     forschendes Auseinandersetzen mit ihrer Umgebung,                                                                       aktiv einzubringen. In der Kita wird überwiegend dialo-
     zum Erlernen wichtiger Kompetenzen, wie Sozialver-                                                                      gisch vorgelesen. Kinder und Erzieher erleben eine ge-
     halten, Konfliktfähigkeit oder Entscheidungsfähigkeit.                                                                  meinsame Zeit voller Aufmerksamkeit und Aktivität im
     Eigenschaften wie Neugierde oder Wissbegierde för-                                                                      Dialog. Durch gemeinsames Betrachten teilen die Kinder
     dern wir, um die Freude am Lernprozess zu entdecken.“                                                                   ihre eigene Sicht der Bilder mit. Ganz nebenbei erfolgt
     So lauten die wichtigsten Ziele unserer Kindertagesstät-                                                                sprachförderliche Arbeit. Das Besondere ist, dass bei die-
     te. Tagtäglich arbeiten wir in allen Bereichen an diesen                                                                ser Kommunikation alle Interaktionspartner*innen eine
     Zielen. Eines Tages ergab sich Folgendes: In der Kita                                                                   aktive Rolle einnehmen. Die Kinder sollen die Möglich-
     stand Fasching an. Eine Mutter sprach ihre Stammerzie-      Beim Erlernen einer Zweitsprache ist es unterstützend,      keit haben, die Geschichte in ihre eigene Gedankenwelt
     herin an, dass ihr Sohn gerne als Prinzessin verkleidet     nicht nur mündliche, sondern auch schriftliche Kennt-       aufzunehmen, zu übertragen und das Gesehene auszu-
     kommen wollte. Sie hatte Bedenken, dass er von den          nisse in der Familiensprache zu haben. Sprache wird ge-     drücken. Möglicherweise hat das eine oder andere Kind
     anderen Kindern deswegen gehänselt oder ausgelacht          braucht, um Inhalte zu vermitteln, und Kinder erschlie-     ähnliche Dinge schon einmal gesehen oder eine Situati-
     würde. Die Erzieherin machte deutlich: Fasching im          ßen sich die Sprachen selbst. Eltern sollten die Sprache    on selbst erlebt – und erzählt davon. Ein Dialog entsteht!
     KINDERSCHLUPF bedeute, dass jeder so kommen kön-            mit ihren Kindern sprechen, die sie selbst am besten be-    Das Kind wir zur*m Erzähler*in! Das tägliche Sprachbad
     ne, wie er oder sie möge. Außerdem hatte die Erzieherin     herrschen. Die Familien-Erstsprachen bilden die Basis für   wird größer! Bei unserem mehrsprachigen Vorleseange-
     bezüglich der Kinder keine Bedenken, wollte dies aber       den Erwerb weiterer Sprachen. Daher sollte in allen für     bot geben wir dies an interessierte Eltern weiter.
     im Team noch einmal ansprechen. Im Kolleg*innenkreis        das Kind relevanten Sprachen zu Hause und in der Kita       Während des Betrachtens kann man auf Bilder und Ob-
     hatte auch niemand Bedenken; es wurde nur ein wenig         reichhaltiger Input geboten werden. Zu Hause geschieht      jekte zeigen, Fragen stellen, einen Bezug zum Alltag
     geschmunzelt. Am Faschingstag selbst haben wir nicht        dies in der Familiensprache und in der Kita in Deutsch.     herstellen, Impulse geben und etwas dazu erzählen
     erlebt, dass er gehänselt wurde. Der Junge hat viel ge-     Die Wortbedeutungen in einer Sprache werden hoch-           oder sich erzählen lassen. Wir greifen die Kinderbeiträ-
     lacht hat und die Kinder haben ihm dies gleichgetan. Es     wertiger, wenn sie vielfältig sind und sich mit verschie-   ge auf, formulieren sie um (korrektives Feedback), loben
     war eine sehr gelöste Stimmung. Außerdem hat er sein        denen für die Kinder relevanten Themen beschäftigen.        die Kinder für jeden ihrer Beiträge. Im Vordergrund ste-
     Kostüm mit großer Selbstverständlichkeit zur Schau          Da Sprache gebraucht werden muss, um erworben zu            hen der gemeinsame Spaß und positive Erfahrungen
     getragen. Das Kostüm hat er an diesem Tag sehr lange        werden, muss der Input interaktiv sein. Kinder brauchen     mit Sprache und Büchern. Ganz nebenbei werden die
     getragen. Das war für uns ein Zeichen, dass er sich wohl-   die Möglichkeit, mit Sprache zu experimentieren.            Sprach- und Sprechfähigkeiten der beteiligten Kinder
     fühlte. Später tauschte er mit einem Jungen, der eine       In unserer Bibliothek können sich Eltern und Kinder Bü-     gefördert. Die Erstsprachen bilden die Basis für den Er-
     Hulk-Maske trug, diese mit seiner Krone!                    cher in vielen Familiensprachen ausleihen. Wir achten       werb weiterer Sprachen.
     Besser können aufbrechende Klischees nicht ange-            darauf, dass wir zu jeder Familiensprache ein Buch in
     wandt werden.                                               unserer Bibliothek haben. Wenn die Eltern die Möglich-
                                                                 keit haben, in der Familiensprache vorzulesen (Input        Kita Kerni Kids
                                                                 wird angeboten), werden die Kinder in der Sprachent-        Rudolf-Ballin-Stiftung e. V.
     Kita Kinderschlupf                                          wicklung gefördert. Kinder und Eltern finden so ihre
     Stadtteilinitiative Hamm e. V.                              Herkunft in der Kita wieder und die familiäre Identität
                                                                 wird sichtbar wertgeschätzt. Alle Sprachen sind wichtig
                                                                 und werden als gleichwertig wahrgenommen.
                                                                 Inhaltlich anspruchsvolle Bilderbücher fordern und för-
                                                                 dern die verschiedensten Fähigkeiten. Neben aktuellen
                                                                 (Mainstream-)Bilderbüchern legen wir Wert auf klas-
                                                                 sische Bilderbücher. Auch achten wir auf Autor*innen
                                                                 und Illustrator*innen. Nicht nur die Sprachen sind un-
                                                                 terschiedlich, sondern auch die Illustrationen variieren
                                                                 (siehe Bild unten). So erkennen Eltern und Kinder, ob es
                                                                 ein „übersetztes“ Buch ist oder eines aus der Heimat „mit
                                                                 deutschem Untertitel“.
Bundesprogramm Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist - Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas - praxisorientiertes Begleitheft ...
18   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                                  Der PARITÄTISCHE Hamburg                                     Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   19

     Gegen Diskriminierung                                                                                                     Diskriminierung in Kinderbüchern
     in Bilderbüchern vorgehen                                                                                                 auf der Spur
     Als pädagogische Fachkräfte formen wir Menschen für                                                                       „Keiner verdient es, wegen Äußerlichkeiten schlecht          Fazit:
     die Zukunft. Wir haben die Chance, gezielt Einfluss zu                                                                    oder anders behandelt zu werden. Dies zu tun, ist eines
     nehmen. Diskriminierung geht uns alle an. Nahezu je-                                                                      der größten menschlichen Versagen und zudem ein Zei-         Für uns war wichtig, dass wir uns immer wieder mit den
     der Mensch macht in seinem Leben Erfahrungen, in                                                                          chen erheblichen Mangels an Bewusstsein, an Intellekt        Themen „Inklusion, Vielfalt, Gemeinsamkeit, Rassismus
     denen er diskriminiert wird. Mit gezielten Projekten – in                                                                 und Geist.“ (Esragul Schönast)                               und Diskriminierung“ auseinandersetzten, um die Unter-
     diesem Fall die Bilderbücher betreffend – können wir                                                                                                                                   schiede und Gemeinsamkeiten wahrzunehmen und be-
     in Kitas Einfluss auf eine anti-diskriminierende Haltung                                                                  Wir, die Pädagoginnen der Kita, haben uns in diesem          wusst damit umzugehen. Außerdem kamen wir zu der
     nehmen.                                                                                                                   Jahr mit dem Thema „Inklusion, Vielfalt und Diversität“      Erkenntnis: „Beobachte schnell, aber urteile langsam!“.
                                                                                                                               auseinandergesetzt. Es gab Studientage zu interkultu-
     Was wird gebraucht?                                                                                                       rellen/vielfaltskompetenten Perspektiven in der Kita
                                                                                                                               und zur Inklusion. Jedes Mal wurde auf diesen Studien-       ASB Werkstatt-Kita Kirchenhang
     • alle Bücher, die den Kindern in der Kita zugänglich                                                                     tagen auch das Thema „Rassismus und Diskriminierung“         Arbeiter Samariter Bund GmbH
       sind                                                                                                                    gestreift. Dieses Thema hat mich berührt und ich mach-
     • Computer und Drucker                                                                                                    te eine Fortbildung dazu.
     • große, frankierte Briefumschläge                                                                                        Mit vielen bewegten Eindrücken kehrte ich zurück in
                                                                                                                               die Kita. Auf einer Dienstbesprechung berichtete ich
     Loslassen                                                                                                                 den Kolleginnen davon. Ich erzählte ihnen von Weißen,
                                                                                                                               Schwarzen und POC (People of Color), deren Begriffe ich
     Mit den von Louise Derman-Sparks1 formulierten                 Die erste Rückmeldung eines Verlages kam nach etwa         aus der Fortbildung mitbrachte. Ebenfalls schilderte ich
     „Guide for selecting anti-biased children´s books“ über-       einer Woche. In seinem Schreiben dankte der Verlag für     ihnen von den Darstellungen über Schwarze in Bilder-
     prüften die Kinder mit der Sprachfachkraft die vor-            das aufmerksame Lesen und versprach, unsere Anmer-         büchern, Wimmelbüchern und Kinderbuchklassikern.
     handenen Bilderbücher auf diskriminierende Inhalte.            kungen an das Lektorat weiterzugeben. Eine Antwort zu      Wir beschlossen daraufhin, uns die vorhandenen Bilder-
     Alle Bücher, die negativ auffielen, wurden aussortiert,        bekommen ist ein enormer Erfolg für die inklusive Ar-      bücher in der Erzählwerkstatt/Bücherwerkstatt genau-
     unabhängig davon, wie beliebt sie waren. Im Eingang            beit. Projekte wie unseres füttern die vorurteilsbewuss-   er anzuschauen. Dabei hatten wir folgende Fragen im
     wurde ein Tisch mit den aussortierten Büchern aufge-           te Erziehung und Bildung und dieser Teil der Pädagogik     Kopf: Werden schwarze Menschen überhaupt in den
     baut. Die Eltern wurden über eine E-Mail darüber infor-        kann niemals genug Futter bekommen.                        Bilderbüchern abgebildet? Wie werden sie dargestellt?
     miert, dass und warum Bücher aussortiert wurden. Vom                                                                      Die Ergebnisse trugen wir zusammen und waren er-
     Büchertisch wählten wir fünf Bücher aus, in denen wir                                                                     staunt, betroffen und besorgt, wie klischeehaft und stig-
     die Mängel farblich kennzeichneten. Gemeinsam ver-             Kinderwelt@DESY                                            matisierend Menschen mit schwarzer Hautfarbe darge-
     fassten wir einen Brief an die Verlage, in denen wir er-       Kinderwelt Hamburg e.V.                                    stellt werden. Es wurde vereinbart, dass unbedingt neue
     klärten, warum wir diese Bücher nicht mehr lesen woll-                                                                    Bilderbücher angeschafft werden müssen und andere
     ten. Besonders wichtig war uns der Absatz: „Wir danken                                                                    Bilderbücher mit diskriminierenden Darstellungen ent-
     Ihnen, dass Sie diesen Brief gelesen haben und würden                                                                     sorgt werden.
     uns freuen, wenn wir eine Antwort erhalten. Über Dis-                                                                     Jetzt gibt es in der Bücherwerkstatt/Erzählwerkstatt Bil-
     kriminierung muss gesprochen werden.“ Wir gaben den                                                                       derbücher mit schwarzen Prinzessinnen und Heldinnen,
     Eltern ein wenig Zeit, die Briefe zu lesen, bevor wir sie in                                                              Bücher mit unterschiedlichen Familienkulturen und ge-
     die Post gaben.                                                                                                           mischten Familien. Außerdem wurde ein Familienspiel
                                                                                                                               angeschafft, in dem diverse Familienkonstellationen
                                                                                                                               dargestellt sind. Die Kinder der Kita haben jetzt die Mög-
                                                                                                                               lichkeit, sich und ihre Familiensituation wiederzufinden.
                                                                                                                               Die Pädagoginnen begannen, ihr eigenes Handeln und
                                                                                                                               ihre Haltung in Bezug auf Vorurteile zu beobachten und
                                                                                                                               kritisch zu hinterfragen.
     1 Lehrerin und Begründerin des Anti-Bias- Ansatzes
20   Der PARITÄTISCHE Hamburg                                                                                                Der PARITÄTISCHE Hamburg                                    Inklusive Pädagogik-Vielfalt in Kitas Praxisorientiertes Begleitheft Teil 3   21

     Wie werden Individualität, Vielfalt
     und Gemeinsamkeit bei uns in der                                                                                        Vielfalt mit Kinderspielzeug
     Kita gelebt?                                                                                                            sichtbar machen
     Im Rahmen einer Dienstbesprechung wollten wir uns            Wir stellen immer wieder fest, dass die Checklisten ein
     dem Thema „Wie werden Vielfalt und Individualität bei        sehr gutes Handwerkszeug sind, um Prozesse struktu-
     uns gelebt? widmen. Hierbei war uns wichtig, auch in         riert voranzutreiben. Durch das eigenständige Überle-
     Bezug auf die vorurteils- und genderbewusste Erzie-          gen und Mitwirken an den Handlungspunkten wurde
     hung einen Ist-Stand abzufragen und weitere Schritte         das Thema vom Team gut angenommen und wir arbei-
     der Umsetzung zu formulieren.                                ten seitdem sehr viel konzentrierter an der Umsetzung
     Als Grundlage hierfür haben wir die Checkliste für den       der pädagogischen Ziele „Vielfalt und Inklusion“ im Kin-
     Qualitätsbereich 3 „Individualität, Vielfalt und Gemein-     derland Lurup.
     samkeit“ aus der Arbeitshilfe „Pädagogische Qualität
     entwickeln – Praktische Anleitung und Methodenbau-
     steine für die Arbeit mit dem Nationalen Kriterienkata-      Kinderland Lurup
     log“ herangezogen. Vom Träger aus arbeiten wir bereits       Kinderland Hamburg e. V.
     seit 2018 mit diesem Instrument. Die Checklisten sind
     sehr verständlich und praxisnah beschrieben, wodurch
     sich leicht ein Bezug zum pädagogischen Alltag herstel-
     len lässt. Für diesen Zyklus haben wir uns entschieden,                                                                 Wir starteten damit, dass wir an unserem Konzeptions-       kann die Puppe symbolisch für die Mutter oder eine an-
     eine erste Auswahl im Tandem (Leitung und zusätzliche                                                                   tag ein gemeinsames Verständnis von Inklusion entwi-        dere Bindungsperson stehen und so den Kindern über
     Sprach-Fachkraft) vorzunehmen. Auf einem Flipchart                                                                      ckelten und darüber redeten, was Inklusion für jedes        deren Abwesenheit hinweghelfen. Als vertrautes Objekt
     haben wir diejenigen Punkte zum Thema „Inklusion und                                                                    Teammitglied vor allem im Hinblick auf unsere tägliche      erleichtert sie den Kindern das Zurechtfinden in unbe-
     Vielfalt“ in Stichpunkten verschriftlicht, auf die wir mit                                                              Zusammenarbeit bedeutet. Das gemeinsame Verständ-           kannten Situationen und die Bewältigung von Transitio-
     dem Team den Fokus legen möchten. In der Dienstbe-                                                                      nis über die Wertschätzung untereinander haben wir          nen. Abschließend konnten wir für uns als Einrichtung
     sprechung wurden diese Punkte erläutert und Gedan-                                                                      als Basis genommen, um das Kita-Spielzeug und die           feststellen, dass wir sowohl von den Kindern als auch
     ken von jedem Teammitglied geäußert. Hierbei war uns                                                                    Lernumgebung der Kinder kritisch zu überprüfen. So          von den Eltern durchweg positives Feedback zu den
     besonders wichtig, dass wirklich jede*r einen Beitrag                                                                   haben wir das Spielzeug vorurteilsbewusst neu ausge-        Puppen bekamen, sodass wir auch weiterhin mit vor-
     leistet, sodass Vorbehalte, Bedenken und Ideen auf-                                                                     wählt, da Kinder Spielsachen häufig als Identifikations-    urteilsbewusstem Spielzeug arbeiten werden.
     genommen werden konnten. Spannend war, dass In-                                                                         instrument nutzen und der Spaß nicht ausschließlich im      Mehr dazu: Ramona Noll, Dipl.-Pädagogin mit dem
     klusion für viele noch immer unter dem Gesichtspunkt                                                                    Vordergrund steht. Um unsere Ansicht noch einmal zu         Schwerpunkt frühe Kindheit, ist als Dozentin in der Aus-
     von Kindern mit Behinderung gesehen wird. Hier gab es                                                                   verdeutlichen, haben wir uns dazu entschieden, im Fol-      und Weiterbildung von Erzieher*innen tätig und leitet
     eine gute Diskussion, in der ich die Definition anhand                                                                  genden inklusive Puppen als ein Beispiel vorzustellen.      Eltern-Kind-Gruppen.
     konkreter Praxisbeispiele erläutern konnte. Ein Punkt,                                                                  Es war uns wichtig, dass die Puppen unterschiedliche
     der uns schon lange beschäftigt, ist die Gruppenbil-                                                                    Hautfarben, Körperformen und Geschlechter reprä-            www.betzold.de/prod/97480/
     dung von Kindern untereinander nach Sprachen. Da                                                                        sentieren, da die Kinder sich mit ihnen identifizieren      Für Puppenhaus geeignet: https://jetzt-kommt-kurth.
     auch dies ein Thema in der Checkliste ist, waren wir an-                                                                und sich wertgeschätzt und akzeptiert fühlen können.        de/search?sSearch=biegepuppen
     geregt, uns mit diesem Aspekt besonders zu beschäfti-                                                                   Außerdem entwickeln Kinder dadurch ab dem ersten
     gen und Handlungsschritte zu bestimmen.                                                                                 Lebensjahr Verständnis dafür, dass es schön ist, unter-
     Zu jedem besprochenen Punkt hat die zusätzliche                                                                         schiedlich zu sein. Die Puppe ist für Kinder oft mehr als   Kita Hohnerkamp
     Sprach-Fachkraft ein kleines Handout verfasst, in dem                                                                   nur ein beliebiges Spielzeug und nicht selten haben Kin-    Kinderzentrum Bramfeld e. V.
     die Vereinbarungen festgehalten sind. So kann jede*r                                                                    der eine enge Bindung zu ihr. Sie ist daher nicht einfach
     Pädagog*in nachlesen, was es konkret heißt, „die eige-                                                                  ersetzbar. Unterstützung erfahren Kinder außerdem,
     ne Haltung zu reflektieren“. Hier zum Beispiel finden                                                                   indem wir als Fachkraft das Puppenspiel ernst nehmen.
     die Fachkräfte Impulsfragen, die sie für das Reflektieren                                                               Gegenüber der Puppe sprechen Kinder oft sehr frei und
     nutzen können.                                                                                                          erfahren sie als geduldige Zuhörerin. Auch
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