MODERN KOMMUNIZIEREN - KV RLP

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MODERN KOMMUNIZIEREN - KV RLP
SEPTEMBER 2021

                                                   DAS MAGAZIN DER KASSENÄRZTLICHEN VEREINIGUNG RHEINLAND-PFALZ

                  TELEMATIK-DIENSTE

                 MODERN KOMMUNIZIEREN
                 Durch die digitale Vernetzung entstehen vielfältige Möglichkeiten
                 des Datenaustauschs und der Informationsgewinnung, welche die
                 Kooperation unter den Leistungserbringern erleichtern werden.

                                                                                            Aktuelles zum Coronavirus:
                                                                                            www.kv-rlp.de/555444

AMBITIONIERTE ZIELE                              FLUTKATASTROPHE                             PATIENTENTRANSPORT
Der neue Gesundheitsminister Clemens             Eine Ärztin und eine Psychotherapeutin      Das müssen ärztlich Niedergelassene
Hoch will die Grundlagenforschung im             berichten über die schwierige Situation     bei der Verordnung eines Rettungs- oder
Gesundheitswesen stärken. | Seite 12             für die ambulante Versorgung. | Seite 15    Krankenwagens beachten. | Seite 22
MODERN KOMMUNIZIEREN - KV RLP
INHALT
        SCHWERPUNKT                                     POLITIK

        4                   Ausbaupotenzial             12   Clemens Hoch im Gespräch
        Auf der elektronischen Patientenakte (ePA)      Der neue Wissenschafts- und Gesundheitsminister strebt
        können bald mehr Datensätze gespeichert         an, die Gesundheitsforschung auszubauen und sektoren-
        werden und es kommen neue Nutzergruppen         übergreifende Versorgungskonzepte zu fördern.
        hinzu.

                                                        PANORAMA
        6                   Austausch

                                                        15   Folgen der Flutkatastrophe
                                                        Nach den verheerenden Hochwasserschäden im Ahrtal hat
                                                        die KV RLP Kontakt zu betroffenen Praxen aufgenommen,
                                                        um die ambulante Versorgung zu gewährleisten.

                                                        19   Schutz vor Datenverlust
        © STOCK.ADOBE.COM

                                                        Durch die Lagerung von Datensicherung außerhalb der
                                                        Praxisräume können Niedergelassene mögliche Schäden
                                                        bei Hochwasser oder Hackerangriffe in Grenzen halten.

        Die gematik entwickelt Standards für TI-Mes-    20   Ärztliche Stelle im Portrait
        sengerdienste, die eine schnelle und anbiete-   Auch in Pandemie-Zeiten kam das Team in der KV RLP ihrer
        rübergreifende Kommunikation erlauben.          Mittlerfunktion zwischen den Strahlenschutzverantwortli-
                                                        chen und der zuständigen Aufsichtsbehörde nach.

        7                   Anwendungsvielfalt
        Medizinische Informationsobjekte sind           SERVICE
        universell verwendbar und dienen dazu,
        Daten in der ePA lesbar zu machen.
                                                        22   Rettungs- oder Krankenfahrt?
                                                        KV PRAXIS klärt über die Unterschiede auf und was die
        8                   Arbeitsunfähigkeit          niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung
        Die Bescheinigung im Papierfomat hat bald       beachten müssen.
        ausgedient und der elektronische Versand an
        die Kassen wird verpflichtend.

        10                  Aufwandsarm
        Das elektronische Rezept wird den Verord-
        nungsalltag der ärztlichen Praxen nicht nur
        verändern, sondern vor allem vereinfachen.

2   KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
MODERN KOMMUNIZIEREN - KV RLP
24   Nachrichten                     VORWORT
                                     Liebe Kolleginnen
25   Berufshaftpflichtversicherung   und Kollegen,
                                     liebe Praxismitarbeiterinnen
                                     und Praxismitarbeiter,
25   Impressum
                                     in einigen Tagen wird wieder ein neuer Bundestag gewählt.
                                     Die neue Regierung, in welcher politischen Konstellation sie
26  Aktuelle Rechtsprechung |        auch zusammengesetzt sein mag, wird sich daran messen
Qualitätsbericht 2021 der KV RLP     lassen müssen, ob sie die notwendigen Reformen im Gesund-
                                     heitswesen mit Realismus und Augenmaß anpackt. Vieles
                                     wurde in der Vergangenheit nicht immer im Sinne der ärztlich
27 Online-Umfrage Mediennutzung |    und psychotherapeutisch Niedergelassenen umgesetzt.
Neues aus der KV-Hotline
                                     Deutlich wird das am Ausbau der Telematik-Infrastruktur (TI).
                                     Die fortschreitende Digitalisierung in der ambulanten Versor-
28   KV-Konferenz 2021               gung mit ihren vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten
                                     und elektronischen Diensten wie eRezept, ePatientenak-
                                     te oder die eAU wird den Praxisalltag zweifellos erleichtern
                                     und zahlreiche Vorteile bringen. Das führen die Beiträge im
                                     Schwerpunkt dieser Ausgabe nochmals deutlich vor Augen.
                                     Leider müssen wir erleben, dass TI-Anwendungen nicht aus-
                                     reichend erprobt sind und daher unausgereift auf den Markt
                                     kommen. Häufig liegen in den Praxen die technischen Vor-
                                     aussetzungen noch gar nicht vor. Dennoch droht der Gesetz-
                                     geber den Leistungserbringern Sanktionen an, wenn sie eine
                                     TI-Anwendung nicht bis zu einer bestimmten Frist verfügbar
                                     haben – siehe elektronische Patientenakte. Wir müssen die
                                     Akzeptanz für diese notwendigen technischen Veränderun-
                                     gen fördern. Finanzielle Strafen sind hier eindeutig der falsche
                                     Weg! Zumal wenn Fragen zum Datenschutz und zur Datensi-
                                     cherheit noch nicht zufriedenstellend beantwortet sind.

                                     Apropos Datensicherheit: Jüngste Hackerangriffe und nicht
                                     zuletzt die Hochwasserkatastrophe zeigen die Risiken, die
                                     Praxen immer wieder ausgesetzt sind. Durch regelmäßiges
                                     Einspielen von Updates und externe Datenaufbewahrung
                                     können die Praxen ihren eigenen Beitrag zum Schutz von Pa-
                                     tientendaten leisten. Es wird auch auf uns ankommen, ob sich
                                     der Digitalisierungsprozess in die richtige Richtung bewegt.

                                     Herzliche Grüße aus Mainz, Ihr

                                     Peter Andreas Staub
                                     Mitglied des Vorstands der KV RLP

                                                                            KV PRAXIS SEPTEMBER 2021    3
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Schwerpunkt

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     TELEMATIK-DIENSTE

    MODERN KOMMUNIZIEREN

    Seit Juli 2021 müssen die technischen Voraussetzungen für den Betrieb der elektronischen Patientenakte
    (ePA) in den Praxen vorhanden sein, die Erprobungsphase läuft bereits. Doch wie geht es weiter? Die gematik
    stellte auf ihrer digitalen Veranstaltungsreihe Ende Juli die nächsten Ausbaustufen vor.

    „Es wird bei der ePA noch vieles passieren in den nächsten Jah-   Zunächst stehen der Notfalldatensatz und der elektronische
    ren, sowohl auf funktionaler Ebene als auch hinsichtlich des      Medikationsplan als Datensätze in der ePA zur Verfügung. Die-
    Wirkungskreises, der in Form neuer Nutzergruppen wächst“,         se Datensätze sind auf der elektronischen Gesundheitskarte
    prognostizierte Philipp Mähl, Strategischer Produktmanager        des Versicherten nicht sichtbar, können dafür aber in der Akte
    ePA bei der Betreibergesellschaft gematik GmbH. Neben ärzt-       eingesehen werden. Patientinnen und Patienten können diese
    lichen, zahnärztlichen und psychotherapeutischen Praxen sind      Daten dort bereits eintragen und aktualisieren und es kann ein
    auch Apotheken an die ePA angebunden. Sukzessive kommen           Austausch darüber mit den Ärztinnen und Ärzten stattfinden.
    Kliniken und darin tätige Belegärztinnen und -ärzte bis Ende      Hierzu muss der Praxis zuvor vom Versicherten die Berechti-
    dieses Jahres hinzu. Hintergrund ist die komplexere technische    gung zur Einsichtnahme erteilt werden. Darüber hinaus ist es
    Infrastruktur, welche die Anbindung zeitaufwendiger macht.        möglich, den elektronischen Arztbrief sowie den Datensatz

4   KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
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persönlicher Erklärungen in die ePA einzustellen. Versicherte      „Für diese Dokumente werden Sie als Ärztin bzw. Arzt den elek-
können für den Behandlungskontext weitere wichtige Doku-           tronischen Heilberufsausweis funktional benötigen, um zum
mente einstellen.                                                  Beispiel Eintragungen vorzunehmen.“

Berechtigungen können ab dem nächsten Jahr gezielter               Künftig auch Freigabe pseudonymisierter Daten für die
vergeben werden                                                    Forschung möglich

Im nächsten Jahr kommen neue Nutzergruppen bei der ePA-            Einen weiteren Ausblick gab der Produktmanager auch schon
Anbindung hinzu, beispielsweise Pflegepersonal, Physiothe-         auf 2023. In dem darauffolgenden Jahr würden bei den Nut-
rapeuten, Arbeitsmediziner und Rehakliniken. Auch Privat-          zergruppen auch noch die Forschung und die Hersteller von
versicherte bekommen 2022 eine ePA angeboten. Weitere              Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in die ePA einge-
Änderungen betreffen den Funktionsumfang: So wird das bis-         bunden. Ab diesem Zeitpunkt können Nutzende der ePA struk-
herige grobe Berechtigungskonzept durch ein verfeinertes Be-       turierte Daten aus den vier zuvor genannten Passdokumenten
rechtigungskonzept ersetzt. „Das hat zur Folge, dass der Patient   für die Forschung freigeben. „Darüber hinaus wird es möglich
im Rahmen seiner Berechtigungsvergabe gezielter Berechti-          sein, dass ein Versicherter, der bereits eine DiGA nutzt, Daten
gungen vergeben kann“, erläutert der ePA-Experte der gema-         daraus in der ePA abspeichert und diese Daten unterschiedli-
tik. „Er kann gezielt Behandlungsdokumente freigeben, die für      chen Ärzten und Therapeuten freigibt, um die Daten zu bespre-
eine bestimmte medizinische Berufsgruppe von Relevanz sind,        chen.“ Weiterhin optional vorgesehen sind die Einbindung von
oder bestimmte Dokumente gar nicht freigeben.“ Möglich wird        TI-Messengern, das heißt speziellen Kurznachrichtendiensten
die Rechteübertragung auch an die Partnerin bzw. den Partner       (siehe Artikel Seite 6), die Abgabe einer Organspendeerklärung
oder pflegende Angehörige.                                         und das automatisierte Einstellen von Verordnungs- und Dis-
                                                                   pensierdaten aus dem eRezept-Fachdienst. An strukturierten
Auch ein Kassenwechsel stellt mit der ePA kein Problem dar. Die    Daten und Dokumenten können im übernächsten Jahr dann
Krankenkasse kann Abrechnungsdaten über die Behandlung             auch ein Krankenhaus-Entlassbrief, die eAU oder Laborwerte
zur Einsicht in die Akte stellen. Ab 2022 ist die ePA nicht nur    abgelegt werden.
per App auf dem Smartphone, sondern auch auf einem PC
oder Laptop nutzbar. „Ein wesentlich neues und spannendes          „Wir sehen die ePA als Gemeinschaftsleistung von Ihnen, den
Feature ist die Unterstützung standardisierter und strukturier-    Ärztinnen und Ärzten, der Industrie und weiteren Beteiligten
ter Dokumente. Das betrifft ab nächstem Jahr den Impfpass,         im Gesundheitswesen“, so der gematik-Produktmanager ab-
den Mutterpass, das Zahnbonusheft und das Kinderuntersu-           schließend. „Daher können wir diese auch nur mit Ihnen ge-
chungsheft“, beschreibt Philipp Mähl die weitere Entwicklung.      meinsam zum Erfolg bringen.“

    ELEKTRONISCHE PATIENTENAKTE
                                                                   © METAMORWORKS – SHUTTERSTOCK.COM

    Eine digitale Anwendung für Versicherte, die als App auf
    dem Smartphone oder Tablet heruntergeladen werden
    kann. Die ePA ist für gesetzlich Krankenversicherte freiwil-
    lig. Sie haben jederzeit Zugriff auf ihre Akte und können
    selbst bestimmen, welche Daten – zum Beispiel Befunde,
    Diagnosen, Arztbriefe – sie darin ablegen (lassen) möch-
    ten und welche Arztpraxis, welche Apotheke, welches
    Krankenhaus darauf zugreifen darf. Krankenkassen haben
    keinen Zugriff auf die ePA. Deshalb ersetzt die ePA nicht
    die Primärdokumentation der Praxis oder des Kranken-           In Rheinland-Pfalz ist die ePA bereits in 29 Erprobungspra-
    hauses! Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen         xen und 328 weiteren Praxen im Einsatz (Stand Abrech-
    und Psychotherapeuten sollten aufgrund der Patienten-          nung 2. Quartal 2021). Die anderen Praxen werden im
    rechte über die ePA auch nicht von der Vollständigkeit der     Laufe des 3. Quartals 2021 von ihren Software-Häusern an
    medizinischen Informationen ausgehen.                          die technische Infrastruktur angebunden.

                                                                                                          KV PRAXIS SEPTEMBER 2021   5
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Schwerpunkt

    GEMATIK ENTWICKELT SPIELREGELN FÜR TI-MESSENGERDIENSTE

    Ab Sommer 2022 soll im Gesundheitswesen eine schnelle, ortsungebundene und sichere Kommunikation
    mithilfe sogenannter Telematik-Infrastruktur-Messenger (TI-Messenger) möglich werden. Dazu entwickelt
    die gematik bis Oktober einheitliche Standards für interoperable Messenger-Anwendungen.

                                                                     es an einer einheitlichen Zertifizierung sowie einem anbieter-
                                                                     übergreifenden Austausch. Mit dem von der gematik entwi-
                                                                     ckelten TI-Messengerstandard soll die hundertprozentige In-
                                                                     teroperabilität zwischen den einzelnen TI-Messengerdiensten
                                                                     über Anbietergrenzen hinweg erreicht werden. Dafür dient die
                                                                     Verwendung des frei verfügbaren Messengerprotokolls der
                                                                     Matrix.org Foundation, das bereits in vielen öffentlichen Be-
                                                                     reichen zum Einsatz kommt. Matrix ist ein bestehender Stan-
      © STOCK.ADOBE.COM

                                                                     dard, der Kommunikation in Echtzeit gewährleistet. Für den
                                                                     TI-Messenger wird der Matrix-Standard lediglich erweitert, um
                                                                     eine abgeschirmte Kommunikation im Gesundheitswesen zu
                                                                     ermöglichen. Matrix bietet eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
                                                                     und damit auch einen sicheren Versand von Dokumenten oder
    Ab dem Jahr 2023 können Praxen über einen TI-Messengerdienst     Text-, Bild- und Audiodateien.
    dann auch mit Patientinnen und Patienten kommunizieren.
                                                                     Im TI-Messenger sind die Kontakte der an einem TI-Messenger-
    Sichere Messengerdienste für das deutsche Gesundheitswesen       dienst teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte, die sich mit einem
    werden den digitalen Austausch unter den Leistungserbringern     HBA authentifizieren können, bereits hinterlegt. Dadurch ist
    einen bedeutenden Schritt voranbringen. Es geht um Kommu-        es möglich, schnell und unkompliziert in Kontakt zu treten,
    nikation in Echtzeit – beispielsweise für Ärztinnen und Ärzte,   um sie damit bei einer effizienten Behandlung zu unterstüt-
    Apotheker, Pflegepersonal und Rettungsdienst – auf Basis eines   zen. Auch Rückfragen zum Beispiel an den ärztlichen Kollegen
    sicheren Übermittlungsverfahrens, mit dem Sofortnachrichten      im Krankenhaus lassen sich über den Messengerdienst per PC
    schnell und vor allem über Anbietergrenzen hinweg verschickt     oder Smartphone schnell beantworten. In einer weiteren Aus-
    werden können. Damit ergänzen TI-Messenger-Dienste die           baustufe ab 2023 wird dann auch die Kommunikation mit Pa-
    Kommunikation im Medizinwesen, kurz: KIM.                        tientinnen und Patienten möglich sein. „Durch den Austausch
                                                                     von Informationen können Therapieentscheidungen sinnvoll
    Gesetzliche Grundlage ist das Digitale-Versorgung-und-Pflege-    getroffen werden“, so Eric Grey, Produktmanager bei der gema-
    Modernisierungs-Gesetz (DVPMG), mit der Entwicklung der          tik GmbH. „Diese Kommunikation muss deshalb einfach und
    Spezifikation ist die TI-Betreibergesellschaft gematik beauf-    schnell funktionieren.“
    tragt. Sie hat angekündigt, dass erste Lösungen ab Sommer
    2022 auf dem Markt sein könnten. Per Kurznachricht können        Konzeptpapier der gematik beschreibt drei Ausbaustufen
    dann medizinisch relevante Informationen zunächst zwischen
    Leistungserbringern ausgetauscht werden. Rückfragen können       In Zusammenarbeit mit potenziell Nutzenden und Vertretern
    somit kurzfristig geklärt, organisatorische Hürden schnell ge-   der Industrie hat die gematik das Konzept zum TI-Messenger
    nommen und Patienten optimal behandelt werden.                   erarbeitet. Mit der Spezifikation für TI-Messengeranwendun-
                                                                     gen im Gesundheitswesen würden zugleich die Spielregeln
    Interoperabilität zwischen Messengerdiensten soll                geschaffen, erläutert Eric Grey weiter. „Das bedeutet, mit der
    gewährleistet werden                                             Spezifikation können Hersteller eigene Anwendungen bauen,
                                                                     die nutzerzentriert entwickelt sind, und diese dann nach der
    Die bisherigen Kommunikationswege kosten viel Zeit, vor allem    Test- und Zertifizierungsphase durch die gematik am Markt
    die Organisation der Kontaktdaten ist häufig aufwendig. Da-      anbieten. Diese Anwendungen werden interoperabel sein. Der
    rüber hinaus sind viele bereits bestehende Kurznachrichten-      Nutzer kann also darauf vertrauen, dass alle Ärzte, die einen
    dienste aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen nicht für die    TI-Messenger nutzen, über einen zentralen Verzeichnisdienst
    Kommunikation von Patientendaten geeignet. Ebenso fehlt          erreichbar sind.“

6   KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
MODERN KOMMUNIZIEREN - KV RLP
Im Juli hat die gematik ein Konzeptpapier veröffentlicht, um ei-   Versicherten und zum Beispiel der behandelnden Praxis bzw.
nen Ausblick auf die weitere Umsetzung des TI-Messenger-           Versicherten und Krankenkassen genutzt werden können. Im
standards zu geben. Der Ausbau soll demnach in drei Stufen         dritten Schritt ab Oktober 2023 wird der Funktionsumfang um
erfolgen. Zunächst umfasse der Sofortnachrichtendienst die         eine Möglichkeit zur Videotelefonie ausgebaut.
„Kommunikation zwischen Leistungserbringern“, die über ei-
nen elektronischen Heilberufsausweis und Institutionen, die        Zugleich hebt die gematik in ihrem Konzeptpapier hervor: „Für
über eine SMC-B verfügen. Ein zusätzliches Feature ist die Ein-    die Nutzung des Messengerdienstes der Versicherten darf kein
richtung einer Gruppenchat-Funktionalität. Hier ist zum Bei-       neues Verzeichnis der Versicherten aufgebaut werden. Statt-
spiel der Austausch von Bilddateien denkbar. In einem zwei-        dessen kann beispielsweise ein Pseudonym der Krankenver-
ten Schritt werden die Nutzergruppen erweitert: Ab 2023 soll       sichertennummer verwendet werden.“ Die Nutzung eines TI-
der TI-Messengerdienst auch zur Kommunikation zwischen             Messengers ist für Leistungserbringer freiwillig.

    MIO – NEUE STANDARDS FÜR DEN

                                                                                                                            © MIO42
    DATENAUSTAUSCH IN DER EPA                                                                                    U

    Um die ePA sektorenübergreifend nutzen zu können,
    muss diese mit medizinischen Daten befüllt werden.
    Dazu werden medizinische Informationsobjekte (MIO)
    als digitale Informationsbausteine angewendet, um
    standardisierend diese Daten lesbar und bearbeitbar            Vier MIO sind bereits definiert, etwa der digitale Impfpass oder das
    zu machen und damit die digitale Kommunikation im              zahnärztliche Bonusheft. Zwei weitere MIO wie der Krankenhaus-
    Gesundheitswesen zu verbessern.                                Entlassbrief oder die Patientkurzakte sind in der Entwicklung.

    Elektronische Patientenakte und MIO funktionieren Hand         www.mio.kbv.de. An der Kommentierung können sich in-
    in Hand. In der ePA werden die medizinischen Daten einer       teressierte Personen und Organisationen beteiligen, bevor
    Patientin oder eines Patienten gespeichert. Über ePA-Funk-     dann im Anschluss die Benehmensherstellung in gesetzlich
    tionalitäten können Zugriffsrechte auf Daten vergeben so-      vorgesehenem Kreis erfolgt. Erst nach Sichtung und Be-
    wie Daten hinzugefügt, aktualisiert oder entfernt werden.      antwortung aller eingegangenen Kommentare aus beiden
    Die MIO dienen dazu, die medizinischen Daten – etwa in         Phasen wird das MIO schlussendlich vom Vorstand der KBV
    Form einer ePA – standardisiert zu dokumentieren. Sie kön-     festgelegt.
    nen als kleine Informationsbausteine verstanden werden,
    die universell verwendbar und kombinierbar sind. Ziel ist      Vier MIO bereits entwickelt und ab 2022 einsatzbereit
    es, dass MIO im Sinne der Interoperabilität für jedes Sys-
    tem lesbar und bearbeitbar sind. Informationen sollen so       Bereits im vergangenen Jahr hat die KBV einige MIO defi-
    deutlich leichter zwischen den einzelnen Akteuren im Ge-       niert, die ab 2022 innerhalb der ePA Stufe 2 in der Versor-
    sundheitswesen ausgetauscht werden können.                     gung einsetzbar sind. Dazu zählen der digitale Impfpass,
                                                                   der Mutterpass, das zahnärztliche Bonusheft und das
    Das Konzept der MIO stammt von der Kassenärztlichen            Kinder-Untersuchungsheft. Für die zweite Jahreshälfte
    Bundesvereinigung. Sie folgt damit dem Auftrag aus dem         ist das MIO „Krankenhaus-Entlassbrief“ vorgesehen, in
    Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG, § 291b Ab-         enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Krankenhaus-
    satz 1 Satz 7 SGB V), die semantische und syntaktische In-     Gesellschaft. Ebenfalls in der Entwicklungsphase befindet
    teroperabilität für Inhalte der ePA in Zusammenarbeit mit      sich aktuell die MIO Patientenkurzakte, die den Notfallda-
    weiteren Institutionen und Organisationen zu erarbeiten        tensatz und den Datensatz der persönlichen Erklärungen
    und festzulegen.                                               der versicherten Person umfassten. Ursprünglich waren
                                                                   diese beiden Datensätze für die Speicherung in der elekt-
    Jedes MIO und auch jede neue Version eines MIO durch-          ronischen Gesundheitskarte vorgesehen und sollen nun in
    läuft denselben Prozess: Nach der Erstellung – in der zahl-    eine eigene Online-Anwendung überführt werden. Weitere
    reiche Fachgespräche und Reviews erfolgen – folgt eine öf-     MIO, etwa für Laborbefunde, die rund 90 Prozent aller La-
    fentliche Kommentierungsphase auf der Online-Plattform         borleistungen abdecken sollen, sind in Arbeit.

                                                                                                                KV PRAXIS SEPTEMBER 2021   7
MODERN KOMMUNIZIEREN - KV RLP
Schwerpunkt

    AU-BESCHEINIGUNGEN BALD NUR NOCH DIGITAL

    Ab 1. Oktober ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nur noch elektronisch an die Krankenkassen
    zu übermitteln. Für Praxen, die bis dahin noch nicht über die nötigen technischen Voraussetzungen verfügen,
    gilt bis zum Jahresende eine Übergangsregelung.

    Die Digitalisierung der AU-Bescheinigung gehört zu den neuen        nur noch unterschreiben, wenn Ihre Patientin bzw. Ihr Patient
    digitalen medizinischen Anwendungen, welche papiergebun-            dies ausdrücklich wünscht.
    dene Prozesse nach und nach ablösen sollen. Mit der Umstel-
    lung müssen die Versicherten künftig nicht mehr selbst ihre         Hingegen erfordert der digitale Vordruck in jedem Fall eine
    Krankenkasse oder ihren Arbeitgeber informieren. Stattdes-          elektronische Signatur – ein Verfahren mit einem sehr hohen
    sen übermitteln die Ärztinnen und Ärzte die AU-Daten an die         Sicherheitsniveau. Da dieses Verfahren sehr zeitaufwendig ist,
    Krankenkasse. Diese leitet wiederum die für die Arbeitgeber         gibt es in der Praxis die beiden folgenden praxistauglichen Lö-
    bestimmten Daten weiter.                                            sungen:

    Folgende zwei Schritte sind gesetzlich vorgesehen:                  Komfortsignatur
                                                                        Analog zum E-Rezept können Sie ab Konnektor-Version PTV4+
    1. Schritt ab Oktober 2021: Elektronischer Versand an die           (ePA-Konnektor) mit Ihrem elektronischen Heilberufsausweis
    Krankenkassen                                                       (eHBA) und Ihrer PIN jeweils bis zu 250 Signaturen für einen be-
    Die Übermittlung der AU-Daten an die Krankenkassen erfolgt          stimmten Zeitraum freigeben. Die Signatur kann dann einfach
    mithilfe des E-Mail-Dienstes Kommunikation in der Medizin           per Mausklick durchgeführt werden. Die KBV empfiehlt für die
    (KIM), der nur innerhalb der Telematik-Infrastruktur (TI) verfüg-   eAU die Komfortsignatur, da die Daten sofort unterschrieben
    bar ist.                                                            und versandt werden können. Mögliche Probleme bei der Da-
                                                                        tenübermittlung werden sofort erkannt und der Arzt kann dem
    Versicherte bekommen weiterhin einen Papierausdruck, so-            Versicherten die Ausdrucke mitgeben.
    wohl für sich als auch ihren Arbeitgeber – allerdings nicht mehr
    auf dem Muster 1. Das Papier- und auch das Blankoformular           Stapelsignatur
    werden durch einfache Ausdrucke aus dem Praxisverwaltungs-
    system (PVS) auf Basis sogenannter Stylesheets ersetzt. Die ge-     Ab der Konnektor-Version PTV3 (E-Health-Konnektor) können
    druckten Ausfertigungen gelten noch bis Mitte nächsten Jah-         Sie mehrere Dokumente gleichzeitig qualifiziert elektronisch
    res. Das bedeutet für die Versicherten, dass sie bis zu diesem      unterschreiben. Sie signieren dabei einmal mit Ihrem eHBA und
    Zeitpunkt auch die Ausfertigung an den Arbeitgeber weiterhin        der dazugehörigen PIN den gesamten vorbereiteten elektroni-
    selbst und in Papierform übersenden müssen.                         schen Dokumentenstapel, zum Beispiel am Ende eines Praxis-
                                                                        tages. Bei der eAU wäre das möglich, da es ausreicht, alle an ei-
    2. Schritt ab 1. Juli 2022: Elektronischer Versand an den           nem Tag gesammelten AU-Bescheinigungen einmal täglich an
    Arbeitgeber                                                         die Krankenkassen zu senden. Sollte jedoch bei einer Störung
    Die Weiterleitung der AU-Daten an die Arbeitgeber erfolgt nur       der TI das Ersatzverfahren notwendig werden, wäre das für die
    noch digital. Dafür zuständig sind dann allerdings nicht mehr       Praxis aufwendiger.
    die Versicherten selbst, sondern die Krankenkassen. Diese
    übermitteln die Informationen der eAU auf digitalem Weg.            Bei einer Störung des Versands ist das Ersatzverfahren
                                                                        notwendig
    Vertragsärztinnen und -ärzte sind weiterhin verpflichtet, ihren
    Patienten eine AU-Bescheinigung auf Papier auszudrucken. Auf        Auch wenn ein Netzwerk wie die TI mehrfach vor Ausfällen ab-
    Wunsch der Patienten wird auch ein unterschriebener Aus-            gesichert ist, sind technische Störungen nie ganz auszuschlie-
    druck für den Arbeitgeber ausgestellt.                              ßen. In diesem Fall gelten folgende Regeln:
                                                                        ƒ Wenn der Versand der eAU aus der Praxis an die Kranken-
    So setzen Sie Unterschrift und Signatur korrekt ein                    kasse nicht möglich ist, speichert das PVS die AU-Daten und
                                                                           versendet die eAU erneut, sobald dies wieder möglich ist.
    Die Unterschrift auf der Papier-Bescheinigung läuft allmählich      ƒ Wenn bereits beim Ausstellen oder beim Versand klar ist,
    aus. Ab Juli 2022 müssen Sie den verbliebenen Papier-Ausdruck          dass die eAU nicht elektronisch verschickt werden kann,

8   KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
© IMAGESINES – ISTOCKPHOTO.COM

                                     händigen Sie Ihrem Patienten neben den Ausfertigungen             Ärztinnen und Ärzte übergangsweise bis Ende dieses Jahres
                                     für den Patienten und den Arbeitgeber einen weiteren un-          das alte Verfahren anwenden können. Bis dahin ist auch die
                                     terschriebenen Ausdruck aus, den dieser an seine Kasse            Nutzung des „gelben Scheins“ (Muster 1) noch möglich. Trotz
                                     schickt.                                                          Übergangsregelung rät die KBV den Vertragsärztinnen und
                                 ƒ   Stellen Sie erst später fest, dass eine Störung der TI vorliegt   Vertragsärzten, sich zügig auf die Umstellung vorzubereiten.
                                     und die eAU auch am nächsten Werktag nicht an die Kran-
                                     kenkassen übertragen werden kann, versendet die Praxis            eAU bei Hausbesuchen
                                     selbst die Papierbescheinigung an die zuständige Kranken-
                                     kasse. Mittels Komfortsignatur lassen sich die meisten Stö-       Bei einem Hausbesuch ist zum Start der eAU noch keine Verbin-
                                     rungen unmittelbar erkennen.                                      dung zur TI möglich. Sie können deshalb zuvor unbefüllte Aus-
                                                                                                       drucke des AU-Formulars aus dem PVS erstellen, die Sie beim
                                 Verwendung des Papierausdrucks nach Muster 1                          Hausbesuch ausfüllen und unterschreiben. Die Daten übertra-
                                 in Einzelfällen                                                       gen Sie später in der Praxis in das PVS, signieren sie und senden
                                                                                                       Sie via TI an die Krankenkasse. Alternativ können Sie die eAU
                                 Auch nach dem 1. Oktober wird es bundesweit wie auch in               erst nach dem Hausbesuch vollständig in der Praxis erstellen
                                 Rheinland-Pfalz noch Praxen geben, die nicht an die TI ange-          und die beiden Papierausfertigungen dem Patienten per Post
                                 bunden sind. Ebenso ist davon auszugehen, dass bis Ende des           zuschicken. Bei eAUs, die im Rahmen von Hausbesuchen aus-
                                 3. Quartals 2021 noch eine Reihe von Praxen keine KIM-Adresse         gestellt werden, ist die digitale Übermittlung bis zum Ende des
                                 besitzen wird, die für den sicheren Versand der eAU erforder-         nachfolgenden Werktages möglich. Wird also am Freitagabend
                                 lich ist. Nach einer Analyse der KV Nordrhein verfügten am 13.        bei einem Hausbesuch eine eAU ausgestellt, muss diese bis
                                 August 2021 in Deutschland insgesamt erst 11.751 Praxen über          Montagabend digital an die Krankenkasse übermittelt werden.
                                 eine KIM-Adresse. Möglich ist auch, dass bis zum 1. Oktober die
                                 Zertifizierungsverfahren noch nicht bei allen PVS abgeschlos-         Vorteile der eAU
                                 sen sind.
                                                                                                       Die Umstellung auf die elektronische Variante der AU bietet für
                                 Die Kassenärztliche Bundesvereinigung teilte dazu mit, dass für       Versicherte, Ärztinnen und Ärzte, Krankenkassen und Arbeit-
                                 Ärztinnen und Ärzte, die an diesem Stichtag noch kein zertifi-        geber einige Vorteile. So wird die AU-Meldung sicherer und
                                 ziertes PVS besitzen, übergangsweise eine auf Muster 1 bzw.           schneller an den Arbeitgeber bzw. die Krankenkasse übermit-
                                 mittels Blankoformularbedruckung erstellte AU für die Entgelt-        telt. Die eAU erhält der Arbeitgeber unmittelbar nach der Aus-
                                 fortzahlung der Versicherten weiterhin rechtsgültig ist. Eine         stellung, sodass der Krankenstand schneller in der Arbeitspla-
                                 ersatzweise Verwendung der alten Formulare ist laut KBV also          nung berücksichtigt werden kann. Ebenso verringert die eAU
                                 „in Einzelfällen“ möglich. Im Fall einer fehlenden KIM-Adresse        die Kosten im Vergleich zur Übermittlung auf dem Postweg.
                                 greift wie bei einer Störung des Versands das Ersatzverfahren.        Zudem ermöglicht die eAU eine lückenlose Dokumentation
                                 Dieses gilt auch bei einer fehlenden TI-Anbindung.                    der Krankheitszeiten bei den Krankenkassen. Dadurch kann das
                                                                                                       Krankengeld immer korrekt und pünktlich ausgezahlt werden.
                                 Übergangsfrist bei fehlenden technischen Voraussetzungen
                                 vereinbart                                                            Und nicht zuletzt ist die eAU auch gut für die Umwelt, denn
                                                                                                       angesichts von jährlich rund 77 Millionen festgestellten Ar-
                                 Für Praxen, die noch nicht über die technischen Voraussetzun-         beitsunfähigkeiten und entsprechenden Bescheinigungen, die
                                 gen verfügen, konnte die KBV mit dem GKV-Spitzenverband               in vierfacher Ausführung ausgestellt werden, wird viel Papier
                                 eine Übergangsregelung vereinbaren. Diese sieht vor, dass             eingespart.

                                                                                                                                               KV PRAXIS SEPTEMBER 2021    9
Schwerpunkt

     DAS EREZEPT REVOLUTIONIERT DIE VERORDNUNG

     Der gesetzlich festgelegte Start des elektronischen Rezepts (eRezept) zum 1. Januar 2022 wird den
     Verordnungsalltag der ärztlichen Praxen nicht nur verändern, sondern vor allem vereinfachen. In den
     nächsten Jahren soll die digitale Variante auf verschiedene Anwendungsgebiete ausgebaut werden
     und damit Papierrezepte überflüssig machen.

                                                                                                                                                                          © SARINYAPINNGAM – ISTOCKPHOTO.COM
                                           © TERO VESALAINEN – SHUTTERSTOCK.COM

                                                                                  Mit dem elektronischen Rezept, das ab dem nächsten Jahr verbindlich für alle Praxen
                                                                                  eingeführt wird, fällt das händische Unterzeichnen der Rezepte künftig weg.

     Noch ist das eRezept nicht flächende-                                        Voraussetzungen vorliegen. Für alle              ƒ   Drucker: Für den Token-Ausdruck ist
     ckend im Einsatz, doch die technischen                                       anderen Praxen gilt der gesetzlich fest-             ein Drucker mit einer Mindestauflö-
     Voraussetzungen stehen und auch die                                          gelegte Starttermin 1. Januar 2022.                  sung von 300 dpi erforderlich, wozu
     Erprobungsphase läuft schon seit dem                                         In Rheinland-Pfalz sind mittlerweile                 die meisten modernen Drucker in
     1. Juli – zunächst in der Modellregion                                       weit über 90 Prozent an die Telematik-               der Lage sind. Verwendet wird hier-
     Berlin-Brandenburg. Ziel dieser Testpha-                                     Infrastruktur (TI) über einen E-Health-              für normales Druckerpapier im For-
     se ist es, in einer eng begrenzten Region                                    Konnektor angeschlossen und erfüllen                 mat A5 oder A4.
     wichtige praktische Erkenntnisse über                                        somit die Grundvoraussetzung. Hinzu
     das Zusammenspiel aller Komponen-                                            kommen folgende weitere technische               Erstellen des eRezepts in wenigen
     ten zu sammeln, bevor die bundeswei-                                         Komponenten:                                     Schritten
     te Einführung des eRezepts im vierten                                        ƒ Software-Update zum ePA-Konnek-
     Quartal vorbereitet wird. Die für die                                            tor mit Komfortsignatur (PTV4+-              Grundgedanke des eRezepts ist es, dass
     technische Konzeption zuständige ge-                                             Konnektor): Die Zulassungen wur-             Arztpraxen mithilfe ihrer jeweiligen Ver-
     matik begleitet den Verordnungs- und                                             den bereits für alle drei Hersteller         ordnungssoftware eRezepte genauso
     Einlöse-Prozess bei den am Test beteilig-                                        erteilt.                                     komfortabel ausstellen können wie mit
     ten Ärztinnen und Ärzten sowie Apothe-                                       ƒ PVS-Update für das eRezept gemäß               der papiernen Variante. Wie gut die Um-
     kerinnen und Apothekern.                                                         den Vorgaben der gematik und den             setzung gelingt, hängt von den einzel-
                                                                                      Anlagen des BMVÄ: Praxen wenden              nen Software-Anbietern ab. Details kön-
     Technische Voraussetzungen und                                                   sich dazu direkt an ihren PVS-Her-           nen sich deshalb von System zu System
     weitere Komponenten                                                              steller.                                     unterscheiden.
                                                                                  ƒ Elektronischer      Heilberufsausweis
     Auf freiwilliger Basis können Praxen be-                                         (eHBA) der Generation 2.0/2.1 für            Ein eRezept zu erstellen, ist denkbar ein-
     reits ab dem 1. Oktober 2021 das eRe-                                            die qualifizierte elektronische Sig-         fach und in drei bis maximal vier Schrit-
     zept nutzen, sofern die technischen                                              natur                                        ten realisierbar:

10   KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
1) Komfortsignatur aktivieren                matik hatte mehrere externe Gutachten           gung einbezogenen Produkten (bei-
Stecken Sie Ihren eHBA in das Kartenter-     zur Prüfung der Anwendungen sowohl              spielsweise: Verbandmittel, Test­strei­
minal und geben Sie die PIN ein. Die         für das eRezept als auch die eRezept-App        fen)
sogenannte Komfortsignatur wird akti-        in Auftrag gegeben; das Bundesamt für       ƒ   Verordnungen zulasten Sonstiger
viert, mit der Sie bis zu 250 Dokumente      Sicherheit in der Informationstechnik           Kostenträger (bis zur Einführung der
innerhalb von 24 Stunden signieren kön-      musste der Auswahl der Gutachter zu-            eGK)
nen. Solange der eHBA im Kartentermi-        stimmen. Aus Sicht der Gutachter steht      ƒ   Verordnungen für GKV-Versicherte
nal steckt, ist eine erneute PIN-Eingabe     „einer kontrollierten Inbetriebnahme            im Ersatzverfahren ohne Versicher-
nicht erforderlich. Daher empfiehlt es       in den Produktionsbetrieb (…) nichts im         tennummer
sich, das Kartenterminal in einem zu-        Wege.“ Und weiter: „Es konnte kein Si-
trittsgeschützten Raum aufzustellen.         cherheitsmangel in Bezug auf die von        Folgende Kategorien werden vom eRe-
                                             der gematik definierten Anforderungen       zept aktuell noch nicht erfasst und sind
2) eRezept erstellen                         festgestellt werden.“                       erst zukünftig vorgesehen (solange gilt
Das eRezept wird wie gewohnt im Pra-                                                     weiterhin Muster 16):
xisverwaltungssystem (PVS) ausgefüllt.       Muster 16 wird in mehreren Stufen           ƒ Verordnung von Sprechstundenbe-
Dabei wird es auf Vollständigkeit über-      digitalisiert                                   darf
prüft. Übrigens: Dies können Sie durch                                                   ƒ Empfehlungen des Arztes nicht
Ihr Praxispersonal erledigen lassen.         Die digitale Übersetzung des Musters 16         verschreibungspflichtiger, nicht zu-
                                             für unterschiedliche Verordnungsarten           lasten der GKV verordnungsfähiger
3) eRezept signieren                         und verschiedene Kostenträger erfolgt           Arzneimittel (entspricht dem „grü-
Durch einen Klick in Ihrem PVS lösen Sie     nicht auf einmal, sondern in Stufen. Ver-       nen“ Rezept)
die qualifizierte elektronische Signatur     pflichtend ist die Nutzung des eRezep-      ƒ Mehrfachverordnungen sobald der
aus und das eRezept wird sicher in der       tes ab Januar nächsten Jahres zunächst          eRezept-Server in der Lage ist, diese
TI gespeichert.                              nur für Verordnungen apotheken- und             zu verarbeiten – voraussichtlich An-
                                             rezeptpflichtiger Arzneimittel, die von         fang 2022
4) Optional: eRezept dem Patienten           der GKV bezahlt werden. Möglich ist
übergeben                                    dann auch das Ausstellen entsprechen-       Ab dem Jahr 2022 soll das eRezept auch
Wenn Ihr Patient es wünscht, können          der eRezepte für gesetzlich versicherte     für Verordnungen für PKV-Versicherte
Sie ihm nun den Ausdruck des eRezep-         Selbstzahler (entspricht dem „blauen“       eingeführt werden.
tes aushändigen. Eine gesonderte Un-         Privatrezept). Bei Haus- und Heimbesu-
terschrift ist nicht notwendig. Übrigens:    chen sowie in bestimmten Ausnahme-          Weiterentwicklung – das eRezept als
Sofern Ihr Patient sein eRezept über die     fällen können Praxen weiterhin das Pa-      digitaler Türöffner
eRezept-App verwaltet, entfällt dieser       pierrezept Muster 16 verwenden.
Schritt. Mithilfe der App kann sie oder er                                               Das eRezept als zunächst überschaubare
die Inhalte der Verordnung abrufen oder      Derzeit wird der Vertrag mit den Berufs-    Anwendung bietet als Türöffner Poten-
den Code zur Einlösung in der Apotheke       genossenschaften und Unfallkassen an-       zial für weitere digitale Anwendungen.
übergeben.                                   gepasst, sodass zukünftig auch apothe-      Zum Beispiel bei der Videosprechstun-
                                             kenpflichtige Arzneimittel zulasten von     de, die im vergangenen Jahr einen un-
Vorteile für Arztpraxen                      BG/UV verpflichtend über das eRezept        vergleichlichen Aufschwung erfahren
                                             verordnet werden.                           hat: Im Anschluss an eine Videosprech-
Mit dem eRezept fällt das händische Un-                                                  stunde können Ärztinnen und Ärzte
terzeichnen der Rezepte künftig weg.         Derzeit sind folgende Verordnungen bis      ihren Patientinnen und Patienten das
Auch die Komfortsignatur trägt dazu          zur Schaffung der entsprechenden Vo-        eRezept kontaktlos übermitteln. Dieses
bei, den bürokratischen Aufwand im           raussetzungen durch die gematik per         kann zugleich in die elektronische Pati-
Praxisalltag zu reduzieren. Außerdem         eRezept ausgeschlossen:                     entenakte eingepflegt werden. Denkbar
werden durch das eRezept bestimmte           ƒ BTM-Rezepte                               ist eine Vernetzung mit weiteren digi-
Arbeitsschritte entbehrlich, beispiels-      ƒ T-Rezepte                                 talen Komponenten, zum Beispiel dem
weise die Bestellung von Rezeptformu-        ƒ Digitale Gesundheitsanwendungen           eMedikationsplan.
laren.                                           (DIGA)
                                             ƒ Hilfsmittel-Verordnungen                      Weitere Hintergrundinformationen:
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender      ƒ Verordnungen von sonstigen nach               www.kbv.de/html/erezept.php
Vorteil ist der Sicherheitsaspekt: Die ge-       § 31 SGB V in die Arzneimittelversor­

                                                                                                           KV PRAXIS SEPTEMBER 2021    11
Politik

      INTERVIEW

                                                                              © MWG – HERBERT PIEL
           Es ist absehbar, dass es in Zukunft mehr
           Gemeinschaftspraxen und Medizinische
      Versorgungszentren geben wird, weil es für junge
      Ärztinnen und Ärzte attraktiv ist, dort zu arbeiten.

                           Clemens Hoch,
             Minister für Wissenschaft und Gesundheit
                          Rheinland-Pfalz

     „VERSORGUNG AUS EINEM GUSS FÜR DIE MENSCHEN“

     In ihrem Koalitionsvertrag nach der Landtagswahl im Frühjahr haben sich SPD, FDP und Bündnis 90/
     Die Grünen darauf verständigt, den Masterplan zur Stärkung der ambulanten Versorgung in Rheinland-
     Pfalz auszubauen. KV PRAXIS sprach mit dem neuen Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) über die
     anstehenden Herausforderungen im Gesundheitswesen in der begonnenen Legislaturperiode.

     KV PRAXIS: Herr Minister Hoch, zunächst herzlichen Glück-         und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (wie u. a.
     wunsch zu Ihrem neuen Amt. Infolge der Umstrukturierung           TRON, HI-TRON, IMB). Ein weiteres Ziel ist es, die Forschung für
     der Ministerien wurde nun das Gesundheitsministerium mit          gesundes Altern zu einem Schwerpunkt der Gesundheitsfor-
     dem Wissenschaftsministerium zusammengelegt. Was war              schung in Rheinland-Pfalz auszubauen.
     der Hintergedanke und welchen Nutzen versprechen Sie sich
     von dieser neuen Verbindung?                                      Sie waren bereits als Chef der Staatskanzlei in die Pandemie-
                                                                       bekämpfung eingebunden. Welche Erfahrungen aus Ihrer frü-
     Clemens Hoch: Den neuen Ressortzuschnitt finde ich bestens.       heren Tätigkeit nehmen Sie für Ihre neue Aufgabe mit?
     Dass nun beides in einer Hand ist, bietet gute Chancen, Wissen-
     schaft und Gesundheitsversorgung mehr zu verbinden. Beide         Als Chef der Staatskanzlei war ich in der Tat tief in die Pande-
     gehören zusammen. Die enge und wichtige Verknüpfung von           miebekämpfung eingebunden – vom Mitwirken an der Impf-
     Wissenschaft und Gesundheit dürfte spätestens seit der Pan-       strategie bis zum Vorbereiten der Konferenzen der Ministerprä-
     demie jedem klargeworden sein. Um nur zwei Leuchttürme zu         sidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin in der
     nennen: Biotechnologie und künstliche Intelligenz. Wir wollen     Runde der Chefs der Staatskanzleien. Aber auch deutlich darü-
     den aktuellen Moment der weltweiten Sichtbarkeit des Wis-         ber hinaus hat es die vorherige Rolle mit sich gebracht, an den
     senschafts- und Biotechnologiestandortes Mainz insbesondere       Themen des neuen Ministeriums mitzuwirken. Nehmen wir die
     durch die Erfolge der Firma BioNTech nutzen, um schnell und       Herausforderungen für die kleinen Krankenhäuser durch die in
     zielgerichtet die gesamte Wertschöpfungskette am Standort         Berlin gesetzten Rahmenbedingungen, unser Engagement ge-
     dauerhaft zu sichern und zu erweitern. Rheinland-Pfalz soll       gen den drohenden Ärztemangel gerade im ländlichen Raum,
     zum führenden Standort für Biotechnologie ausgebaut wer-          die Fortschritte und Projekte im Bereich Telemedizin oder nicht
     den. Ein Ziel ist es, die Grundlagenforschung zu stärken. Dazu    zuletzt unsere sehr guten Kontakte zu Unternehmen wie BioN-
     gehören beispielsweise die Bereiche der Erforschung von Herz-     Tech. Selbstverständlich erfordert die neue Rolle eine andere
     Kreislauf-Erkrankungen und der psychischen Gesundheit sowie       thematisch Tiefe, aber die Themen sind kein Neuland für mich.
     der Krebsforschung im Schulterschluss zwischen Hochschulen        Hinzu kommt, dass ich auf die sehr gute Arbeit aufbauen kann,

12   KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
die meine Vorgängerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler sowie der
                                                                      ZUR PERSON

                                                                                                            © MWG – HERBERT PIEL
ehemalige Staatssekretär Dr. Alexander Wilhelm geleistet ha-
ben. Und dass im Hintergrund ja weiter das tolle Team aktiv ist,      Clemens Hoch (SPD), geboren am
das unter anderem in der Pandemiebekämpfung zuvor schon               5. Januar 1978 in Andernach, ist seit
extrem gute Arbeit geleistet hat.                                     Mai 2021 Minister für Wissenschaft
                                                                      und Gesundheit des Landes Rhein-
Wie bewerten Sie speziell den Stellenwert der niedergelasse-          land-Pfalz. Der Volljurist gehörte
nen Haus- und Fachärzteschaft beim Management der COVID-              dem Landtag seit 2006 an und arbei-
19-Behandlungen und Impfaktionen?                                     tete bis 2013 parallel als Rechtsanwalt
                                                                      in einer Kanzlei. Zwischen 2014 und 2021 fungierte er
Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben bereits bei            als Chef der Staatskanzlei. Von 1999 bis 2015 war er
der Pandemiebekämpfung und im Rahmen der Corona-Imp-                  zudem Mitglied des Stadtrates in Andernach und des
fungen der Bevölkerung beste Arbeit geleistet. Ohne sie wäre          Aufsichtsrates der Stadtwerke Andernach.
eine gute medizinische Versorgung undenkbar. Die rheinland-
pfälzische Ärzteschaft hat wesentlich dazu beigetragen, dass
zu Beginn der Pandemie und seither Patientinnen und Pati-          Die Impfzentren haben sich in einer Phase massenhafter und
enten wenn möglich im ambulanten Bereich betreut werden            Prioritätsvorgaben folgender Impfungen als wichtige und sta-
konnten und nicht stationär aufgenommen werden mussten.            bile Säule der nationalen Impfstrategie erwiesen. Diese Phase
Damit konnten die Notfallstrukturen im Krankenhaus entlastet       ist nun vorbei. Deshalb wird das Land die Impfzentren grund-
werden und standen für die Patientinnen und Patienten im kri-      sätzlich zum 30. September schließen; ein Teil bleibt zunächst
tischen Zustand zur Verfügung.                                     im Bereitschaftsbetrieb. Jetzt geht es um aufsuchende und
                                                                   niedrigschwellige Angebote, wie diese die ärztlichen Praxen
Auch die bisher erlangten Fortschritte beim Impfen wären           darstellen. Aber auch mobile Impfteams des Landes stehen
ohne die tatkräftige Unterstützung der niedergelassenen Ärz-       dazu weiterhin unverändert zur Verfügung.
tinnen und Ärzte nicht möglich gewesen. Wir gehen jetzt in
eine neue Phase der Pandemiebekämpfung über. Die Impfwilli-        Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat in ihrer Regierungserklä-
gen haben nahezu alle ihr Impfangebot erhalten. Nun müssen         rung davon gesprochen, dass der Schlüssel für eine hochwer-
wir auch die Personen überzeugen, die noch nicht bereit dazu       tige ambulante Gesundheitsversorgung das gute Zusammen-
sind, sich impfen zu lassen, und noch mehr niedrigschwellige       wirken von Hausärztinnen und -ärzten, Fachärztinnen und
und dezentrale Angebote machen.                                    -ärzten sowie Krankenhäusern ist. Wie sollte dieses Zusam-
                                                                   menwirken im Idealfall aussehen? Können Sie das an einem
Der Herbst wird zeigen, wie weit der Impfschutz auch in            Beispiel festmachen?
Rheinland-Pfalz bei ggf. steigenden Corona-Inzidenzen wirkt.
Auf welche möglichen Herausforderungen sehen Sie das Ge-           Sektorenübergreifende Versorgungskonzepte werden zukünf-
sundheitssystem zukommen? Werden wir bis Ende dieses Jah-          tig immer wichtiger werden, um überall im Land die Versor-
res die Impfungen komplett in die Praxen verlagern können?         gung zu gewährleisten. Der Verzahnung von Schnittstellen
                                                                   und der Förderung von Kooperation und Koordination im Ge-
Alles entscheidend wird die Impfquote sein. Schaffen wir es in     sundheitswesen misst das Gesundheitsministerium eine hohe
einem gemeinsamen Kraftakt, die Impfquote über die 80 Pro-         Bedeutung bei. Die Landesregierung begrüßt deshalb Modelle
zent zu heben, können wir zuversichtlich in den Herbst gehen.      für Gesundheitsnetzwerke, in denen ambulante, stationäre
Bleibt die leichte Ermattung des Sommers nach den Ferien noch      und pflegerische Angebote kooperieren und sich ergänzen. Es
bestehen, müssen wir davon ausgehen, dass wir im Herbst wie-       geht darum, ausgehend von den Gegebenheiten vor Ort, trag-
der mit deutlich steigenden Infektionszahlen rechnen müssen.       fähige Netzwerke zu bilden und kooperativ eine Versorgung
Aktuell verbinden sich die erhöhten Inzidenzen nicht mit einem     „aus einem Guss“ für die Menschen zu organisieren. Deshalb
Anstieg in der Krankenhausbelegung. Das ist zunächst gut. An       haben wir unser Projekt „Zukunft Gesundheitsnetzwerke“ in
dieser Stelle möchte ich auch betonen, wie wichtig es ist, dass    Rheinland-Pfalz modular als Bündel von Handlungsoptionen
wir den Leitindikator Inzidenz um die Hospitalisierungsquo-        gestaltet. Dabei ist maßgeblich, dass an den jeweiligen Stand-
te ergänzen. Hierdurch erhalten wir einen besseren Überblick       orten weiterhin eine hochwertige Versorgung für die Bevölke-
über die Pandemie-Situation, gerade jetzt, wo sich aufgrund        rung angeboten wird. Es geht uns zum einen darum, die vor Ort
der steigenden Impfquote das Geschehen eher auf Jüngere ver-       verfügbaren Ressourcen und Potenziale für die Versorgung zu
lagert und wir vermehrt mildere Verläufe bei Erkrankungen zu       nutzen; vor allem aber sollen die Abläufe im Netzwerk eng ver-
verzeichnen haben.                                                 zahnt werden im Sinne einer patientenzentrierten Versorgung.

                                                                                                          KV PRAXIS SEPTEMBER 2021   13
Politik

     Die Koalitionsparteien haben sich auch darauf verständigt,        Auch die Selbstverwaltung auf Landesebene kann mit Sonder-
     psychisch erkrankten Menschen schneller psychiatrische oder       bedarfszulassungen zu einer Verbesserung der Versorgung
     psychotherapeutische Behandlung zukommen zu lassen. So-           beitragen. Mit den Sonderbedarfszulassungen hat der Gesetz-
     wohl die erhöhte Nachfrage durch Corona-Folgen als auch der       geber KV und Kassen ein wirksames Mittel an die Hand gege-
     riesige Bedarf bei psychisch Erkrankten durch Traumatisierun-     ben, um bei regionalen Defiziten schnell und flexibel reagie-
     gen von Flüchtlingen setzt das System bei den bisher Zuge-        ren zu können und in gesperrten Planungsbereichen weitere
     lassenen unter Druck. Würde sich die Landesregierung dafür        Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychotherapeutinnen und Psycho-
     engagieren, dass die Bedarfsplanung auch hier dem tatsächli-      therapeuten zuzulassen. Ich würde mich freuen, wenn dieses
     chen Bedarf bzw. an der Versorgungsrealität angepasst wird?       Instrument noch intensiver genutzt würde als bisher. In der
                                                                       Hochwasserregion könnte das ein Instrument sein, das kurz-
     Die aktuelle Hochwasserkatastrophe, die bei den Menschen in       fristig Hilfe bringt. Wir sind dazu und zu weiteren Möglichkei-
     den betroffenen Regionen mit einer unglaublichen psychi-          ten im Austausch mit den Partnern in der Versorgung.
     schen Belastung verbunden ist, erhöht den Bedarf an akuter
     und sicher auch längerfristiger psychotherapeutischer und psy-    Aufgrund des zunehmenden Ärztemangels kommen in den
     chiatrischer Behandlung zusätzlich.                               nächsten Jahren enorme Herausforderungen auf die Ärzte-
                                                                       schaft zu. Inwiefern wird sich der Arztberuf weiter verändern?

                                                                       Wer heutzutage ein Medizinstudium abschließt, will Familie
                 Klare Worte auch vor der Kamera
                                                                       und Beruf vereinbaren, zumindest zum Einstieg eher in Anstel-
                 Clemens Hoch ist Fan einer
                                                                       lung arbeiten, anstatt sich direkt niederzulassen – und im Team
                 freien und niedergelassenen
                                                                       mit anderen Ärztinnen und Ärzten zusammenarbeiten. Wer
                 Ärzteschaft.
                                                                       Ärztinnen und Ärzte aufs Land bekommen will, muss ihnen
                                                                       auch in dieser Hinsicht etwas bieten. Es ist absehbar, dass es
                                                                       in Zukunft mehr Gemeinschaftspraxen und Medizinische Ver-
                                                                       sorgungszentren geben wird, weil es für junge Ärztinnen und
                        Das ganze Gespräch:                            Ärzte attraktiv ist, dort zu arbeiten.
                        https://bit.ly/3A1RsP4
                                                                       Auch die Zusammenarbeit der Ärzteschaft im Team mit ande-
                                                                       ren Gesundheitsberufen verändert sich bereits jetzt – zum ei-
     In den vergangenen Jahren sind durch mehrere Reformen der         nen, weil die Delegation Ärztinnen und Ärzte entlasten kann,
     Bedarfsplanung bereits zahlreiche neue Kassensitze für Psy-       zum anderen, weil eine Weiterentwicklung der Arbeit von As-
     chotherapeutinnen und Psychotherapeuten entstanden.               sistenzkräften auch diese Berufe aufwertet und attraktiver
     Gleichzeitig wurde das Angebot der psychiatrischen Instituts-     macht. Einen spannenden Ausblick bietet etwa unser Projekt
     ambulanzen weiter ausgebaut, um auch schwerer erkrankten          Telemedizin-Assistenz: Hier führen NäPA bei delegierten Haus-
     Patientinnen und Patienten ambulant helfen zu können. Wir         besuchen ein Telemedizin-Paket mit sich, mit dem sie u.a. Mess-
     arbeiten weiter daran, die Versorgung zum Beispiel durch kran-    werte (bis hin zum EKG) an die Praxis übermitteln oder den Arzt
     kenhausersetzende Angebote zu optimieren, um noch mehr            per Video zuschalten können. Natürlich bleiben die Interpreta-
     Menschen ambulant zu helfen, die bisher stationär behandelt       tion eines EKG oder einer digitalen Stethoskop-Aufzeichnung
     werden mussten. Zugleich ist aber auch die Nachfrage seit Län-    sowie die Ableitung von Diagnosen und Maßnahmen auch hier
     gerem gestiegen, was unter anderem auf eine erfreuliche Ent-      dem Arzt vorbehalten. Dennoch entlasten wir mit diesem An-
     stigmatisierung psychischer Erkrankungen zurückzuführen ist.      satz die Ärztinnen und Ärzte und stärken die NäPA.

     Die gesetzlichen Regelungen zur Bedarfsplanung werden auf         Wir sind sehr dankbar, dass KV und Hausärzteverband, aber
     der Bundesebene getroffen, sodass wir die Entwicklungen           auch die Kassen so aktiv bei diesem Projekt mitarbeiten. Ge-
     nach der Bundestagswahl abwarten müssen, um abschätzen            meinsam zeigen wir damit auf, wie sich die Arbeit in der Ver-
     zu können, ob es möglich sein wird, hier Veränderungen im Sin-    sorgung künftig entwickeln könnte. Ich freue mich auf weitere
     ne der Versicherten zu erreichen. Aber auch der Gemeinsame        gemeinsame Initiativen, um die Zukunft der Versorgung im
     Bundesausschuss spielt eine wichtige Rolle, denn er ist für die   Land zu gestalten.
     laufende Anpassung der Bedarfsplanungsrichtlinie zuständig.
     Im Gemeinsamen Bundesausschuss ist die Kassenärztliche            Vielen Dank für das Gespräch!
     Bundesvereinigung eines der stimmberechtigten Mitglieder.
     Die KV RLP hat hier direkte Einflussmöglichkeiten.                   Ausführliches Interview unter: www.kv-rlp.de/388215

14   KV PRAXIS SEPTEMBER 2021
© KV RLP

           HOCHWASSERKATASTROPHE

           SOFORTHILFEN LINDERN ERSTE NOT

           Die Hochwasserschäden nach den verheerenden Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz gingen natür-
           lich auch an den Praxen nicht spurlos vorbei. Rund 34 Praxen waren komplett zerstört und mussten ihren
           Betrieb vorläufig schließen. Die eingeleiteten Sofortmaßnahmen der KV RLP trugen dazu bei, die ambulan-
           te Versorgung weiterhin aufrechtzuerhalten.

           Astrid Näkel steht im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trüm-     werden. Doch die ambulante Versorgung kann sie vorerst wei-
           mern ihrer Existenz. An jenem 14. Juli 2021 hatten die Fluten     terführen. Dazu tragen auch die vielen Sachspenden des Roten
           sämtliches Inventar der hausärztlich-internistischen Praxis in    Kreuzes und Medikamentenlieferungen der Apotheken bei.
           dem 1.700 Einwohner-Ort Dernau im Ahrtal hinweggespült.
           Die Praxis ist direkt an der Ahr gelegen. „Noch am Morgen des     Spendenaufruf der KV RLP trägt erste Früchte
           14. Juli lag der Pegelstand bei 70 Zentimetern, normal sind es
           50 Zentimeter. Es gab hier keine Warnungen – weder per Sire-      Wie die meisten anderen Menschen im Weindorf verfügt die
           ne oder Megafon – noch per SMS. Abends gegen halb 10 Uhr          hausärztlich tätige Internistin über keine Elementarversiche-
           haben wir in der Praxis noch mal nach dem Rechten gesehen.        rung, sondern nur über eine Inventarversicherung. Insofern ist
           Das Wasser auf der Straße stand erst zwei Zentimeter hoch.        auch sie wie viele andere völlig zerstörte Praxen in den Kreisen
           Wir haben noch vorsichtshalber die Computer hochgestellt, da-     Ahrweiler, Trier und Vulkaneifel auf finanzielle Hilfen angewie-
           mit diese bei eindringendem Wasser keinen Schaden erleiden“,      sen. Neben den Hilfen von der Landesärztekammer profitiert
           erzählt Astrid Näkel. Dann sei es schnell gegangen, das Wasser    die 57-Jährige auch von der 10.000 Euro-Soforthilfe, die es pro
           kam ihr im Schwall entgegen. „Wir haben uns über eine Feuer-      zerstörter Praxis gibt. Die KV RLP hatte wenige Tage nach der
           leiter am Haus in die oberen Wohnräume retten können. Auf         Hochwasserkatastrophe einen Spendenaufruf für die in Not
           dem Flachdach waren wir dann nur noch von Wasser umgeben.         geratenen Praxen gestartet. Die ersten Gelder sind schon aus-
           Man sah nur noch Dächer und Giebel. Das war surreal“, schil-      gezahlt.
           dert sie eindrücklich die sich überschlagenden Ereignisse.
                                                                             Parallel zum Spendenaufruf hatten die Mitarbeiterinnen und
           2008 hatte Astrid Näkel ihre Einzelpraxis in Dernau eröffnet      Mitarbeiter der KV RLP Kontakt zu Praxen in den betroffenen
           und bis zu 140.000 Euro in die Praxisausstattung investiert.      Regionen aufgenommen, um deren Funktionsfähigkeit zu er-
           In nur wenigen Minuten hatten die Fluten ihre gesamte tech-       mitteln und die Übernahme von Patientinnen und Patienten
           nische Ausrüstung zerstört. Auch noch aufgefundene Fest-          zu regeln. Genügend Erfahrungen im Krisenmanagement hat-
           platten seien aufgrund von eingesickertem Heizöl im Wasser        te die niedergelassene Ärzteschaft bereits im Pandemie-Jahr
           nicht mehr zu retten gewesen. Aufgeben war ihre Sache jedoch      2020 gesammelt. Nun war die KV RLP und ihrer Mitglieder im
           nicht. In ihrem unbeschädigten, höher gelegenen Wohnhaus          Juli 2021 erneut gefordert, auf kurzfristige Extremereignisse
           hat sie in ihren Gästezimmern zwei provisorische Behandlungs-     wie die Hochwasserkatastrophe schnell und professionell zu
           räume eingerichtet. „Ich werde hier mit großer Wahrscheinlich-    reagieren. Vor allem im Landkreis Ahrweiler richteten die Fluten
           keit meine Praxis weiterführen“, bekräftigt sie. Es müssen noch   eine Schneise der Verwüstungen an, die auch die Mitgliedspra-
           Umbauten stattfinden und ein separater Eingang errichtet          xen in Mitleidenschaft zogen.

                                                                                                                     KV PRAXIS SEPTEMBER 2021   15
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