MODERN KOMMUNIZIEREN - KV RLP
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SEPTEMBER 2021 DAS MAGAZIN DER KASSENÄRZTLICHEN VEREINIGUNG RHEINLAND-PFALZ TELEMATIK-DIENSTE MODERN KOMMUNIZIEREN Durch die digitale Vernetzung entstehen vielfältige Möglichkeiten des Datenaustauschs und der Informationsgewinnung, welche die Kooperation unter den Leistungserbringern erleichtern werden. Aktuelles zum Coronavirus: www.kv-rlp.de/555444 AMBITIONIERTE ZIELE FLUTKATASTROPHE PATIENTENTRANSPORT Der neue Gesundheitsminister Clemens Eine Ärztin und eine Psychotherapeutin Das müssen ärztlich Niedergelassene Hoch will die Grundlagenforschung im berichten über die schwierige Situation bei der Verordnung eines Rettungs- oder Gesundheitswesen stärken. | Seite 12 für die ambulante Versorgung. | Seite 15 Krankenwagens beachten. | Seite 22
INHALT SCHWERPUNKT POLITIK 4 Ausbaupotenzial 12 Clemens Hoch im Gespräch Auf der elektronischen Patientenakte (ePA) Der neue Wissenschafts- und Gesundheitsminister strebt können bald mehr Datensätze gespeichert an, die Gesundheitsforschung auszubauen und sektoren- werden und es kommen neue Nutzergruppen übergreifende Versorgungskonzepte zu fördern. hinzu. PANORAMA 6 Austausch 15 Folgen der Flutkatastrophe Nach den verheerenden Hochwasserschäden im Ahrtal hat die KV RLP Kontakt zu betroffenen Praxen aufgenommen, um die ambulante Versorgung zu gewährleisten. 19 Schutz vor Datenverlust © STOCK.ADOBE.COM Durch die Lagerung von Datensicherung außerhalb der Praxisräume können Niedergelassene mögliche Schäden bei Hochwasser oder Hackerangriffe in Grenzen halten. Die gematik entwickelt Standards für TI-Mes- 20 Ärztliche Stelle im Portrait sengerdienste, die eine schnelle und anbiete- Auch in Pandemie-Zeiten kam das Team in der KV RLP ihrer rübergreifende Kommunikation erlauben. Mittlerfunktion zwischen den Strahlenschutzverantwortli- chen und der zuständigen Aufsichtsbehörde nach. 7 Anwendungsvielfalt Medizinische Informationsobjekte sind SERVICE universell verwendbar und dienen dazu, Daten in der ePA lesbar zu machen. 22 Rettungs- oder Krankenfahrt? KV PRAXIS klärt über die Unterschiede auf und was die 8 Arbeitsunfähigkeit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung Die Bescheinigung im Papierfomat hat bald beachten müssen. ausgedient und der elektronische Versand an die Kassen wird verpflichtend. 10 Aufwandsarm Das elektronische Rezept wird den Verord- nungsalltag der ärztlichen Praxen nicht nur verändern, sondern vor allem vereinfachen. 2 KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
24 Nachrichten VORWORT Liebe Kolleginnen 25 Berufshaftpflichtversicherung und Kollegen, liebe Praxismitarbeiterinnen und Praxismitarbeiter, 25 Impressum in einigen Tagen wird wieder ein neuer Bundestag gewählt. Die neue Regierung, in welcher politischen Konstellation sie 26 Aktuelle Rechtsprechung | auch zusammengesetzt sein mag, wird sich daran messen Qualitätsbericht 2021 der KV RLP lassen müssen, ob sie die notwendigen Reformen im Gesund- heitswesen mit Realismus und Augenmaß anpackt. Vieles wurde in der Vergangenheit nicht immer im Sinne der ärztlich 27 Online-Umfrage Mediennutzung | und psychotherapeutisch Niedergelassenen umgesetzt. Neues aus der KV-Hotline Deutlich wird das am Ausbau der Telematik-Infrastruktur (TI). Die fortschreitende Digitalisierung in der ambulanten Versor- 28 KV-Konferenz 2021 gung mit ihren vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten und elektronischen Diensten wie eRezept, ePatientenak- te oder die eAU wird den Praxisalltag zweifellos erleichtern und zahlreiche Vorteile bringen. Das führen die Beiträge im Schwerpunkt dieser Ausgabe nochmals deutlich vor Augen. Leider müssen wir erleben, dass TI-Anwendungen nicht aus- reichend erprobt sind und daher unausgereift auf den Markt kommen. Häufig liegen in den Praxen die technischen Vor- aussetzungen noch gar nicht vor. Dennoch droht der Gesetz- geber den Leistungserbringern Sanktionen an, wenn sie eine TI-Anwendung nicht bis zu einer bestimmten Frist verfügbar haben – siehe elektronische Patientenakte. Wir müssen die Akzeptanz für diese notwendigen technischen Veränderun- gen fördern. Finanzielle Strafen sind hier eindeutig der falsche Weg! Zumal wenn Fragen zum Datenschutz und zur Datensi- cherheit noch nicht zufriedenstellend beantwortet sind. Apropos Datensicherheit: Jüngste Hackerangriffe und nicht zuletzt die Hochwasserkatastrophe zeigen die Risiken, die Praxen immer wieder ausgesetzt sind. Durch regelmäßiges Einspielen von Updates und externe Datenaufbewahrung können die Praxen ihren eigenen Beitrag zum Schutz von Pa- tientendaten leisten. Es wird auch auf uns ankommen, ob sich der Digitalisierungsprozess in die richtige Richtung bewegt. Herzliche Grüße aus Mainz, Ihr Peter Andreas Staub Mitglied des Vorstands der KV RLP KV PRAXIS SEPTEMBER 2021 3
Schwerpunkt © WHITEMAY – ISTOCKPHOTO.COM TELEMATIK-DIENSTE MODERN KOMMUNIZIEREN Seit Juli 2021 müssen die technischen Voraussetzungen für den Betrieb der elektronischen Patientenakte (ePA) in den Praxen vorhanden sein, die Erprobungsphase läuft bereits. Doch wie geht es weiter? Die gematik stellte auf ihrer digitalen Veranstaltungsreihe Ende Juli die nächsten Ausbaustufen vor. „Es wird bei der ePA noch vieles passieren in den nächsten Jah- Zunächst stehen der Notfalldatensatz und der elektronische ren, sowohl auf funktionaler Ebene als auch hinsichtlich des Medikationsplan als Datensätze in der ePA zur Verfügung. Die- Wirkungskreises, der in Form neuer Nutzergruppen wächst“, se Datensätze sind auf der elektronischen Gesundheitskarte prognostizierte Philipp Mähl, Strategischer Produktmanager des Versicherten nicht sichtbar, können dafür aber in der Akte ePA bei der Betreibergesellschaft gematik GmbH. Neben ärzt- eingesehen werden. Patientinnen und Patienten können diese lichen, zahnärztlichen und psychotherapeutischen Praxen sind Daten dort bereits eintragen und aktualisieren und es kann ein auch Apotheken an die ePA angebunden. Sukzessive kommen Austausch darüber mit den Ärztinnen und Ärzten stattfinden. Kliniken und darin tätige Belegärztinnen und -ärzte bis Ende Hierzu muss der Praxis zuvor vom Versicherten die Berechti- dieses Jahres hinzu. Hintergrund ist die komplexere technische gung zur Einsichtnahme erteilt werden. Darüber hinaus ist es Infrastruktur, welche die Anbindung zeitaufwendiger macht. möglich, den elektronischen Arztbrief sowie den Datensatz 4 KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
persönlicher Erklärungen in die ePA einzustellen. Versicherte „Für diese Dokumente werden Sie als Ärztin bzw. Arzt den elek- können für den Behandlungskontext weitere wichtige Doku- tronischen Heilberufsausweis funktional benötigen, um zum mente einstellen. Beispiel Eintragungen vorzunehmen.“ Berechtigungen können ab dem nächsten Jahr gezielter Künftig auch Freigabe pseudonymisierter Daten für die vergeben werden Forschung möglich Im nächsten Jahr kommen neue Nutzergruppen bei der ePA- Einen weiteren Ausblick gab der Produktmanager auch schon Anbindung hinzu, beispielsweise Pflegepersonal, Physiothe- auf 2023. In dem darauffolgenden Jahr würden bei den Nut- rapeuten, Arbeitsmediziner und Rehakliniken. Auch Privat- zergruppen auch noch die Forschung und die Hersteller von versicherte bekommen 2022 eine ePA angeboten. Weitere Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in die ePA einge- Änderungen betreffen den Funktionsumfang: So wird das bis- bunden. Ab diesem Zeitpunkt können Nutzende der ePA struk- herige grobe Berechtigungskonzept durch ein verfeinertes Be- turierte Daten aus den vier zuvor genannten Passdokumenten rechtigungskonzept ersetzt. „Das hat zur Folge, dass der Patient für die Forschung freigeben. „Darüber hinaus wird es möglich im Rahmen seiner Berechtigungsvergabe gezielter Berechti- sein, dass ein Versicherter, der bereits eine DiGA nutzt, Daten gungen vergeben kann“, erläutert der ePA-Experte der gema- daraus in der ePA abspeichert und diese Daten unterschiedli- tik. „Er kann gezielt Behandlungsdokumente freigeben, die für chen Ärzten und Therapeuten freigibt, um die Daten zu bespre- eine bestimmte medizinische Berufsgruppe von Relevanz sind, chen.“ Weiterhin optional vorgesehen sind die Einbindung von oder bestimmte Dokumente gar nicht freigeben.“ Möglich wird TI-Messengern, das heißt speziellen Kurznachrichtendiensten die Rechteübertragung auch an die Partnerin bzw. den Partner (siehe Artikel Seite 6), die Abgabe einer Organspendeerklärung oder pflegende Angehörige. und das automatisierte Einstellen von Verordnungs- und Dis- pensierdaten aus dem eRezept-Fachdienst. An strukturierten Auch ein Kassenwechsel stellt mit der ePA kein Problem dar. Die Daten und Dokumenten können im übernächsten Jahr dann Krankenkasse kann Abrechnungsdaten über die Behandlung auch ein Krankenhaus-Entlassbrief, die eAU oder Laborwerte zur Einsicht in die Akte stellen. Ab 2022 ist die ePA nicht nur abgelegt werden. per App auf dem Smartphone, sondern auch auf einem PC oder Laptop nutzbar. „Ein wesentlich neues und spannendes „Wir sehen die ePA als Gemeinschaftsleistung von Ihnen, den Feature ist die Unterstützung standardisierter und strukturier- Ärztinnen und Ärzten, der Industrie und weiteren Beteiligten ter Dokumente. Das betrifft ab nächstem Jahr den Impfpass, im Gesundheitswesen“, so der gematik-Produktmanager ab- den Mutterpass, das Zahnbonusheft und das Kinderuntersu- schließend. „Daher können wir diese auch nur mit Ihnen ge- chungsheft“, beschreibt Philipp Mähl die weitere Entwicklung. meinsam zum Erfolg bringen.“ ELEKTRONISCHE PATIENTENAKTE © METAMORWORKS – SHUTTERSTOCK.COM Eine digitale Anwendung für Versicherte, die als App auf dem Smartphone oder Tablet heruntergeladen werden kann. Die ePA ist für gesetzlich Krankenversicherte freiwil- lig. Sie haben jederzeit Zugriff auf ihre Akte und können selbst bestimmen, welche Daten – zum Beispiel Befunde, Diagnosen, Arztbriefe – sie darin ablegen (lassen) möch- ten und welche Arztpraxis, welche Apotheke, welches Krankenhaus darauf zugreifen darf. Krankenkassen haben keinen Zugriff auf die ePA. Deshalb ersetzt die ePA nicht die Primärdokumentation der Praxis oder des Kranken- In Rheinland-Pfalz ist die ePA bereits in 29 Erprobungspra- hauses! Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen xen und 328 weiteren Praxen im Einsatz (Stand Abrech- und Psychotherapeuten sollten aufgrund der Patienten- nung 2. Quartal 2021). Die anderen Praxen werden im rechte über die ePA auch nicht von der Vollständigkeit der Laufe des 3. Quartals 2021 von ihren Software-Häusern an medizinischen Informationen ausgehen. die technische Infrastruktur angebunden. KV PRAXIS SEPTEMBER 2021 5
Schwerpunkt GEMATIK ENTWICKELT SPIELREGELN FÜR TI-MESSENGERDIENSTE Ab Sommer 2022 soll im Gesundheitswesen eine schnelle, ortsungebundene und sichere Kommunikation mithilfe sogenannter Telematik-Infrastruktur-Messenger (TI-Messenger) möglich werden. Dazu entwickelt die gematik bis Oktober einheitliche Standards für interoperable Messenger-Anwendungen. es an einer einheitlichen Zertifizierung sowie einem anbieter- übergreifenden Austausch. Mit dem von der gematik entwi- ckelten TI-Messengerstandard soll die hundertprozentige In- teroperabilität zwischen den einzelnen TI-Messengerdiensten über Anbietergrenzen hinweg erreicht werden. Dafür dient die Verwendung des frei verfügbaren Messengerprotokolls der Matrix.org Foundation, das bereits in vielen öffentlichen Be- reichen zum Einsatz kommt. Matrix ist ein bestehender Stan- © STOCK.ADOBE.COM dard, der Kommunikation in Echtzeit gewährleistet. Für den TI-Messenger wird der Matrix-Standard lediglich erweitert, um eine abgeschirmte Kommunikation im Gesundheitswesen zu ermöglichen. Matrix bietet eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und damit auch einen sicheren Versand von Dokumenten oder Ab dem Jahr 2023 können Praxen über einen TI-Messengerdienst Text-, Bild- und Audiodateien. dann auch mit Patientinnen und Patienten kommunizieren. Im TI-Messenger sind die Kontakte der an einem TI-Messenger- Sichere Messengerdienste für das deutsche Gesundheitswesen dienst teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte, die sich mit einem werden den digitalen Austausch unter den Leistungserbringern HBA authentifizieren können, bereits hinterlegt. Dadurch ist einen bedeutenden Schritt voranbringen. Es geht um Kommu- es möglich, schnell und unkompliziert in Kontakt zu treten, nikation in Echtzeit – beispielsweise für Ärztinnen und Ärzte, um sie damit bei einer effizienten Behandlung zu unterstüt- Apotheker, Pflegepersonal und Rettungsdienst – auf Basis eines zen. Auch Rückfragen zum Beispiel an den ärztlichen Kollegen sicheren Übermittlungsverfahrens, mit dem Sofortnachrichten im Krankenhaus lassen sich über den Messengerdienst per PC schnell und vor allem über Anbietergrenzen hinweg verschickt oder Smartphone schnell beantworten. In einer weiteren Aus- werden können. Damit ergänzen TI-Messenger-Dienste die baustufe ab 2023 wird dann auch die Kommunikation mit Pa- Kommunikation im Medizinwesen, kurz: KIM. tientinnen und Patienten möglich sein. „Durch den Austausch von Informationen können Therapieentscheidungen sinnvoll Gesetzliche Grundlage ist das Digitale-Versorgung-und-Pflege- getroffen werden“, so Eric Grey, Produktmanager bei der gema- Modernisierungs-Gesetz (DVPMG), mit der Entwicklung der tik GmbH. „Diese Kommunikation muss deshalb einfach und Spezifikation ist die TI-Betreibergesellschaft gematik beauf- schnell funktionieren.“ tragt. Sie hat angekündigt, dass erste Lösungen ab Sommer 2022 auf dem Markt sein könnten. Per Kurznachricht können Konzeptpapier der gematik beschreibt drei Ausbaustufen dann medizinisch relevante Informationen zunächst zwischen Leistungserbringern ausgetauscht werden. Rückfragen können In Zusammenarbeit mit potenziell Nutzenden und Vertretern somit kurzfristig geklärt, organisatorische Hürden schnell ge- der Industrie hat die gematik das Konzept zum TI-Messenger nommen und Patienten optimal behandelt werden. erarbeitet. Mit der Spezifikation für TI-Messengeranwendun- gen im Gesundheitswesen würden zugleich die Spielregeln Interoperabilität zwischen Messengerdiensten soll geschaffen, erläutert Eric Grey weiter. „Das bedeutet, mit der gewährleistet werden Spezifikation können Hersteller eigene Anwendungen bauen, die nutzerzentriert entwickelt sind, und diese dann nach der Die bisherigen Kommunikationswege kosten viel Zeit, vor allem Test- und Zertifizierungsphase durch die gematik am Markt die Organisation der Kontaktdaten ist häufig aufwendig. Da- anbieten. Diese Anwendungen werden interoperabel sein. Der rüber hinaus sind viele bereits bestehende Kurznachrichten- Nutzer kann also darauf vertrauen, dass alle Ärzte, die einen dienste aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen nicht für die TI-Messenger nutzen, über einen zentralen Verzeichnisdienst Kommunikation von Patientendaten geeignet. Ebenso fehlt erreichbar sind.“ 6 KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
Im Juli hat die gematik ein Konzeptpapier veröffentlicht, um ei- Versicherten und zum Beispiel der behandelnden Praxis bzw. nen Ausblick auf die weitere Umsetzung des TI-Messenger- Versicherten und Krankenkassen genutzt werden können. Im standards zu geben. Der Ausbau soll demnach in drei Stufen dritten Schritt ab Oktober 2023 wird der Funktionsumfang um erfolgen. Zunächst umfasse der Sofortnachrichtendienst die eine Möglichkeit zur Videotelefonie ausgebaut. „Kommunikation zwischen Leistungserbringern“, die über ei- nen elektronischen Heilberufsausweis und Institutionen, die Zugleich hebt die gematik in ihrem Konzeptpapier hervor: „Für über eine SMC-B verfügen. Ein zusätzliches Feature ist die Ein- die Nutzung des Messengerdienstes der Versicherten darf kein richtung einer Gruppenchat-Funktionalität. Hier ist zum Bei- neues Verzeichnis der Versicherten aufgebaut werden. Statt- spiel der Austausch von Bilddateien denkbar. In einem zwei- dessen kann beispielsweise ein Pseudonym der Krankenver- ten Schritt werden die Nutzergruppen erweitert: Ab 2023 soll sichertennummer verwendet werden.“ Die Nutzung eines TI- der TI-Messengerdienst auch zur Kommunikation zwischen Messengers ist für Leistungserbringer freiwillig. MIO – NEUE STANDARDS FÜR DEN © MIO42 DATENAUSTAUSCH IN DER EPA U Um die ePA sektorenübergreifend nutzen zu können, muss diese mit medizinischen Daten befüllt werden. Dazu werden medizinische Informationsobjekte (MIO) als digitale Informationsbausteine angewendet, um standardisierend diese Daten lesbar und bearbeitbar Vier MIO sind bereits definiert, etwa der digitale Impfpass oder das zu machen und damit die digitale Kommunikation im zahnärztliche Bonusheft. Zwei weitere MIO wie der Krankenhaus- Gesundheitswesen zu verbessern. Entlassbrief oder die Patientkurzakte sind in der Entwicklung. Elektronische Patientenakte und MIO funktionieren Hand www.mio.kbv.de. An der Kommentierung können sich in- in Hand. In der ePA werden die medizinischen Daten einer teressierte Personen und Organisationen beteiligen, bevor Patientin oder eines Patienten gespeichert. Über ePA-Funk- dann im Anschluss die Benehmensherstellung in gesetzlich tionalitäten können Zugriffsrechte auf Daten vergeben so- vorgesehenem Kreis erfolgt. Erst nach Sichtung und Be- wie Daten hinzugefügt, aktualisiert oder entfernt werden. antwortung aller eingegangenen Kommentare aus beiden Die MIO dienen dazu, die medizinischen Daten – etwa in Phasen wird das MIO schlussendlich vom Vorstand der KBV Form einer ePA – standardisiert zu dokumentieren. Sie kön- festgelegt. nen als kleine Informationsbausteine verstanden werden, die universell verwendbar und kombinierbar sind. Ziel ist Vier MIO bereits entwickelt und ab 2022 einsatzbereit es, dass MIO im Sinne der Interoperabilität für jedes Sys- tem lesbar und bearbeitbar sind. Informationen sollen so Bereits im vergangenen Jahr hat die KBV einige MIO defi- deutlich leichter zwischen den einzelnen Akteuren im Ge- niert, die ab 2022 innerhalb der ePA Stufe 2 in der Versor- sundheitswesen ausgetauscht werden können. gung einsetzbar sind. Dazu zählen der digitale Impfpass, der Mutterpass, das zahnärztliche Bonusheft und das Das Konzept der MIO stammt von der Kassenärztlichen Kinder-Untersuchungsheft. Für die zweite Jahreshälfte Bundesvereinigung. Sie folgt damit dem Auftrag aus dem ist das MIO „Krankenhaus-Entlassbrief“ vorgesehen, in Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG, § 291b Ab- enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Krankenhaus- satz 1 Satz 7 SGB V), die semantische und syntaktische In- Gesellschaft. Ebenfalls in der Entwicklungsphase befindet teroperabilität für Inhalte der ePA in Zusammenarbeit mit sich aktuell die MIO Patientenkurzakte, die den Notfallda- weiteren Institutionen und Organisationen zu erarbeiten tensatz und den Datensatz der persönlichen Erklärungen und festzulegen. der versicherten Person umfassten. Ursprünglich waren diese beiden Datensätze für die Speicherung in der elekt- Jedes MIO und auch jede neue Version eines MIO durch- ronischen Gesundheitskarte vorgesehen und sollen nun in läuft denselben Prozess: Nach der Erstellung – in der zahl- eine eigene Online-Anwendung überführt werden. Weitere reiche Fachgespräche und Reviews erfolgen – folgt eine öf- MIO, etwa für Laborbefunde, die rund 90 Prozent aller La- fentliche Kommentierungsphase auf der Online-Plattform borleistungen abdecken sollen, sind in Arbeit. KV PRAXIS SEPTEMBER 2021 7
Schwerpunkt AU-BESCHEINIGUNGEN BALD NUR NOCH DIGITAL Ab 1. Oktober ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nur noch elektronisch an die Krankenkassen zu übermitteln. Für Praxen, die bis dahin noch nicht über die nötigen technischen Voraussetzungen verfügen, gilt bis zum Jahresende eine Übergangsregelung. Die Digitalisierung der AU-Bescheinigung gehört zu den neuen nur noch unterschreiben, wenn Ihre Patientin bzw. Ihr Patient digitalen medizinischen Anwendungen, welche papiergebun- dies ausdrücklich wünscht. dene Prozesse nach und nach ablösen sollen. Mit der Umstel- lung müssen die Versicherten künftig nicht mehr selbst ihre Hingegen erfordert der digitale Vordruck in jedem Fall eine Krankenkasse oder ihren Arbeitgeber informieren. Stattdes- elektronische Signatur – ein Verfahren mit einem sehr hohen sen übermitteln die Ärztinnen und Ärzte die AU-Daten an die Sicherheitsniveau. Da dieses Verfahren sehr zeitaufwendig ist, Krankenkasse. Diese leitet wiederum die für die Arbeitgeber gibt es in der Praxis die beiden folgenden praxistauglichen Lö- bestimmten Daten weiter. sungen: Folgende zwei Schritte sind gesetzlich vorgesehen: Komfortsignatur Analog zum E-Rezept können Sie ab Konnektor-Version PTV4+ 1. Schritt ab Oktober 2021: Elektronischer Versand an die (ePA-Konnektor) mit Ihrem elektronischen Heilberufsausweis Krankenkassen (eHBA) und Ihrer PIN jeweils bis zu 250 Signaturen für einen be- Die Übermittlung der AU-Daten an die Krankenkassen erfolgt stimmten Zeitraum freigeben. Die Signatur kann dann einfach mithilfe des E-Mail-Dienstes Kommunikation in der Medizin per Mausklick durchgeführt werden. Die KBV empfiehlt für die (KIM), der nur innerhalb der Telematik-Infrastruktur (TI) verfüg- eAU die Komfortsignatur, da die Daten sofort unterschrieben bar ist. und versandt werden können. Mögliche Probleme bei der Da- tenübermittlung werden sofort erkannt und der Arzt kann dem Versicherte bekommen weiterhin einen Papierausdruck, so- Versicherten die Ausdrucke mitgeben. wohl für sich als auch ihren Arbeitgeber – allerdings nicht mehr auf dem Muster 1. Das Papier- und auch das Blankoformular Stapelsignatur werden durch einfache Ausdrucke aus dem Praxisverwaltungs- system (PVS) auf Basis sogenannter Stylesheets ersetzt. Die ge- Ab der Konnektor-Version PTV3 (E-Health-Konnektor) können druckten Ausfertigungen gelten noch bis Mitte nächsten Jah- Sie mehrere Dokumente gleichzeitig qualifiziert elektronisch res. Das bedeutet für die Versicherten, dass sie bis zu diesem unterschreiben. Sie signieren dabei einmal mit Ihrem eHBA und Zeitpunkt auch die Ausfertigung an den Arbeitgeber weiterhin der dazugehörigen PIN den gesamten vorbereiteten elektroni- selbst und in Papierform übersenden müssen. schen Dokumentenstapel, zum Beispiel am Ende eines Praxis- tages. Bei der eAU wäre das möglich, da es ausreicht, alle an ei- 2. Schritt ab 1. Juli 2022: Elektronischer Versand an den nem Tag gesammelten AU-Bescheinigungen einmal täglich an Arbeitgeber die Krankenkassen zu senden. Sollte jedoch bei einer Störung Die Weiterleitung der AU-Daten an die Arbeitgeber erfolgt nur der TI das Ersatzverfahren notwendig werden, wäre das für die noch digital. Dafür zuständig sind dann allerdings nicht mehr Praxis aufwendiger. die Versicherten selbst, sondern die Krankenkassen. Diese übermitteln die Informationen der eAU auf digitalem Weg. Bei einer Störung des Versands ist das Ersatzverfahren notwendig Vertragsärztinnen und -ärzte sind weiterhin verpflichtet, ihren Patienten eine AU-Bescheinigung auf Papier auszudrucken. Auf Auch wenn ein Netzwerk wie die TI mehrfach vor Ausfällen ab- Wunsch der Patienten wird auch ein unterschriebener Aus- gesichert ist, sind technische Störungen nie ganz auszuschlie- druck für den Arbeitgeber ausgestellt. ßen. In diesem Fall gelten folgende Regeln: Wenn der Versand der eAU aus der Praxis an die Kranken- So setzen Sie Unterschrift und Signatur korrekt ein kasse nicht möglich ist, speichert das PVS die AU-Daten und versendet die eAU erneut, sobald dies wieder möglich ist. Die Unterschrift auf der Papier-Bescheinigung läuft allmählich Wenn bereits beim Ausstellen oder beim Versand klar ist, aus. Ab Juli 2022 müssen Sie den verbliebenen Papier-Ausdruck dass die eAU nicht elektronisch verschickt werden kann, 8 KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
© IMAGESINES – ISTOCKPHOTO.COM händigen Sie Ihrem Patienten neben den Ausfertigungen Ärztinnen und Ärzte übergangsweise bis Ende dieses Jahres für den Patienten und den Arbeitgeber einen weiteren un- das alte Verfahren anwenden können. Bis dahin ist auch die terschriebenen Ausdruck aus, den dieser an seine Kasse Nutzung des „gelben Scheins“ (Muster 1) noch möglich. Trotz schickt. Übergangsregelung rät die KBV den Vertragsärztinnen und Stellen Sie erst später fest, dass eine Störung der TI vorliegt Vertragsärzten, sich zügig auf die Umstellung vorzubereiten. und die eAU auch am nächsten Werktag nicht an die Kran- kenkassen übertragen werden kann, versendet die Praxis eAU bei Hausbesuchen selbst die Papierbescheinigung an die zuständige Kranken- kasse. Mittels Komfortsignatur lassen sich die meisten Stö- Bei einem Hausbesuch ist zum Start der eAU noch keine Verbin- rungen unmittelbar erkennen. dung zur TI möglich. Sie können deshalb zuvor unbefüllte Aus- drucke des AU-Formulars aus dem PVS erstellen, die Sie beim Verwendung des Papierausdrucks nach Muster 1 Hausbesuch ausfüllen und unterschreiben. Die Daten übertra- in Einzelfällen gen Sie später in der Praxis in das PVS, signieren sie und senden Sie via TI an die Krankenkasse. Alternativ können Sie die eAU Auch nach dem 1. Oktober wird es bundesweit wie auch in erst nach dem Hausbesuch vollständig in der Praxis erstellen Rheinland-Pfalz noch Praxen geben, die nicht an die TI ange- und die beiden Papierausfertigungen dem Patienten per Post bunden sind. Ebenso ist davon auszugehen, dass bis Ende des zuschicken. Bei eAUs, die im Rahmen von Hausbesuchen aus- 3. Quartals 2021 noch eine Reihe von Praxen keine KIM-Adresse gestellt werden, ist die digitale Übermittlung bis zum Ende des besitzen wird, die für den sicheren Versand der eAU erforder- nachfolgenden Werktages möglich. Wird also am Freitagabend lich ist. Nach einer Analyse der KV Nordrhein verfügten am 13. bei einem Hausbesuch eine eAU ausgestellt, muss diese bis August 2021 in Deutschland insgesamt erst 11.751 Praxen über Montagabend digital an die Krankenkasse übermittelt werden. eine KIM-Adresse. Möglich ist auch, dass bis zum 1. Oktober die Zertifizierungsverfahren noch nicht bei allen PVS abgeschlos- Vorteile der eAU sen sind. Die Umstellung auf die elektronische Variante der AU bietet für Die Kassenärztliche Bundesvereinigung teilte dazu mit, dass für Versicherte, Ärztinnen und Ärzte, Krankenkassen und Arbeit- Ärztinnen und Ärzte, die an diesem Stichtag noch kein zertifi- geber einige Vorteile. So wird die AU-Meldung sicherer und ziertes PVS besitzen, übergangsweise eine auf Muster 1 bzw. schneller an den Arbeitgeber bzw. die Krankenkasse übermit- mittels Blankoformularbedruckung erstellte AU für die Entgelt- telt. Die eAU erhält der Arbeitgeber unmittelbar nach der Aus- fortzahlung der Versicherten weiterhin rechtsgültig ist. Eine stellung, sodass der Krankenstand schneller in der Arbeitspla- ersatzweise Verwendung der alten Formulare ist laut KBV also nung berücksichtigt werden kann. Ebenso verringert die eAU „in Einzelfällen“ möglich. Im Fall einer fehlenden KIM-Adresse die Kosten im Vergleich zur Übermittlung auf dem Postweg. greift wie bei einer Störung des Versands das Ersatzverfahren. Zudem ermöglicht die eAU eine lückenlose Dokumentation Dieses gilt auch bei einer fehlenden TI-Anbindung. der Krankheitszeiten bei den Krankenkassen. Dadurch kann das Krankengeld immer korrekt und pünktlich ausgezahlt werden. Übergangsfrist bei fehlenden technischen Voraussetzungen vereinbart Und nicht zuletzt ist die eAU auch gut für die Umwelt, denn angesichts von jährlich rund 77 Millionen festgestellten Ar- Für Praxen, die noch nicht über die technischen Voraussetzun- beitsunfähigkeiten und entsprechenden Bescheinigungen, die gen verfügen, konnte die KBV mit dem GKV-Spitzenverband in vierfacher Ausführung ausgestellt werden, wird viel Papier eine Übergangsregelung vereinbaren. Diese sieht vor, dass eingespart. KV PRAXIS SEPTEMBER 2021 9
Schwerpunkt DAS EREZEPT REVOLUTIONIERT DIE VERORDNUNG Der gesetzlich festgelegte Start des elektronischen Rezepts (eRezept) zum 1. Januar 2022 wird den Verordnungsalltag der ärztlichen Praxen nicht nur verändern, sondern vor allem vereinfachen. In den nächsten Jahren soll die digitale Variante auf verschiedene Anwendungsgebiete ausgebaut werden und damit Papierrezepte überflüssig machen. © SARINYAPINNGAM – ISTOCKPHOTO.COM © TERO VESALAINEN – SHUTTERSTOCK.COM Mit dem elektronischen Rezept, das ab dem nächsten Jahr verbindlich für alle Praxen eingeführt wird, fällt das händische Unterzeichnen der Rezepte künftig weg. Noch ist das eRezept nicht flächende- Voraussetzungen vorliegen. Für alle Drucker: Für den Token-Ausdruck ist ckend im Einsatz, doch die technischen anderen Praxen gilt der gesetzlich fest- ein Drucker mit einer Mindestauflö- Voraussetzungen stehen und auch die gelegte Starttermin 1. Januar 2022. sung von 300 dpi erforderlich, wozu Erprobungsphase läuft schon seit dem In Rheinland-Pfalz sind mittlerweile die meisten modernen Drucker in 1. Juli – zunächst in der Modellregion weit über 90 Prozent an die Telematik- der Lage sind. Verwendet wird hier- Berlin-Brandenburg. Ziel dieser Testpha- Infrastruktur (TI) über einen E-Health- für normales Druckerpapier im For- se ist es, in einer eng begrenzten Region Konnektor angeschlossen und erfüllen mat A5 oder A4. wichtige praktische Erkenntnisse über somit die Grundvoraussetzung. Hinzu das Zusammenspiel aller Komponen- kommen folgende weitere technische Erstellen des eRezepts in wenigen ten zu sammeln, bevor die bundeswei- Komponenten: Schritten te Einführung des eRezepts im vierten Software-Update zum ePA-Konnek- Quartal vorbereitet wird. Die für die tor mit Komfortsignatur (PTV4+- Grundgedanke des eRezepts ist es, dass technische Konzeption zuständige ge- Konnektor): Die Zulassungen wur- Arztpraxen mithilfe ihrer jeweiligen Ver- matik begleitet den Verordnungs- und den bereits für alle drei Hersteller ordnungssoftware eRezepte genauso Einlöse-Prozess bei den am Test beteilig- erteilt. komfortabel ausstellen können wie mit ten Ärztinnen und Ärzten sowie Apothe- PVS-Update für das eRezept gemäß der papiernen Variante. Wie gut die Um- kerinnen und Apothekern. den Vorgaben der gematik und den setzung gelingt, hängt von den einzel- Anlagen des BMVÄ: Praxen wenden nen Software-Anbietern ab. Details kön- Technische Voraussetzungen und sich dazu direkt an ihren PVS-Her- nen sich deshalb von System zu System weitere Komponenten steller. unterscheiden. Elektronischer Heilberufsausweis Auf freiwilliger Basis können Praxen be- (eHBA) der Generation 2.0/2.1 für Ein eRezept zu erstellen, ist denkbar ein- reits ab dem 1. Oktober 2021 das eRe- die qualifizierte elektronische Sig- fach und in drei bis maximal vier Schrit- zept nutzen, sofern die technischen natur ten realisierbar: 10 KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
1) Komfortsignatur aktivieren matik hatte mehrere externe Gutachten gung einbezogenen Produkten (bei- Stecken Sie Ihren eHBA in das Kartenter- zur Prüfung der Anwendungen sowohl spielsweise: Verbandmittel, Teststrei minal und geben Sie die PIN ein. Die für das eRezept als auch die eRezept-App fen) sogenannte Komfortsignatur wird akti- in Auftrag gegeben; das Bundesamt für Verordnungen zulasten Sonstiger viert, mit der Sie bis zu 250 Dokumente Sicherheit in der Informationstechnik Kostenträger (bis zur Einführung der innerhalb von 24 Stunden signieren kön- musste der Auswahl der Gutachter zu- eGK) nen. Solange der eHBA im Kartentermi- stimmen. Aus Sicht der Gutachter steht Verordnungen für GKV-Versicherte nal steckt, ist eine erneute PIN-Eingabe „einer kontrollierten Inbetriebnahme im Ersatzverfahren ohne Versicher- nicht erforderlich. Daher empfiehlt es in den Produktionsbetrieb (…) nichts im tennummer sich, das Kartenterminal in einem zu- Wege.“ Und weiter: „Es konnte kein Si- trittsgeschützten Raum aufzustellen. cherheitsmangel in Bezug auf die von Folgende Kategorien werden vom eRe- der gematik definierten Anforderungen zept aktuell noch nicht erfasst und sind 2) eRezept erstellen festgestellt werden.“ erst zukünftig vorgesehen (solange gilt Das eRezept wird wie gewohnt im Pra- weiterhin Muster 16): xisverwaltungssystem (PVS) ausgefüllt. Muster 16 wird in mehreren Stufen Verordnung von Sprechstundenbe- Dabei wird es auf Vollständigkeit über- digitalisiert darf prüft. Übrigens: Dies können Sie durch Empfehlungen des Arztes nicht Ihr Praxispersonal erledigen lassen. Die digitale Übersetzung des Musters 16 verschreibungspflichtiger, nicht zu- für unterschiedliche Verordnungsarten lasten der GKV verordnungsfähiger 3) eRezept signieren und verschiedene Kostenträger erfolgt Arzneimittel (entspricht dem „grü- Durch einen Klick in Ihrem PVS lösen Sie nicht auf einmal, sondern in Stufen. Ver- nen“ Rezept) die qualifizierte elektronische Signatur pflichtend ist die Nutzung des eRezep- Mehrfachverordnungen sobald der aus und das eRezept wird sicher in der tes ab Januar nächsten Jahres zunächst eRezept-Server in der Lage ist, diese TI gespeichert. nur für Verordnungen apotheken- und zu verarbeiten – voraussichtlich An- rezeptpflichtiger Arzneimittel, die von fang 2022 4) Optional: eRezept dem Patienten der GKV bezahlt werden. Möglich ist übergeben dann auch das Ausstellen entsprechen- Ab dem Jahr 2022 soll das eRezept auch Wenn Ihr Patient es wünscht, können der eRezepte für gesetzlich versicherte für Verordnungen für PKV-Versicherte Sie ihm nun den Ausdruck des eRezep- Selbstzahler (entspricht dem „blauen“ eingeführt werden. tes aushändigen. Eine gesonderte Un- Privatrezept). Bei Haus- und Heimbesu- terschrift ist nicht notwendig. Übrigens: chen sowie in bestimmten Ausnahme- Weiterentwicklung – das eRezept als Sofern Ihr Patient sein eRezept über die fällen können Praxen weiterhin das Pa- digitaler Türöffner eRezept-App verwaltet, entfällt dieser pierrezept Muster 16 verwenden. Schritt. Mithilfe der App kann sie oder er Das eRezept als zunächst überschaubare die Inhalte der Verordnung abrufen oder Derzeit wird der Vertrag mit den Berufs- Anwendung bietet als Türöffner Poten- den Code zur Einlösung in der Apotheke genossenschaften und Unfallkassen an- zial für weitere digitale Anwendungen. übergeben. gepasst, sodass zukünftig auch apothe- Zum Beispiel bei der Videosprechstun- kenpflichtige Arzneimittel zulasten von de, die im vergangenen Jahr einen un- Vorteile für Arztpraxen BG/UV verpflichtend über das eRezept vergleichlichen Aufschwung erfahren verordnet werden. hat: Im Anschluss an eine Videosprech- Mit dem eRezept fällt das händische Un- stunde können Ärztinnen und Ärzte terzeichnen der Rezepte künftig weg. Derzeit sind folgende Verordnungen bis ihren Patientinnen und Patienten das Auch die Komfortsignatur trägt dazu zur Schaffung der entsprechenden Vo- eRezept kontaktlos übermitteln. Dieses bei, den bürokratischen Aufwand im raussetzungen durch die gematik per kann zugleich in die elektronische Pati- Praxisalltag zu reduzieren. Außerdem eRezept ausgeschlossen: entenakte eingepflegt werden. Denkbar werden durch das eRezept bestimmte BTM-Rezepte ist eine Vernetzung mit weiteren digi- Arbeitsschritte entbehrlich, beispiels- T-Rezepte talen Komponenten, zum Beispiel dem weise die Bestellung von Rezeptformu- Digitale Gesundheitsanwendungen eMedikationsplan. laren. (DIGA) Hilfsmittel-Verordnungen Weitere Hintergrundinformationen: Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Verordnungen von sonstigen nach www.kbv.de/html/erezept.php Vorteil ist der Sicherheitsaspekt: Die ge- § 31 SGB V in die Arzneimittelversor KV PRAXIS SEPTEMBER 2021 11
Politik INTERVIEW © MWG – HERBERT PIEL Es ist absehbar, dass es in Zukunft mehr Gemeinschaftspraxen und Medizinische Versorgungszentren geben wird, weil es für junge Ärztinnen und Ärzte attraktiv ist, dort zu arbeiten. Clemens Hoch, Minister für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz „VERSORGUNG AUS EINEM GUSS FÜR DIE MENSCHEN“ In ihrem Koalitionsvertrag nach der Landtagswahl im Frühjahr haben sich SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen darauf verständigt, den Masterplan zur Stärkung der ambulanten Versorgung in Rheinland- Pfalz auszubauen. KV PRAXIS sprach mit dem neuen Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) über die anstehenden Herausforderungen im Gesundheitswesen in der begonnenen Legislaturperiode. KV PRAXIS: Herr Minister Hoch, zunächst herzlichen Glück- und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (wie u. a. wunsch zu Ihrem neuen Amt. Infolge der Umstrukturierung TRON, HI-TRON, IMB). Ein weiteres Ziel ist es, die Forschung für der Ministerien wurde nun das Gesundheitsministerium mit gesundes Altern zu einem Schwerpunkt der Gesundheitsfor- dem Wissenschaftsministerium zusammengelegt. Was war schung in Rheinland-Pfalz auszubauen. der Hintergedanke und welchen Nutzen versprechen Sie sich von dieser neuen Verbindung? Sie waren bereits als Chef der Staatskanzlei in die Pandemie- bekämpfung eingebunden. Welche Erfahrungen aus Ihrer frü- Clemens Hoch: Den neuen Ressortzuschnitt finde ich bestens. heren Tätigkeit nehmen Sie für Ihre neue Aufgabe mit? Dass nun beides in einer Hand ist, bietet gute Chancen, Wissen- schaft und Gesundheitsversorgung mehr zu verbinden. Beide Als Chef der Staatskanzlei war ich in der Tat tief in die Pande- gehören zusammen. Die enge und wichtige Verknüpfung von miebekämpfung eingebunden – vom Mitwirken an der Impf- Wissenschaft und Gesundheit dürfte spätestens seit der Pan- strategie bis zum Vorbereiten der Konferenzen der Ministerprä- demie jedem klargeworden sein. Um nur zwei Leuchttürme zu sidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin in der nennen: Biotechnologie und künstliche Intelligenz. Wir wollen Runde der Chefs der Staatskanzleien. Aber auch deutlich darü- den aktuellen Moment der weltweiten Sichtbarkeit des Wis- ber hinaus hat es die vorherige Rolle mit sich gebracht, an den senschafts- und Biotechnologiestandortes Mainz insbesondere Themen des neuen Ministeriums mitzuwirken. Nehmen wir die durch die Erfolge der Firma BioNTech nutzen, um schnell und Herausforderungen für die kleinen Krankenhäuser durch die in zielgerichtet die gesamte Wertschöpfungskette am Standort Berlin gesetzten Rahmenbedingungen, unser Engagement ge- dauerhaft zu sichern und zu erweitern. Rheinland-Pfalz soll gen den drohenden Ärztemangel gerade im ländlichen Raum, zum führenden Standort für Biotechnologie ausgebaut wer- die Fortschritte und Projekte im Bereich Telemedizin oder nicht den. Ein Ziel ist es, die Grundlagenforschung zu stärken. Dazu zuletzt unsere sehr guten Kontakte zu Unternehmen wie BioN- gehören beispielsweise die Bereiche der Erforschung von Herz- Tech. Selbstverständlich erfordert die neue Rolle eine andere Kreislauf-Erkrankungen und der psychischen Gesundheit sowie thematisch Tiefe, aber die Themen sind kein Neuland für mich. der Krebsforschung im Schulterschluss zwischen Hochschulen Hinzu kommt, dass ich auf die sehr gute Arbeit aufbauen kann, 12 KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
die meine Vorgängerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler sowie der ZUR PERSON © MWG – HERBERT PIEL ehemalige Staatssekretär Dr. Alexander Wilhelm geleistet ha- ben. Und dass im Hintergrund ja weiter das tolle Team aktiv ist, Clemens Hoch (SPD), geboren am das unter anderem in der Pandemiebekämpfung zuvor schon 5. Januar 1978 in Andernach, ist seit extrem gute Arbeit geleistet hat. Mai 2021 Minister für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rhein- Wie bewerten Sie speziell den Stellenwert der niedergelasse- land-Pfalz. Der Volljurist gehörte nen Haus- und Fachärzteschaft beim Management der COVID- dem Landtag seit 2006 an und arbei- 19-Behandlungen und Impfaktionen? tete bis 2013 parallel als Rechtsanwalt in einer Kanzlei. Zwischen 2014 und 2021 fungierte er Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben bereits bei als Chef der Staatskanzlei. Von 1999 bis 2015 war er der Pandemiebekämpfung und im Rahmen der Corona-Imp- zudem Mitglied des Stadtrates in Andernach und des fungen der Bevölkerung beste Arbeit geleistet. Ohne sie wäre Aufsichtsrates der Stadtwerke Andernach. eine gute medizinische Versorgung undenkbar. Die rheinland- pfälzische Ärzteschaft hat wesentlich dazu beigetragen, dass zu Beginn der Pandemie und seither Patientinnen und Pati- Die Impfzentren haben sich in einer Phase massenhafter und enten wenn möglich im ambulanten Bereich betreut werden Prioritätsvorgaben folgender Impfungen als wichtige und sta- konnten und nicht stationär aufgenommen werden mussten. bile Säule der nationalen Impfstrategie erwiesen. Diese Phase Damit konnten die Notfallstrukturen im Krankenhaus entlastet ist nun vorbei. Deshalb wird das Land die Impfzentren grund- werden und standen für die Patientinnen und Patienten im kri- sätzlich zum 30. September schließen; ein Teil bleibt zunächst tischen Zustand zur Verfügung. im Bereitschaftsbetrieb. Jetzt geht es um aufsuchende und niedrigschwellige Angebote, wie diese die ärztlichen Praxen Auch die bisher erlangten Fortschritte beim Impfen wären darstellen. Aber auch mobile Impfteams des Landes stehen ohne die tatkräftige Unterstützung der niedergelassenen Ärz- dazu weiterhin unverändert zur Verfügung. tinnen und Ärzte nicht möglich gewesen. Wir gehen jetzt in eine neue Phase der Pandemiebekämpfung über. Die Impfwilli- Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat in ihrer Regierungserklä- gen haben nahezu alle ihr Impfangebot erhalten. Nun müssen rung davon gesprochen, dass der Schlüssel für eine hochwer- wir auch die Personen überzeugen, die noch nicht bereit dazu tige ambulante Gesundheitsversorgung das gute Zusammen- sind, sich impfen zu lassen, und noch mehr niedrigschwellige wirken von Hausärztinnen und -ärzten, Fachärztinnen und und dezentrale Angebote machen. -ärzten sowie Krankenhäusern ist. Wie sollte dieses Zusam- menwirken im Idealfall aussehen? Können Sie das an einem Der Herbst wird zeigen, wie weit der Impfschutz auch in Beispiel festmachen? Rheinland-Pfalz bei ggf. steigenden Corona-Inzidenzen wirkt. Auf welche möglichen Herausforderungen sehen Sie das Ge- Sektorenübergreifende Versorgungskonzepte werden zukünf- sundheitssystem zukommen? Werden wir bis Ende dieses Jah- tig immer wichtiger werden, um überall im Land die Versor- res die Impfungen komplett in die Praxen verlagern können? gung zu gewährleisten. Der Verzahnung von Schnittstellen und der Förderung von Kooperation und Koordination im Ge- Alles entscheidend wird die Impfquote sein. Schaffen wir es in sundheitswesen misst das Gesundheitsministerium eine hohe einem gemeinsamen Kraftakt, die Impfquote über die 80 Pro- Bedeutung bei. Die Landesregierung begrüßt deshalb Modelle zent zu heben, können wir zuversichtlich in den Herbst gehen. für Gesundheitsnetzwerke, in denen ambulante, stationäre Bleibt die leichte Ermattung des Sommers nach den Ferien noch und pflegerische Angebote kooperieren und sich ergänzen. Es bestehen, müssen wir davon ausgehen, dass wir im Herbst wie- geht darum, ausgehend von den Gegebenheiten vor Ort, trag- der mit deutlich steigenden Infektionszahlen rechnen müssen. fähige Netzwerke zu bilden und kooperativ eine Versorgung Aktuell verbinden sich die erhöhten Inzidenzen nicht mit einem „aus einem Guss“ für die Menschen zu organisieren. Deshalb Anstieg in der Krankenhausbelegung. Das ist zunächst gut. An haben wir unser Projekt „Zukunft Gesundheitsnetzwerke“ in dieser Stelle möchte ich auch betonen, wie wichtig es ist, dass Rheinland-Pfalz modular als Bündel von Handlungsoptionen wir den Leitindikator Inzidenz um die Hospitalisierungsquo- gestaltet. Dabei ist maßgeblich, dass an den jeweiligen Stand- te ergänzen. Hierdurch erhalten wir einen besseren Überblick orten weiterhin eine hochwertige Versorgung für die Bevölke- über die Pandemie-Situation, gerade jetzt, wo sich aufgrund rung angeboten wird. Es geht uns zum einen darum, die vor Ort der steigenden Impfquote das Geschehen eher auf Jüngere ver- verfügbaren Ressourcen und Potenziale für die Versorgung zu lagert und wir vermehrt mildere Verläufe bei Erkrankungen zu nutzen; vor allem aber sollen die Abläufe im Netzwerk eng ver- verzeichnen haben. zahnt werden im Sinne einer patientenzentrierten Versorgung. KV PRAXIS SEPTEMBER 2021 13
Politik Die Koalitionsparteien haben sich auch darauf verständigt, Auch die Selbstverwaltung auf Landesebene kann mit Sonder- psychisch erkrankten Menschen schneller psychiatrische oder bedarfszulassungen zu einer Verbesserung der Versorgung psychotherapeutische Behandlung zukommen zu lassen. So- beitragen. Mit den Sonderbedarfszulassungen hat der Gesetz- wohl die erhöhte Nachfrage durch Corona-Folgen als auch der geber KV und Kassen ein wirksames Mittel an die Hand gege- riesige Bedarf bei psychisch Erkrankten durch Traumatisierun- ben, um bei regionalen Defiziten schnell und flexibel reagie- gen von Flüchtlingen setzt das System bei den bisher Zuge- ren zu können und in gesperrten Planungsbereichen weitere lassenen unter Druck. Würde sich die Landesregierung dafür Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychotherapeutinnen und Psycho- engagieren, dass die Bedarfsplanung auch hier dem tatsächli- therapeuten zuzulassen. Ich würde mich freuen, wenn dieses chen Bedarf bzw. an der Versorgungsrealität angepasst wird? Instrument noch intensiver genutzt würde als bisher. In der Hochwasserregion könnte das ein Instrument sein, das kurz- Die aktuelle Hochwasserkatastrophe, die bei den Menschen in fristig Hilfe bringt. Wir sind dazu und zu weiteren Möglichkei- den betroffenen Regionen mit einer unglaublichen psychi- ten im Austausch mit den Partnern in der Versorgung. schen Belastung verbunden ist, erhöht den Bedarf an akuter und sicher auch längerfristiger psychotherapeutischer und psy- Aufgrund des zunehmenden Ärztemangels kommen in den chiatrischer Behandlung zusätzlich. nächsten Jahren enorme Herausforderungen auf die Ärzte- schaft zu. Inwiefern wird sich der Arztberuf weiter verändern? Wer heutzutage ein Medizinstudium abschließt, will Familie Klare Worte auch vor der Kamera und Beruf vereinbaren, zumindest zum Einstieg eher in Anstel- Clemens Hoch ist Fan einer lung arbeiten, anstatt sich direkt niederzulassen – und im Team freien und niedergelassenen mit anderen Ärztinnen und Ärzten zusammenarbeiten. Wer Ärzteschaft. Ärztinnen und Ärzte aufs Land bekommen will, muss ihnen auch in dieser Hinsicht etwas bieten. Es ist absehbar, dass es in Zukunft mehr Gemeinschaftspraxen und Medizinische Ver- sorgungszentren geben wird, weil es für junge Ärztinnen und Das ganze Gespräch: Ärzte attraktiv ist, dort zu arbeiten. https://bit.ly/3A1RsP4 Auch die Zusammenarbeit der Ärzteschaft im Team mit ande- ren Gesundheitsberufen verändert sich bereits jetzt – zum ei- In den vergangenen Jahren sind durch mehrere Reformen der nen, weil die Delegation Ärztinnen und Ärzte entlasten kann, Bedarfsplanung bereits zahlreiche neue Kassensitze für Psy- zum anderen, weil eine Weiterentwicklung der Arbeit von As- chotherapeutinnen und Psychotherapeuten entstanden. sistenzkräften auch diese Berufe aufwertet und attraktiver Gleichzeitig wurde das Angebot der psychiatrischen Instituts- macht. Einen spannenden Ausblick bietet etwa unser Projekt ambulanzen weiter ausgebaut, um auch schwerer erkrankten Telemedizin-Assistenz: Hier führen NäPA bei delegierten Haus- Patientinnen und Patienten ambulant helfen zu können. Wir besuchen ein Telemedizin-Paket mit sich, mit dem sie u.a. Mess- arbeiten weiter daran, die Versorgung zum Beispiel durch kran- werte (bis hin zum EKG) an die Praxis übermitteln oder den Arzt kenhausersetzende Angebote zu optimieren, um noch mehr per Video zuschalten können. Natürlich bleiben die Interpreta- Menschen ambulant zu helfen, die bisher stationär behandelt tion eines EKG oder einer digitalen Stethoskop-Aufzeichnung werden mussten. Zugleich ist aber auch die Nachfrage seit Län- sowie die Ableitung von Diagnosen und Maßnahmen auch hier gerem gestiegen, was unter anderem auf eine erfreuliche Ent- dem Arzt vorbehalten. Dennoch entlasten wir mit diesem An- stigmatisierung psychischer Erkrankungen zurückzuführen ist. satz die Ärztinnen und Ärzte und stärken die NäPA. Die gesetzlichen Regelungen zur Bedarfsplanung werden auf Wir sind sehr dankbar, dass KV und Hausärzteverband, aber der Bundesebene getroffen, sodass wir die Entwicklungen auch die Kassen so aktiv bei diesem Projekt mitarbeiten. Ge- nach der Bundestagswahl abwarten müssen, um abschätzen meinsam zeigen wir damit auf, wie sich die Arbeit in der Ver- zu können, ob es möglich sein wird, hier Veränderungen im Sin- sorgung künftig entwickeln könnte. Ich freue mich auf weitere ne der Versicherten zu erreichen. Aber auch der Gemeinsame gemeinsame Initiativen, um die Zukunft der Versorgung im Bundesausschuss spielt eine wichtige Rolle, denn er ist für die Land zu gestalten. laufende Anpassung der Bedarfsplanungsrichtlinie zuständig. Im Gemeinsamen Bundesausschuss ist die Kassenärztliche Vielen Dank für das Gespräch! Bundesvereinigung eines der stimmberechtigten Mitglieder. Die KV RLP hat hier direkte Einflussmöglichkeiten. Ausführliches Interview unter: www.kv-rlp.de/388215 14 KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
© KV RLP HOCHWASSERKATASTROPHE SOFORTHILFEN LINDERN ERSTE NOT Die Hochwasserschäden nach den verheerenden Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz gingen natür- lich auch an den Praxen nicht spurlos vorbei. Rund 34 Praxen waren komplett zerstört und mussten ihren Betrieb vorläufig schließen. Die eingeleiteten Sofortmaßnahmen der KV RLP trugen dazu bei, die ambulan- te Versorgung weiterhin aufrechtzuerhalten. Astrid Näkel steht im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trüm- werden. Doch die ambulante Versorgung kann sie vorerst wei- mern ihrer Existenz. An jenem 14. Juli 2021 hatten die Fluten terführen. Dazu tragen auch die vielen Sachspenden des Roten sämtliches Inventar der hausärztlich-internistischen Praxis in Kreuzes und Medikamentenlieferungen der Apotheken bei. dem 1.700 Einwohner-Ort Dernau im Ahrtal hinweggespült. Die Praxis ist direkt an der Ahr gelegen. „Noch am Morgen des Spendenaufruf der KV RLP trägt erste Früchte 14. Juli lag der Pegelstand bei 70 Zentimetern, normal sind es 50 Zentimeter. Es gab hier keine Warnungen – weder per Sire- Wie die meisten anderen Menschen im Weindorf verfügt die ne oder Megafon – noch per SMS. Abends gegen halb 10 Uhr hausärztlich tätige Internistin über keine Elementarversiche- haben wir in der Praxis noch mal nach dem Rechten gesehen. rung, sondern nur über eine Inventarversicherung. Insofern ist Das Wasser auf der Straße stand erst zwei Zentimeter hoch. auch sie wie viele andere völlig zerstörte Praxen in den Kreisen Wir haben noch vorsichtshalber die Computer hochgestellt, da- Ahrweiler, Trier und Vulkaneifel auf finanzielle Hilfen angewie- mit diese bei eindringendem Wasser keinen Schaden erleiden“, sen. Neben den Hilfen von der Landesärztekammer profitiert erzählt Astrid Näkel. Dann sei es schnell gegangen, das Wasser die 57-Jährige auch von der 10.000 Euro-Soforthilfe, die es pro kam ihr im Schwall entgegen. „Wir haben uns über eine Feuer- zerstörter Praxis gibt. Die KV RLP hatte wenige Tage nach der leiter am Haus in die oberen Wohnräume retten können. Auf Hochwasserkatastrophe einen Spendenaufruf für die in Not dem Flachdach waren wir dann nur noch von Wasser umgeben. geratenen Praxen gestartet. Die ersten Gelder sind schon aus- Man sah nur noch Dächer und Giebel. Das war surreal“, schil- gezahlt. dert sie eindrücklich die sich überschlagenden Ereignisse. Parallel zum Spendenaufruf hatten die Mitarbeiterinnen und 2008 hatte Astrid Näkel ihre Einzelpraxis in Dernau eröffnet Mitarbeiter der KV RLP Kontakt zu Praxen in den betroffenen und bis zu 140.000 Euro in die Praxisausstattung investiert. Regionen aufgenommen, um deren Funktionsfähigkeit zu er- In nur wenigen Minuten hatten die Fluten ihre gesamte tech- mitteln und die Übernahme von Patientinnen und Patienten nische Ausrüstung zerstört. Auch noch aufgefundene Fest- zu regeln. Genügend Erfahrungen im Krisenmanagement hat- platten seien aufgrund von eingesickertem Heizöl im Wasser te die niedergelassene Ärzteschaft bereits im Pandemie-Jahr nicht mehr zu retten gewesen. Aufgeben war ihre Sache jedoch 2020 gesammelt. Nun war die KV RLP und ihrer Mitglieder im nicht. In ihrem unbeschädigten, höher gelegenen Wohnhaus Juli 2021 erneut gefordert, auf kurzfristige Extremereignisse hat sie in ihren Gästezimmern zwei provisorische Behandlungs- wie die Hochwasserkatastrophe schnell und professionell zu räume eingerichtet. „Ich werde hier mit großer Wahrscheinlich- reagieren. Vor allem im Landkreis Ahrweiler richteten die Fluten keit meine Praxis weiterführen“, bekräftigt sie. Es müssen noch eine Schneise der Verwüstungen an, die auch die Mitgliedspra- Umbauten stattfinden und ein separater Eingang errichtet xen in Mitleidenschaft zogen. KV PRAXIS SEPTEMBER 2021 15
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