Weil Menschen Spuren hinterlassen ...

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Weil Menschen Spuren hinterlassen ...
Weil Menschen
                              Spuren hinterlassen ...

www.denkmal-berlin.de   Dokumentation   Jugendforum denk!mal ’11
Weil Menschen Spuren hinterlassen ...
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Wir danken für die freundliche Unterstützung

                                                                     Mit freundlicher Genehmigung:
                                                                     ESC-Records, Universal Music Publishing Group,
                                               Eine Produktion von   La Chunga/Mute
Weil Menschen Spuren hinterlassen ...
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denk!mal ’11

Dokumentation
des Jugendforums denk!mal ’11
17. bis 25. Januar 2011
anlässlich des Gedenktages für die
Opfer des Nationalsozialismus
Weil Menschen Spuren hinterlassen ...
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Vorwort Walter Momper
                        Ein Koffer ist zunächst alles, was die Zeit    und Antisemitismus stellen, verdient eine
                        seit jenem 27. Januar 1945 in Auschwitz        breite öffentliche Anerkennung.
                        überdauert hat. An diesem Tag wurde das
                        Vernichtungslager von der Roten Armee          In diesem Jahr stand das Jugendforum
                        befreit. Nur wenige Menschen konnten           denk!mal ’11 unter dem Motto „Weil Men-
                        gerettet werden, über eine Million wurden      schen Spuren hinterlassen ...“. Das war
                        dort von den Nazis ermordet. Von ihnen         der Anknüpfungspunkt für viele Projekte
                        zeugen Alltagsgegenstände wie der Koffer       nachzufragen, welche Spuren der Opfer der
                        von Ludwig Bermann als Symbol für die          NS-Diktatur noch zu finden sind. Mit dieser
                        unzähligen Leben, die ausgelöscht wurden.      engagierten Erinnerungsarbeit können die
                        Hinter diesen Gegenständen verbergen           Opfer dem Vergessen entrissen werden. Wei-
                        sich jedoch Biografien und Schicksale          tere Projekte stellten sich der Frage, welches
                        einzelner Menschen. Durch die bewusste         Zeichen sie gegen rechtsextremistische
                        Auseinandersetzung mit den Verbrechen          Tendenzen setzen können, damit Neonazis
                        des Nationalsozialismus können sie wieder      und Rassisten in unserer Gesellschaft keinen
                        sichtbar gemacht werden. Die Spuren dieser     Platz haben.
                        Menschen führen bis in unsere Gegenwart
                        und darüber hinaus.                            Beeindruckend waren auch die Worte von
                                                                       Roger Bordage, dem Präsidenten des Inter-
                        Seit 1996 ist der 27. Januar der Gedenktag     nationalen Sachsenhausen-Komitees, der bei
                        für die Opfer des Nationalsozialismus in       der Abschlussveranstaltung am 17. Januar
                        Deutschland. Für das Abgeordnetenhaus          2011 von seinen eigenen Erinnerungen als
                        von Berlin war dieser Gedenktag Anlass,        KZ-Häftling berichtete und eindringlich die
                        das Jugendforum denk!mal im Jahre 2002         Jugendlichen dazu aufrief, mit dem Wissen
                        zu initiieren. Am Ort der parlamentarischen    um die Geschichte Verantwortung für ihre
                        Willensbildung und demokratischer Praxis       Zukunft zu übernehmen.
                        in Berlin konnten Schülerinnen und Schüler,
                        Jugendliche und junge Erwachsene nunmehr       Ich danke allen jungen Teilnehmerinnen
                        zum neunten Mal im Rahmen des Jugend-          und Teilnehmern für ihr Engagement, allen
                        forums ihre Gedanken, Recherchen, Arbeiten     Sponsoren für ihre tatkräftige Unterstüt-
                        und Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentie-   zung und dem jungen Projektteam für die
                        ren. Die einzelnen Projekte, betreut von en-   Vorbereitung und Durchführung der Veran-
                        gagierten Vereinen, Stiftungen und Schulen,    staltung. Sie alle haben dafür gesorgt, dass
                        arbeiteten mit Zeitzeugen, suchten nach        das Jugendforum denk!mal ’11 ein großer
                        Spuren der Vergangenheit in ihrer Region       Erfolg wurde.
                        oder setzen sich für ein tolerantes Zusam-
                        menleben in ihrer Nachbarschaft ein. Dass      Walter Momper
                        sie sich mit ihren Aktivitäten gegen jede      Präsident des Abgeordnetenhauses
                        aktuelle Form von Rassismus, Ausgrenzung       von Berlin
Weil Menschen Spuren hinterlassen ...
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„Weil Menschen Spuren hinterlassen...“
Der Schriftzug „Weil Menschen Spuren           So kommt es, dass die Geschichte von Herrn    tafeln, selbst gedrehten und geschnittenen
hinterlassen...“ erhebt sich vor dem dunklen   Bermann an dieser Stelle erzählt werden       Videofilmen, Druckgrafiken, Fotografien,
Hintergrund eines Fotos, auf dem ein Kof-      kann, im Gegensatz zu unzähligen Lebens-      Zeitzeugeninterviews, Tonskulpturen, einer
ferberg zu sehen ist, aus dem ein einzelner    geschichten Ermordeter, die niemals erzählt   Puppe, PP-Präsentationen, Gedankentagebü-
Koffer mit der Aufschrift „L. Bermann“         werden können, weil kein Zeugnis vorhan-      chern, etc. Auf der Bühne präsentierten die
hervorsticht. Dieses Motiv bildete den         den ist oder kein Zeitzeuge überlebt hat.     Jugendlichen auf kreative Weise Zugänge
inhaltlichen und visuellen Rahmen des neun-                                                  zur Erinnerung an die NS-Vergangenheit
ten Jugendforums denk!mal, zu dem das Ab-      Weil Menschen Spuren hinterlassen             und entwickelten Visionen einer Welt, in der
geordnetenhaus von Berlin im Januar 2011       können Jugendliche diese heute aufdecken,     man ohne Angst verschieden sein kann.
seine Türen öffnete. Hinter dem Schriftzug     ihnen folgen, ihren Erzählungen lauschen      Die über sechshundert am Jugendforum
auf dem Koffer verbirgt sich der Name          und sich anregen lassen, über ihre eige-      denk!mal ’11 beteiligten Jugendlichen
Ludwig Louis Bermann, Besitzer des Koffers.    nen Spuren nachzudenken und sich mit          machten unmissverständlich klar, dass
                                               ihrer eigenen Rolle im Lauf der Geschichte    ihre eigenen Spuren in eine Zukunft ohne
Als jüdischer Handelsvertreter bekam Herr      auseinanderzusetzen. Geschichte ist weder     Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung
Bermann die antisemitische Repression un-      vorhersehbar, noch vorhersagbar. Aus          führen sollen.
ter den Nationalsozialisten früh zu spüren.    der Rückschau darf keine schicksalshafte
Bereits 1934 zog er von einer Kleinstadt       Zwangsläufigkeit erwachsen, die bestimmt
nach Hamburg um, in der Hoffnung, in der       wird von unserem heutigen Wissen um die
Großstadt als Jude weniger aufzufallen.        Geschehnisse. Geschichte heißt: „Es hätte
Seine Geschäfte litten zusehends unter den     immer auch anders kommen können!“ Dieses
antijüdischen Boykotten, bis ihm im Jahr       Bewusstsein um die Veränderbarkeit der
1938 seine Berufstätigkeit vollkommen ver-     Dinge kann aus der Erkenntnis entstehen,
boten wurde. Eine gewisse Zeit konnte ihn      dass jeder Einzelne eine Spur hinterlässt.
seine Ehe mit einer nichtjüdischen Frau vor
der Deportation schützen. Im Sommer 1942       Über die Projektarbeit zum Jugendfo-
allerdings wurde er nach Theresienstadt        rum denk!mal konnten viele Jugendliche
abtransportiert und von dort 1944 weiter in    erfahren, dass Geschichte kein Synonym für
das Konzentrations- und Vernichtungslager      Zahlen in Geschichtsbüchern ist, sondern
Auschwitz. Als 58-Jähriger wurde Bermann       dass sich hinter Daten und Fakten Menschen
bei der Selektion an der Rampe in Auschwitz    und Lebenswelten verbergen. Über Archiv-
sofort in die Gaskammer geschickt.             recherchen, Gespräche mit Zeitzeugen,
                                               Gedenkstättenfahrten und lokalgeschicht-
Dass die Spur des Koffers heute nachverfolgt   liche Erkundungen erschlossen sich den
werden kann, verdanken wir einem Jour-         beteiligten Jugendlichen eigene Bezüge zur
nalisten, der durch die von ihm gemachte       NS-Vergangenheit. Die greifbaren Resultate
Aufnahme des Kofferberges motiviert wur-       dieser Auseinandersetzung finden sich in
de, nach dem Menschen hinter dem Namen         der Vielfalt der entstandenen Produkte
zu suchen.                                     wieder: in aufwändig gestalteten Schau-
Weil Menschen Spuren hinterlassen ...
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„Ich bin kein Optimist, ich kämpfe!“
Roger Bordage, der Vorsitzende des Interna-      anschließend durch mehrere französische         „Ich weiß, dass es hart für euch ist, diese
tionalen Sachsenhausen Komitees, nahm als        Sammellager geschleust, um schließlich ins      Geschichten zu hören, das tut mir leid, aber
Ehrengast an der Abschlussveranstaltung des      Konzentrationslager Sachsenhausen depor-        so ist es gewesen, das kann ich euch nicht
Jugendforums denk!mal am 17. Januar 2011         tiert zu werden. Nach einer 48-stündigen        vorenthalten.“
teil. Als Herzstück des Abendprogramms           Fahrt ohne Essen und Trinken mussten die
fand zwischen den Bühnenauftritten der           Häftlinge vom zentral gelegenen Oranien-        Nach seiner Befreiung kehrte Roger Bordage
Jugendlichen ein, von Frau Ballschuh mode-       burger Bahnhof barfuß ins Lager laufen. Ihre    Europa für etliche Jahre den Rücken und
riertes, Zeitzeugengespräch statt. Mit seiner    Schuhe waren ihnen, um Fluchtversuche zu        emigrierte in die USA. Sein Berufsleben
Lebensgeschichte und seiner klaren Positio-      unterbinden, weggenommen worden. Roger          verbrachte er zu großen Teilen zwischen den
nierung nahm Herr Bordage das Publikum           Bordage erzählte, dass er sich nicht wirklich   Kontinenten. Er erarbeitete für die UNESCO
für sich ein. Die jugendlichen Gäste spürten,    an die Fahrt erinnern könne, da „das Phy-       Entwicklungsprogramme in Lateinamerika,
dass Roger Bordage wirkliches Interesse für      sische in dem Moment sowohl die Psyche als      Afrika und Asien. Nach seinem Rückzug
sie mitbrachte und dass es ihm persönlich        auch die Moral übernommen“ habe.                aus dem Arbeitsleben war ihm klar, dass er
wie politisch elementar wichtig ist, seine                                                       sich „nicht auf einer Karibikinsel zur Ruhe
Botschaft zu übermitteln.                        In den darauffolgenden zwei Jahren seiner       setzen“ werde.
                                                 Haft musste er in Außenlagern des Konzen-
Der heute 85-Jährige, der zwei Jahre seines      trationslagers Sachsenhausen Zwangsarbeit       Seit über 25 Jahren engagiert sich Roger
Lebens im Konzentrationslager Sachsen-           leisten, u.a. in der Flugzeugproduktion der     Bordage als Zeitzeuge, um die Erinnerung
hausen verbrachte, hat trotz allem seine         Heinkelwerke. Eines der größten Probleme        an die beispiellosen Verbrechen des Natio-
Zuversicht nicht verloren. Es ist ihm ein        im Lageralltag war, neben dem ständigen         nalsozialismus wach zu halten und Jugend-
dringliches Anliegen, als Zeitzeuge immer        Hunger, der Kälte und der Gewalt und            lichen heute ein Bewusstsein für historische
wieder die heutigen Jugendlichen über            Willkür der SS, der permanente Schlafman-       Verantwortung zu vermitteln.
den Nationalsozialismus aufzuklären. Dazu        gel. Das ungestillte Bedürfnis nach Schlaf
erklärte er, dass er keineswegs Optimist sei,    und die fortwährende Erschöpfung wurden
sondern dass er den Mut nicht aufgegeben         zum Dauerzustand und überlagerten alles.
habe, weil er weiter kämpfe. Und, so Roger       Als Häftling lernte man, selbst im Stehen zu
Bordage: „Es lohnt die Mühe.“                    schlafen.

1942 schloss er sich als 17-Jähriger dem fran-   Auf die Frage, wie es möglich gewesen sei,
zösischen Widerstand, der Résistance, an,        unter diesen Umständen nicht die Hoffnung
für die er in Paris geheime Botengänge erle-     zu verlieren und aufzugeben, weiß Roger
digte. Zusammen mit zwei Freunden plante         Bordage nur eine Antwort:
er, sich den „Freien Französischen Streitkräf-   „Ohne die Solidarität untereinander hätten
ten“ im Ausland anzuschließen und für die        wir nicht überlebt!“
Befreiung Europas vom Nationalsozialismus
zu kämpfen. Direkt nach der Überque-             Roger Bordage ist sich bewusst, dass viele
rung der Pyrenäen wurden sie jedoch vom          seiner Geschichten aus dem Lager keine
deutschen SD (Sicherheitsdienst) verhaftet,      leichte Kost für die Jugendlichen sind:
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Roger Bordage im Gespräch mit Andrea Ballschuh (links der Dolmetscher Marcel Saché)
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    „Die Vergangenheit ist ein großer
    Lehrmeister und die Jahre vergehen.
    Wir sagen: „Nie mehr!“ und „Vergesst nicht!“
    Die Gestaltung der Zukunft liegt in
    unserer Hand, mit dem Wunsch nach
    Akzeptanz, Toleranz und Vergebung...“
    Andrea Ballschuh, bekannt durch Rundfunk und Fernsehen,
    führte als Moderatorin mit Herzlichkeit, Fingerspitzengefühl
    und Engagement durch die Abschlussveranstaltung.
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... ein Theaterstück
... eine Ausstellung
... eine Dokumentation
... ein Interview
... eine Performance
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Amaro Drom e.V.                               BEST Sabel Bildungszentrum,                     Bildung-Begegnung-
                                              Touristikakademie                               Zeitgeschehen Bernau e.V.

Roma-Holocaust und historische                Sterne, Spuren & Nazis                          Jüdisches Leben in Bernau
Verantwortung
                                              Die Auszubildenden der BEST-Sabel Touristik-    Ziel des Projektes war es, die Geschichte des
Unter dem Dach des Vereins Amaro Drom e.V.    akademie konzipierten und drehten für das       jüdischen Lebens in Bernau zu erfahren und
versammeln sich jugendliche Roma und          Jugendforum denk!mal einen Videofilm, mit       einige Biografien zu erforschen. Wie haben
Nicht-Roma. Sie organisieren Projekte zur     dem sie zwei Ziele verfolgen: Sie wollen den    jene Menschen die NS-Zeit erlebt und über-
historischen Erinnerung – ein internationa-   Erinnerungen der Zeitzeugen Raum geben          lebt? Die Projektteilnehmenden haben eine
les Gedenkseminar in Auschwitz anlässlich     und dabei gleichzeitig zeigen, inwieweit        Zeitzeugin befragt, erforschten die Bernauer
des Tages zur Erinnerung an die ermordeten    sich junge Menschen heutzutage noch mit         Chroniken und öffentlich zugängliche Quel-
Roma und Sinti, ein Workcamp in Buchen-       dem Thema auseinandersetzen. Für ihre           len wie Fotos und Dokumentarfilme und
wald sowie Aktivitäten für ein Bleiberecht    Interviews besuchten die Jugendlichen u.a.      beschäftigten sich mit Postkarten aus dem
der Roma aus dem Kosovo in Deutschland.       ein jüdisches Seniorenheim, die Gedenk-         Warschauer Ghetto. Neben der Quellenre-
Mit ihren Projekten geht es ihnen nicht nur   stätte Sachsenhausen sowie das Holocaust-       cherche lag ein weiterer Schwerpunkt auf
um lebendige Erinnerung, sondern auch um      Mahnmal in Berlin und fingen dort mit           dem Besuch von Museen und historischen
die Reflexion und die Bekämpfung aktueller    ihrer Kamera Meinungen und Erinnerungen         Orten in der Region. Das Jüdische Museum
rassistischer Tendenzen in Europa durch ein   Einzelner ein. Das Gespräch mit Adam            und die Zitadelle Spandau bildeten die Hö-
länderübergreifendes Jugendnetzwerk. Die      König, einem Überlebenden der Konzentra-        hepunkte der Exkursionen. Gerade über den
historische Verantwortung Deutschlands        tionslager Sachsenhausen und Auschwitz,         persönlichen Kontakt mit der Zeitzeugin
und Europas wird im Fall der Kosovo-Roma      bildet das Kernstück des Films. Adam König      konnten die Teilnehmenden die historischen
an verschiedenen Stellen hervorgehoben.       war nach 6 Jahren Haft bei seiner Befreiung     Ereignisse emotional noch tiefer erfassen.
Mit einer Fotoausstellung und einem Video     am 15. April 1945 gerade einmal 22 Jahre alt.
haben sie ihre Arbeit präsentiert und kom-
mentiert.
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Brüder-Grimm-Grundschule                      Ernst- Litfaß- Schule                           Finow-Grundschule

Spurensuche nach national-                    T4 – Recherche und persönliche                  Ich packe meinen Koffer
sozialistischer Vergangenheit                 Betroffenheit. Eine Dokumentation               und fülle ihn mit ...

Im Laufe eines halben Jahres suchten die      Die Schülerinnen und Schüler der Ernst-         Der Koffer mit der Aufschrift L. Bermann,
Schülerinnen und Schüler des Profilkurses     Litfaß-Schule nahmen das T4-Denkmal             der auf den Plakaten und Foldern zum
der Brüder-Grimm-Grundschule im Wedding       in Tiergarten als Ausgangspunkt ihres           Jugendforum denk!mal zu sehen ist, hat die
Orte auf, die an die NS-Zeit erinnern. Sie    Projektes. Die Akzeptanz oder die Ablehnung     Schüler der 6. Klasse der Finow-Grundschule
befassten sich mit der deutschen Vergan-      von Menschen mit Behinderungen und die          zu ihrem Projekt inspiriert. Angelehnt an
genheit und mit der Frage, warum diese bis    persönlichen Erfahrungen wurden in Bezug        das Spiel „Ich packe meinen Koffer“ haben
heute eine Bedeutung für junge Menschen       zu der dahinter stehenden Geschichte            sich die Schülerinnen und Schüler überlegt,
hat. Besonders berührte die Teilnehmenden,    gesetzt. In ihrer sehr persönlichen Auseinan-   was für sie im Zusammenleben mit anderen
dass in der Brüder-Grimm-Grundschule          dersetzung entstanden außergewöhnliche          wichtig ist. Viele der 21 Mädchen und
während des Nationalsozialismus ein Lehrer,   tönerne Kopfskulpturen und biografische         Jungen haben selbst schon Erfahrungen mit
der sich für Frieden einsetzte, aus dem Un-   Selbstreflexionen. Hinter dem harmlos           Ausgrenzung und Diskriminierung gemacht.
terricht heraus verhaftet und in Plötzensee   klingenden Namenskürzel „T4“ verbirgt sich      Sei es, dass sie als „Ausländer“ beschimpft
hingerichtet wurde. Eine Gedenktafel in der   die Bezeichnung für die Ermordung von           oder wegen ihres Aussehens gehänselt wur-
Schule erinnert heute täglich an ihn. Die     Menschen mit Behinderungen und psy-             den. Auf der Bühne des Plenarsaals präsen-
Gruppe gestaltete ein Plakat zur Präsenta-    chischen Erkrankungen durch die Natio-          tierten sie diese Erfahrungen in kurzen Sze-
tion auf dem Jugendforum, mit dem sie die     nalsozialisten. Geplant und durchgeführt        nen um zu belegen, warum Rücksichtnahme,
Spuren dieser Menschen sichtbar machen        wurden diese Morde zwischen 1940 und            Hilfsbereitschaft und Respekt unbedingt in
wollen.                                       1941 in einer zwangsarisierten Villa in der     ihren Koffer gehören.
                                              Berliner Tiergartenstraße 4, der sogenannten
                                              „Zentraldienststelle T4“.
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Freie Grundschule Pfefferwerk                     Gedenkstätte und Museum                         Gedenkstätte Sachsenhausen /
                                                  Sachsenhausen                                   Fräi-Effentlech-Waldorfschoul
                                                                                                  Lëtzebuerg

Ausgrenzung – damals und heute                    By the way – Norweger                           Luxemburger im Zweiten Weltkrieg.
                                                  in Sachsenhausen                                Ein Zeitzeugenprojekt Luxemburger
Im Rahmen des Unterrichts der Gesell-                                                             Schüler gegen das Vergessen
schaftswissenschaften haben sich die Schü-        Für vieles bleibt bei großen Schulfahrten oft
lerinnen und Schüler der Freien Grundschule       nicht genügend Zeit. Vor dem Hintergrund        An den internationalen Feierlichkeiten
Pfefferwerk mit dem Thema „Ausgrenzung            dieser Erfahrungen haben sich acht norwe-       anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung
– damals und heute“ auseinandergesetzt.           gische Auszubildende aus dem Bauwesen           der Häftlinge des Konzentrationslagers Sach-
Nach ersten Recherchen und Reflexionen            in der Gedenkstätte Sachsenhausen für ein       senhausen im April 2010 beteiligten sich
zu Erfahrungen mit Ausgrenzung allgemein          einwöchiges Projekt zusammengefunden.           auch Jugendliche aus Luxemburg. Auf dem
und speziell in der NS-Zeit, beschäftigten        Anstelle einer vermeintlich objektiven          Gelände der Gedenkstätte präsentierten sie
sie sich intensiv mit dem Schicksal einiger       Dokumentation ihrer Reise befassten sich        die Ausstellung ihres Oral History Projekts.
Opfergruppen der NS-Zeit. Den Jugendlichen        die Jugendlichen mit ihren eigenen Erwar-       In wochenlanger, eigenständiger Arbeit
wurde bewusst, wie wichtig ein lebendiges         tungen an den Ort, ihren Eindrücken und         hatten die Jugendlichen Interviews mit Zeit-
Erinnern an die Opfer und Verbrechen des          Erlebnissen. Im Zuge dieser Auseinanderset-     zeugen - Verwandten, Nachbarn, Bekannten
Nationalsozialismus ist. Sie wollen Vorurteile    zung erstellten sie, unterstützt von einem      aber auch zwei ehemaligen KZ-Häftlingen
und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft           Berliner Künstler, eine Ton-Dia-Show. Mit       – vorbereitet, durchgeführt und ausgewer-
heute erkennen und bekämpfen. Als Produkt         künstlerisch-gestalterischen Mitteln erschu-    tet und so eine multimediale Präsentation
ihrer Arbeit sind kurze Videoszenen sowie         fen sie so einen Raum zur Darstellung ihres     erarbeitet. Für den 17. Januar 2011 reisten
ein zeichnerisch illustriertes Hörspiel zu Aus-   ganz persönlichen Zugangs zum ehemaligen        die Schülerinnen und Schüler eigens nach
grenzungserfahrungen entstanden.                  Konzentrationslager.                            Berlin, um ihre Ausstellung auf dem 9. Ju-
                                                                                                  gendforum denk!mal nochmals zu zeigen.
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Hector-Peterson-Schule                         Heimatverein Müncheberg                       Hermann-Hesse-Gymnasium

Weg zum Gedenken                               Denkmal – denk mal nach!                      Was Wir Wollen

Eine Gedenktafel auf dem Schulgelände der      Um den Kindern und Jugendlichen ge-           „Wir wollen Frieden und zwar für alle!“ Diese
Hector-Peterson-Schule erinnert an vier        schichtliche Zusammenhänge näher zu           Aussage bildete den Ausgangspunkt und
Lehrerinnen und Lehrer, die wegen ihres        bringen, wurde mit der Spurensuche vor der    motivierte die Kreuzberger Jugendlichen zu
jüdischen Glaubens 1933 aus dem Schul-         eigenen Haustür angefangen. Sie folgten       ihrem Projekt.
dienst entlassen und anschließend verfolgt     den Spuren der Müncheberger Jüdinnen und      Acht Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse
und ermordet wurden.                           Juden und beschäftigten sich mit dem Syna-    mit türkischer und arabischer Herkunft ent-
Die Schülerinnen und Schüler der 9. und        gogenbrand von 1938 während der Reichs-       warfen eine Masken- Performance, die sie
10. Klassenstufe des Wahlpflichtfachs          pogromnacht. In den letzten Tagen des         auf der Bühne im Plenarsaal aufführten. Mit
Kunst nahmen die Spuren der ehemaligen         2. Weltkrieges, zwischen dem 16. und          selbst gestalteten Masken verhüllt, verlie-
Lehrerinnen und Lehrer auf. Durch die          19. April 1945, wurde Müncheberg zerstört.    hen die Jugendlichen zu Trommelrhythmen
Besichtigung ausgewählter Orte der Berliner    Dabei ließen viele deutsche und sowjetische   ihrem Wunsch nach Gleichberechtigung aller
„Erinnerungslandschaft“ konnten sie die        Soldaten ihr Leben. Die Kinder der Jugend-    Menschen jenseits von Geschlecht, Alter,
Stationen ihres Leidensweges zur Zeit des      gruppe des Heimatsvereins Müncheberg          Hautfarbe, Religion, Herkunft oder Ethnizi-
Nationalsozialismus nachzeichnen. Angeregt     haben die Grabstätten dieser Gefallenen in    tät Ausdruck.
durch die unterschiedlichen Darstellungs-      ihrer Umgebung besucht und geschicht-         Sie machten darauf aufmerksam, dass jeder
formen der besichtigten Erinnerungsorte        lich aufgearbeitet. Für die Ausstellung des   Mensch die Fähigkeit besitzt, eine Lösung
entstand die Idee einer auf die Gedenktafeln   Jugendforums denk!mal dokumentierten sie      zu finden, um den Teufelskreis von Gewalt
bezogenen Wegeführung auf dem Schulge-         ihre Spurensuche.                             und Intoleranz zu durchbrechen. Ihre Perfor-
lände, die sie auf dem Jugendforum denk!mal                                                  mance möchten sie als Aufruf für Mut und
vorstellten.                                                                                 gegen Gewalt verstanden wissen.
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Jüdische Oberschule Berlin                    Jugendarbeitskreis (JAK) Berlin                Jugendgeschichtswerkstatt
                                              im Volksbund Deutsche                          Spandau / Carl-Friedrich-von-
                                              Kriegsgräberfürsorge e.V.                      Siemens-Oberschule

Aspekte der Holocaust-Erziehung               Deutsch-polnische Begegnung mit                Stolpersteine für Familie Jacobi
an der Jüdischen Oberschule                   der Geschichte. Workcamp in der                aus Siemensstadt
                                              Gedenkstätte Mauthausen und
An der Jüdischen Oberschule wurde ein         Gedenkfeier Plötzensee 2010                    Über ein Jahr lang recherchierten die
Curriculum für die „Holocaust-Erziehung“                                                     Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit
erarbeitet. Ein Bestandteil davon ist ein     Der Jugendarbeitskreis Berlin im Volksbund     der Jugendgeschichtswerkstatt Spandau
jährlich am 9. November stattfindender        Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. führt       über die Familie Jacobi, die in unmittelbarer
Projekttag. Im Rahmen dieses Projekttages     jedes Jahr internationale Workcamps durch.     Nähe ihrer Schule gewohnt hatte. Archive
widmeten sich die Klassenstufen 6 und 8 in    Den teilnehmenden Jugendlichen wird die        wurden besucht oder angeschrieben, viele
diesem Jahr den Themen „Kinder im Ghetto“     Möglichkeit gegeben, sich mit historisch-po-   der Quellen konnten erstmalig erschlossen
und „Das Leben der Juden in Ungarn“. Die      litischen Themen zu beschäftigen und dabei     werden.
10. Klassen erkundeten das „Mahnmal für       Freundschaften über Ländergrenzen hinweg       Erna und Max Jacobi, jüdischer Abstammung
die ermordeten Juden Europas“, und der        zu schließen.                                  aber evangelisch getauft, wohnten seit 1922
Leistungskurs Kunst nahm an einem Archiv-     Neben Arbeiten zum Erhalt der Gedenkstät-      in Siemensstadt. Sie wurden 1943 nach The-
Workshop des Jüdischen Museums teil. Für      te Mauthausen beschäftigten sich               resienstadt deportiert und dort ermordet.
die Ausstellung beim Jugendforum denk!mal     Jugendliche aus Polen und Deutschland          Ihr Sohn Helmut konnte 1939 nach England
hielten die Jugendlichen ihre Arbeitsergeb-   während eines Workcamps im Sommer 2010         fliehen. Im Dezember 2010 wurde für das
nisse auf Plakaten fest.                      mit den Themen „Rechtsextremismus heute“       Ehepaar ein Stolperstein gelegt. Zu diesem
                                              sowie „Schicksale von Jugendlichen während     Anlass erarbeiteten die Jugendlichen eine
                                              der NS-Zeit“. Das Jugendforum denk!mal         szenische Lesung, von der sie Ausschnitte
                                              nutzen sie zur öffentlichen Präsentation       auf dem Jugendforum denk!mal vortrugen.
                                              ihrer Arbeit.
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JugendtheaterBüro Berlin                     JugendtheaterBüro Berlin                         Juventus e.V.
Initiative Grenzenlos! e.V.                  Initiative Grenzenlos! e.V.

ZUGANG                                       Türken Sam & Hauptstadt-RAP                      Gedenken gestalten –
                                                                                              ein Video-Kunst-Projekt
Welchen Zugang haben Jugendliche aus         Anlässlich der aktuellen „Integrationsde-
sozialen Brennpunkten zu den etablierten     batte“ präsentierten die Jugendlichen des        In unmittelbarer Nachbarschaft des Stadt-
Kulturbetrieben und Bildungseinrich-         JugendtheaterBüros Berlin auf persönliche        gutes Blankenfelde in Pankow befand sich
tungen? Im Rahmen ihrer ‚Berlin-Tour’ ging   Art und Weise Szenen über verheerende            von 1942-1945 ein Zwangsarbeiterlager
das JugendtheaterBüro Berlin dieser Frage    Konflikte in der deutschen Gesellschaft. Ihre    für arbeitsunfähige Ostarbeiterinnen und
nach. Ihre Eindrücke haben sie in einem      Szenen erarbeiteten sie sich auf Basis der       -arbeiter. Auf dem heute brachliegenden
Dokumentarfilm mit dem Titel „ZUGANG“        autobiografischen Erzählungen von Cem            Feld des ehemaligen Lagergeländes wurden
festgehalten, den sie auch im Rahmen des     Gülays viel diskutiertem Buch „Türken-Sam“.      erstmals 2009 archäologische Ausgrabungen
Jugendforums denk!mal vorführten.            Auf der Bühne präsentierten die Jugend-          und Filmarbeiten durchgeführt.
Die herbstliche Tour durch ganz Berlin war   lichen mit viel Kreativität, Elan und Ironie     Die AG (L)Einwand von Juventus e.V. führte
ein Flashmobtheaterspektakel der besonde-    ihre Kritik am „Integrations“-Begriff und        zwischen August und November 2010 mit
ren Art mit dem das JugendtheaterBüro ein    unterstrichen ihre Forderung nach freiem         Hilfe von Videotechnik eine Auseinander-
Zeichen setzen möchte. Die Dokumentation     Zugang für alle. Hinter einer Tür, die gesell-   setzung über Formen und Inhalte von
zeigt wie sich Jugendliche für Menschen-     schaftlichen Ein- und Ausschluss symboli-        Erinnerung. Aus diesem Diskurs heraus
rechte einsetzen und ZUGANG als neues        siert, tauchte der Rapper SMAR auf und gab       entwickelten sie eigene Ideen für einen
Menschenrecht fordern.                       seine Liebeserklärung an Berlin zum Besten.      „Gedenkort“ in Blankenfelde, die der bezirk-
                                             Ein Lied über die Liebe zu einer ungewöhn-       lichen Gedenktafelkommission übergeben
                                             lichen Stadt, jenseits von Herkunft oder         werden sollen. Die Jugendlichen nutzten das
                                             Hautfarbe.                                       Jugendforum denk!mal, um ihre Ideen zur
                                                                                              Gestaltung des Ortes vorzustellen.
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Juventus e.V.                                   Juventus e.V.                                   Katholische Schule Liebfrauen

Überleben im Untergrund:                        Weitlingkidz: Das ist Lichtenberg               Die 10. Muse der Juden – Lachen hilft
Versteckte Juden und ihre Helfer                Ein Jugendmedienprojekt auf Facebook            zu überleben
im Berlin der Nazizeit
                                                Was kann getan werden, wenn der eigene          Es gab in Berlin viele jüdische Kabarettisten,
Jugendliche der AG (L)Einwand des Vereins       Kiez in Verruf geraten ist und Vorurteile den   die das Stadtleben prägten. Diese machten
Juventus e.V. setzten sich mit Biografien un-   Blick versperren? Lange, zu lange, sahen        nicht nur politische Satire, sondern auch
tergetauchter Jüdinnen und Juden auseinan-      sich die Anwohnerinnen und Anwohner             „Amüsierbrettl“. So gab es in Berlin Einrich-
der und suchten nach Zeugnissen der „stil-      des Weitlingkiezes – Gewerbetreibende,          tungen wie das Ka de Ko, das Kabarett der
len Helden“, jenen Menschen, die Verfolgten     Kreative, Künstler und viele mehr – immer       Komiker.
während der NS-Diktatur in Berlin Unter-        wieder mit denselben Klischees über ihren       Drei Schüler der Katholischen Schule Lieb-
schlupf gewährten. Bei der Beschäftigung        Kiez konfrontiert.                              frauen erfuhren vom Jugendforum denk!mal
mit diesem bislang noch wenig beachteten        Doch Lichtenberg, speziell der im rummels-      und drehten selbstständig einen Film mit
Kapitel der Geschichte des Widerstands          burger Ortsteil gelegene Kiez zwischen          dem Titel: „Die 10. Muse der Juden – Lachen
gegen das Naziregime versuchten sie, beide      Victoriastadt und Weitlingstraße, verändert     hilft zu überleben“, in dem unter anderem
Seiten zu beleuchten: die Motive der Helfen-    sich. Im Medienprojekt „Weitlingkidz“ auf       Personen wie Fritz Grünbaum, Rudolf Nel-
den, die trotz der Gefährdung für das eigene    Facebook beschäftigen sich Jugendliche mit      son, Friedrich Hollaender, Walter Mehring,
Leben andere Menschen verstecken, sowie         ihrem Bezirk und den existierenden Vorur-       Paul Morgen vorgestellt werden. Die Jugend-
die Gründe und Abgründe der Flucht für die      teilen. Sie wollen ihren Blick auf den Kiez     lichen möchten mit ihrem Projekt aufzei-
Verfolgten. Der entstandene Videofilm mit       mit anderen teilen und sich über aktuelle       gen, dass es jüdische Kabarettisten gab, die
dem Titel „Überleben im Untergrund“ war in      Entwicklungen im Bezirk austauschen.            trotz der Verfolgung durch die Nationalso-
der Ausstellung des Jugendforums zu sehen.                                                      zialisten den Mut hatten, noch im Exil oder
                                                                                                in der Gefangenschaft Kabarett zu machen.
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Königin-Luise- Stiftung                       KREATIVHAUS e.V.                              Lucas-Cranach-Gymnasium
                                              weiterführende Evangelische
                                              Schule Berlin-Zentrum

Zeitzeugenprojekt ’40 – ’45                   Kalender setzen Zeichen                       Verfolgt, Misshandelt und Getötet

Solange es Zeitzeugen gibt, Menschen, die     Welche Einstellungen und Haltungen nahm       Die Schüler der Klasse 9c des Lucas-Cranach-
sich erinnern, lebt die Geschichte unmit-     die nichtjüdische deutsche Gesellschaft zur   Gymnasiums in Lutherstadt Wittenberg
telbar weiter. Mit ihrem Zeitzeugenprojekt    NS-Zeit Jüdinnen und Juden gegenüber ein?     haben Erinnerungen ihrer eigenen Großel-
möchte die Königin-Luise-Stiftung dazu bei-   Die Jugendlichen der weiterführenden          tern sowie von Bewohnerinnen und Bewoh-
tragen, dass die Vergangenheit nicht abge-    Evangelischen Schule Berlin-Zentrum           nern eines Altenpflegeheimes und älteren
hakt oder „entsorgt“ wird. Noch besteht die   ließen sich in ihrem Projekt primär von       Bekannten schriftlich festgehalten. Das
Möglichkeit, Zeitzeugen direkt zu befragen.   zwei Fragen leiten: Wie hätte Deutschland     Erinnern an vergangene, schreckliche Zeiten
Diese Chance nutzten die Jugendlichen, um     ausgesehen, wenn Adolf Hitler nie geboren     darf nicht in Vergessenheit geraten oder
sich mit „ihren“ Zeitzeugen zu erinnern:      worden wäre? Was hat Menschen dazu            verleugnet werden, so ihr Credo. Sie haben
mit Joop Snep und Gerhard de Ruiter, ehe-     bewogen und ermutigt, Widerstand gegen        recherchiert und selbst Interviews durchge-
malige niederländische Zwangsarbeiter aus     die Diktatur zu leisten und Jüdinnen und      führt. Im Rahmen ihres Projektes haben sie
dem KZ Sachsenhausen. Über die Gespräche      Juden zu helfen? Mit Hilfe von Zeitzeugen-    außerdem „Stätten der Erinnerung“ besucht,
entstand eine Nähe zu den vergangenen         gesprächen, Ausstellungsobjekten, Fotos und   die Räumlichkeiten besichtigt sowie Augen-
Ereignissen, die die Erinnerung lebendig      Texten erforschten sie Lebenswege einzelner   zeugenberichte gelesen und gehört. Aus all
hält und Einsichten vermittelt, die dazu      Jüdinnen und Juden sowie „unbesungener        diesen Informationen wurden Schautafeln
beitragen, mit Klarheit und Entschieden-      Helden“ und ließen diese in die Gestaltung    angefertigt, auf denen sie ihre Gedanken,
heit gegen politisches und soziales Unrecht   eines Jahreskalenders 2011, sowie eines       Erlebnisse und Erfahrungen in Schrift und
aufzutreten.                                  Knet-Trickfilms einfließen, den sie auf dem   Bild präsentierten.
                                              Jugendforum denk!mal vorführten.
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Luise-und-Wilhelm-Teske-                        Magma Theater                                  Mahn- und Gedenkstätte
Oberschule                                                                                     Ravensbrück

Auf den Spuren von Luise und Wilhelm            „Der Kick“                                     Helfen erlaubt!? Das Workcamp der
Teske                                                                                          helfenden Verbände in der Mahn- und
                                                Theater will nicht nur unterhalten, sondern    Gedenkstätte Ravensbrück
Die bisherige Luise-und-Wilhelm-Teske-          auch sichtbar machen. Getreu diesem Motto
Oberschule trägt den Namen eines Schöne-        hat sich das Magma Theater Spandau dem         Unter dem Motto „Helfen erlaubt?!“ fand
berger Schusterehepaares, das sich während      Stück „Der Kick“ angenähert.                   vom 17. bis zum 23. Oktober 2010 in der
des Nationalsozialismus mit großem Mut          Es geht darin nicht nur um die Geschichte      Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ein
für verfolgte jüdische Mitbürger einsetzte,     einer im Jahr 2002 geschehenen Mordtat.        Jugend-Workcamp der helfenden Verbände
sie versteckte und ihnen so das Leben           Die Autoren blättern in der Vergangenheit      aus Berlin und Brandenburg statt. Die
rettete. Sie wurden 2009 in Yad Vashem als      eines Dorfes und zeichnen soziale Struk-       42 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der
„Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Durch      turen nach, stellen Familien gegenüber auf     Jugendverbände von Johannitern, Tech-
die Zusammenlegung zweier Schulen mit           der Suche nach Verantwortung. Mit dem          nischem Hilfswerk, Feuerwehr und Rotem
Einführung der Sekundarschule soll es den       Stück „Der Kick“ bot sich der Theatergrup-     Kreuz setzten sich dabei intensiv mit der
Namen bald nicht mehr geben. Dagegen            pe die Möglichkeit, Theater als soziales       Geschichte des Ortes auseinander und trafen
regt sich Widerstand. Die Schülerinnen und      Instrument zu ‚erleben’. Der Zuschauer wird    Überlebende des Frauenkonzentrationslagers
Schüler stellten die Biografien von Luise und   unweigerlich selbst aufgerufen, Stellung zu    Ravensbrück.
Wilhelm Teske fotografisch kommentiert auf      beziehen. Eine einfache Schwarz-Weiß-Dar-      Die Jugendlichen halfen durch umfangreiche
Plakaten und in einem Videofilm vor. Über       stellung funktioniert hier nicht. „Der Kick“   Arbeitseinsätze, das riesige Gelände des ehe-
das Jugendforum denk!mal möchten sie die        möchte aufrütteln und schreckt auch vor        maligen Lagerkomplexes vor dem Verfall zu
Öffentlichkeit für ihr Anliegen gewinnen,       schwierigen Fragen nicht zurück: Kann es       bewahren und somit die historischen Spuren
die Umbenennung ihrer Schule zu verhin-         sein, dass man selbst diesen Tätern Empa-      der Gedenkstätte zu erhalten. Das Projekt
dern.                                           thie entgegenbringt?                           wurde in einem Kurzfilm dokumentiert.
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Medienkompetenzzentrum                        Metaversa e.V.                                 Mierendorff-Grundschule /
Die Lücke                                                                                    Gedenkstätte Sachsenhausen

Zwangsarbeiterlager in                        „Einblicke“ in das Leben von Berliner          Häftlinge im nationalsozialistischen
Berlin-Lichtenberg 1939-1945                  Schülerinnen und Schülern:                     Konzentrationslager Sachsenhausen
                                              Eine filmische Collage
Von 1939 bis 1945 gab es allein im Bezirk                                                    Wie kann man sich das Leben und den Alltag
Berlin-Lichtenberg 79 Zwangsarbeiterlager.     „Einblicke“ in das Leben von Berliner Schü-   von Häftlingen im Konzentrationslager vor-
An keinem der Standorte wird heute auf        lerinnen und Schülern mit unterschiedlichen    stellen? Mit dieser Frage beschäftigten sich
die Vergangenheit des Ortes hingewiesen.      kulturellen Wurzeln gewährt die filmische      Schülerinnen und Schüler der Mierendorff-
Vier geschichtsinteressierte Jugendliche,     Collage, die 2010 im Rahmen eines Video-       Grundschule im Rahmen eines Drei-Tage-Pro-
die vom Medienkompetenzzentrum „Die           projektes von Metaverse e.V. und AllAbout-     jektes der Gedenkstätte Sachsenhausen. Der
Lücke“ in Lichtenberg unterstützt wurden,     Us FilmFactory Amsterdam entstanden ist.       Fokus des Projektes lag auf den Lebensge-
machten sich auf die Suche nach Spuren der    Etwa 150 Jugendliche im Alter von 13 bis 18    schichten Einzelner sowie den allgemeinen
NS-Geschichte in ihrem Kiez.                  Jahren haben sich mit ihrem Leben, ihren       Lebensbedingungen im Lager. Über die
Im Projektverlauf haben die Jugendlichen      Interessen, Wünschen, Problemen, ihrem         Beschäftigung mit Biografien ausgewählter
Standorte ehemaliger Zwangsarbeiterlager      Verhältnis zur Familie und vielem mehr,        Gefangener erschloss sich den Jugendlichen
recherchiert, fotografisch dokumentiert und   auseinandergesetzt. Ständiger Begleiter        ein individueller Zugang zum Thema. In
anschließend die einzelnen Orte zu einer      war dabei die Kamera. Sie nimmt den Blick      Form von Gedankentagebüchern, Plakatwän-
Route verbunden. Diese Route möchten sie      des Gegenüber, der Banknachbarin oder          den sowie einer PowerPoint-Präsentation
in einem nächsten Schritt als Geocaching      des Schulfreundes ein. Sie hält die lauten,    haben die Jugendlichen ihre Erfahrungen
aufarbeiten und einen dazugehörigen Audio-    scheuen, die lustigen und überraschenden       festgehalten.
guide erstellen.                              Momente fest, in denen die Jugendlichen
Um ihre Ergebnisse zu präsentieren und        über sich und andere reflektieren: Wer bin
allen Interessierten zugänglich zu machen,    ich, wie sehe ich meine Mutter, meinen
haben sie eine Homepage erstellt.             Vater, was ist mir wichtig, wie soll meine
                                              Zukunft aussehen?
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Nijinski Arts Internacional e.V.              Paul Singer Verein –                            Schulfarm Insel Scharfenberg
                                              Georg-Weerth-Sekundarschule

Zurückgehen oder Bleiben –                    Mörderkeller-Keglerheim –                       Scharfenberger Erinnerung
die Wende aus Sicht von Menschen              Geschichtliche Aufarbeitung des Ortes           1932 bis 1934
türkischer und kurdischer Herkunft
                                              Schülerinnen und Schüler der Geschichts-        Externe wie interne Schülerinnen und
Dass Menschen mit Migrationshintergrund       werkstatt der Georg-Weerth-Sekundarschule       Schüler der Schulfarm Insel Scharfenberg
vom Fall der Mauer betroffen waren, ist       gestalteten in Zusammenarbeit mit dem           recherchierten über den Inselalltag des
weithin unbewusst. Während sich Deutsch-      Paul Singer Verein eine Ausstellung, die sich   Internatsgymnasiums in den Jahren 1932
land auf den Weg macht, sich zu einer ge-     mit der Geschichte des SA-Lokals „Kegler-       bis 1934. Hierbei geht es im Wesentlichen
meinsamen Gesellschaft zu entwickeln, wer-    heim“ befasst. Der dort ansässige SA- Sturm     auch um Erinnerungen an Hans Coppi,
den Menschen, die teilweise schon 30 Jahre    war bereits vor 1933 bekannt für seine Ge-      der u.a. als Mitglied der Roten Kapelle im
hier leben fremdenfeindlich diskriminiert.    waltbereitschaft. Auf zahlreichen Schauta-      Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Die Ausstellung präsentiert die Ansichten     feln wird der von der SA geführte Kampf um      aktiv war. Am 22.12.1942 wurde Hans Coppi
von 4 Männern und 4 Frauen türkischer         die Straße dargestellt, ebenso wie die von      im Strafgefängnis Plötzensee hingerichtet.
und kurdischer Herkunft aus Kreuzberg und     ihr propagierte Vernichtungsideologie. Auch     Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines
Schöneberg zur Wende in Form von Texten       die besondere Bedeutung von Kleidung und        Schulprojekts erarbeitet und bei denk!mal als
und Fotos und dokumentiert Bauwerke           Zeichen im NS- System wird thematisiert.        Schaubilder präsentiert. Das Projekt soll in
entlang des Berliner Mauerwegs, mit denen     Nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde das         den kommenden Jahren fortgeführt werden,
die Erinnerung an die Freiheitsbeschränkung   „Keglerheim“ zum Folterkeller, in dem Kom-      um Klarheit über die Vorgänge in Scharfen-
und damit verbundene Gewalt bewahrt           munisten, Sozialdemokraten und Gewerk-          berg während der NS-Zeit zu erhalten, aber
bleibt. Das Projekt der Jugendmedieninitia-   schafter gequält und ermordet wurden.           auch um der aus Scharfenberg hervorgegan-
tive WATCHus production wurde im Sommer                                                       genen Widerstandskämpfer zu gedenken.
2010 erarbeitet und entstand in Koope-
ration mit YEKMAL e.V. und Nijinski Arts
Internacional e.V.
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Sophie-Charlotte-Gymnasium                    Tanzwerkstatt No Limit e.V.                  Ulrich-von-Hutten-Oberschule

Todesfuge von Paul Celan                      „...Und sie marschieren wieder“              Tote lügen nicht
Spurensuche – Suche nach Emotionen
                                              Wie entsteht Faschismus? Ein junger ameri-   Die Schülerinnen und Schüler des Leistungs-
Schülerinnen und Schüler des Sophie-Char-     kanischer Lehrer entschließt sich zu einem   kurses Geschichte der Ulrich-von-Hutten-
lotte-Gymnasiums lassen im Gedenken an        ungewöhnlichen Experiment. Er möchte         Oberschule wählten für ihr Projekt zum
die vom NS-Regime systematisch gedemü-        seinen Schülern beweisen, dass Anfällig-     Thema Nationalsozialismus einen eher
tigten und schließlich ermordeten jüdischen   keit für faschistoides Denken und Handeln    unkonventionellen Zugang. Im Mittel-
Bürger Europas Stimmen sprechen und Töne      immer und überall vorhanden ist. Doch die    punkt steht eine Holzpuppe von der Größe
erklingen, die zum Zuhören zwingen und        Bewegung mit dem Namen „Die Welle“, die      eines Menschen, die mit schwarzen Laken
zum Nicht-Vergessen beitragen.                er unter den Grundsätzen „Macht durch Dis-   bespannt ist. Auch die hölzernen Arme
Auf der Grundlage eines literarischen         ziplin!“, „Macht durch Gemeinschaft!“ und    sowie der Kopf der Puppe wurden schwarz
Textes verdeutlichen sie die Mechanismen      „Macht durch Handeln!“ gezielt zu Lehr-      bemalt, wobei die Farbe Schwarz symbolisch
der Grausamkeit und deren zerstörerische      zwecken auslöst, droht ihn und sein Vor-     zu verstehen ist. Auf der Puppe wurden Do-
Dimension. Die metaphorisch-rhythmische       haben zu überrollen. Das Experiment gerät    kumente befestigt, die auf die unterschied-
Sprache Paul Celans (1920 bis 1970) bringt    außer Kontrolle.                             lichen Opfer des Nationalsozialismus und
Opfer- und Täterstimmen zusammen,             Die Tanzwerkstatt No Limit verdeutlicht      des Krieges hinweisen. Dabei versuchten die
wodurch der Dichter in seiner Todesfuge       die Gefahr im Heute mit den historischen     Jugendlichen, ihr Augenmerk auf ein breites
ohne jeden Pathos eine Beschwörung des        Tatsachen von damals (1933 bis 1945). An-    Spektrum von Opfern zu richten. Ihre Puppe
Grauens als unmittelbare Wirkung auf den      hand von Augenzeugenberichten ehemaliger     stellten sie als Ausstellungsobjekt auf dem
Zuhörer hervorruft. Momente des Ergreifens    KZ-Häftlinge wurde den Teilnehmerinnen       Jugendforum denk!mal vor.
geben auf einer sinnlichen Ebene Auskunft     und Teilnehmern vor Augen geführt, wohin
über den Holocaust und bleiben als Spur im    nationalsozialistische Propaganda-Parolen
„Körpergedächtnis“ zurück.                    führen können.
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Ver.di Jugendbildungsstätte                   Werner-von-Siemens-
Konradshöhe e.V. /                            Werkberufsschule
Friedrich-Engels-Gymnasium

Suche nach Erinnerung                         Nur die Erinnerung kann verhindern,
                                              dass sich das geschehene Unrecht
14 Schülerinnen und Schüler des Friedrich-    wiederholt
Engels-Gymnasiums aus Reinickendorf
haben sich im Rahmen ihres Geschichts-        In diesem Sinne hatten Schüler der Werner-
kurses mit dem Thema NS-Zwangsarbeit          von-Siemens-Werkberufsschule und des
auseinandergesetzt. Sie haben sich mit den    Strittmatter-Gymnasiums in Gransee, wäh-
Grundlagen des Nationalsozialismus befasst    rend eines fünftägigen Begegnungsseminars
und dabei die besonderen Aspekte von          in Ravensbrück die Gelegenheit, Margrit
Zwangsarbeit herausgearbeitet.                Rustow und Selma van de Perre zu treffen.
Mit dem gewonnenen Wissen und den daran       Die beiden Frauen wurden 1944 im Konzen-
anschließenden Fragen haben sie ihr eigenes   trationslager Ravensbrück inhaftiert und
soziales Umfeld in Reinickendorf erforscht    mussten in den 1942 in unmittelbarer Nähe
und nach Spuren von Zwangsarbeit in ihrem     errichteten Werkhallen der Firma Siemens &
Stadtteil gesucht. Mit Hilfe von Doku-        Halske Zwangsarbeit leisten.
menten aus Archiven, Zeitzeugeninterviews     Die offene Gesprächsatmosphäre mit den
oder geografischen Analysen dokumen-          Überlebenden ermöglichte den Jugendlichen
tierten die Jugendlichen ihre Ergebnisse      eine intensive Auseinandersetzung mit der
in einem Film. Bei der Aufbereitung des       deutschen Vergangenheit. Ihre Erfahrungen
Materials, der Erstellung des Storyboards     haben sie in einem Dokumentarfilm und
und beim Filmen wurden sie von Medienpä-      einer Internetseite festgehalten.
dagogen oder Filmemachern begleitet.
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... eine Geschichte
... ein Gedicht
... einen Bericht
... eine Reportage
... einen Essay
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Demokratie leben e.V.                          Evangelische Kirchengemeinde                    Menzel-Gymnasium
                                               Berlin-Mariendorf

welcomX – Das multicoole Stadtmagazin          Mariendorfer Kinder und Jugendliche             Gedenklücken oder the empty space
                                               in der NS- und Nachkriegszeit
Das Jugendmagazin welcomX, das unter der                                                       Gegenwart und Vergangenheit, Orte und
Trägerschaft des Vereins „Demokratie leben“    Die Kinder- und Jugendversammlung CdM42         Ereignisse stehen häufig in einem un-
e.V. herausgegeben wird, ist eine politische   der Evangelischen Kirchengemeinde Marien-       mittelbaren Zusammenhang. Denkmäler
Diskussionsplattform zum Mitmischen            dorf, aus der dieses Projekt hervorgegangen     spielen dabei eine zentrale, aber keineswegs
und Einmischen. Jugendliche können ihre        ist, befasste sich mit der Frage nach den Le-   neutrale Rolle. An was wird erinnert und
selbstverfassten Beiträge zu den unter-        bensbedingungen Mariendorfer Kinder und         wie? Wem wird gedacht und warum? Was
schiedlichsten Themen veröffentlichen.         Jugendlicher während der NS- und Nach-          wird betont, was ausgelassen? Ist das, woran
Unterstützt werden sie dabei von erfah-        kriegszeit. Sie recherchierten umfangreich      offiziell erinnert wird, auch uns wichtig?
renen Zeitungsmachern. Ziel ist es, dass die   über den Ortsteil und besuchten diverse Mu-     Die Schülerinnen und Schüler der 8a des
Jugendlichen selbst recherchieren und so       seen. Eine antifaschistische Stadtrundfahrt     Menzel-Gymnasiums reflektierten, ausge-
eine eigene und persönliche Sicht der Dinge    bildete den Höhepunkt der Besichtigungen.       hend vom eigenen Erfahrungshorizont, das
entwickeln. Berichte, Reportagen und In-       Den zweiten Schwerpunkt der Projektarbeit       unmittelbare Berliner Umfeld, wo sich deut-
terviews, die sich mit der Aufarbeitung der    bildeten Interviews mit Zeitzeugen. Die so      sche Identität in Symbolen verschiedener
deutschen Geschichte beschäftigen, nehmen      gewonnenen Erkenntnisse wurden in Form          Couleur spiegelt und bricht. Sie sprachen,
einen breiten Raum ein.                        von Bannern für die Ausstellung aufbereitet.    sahen, lasen, diskutierten und entwickelten
In Kooperation mit der „Berliner Zeitzeu-                                                      so eigene Vorstellungen, die sie in Texte,
genbörse“ planen die jungen Redakteure für                                                     Töne und Zeichnungen umsetzten. Die
2011 Begegnungen mit Holocaust-Überle-                                                         Auseinandersetzung mit den Verbrechen des
benden, aus denen mehrere Artikel für die                                                      Nationalsozialismus spielte dabei stets eine
welcomX entstehen sollen.                                                                      wesentliche Rolle.
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... eine Collage
... ein Plakat
... ein Comic
... ein Graffiti
... eine Zeichnung
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abw gGmbH                            Ernst-Litfaß-Schule                  Evangelisches                     Jugendbündnis
                                     OSZ Druck- und Medien-               Jugendreferat                     BUNT statt Braun!
                                     technik Werkstatt 0305               Kirchenkreis Moers

Basisqualifikation Kunst und         Rozsi – eine Bildergeschichte        Gegen das Vergessen – Sach-       Schöne Wände bunt
Sprache – Bilder für Toleranz                                             senhausen 10. bis 17. Oktober
und gegen Rechtsextremismus          Rozsi. Das ist der Name, den das                                       Über einen vom Jugendbündnis
                                     1931 in den Karpaten geborene        Das Evangelische Jugendreferat    „BUNT statt Braun!“ ausgeschrie-
Wie kann das Engagement für          Mädchen von den Ungarn erhielt,      im Kirchenkreis Moers beschäf-    benen Wettbewerb entstanden
Toleranz und gegen Rechtsex-         als es im April 1944 in das          tigt sich seit Jahren schwer-     eine Vielzahl an Collagen und
tremismus bildlich dargestellt       Vernichtungslager Auschwitz          punktmäßig mit „Erinnerungs-      Logos, die für ein tolerantes,
werden? Dieser Herausforderung       deportiert wurde. Im Oktober         arbeit“. Neben regelmäßigen       buntes und weltoffenes Schöne-
stellten sich die Jugendlichen der   1944 hatte Rozsi das „Glück“ für     Bildungsveranstaltungen wurde     weide werben und sich gegen
Basisqualifikation „Kunst und        einen Arbeitseinsatz ausgewählt      im Jahr 2010 eine generationen-   Rechtsextremismus und Gewalt
Sprache“ in ihrem Praxisprojekt,     zu werden und so der Ermordung       übergreifende Gedenkstätten-      wenden. Der Wettbewerb stellte
das sie parallel zu ihrer Vorbe-     zu entkommen. Nach der Be-           fahrt nach Sachsenhausen          sich bewusst gegen Angsträume
reitung auf den Schulabschluss       freiung emigrierte sie für einige    organisiert. Junge Leute wurden   in Schöneweide. Die Gaststätte
durchführten. Als zweiten Schritt    Jahre nach Israel, heute lebt sie    nicht allein mit der Geschichte   „Zum Henker“ in der Brücken-
nach dem praktischen künstle-        in Berlin.                           des Ortes konfrontiert, sondern   straße, ein einschlägiger Treff-
rischen Schaffensprozess setzten     Während einer Projektwoche           es fand ein Dialog mit den        punkt der Neonazi-Szene, stellt
die Jugendlichen sich schriftlich    in der Mahn- und Gedenkstätte        Älteren statt, in dem es um die   einen solchen Angstraum dar, von
mit ihren Kunstwerken auseinan-      Ravensbrück trafen sich Schüle-      unterschiedliche Wahrnehmung      dem zunehmend Gewalt ausgeht.
der. Dabei lernten sie die Trans-    rinnen und Schüler der Ernst-        und Auseinandersetzung mit der    Seit November 2010 werden
formation von praktischer Arbeit     Litfaß-Schule mit der Zeitzeugin.    Geschichte ging. Eine weitere     die preisgekrönten Plakate auf
in Sprache und Text. Auf dem         Aus dieser Begegnung heraus          Besonderheit war die Gestaltung   großen Werbeflächen an promi-
Jugendforum denk!mal präsen-         entstanden 14 Druckgrafiken mit      eines Bildes, das sich aus dem    nenten Plätzen gezeigt und als
tierten sie ihre beeindruckenden     eindrücklichen Illustrationen ein-   Gruppenprozess heraus sukzessiv   Plakate und Postkarten in ganz
Kunstwerke der Öffentlichkeit.       zelner Szenen aus Roszis Leben.      entwickelte.                      Schöneweide verteilt. Auch auf
                                                                                                            dem Jugendforum wurde so für
                                                                                                            ein respektvolles und friedliches
                                                                                                            Zusammenleben geworben.
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... Rock
... Pop
... Hip-Hop
... Klassik
... Musical
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Aufklärung e.V.                                 Wilma-Rudolph-Oberschule

                                                                                                Textauszug aus dem Song “Menschen
                                                                                                hinterlassen Spuren – ob wir es wollen
                                                                                                oder nicht!“

                                                                                                […]

                                                                                                Wir nennen sie Skins
                                                                                                sie sind rechts oder links.
                                                                                                Aggressiv wie impulsiv.
                                                                                                Sie sind öffentlich präsent,
                                                                                                doch jeder weiß sie sind sozial inkompetent.

                                                                                                Sie haben eine Glatze,
Original Hip Hop Charity Jam                    Menschen hinterlassen Spuren – ob wir es        Ihr habt was dagegen?
                                                wollen oder nicht. Ein Song zum Thema           Hört doch auf mit dem Geschmatze!
Die Original Hip Hop Charity Jam, ein Projekt                                                   Sie laufen durch die Straßen in ihren
zur Jugendhilfe unter dem gemeinnützigen        Bei der Vorbereitung einer Gedenkstätten-       Bomberjacken,
Verein Aufklärung e.V. und dem Berliner         fahrt nach Auschwitz sind die Schülerinnen      kommen auf dich zu,
Streetlabel „Original Ghettosound“, engagiert   und Schüler der Wilma-Rudolph-Oberschule        du denkst sie wollen dich piesacken.
sich gemeinsam mit zahlreichen jungen           auf die Internetseite mit der Geschichte der
Künstlern, z. B. „Die Maxkings“, „King ExXx“    Familie Chotzen gestoßen. Bei der Behand-       Ihr habt Vorurteile?
und „DJ Shy“ gegen Hass, Gewalt, Rechts-        lung unterschiedlicher Themen zu dieser         Das liegt wahrscheinlich an Eurer Langeweile!
extremismus und Diskriminierung. Auf dem        komplexen Geschichte entstand die Idee, zu      Ihr nennt diese Intoleranz eine Gesellschaft???
Jugendforum denk!mal erklärten die Jugend-      einzelnen Themen, scheinbar zusammenhang-       Wir nennen das eine miese Charaktereigenschaft!
lichen mit einem eigenständig erarbeiteten      los aneinandergereiht, Strophen für einen
Rap eindrücklich, warum die Erinnerung an       Song zu schreiben. Im Mittelpunkt stand
die Verbrechen des Nationalsozialismus leben-   dabei der Versuch, einzelne Bereiche der
dig bleiben muss und dass Musik Menschen        Geschichte vor und auch nach 1945 anders
über alle Grenzen hinweg zusammenführt. Die     und kreativer zu behandeln als es sonst im
jungen Künstler nahmen dabei Bezug auf das      Unterricht üblich ist. Die Jugendlichen haben
diesjährige denk!mal-Motto „Weil Menschen       die Themen selbständig ausgewählt, die Mu-
Spuren hinterlassen ...“.                       sik komponiert und alles im Schulradio-Studio
                                                aufgenommen. Zur Präsentation wurde der
                                                Song mit einem Video unterlegt, so dass ein
                                                Musikvideo entstand.
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Der Koffer in Auschwitz
Der einzige Weg raus aus Auschwitz führt       tendrin: der Koffer von Bermann. Die Ecken        geräumige Wohnung an. Er hat einen Chauf-
durch den Schornstein des Krematoriums.        sind abgestoßen, die Scharniere verrostet.        feur, der ihn regelmäßig zu den Kunden in
Ein makaberer Scherz, der damals unter         Aber Bermanns Name ist noch gut lesbar.           Berlin und im Rheinland bringt. Tochter Ilse
Insassen kursierte. Vor 65 Jahren befreiten                                                      wird später erzählen, was für ein liebevoller
sowjetische Soldaten diesen Ort, der die       Geboren wird Ludwig Louis Bermann 1886            Familienvater er war. Und sie wird von der
Hölle auf Erden war. Ludwig Louis Bermann      in Schildberg bei Posen (heute Polen) als         riesigen Schallplatten-Sammlung ihres Vaters
aus Hagen gehört zu den 1,1 Millionen          Sohn eines Kaufmanns. Wann er nach Hagen          schwärmen.
jüdischen Todesopfern. Von ihm ist nur ein     übersiedelt, ist nicht überliefert. Hier jeden-
Koffer übrig geblieben. Nicht einmal ein       falls tritt er in die Fußstapfen seines Vaters    Dass der Anfang vom Ende gekommen ist,
Foto gibt es. Lediglich ein Phantombild, das   und beginnt als angestellter Vertreter für        erkennt Bermann zu spät. Ein Freund ver-
das Landeskriminalamt Hamburg aufgrund         Damen- und Herren-Oberbekleidung sowie            sucht ihn zu überreden, in die USA zu emi-
der Erinnerungen von Bermanns Schwieger-       für Schneidereibedarf zu arbeiten. Später         grieren. Aber er glaubt, dass ihm als Front-
tochter hergestellt hat. Saima Bermann ist     macht er sich selbstständig. 1912 heiratet er     soldat des Ersten Weltkriegs nichts passieren
87 und die letzte Überlebende der Familie.     die Hagenerin Adele Prein, die Protestantin       kann. 1935 stirbt seine Frau an Krebs. Weil
                                               ist. Nicht alle in ihrer Familie heißen die       es immer weniger wagen, mit einem Juden
30. Oktober 1944. Es ist dunkel, als der       Ehe mit einem Juden gut. Ein Bruder von           Geschäfte zu machen, geht sein Einkommen
Zug quietschend hält. Schäferhunde bellen.     Adele Prein ist „national“ eingestellt, wird      dramatisch zurück. 1938 untersagt ihm
Schreie von SS-Männern gellen durch die        später Parteimitglied der NSDAP und will          die Gestapo, sein Ein-Mann-Unternehmen
Nacht. Von überall sind Suchscheinwerfer       von seinem Schwager nichts wissen.                weiter aufrecht zu erhalten. Im selben Jahr
auf die entkräfteten Menschen gerichtet,                                                         erhängt sich in Berlin sein Bruder Berthold.
die unter Prügel die Viehwaggons verlassen.    Bermann lebt mit seiner Frau in der Fleyer        Ludwig Bermann wird kurzfristig von der
Wachleute brüllen, dass das Gepäck im Zug      Straße, einer Gegend, in der viele wohlha-        Gestapo abgeholt und eingesperrt, muss im
bleiben muss. Und Ludwig Louis Bermann         bende Juden ansässig sind. 1912, 1915 und         Hamburger Hafen Zwangsarbeit leisten.
stolpert, 58 Jahre alt, ohne seinen Koffer     1920 kommen drei Kinder zur Welt: Ilse,
ins Freie, wo dann sofort die Selektion        Rudi und Anneliese. Ludwig Bermann nimmt          Zur Flucht ist es jetzt zu spät. Weil er mit
stattfindet. Mit abschätzigem Blick mustert    am Ersten Weltkrieg teil, wird mit dem            einer Nichtjüdin verheiratet war, entgeht
ein SS-Arzt den fast blinden Mann aus Ham-     Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Von 1930 bis        Ludwig zunächst der Deportation. Sein All-
burg. Von dessen Entscheidung hängt alles      1934 ist die Familie in Bad Pyrmont zu Hau-       tag ist trostlos. Um zu überleben, verkauft
ab. Ob Bermann sofort stirbt. Oder noch ein    se, bewohnt eine prächtige Villa. Unbekannt       er seinen Besitz. Allen Juden wird das Radio
bisschen leben darf.                           ist, warum die Bermanns in den Kurort zie-        abgenommen, öffentliche Verkehrsmittel
                                               hen. Hofft Adele Prein, die an Krebs erkrankt     dürfen sie nicht mehr benutzen, nicht ins
Auschwitz heute: eine Gedenkstätte, durch      ist, dort auf fachkundige Behandlung?             Kino gehen. Von seinen Kindern wird er
die die Besucher schweigend gehen. Manche                                                        jetzt gedrängt, doch noch irgendwie das
weinen. Fragen sich, wie Menschen so etwas     Die Nazis kommen an die Macht – und in            Land zu verlassen. Sohn Rudi fährt heimlich
fertig bringen. Sie gehen vorbei an stummen    der Hoffnung, als Jude in der Anonymität          nach Hagen, klopft nachts bei der Verwandt-
Zeugen. An all den Gegenständen, die die       der Großstadt nicht so sehr aufzufallen,          schaft an und bittet um Geld für Tickets
Nazis den Juden abnahmen – zur „Weiter-        zieht Ludwig Louis Bermann mit seiner             nach London. Das Geld bekommt er – aber
verwertung“: Berge von Haaren, Berge von       Familie nach Hamburg und mietet im feinen         zu einer Ausreise kommt es nicht.
Brillen. Und Berge von Gepäckstücken. Mit-     Stadtteil Harvestehude in Alsternähe eine
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