Container-hauptstadt - Was Basel mit dem Angebot Swiss Split von SBB Cargo zu tun hat.
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Das Schweizer Logistikmagazin 1 | 2021 Container- hauptstadt Was Basel mit dem Angebot Swiss Split von SBB Cargo zu tun hat. Ab Seite 4
BLICKFANG Für ein stabiles Netz: Transporte für Swissgrid Die Betonelemente warten darauf, tief unter der Erdoberfläche verbaut zu wer- den. Im Auftrag der italienischen Güterbahn Mercitalia transportiert SBB Cargo mit sieben Zügen insgesamt 532 Betonelemente von Domodossola (IT) nach Impressum Saint-Maurice im Wallis. Dort werden sie für eine unterirdische Hochspannungs- Das Logistikmagazin von SBB Cargo erscheint dreimal pro Jahr in Deutsch, Französisch leitung der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid verlegt. Weil die Tunnelbohr und Italienisch. maschine im Dauerbetrieb laufen muss, ist eine lückenlose Lieferkette match Redaktion SBB Cargo: Anouk Ilg, Peter Imfeld, Martina Riser, Miriam Wassmer, Robert Wildi entscheidend. Konzept und Realisation: Infel AG, Zürich Redaktion: Alexander Jacobi, Michelle Russi, Christine Spirig Projektleitung: Michelle Russi Gestaltung: Murielle Drack Lesen Sie mehr über die Swissgrid-Transporte im Blog unter: Übersetzungen: Sprachdienst SBB Druck: Hertig + Co. AG, Lyss http://tiny.cc/swissgrid Redaktionsadresse: SBB Cargo, Redaktion Logistikmagazin «cargo», Bahnhofstrasse 12, 4600 Olten, cargomagazin@sbbcargo.com Gesamtauflage: 4400 Exemplare Das Copyright liegt bei SBB Cargo. Der Abdruck von Artikeln ist mit Quellenangabe gestattet. Foto: SBB Cargo Bitte schicken Sie ein Belegexemplar an die Redaktionsadresse. Gratisabonnement auf sbbcargo.com/de/abonnement. Abonnieren Sie das «cargo»- Magazin schweizweit kostenlos, oder lesen Sie die Online-Version unter sbbcargo.com. Adressänderungen oder Löschung des Abonnements bitte an cargomagazin@sbbcargo.com. 2 SBB Cargo 1 | 2021
INHALT 4 – 9 Logistik-Fokus: Internationaler Containerverkehr Internationale Waren sollen über die grösstmögliche Distanz auf der Schiene transportiert werden. Erreichen lässt sich dieses Ziel mit der Anschlusslösung Swiss Split. Editorial 10 – 11 Auf einen Blick Digitale Prüflogik: Künftig funktioniert die technische Zuguntersuchung teilweise automatisiert. 12 – 15 Gipfeltreffen Mehr Automation für die Verlagerung? Ständerat 16 – 18 Innovation ganze Schweiz Josef Dittli und Güter- Mit getrennten Güter- bahnchefin Désirée Baer wagen will SBB Cargo ihre nehmen Stellung. Flotte allmählich ersetzen. Der grenzüberschreitende Güterverkehr funktio- Das steckt dahinter. niert auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie ohne Probleme. SBB Cargo investiert in Basel in 19 Objekt ein trimodales Terminal für den Import und Ex- Sie ist knallgrün, port, um Mengen zu bündeln und möglichst lange auf der Schiene zu transportieren. Im kombi empfindlich und nierten Verkehr geht es um die Zusammenarbeit einmalig. Die von Schiene und Strasse – wie dieses Zusammen- Zollplombe ist spiel im Detail funktioniert, lesen Sie in unse- rem Beitrag auf Seite 4. mehr als ein Stück Kunststoff Automation und Digitalisierung sind wichtig für am Wagen. SBB Cargo, um effizienter und damit wettbe- werbsfähiger zu werden. Seit Mai 2019 fährt die Güterbahn mit der automatischen Kupplung im kombinierten Binnenverkehr, Mitte 2021 werden 20 – 23 Kundensicht weitere Terminals angebunden. Um aber die Frage: Wie gelangen die gesamte Schweiz zu automatisieren, braucht es Stahlprodukte der Firma eine Umstellung auf einen Schlag, abgestimmt Panlog von Emmenbrücke mit Europa. Wie das gehen könnte, erfahren Sie in nach Lecco in Italien? der Rubrik Gipfeltreffen im Gespräch zwischen Antwort: in einem Ganzzug. Désirée Baer, CEO SBB Cargo AG, und Josef Dittli, Ständerat und Präsident VAP. 24 – 26 Mittendrin 27 Schotter Ich wünsche Ihnen eine angeregte Lektüre – Routine hat Fitim Badalli Eine neue Business Unit, bleiben Sie gesund! genug. Konzentration ein Emissionsreporting braucht der Reachstacker- und ein Wettbewerb – Miriam Wassmer Fahrer trotzdem, denn er wichtige Neuigkeiten auf Leiterin Kommunikation SBB Cargo hebt 45-Tonnen-Container. einer Seite. SBB Cargo 1 | 2021 3
LOGISTIK-FOKUS: INTERNATIONALER CONTAINERVERKEHR Swiss Split: möglichst lange auf der Schiene Wie gelangen Container aus Übersee in die Schweiz? Wie funktioniert die Feinverteilung in die Regionen? Und welche Rolle kommt dabei dem geplanten trimodalen Terminal Gateway Basel Nord zu? Wir stellen das Angebot Swiss Split vor. Text: Michelle Russi Fotos: Kostas Maros SBB Cargo 1 | 2021 5
LOGISTIK-FOKUS: INTERNATIONALER CONTAINERVERKEHR 25 Meter über dem Boden bereitet der Kranführer den Umschlag vor. und Strasse soll zu einem modernen Eingangstor für internationale Waren- ströme werden. Heute stehen im Gross- raum Basel mehr als ein halbes Dutzend Terminals für den Containerumschlag zur Verfügung, was die Koordination und Verteilung aufwendig und teuer macht. Zudem erfüllt keiner davon mo- derne Standards in der Bahnproduktion. Im GBN sollen mehrere Züge mit einer Länge von bis zu 750 Metern gleichzeitig verarbeitet werden. Das wäre schweiz- weit einzigartig und brächte grosse Vor teile für die Kunden von SBB Cargo mit sich. Fischer betont: «Der Ausbau der In- frastruktur in Basel ermöglicht die Ver- teilung sämtlicher Containermengen ab einem Standort in der Schweiz. Das B bringt für die Bahnunternehmen we- estellt ein Schweizer Detail- Ziel. Waren für Kunden ohne direkte händler Waren aus China, ist er Bahnanbindung bringt die Güterbahn «Wir zeigen, dass die automatisch in internationale Lieferket- ten eingebunden. Für Kunden wie ihn, in einen der regionalen KV-Terminals, wo sie für die letzte Meile auf den Lkw Feinverteilung auch die im Import- und Exportgeschäft tätig umgeschlagen werden. ökologischer geht.» sind, hat SBB Cargo das Angebot Swiss Bruno Fischer, Split entwickelt. Es handelt sich um eine Ausbau der Anlagen Leiter Kombinierter Verkehr, SBB Cargo AG Anschlusslösung für den kombinierten Obwohl eine Vielzahl der Schweizer Verkehr (KV) in der Schweiz, mit der eine Empfänger von internationalen Trans- direkte Anbindung an internationale porten einen eigenen Bahnanschluss sentliche Vereinfachungen und für die Transportketten gewährleistet wird. Die hat, baut SBB Cargo ihr Terminalnetz Kunden eine starke Flexibilisierung bei bestellten Waren gelangen in den meis- im ganzen Land aus. Im August 2020 der Planung ihrer Transporte.» ten Fällen auf dem Seeweg in einen der wurde in Widnau SG der zehnte von Wie der Leiter KV sagt, lohnen sich grossen Seehäfen Europas: Rotterdam, SBB Cargo betriebene KV-Terminal er- die Investitionen. Er ist überzeugt, dass Antwerpen, Hamburg oder in jüngs- öffnet. Damit stehen aktuell insgesamt die internationalen Lieferketten trotz ten Jahren vermehrt auch Mittelmeer- 16 Terminals zur Verfügung. Gemäss der Coronavirus-Pandemie bestehen häfen. Von dort werden sie per Schiff, Bruno Fischer, Leiter Kombinierter Ver bleiben und der interkontinentale Han- Bahn oder Lkw – je nach Hafen, Spedi- kehr, investiert man bewusst in die Ter- del keinen langfristigen Schaden neh- teur und Endkunde – nach Basel trans- minalinfrastruktur, um mehr Kunden men wird. «Obwohl die Pandemie die portiert, von wo aus die Feinverteilung ohne Anschlussgleis einen einfachen Zu Warenströme im Jahr 2020 kurzzeitig in die Schweiz stattfindet. gang zur Bahn zu ermöglichen. «Viele veränderte, haben die wenigsten Un- Und bei dieser Feinverteilung in die dieser Kunden lassen ihre Importe heute ternehmen ihre Produktionsstandorte Regionen setzt Swiss Split an. Ziel ist es, von Basel bis vor die Tür des Empfängers nach Europa zurückverlegt.» Es sei des- den Bahntransport zu fördern und die per Lkw transportieren. Mit unserem halb davon auszugehen, dass die Nach- Waren ab Basel so lange wie möglich auf Anschlussangebot zeigen wir ihnen, frage nach Waren aus Asien auch in Zu- der Schiene zu befördern. Dafür wer- dass es auch anders und vor allem öko- kunft gross sein werde. den die angelieferten Container in den logischer geht.» Basler Umschlagterminals aufgeteilt – Eine wichtige Rolle beim Aufbau Selbst für kurze Strecken «gesplittet», daher der Name «Swiss von Terminalanlagen spielt der geplante, Dass Swiss Split sogar für kurze Trans- Split» – und auf die Bahn verladen. Wa- neue Containerterminal Gateway Basel portwege genutzt werden und auch für ren für Kunden, die über ein eigenes Nord (GBN) in Basel (vgl. Box und Inter Lkw-Unternehmer ein interessantes Anschlussgleis verfügen, transportiert view auf S. 8–9). Der trimodale Termi- Geschäft sein kann, zeigt die Paul Leim- SBB Cargo direkt auf der Schiene ans nal mit Anbindung an Rhein, Schiene gruber AG, eine Kundin von SBB Cargo. 6 SBB Cargo 1 | 2021
LOGISTIK-FOKUS: INTERNATIONALER CONTAINERVERKEHR BASEL GOSSAU WIDNAU DIETIKON OENSINGEN BERN LANDQUART (RhB) CHAVORNAY SCHNAUS (TERCO SA) (RhB) SAMEDAN RENENS (RhB) ST-TRIPHON CADENAZZO GENF (CTG-AMT SA) LUGANO VEDEGGIO STABIO (PUNTO FRANCO) In der Schweiz stehen aktuell 16 Umschlagterminals für den kombi- nierten Verkehr zur Verfügung. 10 davon betreibt SBB Cargo selbst. «Fliegende» Container: Güterumschlag vom Schiff auf die Bahn im Containerterminal von Contargo in Basel. Sie wollen noch mehr Transporte auf die Schiene bringen: Martin Haller (SBB Cargo), Sebastian Furrer (Leimgruber) und Bruno Fischer (SBB Cargo) (v. l.). SBB Cargo 1 | 2021 7
LOGISTIK-FOKUS: INTERNATIONALER CONTAINERVERKEHR Für Schiene, Rhein und Strasse Gateway Basel Nord (GBN) ist ein geplanter nationaler Containerterminal in Basel mit Anbindung an Schiene, Rhein und Strasse. Damit sollen künftig 50 Prozent des internationalen Container- Die Lage am Rhein macht Basel zum idealen Leimgruber ist spezialisiert auf Strassentransporte. Neu verkehrs auf die Schiene setzt die Basler Firma aber auch auf die Bahn. Eingangstor für internationale Warenströme. verlagert werden. Heute ver- lassen nur circa 10 Prozent der Container die Hafenter- minals per Bahn. Realisiert Im November 2020 hat dieser Basler «Marktfähig» wird der trimodale Terminal Strassentransporteur einen Teil seiner Für Bruno Fischer von SBB Cargo ist die von der Gateway Basel Containertransporte von Basel ins Mit- Zusammenarbeit mit der Paul Leimgru- Nord AG und den Schweize- telland auf die Schiene verlagert. Weitere ber AG wegweisend: «Wenn ein Stras- rischen Rheinhäfen, und Transporte sollen folgen. Mit Swiss Split sentransporteur für kurze Strecken auf zwar in zwei Etappen. Bis fährt SBB Cargo die Container von Ba- die Bahn setzt, ist Swiss Split offensicht- Ende 2023 entsteht der bi- sel-Kleinhüningen über Nacht – mittels lich marktfähig.» Die kurzen Distanzen modale Terminal für Schiene Nachtsprung – in den rund 55 Kilometer in der Schweiz seien für die Weiterent- und Strasse, danach folgt entfernten KV-Terminal Oensingen. Ein wicklung des kombinierten Verkehrs bis Ende 2026 das Hafen Fahrer von Leimgruber holt die Contai- eine grosse Herausforderung. «Ist der becken 3 mit Anschluss an ner dort ab und bringt sie zum Endkun- Strassentransport zu einem Container- die Rheinschifffahrt. den. Mit dem Bahntransport reduziert terminal auch nur einige Kilometer zu Das Projekt erfuhr in den Leimgruber einerseits seine Strassen- lang, entscheiden sich noch immer viele letzten Jahren grosse Ver- kilometer und entlastet den Verkehr Kunden, die gesamte Transportstrecke zögerungen, unter anderem in der Region Basel. Anderseits erhöht mit dem Lkw zurückzulegen.» In Län- wegen Einsprachen von das Unternehmen die Produktivität der dern mit grösseren Transportdistanzen Naturschutzverbänden und eingesetzten Fahrzeuge und minimiert sei dies anders. Die Lösung liegt laut Fi- Wettbewerbern. Ende seine CO2-Emissionen. «Nicht nur bei scher in einer «engmaschigen» Vertei- November 2020 genehmigte uns, auch bei unseren Kunden wächst lung der KV-Terminals. Die Standorte das Basler Stimmvolk die das Bedürfnis nach nachhaltigen Trans- werden demnach so gewählt, dass die Finanzierung des neuen portlösungen», betont Sebastian Furrer, Distanz zum Kunden für den strassen- Hafenbeckens, nachdem zu- Leiter Containerlogistik bei Leimgruber. seitigen Transport im Vor- und Nach- vor bereits der Basler Grosse Zudem würden die Containerterminals lauf möglichst klein ist. Rat grünes Licht für das in Basel an ihre Kapazitätsgrenzen stos- Bauvorhaben erteilt hatte. sen, was Wartezeiten für die Fahrer und Auch die Eidgenössische folglich Kosten für das Unternehmen Wettbewerbskommission verursache. «Da kommt es uns natürlich hatte das Projekt gutge entgegen, die viel belastete Achse Basel– heissen. Hängig sind indes Oensingen per Bahn zu fahren.» aufgrund der genannten Einsprachen noch Plange- nehmigungs- und Förder- Lesen Sie das Kurzinterview mit Leimgruber im Blog unter: verfahren beim Bundesamt http://tiny.cc/leimgruber für Verkehr. 8 SBB Cargo 1 | 2021
LOGISTIK-FOKUS: INTERNATIONALER CONTAINERVERKEHR Von Basel in die Welt Zur Person SBB Cargo gehört zu den treibenden Kräften hinter dem geplanten Containerterminal Gateway Basel Nord. Verwaltungsrat Martin Haller nennt die Vorteile des Projekts und sagt, wo dieses aktuell steht. Interview: SBB Cargo Foto: Kostas Maros Wie können heutige und zukünftige Kunden vom werden. Aussenhandel, spe- Gateway Basel Nord (GBN) profitieren? ziell Import, wird für die Das Gateway wird die Transportketten vom See- Schweiz weiterhin existenz- hafen zum Empfänger (und umgekehrt für den notwendig sein. Und klima- Export) leistungsfähiger und kostengünstiger freundliche Transportketten machen. Grund dafür sind die hervorragende Lage werden mit dem «European direkt an der Landesgrenze und die moderne Green Deal» in Zukunft noch Infrastruktur. Für die Bahnen nimmt der Rangier- stärker in den Fokus rücken. Martin Haller ist Verwaltungs- aufwand mit dem GBN deutlich ab. Aber auch Eben weil wir noch nicht rat der Gateway Basel Nord Lkw werden auf eine schnellere Abwicklung und genau wissen, welche Trans- AG. Diese setzt sich aus den weniger Wartezeit zählen können. Die GBN- portwege, Behältertypen Logistik- und Transportunter- Kunden gewinnen aber auch Flexibilität. Durch usw. sich durchsetzen, ist die nehmen Contargo, Hupac das Zusammentreffen verschiedener Transport- flexible Aufstellung des und SBB Cargo zusammen. wege an einem Punkt, verbunden durch die Gateways ein grosses Plus. moderne Umschlagsanlage, können Spediteure den Weg ihrer Container vom GBN in die Welt Basel hat den Bau des hinaus sehr flexibel gestalten. Durch diese Vor- neuen Hafenbeckens teile erhoffen wir uns, alte und neue Kunden für genehmigt. Was sind die die Bahn zu begeistern und gleichzeitig den nächsten Schritte? Anschluss für die Schweizer Wirtschaft an die Wir sind sehr froh um den Vertrauensbeweis und Welt zu verbessern. den Rückenwind, den uns die Basler Bevölkerung mit auf den Weg gegeben hat. Wir verstehen das Weshalb ist gerade der Standort Basel Votum als Auftrag, eine moderne Logistik am interessant? Standort Basel Nord zu realisieren und gleichzeitig In Basel kommen die wesentlichen europäischen die sehr wertvolle Flora und Fauna des Projekt- Transportkorridore zusammen, die für den Import standortes möglichst zu erhalten und zu ersetzen. und Export der Schweiz relevant sind. Der schiff- Aktuell sind wir an der detaillierten Ausarbeitung bare Rhein endet hier, und Basel liegt direkt am unseres Naturschutzkonzeptes und werden es in europäischen Güterverkehrskorridor Rotterdam– Kürze beim Bundesamt für Verkehr – der Geneh- Genua. Es können sowohl die Gotthard- als auch migungsbehörde für das Projekt – eingeben. die Lötschbergachse angefahren werden. Ausser- dem finden sich im Raum Basel die für den inter- Das Projekt wird seit Jahren bekämpft. Wie nationalen Containerverkehr hoch relevanten zuversichtlich sind Sie, dass der trimodale Leercontainerdepots sowie weitere Unterneh- Terminal Ende 2023 in Betrieb geht? men, die vor- und nachgelagerte Dienstleistungen Im besten Fall könnte das Projekt im ersten Quartal erbringen. Basel ist sozusagen die Logistik- und 2022 mit der Realisierung beginnen, sodass die Containerhauptstadt der Schweiz. Nun braucht ersten Container gegen Ende 2023 umgeschlagen sie auch einen entsprechenden Hauptbahnhof werden könnten. Dies erfordert aber eine Verstän- an der NEAT. digung mit den beteiligten Fachbehörden und den Naturschutzverbänden. Gelingt uns diese Ver- Inwiefern hat die Coronavirus-Pandemie ständigung nicht, könnten einige Jahre mit juristi- die Anforderungen an den GBN verändert? schen Verfahren ins Land gehen. Dies wäre be- Die Pandemie hat natürlich Überlegungen hin- dauerlich, zumal uns die Belange des Naturschutzes sichtlich der globalen Lieferketten ausgelöst. auch wichtig sind. Wir würden unsere Mittel Warenströme sind kurzzeitig deutlich eingebro- lieber in eine gute Lösung für die Natur investieren chen. Grundlegende Mechanismen des globalen als in Rechtsverfahren. Ausschliessen lässt sich Handels bzw. der Arbeitsteilung werden aber auch eine mehrjährige Verzögerung Stand heute aber dadurch nicht völlig über den Haufen geworfen definitiv nicht. SBB Cargo 1 | 2021 9
AUF EINEN BLICK Wozu die technische Zuguntersuchung? Güterzüge Gewährleistet Lauf Gewährleistet digital prüfen fähigkeit und geschlossene Türen Betriebssicherheit und Verschlüsse Im Rahmen ihres Automatisie- Technische Zuguntersuchung rungsprogramms entwickelt heute SBB Cargo eine digitale Prüflogik. Sie soll die bisher manuell SBB CFF FFS Cargo erfolgte technische Zugunter suchung teilweise automatisieren. Dies erhöht die Zuverlässigkeit Durch Mitarbeiter und die Kundenzufriedenheit. am Güterwagen Text: Alexander Jacobi Infografik: Pia Bublies Technische Zuguntersuchung in Zukunft: digitale Prüflogik Leitstelle Cargo Zugvorbereitung «Digitaler Zwilling» jedes einzelnen Güterwagens Streckenseitige Messsysteme (Wayside Intelligence): Analyse der Bild- und Nutzung bereits bestehender 0 Sensordaten mit digitalen Zugkontrolleinrichtungen, 0 0 Hilfsmitteln, Priorisierung z. B. zur Ortung heiss gelau- 1 0 1 1 1 der Massnahmen fener Radlager 1 0 1 0 0 0 0 0 1 0 1 0 1 1 Bild- und 0 0 0 1 Sensordaten 01 1 0 Kameras zur 0 0 1 Schadenserkennung 1 1 1 0 0 1 0 1 0 1 1 Sensordaten 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 01 0 1 0 0 0 0 1 0 1 Daten von durchgeführten Kontrollen und über den Zustand jedes einzelnen Güterwagens und seiner Beladung 1 1 0 1 1 1 1 0 1 0 Massnahmen, z. B. erkannten Schaden an einem Güterwagen verifizieren oder fällige Wartung einleiten 10 SBB Cargo 1 | 2021
AUF EINEN BLICK Gewährleistet Mindestens einmal Deckt Mängel und vorschriftsgemässe pro Tag und zudem Schäden am Beladung und nach jeder Beladungs- Güterwagen auf gesicherte Ladung änderung Mitarbeiter läuft alle Kontrolle manuell/visuell Güterwagen ab ohne digitale Unterstützung Nutzen der digitalen Prüflogik Keine systematische (tägliche) visuelle technische Zuguntersuchung vor Ort mehr nötig Gezielter Einsatz der menschlichen Fähigkeiten Erhöhung der Betriebs- und der Arbeitssicherheit Digitale Dokumentation des Wagen Waggonseitige Messsysteme (Asset Intelligence), zustands und der Kontrollen nur bei einem Teil der Güterwagen vorhanden: Ermöglichung einer zustands abhängigen Wartung (so spät wie Türkontakte Temperaturüberwachung möglich, aber so früh wie nötig) Erhöhung der Kundenzufriedenheit, Ladegutüberwachung Bremsüberwachung da weniger Ausfälle von Güterwagen auf der Strecke Erschütterungssensoren Mitarbeiter mit mobilem Gerät (z. B. Tablet) führt am Güterwagen nur 0 1 noch spezifische Kontrollen durch: 1 0 Hochauflösende Fotos der Güterwagen 1 1 0 0 0 1 Checklisten 0 1 zum Abarbeiten 0 Informationen 0 1 0 aus dem Datenzentrum 0 SBB Cargo 1 | 2021 11
GIPFELTREFFEN «Automation unterstützt Verlagerung auf die Schiene» Désirée Baer, CEO SBB Cargo, und Josef Dittli, Ständerat und Präsident des Verbands der verladenden Wirtschaft, im Gespräch über die Zukunft des Schweizer Schienengüterverkehrs. Eines ist sicher: Es braucht die Automation – je schneller, desto besser. Interview: Robert Wildi Fotos: Daniel Winkler 12 SBB Cargo 1 | 2021
GIPFELTREFFEN Herr Dittli, blicken wir fünf Jahre in die Zukunft. 100 Jahren gekuppelt. Damit die technische Auf- Wo sollte der Schienengüterverkehr aus Ihrer rüstung auf automatisierte Kupplungen und Sicht 2026 stehen? Bremsprüfungen gelingt, braucht es neben diesem Josef Dittli: Ich wünsche mir, dass Digitalisierung Konzept auch finanzielle Anreize, um aus dem und Automatisierung im Schienengüterverkehr Pilotprojekt in ein alltagstaugliches System für alle bis zu diesem Zeitpunkt so weit entwickelt und Güterbahnen wechseln zu können. fortgeschritten sind, dass die Wettbewerbsfähig- Baer: Wir haben bei SBB Cargo noch vor den euro- keit gegenüber der Strasse nochmals deutlich päischen Bewerbern mit eigenen Mitteln bereits besser ist. Es wäre wünschenswert, dass die Bahn in die Entwicklung solcher Systeme investiert. ihren Kunden mithilfe dieser Innovationen qua Dafür haben wir ein unternehmerisches Risiko auf litativ noch hochwertigere und schnellere Logis- uns genommen im Wissen, dass es nur funktio tiklösungen bieten kann, die preislich vertretbar nieren wird, wenn alle übrigen Akteure auf Dauer bleiben. Immer mit dem übergeordneten Ziel, die mitziehen. Aber dafür braucht es einen Konsens. Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse Auch deshalb sind für uns die beiden Motionen von auf die Schiene weiter zu beschleunigen. Herrn Dittli so hilfreich und wichtig. Frau Baer, haben Sie mitnotiert? Schafft SBB Cargo diese Vorgaben bis 2026? Désirée Baer: Was die Digitalisierung unserer Pro- «Der Bund soll nicht alles zesse betrifft, bin ich absolut zuversichtlich. Wir bezahlen, aber eine Anschub- verfügen über die Systeme und Lösungen und können den Fahrplan für die Umsetzung weit finanzierung ist gefragt.» gehend selbst bestimmen. Auch was die Automa- Josef Dittli, Ständerat und Präsident VAP tisierung betrifft, verfolgen wir einen ambitio nierten Zeitplan. Wir sprechen hier primär von der flächendeckenden Einführung der automati- schen Kupplungen sowie der Bremsprobe. Da Also soll der Bund jetzt übernehmen, die der Schienengüterverkehr grenzüberschreitend Umsetzung in die Wege leiten und idealerweise ist, sind wir hier bei der Umsetzung indes von auch bezahlen? anderen Protagonisten abhängig. Dazu gehören Dittli: Auf keinen Fall soll der Bund alles bezahlen. die Wagenhalter, Kunden, aber auch zahlreiche Aber eine Anschubfinanzierung ist schon gefragt, europäische Akteure. Da liegt viel Arbeit vor der um SBB Cargo und die Partner hier nicht im Branche. Dass wir bis in fünf Jahren all dies unter Regen stehen zu lassen. Dazu soll der Bund abge- einen Hut bringen, ist ein sportliches Ziel. Wohl stimmt mit Europa solide Rahmenbedingungen etwas zu sportlich. für diese Innovation schaffen und die wichtigen Protagonisten und Akteure gemeinsam an einen Fehlen dazu auch die finanziellen Mittel? Tisch bringen. Baer: Natürlich stellt sich auch die Geldfrage. Damit die Automatisierung im europäischen Schienen- Obschon Ihre Motion zum Thema «Automatisie- güterverkehr funktioniert, braucht es jedoch primär rung» im Nationalrat mit 136 zu 50 Stimmen eine länderübergreifende Harmonisierung der angenommen wurde, gab es auch ablehnende Systeme. Und zwar auf den Zeitpunkt X. Wir Stimmen, die der Förderung des Schienen reden hier also von einem Big Bang, der notwendig, güterverkehrs keinerlei Bundesgeld zubilligen aber höchst anspruchsvoll ist. wollen. Können Sie diese verstehen? Dittli: Nur bedingt, denn Investitionen in moderne Was die automatischen Wagenkupplungen Kupplungs- oder Bremsprüfungssysteme führen betrifft, laufen in Europa viele Bestrebungen. ja letztlich zu massiven Kostensenkungen, da der In einer Ihrer beiden Motionen, Herr Dittli, Schienengüterverkehr damit gegenüber der Stras- fordern Sie den Bundesrat auf, die entspre- se viel effizienter und in der Folge konkurrenz chende Transformation auch in der Schweiz zu fähiger wird. Diese Anschubfinanzierung kann beschleunigen. Wie soll das funktionieren? also eine Dynamik ins Rollen bringen, die letzt- Dittli: Sehr rasch braucht es zunächst einmal ein lich auf das staatlich definierte Verlagerungsziel Konzept, wie man die entsprechende Umrüstung hin zur Schiene einzahlt. Damit tun wir auch in der Schweiz vorantreibt und europäisch kom- etwas zur Erreichung des Klimaschutzziels, das patibel macht. Heute werden die Bahnwagen im vorsieht, dass die Schweiz ab 2050 keine Treib hiesigen Güterverkehr noch immer wie vor hausgase mehr ausstösst. SBB Cargo 1 | 2021 13
GIPFELTREFFEN Die Gesprächspartner Damit sprechen Sie gleich Ihre zweite Motion an, die den Bund auffordert, dem Parlament einen Massnahmenplan vorzulegen, wie der Bahngüterverkehr und multimodale Logistik lösungen stärker zur Senkung des CO2-Aus- stosses im Güterverkehr beitragen können. Sie wurde ohne eine Gegenstimme angenommen. Frau Baer, was macht SBB Cargo heute bereits für den Klimaschutz? Baer: SBB Cargo kann und will auf zwei Arten zum Klimaschutz beitragen. Wir beziehen heute Strom, der zu 90 Prozent aus erneuerbaren Ener- gien (Wasserkraft) produziert wird. Und wir set- zen uns zum Ziel, so rasch wie möglich ein klima- neutrales Unternehmen zu werden. Um das zu schaffen, müssen wir kurz- und mittelfristig auch unsere Dieselloks, die noch verbreitet auf der letz- ten Meile zum Einsatz kommen, durch Hybrid- Josef Dittli sitzt seit 2015 für den Kanton Uri im und E-Loks ersetzen. Auch das kostet Geld, das wir Ständerat. Der FDP-Politiker ist unter anderem zuerst verdienen müssen, um es investieren zu Präsident des Verbands der verladenden Wirtschaft können. Auf der anderen Seite stellen wir der (VAP). Im Mai 2020 reichte Dittli zwei Motionen zum Schweizer Wirtschaft ein System zur Verlagerung Schienengüterverkehr im Parlament ein: Die erste zur Verfügung, das hilft, den CO2-Ausstoss des Motion verlangt, dass der Anteil an CO2-ärmeren Gütertransportes zu senken. Wenn Güter auf der Transportlösungen im Güterverkehr gesteigert wird. Schiene transportiert werden, braucht dies sieben- Mit der zweiten Motion möchte Dittli die Finan mal weniger Energie und stösst elfmal weniger zierung von technischen Neuerungen im Bereich Klimagase aus. Und dazu brauchen wir auf der Automation gezielt fördern. Beide Motionen wurden Schiene siebenmal weniger Fläche. angenommen. Désirée Baer ist seit März 2020 CEO von «Ohne die Politik wäre es SBB Cargo. Ab Anfang 2017 war sie Chefin der Securitrans, die mit knapp 1000 Mitarbeitenden für noch schwieriger, in Innova- Sicherheit in Bahnhöfen und auf Baustellen sorgt. tionen zu investieren.» Zuvor war sie während sieben Jahren Mitglied der Désirée Baer, Geschäftsleitung von SBB Infrastruktur und dort CEO SBB Cargo AG für verschiedene Bereiche zuständig, darunter Flottenmanagement, Produktion, Logistik, Einkauf, Verkauf und IT. Baer ist diplomierte Betriebswirt- Dittli: Deshalb muss SBB Cargo nach betriebswirt- schafterin HSG und verfügt über Führungserfahrung schaftlichen Prinzipien funktionieren und Rück- aus der Unternehmensberatung und als Geschäfts- stellungen für Investitionen ansparen können. führerin eines Start-ups. Wenn dies nur über hohe Preise geschieht, dann bleibt die Schiene gegenüber der Strasse im Nach- teil. Darum sage ich nochmals, dass ich mir über die Motionen mehr Engagement vom Bund wünsche, um dem Schienengüterverkehr die so dringend not- wendigen technischen Fortschritte zu ermöglichen. Als Konsequenz hätten wir mehr Effizienz auf der Schiene und dadurch sinkende Kosten. Die Ein- sparungen kann man einerseits zum Teil an die Kunden weitergeben, anderseits für Investitionen nutzen – eine positive Spirale im Sinne der so notwendigen Verlagerung auf die Schiene. 14 SBB Cargo 1 | 2021
GIPFELTREFFEN Kämpfen auf verschiedenen Bühnen für dieselben Ziele: Güterbahnchefin Désirée Baer und Ständerat Josef Dittli. Müsste der Bund zur Erreichung der Klimaziele Dittli: Ich wünsche mir ganz fest, dass alle Prota zusätzlich nicht auch die Verursacher des gonisten der Branche, ob Schiene oder Strasse, die Klimawandels stärker in die Pflicht nehmen? grossen Herausforderungen der Zeit als Chance Dittli: Das geschieht ja bereits über das beschlos- sehen. Dass sie sich zusammenraufen und unter- sene CO2-Gesetz. Gleichwohl lehne ich als stützt von der Politik gemeinsam nach zukunfts- liberaler Politiker einen Systemwandel über Sub- trächtigen Lösungen suchen. Wir vom VAP bieten ventionen ab. Die Verkehrsverlagerung auf die gemeinsam mit dem Cargo Forum Schweiz dazu Schiene soll nicht mittels einer gesetzlich verord- schon lange eine offene Plattform an. Dies mit neten Umverteilung stattfinden, sondern über dem übergeordneten Ziel, den Kunden qualitativ Anreizsysteme und den technischen Fortschritt. hochwertige Dienstleistungen zu bieten, die zahl- bar bleiben und dank beliebig gestaltbarer Ver- Bezüglich Verlagerung herrscht das grösste knüpfung von Rhein, Strasse und Schiene unser Potenzial wohl im Binnenverkehr. Klima maximal schützen. Ich träume weiter da- Baer: Das stimmt. Im Transitgüterverkehr werden von, dass wir 2026 schon viel weiter sind als heute. schon heute rund 80 Prozent des Volumens über (lacht) die Schiene abgewickelt, worauf wir stolz sein dür- fen. Im Binnenverkehr ist es genau umgekehrt, da Frau Baer, was wünschen Sie sich ist die Schiene bei einem Marktanteil von knapp von der Politik? 20 Prozent. Das hat einerseits mit der Wett Baer: Ich wünsche mir, dass die beiden für bewerbsfähigkeit zu tun. Je kürzer die Distanzen, SBB Cargo wertvollen und deutlich angenomme- desto unattraktiver sind wir preislich gegenüber nen Motionen von Herrn Dittli auch tatsächlich der Strasse. Anderseits haben sicher auch die Ver- gute Resultate zur Folge haben werden. Ich wün- lagerungsanreize, die im Transitverkehr etabliert sche mir, dass der Bund eine Justierung bei den wurden, ihren Anteil am hohen Modal Split. Rahmenbedingungen vornimmt, da diese gegen- Dittli: Auch diese Aussage untermauert genau die wärtig nicht mit den politischen Erwartungen Notwendigkeit der technischen Aufrüstung. Denn kongruent sind, die an uns gestellt werden. Aber je kosteneffizienter SBB Cargo zum Beispiel auch vor allem möchte ich der Politik danken, dass sie die Ost-West-Achse innerhalb der Schweiz bedie- uns in dieser schwierigen Zeit unterstützt hat. nen kann, desto mehr Kunden wechseln, und desto Ohne diese Unterstützung wäre es noch schwieri- schneller wird die zurzeit komplett überstrapa- ger, Investitionen in Innovationen ins Auge zu zierte Strasse zugunsten der Umwelt entlastet. fassen – zugunsten eines wettbewerbsfähigen und klimaschonenden Güterverkehrs auf der Schiene. Schlussfrage. Herr Dittli, welchen wichtigsten Wunsch richten Sie an die Güterverkehrsunternehmen? SBB Cargo 1 | 2021 15
INNOVATION Was rollt da auf uns zu? Der konventionelle Güterwagen hat es schwer: Er ist alt, die Branche und die Kundenbedürfnisse ändern sich, und der Lkw ist ein innovations- starker Konkurrent. Die neue Generation Güterwagen soll deshalb aus einem standardisierten Unterbau und flexiblen Oberbauten bestehen. Text: Michelle Russi Fotos: Tomas Nyitray, SBB Cargo 16 SBB Cargo 1 | 2021
INNOVATION S ie sind in die Jahre gekommen, die Güterwagen von SBB Cargo. Einige sind über 50 Jahre alt und haben ihren Zenit längst überschritten. Norma- lerweise werden Güterwagen nämlich für einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren gebaut. Anstatt viel Geld in die Revi- sion der Wagen zu investieren, will SBB Cargo den Grossteil ihrer Flotte bis 2030 ersetzen – und zwar mit soge- nannt getrennten Güterwagen. Diese Oben links: Der bestehen aus einem standardisierten erste Verlad des Unterbau mit einer Lebensdauer von neuen Oberbaus auf den Unterbau rund 30 Jahren und einem flexiblen, fand im Terminal auf Kundenbedürfnisse abgestimmten Oensingen statt. Oberbau mit einer Lebensdauer von Oben rechts: Beim 10 bis 15 Jahren. Positionieren der Betonelemente auf Wandelbar und konkurrenzfähig dem Wagen ist Präzision gefragt. Mit dem Standardunterbau sind die Er- satzteilbeschaffung und der Unterhalt Rechts: Der flache künftig einfacher und günstiger. Heute Oberbau wurde in Zusammenarbeit stehen bis zu 50 verschiedene Güterwa- mit den Kunden gentypen im Einsatz mit beispielsweise entwickelt. unterschiedlichen Bremssystemen. Das macht die Wartung aufwendig und teuer. Der neue, flexible Oberbau erlaubt es, besser und schneller auf Kunden- wünsche und branchenspezifische Veränderungen zu reagieren. Zudem Damit wird es in Zukunft keine Güter- bekanntes Problem an: Der länderüber- können saisonale Unterschiede bei der wagen mehr geben, die mehrere Mo- greifende Austausch bei Innovationen Auslastung leichter ausgeglichen wer- nate auf einem Abstellgleis stehen, weil funktioniert bei den Güterbahnen häu- den. Steigt etwa im Herbst die Nach- sie nur für bestimmte, saisonale Trans- fig schlecht bis gar nicht. Einerseits hoffe frage nach einem Oberbau zum Trans- porte eingesetzt werden können. jede Bahn, dass sich ihr Konzept durch- portieren von Betonelementen, können Ein weiterer Vorteil des flexiblen setzen werde, sagt Patrik Dober. «An- die zuständigen Mitarbeitenden kurz- Oberbaus: Wenn alle zehn Jahre ein dererseits ist die Bahnbranche generell fristig die Unterbauten von anderen neues Modell bereitsteht, schliesst die vorsichtig, was Innovationen angeht: Wagen mit diesem Oberbau ausrüsten. Bahn innovationstechnisch zur Kon- Alle warten ab, bis eine Idee das Rennen kurrenz auf, namentlich zum Lkw. «Ein macht – und investieren erst dann.» Lkw wird üblicherweise nach sieben Jahren ersetzt», erklärt P atrik Dober, Der flache Oberbau macht den Anfang Senior Manager Projektgeschäfte bei Bei SBB Cargo sind die Innovations Das spricht für SBB Cargo. «Zudem bringen Hersteller bestrebungen zur neuen Generation laufend neue Fahrzeugmodelle auf den Güterwagen bereits fortgeschritten. flexible Oberbauten Markt, während es in unserer Branche Im Herbst 2021 soll mit dem flachen die Bahnen selbst sind, die Innovationen Oberbau ein erster Typ in Betrieb ge- – Einfachere Ersatzteilbeschaffung vorantreiben müssen.» hen. Dieser eignet sich insbesondere und günstigerer Unterhalt Neben SBB Cargo arbeiten derzeit für Transporte von Zement- und Stahl- – «Innovationsfreundlicher» als alte auch Rail Cargo Austria (RCA) und DB produkten und soll den bisherigen so- Güterwagen (alle zehn Jahre ein Cargo an Konzepten mit getrennten genannten Holzbodenwagen – den neues Modell) Güterwagen, wie Patrik Dober weiss. ältesten Güterwagen der Flotte – erset- – Funktional an Kundenbedürfnisse Ein aktiver Austausch findet aber noch zen. Im Herbst 2020 fanden erste Test- angepasst zu wenig statt. «Das wäre eigentlich fahrten mit dem Prototyp statt (vgl. – Leichtere Bauweise und geringere wünschenswert, schliesslich müssen «Tiefer geblickt» auf Seite 18), und im bahntechnische Anforderungen die Neuerungen im grenzüberschrei- Frühjahr 2021 wollen die Verantwort- – Flexible Handhabung tenden Verkehr irgendwann für ganz lichen eine erste Serie bestellen. Patrik bei saisonbedingter Nachfrage Europa kompatibel sein.» Er spricht ein Dober ist zuversichtlich: «Es handelt SBB Cargo 1 | 2021 17
INNOVATION Tiefer geblickt sich um einen vergleichsweise simplen und die noch vorhandenen Oberbau ohne komplizierte Elemente, Schwachstellen eliminieren. und die Kundenfeedbacks waren gröss- tenteils positiv.» Was muss konkret noch Ebenfalls in Entwicklung befindet verbessert werden? sich der temperaturgeführte Oberbau, Das Beladen der neuen bei dem die Temperatur an das jeweilige Wagen gestaltet sich momen- Transportgut angepasst werden soll. tan noch schwierig und ver- Das Modell ist als Ersatz für die bishe- ursacht einen beträchtlichen rigen Kühlwagen geplant, existiert ak- Mehraufwand auf unserer tuell aber erst auf Papier. Ein Prototyp Seite. Konkret müssen die wurde noch nicht gebaut. Einen geeig- Frank Sporbeck, Bereichsleiter Länge und Breite des Ober- neten Produzenten in Europa zu fin- bei Vigier Rail. baus vergrössert werden, den, ist gemäss Patrik Dober schwierig. damit unsere Mitarbeitenden «Der hiesige Güterwagenmarkt ist aus- die Betonschwellen optimal getrocknet, und die wenigen Herstel- verladen können. Zudem ler produzieren nur Standardwagen in «Die Güterwagen wurden die Schwellen bislang grossen Mengen.» Für sie seien neu- artige Oberbauten in kleinen Mengen hinterlassen mit dem Gabelstapler gegen die Seitenwände geschoben meist nicht interessant. Aus diesem einen sehr guten und so optimal platziert. Beim Grund arbeitet SBB Cargo für die Ober- bauten auch mit Start-ups aus ganz Eu- Eindruck.» neuen Oberbau aber fehlen die Seitenwände, was das ropa zusammen. Patrik Dober schliesst Positionieren erschwert. Und jedoch nicht aus, dass in Zukunft auch Der Schweizer Betonwarenher- schliesslich sind die Seiten- Hersteller aus Asien infrage kommen steller Vigier Rail gehört zu den rungen und Rohrklappen noch könnten, obwohl das mit höheren Trans- ersten Kunden von SBB Cargo, zu schwer, und es fehlen An- portkosten verbunden wäre. die den flachen Oberbau getes- hängeösen zur Befestigung tet haben. unserer Gurte und Stahlseile. «Wir Bahnen müssen Weshalb hat sich Vigier Rail zu Was halten Sie vom Konzept Innovationen den Tests bereit erklärt? Unsere Produkte werden fast getrennter Güterwagen generell? selbst vorantreiben.» ausschliesslich per Bahn trans- Es ist ein interessanter, portiert. Für uns ist es daher innovativer Ansatz, dass die Patrik Dober, Senior Manager Projektgeschäfte, SBB Cargo AG wichtig, bei der Konzeption neuer Güterwagen durch die Aus- Güterwagen eigene Optimie- tauschbarkeit des Oberbaus rungsvorschläge zum Verladen flexibler genutzt werden Sind die Wagen günstiger? von Betonschwellen einzubringen. können. Dies ermöglicht Die Kostenfrage stellt sich auch bei der Die Arbeitssicherheit unserer schnellere Innovationszyklen Herstellung der neuen Güterwagen. Das Mitarbeitenden beim Verlad hat und reduziert die Kosten. Ziel ist, dass die Summe von Unter- und höchste Priorität, und wir möch- Natürlich hoffen wir, künftig Oberbau maximal dem Preis eines kon- ten diese stetig erhöhen. Ausser- auch davon zu profitieren, ventionellen Güterwagens entspricht. dem pflegen wir eine langjährige sodass es zu einer Win-win- Möglich sein soll dies, indem SBB Cargo Partnerschaft mit der SBB und Situation für alle kommt. den Materialeinsatz so reduziert, dass mit SBB Cargo und möchten der jeweilige Oberbau wirklich nur die dazu beitragen, mit neuartigen vom Kunden geforderten Funktionen Lösungen die Kosten im System erfüllt. Zudem sollen die neuen Ober- Bahn zu senken. bauten zukünftig als «Ladegut» und nicht als «Bahnwagenbestandteil» klas- Wie fällt Ihr Fazit aus? siert werden, was die bahntechnischen Die Güterwagen hinterlassen Anforderungen für die Zulassung und einen sehr guten Eindruck. Der folglich die Realisationskosten mini- rutschfeste, beschichtete Stahl- mieren würde. Entsprechende Ver- boden des Oberbaus erhöht die handlungen mit dem Bundesamt für Arbeitssicherheit. Dank der Ver- Verkehr sind im Gang. ladetests vor Ort konnten wir die Benutzerfreundlichkeit prüfen 18 SBB Cargo 1 | 2021
OBJEKT Gütesiegel Die farbige Bahnplombe ist eine Individualistin. Mit ihrer einmaligen Kennnummer wird sie überall anerkannt. Gleichzeitig ist sie empfindlich, denn Entfernen und Wiederanbringen ist nichts für sie. Sie wird darum von den Zollbehörden in ganz Europa als Zollverschluss akzeptiert. Der Absender der Bahnsendung bringt die Zollplombe nach dem Verlad am Foto: SBB Cargo Bahnwagen selbst an und bestätigt damit, dass die Ladung mit den Frachtdokumenten übereinstimmt. Ein Halt bei der Zollbehörde ist somit hinfällig, und die Zollabfertigung wird effizienter. SBB Cargo bietet übrigens an 16 Orten an der Grenze und im Inland alle Zolllösungen an, die es für einen speditiven Transportablauf benötigt: sbbcargo.com/zoll SBB Cargo 3 Cargo 1 | 2020 2021 19
KUNDENSICHT 20 SBB Cargo 1 | 2021
KUNDENSICHT Ein Transport mit Stahlkraft Das Innerschweizer Logistikunternehmen Panlog setzt für den Export von Stahlprodukten auf die Bahn. Bei einem Werkbesuch erfahren wir, warum nach Italien immer ein Ganzzug unterwegs ist und was bei grenzüberschreitenden Verkehren weniger gut läuft. Text: Michelle Russi Fotos: Matthias Jurt M orgens um halb zehn in Emmenbrücke: Ein 1400 Tonnen schwerer Güterzug von SBB Cargo rollt aus dem Bahnhof in Richtung «Mit SBB Cargo kombinieren wir Ganzzüge und Wagen- Süden. Sein Ziel ist die italienische Kleinstadt Lecco in der Lombardei. Gut zehneinhalb Stun- ladungsverkehr – das ist ein den dauert die Fahrt, wobei der Zug an der Grenze in Chiasso drei Stunden lang stillsteht. Das Trans- enormer Vorteil für uns.» portgut, 900 Tonnen Stahl, muss verzollt werden. Peter Klarer, CEO Panlog In etwa 20 Prozent der Fälle schaut der Zollbeamte die Ware genau an, weshalb ein solcher Zeitpuf- fer notwendig ist. Gegen 20 Uhr erreicht der Ganz- unterwegs also nicht neu zusammengestellt. Von Links: Der Ganzzug zug den Bahnhof Lecco. Ein Ganzzug transportiert Lecco aus schliesslich gelangt der Stahl tags da- startet seine Fahrt grosse Gütermengen eines Kunden und fährt nicht rauf am frühen Morgen dank Vertragspartnern in den Süden. über Rangierbahnhöfe, sondern direkt zum jewei- von Panlog per Lkw zu den italienischen End- Unten: Das Transport- ligen Empfangsbahnhof. Die Komposition wird kunden. Und in Emmenbrücke machen sich fast gut ist Walzstahl zeitgleich die nächsten 18 Bahnwagen auf den Weg in Stäben der Firma nach Italien. Panlog. Mit Ganzzügen zum Erfolg So funktioniert, etwas vereinfacht gesagt, das Ganz- zugkonzept des Stahltransporteurs Panlog und von SBB Cargo. Fünf bis sieben Ganzzüge ver- lassen jede Woche den Bahnhof Emmenbrücke. Im Jahr sind das durchschnittlich 242 000 Tonnen Stabstahl und Walzdraht, die Panlog mit der Bahn nach Italien exportiert. Das Ganzzugkonzept gilt als Erfolgsstory. Das bestätigen F abienne Häcki und P eter Klarer, Geschäftsleitungsmitglieder von Panlog, sowie Yves Tschopp von SBB Cargo bei einem Treffen am Sitz von Panlog in Emmenbrü- cke. «Wir haben die Abläufe über die Jahre laufend optimiert, sodass wir heute die gewünschten Men- gen fahren und die Waren termingerecht in Lecco SBB Cargo 1 | 2021 21
KUNDENSICHT Einmal mitten durch Emmenbrücke: Der Zug hat Vortritt. Produktionshalle der Panlog-Schwester Steeltec. Das Transportteam ist überzeugt von den Ganzzügen nach Italien und schätzt reibungslose Abläufe: Yves Tschopp von Das ist Panlog SBB Cargo (rechts) sowie Fabienne Häcki und Peter Klarer von Panlog (unten). Das Stahllogistikunter Distributionslogistik und nehmen Panlog wurde 1993 beschäftigt 32 Mitarbeite- gegründet und gehört heute rinnen und Mitarbeiter zur Swiss Steel Group, einer sowie 3 Lernende. Weitere international tätigen Stahl- Dienstleistungen umfassen: firma mit rund 10 000 Mitar- Rangierdienst in Emmen- beitenden weltweit. Auf brücke, Personalverleih, Aus- dem Werkplatz Emmenbrü- bildungszentrum für ange- cke LU sind neben Panlog hende Logistikerinnen und auch die Swiss Steel AG und Logistiker, Verzollung und Steeltec AG tätig. Panlog ist Beratung in Aussenhandels- spezialisiert auf die Beschaf- fragen. fungs-, Werks-, Lager- und 22 SBB Cargo 1 | 2021
KUNDENSICHT Drei Fakten ausliefern können», sagt F abienne Häcki. Die Lei- 1 — In jedem europäischen Auto terin Internationale Spedition und Bahnproduk- sind circa 50 Kilogramm Stahl aus tion arbeitet seit 20 Jahren bei P anlog und erinnert Emmenbrücke zu finden. sich, warum das Ganzzugkonzept im Jahr 2012 überhaupt lanciert worden ist – gewissermas- 2 — Panlog fährt 66 Prozent der sen aus einer Not heraus. «Damals fuhren wir im Transporte mit der Bahn. Das ent- Wagenladungsverkehr (WLV) nach Italien, was spricht einer jährlichen Menge immer Probleme an der Grenze verursachte, weil von 580 000 Nettotonnen. die italienische Bahn die Ware in Chiasso nicht weiterspedierte.» Manchmal hätten die Kunden 3 — Von jeher setzt Panlog auf die wochenlang auf eine Lieferung warten müssen. Bahn. Durch eine stetige Verlagerung Mit dem Wechsel auf Ganzzüge hat sich das ge- der Güter auf die Schiene sparte ändert, da die Zustellung seither direkt und ohne man zwischen 2016 und 2019 fast Rangiermanöver erfolgt. 180 000 Lkw-Fahrten und knapp 35 000 Tonnen CO2 ein. Reibungslos im Rundlauf Die Idee für das neuartige Konzept hatte Panlog mit einem anderen Unternehmen entwickelt. SBB Cargo übernahm die Transporte erst 2015 – und wird sie bis mindestens Ende 2023 fahren. Im Sommer 2020 haben P anlog und die Güterbahn den Vertrag um weitere drei Jahre verlängert. «Die die Wagen verladen und offen transportiert wer- Zusammenarbeit ist ein Bekenntnis», betont Yves den. Klarer: «Umschlag und Handling sind damit Tschopp, der P anlog als Senior Key Account Mana- einfach und schnell.» ger betreut. Einerseits handle es sich um wirklich grosse Mengen, die SBB Cargo fahren dürfe. «An- Nachverfolgen ist schwierig dererseits läuft das Zusammenspiel von Ganzzug Aktuell kommt Panlog auf einen Bahnanteil von und WLV extrem gut.» Will heissen: Nach dem rund 66 Prozent, wobei Import und Export den Entladen des Ganzzugs in Lecco werden die Bahn- allergrössten Teil ausmachen. Pläne, den Bahn- wagen jeweils für Transporte anderer Kunden di- transport weiter auszubauen, verfolgt man laut rekt in den Wagenladungsverkehr eingespeist und Fabienne Häcki derzeit nicht. «Wir sind der Mei- müssen somit nicht leer in die Schweiz zurückge- nung, dass jeder Verkehrsträger seine Berechti- führt werden. «Dieser Rundlauf ist ein riesiger Vor- gung hat – auch, weil wir uns so breiter abstützen teil», sagt Tschopp, «schliesslich ist es gut für uns, wenn die Wagen nicht leer rollen.» Die Kombination von Ganzzug und WLV ist «Bei internationalen für Peter Klarer, CEO von Panlog, einer der Haupt- gründe für die Vertragsverlängerung mit SBB Verkehren fehlt es an Cargo. Auf dem Rundgang durch das grosse Werk- Transparenz.» gelände in Emmenbrücke – Panlog teilt es sich mit Fabienne Häcki, der Schwesterfirma Steeltec – zeigt K larer, wie rei- Leiterin Internationale Spedition, Panlog bungslos die Abläufe hier vor Ort funktionieren. SBB Cargo liefert den Schrott, der in den Werken zu Stahlprodukten verarbeitet wird, im WLV an. können.» Eine Schwierigkeit im internationalen Das zuständige Rangier- und Lokführerteam von Schienengüterverkehr seien die mangelnde Trans- Panlog verantwortet den Umschlag und das Ver- parenz und Nachverfolgbarkeit. «Im Binnenver- schieben des Materials auf dem Werkgelände. So- kehr werden wir umgehend informiert, wenn eine bald die Stahlprodukte bereit sind, beladen die Sendung verspätet ist oder umgebucht wird, inter- Mitarbeitenden von Steeltec die Bahnwagen, und national ist dies nicht der Fall.» Ausserdem gebe es SBB Cargo holt den Ganzzug wieder ab. «Von die- bei der Verzollung immer wieder Restriktionen, sem Wiederbelad der Wagen lebt das System», welche die Auslieferung erschwerten. Auch Yves erklärt Peter Klarer. Der grosse Vorteil der Bahn Tschopp von SBB Cargo wünscht sich internati- gegenüber dem Lkw liegt für den CEO in der grös- onal besser abgestimmte Fahrpläne, damit Züge seren Nutzlast eines Güterwagens. Zudem könn- nicht mehrfach «umrangiert oder an den Landes- ten die Materialien direkt nach der Produktion in grenzen unnötigerweise zurückgehalten werden». SBB Cargo 1 | 2021 23
MITTENDRIN Unterwegs mit dem Kraftprotz Damit Waren sicher und effizient zum Zielort gelangen, müssen sie fachmännisch verladen werden. Das ist die Aufgabe von Fitim Badalli, der im KV-Terminal von SBB Cargo in Dietikon Container um Container umschlägt. Mit einem speziellen Arbeitsgerät. Text: Christine Spirig Fotos: Basil Stücheli 24 SBB Cargo 1 | 2021
MITTENDRIN E s ist ein Ungetüm, das auf uns zusteuert. Die Räder der Ma- schine sind hoch wie ein Personenwa- gen, und wenn sie ihre Hebearme aus- fährt, erinnert sie an ein riesiges Insekt aus einem Science-Fiction-Thriller. Im Gegensatz dazu scheint die Person, die Nur mit einem Reachstacker kann man Container oder – wie hier – Sattelauflieger sowohl von oben oben in der Führerkabine sitzt, winzig als auch von unten heben. klein. Wir befinden uns im KV-Terminal in Dietikon, in einem von 16 Umschlag- plätzen für den kombinierten Verkehr von SBB Cargo. Das besagte Gefährt ist ein sogenannter Reachstacker. Er dient zum Stapeln und Umschlagen sei die Konzentration, diese dürfe man in einen Lastwagen kracht, ist der Scha- von Containern, Wechselbehältern und auch mit der Routine nie vernachlässi- den enorm.» In den drei Jahren hat der Sattelaufliegern von der Strasse auf die gen. Er arbeitet seit nunmehr 30 Jahren Reachstacker-Fahrer glücklicherweise Schiene und umgekehrt. Der Reach- bei SBB Cargo, 25 davon war er Ran- noch keinen solchen Vorfall erlebt. stacker hat rund 45 Tonnen Hublast gierarbeiter. Gabelstapler habe er schon und an die 72 Tonnen Eigenmasse. damals bedient, doch das sei nicht das- Bitte immer pünktlich! Fahrer Fitim Badalli öffnet die Ka- selbe: «Schon allein von der Hebekraft Sicherheit ist das oberste Gebot in die- bine und steigt die grossen Stufen her- her.» Und nur mit dem Reachstacker sem Beruf. Bei Arbeitsbeginn wird die unter. Seit drei Jahren fährt er den Reach- könne man die Container von oben oder Maschine vom Fahrer geprüft. Dieser stacker und hebt täglich Hunderte Ton- von unten heben, je nach Typ. Nichts- nen hoch. Und das in Präzisionsarbeit. destotrotz ist die Staplerausbildung «Wenn wir die Container von den Last- eine Voraussetzung, um einen Reach- «Auch mit der Routine wagen auf die Bahnwagen umladen, kann es auf wenige Zentimeter ankom- stacker zu fahren. Als Badalli hörte, dass Cargo diese Weiterbildung anbietet, darf man nie men», erklärt er. Er nimmt uns mit in hat er sich gleich gemeldet. «Ich fand es die Konzentration ver- die Führerkabine, und schnell wird klar: Von Vollautomatisierung keine Spur, spannend», sagt der 50-Jährige, «auch weil die Rangierarbeit ab einem gewis- nachlässigen.» hier ist Handarbeit gefragt. Die wenigen sen Alter nicht mehr ideal ist.» Fitim Badalli, Knöpfe sind zum Bedienen der ein- In der einwöchigen Weiterbildung Reachstacker-Fahrer, SBB Cargo AG zelnen Elemente des Hebewerks. Die lernte Badalli das Gefährt und den Um- richtigen Positionen und Distanzen gang damit kennen. «Körperlich ist es macht einen Rundgang und kontrol- abschätzen muss der Fahrer selbst. Zur viel weniger anstrengend als Rangieren, liert, ob irgendwo Flüssigkeit ausgetre- Unterstützung sind zwei Kameras am doch die ersten Wochen war ich nach ten ist. In solchen Fällen wird die Ser- Fahrzeug angebracht, die ihm die Lade- der Arbeit fix und fertig», erinnert er vicefirma kontaktiert, die den Schaden umgebung via Bildschirm aus der Nähe sich lachend. Die hohe Konzentration repariert. «Zum Glück haben wir hier zeigen. forderte ihren Tribut. «Man muss sich eine Reservemaschine, sodass die Kun- immer bewusst sein, mit welch grossen den nie warten müssen», sagt Badalli. Drei Jahrzehnte bei der Bahn Kräften und Massen man arbeitet», so In Dietikon arbeiten zwei Fahrer in zwei «Das richtige Handling kommt mit der Badalli. «Wenn etwa aus Unachtsam- Schichten: Die erste beginnt morgens Übung», sagt Badalli. Das A und O aber keit ein 45 Tonnen schwerer Container um 4.45 Uhr und endet um 13 Uhr. Die SBB Cargo 1 | 2021 25
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