CHRISTOPH ESCHENBACH - DO 06.12. BARTÓK KLAVIERKONZERT NR. 2 SCHUMANN SYMPHONIE NR. 2 - DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN

 
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CHRISTOPH ESCHENBACH - DO 06.12. BARTÓK KLAVIERKONZERT NR. 2 SCHUMANN SYMPHONIE NR. 2 - DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN
BartÓk
                       Klavierkonzert Nr. 2
                            Schumann
                          Symphonie Nr. 2

                       Do 06.12.
                                    20 Uhr
                              Philharmonie

Christoph
Eschenbach
Tzimon Barto Klavier
CHRISTOPH ESCHENBACH - DO 06.12. BARTÓK KLAVIERKONZERT NR. 2 SCHUMANN SYMPHONIE NR. 2 - DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN
Programm                                    2                                                                                                                                    3                    Introduktion

 Do 06 12 | 20 Uhr —–

      Uraufführung am 23. Januar 1933
in Frankfurt am Main durch das dortige
                                            Béla Bartók (1881–1945)
                                            Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 Sz 95 (1930|31)
                                                                                                                        Sachlich, romantisch
   Rundfunkorchester unter der Leitung
 von Hans Rosbaud. Béla Bartók spielte      		 I. Allegro
 den Solopart selbst. Es war sein letzter   		II. Adagio – Presto – Adagio
                                                                                                                        Als Béla Bartók zwischen Oktober 1930 und Oktober 1931 sein Zweites
                ­Auftritt in Deutschland.
                                            		III. Allegro molto                                                        Klavierkonzert komponierte, ging die kunsthistorische Epoche der Zwanzi­
                                                                                                                        gerjahre zu Ende. Sie währte, grob gesagt, von 1919 bis 1933, also etwas
                                            Pause                                                                       länger als die entsprechende kalendarische Zeit. Eine beherrschende Strö­
                                                                                                                        mung in dieser Periode des Aufbruchs nannte man »Neue Sachlichkeit«.
   Uraufführung am 5. November 1846         Robert Schumann (1810–1856)
  im Gewandhaus zu Leipzig durch das        Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61 (1845|46, rev. 1846|47)                        Die Musik, die ihr entspricht, zeichnet sich durch einen gehärteten, betont
Gewandhausorchester unter der Leitung                                                                                   unsentimentalen Stil aus. Bläser und Schlagzeug erhielten den klanglichen
     von Felix Mendelssohn Bartholdy.       		 I.      Sostenuto assai – Allegro ma non troppo
                                            		II.      Scherzo. Allegro vivace – Trio I – Trio II
                                                                                                                        Vorrang gegenüber den Streichern, die manchmal sogar ganz entfielen. Der
                                            		 I II.   Adagio espressivo                                                Rhythmus, sein Drive in der beflügelnden wie gnadenlosen Wirkung, trat in
                                            		I V.     Allegro molto vivace                                             den Vordergrund und bestimmte den musikalischen Verlauf ganz elementar.
                                                                                                                        Bartók hatte Teil an dieser Ästhetik; die schnellen Sätze und Abschnitte
                                                                                                                        seines Klavierkonzerts lassen daran keinen Zweifel. Die ›Neue Sachlichkeit‹
                                            Christoph Eschenbach
                                            Tzimon Barto Klavier                                                        definierte sich entschieden antiromantisch.

                                                                                                                        Schumanns Zweite ist eine romantische Symphonie weniger der Epoche
                                                                                                                        wegen, in der sie geschrieben wurde, sondern wegen einiger ihrer entschei­
                                                                                                                        denden Merkmale. Die Art, wie sich musikalische Gedanken herausschälen,
                                                                                                                        sich wandeln und dabei eine Geschichte, bisweilen einen wahren Erzähl­
                                                                                                                        zusammenhang ohne Worte ausbilden; der manchmal forcierte, oft aber in
                                                                                                                        seinen beabsichtigten Höhenflügen gebremste Ton des Aufschwungs; die
                                                                                                                        rückblickende Passion des langsamen Satzes; das Aufbrechen der Form im
                                                                                                                        Finale zugunsten einer integrativen Wirkung für das Werk als Ganzes: All
                                                                                                                        das ist romantisch, auch dort, wo es strukturell durch deutliche Bezüge zu
                                                                                                                        Johann Sebastian Bach eingefangen ist – jenen Komponisten, den auch die
                                                                                                                        Neusachlichen oft als Kronzeugen anriefen. Dem »Sachlichen« in Schumanns
                                                                                                                        Romantik entspricht bei Bartók das Romantische in der energisch sachlichen
                                                                                                                        Umgebung: der retrospektive, schleierhafte, impressionistische Ton, kurz: die
                                                                                                                        »Traumrealität« der langsamen Teile. Die Gegensätze stehen sich nicht nur,
                                                                                                                        verkörpert in den beiden Werken, als in sich geschlossene Einheiten gegen­
                                            Dauer der Werke                                                             über; sie wirken auch, mit unterschiedlichen Gewichtungen, innerhalb der
                                            Bartók ca. 30 min | Schumann ca. 40 min                                     Kompositionen aufeinander ein.
                                            Das Konzert wird von Deutschlandfunk Kultur ab 20.03 Uhr live übertragen.
                                            UKW 89,6 | DAB+ | online | App
CHRISTOPH ESCHENBACH - DO 06.12. BARTÓK KLAVIERKONZERT NR. 2 SCHUMANN SYMPHONIE NR. 2 - DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN
Zu den Werken                             4                                                                                                                                              5                           Zu den Werken

                                                                                                                   Im Montagskonzert vom 23. Januar spielte Bartók den extrem heraus­
                                                                                                                   fordernden Solopart seines Klavierkonzerts selbst. Werk und Darbietung
                                                                                                                   fanden beim Publikum starken Anklang. Zeuge dieses letzten Auftritts,

                              Mitten in ihrer Zeit
                                                                                                                   zu dem sich Bartók nach Deutschland verpflichten ließ, war neben vie­
                                                                                                                   len anderen der damals 29-jährige Theodor W. Adorno, der als Kritiker
                                                                                                                   auch für die Halbmonatszeitschrift ›Die Musik‹ schrieb. Seine knappe
                                                  von Habakuk Traber                                               Rezension trifft den Kern des Werkes ziemlich genau: »Nach dem Vor­
                                                                                                                   stoß der letzten Quartette biegt sich die Kurve wieder zum Neoklassi­
                                                                                                                   zismus in der Bartókschen Abwandlung zurück; zumal in der ›teppich­
                                                                                                                   haften‹ Formimmanenz des ersten Satzes, mit dem Kopfmotiv der
                                                                                                                   Strawinsky-Trompete, den breiten tonalen Komplexen, der Neigung zu
                                                                                                                   zweistimmiger Figuration; auch dem obligaten Finalrondo über das
                                                                                                                   Bartók-Thema schlechthin. Der langsame Satz ist ein Nachtstück; im
                                                                                                                   quintigen Beginn impressionistisch ansetzend, in einem Prestointer­
                                                                                                                   mezzo jäh aufgescheucht, in der Rückwendung unmittelbar zwingend;
                                                                                                                   Kernstück des Ganzen. Insgesamt hält sich das Werk in Bereich und
                                                                                                                   Haltung des Ersten Konzertes [das am 1. Juli 1927 ebenfalls in Frank­
                                                                                                                   furt uraufgeführt wurde, Wilhelm Furtwängler dirigierte damals],           Béla Bartók, 1936
                                                                                                                   schlägt es jedoch durch Gestaltenreichtum, Klangfantasie und Satzideen
                                                                                                                   aller Art. Der Beifall […] galt wie dem lauteren und reifen Komponis­
                                                                                                                   ten so einer in ihrer Weise einzigartigen pianistischen Leistung.«

                                                                                                                   Und die verlangt Bartóks Zweites. Bis heute gehört es zu den schwie­
                                                                                                                   rigsten Klavierkonzerten überhaupt. Es fordert nicht nur rasende Ge­
                                                                                                                   läufigkeit in den schnellen und freie, auch mehrstimmig verflochtene
                                                                                                                   Gesanglichkeit in den langsamen Teilen, sondern auch eine brillante
                                                                                                                   und behände Doppelgrifftechnik und tänzerische Gewandtheit im per­
                                                                                                                   kussiven Akkordspiel. Als ausgesprochenes Virtuosenstück führt es die
                                                                                                                   Tradition der Liszt’schen Klavierkonzerte fort; der Solopart hält unan­    Wo immer ich Béla Bartók sah, mit ihm
                                                                                                                   gefochten die Hauptrolle, zieht in seinem Drive vor allem das Schlag­      sprach, ihm lauschte, war ich aufs tiefste
                                    —––   Der 23. Januar 1933 war ein denkwürdiger Tag. Eine Woche, ehe der        werk mit und lässt sich von diesem seinerseits antreiben und grundieren.   berührt, nicht nur von seiner Liebens­
                                                                                                                                                                                              würdigkeit, sondern von seinem hohen
                         Béla Bartók      deutsche Reichspräsident Paul von Hindenburg den NS-Führer Adolf         Das Orchester fordert er vor allem gruppenweise heraus. Am ersten          und reinen Künstlertum, dessen Wesen
                 Klavierkonzert Nr. 2     Hitler zum Reichskanzler ernannte, dirigierte Hans Rosbaud im Funk­      Satz sind außer dem Protagonisten nur Bläser und Schlagzeug betei­         sich schon in dem schönen Blick seiner
                         Besetzung        haus von Frankfurt am Main ein Konzert, in dem er unter anderem          ligt, die langsamen Rahmenteile des mittleren Satzes gestalten allein      Augen ausdrückte.
                         Klavier solo     Béla Bartóks Zweites Klavierkonzert uraufführte. Rosbaud, damals seit    die Saiteninstrumente und die Pauken; erst das Finale verlangt das         Thomas Mann, 1931
        Piccoloflöte (auch 3. Flöte),     vier Jahren Chef des Hessischen Radio-Symphonieorchesters, machte        ­Orchester in voller Besetzung. Die durchgängig starke Präsenz des
  2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten,
                                          sich einen Namen als »Rundfunkdirigent«, weil er die Besonderheiten      Schlagzeugs, das manchmal wie die Expansion des Soloparts, manch­
      2 Fagotte, Kontrafagott (auch
 3. Fagott), 4 Hörner, 3 Trompeten,       des neuen Mediums zu berücksichtigen und zu nutzen verstand, und         mal wie dessen Herausforderer wirkt, und der Verzicht auf die Aura
3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlag-         durch sein Engagement für die neue Musik, das auch nach 1945 sein        der Streicher im Kopfsatz folgen dem gehärteten, scharf geschnittenen
     werk (Kleine Trommel, Triangel,      Markenzeichen blieb. Am 12. Februar 1933, dem Vorabend des Wag­          Klangideal der Neuen Sachlichkeit und des Neoklassizismus um Igor
Große Trommel, Becken), Streicher         ner-Gedenktages (50. Todestag), den die Nationalsozialisten zu folgen­   Strawinsky. Dieser ist in persona präsent. Die Trompetenfanfare, die zu
                                          reichen kulturpolitischen Vorstößen nutzten, hielt Arnold Schönberg      Beginn der eröffnenden »Rakete« des Klaviers folgt, erinnert funktio­
                                          auf Rosbauds Einladung im Hessischen Rundfunk seinen berühmt ge­         nell und in ihrer Verarbeitung an ›Petruschka‹, in ihrer Tonfolge an den
                                          wordenen Vortrag »Brahms, der Fortschrittliche«. Es war der letzte       ›Feuervogel‹ (dort wird die Melodie allerdings von Hörnern leise und
Bild oben: ›Unterhaltung‹, Gemälde von    Auftritt des Komponisten in einem deutschen Sender vor seiner Emig­      langsam vorgetragen), in ihrem häufigen Auftreten, ihrer Signalfunk­
Lajos Tihany, 1928                        ration in die USA.                                                       tion und ihrer kontrapunktisch dichten Durchführung aber auch an
CHRISTOPH ESCHENBACH - DO 06.12. BARTÓK KLAVIERKONZERT NR. 2 SCHUMANN SYMPHONIE NR. 2 - DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN
Zu den Werken                                 6                                                                                                                                                  7                          Zu den Werken

Die drei Glieder des Hauptthemas und          Leoš Janáčeks ›Sinfonietta‹ aus dem Jahre 1926. Die Fanfare markiert die   hige Art des Nocturnes zeichnet der Solist eine Mischung aus stilisier­
die Hauptfiguren des Seitenthemas             Gelenkstellen der musikalischen Form, kündigt wie ein Ausrufer, der        ter Melodik, Ornamentik wie aus osteuropäischer Folklore und Natur­
­erscheinen im Abschnitt vor der Kadenz
                                              echo­artig vervielfältigt wird, jeden neuen Abschnitt an. Dabei lässt      laute ein. Bei ihrer Wiederkehr reagiert das zitternde Tremolo der
 des ersten Satzes in den Formen der
 ­Umkehrung und des Krebses, ohne dass
                                              Bartók sie nicht nur in ihrer Anfangsgestalt, sondern auch in deren        Streicher auf den vorangegangenen Temperamentsausbruch des Scher­
  von dieser konstruktivistischen Camou­      Umkehrung und Krebsumkehrung auftreten. Von der hohen Kunst des            zo-Mittelteils.
  flage auch nur das geringste zu merken      Kon­trapunkts, von Imitationen, Spiegelungen, Fugen, macht er regen
  ist. Solche Kunststückchen sind in dieser   Gebrauch: Die kompositorische steht der pianistischen Virtuosität          Im Finale führt Bartók den Vitalismus des Kopfsatzes und der Scherzo-        Der Mittelabschnitt des zweiten Satzes
  Partitur fast auf jeder zweiten Seite zu                                                                                                                                                            (»Presto«) ist der herrlichste, einfalls-
                                              nicht nach. Der Gewährsmann solch kreativer Artistik, Johann Sebas­        Episode aus dem Mittelstück weiter. Das Refrainthema dieses Rondos
  ­finden.                                                                                                                                                                                            reichste und in seinem Neuerertum am
                                              tian Bach, schimmert in dezenten Anspielungen an seine Klavierkon­         steigt aus den Pauken auf, erfasst das Klavier, das damit in die Familie
Friedrich Saathen                                                                                                                                                                                     weitesten reichende Teil des ganzen Kon-
                                              zerte und -inventionen da und dort durch.                                  der Perkussionsinstrumente rückt. »Es ist, als hätte sich die zwielichtige   zerts. […] Im Orchester erklingen einzelne
                                                                                                                         Adagiowelt in ein Inferno verwandelt«, diagnostizierte Friedrich Saathen,    abgerissene Töne und Motive in verschie-
                                              Was für Material und Verfahren gilt, findet in der größeren Dimension      »alle Themen des Werkes werden noch einmal durchvariiert« – und zum          denen Registern und von verschiedenen
                                              der Form seine Fortsetzung. Den ersten Satz mit seinen zwei Themen,        Schlussensemble zusammengerufen, wie in einem Stück Musiktheater.            Instrumenten. Dies ist der eigenartige
                                                                                                                                                                                                      Bartóksche Punktualismus, […] der zwei-
                                              die sich vor allem in der Art ihrer sportiven Beweglichkeit unterschei­    Damit gibt Bartók auch die Antwort auf die circensischen Momente des
                                                                                                                                                                                                      fellos in der Faszination des Komponisten
                                              den, legt Bartók in der Grundschicht wie einen dreiteiligen Sympho­        ersten Satzes. Neusachlichkeit und Impressionismus, Schaustück und           für Klänge der Natur, insbesondere den
                                              niesatz an: Der Vorstellung der Themen folgt ihre Durchführung, dieser     Introversion, Mechanik und Ausdruck, Barock und Klassizismus, strenge        Gesang der Vögel, seine Quelle hat.
                                              dann satztechnisch verdichtet, in den Ausmaßen aber erweitert, eine        Kompositionstechnik und spielerisch freier Umgang mit ihren Resulta­         Tadeusz A. Zieliński, 1973
                                              Reprise mit Coda; in ihr verwendet der Komponist das erste Thema in        ten – in diesem Werk kommt Vieles, kommt Gegensätzliches zusammen.
                                              seiner horizontalen Spiegelung und kontrapunktiert es mit der »Stra­       René Leibowitz, der Schönberganhänger und Propagator der Moderne,
                                              winskyfanfare«. Auch das zweite wird umgekehrt, und zwar in seiner         nannte diese Synthese ein »Abgleiten in den Kompromiss«. Man könnte
                                              melodischen Gestalt wie in der Reihung seiner Bausteine. In die klassi­    auch anders werten: Bartók bewahrte die Moderne an der Schwelle zu
                                              sche Basis fügt Bartók Abschnitte ein, deren Idee dem barocken Grup­       ihrer großen Krise vor unnötiger Verengung.
                                              penkonzert entspringt. In diesem lösen sich das Gesamtensemble als
                                              »Ripieno« (volles Orchester) und kleine Gruppen als Concertino ab.         »Nimm sie hin denn, diese Lieder …«                                          —––
                                              Drei solcher Concertino-Episoden implantiert er, die ersten beiden be­     In Bartóks Klavierkonzert spielt die Erfahrung mit überlieferter Musik,      Robert Schumann
                                              ginnen mit der Konstellation Klavier-Schlagzeug, in die sich die Bläser    spielt auch die Vorstellung, die sich seine Ära von Kunst aus der Ge­        Symphonie Nr. 2
                                              in diversen Kombinationen einblenden, die dritte bestreitet das Solo­      schichte machte, entscheidend mit. Dennoch – oder besser: mithilfe           Besetzung
                                              instrument allein als Kadenz. Insgesamt entsteht eine hybride Form,        der Reflexion dieser Einflüsse – entstand ein Stück von ganz individu­       2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten,
Hans Rosbaud, der Dirigent der Urauffüh-                                                                                                                                                              2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten,
rung, undatiert
                                              die zwei Traditionsschichten ineinander schmilzt.                          ellem Zuschnitt: Wer Bartók nicht zum ersten Mal hört, erkennt seine
                                                                                                                                                                                                      3 Posaunen, Pauken, Streicher
                                                                                                                         Autorschaft nach den ersten Takten zweifelsfrei. Ähnlich verhält es
                                              Das Prinzip der Spiegelungen beschränkt Bartók nicht auf die Arbeit        sich mit Robert Schumanns C-Dur-Symphonie, die als Zweite gezählt
                                              mit den Themen; er wendet es auch auf die Form des Gesamtwerks und         wird, obwohl sie nach der Vierten in deren Urfassung entstand. In Stil
                                              der einzelnen Teile an. Die Satzfolge schnell – langsam – schnell ist im   und Habitus unterscheiden sich die Werke der beiden Meister grundle­
                                              Grundsatz symmetrisch, ebenso die Struktur des Mittelstücks in sich;       gend, aber das ästhetische Bewusstsein, das ihre Kreativität leitete,
Zweiter Satz: Das Zusammentreffen von         seine langsamen Teile rahmen einen sehr raschen Mittelabschnitt. Bartók    baut auf einer breiten gemeinsamen Basis auf. In Schumanns Opus 61
Gegensätzen in ihrer wunderlichsten           vereinte dadurch den ruhigen, gesanglichen musikalischen Typus mit         bacht, beethovent und schubertet es reichlich, auch eigene frühere Ar­       In mir paukt und trompe-
­Verkörperung. Hie Adagio-Schwermut,
 Seelendämmer, Schauer der Angst aus
                                              dem des wirbelnden Scherzos, dessen Motorik durch atemberaubend            beiten geraten gelegentlich in den Blick. Der Komponist tut nichts, um       tet es seit einigen Tagen
 mythischen Tiefen, da prickelnde Scherzo-
                                              schnelle Tonrepetitionen des Klaviers auf die Spitze getrieben wird: ein   die Wirkungslinien zu kaschieren, die hier zusammenlaufen. Im Ge­            sehr (Trombe in C); ich
 laune, saturnalisches Getümmel, huschige     Nachtstück der Gespensterart, und damit der scharfe Kontrast zu den        genteil: Er, der »Hineingeheimnisstes« so gern verdeckt hielt, arbeitet
                                                                                                                                                                                                      weiß nicht, was daraus
 Pastorellchen; hie Luftgeisterchoräle, da    Adagioteilen mit ihrem flächigen Klang der Streicher, dessen Bewe­         sie deutlich heraus; sie bestimmen die Weite des musikalischen Hori­
 Lustkapriolen; hie Fläche, da Figur; hie     gung der Lineatur des zweiten Themas aus dem ersten Satz ähnelt, diese     zonts, unter dem sich die Symphonie bewegt.                                  werden wird.
 Farbe, da Linie. Und trotzdem: Einheit,
                                              aber unendlich verlangsamt. Extrem leise und mit Dämpfer soll gespielt                                                                                  Robert Schumann an Felix Mendelssohn
 wie sie im Buche der Weisen steht. Das
 Ganze ist übrigens ein verkappter Varia­     und damit der impressionistische Zauber einer schönen Ferne erzeugt        Einiges davon, Äußerliches, verdeutlicht Schumanns Biographie. Am            Bartholdy, 18. Dezember 1845

 tionensatz.                                  werden, eine Erinnerung an jene Schaffensperiode des ungarischen           9. Dezember 1845 hörte er einmal wieder Franz Schuberts Große C-
Friedrich Saathen
                                              Tonkünstlers, in der ihm die Musik aus Frankreich half, sich aus dem       Dur-Symphonie, die er einst in Wien in dessen Nachlass gefunden und
                                              Bannkreis der deutsch-österreichischen Tradition zu lösen. In diese ru­    Felix Mendelssohn zur (Ur-)Aufführung mit dem Leipziger Gewand­
CHRISTOPH ESCHENBACH - DO 06.12. BARTÓK KLAVIERKONZERT NR. 2 SCHUMANN SYMPHONIE NR. 2 - DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN
Zu den Werken                                8                                                                                                                                                    9                          Zu den Werken

Chronologie der Zweiten Symphonie            haus­orchester empfohlen hatte. Ihre Kenntnis löste damals, 1841, die
12. bis 28. Dezember 1845                    Komposition der Ersten, nun, gut vier Jahre später, auch die der C-Dur-
Die Symphonie skizziert                      Symphonie aus. Dem erneuten Schubert-Erlebnis gingen ausgiebige
12. Februar 1846                             Bachstudien voraus, wie sie Schumann öfter in seinem Leben über Kri­
Beginn der Instrumentierung                  sensituationen hinweghalfen, so auch nach der gemeinsamen Russ­
8. Mai 1846 Erster Satz vollendet            landreise mit seiner Frau, bei der sie 1844 als Virtuosin gefeiert und
14. September 1846                           hofiert, er als Komponist aber kaum beachtet wurde. ›Sechs Fugen über
Scherzo abgeschlossen                        den Namen BACH‹ op. 60 für Orgel oder Pedalflügel sind neben ande­
21. September 1846                           ren Arbeiten der schöpferische Ertrag jener Auseinandersetzung mit dem
Das Adagio vollendet
                                             berühmtesten Leipziger Thomaskantor; sie wurden zum Teil parallel
19. Oktober 1846 Finale abgeschlossen,       zur Zweiten geschrieben. »Wenn der Deutsche von Symphonien spricht«,
danach Korrekturen und Revisionen
                                             urteilte Schumann 1839 in seiner ›Neuen Zeitschrift für Musik‹, »so
5. November 1846 Uraufführung
                                             spricht er von Beethoven; die beiden Namen gelten ihm für eines und
9. bis 12. November Umfangreiche             unzertrennlich.« Beethoven hätte als Maßstab aller symphonischen Dinge
­Revision vor allem des ersten und letzten
                                             auch dann gewirkt, wenn Schumann, die Hörer und die Rezensenten der
 Satzes, die dabei deutlich kürzer werden
                                             ersten Aufführungen den Bezug nicht ausdrücklich hergestellt hätten.
16. November 1846 Zweite Aufführung,
danach weitere Revisionen bei der Vor­
bereitung zur Drucklegung                      Die klassische Reihe, in die Schumann seine Zweite kompositorisch
14. Juli 1847 »Letzte Hand an die              stellte, wird durch Mozart und Haydn ergänzt. Seinem niederländi­
­Symphonie gelegt« (Schumann)                schen Kollegen Johannes Verhulst gegenüber sprach er von einer
                                             »rechten Jupiter« und spielte damit auf Mozarts letzte Symphonie
                                             (ebenfalls in C-Dur) mit dem gedankenreichen, strukturell kühnen
                                             ­Finale an. In den Anfang aber baute er eine deutliche Erinnerung an
                                              Haydn und dessen letzte Symphonie ein. Die langsame Einleitung            aus der Einleitung heranzieht. Sie wirken ineinander als »Momente in           ›Studie einer Berglandschaft mit grauem
                                              ­eröffnet er mit einem Naturtonsignal der Blechbläser wie in Haydns       einem übergreifenden Zusammenhang […] zum Zweck eines großen                   Himmel‹, Gemälde von Johan Christian
                                                                                                                                                                                                       Clausen Dahl, undatiert (Ausschnitt)
                                               Nummer 104. Es wird grundiert von einer ruhig-wellenartigen Streicher­   Spannungs- und Steigerungsaufbaus« (R. Kapp). Das Wesen des Seiten­
                                               begleitung, die wie eine Variante der Introduktion zur d-Moll-Sym­       themas setzt sich nicht allein in seiner motivischen Gestalt, sondern
                                               phonie gehalten ist. Das Signal wandelt sich zum Choral, der in regel­   vor allem in seiner Tendenz zur Weite durch, die mehr und mehr zum
                                               mäßigen Viertaktperioden gebaut ist, während die wogende Begleitung      expressiven Grundanliegen des Kopfsatzes zu werden scheint. Lassen
                                               in Dreiereinheiten vorangeht. Die Ebenen der Komposition wahren ihre     sich Exposition und die für Schumann ungewöhnlich dramatische
                                               Selbständigkeit, Ich und Tradition passen zwar zusammen, bleiben         Durchführung noch deutlich unterscheiden, so verfließen die Grenzen zur        Exposition heißt hier [im ersten Satz]:
                                               aber deutlich unterschieden und unvereint. In einem Prozess der Meta­    ­Reprise trotz kleiner Ruhepause und kurzem Ausflug in den Volkston.           Präsentation des motivischen Materials.
                                                                                                                                                                                                       Es werden nicht Themen aufgestellt und
                                               morphosen, der rhythmischen Dehnungen und Beschleunigungen spielt
Robert Schumann, Daguerreotypie,                                                                                                                                                                       von vorbereitenden, überleitenden etc.
um 1850
                                               der Komponist schließlich das Startmotiv für den schnellen Hauptteil     Das Scherzo rückte Schumann wie Beethoven in seiner Neunten an die             Partien bestimmt unterschieden, sondern
                                               frei. In Rhythmus und grober Kontur gleicht es dem Thema der zweiten     zweite Position und baute seine übliche dreigliedrige Form zur Fünftei­        Materialien so gruppiert, dass sie sich zu
                                               BACH-Fuge aus op. 60, die melodische Linie ähnelt dem Lied vom           ligkeit aus. Refrainartig umschließt der Hauptteil zwei Trios. Die Rahmen­     thema­tischen Gestalten verdichten und
                                               ›Freisinn‹, Traditionsbezug und Hoffnungston verschmelzen miteinan­      abschnitte führen die drängende Bewegung aus dem ersten Satz weiter            formale Situationen erkennbar ausprägen.
                                                                                                                                                                                                       Permanente Variation dient nicht im Sinne
Die langsame Einleitung zum ersten Satz,       der. Energisch wirkt das Thema, aber Schumann führt es verhalten,        und steigern sie zum Perpetuum mobile. Ihr Vorbild haben sie in der
                                                                                                                                                                                                       thematischer Arbeit der Weiterentwicklung
die erst nach dem Entwurf der anderen          fast graziös ein: Es ist steigerungs- und ausbaufähig. Das Seitenthema   vorletzten Nummer der ›Kreisleriana‹, der Klavierstücke, mit deren Titel       an der Oberfläche, sondern die Varianten
Teile entstanden war, beginnt ähnlich wie
                                               gewinnt seinen Effekt als Gegenkraft nicht durch ein anderes Profil,     und Gebaren der Komponist sich auf Erzählungen von E.T.A. Hoffmann             verbinden sich zu einer Bewegungsdrama-
die Vierte Symphonie mit der Suche nach
einem Thema, zwischen Dur und Moll             sondern eher durch den Verzicht auf scharfe Konturen: Es ist Bewe­       bezog. Deren Helden, den Kapellmeister Johannes Kreisler, einen Feuer­         turgie, die eigentlich den formalen
                                               gung, musikalischer Fluss; »es bildet gerade in seiner Offenheit einen   kopf und Bachverehrer, hatte der Dichter als Inbegriff romantischen            ­Zusammenhalt garantiert.
changierend.

Jon W. Finson, 2006
                                               Kontrast gegenüber der Festigkeit des Hauptthemas« (Reinhard Kapp).      Künstlertums erfunden; Schumann mochte seine eigene ungeduldige                Reinhard Kapp, 2005
                                               So gedrängt und konzentriert die gegensätzlichen Materialien in der      Seite in dieser Fantasiegestalt wiederfinden. Das erste Trio greift gestisch
                                               Exposition des Satzes vorgestellt werden, so breit und ausgiebig wer­    die Triolenbewegung aus dem raschen Hauptteil des Kopfsatzes auf.
                                               den sie in der Durchführung behandelt, für die Schumann auch Motive      Als Dialog zwischen Streichern und Holzbläsern erinnert es einerseits
CHRISTOPH ESCHENBACH - DO 06.12. BARTÓK KLAVIERKONZERT NR. 2 SCHUMANN SYMPHONIE NR. 2 - DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN
Zu den Werken                                10                                                                                                                                                   11    Die Künstler

                                                                                                                          —––

In dem durchführenden Zwischenspiel          an das barocke Gruppenkonzert, andererseits an die naturbezogenen
                                                                                                                          Die Künstler
des dritten Satzes, das im fugierten Stil    Passagen aus Felix Mendelssohns Musik zu Shakespeares ›Sommer­
gehalten ist, unterstreicht Schumann die
                                             nachtstraum‹. Das zweite Trio entwirft das Schattenbild eines romanti­       Christoph Eschenbach
Bach-Anklänge des Hauptthemas mit
einem weiteren Thema, das mit dem
                                             schen Chorals, in dessen Hauptstimme die Tonfolge B-A-C-H mehrmals           verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit dem DSO. Mit der Saison
­›Musikalischen Opfer‹ in Verbindung         eingearbeitet ist. Es nimmt damit einen musikalischen Typus aus der          2019|20 beginnt seine Amtszeit als Chefdirigent beim Konzerthaus­
 ­gebracht werden kann.                      Introduktion zum Kopfsatz auf, »ist wohl einer der Gesänge, von denen        orchester Berlin. Zuvor war er in entsprechenden Positionen beim Ton­
Jon W. Finson, 2006                          dann im Finale musikalisch die Rede sein wird; auch der feierlich-ge­        halle-Orchester Zürich (1982–86), der Houston Symphony (1988–99),
                                             hobene Ton wird dort wieder aufgegriffen werden« (R. Kapp).                  dem NDR Sinfonieorchester (1998–2004), dem Orchestre de Paris
                                                                                                                          (2000–10), dem Philadelphia Orchestra (2003-08) und dem National
                                             Das Adagio, das an dritter Stelle steht, entspricht der romantischen         Symphony Orchestra in Washington (2010–17) tätig, dessen Ehrendirigent
                                             Vorstellung einer Bach’schen Trauermusik. Schumann spielt auf die            er heute ist. 1999 bis 2002 war er außerdem Künstlerischer Leiter des
                                             ›Erbarme dich‹-Arie aus der Matthäus-Passion und auf die Triosonate          Schleswig-Holstein Musik Festivals. Er begann seine Karriere als Pia­
                                             aus dem ›Musikalischen Opfer‹ an – satztechnisch und in der Themen­          nist, widmete sich aber seit 1972 zunehmend dem Dirigieren. Weltweit
                                             gestalt. Doch deren charakteristische Merkmale waren bereits in der          arbeitet er mit führenden Orchestern zusammen. Eschenbach ist Ritter
                                             Einleitung zum ersten Satz vorgeformt. Geschichte wird ins aktuelle          der Légion d’honneur, Commandeur des Arts et des Lettres, Träger des
                                             musikalische Vokabular integriert. Die verschiedenen Bach-Referen­           deutschen Bundesverdienstkreuzes, er wurde mit dem Leonard Bern­
                                             zen deuten ein kompositorisches Bewusstsein an, dem die musikali­            stein Preis und 2015 mit dem Ernst-von-Siemens-Musikpreis geehrt.
                                             sche Vergangenheit als Objekt, als Spiegel, als Material und persönli­
                                             ches Ausdrucksmittel gegenwärtig ist.                                        Tzimon Barto
                                                                                                                          konzertierte zuletzt zur Saisoneröffnung 2017 mit dem DSO, ebenfalls
                                             Das Finale eröffnet Schumann mit einer markanten Geste des Auf­              unter der Leitung Christoph Eschenbachs. Der in Florida aufgewachsene,
                                             schwungs. Das Hauptthema, das ihr folgt, macht danach eine bemer­            an der New Yorker Juilliard School ausgebildete Pianist feierte seinen
                                             kenswerte Entwicklung durch; an ihrem Ende verwandelt es sich in ein         Durchbruch Mitte der 1980er-Jahre, als er auf Einladung Herbert von
Clara Schumann, 1853                         Zitat. Schumann hatte es schon in seiner Klavierfantasie op. 17 und in       Karajans im Wiener Musikverein und bei den Salzburger Festspielen
                                             seinem Streichquartett op. 41,2 verwendet. Es stammt aus Ludwig van          auftrat. Seitdem musiziert Barto mit den führenden Orchestern in Ame­
                                             Beethovens Liederzyklus ›An die ferne Geliebte‹, ist dort mit dem Text       rika und ­Europa. Er setzt sich für zeitgenössische Musik ein; 2006 rief
                                             verbunden: »Nimm sie hin denn, diese Lieder, die ich dir, Geliebte,          er mit dem Barto Prize einen Kompositionswettbewerb für Klavierwerke
                                             sang!« Schumann adressierte die einkomponierte Widmung an Clara.             ins Leben. Wolfgang Rihm widmete ihm sein Zweites Klavierkonzert.
Die Verknüpfung von Kunst und Leben          Sie war zur Zeit von Opus 17 die Frau, die er gegen den Widerstand           Barto spricht fünf Sprachen fließend und studiert Altgriechisch, Hebrä­
ist für das Verständnis von Schumanns        ihres Vaters heiraten wollte. Zur Entstehungszeit der Symphonie war          isch, Persisch und Chinesisch. Besonderes Interesse gilt der Literatur, der
Werken überaus wichtig. Obwohl ein
                                             sie seine Gattin, sie hatten schwierige Monate hinter sich. Im Klage­        er sich in philosophischen Texten, Romanen und Gedichten widmet.
­ausgesprochenes Programm fehlt, ist die
 poetische Absicht der Musik nicht miss­     charakter des Adagio drückte sich auch Schumanns eigene Leidensge­
 zuverstehen, und man kommt an der           schichte aus, im Schlussstück die Überwindung. Den Zusammenhang              Das deutsche symphonie-orchester berlin
 ­Verbindung zur Biographie Schumanns        unterstrich er durch das zweite Finalthema; es ist im Kern der neu be­       hat sich in den über 70 Jahren seines Bestehens durch seine Stilsicher­
  nicht vorbei. In diesem Zusammenhang
                                             leuchtete Hauptgedanke des Adagio. Damit ist dramaturgisch die ent­          heit, sein Engagement für Gegenwartsmusik sowie durch seine CD- und
  muss vor allem das Beethovenzitat im
  Finale gesehen werden. Es gehört zu den
                                             scheidende Wende vollzogen, Trauer ins Heitere, potenziell in Freude         Rundfunkproduktionen einen international exzellenten Ruf erworben.
  Themen, die große emotionale und sym-      verwandelt. Das aufgehellte Adagio-Thema verbindet Schumann mit              Gegründet 1946 als RIAS-, wurde es 1956 in Radio-Symphonie-Orches­
  bolische Bedeutung für Schumann hatten.    der Triolenbewegung aus dem ersten Trio zum Scherzo, die ihrerseits          ter Berlin umbenannt. Seinen heutigen Namen trägt es seit dem Jahr
  Wie es sich allmählich als das heraus­     wieder auf den ersten Satz zurückgeht. Sie wird zur Fanfare geweitet         1993. Ferenc Fricsay, Lorin Maazel, Riccardo Chailly und Vladimir
  ragende triumphale Element zu erkennen
                                             und führt damit das Choralsignal der Bläser aus dem Anfang der Kopf­         ­Ashkenazy definierten als Chefdirigenten in den ersten Jahrzehnten die
  gibt – und dies in einem Satz, dem es an
  Gesten des Triumphs nicht mangelt –
                                             satz-Introduktion fort. So sind Momente aller Sätze in das Finale ein­       Maßstäbe. Kent Nagano wurde 2000 zum Künstlerischen Leiter beru­
  ­verweist auf eine tiefere Bedeutung.      bezogen, das sich damit sinnfällig als ihr großes Ziel bestätigt. Dort, wo   fen. Von 2007 bis 2010 setzte Ingo Metzmacher mit progressiver Pro­
                                             dem Formprozess nach die Reprise einsetzt, erscheint nicht das An­           grammatik Akzente im hauptstädtischen Konzertleben, Tugan Sokhiev
Linda Correll Roesner, 1988
                                             fangsthema, sondern das Beethovenzitat, die Widmung an Clara. Sie ist        folgte ihm von 2012 bis 2016 nach. Seit 2017 hat der Brite Robin Tic­
                                             nun zur Hauptsache, zum inneren Fluchtpunkt einer langen sympho­             ciati die Position als Chefdirigent des Orchesters inne. Das DSO ist ein
                                             nischen Entwicklung geworden.                                                Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH.
13                         DSO intern

                                                                            Ein Programm der Kontraste

              Das Konzert
                                                                                      Christoph Eschenbach über das heutige Konzert

                                                         DSO: Maestro Eschenbach, in der Saison 2016|17              wichtig. Wichtig ist, aus den gedruckten Noten
                                                         interpretierten sie mit Tzimon Barto und dem DSO            Musik zu machen.

               im Radio
                                                         die beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms.             DSO: Bei Brahms’ Erstem Klavierkonzert wählten Sie
                                                         In dieser Spielzeit führen Sie in gleicher Konstellation    und Barto seinerzeit ein deutlich langsameres
                                                         alle drei Klavierkonzerte von Béla Bartók auf. Sie          Tempo als andere Interpreten. Dadurch wurden
                                                         schätzen die Konzentration auf einen Komponisten            manche Erkenntnisse zutage gefördert, die sonst
                                                         in einer Saison?                                            nicht zustande gekommen wären. Bei Bartók könnte
                                                         Christoph Eschenbach: Ja, wenn man die Mög­                man in den Tempovarianten nicht so weit gehen …
                                                         lichkeit dazu hat, ist das hervorragend. Die intensive     Eschenbach: Das braucht man auch gar nicht. Wir
                                                         Beschäftigung mit einem größeren Ausschnitt aus            sind mit den Zeitmaßen, die wir wählen, sehr nahe
                                                         dem Œuvre eines Komponisten verleiht auch der              an Bartóks Angaben. Seine Tempi sind in diesem
                                                         Interpretation des einzelnen Werkes mehr Hinter­           Konzert sehr elementar.
                                                         grund und mehr Prägnanz.                                   DSO: Sie kombinieren Bartóks Zweites Klavierkon­
                                                         DSO: Sie und Barto beginnen mit dem Zweiten, dem           zert mit Schumanns Zweiter Symphonie. Die Unter­
                                                         pianistisch anspruchsvollsten der drei …                   schiede fallen ins Ohr. Erstaunlich ist dann aber die
                                                         Eschenbach: Anspruchsvoll sind sie alle. An tech­          Nähe der beiden Komponisten in ihrem grundsätz­
                                                         nischen Herausforderungen stehen das Erste und             lichen Denken, in ihrem Verhältnis zur Geschichte,
                                                         das Zweite einander in nichts nach. Sie sind auch in       zu Bach.
                                                         kurzem Abstand nacheinander entstanden. Das Dritte         Eschenbach: Natürlich spielen wir heute ein Pro­
                                                         ist dann das lyrischere, stärker »landschaftliche« im      gramm der Kontraste, das ist ganz klar. Mir liegt die
                                                         Bunde. Es zählt zu den letzten Werken des Kompo­           Zweite Symphonie von Robert Schumann sehr am
                                                         nisten.                                                    Herzen, besonders ihr langsamer Satz: Das ist für
                                                         DSO: Bartók gibt in seinen Partituren die Tempi mit        mich einer der schönsten romantischen langsamen
                                                         Metronomzahlen und die Dauer eines Satzes oder             Sätze, die es gibt. Auch Bartóks Konzert ist mir sehr
                                                         Abschnitts in Sekunden genau an. Haben diese               nahe, ich habe es als Pianist oft gespielt. Tzimon
Konzert
                                                         Vorschriften heute noch dieselbe Verbindlichkeit,          Barto hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv
Sonntag bis Freitag, 20.03 Uhr                           die man brauchte, als die Werke neu waren?                 mit Bach auseinandergesetzt. Er hat die ›Goldberg-
                                                         Eschenbach: Nein, das glaube ich nicht. Es verhält
Oper                                                                                                                Variationen‹ eingespielt – in der Fassung von Fer­
                                                         sich hier ähnlich wie bei Beethovens Metronoman­           ruccio Busoni, einer großartigen Übertragung dieses
Samstag, 19.05 Uhr                                       gaben. Wenn Beethoven so und so viele Halbe pro            Werkes auf die Möglichkeiten des modernen Kla­
                                                         Minute als Zählzeit angibt, dann weiß man: Der             viers. Jüngst hat er die beiden Bände des Wohltem­
                                                         Puls ist in halben Noten zu denken und zu empfin­          perierten Klaviers aufgenommen, in einer freien,
                                                         den. Aber ob man nun, sagen wir, 72 oder 76 Halbe          nicht traditionell-historischen Weise. Da begegnet
                                                         pro Minute wählt, ist meiner Meinung nach voll­            man etwa einem langsamen Präludium, aus dem
                                                         kommen sekundär. Wir leben in einer anderen Zeit           ­bereits Schumann hervorzuklingen scheint. Die
                                     Aus Opernhäusern,   als Beethoven. Wir leben auch in einer anderen Zeit         Musik hat sich in ihrer Geschichte immer wieder
                                                         als Bartók. Die Zwanzigerjahre des 21. sind nicht           selbst befruchtet. Schumann beschäftigte sich viel
                                     Philharmonien       die Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts. Jede               mit Bach, in Fughetten, den BACH-Fugen und vie­
                                     und Konzertsälen.   Epoche hat ihren Puls. Aber selbstverständlich sind         len anderen Klavierstücken, aber auch in einem
bundesweit und werbefrei             Jeden Abend.        Bartóks Angaben sehr ernst zu nehmen. Ob man sie            großen Orchesterwerk wie der Zweiten Symphonie.
DAB+, Kabel, Satellit, Online, App
                                                         allerdings akribisch genau mit der Uhr oder mit den
deutschlandfunkkultur.de
                                                         Schlägen des Metronoms befolgt, finde ich nicht so         Die Fragen stellte Habakuk Traber.
Das Orchester                      14

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Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Chefdirigent und   1. Violinen                Bratschen              Flöten             Hörner
Künstlerischer     Wei Lu                     Igor Budinstein        Kornelia           Barnabas Kubina
Leiter             1. Konzertmeister          1. Solo                Brandkamp          Solo
                   N. N.                      Annemarie              Solo               N.N.
Robin Ticciati
                   1. Konzertmeister          Moorcroft              Gergely Bodoky     Solo
                   Byol Kang                  1. Solo                Solo              Ozan Çakar
Ehemalige
                   Konzertmeisterin           N. N.                  Upama Muckensturm stellv. Solo
Chefdirigenten                                stellv. Solo           stellv. Solo
                   Hande Küden                                                         Georg Pohle
Ferenc Fricsay †   stellv. Konzertmeisterin   Verena Wehling         Frauke Leopold    Joseph Miron
Lorin Maazel †     Olga Polonsky              Leo Klepper            Frauke Ross       Antonio Adriani
Riccardo Chailly   Isabel Grünkorn            Andreas Reincke        Piccolo
                                                                                       N. N.
Vladimir           Ioana-Silvia Musat         Lorna Marie Hartling
Ashkenazy                                                            Oboen
                   Mika Bamba                 Henry Pieper                              Trompeten
Kent Nagano                                                          Thomas Hecker
                   Dagmar Schwalke            Birgit Mulch-Gahl      Solo               Joachim Pliquett
Ingo Metzmacher                                                                         Solo
                   Ilja Sekler                Anna Bortolin          Viola Wilmsen
Tugan Sokhiev                                                                           Falk Maertens
                   Pauliina Quandt-           Eve Wickert            Solo
                   Marttila                                                             Solo
Ehrendirigenten                               Tha s Coelho           Martin Kögel
                   Nari Hong                                         stellv. Solo       Heinz
Günter Wand †                                 Viktor Bátki                              Radzischewski
                   Nikolaus Kneser                                   Isabel Maertens    stellv. Solo
Kent Nagano
                   Michael Mücke              Violoncelli            Max Werner         Raphael Mentzen
                                              Mischa Meyer           Englischhorn
                   Elsa Brown                                                           Matthias Kühnle
                   Ksenija Zečević            1. Solo
                                              N. N.                  Klarinetten
                   Lauriane Vernhes                                                     Posaunen
                                              1. Solo                Stephan Mörth
                                                                     Solo               András Fejér
                   2. Violinen                Dávid Adorján                             Solo
                                              Solo                   Thomas Holzmann
                   Andreas Schumann                                  Solo               Andreas Klein
                   Stimmführer                Adele Bitter                              Solo
                                              Mathias Donderer       Richard
                   Eva-Christina                                     Obermayer          Susann Ziegler
                   Schönweiß                  Thomas Rößeler         stellv. Solo       Rainer Vogt
                   Stimmführerin              Catherine Blaise       Bernhard Nusser    Tomer Maschkowski
                   Johannes Watzel            Claudia Benker-                           Bassposaune
                   stellv. Stimmführer
                                                                     N. N.
                                              Schreiber              Bassklarinette
                   Clemens Linder             Leslie Riva-Ruppert                       Tuba
                   Matthias Roither           Sara Minemoto          Fagotte            Johannes Lipp
                   Stephan Obermann                                  Karoline Zurl
                   Eero Lagerstam             Kontrabässe            Solo               Harfe
                   Tarla Grau                 Peter Pühn             Jörg Petersen      Elsie Bedleem
                                              Solo                   Solo               Solo
                   Jan van Schaik
                                              Ander Perrino          Douglas Bull
                   Uta Fiedler-Reetz
                   Bertram Hartling
                                              Cabello                stellv. Solo       Pauken                           Der perfekte Ein- oder Ausklang
                                              Solo                   Hendrik Schütt     Erich Trog
                   Kamila Glass               Christine Felsch       Markus Kneisel     Solo                      ist 3 Minuten von der Philharmonie entfernt.
                   Marija Mücke               stellv. Solo           Kontrafagott       Jens Hilse
                   Elena Rindler              Gregor Schaetz                            Solo
                                              Gerhardt Müller-
                                              Goldboom                                  Schlagzeug
                                              Matthias Hendel                           Roman Lepper
                                              Ulrich Schneider
                                                                                        1. Schlagzeuger            QIU Restaurant & Bar im The Mandala Hotel am Potsdamer Platz
                                                                                        Henrik Magnus                     Potsdamer Strasse 3 | Berlin | 030 / 590 05 12 30
                                              Rolf Jansen                               Schmidt
                                                                                        stellv. 1. Schlagzeuger
                                                                                                                                            www.qiu.de
                                                                                        Thomas Lutz
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Fortsetzung des
Bartók-Zyklus                                         Konzerteinführungen
                                                      Zu allen Symphoniekonzerten in der Philhar­
So 2. Juni 2019 | 20 Uhr | Philharmonie
                                                      monie – mit Ausnahme der Casual Concerts –
Bartók Klavierkonzert Nr. 1
                                                      findet jeweils 65 Minuten vor Konzertbeginn
Tschaikowski ›Francesca da Rimini‹
                                                      eine Einführung mit Habakuk Traber statt.
Bartók Klavierkonzert Nr. 3
CHRISTOPH ESCHENBACH
Tzimon Barto Klavier                                  Kammerkonzerte
                                                      Ausführliche Programme und Besetzungen
                                                      unter dso-berlin.de/kammermusik
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Die nächsten Konzerte                                 Karten, Abos und Beratung
                                                      Besucherservice des DSO
                                                      Charlottenstraße 56 | 2. OG
Fr 7. Dez | 20 Uhr | Villa Elisabeth
                                                      10117 Berlin | am Gendarmenmarkt
Ensemblekonzert der Akademisten
                                                      Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 –18 Uhr
Werke von Debussy, Hindemith, Strauss u. a.
                                                      Tel 030. 20 29 87 11 | Fax 030. 20 29 87 29
ROBIN TICCIATI
                                                      tickets@dso-berlin.de
Hugo Ticciati Violine
Akademisten und Mitglieder des DSO

So 9. Dez | 17 Uhr | Villa Elisabeth
                                                      Impressum
Kammerkonzert
                                                      Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Werke von Dvořák, Puccini, Ravel u. a.                in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin
in Bearbeitungen für vier Violinen                    im rbb-Fernsehzentrum
ENSEMBLE DES DSO                                      Masurenallee 16 – 20 | 14057 Berlin
                                                      Tel 030. 20 29 87 530 | Fax 030. 20 29 87 539
Sa 15. Dez | 14 Uhr | Philharmonie                    info@dso-berlin.de | dso-berlin.de
So 16. Dez | 20 Uhr | Philharmonie
                                                      Chefdirigent Robin Ticciati
Händel ›Messias‹ – Oratorium für Soli, Chor
                                                      Orchesterdirektor Alexander Steinbeis
und Orchester (Szenische Einrichtung)
                                                      Orchestermanager Sebastian König
ROBIN TICCIATI
                                                      Künstlerisches Betriebsbüro
Louise Alder Sopran | Magdalena Kožená Mezzosopran
                                                      Moritz Brüggemeier, Barbara Winkelmann
Tim Mead Countertenor | Allan Clayton Tenor           Orchesterbüro Konstanze Klopsch, Marion Herrscher
Florian Boesch Bass | RIAS Kammerchor                 Marketing Tim Bartholomäus
Ahmed Soura Tänzer | Ben Zamora Lichtdesign           Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Benjamin Dries
Frederic Wake-Walker Regie                            Musikvermittlung Linda Stein (Elternzeitvertretung)
                                                      Programmhefte | Einführungen Habakuk Traber
So 16. Dez | 12 Uhr | Haus des Rundfunks              Notenarchiv Renate Hellwig-Unruh
Kulturradio-Kinderkonzert – Open House ab 10.30 Uhr   Orchesterwarte Burkher Techel M. A.,
Werke von Charpentier, Corelli, Vivaldi               Shinnosuke Higashida, Kai Steindreischer
und europäische Weihnachtslieder
                                                      Texte | Redaktion Habakuk Traber
RODERICK SHAW
                                                      Redaktion Benedikt von Bernstorff
Rundfunk-Kinderchor Berlin und Mädchenchor            Artdirektion Preuss und Preuss GmbH | Satz Susanne Nöllgen
Canta Chiara | Christian Schruff Moderation           Fotos Monica Menez (Titel), Frank Eidel (DSO), Eric Brissaud
                                                      (Eschenbach), Malcolm Yawn (Barto), DSO-Archiv (sonstige)
Mi 19. Dez | 20 Uhr | Philharmonie                    © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2018
Saint-Saëns Violinkonzert Nr. 3
Ravel ›Tzigane‹ für Violine und Orchester             Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist ein Ensemble
                                                      der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin.
Bartók Tanz-Suite
                                                      Geschäftsführer Anselm Rose
Strauss Suite aus ›Der Rosenkavalier‹
                                                                                                                     Preis: 2,50 ¤

                                                      Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik
CRISTIAN MĂCELARU
                                                      Deutschland, Land Berlin, Rundfunk Berlin-Brandenburg
Joshua Bell Violine
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