CONTRACT FOR DIFFERENCE - EIN DERIVATIVES FINANZINSTRUMENT IM RECHTLICHEN ÜBERBLICK - JKU ePUB
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CONTRACT FOR Eingereicht von Philippe Cayeux DIFFERENCE – Angefertigt am Institut für Unternehmensrecht EIN DERIVATIVES Beurteiler o.Univ.-Prof. Dr. Martin FINANZINSTRUMENT IM Karollus Mai 2021 RECHTLICHEN ÜBERBLICK Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften 101 JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Ort, Datum Linz, am 27. Mai 2021 Unterschrift 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 2/39
Inhaltsverzeichnis I. Einleitung ............................................................................................................................ 7 II. Finanzinstrumente .............................................................................................................. 9 A. Derivate.......................................................................................................................... 10 B. Differenzkontrakte (CFD)................................................................................................ 11 C. Futures ........................................................................................................................... 12 D. Unterschiede von CFD zu anderen Derivaten ................................................................ 12 III. CFD-Anbieter (Broker) im Überblick ................................................................................ 13 A. Market Maker ................................................................................................................. 13 B. DMA-Broker ................................................................................................................... 15 C. ECN/STP Broker ............................................................................................................ 16 IV. CFD-Nutzung durch Verbraucher .................................................................................... 16 A. AGB des CFD-Brokers Plus 500 .................................................................................... 18 1. Unternehmenssitz des CFD-Brokers.......................................................................... 18 2. Ausführungen Market Maker-Aktivitäten .................................................................... 18 3. Ausführungen zu Margin-Anforderungen ................................................................... 19 4. Marktet Order/ Limit Order ......................................................................................... 20 5. Allgemeine Ausführungen zu Kursschwankungen/ Öffnungsklausel .......................... 22 B. CFD-Broker im Lichte internationaler Zuständigkeit........................................................ 24 1. Verbraucherbegriff des Art 7 Abs 2 Brüssel Ia-VO ..................................................... 24 2. Vertragsbegriff der Brüssel Ia-Verordnung................................................................. 25 3. Haftung von CFD-Brokern ......................................................................................... 26 a) Verletzung von Informations- und Aufklärungspflichten ......................................... 27 b) Fehlerhafte Orderausführung ................................................................................ 28 4. Deliktsgerichtsstand nach Art 7 Abs 2 Brüssel Ia-VO................................................. 28 5. Zusammenfassung .................................................................................................... 30 V. Gesetzliche Grundlagen im Wandel ................................................................................ 30 A. MiFID II .......................................................................................................................... 30 1. Wohlverhaltensregeln gem §§ 47 ff WAG 2018 ......................................................... 31 2. Rechtsfolgen.............................................................................................................. 31 3. MiFID II und CFD-Handel .......................................................................................... 31 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 3/39
B. Interventionen durch die Regulierungsbehörden ............................................................ 32 1. ESMA- Produktinterventionsmaßnahmen .................................................................. 32 2. FMA-Produktinterventionsverordnung........................................................................ 33 a) Einschränkung der nutzbaren Hebel nach Produkt................................................ 33 b) Margin-Glattstellungsschutz: ................................................................................. 33 c) Negativsaldoschutz ............................................................................................... 33 d) Verbot von Bonus-Systemen und vergleichbaren Anreizen ................................... 33 e) Risikowarnungen................................................................................................... 34 3. Anmerkungen ............................................................................................................ 34 VI. CFD-Verbote ...................................................................................................................... 35 A. USA ............................................................................................................................... 35 B. Belgien ........................................................................................................................... 36 VII. Derivate und CFD im österreichischen Steuerrecht ....................................................... 36 VIII. Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 38 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 4/39
Abkürzungsverzeichnis ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Abs Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AktG Aktiengesetz allg allgemeine/r/s Art Artikel BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BörseG Börsegesetz bspw beispielsweise bzw beziehungsweise dh das heißt dKWG deutsches Kreditwesengesetz WpGH deutsches Wertpapierhandelsgesetz EBA Europäische Bankenaufsichtsbehörde ESMA Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde EStG Einkommenssteuergesetz EuGH Europäischer Gerichtshof EWR Europäischer Wirtschaftsraum f folgende ff fortfolgende FMA Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA-PIV FMA-Produktinterventionsverordnung Fn Fußnote gem gemäß GesRZ Der Gesellschafter GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GZ Geschäftszeichen idR in der Regel iHv in Höhe von insb insbesondere InvFG Investmentfondsgesetz iSd im Sinne der/s iVm in Verbindung mit iZm im/in Zusammenhang mit 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 5/39
JBl Juristische Blätter KESt Kapitalerstragsteuer KschG Konsumentenschutzgesetz leg cit legis citatae lit Litera lt laut Mio Million/en Mrd Milliarde/n Nr Nummer oa oben angeführte/r/ ö österreichischem/n/r/s ÖBA Österreichisches Bankarchiv OGH Oberster Gerichtshof RL Richtlinie Rs Rechtssache/n Rsp Rechtsprechung Rz Randziffer S Seite/n sog sogenannte/r/s stRsp ständige Rechtsprechung u und üA überwiegender Ansicht uÄ und Ähnliche/s ua unter anderem usw und so weiter vgl vergleiche VO Verordnung VwGH Verwaltungsgerichtshof WAG Wertpapieraufsichtsgesetz ZaDiG Zahlungsdienstegesetz zB zum Beispiel zzgl zuzüglich 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 6/39
I. Einleitung Unstrittig erlebt der Aktienmarkt seit der immer noch anhaltenden Corona-Pandemie einen umfassenden Aufschwung. Besonders junge Privatanleger haben die Börse für sich entdeckt. Dass die am Kapitalmarkt für Verbraucher zugänglichen Finanzinstrumente teilweise überaus komplex sind, scheint dabei für die motivierten Anleger keine nennenswerte Hürde darzustellen. Während beim Abschluss von Finanzprodukten über eine Bank bzw einer Beratung durch den Bankberater weitreichende Restriktionen1 vorherrschen, ist der Kauf von Finanzprodukten durch den Verbraucher selbst mittlerweile grenzübergreifend auch bei ausländischen Anbietern ohne größere Schwierigkeiten möglich. Dabei stehen der Verbraucherschutz und die Grundfreiheiten der Europäischen Union in einem ständigen Spannungsverhältnis. Spätestens mit dem Etablieren der sog Neo-Broker2 am Finanzmarkt in jüngerer Vergangenheit hat sich der Handel von Finanzinstrumenten für Privatanleger stark vereinfacht. War es vor einigen Jahren noch gängig, den Bankberater der eigenen Hausbank telefonisch für einen Kauf- oder Verkaufsauftrag zu kontaktieren, ist es mittlerweile spielend möglich, in weniger als einer Stunde vom Smartphone aus ein Handelskonto zu eröffnen und Finanzinstrumenten zu erwerben. Dabei unterschätzen Verbraucher regelmäßig das Risiko, das mit dem Kauf von spekulativen Finanzprodukten einhergeht. Dies zeigen auch die besonders öffentlichkeitswirksamen und immer noch aktuellen Geschehnisse rund um die Aktien Wirecard3 und Gamestop4. Beide Fälle beschäftigen bisweilen Gerichte und Politik. 1 Verwiesen sei hier insb auf das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, welches die EU-Richtlinie MiFID II in österreichisches Recht umsetzt und seit 03.01.2018 in Kraft ist. Es enthält weitreichende Bestimmungen, die auf einen verbesserten Anlegerschutz abzielen. 2 Dabei handelt es sich um Anbieter von Aktien und anderen Finanzinstrumenten, die den Handel besonders günstig mit geringen Transaktionsgebühren anbieten und Apps bereitstellen, um den Erwerb der Produkte auch vereinfacht über das Smartphone zu ermöglichen. 3 Im Skandal um den insolventen Finanzdienstleister Wirecard wurde am 18.06.2020 durch einen Prüfbericht bekannt, dass ein seitens des Unternehmens behauptetes Bankguthaben iHv rund 2 Milliarden Euro nicht existierte. Vermeintlich bahnbrechende Technologien, die das Unternehmen behauptete entwickelt zu haben und zu besitzen, waren größtenteils nonexistent. Der Kurs der Aktie brach daraufhin um über 99 Prozent ein. Der Fall zog, mE zu Recht, vielfach Kritik an der deutschen Finanzaufsicht auf sich. Das Unternehmen befand sich seit 2006 im deutschen Technologie-Aktienindex TecDAX sowie seit September 2018 im deutschen Leitindex DAX30. 4 Die US-Aktie Gamestop war im Januar 2021 die Aktie mit der höchsten Leerverkaufsquote in den USA. Wird eine stark leerverkaufte Aktie in großem Stil aufgekauft, kann dies die Leerverkäufer stark unter Druck bringen und sie zum vermehrten Schließen ihrer Short-Positionen bewegen. Folge ist ein rasanter Kursanstieg in kurzer Zeit. Privatanlegern im Online-Forum „reddit“ fiel die besonders hohe Leerverkaufsquote auf. Die Nutzer organisierten sich daraufhin über das Forum mit dem Ziel, so viele 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 7/39
Neben klassischen Aktien handeln Privatanleger vor allem börsengehandelte ETF (Exchange-Traded Funds), Hebelzertifikate, Kryptowährungen und finanzielle Differenzkontrakte (contract for difference; im Folgenden nur noch CFD). Das zeigen auch die Handelsstatistiken – im Jahr 2020 hat sich das Transaktionsvolumen bei CFD im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt.5 Da CFD in der Regel gehebelte Geschäfte sind, können schon in kurzer Zeit sehr hohe Verluste entstehen, die sogar weit über den anfänglichen Einsatz hinausgehen können. Neben der teils komplizierten Funktionsweise dieser Finanzinstrumente ergeben sich bei ihrer Nutzung durch Verbraucher auch einige interessante rechtliche Fragestellungen. Besonderes Augenmerk verdient aber ein bestimmter Typus eines Anbieters dieser Finanzinstrumente, der zumindest gegenüber privaten Kleinanlegern nur iVm CFD vorkommt. Während üblicherweise beim Kauf von Finanzprodukten ein „dreipersonales Verhältnis“ zwischen Anleger, Broker und Börsenplatz vorherrscht6 kommt es im Falle von CFD zum Phänomen eines Anbieters, der die Gegenposition des Kunden einnimmt. Solche CFD-Anbieter werden gemeinhin als Market Maker bezeichnet. Da die Mehrheit der Privatanleger an der Börse mit Finanzinstrumenten wie CFD statistisch gesehen langfristig Geld verliert (rund 80 Prozent der Kunden7), erwirtschaftet ein solcher Anbieter Gewinne nicht nur durch Transaktionskosten und ähnliche Gebühren, sondern auch bzw vor allem mit dem Verlust der Einlage durch den Kunden. Das Geschäftsprinzip eines Market Makers basiert also weitgehend – ähnlich jenem eines Casinos – auf massivem Marketing, das darauf abzielt, den Kunden zum Einzahlen von Geld zu bewegen und ihn digital mit Artikeln zu (vermeintlichen) Handelsstrategien und visuellen Indikatoren zu überhäufen, die dem Game-Stop Aktien wie möglich aufzukaufen und längere Zeit im Depot zu halten, um so die Hedgefonds zum Schließen der Positionen zu bewegen. Die Aktie stieg daraufhin Ende Januar 2021 in kurzer Zeit um rund 1000 Prozent von etwa 40 USD auf über 400 USD. Der US-Hedgefonds Melvin Capital Management LP erlitt dabei einen Verlust iHv rund 6,5 Milliarden US-Dollar bzw 53 Prozent des gesamten Fondswertes. Am höchsten Punkt setzten mehrere Anbieter, darunter der Neo-Broker Robinhood Markets Inc., die Aktie einseitig für den Kauf aus, woraufhin der Kurs kurzfristig wieder stark einbrach. Der Fall löste unter anderem eine Anhörung der Beteiligten durch den US Kongress (ähnlich einem ö Untersuchungsausschuss) aus. 5 Vgl https://www.cfdverband.de/marktforschungen/cfd-statistiken (abgefragt am 05.05.2021). 6 Die Preisfindung findet so durch Angebot und Nachfrage statt. Der Anleger kontrahiert mit anderen Marktteilnehmern. 7 Vgl BaFin, Allgemeinverfügung bezüglich sog. Differenzgeschäfte ("Contracts for Difference/CFD") vom 23.07.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allg vfg_Differenzgeschaefte.html (abgefragt am 05.05.2021). 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 8/39
Anleger das Gefühl geben sollen, er könne mit vergleichsweise simplen Werkzeugen den künftigen Verlauf des Marktes vorhersagen. Der Gesetzgeber reagierte im Jahr 2018 und schränkte den Handel mit CFD für Verbraucher weitreichend ein. Aufgabe dieser Diplomarbeit ist es, dem Leser einen Überblick über die Funktionsweise von CFD und die Agitation eines Market Makers zu geben sowie die aktuellen innerstaatlichen und europäischen Grundlagen für CFD überblicksweise darzustellen. II. Finanzinstrumente Am Kapitalmarkt gehandelte Finanzinstrumente werden entweder dem Kassamarkt oder dem Terminmarkt zugeordnet. Transaktionen am Terminmarkt zeichnen sich dadurch aus, dass eine Frist, welche bei Abschluss vereinbart wird, zwischen dem Vertragsabschlusszeitpunkt und dem Zeitpunkt der Vertragserfüllung liegt. Demgegenüber steht der Kassamarkt (im Englischen auch Sport Market), bei dessen Transaktionen der Vertragsabschluss und die Erfüllung des Vertrages zeitlich zusammenfallen.8 Terminbörsen sind immer auch Primärmärkte. Hingegen werden auf Kassabörsen bereits emittierte Wertpapiere gehandelt. Die Kassabörsen werden daher auch als Sekundär- oder Umlaufmarkt bezeichnet. Durch den Erwerb und Verkauf eines Termingeschäftes wird ein neuer Anspruch geschaffen, der bisher nicht existierte. Die Vertragsparteien können folglich jeweils ihre Rechte und Pflichten aus diesem Geschäft am Markt weitergeben, indem sie das idente Termingeschäft in die Gegenrichtung abschließen.9 Kassamärkte und Terminmärkte sind Teilmärkte des Wertpapiermarktes. Letzterer ist wiederum Teil des Kapitalmarktes.10 Die drei großen Produktkategorien des Kassamarkts sind Aktien (Stamm- und Vorzugsaktien), Zinsinstrumente (Geld- und Kapitalmarktpapiere) sowie Währungsinstrumente (Devisen und Valuten). Termingeschäfte lassen sich in bedingte (Optionen bzw optionsähnliche Produkte) und unbedingte Termingeschäfte (Futures, Swaps, Fowards uÄ) unterteilen. Bei allen Instrumenten des Terminmarkts handelt es sich um Derivate.11 8 Vgl Brauneis/Dornauer/Mestel, Finanzwissen - allgemein verständlich: Zinsinstrumente (Teil I), ÖBA 2014, 8, 9. 9 Vgl Brauneis/Mestel, Finanzwissen – allgemein verständlich: Unbedingte Termingeschäfte, ÖBA 2014, 804, 805. 10 Vgl Uhlir, Organisierte Terminmärkte: Eine notwendige Ergänzung der Kassamärkte, ÖBA 1990, 746. 11 Vgl Brauneis/Dornauer/Mestel, ÖBA 2014, 9; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 (2015) § 35 Rz 8. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 9/39
A. Derivate Der Begriff des Derivats hat seinen Ursprung im lateinischen derivare (ableiten). Finanzwirtschaftlich versteht man unter einem Derivat einen Vertrag, dessen Wert sich aus einer bestimmten Referenzgröße (underlying), auch Basiswert genannt, ableitet.12 Dieser Basiswert kann etwa ein Rohstoff, ein Wertpapier, ein Zinssatz oder auch ein Aktienindex sein.13 Das weltweite Derivatevolumen belief sich in den Jahren 2015/2016 auf über 600 Billionen US-Dollar. Etwa 21 Prozent aller US-Aktieninvestmentfonds setzen Derivate ein.14 Zu den wesentlichen Marktteilnehmern gehören Banken, Pensionskassen, Investmentfonds, Hedge Fonds und auf internationaler Ebene tätige Konzerne.15 Primäres Einsatzgebiet von Derivaten ist die Absicherung gegen Kursverluste (Hedging). Anstatt bei Erwartung fallender Märkte ein Finanzprodukt (zB Aktie) zu verkaufen, wird parallel ein gegenläufiges Instrument eingesetzt, dessen Gewinne die Verluste aus dem abzusicherndem Finanzprodukt ausgleichen sollen. Wesentlicher Vorteil ist, dass so das bestehende Portfolio beibehalten werden kann.16 Ein weiteres Einsatzgebiet ist die sog Arbitrage. Darunter versteht man das Ausnützen von zeitlichen und räumlichen Preisdifferenzen des gleichen Produkts zwischen dem Kassa- und Terminmarkt.17 Der Handel mit Derivaten ist sowohl börslich als auch außerbörslich „over-the-counter“ (OTC) möglich. Beim OTC-Handel ist der Vorteil, dass zwischen den Parteien maßgeschneiderte Produkte gehandelt werden können, wobei hier das Kreditrisiko des Vertragspartners (counterparty risk) zu berücksichtigen ist.18 Börsengehandelte Derivate bieten hingegen den Vorteil organisierter Märkte. Diese sind besonders gekennzeichnet durch die Einschaltung sog Clearing-Häuser, denen die Aufgabe obliegt, das Ausfallsrisiko der Vertragsparteien zu übernehmen.19 12 Vgl Bossert, Derivate, 21. 13 Vgl Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 (2015) § 1 Rz 9. 14 Vgl Bossert, Derivate, 24. 15 Vgl Fuchs/ Kammel, Derivate im österreichischen Recht. Ausgewählte vertrags- und aufsichtsrechtliche Aspekte, ÖBA 2010, 598. 16 Vgl Bossert, Derivate, 105 f. 17 Vgl Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 35 Rz 6. 18 Vgl Oppitz, Haftung und Risken bei Geschäften in (OTC-)Derivaten, ÖBA 1999, 949. 19 Vgl Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 35 Rz 11. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 10/39
Es gibt keinen einheitlichen Rechtsbegriff des Derivats.20 Er wird vielschichtig verwendet, wodurch die rechtliche Handhabung erschwert wird. Aus vertragsrechtlicher Sicht werden Derivate praktisch ohne Ausnahme auf Grundlage eines Rahmenvertrags abgeschlossen.21 In Österreich unterliegen Rahmenverträge generell einer umfassenden Informationspflicht, deren gesetzliche Grundlage sich in den §§ 26, 28, 31, und 32 ZaDiG findet. Der Gesetzgeber unterscheidet in Bezug auf die Ausgestaltung der Informationspflichten der Zahlungsdienstleister zwischen den Vertragsbedingungen des Rahmenvertrages, einzelnen Zahlungsvorgängen innerhalb eines Rahmenvertrages und dem Fall der Einzelzahlung, die nicht Gegenstand eines Rahmenvertrages ist.22 B. Differenzkontrakte (CFD) Bei einem Differenzkontrakt23 (im Englischen contract for difference – CFD) oder Differenzgeschäft handelt es sich gem § 3 Z 2 FMA-Produktinterventionsverordnung (FMA-PIV) um „ein als finanzielles Differenzgeschäft ausgestaltetes Derivat, dessen Zweck darin besteht, dem Inhaber eine Long- oder Short-Position gegenüber Schwankungen im Preis, Kurs oder Wert eines Basiswertes zu verschaffen und das folgende Voraussetzungen erfüllt, unabhängig davon, ob es an einem Handelsplatz gemäß § 1 Z 26 WAG 2018 gehandelt wird oder nicht: a) Das finanzielle Differenzgeschäft erfüllt nicht zugleich die Voraussetzungen einer Option, eines Terminkontraktes (Future), eines Swaps oder eines außerbörslichen Zinstermingeschäftes (Forward Rate Agreement) und b) das finanzielle Differenzgeschäft muss in bar ausgeglichen werden oder es kann nach Wahl einer der Parteien bar ausgeglichen werden, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt.“ CFD sind finanzielle Differenzgeschäfte und als solche auch vom Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 erfasst (§ 1 Z 7 lit i WAG)24. Unter einem finanziellen Differenzgeschäft versteht man einen zweiseitigen Vertrag, in dem sich der Anbieter 20 Vgl Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 35 Rz 2. 21 Vgl Fuchs/ Kammel, ÖBA 2010, 600. 22 Vgl Weilinger/Knauder in Weilinger (Hrsg), ZaDiG (2021) § 28 Rz 2 f. 23 Vgl Barth/Natlacen, ESMA-Statement zu Produktinterventionen, GesRZ 2019, 212. 24 Näher zum WAG 2018 in V.A. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 11/39
des CFD dem Käufer gegenüber verpflichtet, ihm eine mögliche Differenz des (von einem Basiswert abgeleiteten) Marktpreises zu einem späteren Zeitpunkt im Verhältnis zum Marktpreis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu bezahlen.25 Der Anleger beteiligt sich etwa im Falle eines Aktien-CFD mit dem Öffnen einer CFD-Position auch nicht, wie sonst an den Kapitalmärkten üblich, an einem Unternehmen. Bei Differenzkontrakten erwirbt der Kunde demnach niemals den entsprechenden Basiswert.26 Ein Differenzkontrakt ist somit ein Derivat27, wobei im Vergleich zu den eingangs erwähnten und vorrangig institutionell verwendeten Derivaten besonders iVm der Nutzung durch Verbraucher erhebliche Unterschiede bestehen. C. Futures Bei einem Future einigen sich zwei Vertragsparteien darauf, an einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft eine bestimmte Menge eines Gutes zu einem im Vertrag bereits vereinbarten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Da beide Vertragspartner fest an ihre Verpflichtungen gebunden sind, handelt es sich bei Futures um ein unbedingtes Termingeschäft.28 Bei unbedingten Termingeschäften unterscheidet man zwischen Futures und Forwards. Während bei Forwards die Vertragsinhalte individuell und frei nach den jeweiligen Bedürfnissen festgelegt werden können, liegen bei Futures standardisierte Vertrag- bzw Kontraktspezifikationen vor. Beispielsweise kann im Falle eines Öltermingeschäfts (Öl-Future) der Anleger nur 1.000 Barrel oder ein Vielfaches davon handeln. Hingegen können bei Forwards beliebige Mengen vereinbart werden.29 Bei Futures ist der Vertragsgegenstand ein Finanzmarktrisiko, man spricht deshalb auch von Financial Futures. Ein Terminkontrakt, der nicht standardisiert ist, wird als Forward bezeichnet.30 D. Unterschiede von CFD zu anderen Derivaten CFD sind derivative Finanzinstrumente, jedoch mangels Vorliegen einer Endfälligkeit keine Termingeschäfte bzw Terminkontrakte.31 Die Position, die beim Abschluss des Geschäfts vom Anleger geöffnet wird, schließt dieser mit einem gegenläufigen Geschäft auf eigene Initiative im Nachhinein. Die Provision des Verkäufers wird auf 25 Vgl Seggermann in Brandl/Saria (Hrsg), WAG 20182 (2020) § 1 Rz 76. 26 Vgl BaFin, Allgemeinverfügung, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allg vfg_Differenzgeschaefte.html (abgefragt am 05.05.2021). 27 Vgl VwGH 19.10.2016, Ro 2014/15/0014. 28 Vgl Bossert, Derivate, 27. 29 Vgl Brauneis/Mestel, ÖBA 2014, 806. 30 Vgl Bossert, Derivate, 27. 31 Vgl Leser/Leser/Habsburg-Lothringen, Finanzinstrumente2 (2019) 201 f. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 12/39
Tagesbasis abgerechnet.32 Der Anleger wählt selbst, ob und wann er einen CFD kauft oder verkauft, die Laufzeit ist somit theoretisch unbegrenzt. Für das Halten offener Positionen über den Börsenschluss des jeweiligen Tages hinaus werden aufgrund des großen Anteils an Fremdkapital entsprechend hohe Zinsen (sog Overnight-Gebühren) fällig. Aus diesem Grund ist ein solches Vorgehen für Anleger finanziell unattraktiv.33 CFD liegen deshalb regelmäßig dem sog echten Day-Trading zu Grunde. Hierbei stellt der Day-Trader eine Sicherheitsleistung, wobei ihm dafür vom Rechtsträger bzw. anbietenden Kreditinstitut die Geschäfte über den jeweiligen Handelstag hinweg kreditiert werden. Die eingegangenen Geschäfte werden dem Day-Trader gegenüber jedoch niemals erfüllt. Der Rechtsträger muss die offenen Handelspositionen zu Ende des Handelstages auf Rechnung des Day-Traders schließen („glattstellen“), womit der jeweils realisierte Differenzbetrag den Gewinn oder Verlust des Day-Traders ausmacht.34 III. CFD-Anbieter (Broker) im Überblick CFD werden wie vorstehend erwähnt nicht an einer öffentlichen Börse, sondern OTC35 gehandelt. Die Order wird also nicht an einer Börse abgewickelt, sondern direkt mit dem Handelspartner. CFD-Anbieter (sog Broker) betreiben eine Handelsplattform und stellen die Kurse. Man unterscheidet drei relevante Arten von Brokern, die Market Maker, die DMA-Broker und die STP/ECN-Broker.36 Der Unterschied ist für den Abschluss von Differenzkontrakten von eminenter Bedeutung. A. Market Maker Der Begriff des Market Makers kommt nicht nur in Zusammenhang mit CFD-Brokern vor. In § 1 Z 16 BörseG findet sich eine Legaldefinition. Demnach ist ein Market Maker „eine Person, die an den Finanzmärkten dauerhaft ihre Bereitschaft anzeigt, durch den An- und Verkauf von Finanzinstrumenten unter Einsatz des eigenen Kapitals zu von ihr festgestellten Kursen Handel für eigene Rechnung zu betreiben.“ 32 Vgl Assmann in Assmann/Schneider/Mülbert, WpHG 7 (2019) § 2 Rz 53. 33 Vgl Wendelstein, Haftung von CFD-Brokern im europäischen Zuständigkeitsrecht, GPR 2021, 7. 34 Vgl Seggermann in Brandl/Saria, WAG 20182 § 1 Rz 76. 35 Vgl Fn 18. 36 Vgl Wendelstein, GPR 2021, 7. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 13/39
Die Definition steht in engem Zusammenhang mit der in § 52 BörseG normierten Ermächtigung des Börseunternehmens, die Art des Börsenhandels zu bestimmen. Dabei wird der Handel durch „verbindliche Nennung von An- und Verkaufspreisen durch ein Börsemitglied (Market Maker)“ als eine zulässige Handelsvariante genannt. Ferner sieht § 130 Abs 3 BörseG eine Privilegierung von Aktien in Hinblick auf die Beteiligungspublizität vor, wenn die Aktien im Rahmen des Market Making gehalten werden.37 Ein als Market Maker agierender CFD-Broker nimmt die Gegenposition des Kunden ein und ist damit Schuldner der Inhaberschuldverschreibung. Der Market Maker stellt jederzeit (eigene) Kauf- und Verkaufskurse, zu welchen der Kunde kontrahiert. Eröffnet der Kunde in einem CFD-Produkt eine Long-Position (Kauf bzw Wette auf steigende Kurse), geht der Market Maker automatisch eine Short-Position (Verkauf bzw Wette auf fallende Kurse) ein. Dies gilt vice versa für das Eingehen einer Short-Position durch den Kunden. Diese Konstellation ist unter den Brokerarten zweifellos die problematischste, da der Anbieter in diesem Fall die höchsten Gewinne erwirtschaftet, wenn der Kunde Verluste erleidet. Es ist somit ein immanenter Interessenskonflikt gegeben, aus dem sich eine höhere Gefahr für mögliche Kursmanipulationen aus der Natur der Sache ergibt.38 Zum Verständnis der vorstehenden Ausführungen wird an dieser Stelle ein kurzes Beispiel für den Handelsablauf eines vom CFD verschiedenen Derivats (in diesem Fall ein Future) angeführt. Ein Anleger möchte kurzfristige Preisschwankungen im US- Aktienindex S&P 500 ausnutzen. Der S&P 500 umfasst die Aktien von 500 der größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen. Entscheidet sich der Anleger für den entsprechenden Futurekontrakt E-mini S&P 50039, kann er die Order zum Kauf oder Verkauf nur beim Broker aufgeben, der die Order folglich an das Clearing-Haus (hier die CME Group) weiterleitet. Ein direktes Kontrahieren des Anlegers mit dem Clearing-Haus bzw Börsenplatz findet nicht statt. Es handelt sich in concreto um ein Termingeschäft, bei dem das Gegenparteirisiko für die Marktteilnehmer weitestgehend wegfällt, weil ein Clearing-Haus die Position der Börse als Kontrahent zwischen Käufer und Verkäufer einnimmt. 37 Vgl Oppitz in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner (Hrsg), BörseG/MAR (2019) § 1 BörseG Rz 44. 38 Vgl Wendelstein, GPR 2021, 7. 39 Der E-mini S&P 500 Future wird auch schlicht als „E-mini“ bezeichnet und ist mit rund einer Million täglich gehandelten Kontrakten der zweitwichtigste Future an der Chicago Mercantile Exchange (CME) Group; Vgl dazu Brauneis/Mestel, ÖBA 2014, 810. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 14/39
Ein vergleichbarer CFD des Market Makers auf den Aktienindex S&P500 hat für einen unerfahrenen Anleger optisch keinerlei Unterschied. Die Produkte verlaufen auf den ersten Blick synchron, da sich der CFD am gleichen Index (in concreto der Basiswert) orientiert. Es ist demnach eine hohe Kurskorrelation gegeben, wobei das tatsächliche Ausmaß im Verhältnis zur Kursberechnungsart bzw Kursdarstellungsart des Brokers steht. Durch diese Darstellungsmethode des Market Makers, die für den Verbraucher regelmäßig nicht nachvollziehbar erscheint, können sich insb in Bezug auf wirtschaftlich relevante Ereignisse40 kurzfristig drastische Änderungen im Kurs ergeben. Gemeinhin wird eine solche scharfe und kurzfristige Kursbewegung als „spike“ bezeichnet, weil der Kurs plötzlich sehr schnell in eine Richtung bewegt läuft. Relevanz hat dies für Kleinanleger insofern, als diese ihre Positionen regelmäßig durch sog Stop-Loss-Orders absichern.41 Eine solche Order stellt einen bedingten Verkaufsauftrag dar. Dieser gelangt nur zur Ausführung, wenn der seitens des Anlegers vorher bestimmte Preis erreicht wird. Je regelmäßiger und öfter Stop-Loss- Orders ausgeführt werden, desto mehr Gewinn erwirtschaftet der Maker Maker und indiziert auch diese Tatsache einen deutlich ersichtlichen Nährboden für mögliche Marktmanipulationen. Gegen (kurzfristige) Preisschwankungen sichern sich CFD-Broker regelmäßig etwa durch Öffnungsklauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab und behalten sich dadurch einen Handlungsspielraum vor. Bei Turbulenzen im Markt legen sie den entscheidenden Kurs nach freiem Ermessen fest.42 B. DMA-Broker DMA steht für "Direct Market Access". Bei diesem Modell bietet der CFD-Broker dem Anleger einen Zugang zum Orderbuch einer Referenzbörse. Er führt die Kundenaufträge in Echtzeit und im Namen des Kunden an dieser Referenzbörse aus und erzeugt gleichzeitig einen CFD zwischen ihm und dem Kunden. Dieses Geschäftsmodell führt zu einer weitgehenden Vermeidung von Interessenskonflikten und generiert hier der Broker ausschließlich Gewinne aus Transaktionsgebühren und ähnlichen Gebühren iZm der Dienstleistung.43 Systeme zur Optimierung von Aufträgen 40 Anzudenken sind idF Notenbanksitzungen, Veröffentlichung relevanter Wirtschaftsdaten in den USA uÄ. 41 Vgl OGH 22.03.2018, 4 Ob 225/17t, ecolex 2018/344. 42 Zu beispielhaften AGB eines Market-Makers III.A. 43 Vgl Wendelstein, GPR 2021, 7. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 15/39
(sog smart order routing) schließen einen DMA aus. Vielmehr liegt hier direkte Auftragsausführung (direct brokerage) vor.44 C. ECN/STP Broker ECN (Electronic Communications Network) sowie STP (Straight through Processing) Broker leiten die Aufträge der Anleger an Liquiditätsprovider weiter und schalten keinen eigenen Dealing Desk. Sie nehmen somit typischerweise keine Gegenpositionen ihrer Kunden ein, es besteht daher kein wie auch immer gearteter Interessenskonflikt. ECN und STP Broker nehmen wie an der Börse üblich nur eine Vermittlungstätigkeit wahr und werden daher regelmäßig nicht unter den Begriff des CFD-Brokers subsumiert. 45 IV. CFD-Nutzung durch Verbraucher Bezeichnend ist, dass die Nutzung von CFD-Brokern fast ausschließlich durch Verbraucher erfolgt. Verbraucher iSd § 1 Abs 1 KschG ist jeder, für den das in Frage stehende Rechtsgeschäft nicht zum Betrieb seines Unternehmens gehört. Wer über kein Unternehmen verfügt, ist sohin immer Verbraucher. Im Einzelfall kann auch Verbraucher sein, wer ein Unternehmen hat. Und zwar dann, wenn das abgeschlossene Geschäft nicht zum (gewöhnlichen) Betrieb des Unternehmens gehört.46 Grund für die überwiegende Nutzung von CFD durch Verbraucher ist vor allem der weit niedrigere Eigenkapitalaufwand. Im Gegensatz dazu handeln institutionelle Einrichtungen47 vorwiegend vorstehend angeführte Derivate48 an der Terminbörse. Während für Futurekontrakte oder Optionen an Terminbörsen ein vergleichsweise hoher Kapitaleinsatz notwendig ist, um selbst die Mindestgröße49 handeln zu können, kann der Handel bei CFD-Brokern auch mit schon mit mehreren hundert Euro ermöglicht werden. Für gewöhnlich haben die Konten von Anlegern bei CFD-Brokern eine recht kurze Lebensdauer, die unter Umständen nur wenige Tage oder Wochen beträgt. Dies berichtet die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ihren 44 Vgl Seggermann in Brandl/Saria, WAG 20182 § 1 Rz 195. 45 Vgl Wendelstein, GPR 2021, 7. 46 Vgl Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB3 (2002) § 1 KSchG Rz 4. 47 Vgl Fn 15. 48 Vgl Fn 11. 49 Vgl Brauneis/Mestel, ÖBA 2014, 811. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 16/39
öffentlich gemachten Einschätzungen. Die Mehrheit der Kunden verliert in dieser kurzen Zeitspanne das von ihnen eingebrachte Geld.50 Bisweilen bekräftigen europäische Finanzaufsichtsbehörden diese Einschätzungen.51 Die Broker stellen ihren Kunden Kapital zur Verfügung, damit trotz eines geringen Eigenkapitalaufwands (der sog [initial] Margin) durch diese entsprechend hohe Gegenwerte gehandelt werden können. Die konkrete Möglichkeit, solche Gegenwerte zu handeln, liegt in einer Hebelwirkung, die auch charakteristisch für CFD ist. Die benötigte Margin errechnet sich prozentuell vom Basiswert. Eine Margin iHv 1 Prozent entspricht demnach einem Hebel von 1:100. Beträgt der Hebel 1:100, so „bewegt“ der Anleger trotz einer Einlage von nur 1.000 Euro einen Betrag iHv 100.000 Euro. Bewegt sich also der Basiswert um 0,5 Prozent, so gewinnt bzw verliert der Anleger 500 Euro. Der Kunde kann dadurch bei einem CFD-Instrument eine Position eingehen, bei der der Basiswert das Hundertfache des hinterlegten Kapitals beträgt.52 Der Anbieter legt die Höhe des erforderlichen Kapitals für jeden Basiswert fest. Die Höhe des zu hinterlegenden Kapitals verändert sich jedoch mit den Veränderungen im Kurs beim Basiswert.53 Oft erfolgt die Berechnung der Margin auf Basis historischer Entwicklungen.54 Dies erhöht für den Anleger die Gefahr, dass die die Position seitens des Anbieters zum jeweiligen Kurs liquidiert wird, erheblich. Das gilt für jene Fälle, in denen aufgrund der Entwicklung des Kurses im Basiswert der Betrag, den der Anleger auf das Konto eingezahlt hat, vollständig aufgrund der benötigten Margin aufgebraucht wird. In einem solchen Fall kann der Anleger als einzige Alternative nur noch den in Anspruch genommenen Margin-Betrag durch neuerliche Einzahlung ausgleichen.55 CFD-Broker bewerben ihre Angebote oft intensiv in den Sozialen Medien und bieten regelmäßig mobile Smartphone-Apps für den CFD-Handeln an, die insb junge Anleger anlocken sollen. Beispiele für beliebte Anbieter sind etwa die Unternehmen Plus 500 oder eToro.56 50 Vgl BaFin, Allgemeinverfügung, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allg vfg_Differenzgeschaefte.html (abgefragt am 05.05.2021). 51 Etwa die französischen Finanzaufsichtsbehörde FR-AMF (Autorité des marchés financiers). 52 Vgl Wendelstein, GPR 2021, 7 f. 53 Vgl BaFin, Allgemeinverfügung, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allg vfg_Differenzgeschaefte.html (abgefragt am 05.05.2021). 54 Bossert, Derivate, 43. 55 Vgl BaFin, Allgemeinverfügung, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allg vfg_Differenzgeschaefte.html (abgefragt am 05.05.2021). 56 Vgl Wendelstein, GPR 2021, 8. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 17/39
Optisch wird der Anleger auf der genutzten Handelsplattform typischerweise mit Signalen konfrontiert, die auch per E-Mail oder über das Smartphone ausgesandt werden. Sie sollen visuell eine mögliche Kursentwicklung indizieren und den Kunden beim Einschätzen der Entwicklungen im Markt bestärken. Die Plattform bietet etwa die Möglichkeit, Signale, um den Anleger zur Eröffnung von CFD-Positionen zu animieren.57 A. AGB des CFD-Brokers Plus 500 Zur Veranschaulichung der Funktionsweise von CFD und ihren vertraglichen Grundlagen werden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des CFD-Brokers Plus 500 auszugsweise kommentiert, bei dem es sich um einen wie in III.A. beschriebenen Market Maker handelt. 1. Unternehmenssitz des CFD-Brokers „Diese Nutzervereinbarung (die "Vereinbarung") wird einschließlich der AGB in Bezug auf Ihre Nutzung unserer Handelsdienstleistung von Plus 500CY Ltd angeboten.“ 58 Anzumerken ist zunächst, dass viele CFD-Broker ihren Sitz in Ländern mit besonders liberalen kapitalmarktrechtrechtlichen Ausgestaltungen unterhalten. Ist das nicht der Fall, so verfügen diese Unternehmen regelmäßig über Tochterunternehmen, die in Ländern mit liberalen Kapitalmarktgesetzen angesiedelt sind und den Rahmenvertrag mit dem Kunden schließen. Daraus ergeben sich entsprechend finanzielle Risiken für den Verbraucher, sofern ein prozessuales Vorgehen gegen den Broker erforderlich werden sollte und der Gerichtsstand nicht im Inland liegt.59 Im Falle des Brokers Plus 500 liegt das mit dem Verbraucher den Vertrag schließende Tochterunternehmen Plus 500CY Ltd in Zypern. 2. Ausführungen Market Maker-Aktivitäten „Unter der Bedingung, dass Sie Ihren Pflichten nach der Kundenvereinbarung nachkommen, führen wir mit Ihnen Transaktionen in CFDs über einzelne Wertpapiere, Wertpapierkörbe, Indizes, Währungen, Rohstoffe, Basis- und 57 Vgl BaFin, Allgemeinverfügung, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allg vfg_Differenzgeschaefte.html (abgefragt am 05.05.2021). 58 Plus500CY Ltd, Nutzervereinbarung, https://cdn- main.plus500.com/Regulatory/CySec/default/de/1618387200/UserAgreement.pdf, 1 (abgefragt am 05.05.2021). 59 Dazu ausführlich in III.B. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 18/39
Edelmetallen durch. Wir sind für alle in der Kundenvereinbarung vorgesehenen Transaktionen Gegenpartei und nicht Ihr Vertreter.“ „Der Handel, den Sie auf unserer Handelsplattform betreiben, wird nicht an einer Börse oder auf einem Handelsplatz ausgeführt. Wir handeln als Gegenpartei (d.h. andere Seite) der Transaktionen, die auf der Handelsplattform ausgeführt werden.“ „Wir bieten die Handelsplattform für den Handel mit CFDs an und führen keine konkurrierenden Aktivitäten durchführen (sic!), die Interessenkonflikte bei oder zwischen Kunden hervorrufen könnten.“60 In den AGB legt der Broker Plus 500 eingehend dar, dass er die Gegenposition des Kunden einnimmt und legt damit seinen Status als Market Maker offen. Nur wenige Absätze später erfolgt ein zusätzlicher Hinweis, dass der Broker keine konkurrierenden Aktivitäten durchführe und durch die Aktivitäten des Brokers keine Interessenskonflikte hervorgerufen würden. Dies ist jedoch, wie vorstehend ausgeführt,61 der Fall und ergibt sich dieser latente Interessenkonflikt bereits aus der Natur der Sache bzw dem grundlegenden Geschäftsprinzip eines CFD-Brokers, der als Market Maker agiert. 3. Ausführungen zu Margin-Anforderungen „Unter bestimmten Umständen und nach alleinigem Ermessen von Plus500CY Ltd. wird eine Margin Call Mitteilung nicht versandt, wenn Ihr Eigenkapital (Barguthaben bei uns und der Wert der offenen Positionen) unter die Margin-Anforderung fällt.“ Unter einem sog Margin Call versteht man die Mitteilung des Brokers an den Kunden, dass die Kreditlinie62 überschritten wurde. Der Anleger kann innerhalb einer vorgegebenen Frist entweder den Margin-Betrag ausgleichen oder Verlustpositionen schließen. Nachschusspflichten gegenüber Privatanlegern schließen die meisten CFD- Broker (mittlerweile) dadurch aus, dass zu stark in den Verlust geratene Positionen durch ein automatisiertes System geschlossen werden. Dies erhöht das Risiko für einen Totalverlust erheblich, da stärkere Kursschwankungen während der Laufzeit des CFD einen Zwangsverkauf der Positionen auslösen können, durch welche der 60 Plus500CY Ltd, Nutzervereinbarung, https://cdn- main.plus500.com/Regulatory/CySec/default/de/1618387200/UserAgreement.pdf, 1 u 4 f (abgefragt am 05.05.2021). 61 Vgl II.A. 62 Vgl I.A. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 19/39
Totalverlust eintreten kann.63 § 3 Abs 2 Z 3 FMA-PIV sieht (nun) einen Negativsaldoschutz vor.64 Vor der Intervention durch die Regulierungsbehörden65 waren Verluste möglich, die uU die Einlage weit überstiegen und theoretisch unbegrenzt waren, dies etwa durch die Kombination einer sehr hoch gehebelten Position mit einer sog Kurslücke.66 Ein umfassend in der medialen Berichterstattung enthaltener Fall war jener der massiven Kursschwankungen des Schweizer Franken in Folge des Wegfalles der Kursstützung durch die Schweizer Nationalbank (SNB) am 15.01.2015. Ein damals 26-Jähriger nutzte ein Devisen-CFD auf das Währungspaar Euro-Franken (EUR/CHF), wobei dem Produkt ein Hebel von 1:400 zu Grunde lag. Der Kurs „hüpfte“, ohne Möglichkeit zur Schließung für den Kunden, um 20 Prozent nach unten. Trotz einer Einlage von lediglich 2.800 Euro erlitt der Kunde einen Verlust iHv 280.000 Euro.67 Der Vorfall beschränkte sich mitnichten nur auf CFD-Nutzer, sondern hatte auch breite Auswirkungen auf Fremdwährungskredite. Auch hier waren viele geschädigte Anleger durch Stop-Loss-Orders vermeintlich abgesichert, wobei diese nicht zum Eintritt kamen.68 4. Marktet Order/ Limit Order „Hinsichtlich einer Market Order kann der Preis, zu dem eine Transaktion abgeschlossen wird, von dem Preis, der bei Übermittlung des Auftrags angezeigt wird, abweichen. Sie stimmen zu, dass das Angebot zur Eröffnung einer Market Order innerhalb eines bestimmten Rahmens, der von der Handelsplattform mitunter angegeben wird, zu einem geringeren oder höheren Preis angenommen werden kann, als dem Preis, der auf Ihrer Market Order angegeben ist.“ „Die Abgabe eines Auftrags garantiert nicht, dass die Transaktion zu den gleichen Bedingungen ausgeführt wird, die zum Zeitpunkt des Auftrags geherrscht haben. Gleichermaßen gilt für eine Limit Order, dass der Preis bei Abschlusses einer 63 Vgl BaFin, Allgemeinverfügung, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allg vfg_Differenzgeschaefte.html (abgefragt am 05.05.2021). 64 Zur FMA-PIV näher in IV.B.3. 65 Vgl IV.B. 66 Zu sog „Kurslücken“ eingehend in III.A.6. 67 Vgl https://www.focus.de/finanzen/jungem-mann-droht-privatinsolvenz-wegen-der-franken-freigabe- anleger-setzte-2800-und-verlor-280-000-euro_id_4556930.html (abgefragt am 05.05.2021). 68 Vgl Brandbeschleuniger Stop-Loss bei Fremdwährungskrediten, VRInfo 2015, 1; Zur Stop-Loss-Order eingehend in III.A.6. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 20/39
Transaktion von dem Preis zum Zeitpunkt der Übermittlung des Auftrags abweichen kann.“ Eine Market-Order wird dadurch beschrieben, dass beim Kaufen „billigst“ und beim Verkaufen „bestens“ kontrahiert wird. In beiden Fällen handelt es sich um unlimitierte Aufträge, die nicht an einen Preis geknüpft sind, sondern in jedem Fall und möglichst zeitnah ausgeführt werden. Die Begriffe können für unerfahrene Kleinanleger irreführend sein. Denn in beiden Fällen sagt der Anleger mit einer Market Order, dass er zum aktuellen Marktpreis oder auch zu schlechteren Konditionen kontrahieren möchte.69 Möchte der Anleger Market-Orders nutzen, ist es deshalb von eminenter Bedeutung, dass am Markt ein hohes Marktvolumen vorherrscht, durch welches eine (gute) Ausführung möglich ist, die so nah wie möglich an jenem Marktpreis liegt, der im Moment der Ausführung besteht.70 Wie in den vorstehenden Ausführungen bereits dargelegt, stellt der Market Maker die Kurse selbst. Das Marktvolumen ist in diesem Fall nicht von einer Börse, deren Produkte regelmäßig ein hohes Volumen aufweisen, abhängig, sondern schlicht von der Liquidität des CFD-Brokers selbst, der diesem Vorgang ein eigenes (für den Kunden idR undurchsichtiges) Kursberechnungs- bzw Darstellungsmodell zu Grunde legt. Eine Limit Order ist hingegen beschränkt und wird nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgeführt, sondern nur zum festgelegten Preis oder besser in Kraft gesetzt. Bis zur Ausführung schwebt die jeweilige Order und kann durch den Kunden abgeändert werden, sofern der jeweilige Markt in Bezug auf die Öffnungszeiten nicht geschlossen ist.71 Limit Orders existieren auch iZm Fremdwährungskrediten. Hier können sie infolge Intransparenz (§ 6 Abs 3 KSchG) oder gröblicher Benachteiligung des Kreditnehmers (§ 879 Abs 3 ABGB) von vornherein unwirksam sein.72 69 Dies gilt im Übrigen auch für eine Stop-Loss-Order. Die Transaktion erfolgt entweder zum festgesetzten Stop-Preis oder schlechter. 70 Vgl Dockner, Preisfindung, Liquidität und Marktmanipulation, ÖBA 2010, 436. 71 Vgl Kreisl in Macher/Buchberger/Kalss/Oppitz (Hrsg), InvFG2 (2013) § 19 InvFG Rz 11. 72 Vgl Kolba, Fremdwährungskredit - Judikaturüberblick und aktuelle Fragen, VbR 2015, 48; OGH 17.12.2013, 5 Ob 9/13d. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 21/39
5. Allgemeine Ausführungen zu Kursschwankungen/ Öffnungsklausel „Es besteht Einigkeit, dass wir aufgrund von Marktschwankungen und Faktoren, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, nicht garantieren können, dass ein Auftrag stets zu dem in Ihrem Auftrag angegebenen Niveau ausgeführt wird. Zum Beispiel kann ein Auftrag zu einem schlechteren Preis abgeschlossen werden als ursprünglich von Ihnen in jenem Auftrag angegeben. In einem solchen Fall schließen wir die Transaktion zum nächstbesten Preis. Zum Beispiel kann in Bezug auf ein Close at Loss, im Falle eines Kaufs zur Schließung, der Preis eines Instruments, der diesem Auftrag zugrunde liegt (underlying), plötzlich über den Close at Loss Preis steigen, ohne jemals einen solchen Preis zu erreichen. Im Falle eines Verkaufs zur Schließung, kann der Preis eines Instruments, der diesem Auftrag zugrunde liegt (underlying), plötzlich unter den Close at Loss-Preis sinken, ohne jemals einen solchen Preis zu erreichen.“73 Eine schlechtere Ausführung als jene zum aktuellen Marktpreis (etwa durch eine Market Order oder eine Stop-Loss-Order) wird gemeinhin als sog negatives Slippage bezeichnet. Durch diese kann es vorkommen, dass die Order zu einem Preis ausgeführt wird, den der Markt niemals respektive nicht im relevanten Handelszeitraum erreicht hat. Steht, vereinfacht an einem Beispiel dargestellt, ein Kurs bei 100 und der Anleger führt eine Market Order als Kauf aus, so kann es passieren, dass diese zu einem Kurs von 90 ausgeführt wird. Der Grund für die Schlechtausführung liegt im Umstand, dass das automatisierte System des CFD-Brokers zu wenig Volumen zur Verfügung stellt, das dem Anleger eine Ausführung zu 100 ermöglicht. Der Anleger erleidet dadurch ein negatives Slippage iHv 10.74 Der Wert des CFD ist somit augenblicklich um 10 niedriger, obwohl der Marktpreis 100 beträgt und 90 niemals erreicht hat. Auftrag der Market Order war „100 oder auch schlechter“, jedoch billigst, und die billigst mögliche Ausführung war eben 90. Ferner kann es beim Stellen des Kurses durch den CFD-Broker öfter zu sog Kurslücken kommen, gemeinhin auch als „Gaps“ bezeichnet. Sie sind meist die Folge erheblicher, oben bereits beschriebener Kursschwankungsszenarien.75 In einem solchen Fall wird ein dem Kurs zugrunde liegendes Produkt augenblicklich auf einem (weit) höheren oder (weit) niedrigeren Preisniveau gehandelt, ohne dass der Kunde die 73 Plus500CY Ltd, Nutzervereinbarung, https://cdn- main.plus500.com/Regulatory/CySec/default/de/1618387200/UserAgreement.pdf 4 u 15 f, (abgefragt am 05.05.2021). 74 Vgl OGH 04.07.2017, 3 Ob 39/17g. 75 Vgl II.A. 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 22/39
Möglichkeit hat, seine Position schnell genug zu schließen.76 Anzumerken ist, dass Kurslücken im CFD zustande kommen können, ohne dass solche im Basiswert selbst je vorhanden waren. Bezeichnend ist dieses Szenario vor allem iZm Stop-Loss-Orders, die den Anleger vermeintlich absichern sollen. Liegt nun ein solcher Kurssprung vor, so wird die Ausführung im Falle einer Short-Position über den festgesetzten Stop-Preis bzw im Falle einer Long-Position unter den festgesetzten Stop-Preis mit einem nachteiligeren Preisniveau bewirkt. Die Position wird sofort mit einem hohen Verlust verkauft. Der Anleger hat in diesem Fall also auch keine Möglichkeit mehr, die Position zu halten, um eine eventuelle Rückkehr des Marktes zum Einstiegsniveau abzuwarten. Kauft also der Anleger zum Kurs 100 und tritt aufgrund massiver Volatilität77 ein Kurssprung auf 50 ein, erleidet der Anleger unmittelbar einen Verlust iHv 50. Die Position des Anlegers ist jedoch nur aufrecht, wenn die Margin nicht überschritten wurde und die Kurslücke nicht ohnehin eine automatische Liquidation der Position(en) ausgelöst hat. Hat der Anleger jedoch eine Stop-Loss Order bei 80 gesetzt um sein Risiko mit 20 zu begrenzen, so wird die Stop-Loss-Order mit 50 ausgeführt und die Position mit einem Verlust von 50 verkauft. Der zeitlich schnelle Verlauf eines Kurssprungs nimmt dem Anleger die Möglichkeit, seine Position zu erhöhen oder schlicht zu halten um eine Umkehr auf das ursprüngliche Preisniveau abzuwarten. Die vorstehenden Szenarios zeigen auf, dass Stop-Loss-Orders, die den CFD-Kunden vermeintlich absichern sollen, regelmäßig negative Auswirkungen für diesen entfalten. Anzumerken ist ferner, dass oben beschriebene und auszugsweise zitierte AGB in juristisch mangelhafter bzw stark vereinfachter Sprache gehalten sind und für ein Unternehmen solcher Größe ungewöhnlich viele Grammatikfehler beinhalten. Das Unternehmen ist börsennotiert und erzielte im Jahr 2020 einen Umsatz iHv 872,5 Millionen US-Dollar.78 76 Vgl Wendelstein, GPR 2021, 7. 77 Dabei handelt es sich um starke Kursschwankungen in kurzen Zeitintervallen. 78 Plus500CY Ltd, FY 2020- Preliminary Results, https://cdn.plus500.com/media/Investors/Reports/Plus500_Investor_Presentation_2020.pdf (abgefragt am 05.05.2021). 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 23/39
B. CFD-Broker im Lichte internationaler Zuständigkeit In einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der internationalen Zuständigkeit für Ansprüche eines Anlegers gegen einen CFD-Broker befassen.79 Dem Reliantco-Verfahren lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde. Im Jahr 2016 eröffnete der Kläger, wohnhaft in Rumänien, ein Handelskonto auf der CFD-Plattform UFX mit Sitz in Zypern. Im Zeitraum zwischen November 2016 und Januar 2017 handelte der Kläger 197 Positionen und erzielte dabei einen Gewinn iHv rund 644.000 US-Dollar. Am 11. November 2017 schloss der Kläger mit dem CFD Broker im Fernabsatz einen Vertrag über Gewinne aus dem Handel mit Finanzinstrumenten ab, wobei der Vertrag eine Gerichtsstandvereinbarung zugunsten der Gerichte Zyperns sowie eine Rechtswahl zugunsten zyprischen Rechts beinhaltete. Zwei Tage später platzierte der Kläger auf der Plattform mehrere Trades, mit denen er auf das Fallen des Ölpreises setzte. Folglich soll es laut Kläger zu einem Verlust iHv etwa 2 Mio US-Dollar gekommen sein. Der Kläger behauptete deliktische Manipulationen seitens des beklagten Anbieters. Dieser habe gegen gesetzlich verbraucherschützende Vorschriften verstoßen und nicht ausreichend vor den Gefahren im Zusammenhang mit Transaktionen auf seiner Plattform informiert, beraten und gewarnt. Er habe ferner übermittelte Aufträge nicht entsprechend den Anweisungen des Klägers ausgeführt. Dieser erhob folglich Klage unter Berufung auf Art. 17, 18 Brüssel Ia-VO (vor einem rumänischen Zivilgericht), die ua auf Schadensersatz iHv 1.919.720 US-Dollar zzgl Zinsen seit dem 13. 1. 2017 lautete.80 Diese Sachverhaltskonstellation warf im internationalen Zuständigkeitsrecht zwei wesentliche Fragen auf. 1. Verbraucherbegriff des Art 7 Abs 2 Brüssel Ia-VO In casu tätigte der Kläger Differenzgeschäfte mit einem vergleichsweise hohen Kapitaleinsatz. Daher war zunächst zu klären, ob dieser überhaupt als Verbraucher iSd Art 17 Brüssel Ia-VO zu qualifizieren ist. Mit dieser Fragestellung hatte sich der EuGH in jüngerer Vergangenheit bereits in der Rs Petruchová beschäftigt.81 Die Legaldefinition eines Verbrauchers auf europäischer Ebene findet sich in Art 17 Abs 1 Brüssel Ia-VO. Verbraucher ist demnach „jede natürliche Person, die Verträge 79 EuGH 02.04.2020, C-500/18 (Reliantco). 80 Vgl das Vorabentscheidungsersuchen in der Rs C-500/18 Rz 8 (Reliantco). 81 EuGH 03.10.2019, C-208/18 (Petruchová). 27. Mai 2021 Philippe Cayeux 24/39
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