BURG UND STADT IM MITTELALTER MINNESÄNGER UND MEISTERSÄNGER I

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BURG UND STADT IM MITTELALTER

MINNESÄNGER UND MEISTERSÄNGER I

In den vorangehenden Einheiten wurden bereits Hinweise auf die spezifischen kulturellen
Bereiche von Burg und Stadt gegeben. Nun stehen vor allem Minnesänger, doch ebenso die
Meistersänger im Zentrum, die mit diesen Orten und Formen der Ansiedlung in
Zusammenhang gebracht werden.
Minnesänger und Meistersänger scheinen selbst in einem Gegensatz, was den Ort ihres
Wirkens betrifft, zu stehen. Dies muss jedoch nicht unbedingt so gesehen werden. Denn dort,
wo sich eine Burg erhebt, bildet sich in der Nähe oder im Umkreis eine Ansiedlung, ein Dorf,
bestehend aus Siedlung von Burgmannen, oder ein Markt, der später zu einer Stadt erhoben
wird. Eine Burg mit entsprechender Größe kann gleichsam eine kleine „Stadt“ für sich bilden,
wie am Beispiel der Festung Hohensalzburg deutlich ist.1 Diese möglichen Gemeinsamkeiten
zeigen sich auch in der Bedeutung der beiden Begriffe im Mittelalter: Das nhd. „Burg“
kommt von mhd. burc („Schloss, Stadt, Burg, befestigter Ort“). Der Bürger leitet sich daher
eigentlich von dem burgaere-, er ab, dem „Bewohner einer Burg“. Das Substantiv ist eine
Ableitung von mhd. bergen („bergen, in Sicherheit bringen“).2
„Stadt“ dagegen leitet sich ab von mhd. stat („Ort, Stelle, Stätte, Stadt“) und ist eine
Substantivbildung von stan („stehen“). Die „Stadt“ ist daher der „Ort, wo etwas steht“.3
War die Burg bzw. burc ursprünglich der befestigte Ort, wohin man sich flüchten konnte, und
stand für den heutigen Begriff „Stadt“, so übernahm diese Bedeutung nach 1200 der Begriff
stat.4
Der Gegensatz: Burg und Stadt verweist jedoch ebenso auf unterschiedliche Stände und
Lebenshaltungen, die mit gesellschaftlichen Veränderungen verbunden werden können, die
sich im Laufe der Jahrhunderte vollzogen. Seit etwa dem 12. Jh. kam es vermehrt zu
Gründungen von Städten, deren Bedeutung und Macht immer mehr wuchs. Generell und sehr
verallgemeinernd könnte man sagen: Auf der Burg residierte der Adel, so wird mit den
Minnesängern, die vielfach auch Angehörige des Adels waren, vor allem die diese Sphäre und
ein adeliges Publikum verbunden,5 in der Stadt und bei den Meistersingern dominierte
dagegen das Bürgertum. Literarisch wird mit der Burg daher die Sphäre des Hofes und damit
die mit ihm verbundenen Formen der Dichtung in Zusammenhang gebracht. Neben der
höfischen Epik ist es vor allem die höfische Lyrik, zu der auch Minnedichtung gehört, die
damit assoziiert wird und die hier im Zentrum stehen soll. Als Pendant zu ihr können
thematisch verwandte Dichtungen bzw. Lieder des in der Stadt des Spätmittelalters bzw. der
frühen Neuzeit beheimateten Meistersangs gesehen werden, der noch immer gegenwärtig ist,
besonders durch Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ (Uraufführung,
München 1868).

Minnesänger und Meistersänger werden nun im Folgenden primär als Autoren von
Minneliedern betrachtet und ausgewählte Beispiele dazu präsentiert. Diese geben vor allem
Einblick in spezifische Formen des Minnesangs bzw. auch in Charakteristika mittelalterlicher
Lyrik. Ihnen gegenübergestellt wird dann die Form des Meistersangs, die mit der
aufstrebenden Macht der Städte und der in ihnen befindlichen Handwerkszünfte in
Zusammenhang zu sehen ist. Dabei werden auch die Melodien bzw. nach der mittelalterlichen
Terminologie die „Töne“ berücksichtigt, die besonders in einem zweiten Teil dieses Beitrages
von Stefan Engels behandelt werden.
Die folgenden Ausführungen zu Minnesängern und Meistersängern können hier nur einen
kleinen Einblick in die Thematik geben. Auf die Möglichkeit zu weiterführenden
2

Informationen verweist ebenso die Literaturliste. Um ein Bezugsfeld für die ständische
Einordnung der Minnesänger und Meistersänger zu geben, werden diese durch zusätzliche
Informationen zu ihrer Biographie auch in ein historisches Umfeld gestellt.

MINNESANG UND MINNESÄNGER

Anmerkungen zur Überlieferung des Minnesangs und zu dem Begriff Minne

Der Begriff minne
Bei der Beschäftigung mit Minnesängern und Minnesang stellt sich zunächst die Frage: Was
ist unter Minnesang zu verstehen bzw. was bedeutet der Begriff minne.
Der mhd. Terminus minne ist mit dem heutigen Begriff „Liebe“ wiederzugeben, wie auch von
Ulrich Müller empfohlen wird.6 Im Mittelalter zeigt sich dieser Begriff sehr umfassend:
Minne bedeutet im Mittelalter ganz allgemein soviel wie ‚liebendes, freundliches Gedenken’
oder ‚Erinnerung’ und leitet sich ab von idg. *moino-, mit der Bedeutung „Tausch“ und
„Wechsel“ wie auch von idg. *men- „denken, erinnern“. Das spezifische Bedeutungsspektrum
selbst ist weit und umfasst die „religiöse Liebe“, in diesem Zusammenhang auch die ‚Liebe zu
Gott’, ebenso wie die „Nächstenliebe“, die jedoch auch mit den Begriffen der charitas und
der agape bezeichnet wird. Zusätzlich umfasst minne Bedeutungen wie „Zuneigung,
Freundschaft, Elternliebe“, doch gleichfalls die „erbarmende Liebe zum Nächsten“. Dazu
bezeichnet minne auch die „sinnliche, körperliche Liebe“.7 Überschneidungen zwischen den
Begriffen liebe und minne gab es, so dass bisweilen die Begriffe austauschbar erscheinen.
Jedoch verband man den Begriff der Liebe noch mehr mit dem Aspekt der Freude und kann
diese daher auch als ‚freudvolle Liebe’ bezeichnen. In der frühen Neuzeit wurde minne in den
meisten Gegenden des deutschsprachigen Raumes durch das Wort liebe ersetzt.8

Anmerkungen zur Minnelyrik
Die Minnelyrik als Liebeslyrik ist nur ein Teil des großen lyrischen Schaffens im Mittelalter,
das inhaltlich u.a. Belehrung, Ermahnung, (religiöse) Erbauung und politische Agitation
umfasst.9
Eine häufig vorkommende Struktur der Minnelyrik des 12. und 13. Jahrhunderts beschreibt
den Typus der hohen Minne. Dabei wirbt ein lyrisches Ich um eine höhergestellte Dame,
versichert diese seiner Dienste und bekundet seine Treue. Dieser Dienst jedoch hat keinen
Erfolg, oft nicht einmal Hoffnung, woraus sich Klage und Reflexion über die Situation des
lyrischen Ichs ergeben. Die Ablehnung oder Zurückhaltung der Dame kann jedoch auch durch
die Missgunst der Gesellschaft bewirkt werden. Der Stand der Dame (ob verheiratet oder
nicht) wird in den Versen jedoch nicht tangiert. Mit den Begriffen „Treue“ und „Dienst“, die
die Beziehung zur Dame kennzeichnen, zeigen sich in den Lied-Strophen Reflexe und Werte
des mittelalterlichen Lehenswesens (triuwe und dienest), die das Verhältnis von Lehensherr
und Lehensnehmer in der Gesellschaft des Mittelalters konstituieren.10
Diese Minne-Lyrik ist nicht als Erlebnis-Lyrik, sondern eher als Rollen-Lyrik zu betrachten.
Wie genau dieser Komplex des Frauen-Dienstes zu deuten ist, der im Hochmittelalter ein
gesamteuropäisches Phänomen war, ist nicht zu lösen. Die Fragen, ob hinter dieser Lyrik auch
die Wirklichkeit damaligen Hoflebens zu sehen ist, ob in der Dienstideologie sich ein
aufstrebender Teil der Gesellschaft, die Ministerialität= der Dienstadel, sich literarisch
verherrlicht oder auch sublimiert, ob diese Minne-Gedichte verschlüsselte politische oder
soziale Werbegedichte sein können, ob sie Neurotisches an sich haben oder die Situation einer
Krise oder Umwälzung dokumentieren oder ob sie darauf hinweisen, durch Entsagung mit
dem Phänomen Frau und Sexualität Herr zu werden u.a.m. Dies alles ist nicht sicher zu
beantworten.11
3

Insgesamt zeigen sich vor allem zwei Typen der Minnelyrik:
1) ein eher subjektiver, der sich durch Reflexion auszeichnet. Hier dominiert ein lyrisches Ich.
Er umfasst Texttypen wie: die Minneklage, das Frauenpreislied, das Minnekreuzlied, die
Parodie des Minneideals
2) ein eher objektiver, mehr erzählender Liedtypus, wie: die Pastourelle (ein Mann höheren
Standes trifft im Freien ein Mädchen und versucht dieses zu überwinden) oder das Tagelied
(zwei Liebende verbringen gemeinsam eine Nacht und müssen sich aus gesellschaftlichen
Gründen am Morgen trennen)
Objektive und subjektive Elemente werden im Tanzlied verbunden, das auch eine
Untergattung des Liebesliedes bilden kann.12
Vorbilder und Anregungen für die Liebeslyrik können in der Marienverehrung gefunden
werden, in der mittellateinischen Lyrik, in der Lyrik der provenzalischen und französischen
Trobadors und Trouvères und in der Dichtung der Araber wie auch in lateinisch-römischer
erotischer Dichtung.
Die Minnelyrik ist vor allem eine adelige Lyrik, die auch von Angehörigen der höchsten
Stände ausgeübt wird, wie etwa von dem späteren Kaiser Heinrich VI (gest. 1197).13
In den Liedern wird meist die aus dem romanischen Raum stammende dreiteilige Form der
Kanzone verwendet. Metrische Form und Struktur der Melodie bezeichnet man als Ton, der
Text wird als „wort“ bezeichnet, mit „wise“ die Melodie, eine Einzelstrophe wird auch „liet“
genannt.14

Zur Überlieferung der Minnelyrik
Die Lyrik, auch die Minnelyrik, des Mittelalters ist handschriftlich überliefert, wobei meist
von einem kleineren oder größeren zeitlichen Abstand zwischen der Entstehung und der
Aufzeichnung eines Liedes bzw. einer Strophe ausgegangen werden muss.
Viele der Strophen finden sich in Liederhandschriften, von denen jedoch exemplarisch nur
drei genannt werden sollen.

Die bedeutendste und prächtigste ist die Große Heidelberger Liederhandschrift, die in
Textausgaben mit der Sigle C bzeichnet wird. Sie wird benannt nach ihrem Aufbewahrungsort
in der UB Heidelberg (cod. pal. germ. 848), umfasst 428 Pergamentblätter und entstand in
Zürich zwischen 1304 und 1340. Ihr Grundstock wurde durch die Sammeltätigkeit der
Patrizierfamilie Manesse gelegt, nach der die Handschrift auch Codex Manesse genannt wird.
Ihre Präsentation der (Minne-)Lyrik zeigt eine hierarchisch-ständische Gliederung, die mit
dem Kaiser Heinrich VI. einsetzt. Jedem Autor bzw. seinem präsentierten Textkorpus wird
eine ganzseitige Miniatur vorangestellt, die sich auf Lyrikinhalte bezieht. Die Handschrift und
ihre Abbildungen sind im Internet einsehbar.15

Eine weitere, jedoch kleinformatige Liederhandschrift befindet sich ebenfalls in der
Heidelberger Universitätsbibliothek, die so genannte Kleine Heidelberger
Liederhandschrift (UB Heidelberg, cod. pal. Germ. 357). Sie umfasst 45 Blätter und wird
mit der Sigle A in den diversen Ausgaben bezeichnet und entstand vermutlich um 1300 im
Elsass, möglicherweise in Straßburg. Sie gilt als die älteste Sammlung mittelhochdeutscher
Lyrik. In ihr werden Dichter von 1180 bis etwa 1240, von Heinrich von Rugge bis Neidhart
und Bruder Wernher, jedoch ohne Illustrationen präsentiert.16

Die Weingartner Liederhandschrift, auch genannt Stuttgarter Handschrift nach ihrem
Aufbewahrungsort in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart (Cod. HB XIII,1),
wurde mit der Sigle B versehen. Sie umfasst 156 Pergamentblätter, wobei sich vor den
Liedsammlungen oft ganzseitige Miniaturen befinden, die sich in ihren Motiven oft mit denen
der Handschrift C verbunden zeigen. Die Handschrift entstand etwa 1310 bis 1320 im
4

Bodenseegebiet (Konstanz?). Sie enthält vor allem Minnelyrik, dazu die Minnelehre von
Johann von Konstanz, aus dem 12. bis ins frühe 14. Jh. und umfasst 156 Blatt, geschrieben in
gotischer Minuskel.17

Die Verfasser von Minnelyrik
MINNESÄNGER

I.
Als der erste mit Namen bekannte Verfasser von mittelhochdeutscher Liebeslyrik gilt DER
VON KÜRENBERG. Er beschäftigte sich in der Mitte des 12. Jahrhunderts mit dem Thema
Minne. Seine Strophen sind in der Großen Heidelberger Liederhandschrift überliefert.18
(Der von Kürenberg, Codex Manesse, fol. 63r: http://diglit.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/cpg848/0121?sid=c450d8417ab9c7c5bd48ee9594fcc294)
Möglicherweise war er ein österreichischer Ministeriale. Die Gegend, aus der er stammte oder in der er wirkte,
könnte mit dem Kürenberg oder Kürnberg, einem Hügel im Gebiet bei Linz an der Donau verbunden werden.
Daher ordnet man ihn dem so genannten Donauländischen Minnesang (1150-1170) zu, wie etwa auch den
Dichter Dietmar von Aist, der ebenfalls Eingang in den Codex Manesse fand.19
In den Texten des Kürenbergers gibt es viele Hinweise, die die Verse mit der adeligen
Gesellschaft und damit mit der Burg verbinden, wie die folgenden Strophen zeigen.

TEXT 1           Ich stuont mir nehtint spate an einer zinne
                 Nu brinc mir her vil balde mîn ros, mîn îsengewant

In den Versen wird die Sphäre der Burg deutlich erkennbar, Begriffe bzw. Schlüsselwörter
wie zinne, ritter, isengewant, vrouwe (‚Herrin’) deuten auf ein herrschaftlich, adeliges Milieu,
das mit Macht verbunden ist, worauf auch der Begriff betwingen weist.
[I]n Kürenbergers wise zeigt deutlich, dass es hier um einen Gesang geht,20 der wohlklingend
auf das Ohr der adeligen Dame wirkt. Die Dame liebt den Sänger, doch dieser hält sich
bedeckt, bleibt in der Menge, will ihr nicht auffallen.
In der Strophe wird von Liebe gesprochen, die hier jedoch eine Frau einem Manne zeigt. Die
Frau weist ein großes Selbstbewusstsein auf, verhält sich aktiv und sucht den von ihr
Geliebten zur Liebe zu zwingen. Dabei tritt sie als (Landes)Herrin auf. Die Dame agiert als
werbende Frau, während der Ritter sich abweisend und stolz verhält, er kann ihre Liebe, ihren
Wunsch nicht erwidern. Beide sind gleichberechtigt. Die beiden Strophen sind, obwohl
inhaltlich abgeschlossen, aufeinander bezogen. Es zeigt sich hier eine Tendenz zur
Mehrstrophigkeit. Beide Personen (in jeder Strophe spricht ein lyrisches Ich) sprechen über
dasselbe Thema, sprechen jedoch nicht miteinander, daher nennt man diese Gedichtform
„Wechsel“ im Gegensatz zum Dialoglied.
Die metrische Form ist diejenige der Nibelungenstrophe (wahrscheinlich wurde das
„Nibelungenlied“ mit derselben, jedoch nicht erhaltenen Melodie vorgetragen). Die Strophen
bestehen aus 4 Langzeilen mit Zäsur (jeweils 4 plus 3 Hebungen), die paargereimt sind,
jedoch weist die letzte Langzeile eine zusätzliche Hebung auf.21

II.
Während in den Strophen des Kürenbergers von einer ständischen Gleichheit ausgegangen
werden kann, zeigt sich eine andere Konstellation in den Liedern REINMARS DES
ALTEN. Sie ist typisch für die Form des so genannten Hohen Minnesangs.
(Reinmar der Alte, Codex Manesse, fol. 98r: http://diglit.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/cpg848/0191?sid=c450d8417ab9c7c5bd48ee9594fcc294)
5

Von Reinmar dem Alten gibt es keine urkundliche Erwähnung. Wahrscheinlich war er jedoch eine Art
Hofdichter am Hof der Babenberger, wo die meisten seiner Lieder entstanden. Darauf deuten Anspielungen in
den Liedern Reinmars und in denen Walthers von der Vogelweide. Ebenso betrauert Reinmar in der
„Witwenklage“ einen herr[n] Leopold, der mit Herzog Leopold V. von Österreich in Verbindung gebracht wird
(1194 gest.). Spätestens um 1210 jedoch muss Reinmar verstorben sein, wie sich aus dem Literaturexkurs im
„Tristan“ Gottfrieds von Straßburg ergibt. Dennoch gibt es Zweifel an Reinmars Lokalisierung nach Wien, eine
Verbindung zum Hof der Babenberger gibt es sicher, jedoch wird Reinmar auch mit Hagenau im Elsass in
Zusammenhang gesehen. Zu seiner Zeit ein bedeutender Dichter, orientierten sich viele Minnesänger an ihm.
Die Anzahl seiner Lieder ist unsicher: 53 Lieder werden ihm zugeschrieben, 29 weitere sind unter seinem
Namen überliefert.22
Wiewohl Reinmars Lieder eine größere Vielfalt aufweisen, wird er doch in erster Linie in
Zusammenhang mit einem stilisierten höfischen Dienst für die Dame in Verbindung gebracht.
So zeigt sich in vielen seiner Lieder das lyrische-Ich bedingungslos abhängig von dem Willen
der vrouwe, der Herrin, der es treu ergeben ist, wie immer sie sich auch verhält. Selbst im
Falle der Ablehnung möchte es ihr treu sein und das Leid mit zühten, mit Haltung, tragen, wie
in einer Strophe erläutert wird. Ergebenheit, Resignation, Leiden und Trauer, die in die Nähe
des Selbstzwecks geraten, scheinen charakteristisch. Die Haltung des lyrischen-Ichs wirkt
gleichsam „[m]asochistisch“, um einen Ausdruck von Ulrich Müller zu wählen.23 Es fragt
sich, ob diese Haltung nicht eine „programmatisch vorgeführte Rolle“ ist. Möglicherweise hat
Reinmar auch so etwas wie eine „kollektive Gesellschaftsneurose“ dargestellt.24 Das folgende
Lied beschäftigt sich jedoch mit dem ergebenen Dienst des Mannes. Begriffe wie dienst, leid,
triuwe evozieren wieder die höfische Sphäre und weisen auf das Lehenssystem als
gedankliche Grundlage für die Beziehung zwischen Sänger und Dame. Hier gibt es jedoch
eine gewisse Hoffnung, auch wenn sie keine höchste Erfüllung findet. Von den vier Strophen
spricht in dreien ein Mann als lyrisches Ich, eine, die vorletzte Strophe, spricht eine Dame. Sie
ist in Sorge wegen möglicher Konkurrentinnen. Die Mitwelt wird zwar als Instanz
angesprochen, kann jedoch nichts bewirken. Ein direkter Kontakt zwischen den beiden
Protagonisten ist jedoch nicht möglich, daher muss die Dame einen Boten senden.
Die Strophen sind nach dem metrischen Schema 4ma 4mb/ 4ma 4 mb// 4mc 5mc 4md 2we
4md gebaut. Der Abgesang ist dabei um die Hälfte länger als der Aufgesang.25

Text 2           Ich hân vil ledeclîche brâht

III.
Dass man scherzhaft mit der Ablehnung einer Dame umgehen kann, beweist ebenso ein
weiterer großer Minnesänger des Mittelalters: HEINRICH VON MORUNGEN
(Codex Manesse, fol. 76r: http://diglit.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/cpg848/0148?sid=c450d8417ab9c7c5bd48ee9594fcc294)
Wahrscheinlich wirkte Heinrich als Hofdichter in Meißen, da in seiner Sprache ostmitteldeutsche Charakteristika
nachweisbar sind. In zwei Urkunden des Markgrafen Dietrich von Meißen (1217? und 1218) wird Heinrich
vermutlich genannt. Falls es sich bei den Urkunden des 16. Jh.s um Heinrich handeln sollte, starb er als
altgedienter Ritter (miles emeritus) 1222 im Thomaskloster Leipzig. 35 Minnelieder sind von ihm überliefert, die
auch formal komplex sind und Berührungen zu Friedrich von Hausen zeigen und somit zu dem rheinischen
Minnesang.26
Viele seiner Lieder sind im Stil der hohen Minne gehalten, doch gibt es hier neue Motive: die
magische Kraft, der Zauber der Liebe etwa. Vom Blick der Frau, die eine Venus, gleichsam
eine toeterinne ist geht das Liebesfeuer aus. Sie ist Mond und Sonne, Kontemplation und
Vision.27

Text 3           Vrowe wilt du mich genern
                 Vrowe, mîne swaere sich.
6

Der Text spielt wieder mit den verschiedenen Termini aus dem Lehenswesen, wie etwa
vrowe. Bei Heinrich von Morungen wird hier auch auf die Motivik der Minnekrankheit
angespielt wird (Ich bin siech). Die swaere des Sängers ist deutlich hervorgehoben, er leidet,
sein Herz bricht entzwei. Die lautmalenden Akzente, die Wiederholungen der Schlüsselwörter
unterstreichen die Dramatik des Ganzen, lassen das Gedicht jedoch auch voll Humor
erscheinen.28 Das erwünschte Resultat, eine Erhörung des hartnäckigen Liebeswerbens bleibt
jedoch offen.

IV.
Doch was ist minne, fragte sich mancher Dichter angesichts der hohen Minne. So versucht
auch WALTHER VON DER VOGELWEIDE dieses Geheimnis zu klären.
(Codex Manesse, fol. 124r: http://diglit.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/cpg848/0191/thumb?sid=d59b61094cab14b13f6fba7a85c2ac59:
(Walther wird hier in der typischen Haltung gezeigt, die aus dem Reichston (Ich saz ûf eime
steine L 8,28) bekannt ist. Er sitzt, das Kinn in eine Hand geschmiegt, sinnend da)
Walther von der Vogelweide ist wohl der bekannteste Dichter des Mittelalters überhaupt.
Hugo von Trimberg schmiedete die Verse im „Renner“ (v. 1187f.) auf ihn: Herr Walther von der Vogelweide,
wer den vergäße, der täte mir leide. Walthers Biographie muss weitgehend im Dunklen bleiben. Der Name weist
auf einen Hof dieses Namens. Doch Vogelweide bezeichnet nur einen Ort, wo Vögel gejagt werden. (U.a. bringt
man Walther auch in Verbindung mit Zwettl in Niederösterreich).29 Sicher ist, dass er das Leben eines fahrenden
Sängers führte. Dies ergibt sich aus dem Reiserechnungsbuch des Passauer Bischofs Wolfger von Erla vom 12.
November 1203. In diesem ist vermerkt, dass dem cantori de Vogelweide pro pellicio. V. sol. longos, dass dem
cantor Walther von der Vogelweide fünf Schillinge für einen Pelzrock überreicht wurden. Dieser hohe Betrag
gibt jedoch Zeugnis von Walthers Ansehen.30 Vermutlich hat Walther zunächst am Wiener Hof gedichtet (Ze
Ôsterrîche lernt ich singen unde sagen 32,14) Wahrscheinlich verließ er nach dem Tod Herzog Friedrichs I. den
Hof (Vgl. dazu Klage über dessen Tod in L 19,29).31 Hier setzt seine Zeit als politischer Spruchdichter ein.
Ebenso zeigt er Freude über einen Platz im Haus des Staufers Philipps von Schwaben. In seinen Sprüchen
spiegelt sich die unruhige Zeit nach dem Tod Kaiser Heinrichs VI: So dichtet er für die Konkurrenten seiner
Nachfolge: für Philipp von Schwaben, für Kaiser Otto IV, dann wieder für Friedrich II. Ebenso spiegeln sich
auch die Fürstenkoalitionen in seinen Gedichten wider. Landgraf Hermann I. von Thüringen, Markgraf Dietrich
von Meißen, Herzog Bernhard II. von Kärnten, Erzbischof Engelbert von Köln, der Graf von Katzenellenbogen
etc. All diese Fürsten der damaligen Zeit finden Eingang in Walthers Spruchliedern.32 Besonders ist jedoch
Walther Kaiser Friedrich II. zugetan, dem er ein Lehen, wahrscheinlich ein (Land)Gut verdankt, das ihm eine
Altersversorgung bietet. (Ich hân mîn lehen al die werlt, ich hân mîn lehen L 28,31). Nach einer Tradition
(Michael de Leone) soll Walther in Würzburg begraben sein. Sein vermeintliches Grab findet sich dort im
Kreuzgang des Neumünsterstifts.33
Von Walther sind in mehr als 100 Tönen etwa 500 Strophen überliefert, etwa 90 Lieder, 140-
150 Sprüche und ein Leich. Wichtigster Zeuge seiner Dichtung ist die Große Heidelberger
Liederhandschrift.34
Walther wirkte wahrscheinlich gemeinsam mit Reinmar dem Alten bis etwa 1198 am
Babenberger Hof. So ergab sich relativ sicher dort auch eine gewisse Konkurrenz. Ob man
von Walther aber als Schüler Reinmars sprechen kann, der sich aus Reinmars Einfluss und
von dessen Ideal der hohen Minne entfernte, was sich in der so genannten Reinmar-Walther-
Fehde äußerte, ist jedoch fragwürdig.35
Walthers Minnelyrik umfasst ein großes Spektrum. Zu diesem gehört auch die Thematik der
hohen Minne, doch Walther hinterfragt den Dienstgedanken in der Minnedichtung und auch
die Einseitigkeit der Minnebeziehung. Dies wird im folgenden Lied deutlich.

Text 4 Saget mir ieman, waz ist minne?
        Weiz ich des ein teil, sô west ich es gerne mê./ Der sich baz denne ich versinne,/ der berihte
        mich, durch waz sie tuot sô wê./Minne ist minne, tuot sie wol; /Tuot sie wê, sô heizet sie niht
        rehte minne./ Sus enweiz ich, wie sie denne heize sol.//Sagt mir jemand, was Minne ist?/ Weiß
        ich davon ein wenig, so wüsste ich gerne mehr./ Der sich besser als ich darauf versteht,/ der
7

         möge es mir sagen, warum sie so schmerzt./ Minne ist Minne, wenn sie wohl tut./ Tut sie weh,
         so wird sie zu Unrecht Minne genannt./ So weiß ich auch nicht, wie sie denn heißen sollte.36

In diesem Lied wird die Verehrte noch als vrouwe bezeichnet, doch fehlt hier der
Dienstgedanke. Zuerst wird die richtige, rechte minne erläutert, die in der Gegenseitigkeit
besteht. Sie muss wohl tun, darf nicht verletzen. Beide Herzen müssen in gleicher Weise
Freude empfinden. Das lyrische Ich wünscht klare Worte. Bei ungleichem Empfinden will es
sich von der Dame trennen. Liebe soll nicht mit Leid, mit Ablehnung vergolten werden. Doch
der letzte Vers lässt aufhorchen: Denjenigen, den die Minne blendet, wie kann der sehen.

V.
Wie man mit unerwiderter Minne umgehen könnte, hatte schon vor Walther der Sänger
FRIEDRICH VON HAUSEN gezeigt: Man kann sie aufkündigen.
(Codex Manesse, fol. 116v: http://diglit.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/cpg848/0228?sid=c450d8417ab9c7c5bd48ee9594fcc294)
Friedrich von Hausen war ein enger Vertrauter des Kaisers, wurde daher als zu den familiares gehörig
bezeichnet. Als ein bedeutender Ministerialer war er auch in diplomatischen Missionen tätig. Man rechnet ihn
der Dichtergruppe es rheinischen Minnesangs zu. Möglicherweise stammte er aus Gegend bei Mannheim.
Zwischen 1171 und 1190 ist er historisch fassbar. Zeugnisse für seine Präsenz finden sich in der Umgebung des
Bischofs von Worms, in Italien bei Kaiser Heinrich VI. und zuletzt in der Umgebung des Kaisers Friedrich
Barbarossa. Er begleitete den Kaiser auf dem Kreuzzug ins Hl. Land. Das Heer brach im Mai 1189 von
Regensburg auf. In Kleinasien fiel Friedrich von Hausen bei der Verfolgung einiger Türken vom Pferd, was ihm
das Leben kostete. Fünf mittelalterliche Chroniken berichten von seinem Tod (darunter das „Chronicon
Hanoniense“ von Gislbert von Mons um 1200). Wahrscheinlich wurde das Lied Friedrichs von Hausen, das die
Problematik von Herz und Leib, innerem Fühlen und religiöser, äußerer Verpflichtung anspricht, kurz vor dem 3.
Kreuzzug gedichtet.37
Von ihm sind 17 Lieder (nach der Großen Heidelberger Liederhandschrift) überliefert, die
sich an romanischen Vorbildern orientieren. So wird Friedrich von Hausen zum
bedeutendsten Vermittler romanischer und mittelhochdeutscher Lyrik. Sieben dieser Lieder
können als Kontrafakturen gesehen werden.38 Auch die Strophenformen sind von den
Trobadors und Trouvères entlehnt. Friedrich von Hausen gab vermutlich ebenso Orientierung
für andere Dichter, wie etwa Ulrich von Gutenburg, mit dem er wahrscheinlich in Verbindung
stand.39 Das Gedicht „Mîn herze und mîn lip“ gehört zu seinen bekanntesten Liedern.

Text 5           Mîn herze und mîn lip

Im Gedicht geht es um ein lyrisches Ich, das von einem inneren Konflikt zwischen seinem
herze, dem innern Gefühl, Sehnen und seinem lîp, hier dem, was die Gesellschaft und Gott
verlangt, gefordert wird. Der Mann wird hier im Vers als (Kreuz)Ritter gesehen, der sich
bereits zum Kreuzzug entschlossen hat (dô ich daz kriuce in gotes êren nam). Er merkt, dass
sein Empfinden nicht mit seiner vernünftigen Haltung und äußeren Verpflichtung, seinem
Willen konform gehen. Doch scheint das Herze nicht in guter Obhut zu sein, da das lyrische
Ich auch von not spricht, die das Herz treffen wird. Im Lied fehlt der Hinweis auf die vrouwe,
und lässt so erahnen, dass das lyrische Ich den Kreuzzug wählt. Diese Entscheidung wird
begünstigt, indem sich der Sänger von einer zuvor idealisierten Minne-Beziehung befreit.
Vorbild für das Gedicht war wahrscheinlich Conon de Béthunes: Ahi amors com dure
departie, das als eines der berühmtesten altfranzösischen Lieder gilt. Die Strophenform ist
exakt entsprechend bis auf einen Unterschied im Reimschema (Conon: ababbaba/ Hausen:
ababbaab). Die Strophen zeigen einen stolligen Bau. Von Conon übernimmt Hausen auch das
Motiv der Trennung von Herz und Leib, doch gibt es bei Conon zwei Möglichkeiten. Das
lyrische Ich kann auf Kreuzzug gehen oder bei der Dame bleiben, bei Hausen kommt es zum
8

einem ernsten Konflikt zwischen Herz und Leib, der sogar das Leben des lyrischen Ichs
bedroht, da beide nicht unabhängig voneinander existieren können. Zunächst gibt es keine
Lösung, doch in der letzten Strophe trennt sich das lyrische Ich von der Dame.
Ein Rätsel gibt immer wieder der Vergleich des Wortes der Dame mit dem Trierer Sommer
auf. Dies kann ein Hinweis auf den unbeständigen Sommer in Trier sein, der sich regnerisch
und wetterwendisch zeigt. Möglicherweise ist jedoch auch ein (uns noch nicht bekanntes)
politisches Ereignis damit gemeint.40
Das Lied propagiert so den Kreuzzug. Ulrich Müller hat im Zusammenhang mit dem Lied auf
das spezielle Schicksal Conons de Béthune hingewiesen, der, da er am 3. Kreuzzug nicht
teilnahm, heftige Schelte von seinen Kollegen erhielt. Conon beteiligte sich jedoch am 4.
Kreuzzug. Er starb 1219/20 als designierter Regent des lateinischen Kaiserreichs von
Konstantinopel.41

VI.
Bei Friedrich von Hausen wird die Entscheidung zum Kreuzzug zunächst als Konflikt gezeigt.
In einem der berühmtesten Lieder WALTHERS VON DER VOGELWEIDE, dem
„Palästina-Lied“, wird jedoch geradezu Werbung für den Kreuzzug gemacht.
(Codex Maness, fol. 124r: http://diglit.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/cpg848/0191/thumb?sid=d59b61094cab14b13f6fba7a85c2ac59)

Das Lied war schon im Mittelalter eines der bekanntesten, so gelangte auch seine
Anfangsstrophe in eine Parodie der „Carmina Burana“.
Seine Melodie ist die erste, die zu mittelhochdeutscher Lyrik direkt überliefert worden ist. Die
Melodie stammt von dem Trobador Jaufre Rudel, der sie für eine Marienantiphon („Ave
regina coelorum“) schuf. Nach Walther wurde die Melodie als Vorbild für zwei Klagegesänge
der Bordesholmer Marienklage (im 15. Jh. aufgezeichnet im Kloster Bordesholm in Holstein)
genutzt. Nach Ulrich Müller. sind Melodie und Text bzw. ist diese Lied Walthers von der
Vogelweide das „meistproduziert mittelalterliche Lied überhaupt“.42 Was Strophenanzahl und
Aufbau des Liedes betrifft, gibt es hier keine Einigkeit in der Forschung. Die verwendete
Version stützt sich auf den Vorschlag von Ulrich Müller, der der Strophenanzahl und
Anordnung die Kleine Heidelberger Liederhandschrift (A) zugrunde legt. Hier werden sieben
Strophen gegeben, sonst findet man das Lied auch mit anderen Strophenzahlen, etwa neun
Strophen bei Friedrich Maurer, überliefert.

Text 6         Allerêrst lebe ich mir werde (Palästina-Lied)

Das Lied vermittelt den Besuch des Heiligen Landes aus der Perspektive eines Pilgers, der das
heilige Land als Stätte des Wirkens Christi und als Ort, wo sich die Heilsgeschichte
verwirklicht preist.
Strophen II-VI nennen die Heiligkeit des Landes und geben die Gründe für die Heiligkeit des
Landes an (die Geburt Christi durch Maria, Christi Taufe, seine Passion, sein Tod, sein Sieg
über den Teufel, Christi Auferstehung). Dort, im Hl. Land, wird auch das Jüngste Gericht sein
(Str. VI). In der Schlussstrophe wird auf die Situation des Landes hingewiesen. Alle
Glaubensrichtungen streiten sich darum (Juden, Christen, Heiden). Gott soll ein Urteil
sprechen, aber das lyrische Ich des 12. Jahrhunderts weiß sich auf der Seite der legitimen
Besitzer, der Christen. Die Folgerung daraus ist, dass der Kampf um dieses Land berechtigt
ist, eine Rückeroberung ist angesagt. So erweist sich das Palästinalied als Propagandalied für
den Anspruch auf das Heilige Land und wird damit auch zu einem Aufruf zum Kreuzzug. Es
ist jedoch keinesfalls ein Beweis, dass Walther von der Vogelweide am Kreuzzug
teilgenommen hat. Das lyrische Ich kann hier vielleicht ebenso ein kollektives Ich sein, das
9

für sämtliche Pilger und Kreuzfahrer spricht. Wahrscheinlich wurde das Lied an einem Hof,
auf einer Burg vorgetragen.43

Die Strophen des Liedes sind stollig gebaut und zeigen die metrische Schema: ababccc.
Metrik und Musik stehen hier in einer gewissen Spannung. Der Text zeigt sich dreigliedrig.
Die Musik widerspricht dieser Dreiteilung jedoch etwas. Die Melodie des 2. und 4. Verses
(=halbe Stollen-Melodie) wird jedoch am Schluss wiederholt. Das bedeutet die Stollen des
Aufgesangs und des Abgesangs enden mit der gleichen musikalischen Phrase.44

Ein weiteres Lied Walthers von der Vogelweide, diesmal ein Liebeslied, hat großen
Bekanntheitsgrad erlangt:

Text 7        Under der linden, an der heide

Das Lied erinnert etwas an den Typus der Pastourelle (vgl. auch Linde) und schildert die
Begegnung mit dem Liebenden im Freien. Doch hier gibt es keinen ständischen Unterschied.
Der Mann ist ein Vertrauter, das Mädchen muss nicht überwunden werden.
Eine Frau, vielleicht eine Dame, erzählt hier die Begegnung mit ihrem Geliebten bei einem
verabredeten Treffen. Die soziale Stellung wird nicht klar, der Ausdruck here vrouwe, gibt
den Preis des Liebenden für die Geliebte wieder. Hier zählt vor allem die Gegenseitigkeit der
Liebesbeziehung. Sprachlich zeigt das Lied eine elegante, schwebende Art.
Das Lied wird innerhalb der Minnelyrik Walthers zu den so genannten Mädchen-Liedern oder
Liedern der niederen Minne gezählt.45 Nach Ulrich Müller sollte jedoch dieses Lied eher
einfach als ein Lied über erfüllte, gegenseitige Liebe bezeichnet werden.46
Die Gegenseitigkeit der Liebe bzw. die Forderung danach, war jedoch nicht unbedingt die
originelle Leistung Walthers, sondern ein (neues) „Programm zur Erweiterung des
Rollenspiels in der Minnelyrik.“47
Die Strophenform des Liedes ist nicht unkompliziert. Sie zeigt das metrische Schema
abcabcdxd. Ich selbst nehme an, dass jedes Reimwort ein Reimende bezeichnet und gehe
damit von einem stolligen Strophenbau aus. Die Strophen umfassen 9 Verse mit 2 bis 4
Hebungen, der Abgesang hat in der Mitte ein Refrainwort (tandaradei), das zugleich ein
eigener Vers ist.
Möglicherweise gibt es eine altfranzösische Vorlage für das Lied, die Burkhard Kippenberg
gefunden zu haben glaubt. Diese muss jedoch Walther, falls er sie verwendet haben sollte,
strukturell umgebaut haben.48

VII.
Minnelyrik wurde jedoch nicht nur als ernste Sache betrieben, wie sich schon bei vielen
Minnesängern zeigt, sondern Minne selbst wurde zum Ziel von Parodie.
(Neidhart von Reuenthal, Codex Manesse fol. 273r: http://diglit.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/cpg848/0191/thumb?sid=d59b61094cab14b13f6fba7a85c2ac59)

Der Dichter NEIDHART (VON REUENTAL) um die Mitte des 13. Jh.s erweist sich als
großer Minneparodist. Mit ätzender Kritik und Aggression parodiert er die hohe Minne,
indem er ihre Terminologie und ihre Motive auf nicht passende Bereiche überträgt. Dazu
übertreibt er, verdreht, macht lächerlich, zeigt sich destruktiv und will auch zerstören.
Neidhart erweist sich nicht nur als Dichter, sondern auch als Komponist, von dem zahlreiche
Melodien überliefert sind.
Seine Lieder enthalten jedoch ebenso zeitgeschichtliche Anspielungen. Demnach kann in dem
Babenberger Herzog Friedrich II. dem Streitbaren ein Gönner Neidharts gesehen werden und
10

Neidhart auch als sein Hofdichter in Wien bezeichnet werden. Dies bedeutet, dass seine
letzten datierbaren Lieder mit 1236/37 anzusetzen sind. Seine Art zu Dichten wurde intensiv
nachgeahmt.49 Das Ende von Neidharts Schaffenszeit ist wahrscheinlich zwischen 1240 und
1245 zu sehen.
Zu seiner Zeit war Neidhart bereits bekannt. Wolfram von Eschenbach hat ihn in seinem
„Willehalm“ erwähnt (312,12). Um Neidhart rankt sich die Legende, er sei ein bayerischer
Ritter gewesen. Diese stützt sich auf den Beinamen von Reuental. Dieser Name wurde mit
Bayern in Verbindung gebracht. Dieser Ritter von Reuental ist der eher traurige Protagonist
der Lieder Neidharts. Er wird als Besitzer des Hofes Riuwental geschildert, den er
heruntergewirtschaftet hat. Dieser Ritter besucht die umliegenden Dörfer, stellt dort den
Mädchen nach, prügelt sich auch mit den Bauernburschen wegen dieser Mädchen und muss
auch Aggressionen dieser Burschen gegen sich erdulden. Die Bezeichnung des Ritters in den
Liedern könnte jedoch auch auf einen allegorischen Namen hinweisen oder einfach ein
erfundener Name sein. Der Name des Dichters lautet jedoch nur Neidhart. Erst im 15. Jh. tritt
gelegentlich die Namensform Neidhart von Reuental auf.
Wie bereits deutlich geworden ist, gibt es ein neues Sujet in der Lyrik Neidharts: die Bauern.
Sie werden von dem fiktiven Gestalt, dem Ritter von Reuental mit Hass, Angst, Verachtung,
doch auch Neid betrachtet und ergreifen auch gelegentlich das Wort. Diese Strophen werden
als Trutzstrophen bezeichnet. Die Bauern sind höfisch gekleidert, haben kostbare Stoffe und
Schwerter, wobei jedoch ihre Art keineswegs höfisch ist und daher einen Kontrast bildet. Die
Mädchen sind vergnügungssüchtig, lieben höfischen Flitter und ausgelassene Spiele.
Hintergrund für die Lieder ist meist ein Tanzvergnügen. Die Bauern sind überzeichnete
Kunstfiguren und aus der Perspektive des Hofes konstruiert. Dieser Gegensatz zwischen
Höfischem und Unhöfischem wird praktisch in die dörfliche Atmosphäre übertragen. Aus
dem adeligen Ritter ist ein schäbiger Dorfritter geworden und besingt die Mädchen dort wie
höfische Damen. Dabei wird immer wieder ein komischer Kontrast konstruiert (z.B.
Winterlied 9: Sie ist in jeder Beziehung zu preisen, nur dass ihre Füßchen zerschunden sind,
etc.) Die Forschung ist sich jedoch einig, dass Ziel des Angriffs nicht die Bauern, sondern die
adelige Hofgesellschaft war. Möglicherweise sollte damit auch eine überkommene
Minneideologie in Frage gestellt werden.50
Seine Lieder werden nach dem Natureingang vor allem in Sommer- und Winterlieder
eingeteilt. Die Winterlieder spielen in der Stube und weisen meist einen klagenden Ton auf.
Die Sommerlieder handeln im Freien, häufig geht es um Tanz. Die Sprecherinnen sind hier
meistens Frauen, Mutter und Tochter, etc. Bekannt ist das Motiv der tanzlustigen Alten.
In einem Sommerlied erzählt Neidhart, dass der Bauer Engelmar den Spiegel Vriderunes
zerbrochen hat. Dieser Spiegel, der für die „Pervertierung des höfischen Minnewesens durch
die Dörper“ stehen kann, zieht sich ebenso als Leitmotiv durch die Lieder Neidharts.51 Auch
formal gibt es Unterschiede bei der Gestaltung der Winter- und Sommerlieder. Die meisten
Sommerlieder zeigen im Gegensatz zu den Winterliedern keine Strophen, sondern können als
Reienstrophen bezeichnet werden. Bei dieser Form vermutet man einen Zusammenhang mit
der Bauform von volkstümlichen Tanzliedern. Wahrscheinlich wurden sowohl Sommer, als
auch Winterlieder zum Tanz gesungen, eine Aufführungsform, die wahrscheinlich zum
großen Erfolg Neidharts beigetragen hat.52
Dies scheint sich in der Überlieferung niederzuschlagen. Neidhart ist in 27 Handschriften und
3 Drucken überliefert. Das Desiderat einer Neuausgabe wurde vor kurzem durch die diejenige
von U.Müller, I. Bennewitz und F.V. Spechtler in Zusammenarbeit mit zahlreichen
Mitarbeitern abgedeckt.

Text 8        Mayenzeit one neidt 53
11

Der gewählte Text behandelt ein Sommerlied, das mit einem wunderschönen, idyllischen
Natureingang beginnt. Dem Eingang wird das aggressive Gehabe der folgenden Strophen
gegenübergestellt. Der Sänger ist verliebt, sieht sich jedoch der Konkurrenz der
Bauernburschen ausgesetzt, deren Verhalten von Aggression nicht frei ist. Sie werden mit
Namen genannt und als bewaffnet geschildert.
Das Verhalten dieser Burschen zu Frauen wird geschildert und in der Darstellung kritisiert.
Eine gewisse Rache wird zuletzt spürbar.

VIII.
Weltliche Minnelyrik verfasste ebenso der MÖNCH VON SALZBURG. Dieser genius loci
Salzburgs stand in engerer Beziehung zu dem Salzburger Erzbischof Pilgrim II (1365-96).
Wahrscheinlich war der Mönch eine Art ein Hofdichter am erzbischöflichen Hof. Von ihm
sind etwa 100 vollständige Handschriften und eine große Anzahl von Fragmenten erhalten.
Seine Dichtung umfasst nicht nur weltliche, sondern auch geistliche Lyrik.54

Text 9        Bey perlin pey spangen

Das Lied ist ein Absage an die Liebe zu einer edlen Dame. Ein Mädchen, eine Graserin ist es,
die das lyrische Ich lobt und preist. Wieder zeigt das Lied einen stolligen Aufbau und
präsentiert sich so in Kanzonenform.55

Text 10       Ich han in einen garten

Das lyrische ich hat zwei Damen gesehen. Einer gibt es ein Nein, der anderen ein Ja. Dann
wird diejenige, die sich das lyrische Ich erwählt hat, in den schönsten Tönen beschrieben,
wobei auch Elemente der Marienlyrik aufgegriffen werden (wie etwa die Metapher der edlen
Rose). Wiederum hat das Lied die Gestalt einer Kanzone.56

MEISTERSANG UND MEISTERSÄNGER

Mit der wachsenden Bedeutung der Städte verlagerte sich die Literaturproduktion zunehmend
in die Städte. Hier entstanden die großen Liederhandschriften, indem reiche Bürger in
gewissem Sinne (repräsentative) Funktionen des Adels übernahmen.
Mit dem Aufkommen des Druckes und einer kostengünstigeren und weiteren Verbreitung von
Literatur engagierten sich nun auch vermehrt weitere Gruppen städtischer Bürger in der
Literaturproduktion.
Vor und Frühformen des Meistersangs können in der Sangspruchdichtung des 14./15. Jh.s
gesehen werden, die jedoch an den Hof (die Burg) gebunden war. Zu ihnen gehören Dichter
wie Frauenlob, Heinrich von Mügeln oder Michel Beheim.57 Immer noch nicht geklärt ist
jedoch die Frage, seit wann es Meistersingergesellschaften gibt, die sich durch Regeln und
Satzungen definieren. Nur relativ wenige Autoren sind biographisch fassbar, auch über
Funktion und Publikum ist kaum etwas bekannt. Die Zuordnung der Dichtung kann also allein
durch inhaltliche und einige formale Kriterien geschehen. Erkennbar ist jedoch: Diese Dichter
sehen sich in der Tradition von Dichtung als Wissenschaft (diese Tradition geht von den
Sangspruchdichtern des 13. Jh.s aus, besonders auch von Frauenlob), und diese Dichtung hat
ethische und religiöse Lehre zum Ziel. Ebenso wird die didaktische Autorität dokumentiert.
Diese zeigt sich in komplizierten Strophenformen, die durch Ton-Namen als Eigentum des
Autors gekennzeichnet werden.58 Der Wunsch nach einer Qualitätskontrolle scheint zu
12

lockeren Zusammenschlüssen, zu gemeinschaftlichen Vortragsveranstaltungen geführt zu
haben, die spätestens seit Ende des 14. Jh.s existierten. Die sich Zusammenschließenden
nannten sich meister, die Veranstaltungen Singschule (=die Übersetzung von schola cantorum
= musikalische Veranstaltung, Gemeinschaft von Vortragenden). Es gibt hier eine Meister-
Schüler-Beziehung, die bereits der Dichter Zwinger in der 2. Hälfte des 14. Jh.s erwähnt. Ein
wichtiges Amt ist dasjenige der merker, der Kritikerjury, das es schon vor 1420 gegeben zu
haben scheint.59
Aus dem 15. Jh. ist ein Jörg Schiller als Meistersinger bezeugt (zw. 1453 und 1562). Elf
Lieder können ihm sicher zugeschrieben werden. Die Themen sind stadtbürgerlich, so dass
von einem städtischen Publikum ausgegangen werden kann. Unter seinen Themen finden sich
sehr lebensnahe: z.B. die Klage von fünf Frauen über ihre Männer, der ungetreue Kaufmann,
der Wucher, über falschen Wechsel, die Klage über Zerfall der Familien oder das Versagen
der geistlichen Autoritäten. Seine Lieder werden im so genannten Hofton gehalten.60
Ein Übergang von höfischer Didaxe zur städtischen Lehrdichtung zeigt sich bei Konrad
Dangkrotzheimer aus dem Elsass.
Von größter Bedeutung ist die Kolmarer Handschrift, die die größte Sammlung
vormeisterlichen Lieddichtung enthält. Sie wurde von dem Sammler, Redaktor und Schreiber
Nestler von Speyer zusammengestellt.61 Im 16. Jh. fungierte diese Handschrift als Art
Musterbuch für den Meistersang. Sie wurde 1546 von Jörg Wickram gekauft für eine
Meistersingergesellschaft, die in Colmar gegründet werden sollte (1549).
Meistersingergesellschaften sind satzungsmäßig organisierte Zusammenschlüsse. Sie dienen
der Förderung der Einheitlichkeit von Produktion, Rezeption und Kritik von Lieddichtung.
Die Meistersinger bedienen sich dazu eines Regelsystems, das in Tabulaturen und
„Schulordnungen“ kodifiziert ist. Die formalen und inhaltlichen Anforderungen an Text und
Vortrag werden hier festgelegt.62
Es geht dabei um die Beherrschung eigener und fremder Töne, sondern auch korrektes
Latein,63 nach der Reformation gehört auch das richtige Zitieren der Lutherbibel dazu. Bei
den Meistersingern handelt es sich nicht nur um die Pflege von dilettantischem Vergnügen,
sondern es wird auch versucht, nicht-akademischen städtischen Angehörigen der
Mittelschicht Teilhabe an Wissen und Bildung zu geben.64 Der Meistersang bewirkte oft einen
Anreiz autodidaktisch Lesen und Schreiben zu lernen.
Vermittelt wurde in den Meistersingerliedern daher entsprechend vor allem Bildungsgut
(religiös-theologisches Wissen, historisch-naturkundliches Wissen, ethisch-moralische
Informationen). Sie können daher auch als eine Art Aufforderung zu „intellektuellem
Handeln“65 verstanden werden, wie Thomas Cramer dies ausdrückt.
Eine gewisse Bildung, sprachliche und musikalische Fähigkeiten und technisches Können
sind daher wichtig.
Formale Regeln gab es daher viele, die z.T. noch heute in der Verslehre benutzt werden, wie
etwa die Darstellung des Reimschemas mit Buchstaben. Es geht dabei nicht so sehr um die
Erfindung neuer Bauformen, sondern um die perfekte Verwendung bereits bestehender
Formen: Melodien und Strophenformen. Die Strophen sind meist nach der
hochmittelalterlichen Kanzonen-Strophe dreiteilig aufgebaut mit Aufgesang und Abgesang
(diese Terminologie stammt von den Meistersingern). Auch sollen die Lieder eine ungerade
Anzahl von Strophen haben. Zudem hält man an der hochmittelalterlichen Einstimmigkeit
fest. Eine Instrumentalbegleitung wurde abgelehnt. Überprüft wurden die Regeln in den
Singschulen durch die Merker, für die Sieger des Wettsingens gab es Preise.66 So ist auch von
Hans Sachs ein so genanntes „Gemerkbüchlein“ überliefert, das die Protokolle der
Nürnberger Singschule (1555-1561) enthält und in dem u.a. die Gewinner der diversen
Wettsingen vermerkt sind.67
Etwa 16000 Meisterlieder sind erhalten, jedoch alle in privaten Sammlungen, da es für die
Meisterlieder ein Publikationsverbot und damit Druckverbot gab.
13

Der wohl bekannteste Meistersinger Hans Sachs hat eine Sammlung eigener Meisterlieder für
sich selbst angelegt (16 Folianten), doch auch Handschriften mit mehreren Werken anderer
Dichter (die umfangreichste ist in der Berliner Staatsbibliothek Ms. germ. qu 414).
Nach dem Vorbild der Kolmarer Handschrift legte Adam Puschmann aus Breslau (1532-
1600) ein „Singebuch“ an. Dies ist eine systematische Sammlung von Tönen bzw. Melodien
und musikhistorisch von besonderer Bedeutung. Die Handschrift ist seit 1945 verschollen, ihr
Inhalt ist jedoch in einer Edition von 1906, die von Georg Münzer herausgegeben wurde,
erhalten.68
In der ersten Hälfte des 15. Jh.s ist nur die Existenz einer Meistersingergesellschaft in
Nürnberg gesichert, doch gab es wahrscheinlich schon in anderen Städten ähnliche
Organisationen (Mainz, Straßburg, Worms, etc.).69 Nach der Tradition der Meistersinger
sehen sie das Entstehen ihrer Kunst jedoch bereits im 13. und 14. Jh. Unter ihren zwölf
Ahnherren finden sich daher Walther von der Vogelweide, der Marner, Konrad von Würzburg
oder Frauenlob.70
Als erster namentlich bekannter Meistersinger in Nürnberg gilt Fritz Kettner (1392, 1430 in
Urkunden erwähnt), der vier geistliche Lieder verfasste. Auch der Dichter Hans Folz wird zu
den Meistersingern gerechnet.71 Von ihm gibt es 100 Lieder mit vor allem geistlichen und
moral-didaktischen Themen. Folz widersetzte sich besonders der Tendenz in den
Gesellschaften, die Erfindung neuer Töne zu verbieten (Reformlieder)72

HANS SACHS (1494- 1576)
Gilt als der bekannteste der Meistersinger. Von ihm stammen mehr als 4000 Meisterlieder in
275 Tönen, wobei 13 Töne als seine eigene Erfindung gelten können.73
Er war der Sohn eines Schneidermeisters, besuchte in Nürnberg die Lateinschule und begann
eine Schuhmacherlehre.74 Seine Gesellenwanderung benutzte er um neue Gedichte und Töne
kennen zu lernen. 1515 dichtete er sein erstes Lied in München. Bereits in der Mitte der
Dreißigerjahre gab er sein Handwerk auf, um sich allein dem Dichten widmen zu können. Als
1561 seine erste Frau starb, heiratete er mit 67 Jahren eine 27jährige Witwe, Barbara
Harscher,75 die bereits Mutter von sechs Kindern war. (Sachs sieben Kinder aus erster Ehe
waren bereits alle verstorben). Mit 81 Jahren verstarb er in Nürnberg.
Hans Sachs war unglaublich produktiv. Neben seinen (4275) Meisterliedern verfasste er 1500
Reimpaardichtungen, 200 Dramen, 7 Prosadialoge und fasste zuletzt noch die Psalmen in
Reime. Er selbst trug seine Werke in 34 Foliobänden ein und gab eine Druckausgabe seiner
Werke heraus. Die Meisterlieder umfassen dabei 16 puecher.76
In Nürnberg hatte die Meistersinger-Gesellschaft um die Mitte des 16. Jh.s etwa 250
Mitglieder. Durch Hans Sachs’ Einsatz wurden die Lieder der Meistersinger, besonders seine,
auch zu einem Instrument für die Reformation,77 zugleich jedoch öffnete er den Meistersang
wieder mehr für weltliche Themen, wie literarische und historische Stoffe aus Antike (Ovid)
und Mittelalter.78 Auf ihn geht ebenso die Beschäftigung der Meistersinger mit dem Theater
zurück.79

Von den zahlreichen Tönen, die Hans Sachs selbst erfand, ist der früheste Ton die
„Silberweise“.

Text 11:      Silberweise80

Die Strahlkraft der Meistersinger, deren Terminologien zum Teil Eingang in die Metriken
gefunden haben, und besonders diejenige von Hans Sachs reicht bis in die aktuelle Gegenwart
und wird durch die zahlreichen Aufführungen von Richard Wagners „Meistersinger von
Nürnberg“ (1868) immer wieder neu vermittelt.
14

Literaturverzeichnis

Literatur zu den einzelnen Minnesängern

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        kommentiert von Günther Schweikle. Stuttgart: Reclam 1986.
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        Stuttgart: Reclam 1975.
Friedrich von Hausen: Lieder. Mhd./Nhd. Text, Übers und Kommentar von Günther Schweikle.
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        Frankfurt a.M./Wien: Lang 2001.
Brandes, Klaus: Heinrich von Morungen: Zyklische Liedgruppen. Rekonstruktion, Forminterpretation,
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Fisher, Rodney W.: The Minnesinger Heinrich von Morungen. An Introduction to His Songs. San
        Francisco et al.: International Scholars Publ. 1997.
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Walther von der Vogelweide: Werke. Gesamtausgabe. Bd. 1. Spruchlyrik. Mhd./Nhd. Hrsg., übers.
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Walther von der Vogelweide: Werke. Gesamtausgabe. Bd. 2. Liedlyrik. Mhd./Nhd. Hrsg., übers. und
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15

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Der Mönch von Salzburg: Sämtliche Lieder. Aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche
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Die weltlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Texte und Melodien. Hrsg. von Christoph März.
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Taylor, Ronald J.: Die Melodien der weltlichen Lieder des Mittelalters. Melodienband. Stuttgart:
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Taylor, Ronald J.: Die Melodien der weltlichen Lieder des Mittelalters. Darstellungsband. Stuttgart:
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Adam Puschman „Gründlicher Bericht des deutschen Meistergesangs“ (Die drei Fassungen von 1571,
        1584, 1596). Texte in Abbildung mit Anhang und einleitendem Kommentar. Bd. 1. Einleitung.
        Hrsg. und eingeleitet von Brian Taylor. Göppingen: Kümmerle 1984.
Das Gemerkbüchlein des Hans Sachs (1555-1561) nebst einem Anhange: Die Nürnberger
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Meisterlieder des 16. bis 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Eva Klesatschke und Horst Brunner. Tübingen:
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Genée, Rudolf: Hans Sachs und seine Zeit. Ein Lebens- und Kulturbild aus der Zeit der Reformation.
        Mit 166 in den Text gedruckten Abbildungen, vielen Facsimiles nach den Handschriften und
        Notenbeilagen von Meisterliedern. Leipzig: Weber 1894.
Münzer, Georg: Einleitung. In: Das Singebuch des Adam Puschmann. Nebst den Originalmelodien
        des Michel Behaim und Hans Sachs. Hrsg. von Georg Münzer. Hildesheim u.a.: Olms/
        Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 1970, S. 5-27.
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