Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation - BDI Leitfaden - Die Industrie auf dem Weg in die "Rechnerwolke"
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Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die »Rechnerwolke«
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing 3 Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ Vorwort – Neue Marktchancen durch Cloud Computing Cloud Computing wird die digitale Transformation von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat in den nächsten Jahren weiter intensivieren. Die eigenen Stärken in diesem Wandel auszubauen und globale Markt- führerschaften zu erschließen ist das erklärte Ziel der deutschen Industrie. Mit Blick auf die 18. Legislaturperiode möchten wir Perspek- tiven aufzeigen für eine zukunftsorientierte Politik – im Schulterschluss mit Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Der vorliegende Leitfaden klärt über Entwicklungen des An die Politik gerichtet adressieren wir acht Handlungs- Cloud Computings und deren Auswirkungen auf Unter- felder, die für eine erfolgreiche Entwicklung cloudbasier- nehmen und die gesamte Wirtschaft. Ein Schwerpunkt ter Ökosysteme in Deutschland und Europa entscheidend liegt auf der Sicht von Anwendern, die als Kunde von sind. Wir setzen auf ein starkes europäisches sowie in- Clouddiensten konkret profitieren: Über Verbesserungen ternationales Engagement der Politik, das der grenzüber- in den IT-Prozessen, den Geschäftsprozessen und -model- schreitenden Dimension von Cloud Computing Rechnung len sowie in der Stärkung ihrer Energieeffizienz. trägt. Informationssicherheit, Fragen der Interoperabilität und Zertifizierung, Compliance, Breitbandversorgung so- Cloud Computing kann auch dazu beitragen, traditionelle wie die Zusammenarbeit aller Akteure sind weitere He Wertschöpfungsketten durch dynamisch organisierte rausforderungen. Produktionsnetzwerke zu verändern. Der Leitfaden in- formiert über Chancen für einzelne Branchen sowie die Damit knüpfen wir an das Acht-Punkte-Programm der Wirtschaft insgesamt. Die engen Bezüge zu gesellschafts- Bundesregierung an, die digitale Kernbereiche wie das relevanten Themen werden sichtbar – von der Gesund- Cloud Computing nachhaltig stärken will. Gemeinsam heits- und Energieversorgung bis zu einer bürgernahen, kann dies gelingen – im koordinierten Zusammenwirken öffentlichen Verwaltung. aller Betroffenen in Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Ihr Dr. Hermann Rodler Vorsitzender BDI Ausschuss Digitale Wirtschaft, Telekommunikation und Medien.
4 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ Inhaltsverzeichnis Vorwort – Marktführerschaft durch Cloud Computing ................................................................................................................... 3 Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................................................................................... 4 Zusammenfassung .................................................................................................................................................................................... 6 I. Aufbruch in die Rechnerwolke......................................................................................................................................................... 8 1. Cloud Technologien – Paradigmenwechsel der IKT ............................................................................................................. 8 a) Clouddienste als Infrastruktur, Plattform und Software.............................................................................................. 9 b) Organisationsformen und regionale Differenzierung................................................................................................... 9 2. Basis für neue Betriebs- und Wertschöpfungsprozesse...................................................................................................... 10 a) Nutzen für interne Unternehmensprozesse .................................................................................................................. 10 b) Potenziale für Wertschöpfungsprozesse......................................................................................................................... 10 3. Wachstumspotenzial am Standort Deutschland . ............................................................................................................... 10 a) Wirtschaftswachstum durch Cloud Computing........................................................................................................... 11 b) Perspektiven für Deutschland und Europa.................................................................................................................... 11 4. Erfolgsfaktoren aus Anwendersicht........................................................................................................................................ 12 a) Sicherheit und Vertrauen................................................................................................................................................... 12 b) Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ............................................................................................................................... 12 II. Politik für cloudbasierte Wertschöpfung .................................................................................................................................. 14 1. Internationale Koordinierung stärken................................................................................................................................... 14 a) Europäische und nationale Initiativen vorantreiben................................................................................................... 14 b) Internationale Gremienarbeit stärken............................................................................................................................ 15 2. Datenschutz, Informationssicherheit und Vertrauen fördern........................................................................................... 15 a) Datenschutz, Daten- und Informationssicherheit gewährleisten ............................................................................ 15 b) Vertrauen in Clouddienste als Standortvorteil ausbauen........................................................................................... 16 3. Interoperabilität & Standardisierung vorantreiben............................................................................................................ 18 a) Wettbewerb und Transparenz stärken............................................................................................................................ 18 b) Gemeinsame Standardisierungsvorhaben vorantreiben............................................................................................ 18 4. Rechtsrahmen und Vertragsgestaltung optimieren............................................................................................................. 18 a) Cloud-Rechtsrahmen einschließlich Immaterialgüterrechten ................................................................................. 18 b) Vertragswerke für Rechtssicherheit und Transparenz ............................................................................................... 18 5. Zertifizierung und Selbstverpflichtung stärken................................................................................................................... 19 a) Verfahrensbedingungen international klären............................................................................................................... 19 b) Selbstverpflichtung ermöglichen (»Cloud Code of Conduct«)................................................................................... 19 6. Branchenübergreifende Forschung und Kooperation stärken.......................................................................................... 19 a) Marktorientierte Cloudforschung ................................................................................................................................... 19 b) Orchestrierung von Wertschöpfungsnetzen.................................................................................................................. 20 7. Breitbandiges Internet flächendeckend ausbauen................................................................................................................ 20 8. Kommunikation verbessern für mehr Akzeptanz................................................................................................................ 20
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing 5 Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ III. Branchenfokus – Politik für cloudbasierte Anwendungen .................................................................................................. 21 1. Industrielle Fertigung und digitale Dienste........................................................................................................................... 21 a) Cloud als Basistechnologie für Industrie 4.0 ................................................................................................................ 21 b) Digitale Dienste der Zukunft ........................................................................................................................................... 21 2. Digital vernetzte Energieversorgung und Mobilität ........................................................................................................... 21 a) Intelligente Energiesteuerung durch Clouddienste...................................................................................................... 22 b) Intelligente Verkehrssysteme............................................................................................................................................ 22 3. Sicher vernetzte Gesundheitsversorgung ............................................................................................................................. 23 a) Cloud-Lösungen für Telematik und eHealth ................................................................................................................ 23 b) Akzeptanz für intelligente Dienste stärken................................................................................................................... 23 4. Öffentliche Verwaltung im Internet........................................................................................................................................ 23 a) Chancen nutzen – Sicherheitserfordernisse beachten................................................................................................. 24 b) Kooperationen stärken – Strukturen anpassen ........................................................................................................... 24 5. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ........................................................................................................................... 24 a) Wettbewerbsvorteile für KMU durch Cloud.................................................................................................................. 24 b) Barrieren für Cloud im Mittelstand abbauen................................................................................................................. 24 6. Kreativ- und Unterhaltungsindustrie...................................................................................................................................... 24 a) Cloudbasierte Dienste als künftiger Standard.............................................................................................................. 25 b) Digitale Transformation vorantreiben............................................................................................................................ 25 7. Bildungsangebote in der Cloud................................................................................................................................................. 25 a) Chance für Schule und Hochschule................................................................................................................................. 25 b) Lehr- und Lernchancen erschließen............................................................................................................................... 25 IV. BDI Agenda für Cloud Computing................................................................................................................................................. 26 1. Handlungsempfehlungen für cloudbasierte Wertschöpfung............................................................................................. 26 2. Handlungsempfehlungen im Anwenderfokus...................................................................................................................... 27
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing 7 Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ Zusammenfassung Die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) vollziehen einen Paradigmenwechsel, der über die eigene Branche weit hinausreicht. Cloud Computing kann die industrielle Wertschöpfung und mithin die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltig beeinflussen. Das Potenzial wird auf bis zu 250 Milliarden Euro zusätz- licher Wertschöpfung und 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze im Jahr 2020 in der EU geschätzt. Grundlage für den Erfolg der Clouddienste bildet das Vertrauen in die IT-Sicherheit und Datenschutz. Die Cloud steht für eine innovative Weiterentwicklung von Eckpfeiler sind ein verlässliches EU-Datenschutzrechts- IKT-Komponenten wie Speicherkapazitäten, Internettech- regime sowie Anreize für marktorientierte Sicherheits- nologien und Software in einem neuen Gesamtprodukt. lösungen. Zu unterscheiden ist nach Clouddiensten als Infrastruk- turen, Plattformen und Software. Sie ermöglichen, dass • Interoperabilität ist wichtig für funktionierenden Wett- Unternehmen kapitalintensive IKT wie Rechenleistung, bewerb in der Cloud. Deshalb setzt der BDI auf offene Speicher und Anwendungen über das Internet beziehen Schnittstellen und internationale Standards, die die An- und nach individueller Nutzung abrechnen. Testoptionen, schlussfähigkeit erhöhen und die Portabilität von Daten geringere Eintritts- und Wartungskosten, verkürzte Mi- auch im internationalen Datenverkehr erleichtern. grationszeiten und Updates können die Flexibilität ins- besondere von KMU erhöhen. Innovative Lösungen für • Ein koordiniertes, starkes Engagement deutscher Poli- IT-Sicherheit und Energieeffizienz werden geboten. Auch tik in europäischen und internationalen Gremien ist be- können Unternehmen eigene IT-Lösungen über die Cloud deutsam, um die Rahmenbedingungen für einen fairen weltweit vermarkten. Wettbewerb zu verbessern, auch mit Blick auf Standar- disierungsfragen. Cloud Computing gewinnt in vielen Anwendungsfeldern hohe Relevanz: Von cloudbasierten Lösungen im Gesund- • Für Cloudkunden müssen einschlägige Vorschriften im heitssystem über intelligente Verkehrssysteme bis zu Smart Betriebsablauf einfach erfüllbar sein (»Compliance«). Grids. Sie können über kooperative Netzwerke zu verän- Dazu können verständliche Musterverträge beitragen. derten Organisation von ganzen Wertschöpfungsnetzen Cloudrelevante Vorschriften müssen praktikabel sein, führen. Für die Vernetzung von Geschäfts- und Produkti- auch im Bereich des Immaterialgüterrechts. onsprozessen in Unternehmen und ihrer Umgebung – auch »Industrie 4.0« – sind Clouddienste Basis und Treiber. • Zertifikate und Selbstverpflichtungen erhöhen die Vergleichbarkeit von Clouddiensten und können das Der BDI hat ein ehrgeiziges Ziel: Deutschland soll zum Vertrauen in Anbieter stärken. Eine ausgewogene Kom- Leitmarkt und Leitanbieter cloudbasierter Wertschöpfung munikation ist eine weitere Voraussetzung, um die Ak- werden. Dafür bilden die Stärken der deutschen Industrie zeptanz für Clouddienste insgesamt zu fördern. eine optimale Grundlage: Zuverlässigkeit und Sicherheit von Produkten sowie die diversifizierte Aufstellung der • Zuverlässige Breitbandversorgung bildet die Basis für mittelständisch geprägten Wirtschaft mit hoher Innovati- sämtliche Clouddienste. Der zügige Ausbau braucht Re- onskraft. Der BDI empfiehlt der Politik in Berlin und Brüs- gulierung für Investitionen und Wettbewerb. sel, Cloud Computing zu stärken. Darum geht es: • Die Entwicklung einer vertrauenswürdigen und sicheren Cloud ist unabdingbar und sollte als Stand- ortvorteil gefördert werden, etwa auch für Dienste der öffentlichen Verwaltung mit sensiblen Datenverkehren.
8 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ I. Aufbruch in die Rechnerwolke Vierzig Jahre nach Einzug der Informationstechnologien in Unternehmen vollzieht die industrielle Wertschöpfung eine neue Transformation. Wie frühere Umbrüche wird auch dieser von einer technologischen Innovati- on eingeläutet – der Cloud, der Rechnerwolke. Ihr Erfolg wird abhängen von der Akzeptanz der industriellen Anwender, des Staats und der Ge- sellschaft insgesamt. Fundament ist das Vertrauen in die Sicherheit. Die »Erfindung« von Cloud Computing ist auf zahlrei- 1. Cloud Technologien – Paradigmenwechsel der IKT che Innovationen der Informations- und Kommunika Mit Cloud Computing beziehen Unternehmen als Anwen- tionstechnologien zurückzuführen: Komplexe Software, der ihre IT-Ressourcen in dem Umfang über das Internet, leistungsfähige Speicherkapazitäten, hochmoderne Da- den sie konkret für ihre Zwecke benötigen: Sie bezahlen tenleitungen und schnelle Internetzugänge. All dies sind nur für die tatsächliche Nutzung. Eigene kapitalinten- Bestandteile eines Cloud Wertschöpfungsclusters. Des- sive IT-Kapazitäten wie Rechenzentren, Speicher- oder sen Wachstum wird für die nächsten Jahre weltweit auf Betriebssysteme werden nicht mehr oder nur noch einge- bis zu 50 Prozent pro Jahr prognostiziert. In Deutschland schränkt benötigt. Umgekehrt können Cloudanbieter über könnte der Umsatz von 3,1 Milliarden Euro im Jahr 2012 große IT-Kapazitäten erhebliche Skaleneffekte erzielen, auf 9 Milliarden Euro im Jahr 2017 steigen. Ein weltwei- von denen ihre Kunden profitieren. Dabei bildet ein hohes ter Umsatz von 57 Milliarden Euro bis zum Jahre 2015 ist Sicherheitsniveau eine wichtige Voraussetzung. möglich. Angebote aus der Cloud werden üblicherweise nach Diensteebenen sowie Organisationsformen und den Diese Wachstumsaussichten spiegeln die steigende Rele- Standorten der Cloud-Infrastrukturen unterschieden. vanz von Clouds in der deutschen Industrie: Der flexible Bezug von IT-Kapazitäten aus der Cloud stärkt insbeson- dere KMU. Atmende Betriebsprozesse werden unabhängig von kapitalintensiven IT-Ressourcen des eigenen Unter- nehmens. Überdies fördert die Vernetzung von Produk- tions- und Dienstleistungsprozessen in der Cloud neue Organisationsformen der industriellen Wertschöpfungs- Marktvolumen kette. Die EU-Kommission erwartet deshalb eine zusätz Cloud Computing in Deutschland liche Wertschöpfung durch Cloud Computing in der EU von bis zu 250 Milliarden Euro im Jahre 2020 – und bis zu 2,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze. 2017 Deutschland soll zum Leitmarkt und Leitanbieter cloud- basierter Wertschöpfung der Zukunft werden. Dafür bil- den die Stärken der deutschen Industrie eine optimale Grundlage: Zuverlässigkeit und Sicherheit von Produkten – und die diversifizierte Aufstellung der mittelständisch geprägten Wirtschaft mit hoher Innovationskraft. Der Ausbau einer leistungsfähigen Telekommunikationsinf- 1,9 2012 Wachstum 9 rastruktur ist die Voraussetzung internetbasierter Cloud- +36% p.a. Mrd. Mrd. dienste. Quelle: in Anlehnung an Cisco, 2011
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing 9 Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ a) Clouddienste als Infrastruktur, Plattform und Software ander verbunden. Standardisierte Angebote ermöglichen In sämtlichen Fällen des Cloud Computings werden IT- hohe Skaleneffekte auf Anbieterseite. Ressourcen über das Internet oder Intranet dem Anwender variabel zugeordnet. Typischerweise werden die Cloud- Die Private Cloud wird im Gegensatz zur öffentlichen dienste dabei in drei Servicekategorien unterteilt. Cloud ausschließlich für ausgewählte Nutzer eines Netz- werks betrieben, zum Beispiel Mitarbeiter, Kunden und Cloud als Infrastruktur (Infrastructur as a Service) Geschäftspartner eines Unternehmens. Management und »Infrastrukturen als Clouddienste« bieten die Möglich- Kontrolle werden innerhalb einer IT-Betriebsumgebung keit, IT-Ressourcen wie Rechnerleistungen und Speicher abgewickelt. Individuelle Ansprüche an Sicherheit und nach Bedarf vom Cloudanbieter zu beziehen. An Stelle in- Compliance lassen sich einfacher realisieren. Doch Ska- vestiver Anschaffungen wie IT Hardware greifen Kunden leneffekte fallen im Vergleich zur Public Cloud deutlich dabei auf virtualisierte Server zurück, die es ihnen ermög- geringer aus. Private Clouds werden üblicherweise über lichen, informationstechnologische Leistungen nutzungs- Intranetbrowser vermittelt. Ein Sonderfall ist die Virtual abhängig zu beziehen. Private Cloud. Hier werden abgeschirmte Clouddienste in einer Public Cloud über eine individualisierte IT-Umge- Cloud als Plattform (Platform as a Service) bung gesondert angeboten. Mit »Plattformen als Clouddienste« werden gemeinsam nutzbare Entwicklungsplattformen zur Verfügung gestellt. Als Mischform koppelt die Hybrid Cloud Angebote einer Unternehmen können auf dieser Grundlage eigene An- Private Cloud mit Diensten eine Public Cloud. So können wendungen programmieren und deren Vermarktung über Lastspitzen einer Privaten Cloud auf eine Public Cloud die Cloud organisieren. Ein dynamischer Austausch von ausgelagert oder das Dienstespektrum vertikal erweitert IT-Lösungen in der Plattform-Cloud fördert die Entwick- werden. lung und Verbreitung IT-basierter Innovationen. Regionale Differenzierung Cloud als Software (Software as a Service) Eine weitere Unterscheidung richtet sich nach der Frage, Clouddienste, die Software als Leistung über ein Netz zur wo Clouddienste erbracht werden und wo die Rechen- und Verfügung stellen, ermöglichen den laufenden Abruf von Netzressourcen verortet sind. Der Begriff einer »Deut- Diensten. An die Stelle des bislang üblichen, dauerhaf- schen Cloud« weist darauf hin, dass die notwendigen ten Erwerbs ganzer Lizenzpakete und aufwändiger Up- Infrastrukturen in Deutschland stehen, während Server grades treten transparent abrufbare Dienste auf Mietbasis. und Netze einer Europäischen Cloud aus dem gesamten Clouddienste als Software können darüber hinaus pers- europäischen Raum bezogen werden. pektivisch komplexe Steuerungssysteme für vollständige Geschäfts- und Produktionsprozesse übernehmen. Derar- tige Geschäftsprozesse als Clouddienste werden bereits als Verschiedene Möglichkeiten der Cloud-Nutzung eigenständige, vierte Kategorie diskutiert (Business Pro- cess as a Service). Einsatzmodell Dienstemodell b) Organisationsformen und regionale Differenzierung Weiteres Unterscheidungsmerkmal bei Clouddiens- Private Applications ten sind die Organisationsformen. Hier wird zwischen (SaaS) Öffentlichen und Privaten Clouds sowie Mischfor- men beider Typen differenziert. Auch die Standorte der I T-Cloudkomponenten werden kategorisiert. Platform Public (PaaS) Öffentliche und private Cloud Die Öffentliche Cloud (auch Public Cloud) ist für alle Nut- zer zugänglich: Der Cloudanbieter stellt hier Anwendun- Hybrid Infrastructure gen, Geschäftsprozesse oder Infrastrukturen öffentlich (IaaS) via Internet bereit, die die Kunden im gewünschten Um- fang beziehen und bezahlen. Dabei teilen Nutzer sich die Quelle: ORACLE, 2012 Clouddienste, sind jedoch organisatorisch nicht mitein-
10 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ Daneben deuten regionale Bezeichnungen einer Cloud auf Wieso ist der Nutzen von Cloud Computing für Unternehmen hoch? die Bündelung von Cloud-Komponenten und Dienstleis- tungen einer bestimmten Region hin. Solche Cloud-Clus- Erhöhte Flexibilität / Bedarfsgerechte Bereitstellung ter können eine besonders hohe, lokal getriebene Dynamik 90% entfalten. Entlastung der IT-Ressourcen / geringer Administrationsaufwand 77% Kosteneinsparungen / (Lizensgebühren bzw. HW-Ausgaben) 2. Basis für neue Betriebs- und Wertschöpfungsp rozesse 75% Gesteigerte mobile Verfügbarkeit Für anwendende Unternehmen bieten Clouddienste die 75% Chance, IT-Ressourcen auf allen Ebenen an die spezifi- Fördert die Standardisierung de IT schen Bedürfnisse anzupassen – von Infrastrukturen und 63% Betriebssystemen bis zur Software. Höhere Verfügbarkeitsgarantienn/ (als durch interne Bereitsstellung) 52% Erhöhte Sicherheit im RZ des a) Nutzen für interne Unternehmensprozesse Dienstleisters 45% Gerade für kleine und mittlere Unternehmen stärkt der Keine langfristige Bindung flexible Bezug von IT-Ressourcen gleichsam atmende Ge- an Dienstleister notwendig 28% schäftsprozesse, indem konjunkturelle und jahreszeitbe- Basis: 200 Unternehmen, Filter: wenn“sehr nützlich“ bzw. „nützlich“ genannt wurde dingte Schwankungen ausgeglichen werden können: Um Quelle: in Anlehnung an http://www.it-cloud-index.de, Cloud-Bericht Q2/2012, Seite 11 mögliche Lastspitzen abzufangen, müssen keine umfang- reichen IT-Ressourcen mehr vorgehalten werden. Mittels der höheren Flexibilität der IT können sich Cloudkunden Bezug von IT-Ressourcen und deren technische Adminis- besser auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren. Neue Ge- tration reduzieren sich überdies die Kosten für Wartung schäftsideen lassen sich oft schneller realisieren, weil IT- und Pflege. Mit sinkenden Kosten steigt die Flexibilität der Ressourcen maßgeschneidert bezogen werden. Zudem anwendenden Unternehmen. verfügen Cloudkunden stets über den neuesten Stand von IKT, ohne dass aufwändige Updates mit Ausfallzeiten an- b) Potenziale für Wertschöpfungsprozesse stehen. Die Verlagerung digital vernetzter Unternehmensprozesse in die Cloud ermöglicht neue, unternehmensübergreifende Darüber hinaus ermöglicht die Integration betriebsre- Partnernetzwerke. Über spezialisierte Plattformen kön- levanter Vorgänge in der Cloud ein engeres Zusammen- nen Branchen gebündelt angesprochen werden. Kunden wirken innerhalb des Wertschöpfungsprozesses von werden über die Cloud selbst zu Anbietern von Cloud- Unternehmen. So können Mitarbeiter und autorisierte Komponenten. Für spezialisierte Anbieter, die gerade im Personen ortunabhängig auf Unternehmensdaten zugrei- deutschen Mittelstand stark vertreten sind, eröffnen diese fen. Das fördert die effiziente Integration von Vertrieb, Geschäftsfelder neue, globale Absatzchancen. Marketing und Kundenservice in die Geschäftsprozesse. Derart eng miteinander verzahnte Prozesse können die Innovative Cloudmodule, wie sie beispielsweise im Rah- Innovationsfähigkeit von Unternehmen stärken. men des THESEUS-Projekts erprobt werden, bilden die Grundlage für innovative Steuerungsprozesse. Derartige Cloudlösungen sind überdies auf die aktive Einbindung Cloudmodule tragen entscheidend zur – auch als »Indust- von Gegenständen in die Betriebs- und Unternehmenspro- rie 4.0« bezeichneten – Systemintelligenz ganzer Produk- zesse ausgerichtet. Einzelne Produktionselemente können tions- und Wertschöpfungsprozesse bei. Unternehmen selbstständige Konfigurationen ausführen sowie auf ver- können eigene IT-Lösungen in Cloudplattformen erar- änderte Produktionsanforderung oder Wartungsbefehle beiten und weltweit in Echtzeit verfügbar machen. Das reagieren. Dies erlaubt eine hocheffiziente, flexible sowie schafft ein außerordentlich großes Potenzial für mehr sichere Gestaltung des Engineerings, industrieller Pro- Effizienz industrieller Prozesse. zesse – und mehr Ressourceneffizienz (»Smart Factory«). Im Ergebnis können Clouddienste die Organisationskos- 3. Wachstumspotenzial am Standort Deutschland ten in Unternehmen um bis zu 20 Prozent senken, die IT- Insgesamt wird der Markt für Cloud Computing in den Kosten sogar um 50 Prozent. Fixe Investitionen wandeln kommenden Jahren weltweit voraussichtlich deutlich sich zu variablen Betriebskosten, die in Höhe der konkret wachsen. Um diese Chancen in Deutschland und Europa benutzten IT-Ressourcen entstehen. Durch den externen zu nutzen, gilt es, die Standortbedingungen für Anbieter
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing 11 Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ und Anwender zu verbessern. Es muss darum gehen, of- fene Flanken zu erkennen, die richtigen Schwerpunkte zu Parallel dazu erarbeiten Fachverbände der IT-Unter- setzen und rasch zu handeln. nehmen und Anwender wie BITKOM, VDMA und ZVEI wichtige Grundlagen für die weitere Entwick- a) Wirtschaftswachstum durch Cloud Computing lung von Clouddiensten. Wichtige Formate bilden Mit den betriebswirtschaftlichen Chancen der Rechner- Leitfäden, etwa »Cloud Computing – Was Entscheider wolke gehen volkswirtschaftliche Wachstumseffekte wissen müssen« von BITKOM, nebst konkreten Be- einher. Am Standort Deutschland wurden mit Cloud Com- ratungsangeboten. Zudem hat gemeinsame Arbeit im puting im Jahre 2012 schätzungsweise 5,3 Milliarden Euro Rahmen des Nationalen IT-Gipfels hohe Relevanz. erwirtschaftet. Drei Milliarden Euro entfielen auf indus- trielle Anwendungen, 2,3 Milliarden Euro auf den priva- Initiativen der Politik ten Nutzerbereich. In den kommenden Jahren könnte sich Das Bundesministerium für Bildung und Forschung der Umsatz mit Clouds in Deutschland um bis zu 50 Pro- erklärte Cloud Computing in Rahmen der »HighTech zent erhöhen, und zwar jährlich. Der weltweite Markt für Strategie 2020« zum Ziel der Grundlagenforschung. Clouds könnte bis zum Jahre 2015 auf 57 Milliarden Euro Auch das Programm THESEUS schuf wichtige Aus- wachsen. gangspunkte für die künftige Organisation von Ge- schäftsbeziehungen in der Cloud. Eine große Chance für deutsche und europäische Anbie- ter ergibt sich daraus, dass künftig bis zu 80 Prozent aller Mit der Strategie »Deutschland Digital 2015« hat das Cloudumsätze über Plattformen und Servicedienste gene- BMWi eine cloudorientierte Politik skizziert. Das riert werden dürften. Mittelständisch geprägte IT-Unter- »Aktionsprogramm Cloud Computing« umfasste wei- nehmen – sie beschäftigen in Deutschland rund 70 Prozent tere Maßnahmen zur Cloud und adressierte Themen, aller Mitarbeiter im IT-Sektor – könnten eigene Dienste wie Datenschutz und Standardisierung in der Cloud. anbieten. Vielversprechend erscheint auch die Entwick- Als Meilenstein dieser Initiative wurde die »Trusted lung einer Business Cloud, die eine sichere Umgebung für Cloud«-Initiative ins Leben gerufen, die einer »Siche- Verfahren in Produktions- und Geschäftsabläufen zur ren Cloud – Made in Germany« über konkrete Anwen- Verfügung stellt. dungen zum Durchbruch verhelfen möchte. Um Deutschland als Leitmarkt für Cloudlösungen zu Die EU-Kommission gibt Impulse durch die Mitteilung etablieren, sollte beides gelingen: Gerade KMU über die zur »Integrierten Cloud-Strategie für die Europäische Chancen und Herausforderungen der Cloud zu informie- Union«. Hohe Relevanz entfaltet darüber hinaus die ren – und Anbieter über die Erwartungen und Ansprüche Initiative »Private Public Partnership für das Internet potenzieller Anwender. Überdies kann eine höhere Ak- der Zukunft« im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm, zeptanz auf Seiten der öffentlichen Verwaltung zum Erfolg über das wegweisende Projekte der Zusammenarbeit der Cloud in Deutschland beitragen. Der Markt für Infra- von Staat und Wirtschaft für Cloudanwendungen an- strukturdienste wird indessen heute von Großanbietern gestoßen wurden. aus den USA dominiert und gilt schon als weit entwickelt. Initiativen der Wissenschaft b) Perspektiven für Deutschland und Europa Die Wissenschaft hat erheblich dazu beigetragen, dass Deutschland und Europa haben die Chance, zum Leit- Cloud Computing heute als wesentlicher Trend wahr- markt und Leitanbieter für Clouddienste zu avancieren. genommen wird. Sehr wichtig sind etwa die Arbeiten Die Anstrengungen, um das zu erreichen, haben in den der Fraunhofer Gesellschaften sowie des Beraterkrei- vergangenen Jahren deutlich an Fahrt gewonnen: ses der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft. Auf EU-Ebene sind Initiativen wie ETP, NESSI und Initiativen der Wirtschaft RESERVOIR darauf aus, die Forschung von Soft- Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Cloudan- warediensten für eine virtuelle Ausführungsumge- geboten durch die Industrie, im Wesentlichen durch bung zu stärken. IT-Unternehmen, aber auch durch anwendende Unter- nehmen etwa im Maschinenbau und der Elektronik industrie. Zahlreiche Akteure sind in den Bereichen Plattform und Software erfolgreich tätig.
12 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ 4. Erfolgsfaktoren aus Anwendersicht Ausfall oder ein Datenleck könnte sich auf die gesamte Ge- Cloud Computing steht in den Startlöchern: Noch werden schäftstätigkeit auswirken. Dies gilt insbesondere, wenn nur knapp zwei Prozent aller IT-Ausgaben der Wirtschaft personenbezogene oder andere gesetzlich geschützte oder in öffentliche Clouds investiert. Doch bis zum Jahre 2025 wirtschaftlich sensible Daten eines Unternehmens betrof- könnten schon über 75 Prozent aller Daten über Cloud- fen sind. Integrität und Zuverlässigkeit der Cloudanbieter dienste laufen. Für viele Unternehmen stellt sich diese bilden über die rechtliche und vertragliche Absicherung Veränderung als ein evolutionärer Prozess dar – etablierte hinaus wesentliche Entscheidungskriterien für potenzielle Strukturen werden sukzessive angepasst. Cloudkunden. Neben den Chancen gibt es Herausforderungen, die über- b) Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zeugend gelöst werden müssen. Aus Sicht der Anwender Für den Einsatz in Unternehmen konkurriert die Cloud gehören Sicherheit, Performanz und Kosteneffizienz sowie mit oftmals gewachsenen »Leistungspartnerschaften« mit die Zuverlässigkeit, eine hohe Integrationsfähigkeit und IT-Unternehmen. Um zu überzeugen, müssen die Leis- Verfügbarkeit von Clouddiensten und die Optionen eines tungspakete aus der Cloud bei Software, Plattformen oder Anbieterwechsels zu den kritischen Erfolgsfaktoren. Diese Infrastrukturen den gewohnten Angeboten überlegen sein, Faktoren werden die Akzeptanz maßgeblich beeinflussen. gerade bei den Faktoren Kosteneffizienz, Qualität, Flexibi- lität und Innovationsstärke. a) Sicherheit und Vertrauen Vertrauen ist die Basis für den Erfolg. Deshalb bedarf es Kosteneffizienz & Performanz besonderer Anstrengungen auf Anbieterseite sowie Maß- Naturgemäß ist die Einsparung von IT-Kosten ein zentrales nahmen der Politik und Wirtschaft etwa im Rahmen von Entscheidungskriterium für Kunden. Die Preisgestaltung Zertifizierungsstandards. Die Sicherheit von Daten und für die Implementierung und den Betrieb muss transparent Informationen vor Angriffen, Unfällen sowie Missbrauch sein, nach Möglichkeit bis zur Aufschlüsselung von Posten hat für Cloud-Kunden der Industrie höchste Priorität. auf einzelne Unternehmenseinheiten. Ein professionelles Denn mit der Übertragung auf Clouddienste vertrauen Monitoring sowie Reporting der Kostenentwicklung durch anwendende Unternehmen bei der Abwicklung auch sen- Cloudanbieter kann die Akzeptanz stärken und zuverlässig sibler Geschäftsprozesse auf externe Dienstleister. Ein über Zertifikate nachgewiesen werden.
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing 13 Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ Für Anwender stehen überdies Verbesserungen von scheidend auf die Qualität einer flächendeckenden Breit- Produktions- und Geschäftsprozessen sowie neue Ge- bandversorgung ankommen. Regionen ohne zuverlässige schäftschancen im Vordergrund. Hier kann sich das Breitbandanbindung – leitungs- sowie funkgestützt – kön- gesamte Spektrum von Cloudangeboten, die weltweit ab- nen an den Chancen des Cloud Computing schlicht nicht rufbar sind, zum überzeugenden Argument entwickeln. teilhaben. Der Dienst aus der Rechnerwolke muss die spezifischen Vorteile einer ortsunabhängigen Integration von Be- Verbesserte Energie- und Ressourceneffizienz triebsprozessen und einer unternehmensübergreifenden Der Einsatz von Clouddiensten kann die Emission von Automatisierung zuverlässig erfüllen. Kohlenstoffdioxid (CO2) reduzieren. Denn eine opti- mierte Auslastung von IT-Kapazitäten, die gebündelt Auch für Branchenlösungen ist die Performance der Cloud von Cloudanwendern organisiert wird, vermeidet den anhand von Leistungsdaten darzustellen, beispielsweise millionenfachen Betrieb stromintensiver Kleinrechner in für das vernetzte Gesundheitswesen sowie für die Energie- Unternehmen. Überdies können Cloudanbieter emissi- versorgung. onssparende Lösungen leichter realisieren, beispielsweise durch die natürliche Kühlung von Rechenzentren in kal- Integrationsfähigkeit und Portabilität ten Regionen. Die Integrationsfähigkeit in die bestehenden IT-Systeme ist ein weiterer notwendiger Erfolgsfaktor. Dies gilt ins- Für die IKT-Branche ergibt sich daraus der Vorteil, dass besondere, wenn vollständige Geschäftsprozesse bis zur die Ökobilanz über Anwendungen insgesamt verbessert betrieblichen Organisation durch Clouddienste berührt werden kann. Laut der Studie SMART 2020 ermöglichen werden. Gerade KMU erwarten eine professionelle Bera- intelligente IT-Dienste unter Einbeziehung der Cloud, tung, welche Prozesse cloudtauglich sind und welche bei- CO2-Emissionen um bis zu 15 Prozent zu reduzieren. spielsweise autonom im Unternehmen verbleiben sollten. Cloud Computing kann mithin auch zum Gelingen der Energiewende beitragen. Ein wichtiger Entscheidungsaspekt für die Migration auf Clouddienste ist auch die Gewährleistung, dass Systeme grundsätzlich miteinander kombinierbar, ersetzbar und rückfahrbar auszugestalten sind (»Portabilität«). Wichtig ist überdies die Transparenz bei Zuständigkeits- und Haf- tungsfragen. Rechtssicherheit Das Potenzial von Cloud Computing kann erst ausge- schöpft werden, wenn wesentliche Rechtsaspekte für Anbieter ebenso wie für Nutzer im privaten und im öffentlichen Sektor hinreichend geklärt sind. Daher be- darf es eines gesetzlichen Rahmens, der diese Anforderun- gen ausgewogen regelt: von Datenschutz und Daten- bzw. Informationssicherheit sowie Urheberschutz bis hin zur Zertifizierung. Über einen solchen gesetzlichen Rechtsrahmen hinaus sollten dispositive Regelungen – etwa zu Haftungsfragen in der konkreten Anwendung – von den Vertragsparteien fair gestaltet werden. Die Rechtslage sollte den Cloudpart- nern in der Praxis verständlich und einfach zugänglich sein. Breitbandverfügbarkeit Unternehmen brauchen schnelle, sichere Internetan- schlüsse. Denn diese bilden die physische Voraussetzung für sämtliche Clouddienste. Für deren Erfolg wird es ent-
14 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ II. Politik für cloudbasierte Wertschöpfung Cloud Technologie steht für einen Paradigmenwechsel in der IKT-Bran- che. Europa und Deutschland können zum Leitanbieter und Leitmarkt für zuverlässige und sichere Clouddienste werden. Dafür muss die Politik in Berlin und Brüssel die richtigen Leitplanken setzen. Wertschöpfungscluster im virtuellen Raum ermöglichen beitragen, die deutsche Industrie im globalen Markt für mehr Wachstum und Beschäftigung. Für Deutschland sind Cloud Computing als Leitmarkt und Leitanbieter zu etab- innovative Netzwerke in der Cloud eine große Chance. lieren. Insgesamt sollte der internationalen Abstimmung Denn sie können die Organisation industrieller Produk eine höhere strategische Bedeutung beigemessen werden – tionsprozesse nachhaltig verbessern. dem Vorbild vor allem der USA, folgend. Grundlage sind die traditionellen Stärken am Standort a) Europäische und nationale Initiativen vorantreiben Deutschland: Hohe Glaubwürdigkeit bei Sicherheit, Zu- Strategien zum Cloud Computing sollten grenzüberschrei- verlässigkeit und Qualität sowie die Dynamik und Flexibi- tend forciert werden. International verabredete »Road- lität der auch mittelständisch geprägten Industriestruktur. maps« können Hürden beseitigen. Auf europäischer Die Politik ist gefordert, vor allem die Rechts- und Pla- Ebene ist die Digitale Agenda umzusetzen sowie die EU- nungssicherheit zu verbessern, Innovationen zu fördern Cloudstrategie zu konkretisieren. Im Fokus eines inter- und die internationale Koordinierung stärker in den Blick nationalen Engagements für Cloud sollten akzeptierte zu nehmen. technologische Standards sein, die den Wettbewerb unter Clouddiensten fördern. Nur so kann Abschottungstenden- zen begegnet und der Zugang zu Cloudmärkten verbes- 1. Internationale Koordinierung stärken sert werden. Proprietäre, geschlossene Systeme sollten zur Die europäische sowie internationale Mitgestaltung von Ausnahme im freien Markt von Clouddiensten werden. Rahmenbedingungen ermöglicht es, den Ansprüchen am Standort Deutschland auch international zu mehr Ge- Eine gemeinsame Standardisierung sollte auf hohe Qua- wicht zu verhelfen – etwa bei Management- und Rechts- litätsstandards abzielen. Dafür bieten sich Arbeiten in fragen sowie der IT-Sicherheit. Dies kann wesentlich dazu den europäischen Standardisierungsgremien wie ETSI Wichtige Standardisierungsorganisationen im Cloud Computing Auswahl Allgemein Cloud Computing IKT, Sonstige CSA ITU SNIA International OASIS IETF ISO Open Cloud Consortium tmforum DMTF USA NIST OpenGridForum The Open GROUP W3C Europa ETSI Euro Cloud enisa SaaS-EcoSystem DIN BITCOM Deutschland Euro Cloud Deutschland |eco Quelle: Analyse von Booz & Company und FZI
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing 15 Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ und EuroCloud an, die auch im internationalen Kontext Das Acht-Punkte-Programm der Bundesregierung bietet stärkeren Einfluss nehmen sollten. Wertvoll hierfür sind dafür gute Perspektiven. nationale Vorarbeiten etwa im Rahmen von DIN, Euro- Cloud Deutschland sowie auch einschlägiger Leitfäden a) Datenschutz, Daten- und Informationssicherheit von BITKOM. gewährleisten Die Sicherheit in der Cloud betrifft den Schutz sämtlicher Darüber hinaus ist die internationale Definition von Si- Daten in der Cloud vor Angriffen und Naturkatastrophen, cherheitskriterien zu beachten. Denn Sicherheit und Fehlern in der IT sowie unbefugten Eingriffen und Ein- Vertrauen dürfen nicht durch eine Nivellierung auf dem sichten. Besonders hohen Stellenwert hat der Umgang mit kleinsten gemeinsamen Nenner untergraben werden. personenbezogenen Daten im Sinne des Datenschutz- Es bedarf angemessener Standards. Und: Individuelle rechts. Überdies müssen alle sensiblen Daten für den Bemühungen der Unternehmen, über die gesetzlichen Geschäftsbetrieb angemessen geschützt werden. Anforderungen hinauszugehen, schaffen positive Ab- grenzungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern. Für die Datenschutz ambitioniert ausgestalten internationale Vergleichbarkeit sind gerade deshalb abge- Unternehmen müssen den Schutz von rechtlich abgesi- stimmte Rahmenbedingungen notwendig. Wichtiger Part- cherten, personenbezogenen Daten in der Cloud zwingend ner auf europäischer Ebene ist die ENISA. gewährleisten. Anwender wie auch Anbieter unterliegen dafür einer Vielzahl von Regelungen und Regelungsregi- b) Internationale Gremienarbeit stärken men, die sich insbesondere nach dem Ort der Datenver- Auf internationalen Foren kann es gelingen, den interna arbeitung richten. Für eine erfolgreiche Entwicklung des tionalen Rechtsrahmen – völkerrechtliche sowie bilaterale Cloud Computings ist ein Level-Playing-Field auf Euro- Abkommen – an die Erfordernisse des Cloud Computing päischer Ebene unabdingbar, das auch die internationa- anzupassen. Eine besondere Rolle für die Standardisie- len Verflechtungen des Cloud-Datenverkehrs angemessen rung spielen gegenwärtig die Internationale Telecommu- berücksichtigt. Mit Recht erwarten Anwender Klarheit nication Union (ITU) sowie ETSI (Technical Committee über für in der EU aktive Anbieter geltende Standards. Der CLOUD). EU-Grundverordnung zum Datenschutz muss praktikabel ausgestaltet sein und ein angemessenes Schutzniveau vor- Darüber hinaus ist ein abgestimmtes Engagement auch in sehen, um das Vertrauen in die Clouddienste – europaweit internationalen Industrieforen wichtig, etwa der Distri- – zu stärken. buted Management Task Force (DMTF) sowie des Open Cloud Consortium (OOC) und der Open Source Business Für Clouddienste, die allein innerhalb Deutschlands abge- Alliance (OSB). Weitere internationale Diskussionen be- wickelt werden, sind bislang die Regeln insbesondere des treffen beispielsweise das Safe Harbour-Abkommen, die Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) anwendbar. Dies gilt Zugriffsrechte US-amerikanischer Behörden im Rahmen vor allem für die Private Cloud sowie die Public German des Patriot Act und deren Auswirkung auf die Daten- Cloud. Danach stellt Cloud Computing einen Fall der Auf- schutzkonformität und Einhaltung einschlägiger Zertifi- tragsdatenverarbeitung nach § 11 BDSG dar. Das Gesetz kate im Ernstfall. unterscheidet zwischen der Datenverarbeitung als techni- schem Prozess und der inhaltlichen Nutzung. 2. Datenschutz, Informationssicherheit und Vertrauen Diese Regeln sind allerdings auf den klassischen Fall des fördern »IT-Outsourcings« ausgerichtet. Deshalb passen sie teil- Clouddienste basieren auf dem zuverlässigen Austausch weise nicht auf Cloud Computing. Bei Cloud überwiegen von Daten zwischen Anbietern und Anwendern. Für die nämlich standardisierte Angebote, die zudem oft kurzfris- Akzeptanz von Cloud Computing kommt es auf Sicherheit, tig beziehbar sein sollen. An die Stelle der Schriftlichkeit Integrität und Verfügbarkeit an. Gerade bei deutschen und tritt bei Clouddiensten in der Regel ein elektronischer Ver- europäischen Anwendern gibt es ein hohes Bewusstsein tragsabschluss. Schließlich erscheinen die umfänglichen für die Datenverantwortung und -kontrolle. Dieser An- Prüfpflichten des Auftraggebers – etwa der organisatori- spruch ist eine Chance für Anbieter am Standort Deutsch- schen und technischen Vorkehrungen beim Aufragnehmer land, die traditionell über eine hohe Reputation für – für Cloud kaum praktikabel. Diese Pflichten sollten ver- Sicherheit, Zuverlässigkeit und Vertrauen verfügen. Diese einfacht werden, etwa im Sinne einer Testat-Regelung, wie Reputation sollte die Politik als Standortvorteil erkennen. sie das Kompetenzzentrum Trusted Cloud vorschlägt.
16 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Cloud Computing Wertschöpfung in der digitalen Transformation BDI Leitfaden – Die Industrie auf dem Weg in die „Rechnerwolke“ Für Public Clouds, die meist über mehrere Staaten in- schaft könnte die aktuellen gesetzlichen Anforderungen nerhalb der Europäischen Union und weltweit betrieben an Informationssicherheit zusammentragen und prüfen, werden, sind derzeit zahlreiche Ländervorschriften zu inwieweit diese rechtlichen Anforderungen nach wie vor beachten. Dies führt zu Rechtsunsicherheiten und hohen Bestand haben sollten. Gegebenenfalls sollte auch geprüft Transaktionskosten sowohl bei Cloudanbietern als auch werden, wie mögliche Konflikte gelöst werden können. bei Kunden. Auch deshalb unterstützt der BDI das Vorha- Zum Nachweis der Normkonformität von Cloud-Lösun- ben der EU-Kommission, ein einheitliches Datenschutz- gen erscheint es hilfreich, Zertifikate zu etablieren. Ziel recht für die Europäische Union zu etablieren. Das hohe sollte es sein, Cloudkunden eine Orientierungshilfe bei der Schutzniveau muss für alle Anbieter gelten, die Dienste in Auswahl rechtskonform arbeitender und vertrauenswürdi- den EU anbieten (Marktortprinzip). ger Anbieter an die Hand zu geben. Maximale Praktikabilität, Transparenz und höchstmögli- b) Vertrauen in Clouddienste als Standortvorteil ausbauen che Vertraulichkeit – dieser Richtschnur sollte die EU-Ver- Sicherheit in der Cloud kann – jenseits der gesetzli- ordnung folgen. Die Verwendung pseudonymisierter und chen Anforderungen – zum zentralen Argument für anonymisierter Daten sollte grundsätzlich erlaubt bleiben. einen Wechsel in die Cloud avancieren. Clouddienste Die geplante Einführung praxistauglicher Corporate Bin- ermöglichen schon heute oft mehr Sicherheit, als un- ding Rules ist ein richtiger Ansatz, um den Datentransfer ternehmenseigene Rechner, Systeme und Rechenzent- innerhalb von Unternehmen bzw. der Private Cloud zu ren typischerweise leisten. Der konsequente Ausbau der vereinfachen. Erforderlich ist auch, dass Vorschriften zur Sicherheitskompetenzen in Deutschland, die an die hohe Public Cloud als »Auftragsdatenverarbeitung« in der EU Reputation bei Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit praktikabel gestaltet werden. Die Entwurfsregelungen der anknüpfen, kann das Vertrauen in Clouddienste fördern EU-Verordnung sind dafür noch nicht ausreichend. Insbe- und damit einen bedeutenden Standortvorteil schaffen. sondere ist eine stärkere Trennung der Verantwortlichkei- ten von Datenverarbeiter und Auftraggeber erforderlich, Sicherheit als Qualitätsmerkmal etablieren um gleichlaufende Pflichten mit zusätzlicher Bürokratie Um die Informationssicherheit von Clouddiensten zu stär- zu vermeiden. Ein positiver Abschluss der Datenschutz- ken, sollten Cloudanbieter in erster Linie selbst motiviert verordnung sollte noch in dieser Legislaturperiode des werden, hohe Schutzniveaus anzubieten. Ein hohes Daten- Europäischen Parlaments gelingen (bis April 2014). schutz- und Sicherheitsniveau muss transparent kommu- nizierbar werden, um das Vertrauen der Anwender in die Im internationalen Kontext muss darüber hinaus gewähr- Cloud zu rechtfertigen. Insbesondere Ansätze können die- leistet werden, dass Cloudanbieter innerhalb der Europä sen Weg sinnvoll begleiten: ischen Union nach einheitlichen Regen behandelt werden, insbesondere beim Umgang mit Rechenzentren und Diens- 1. Grundlegende Anforderungen an sichere Cloudinfra- ten, die außerhalb der EU angeboten werden. strukturen wie Rechenzentren und Plattformen sollten praktikabel und transparent gestaltet werden. Davon Sicherheit schutzbedürftiger Betriebsinformationen erfasst müssen auch die Beziehungen zu Subunter- Über den Schutz von personenbezogenen Daten hinaus nehmen sein sowie die Standards für die Entwicklung müssen Unternehmen eine Vielzahl weiterer Daten und sicherer Web-Applikationen. Eine Abstimmung auf Informationen vor unberechtigter Einsicht, unauthorisier- Europäischer Ebene kann dafür die richtigen Voraus- ter Veränderung und Missbrauch schützen. Der Schutz setzungen schaffen. von Informationen vor unzulässiger Weitergabe oder Zerstörung in Deutschland unterliegt dem allgemeinen 2. Der Zugang zu innovativen Sicherheitsapplikationen Sorgfaltsmaßstab des ehrbaren Kaufmanns im Sinne des als Security as a Service (SECaaS) für Cloudanwender Handelsgesetzbuches. Betroffen sein können Geschäftsge- sollte erleichtert werden. Als freiwilliges Angebot kön- heimnisse und Produktionsverfahren bis hin zu sensiblen nen derartige Apps zusätzliche Sicherheitsanforderung Wirtschaftsdaten und Verkaufszahlen. Auch steuerrechtli- von Kunden erfüllen sowie gegenüber herkömmlichen che Vorgaben zur Auffindbarkeit von Geschäftsdaten sind Rechenzentren höheren Schutz gewährleisten. Schnelle zu beachten. Aktualisierungen gegen Sicherheitslücken über die Cloud ermöglichen ein kontinuierlich hohes Daten- Für Cloudanbieter muss die Möglichkeit bestehen, die Er- schutzniveau, einschließlich sicherheitsrelevanter füllung sämtlicher Vorschriften zum Cloud Computing E-Mailverkehre in Unternehmen. klar nachzuweisen. Eine Facharbeitsgruppe aus der Wirt-
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