Danke für - 2,20 EUR - Hempels
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# 297 2,20 EUR Februar 2021 davon 1,10 EUR für die Ver- käufer/innen Das Straßenmagazin für Schleswig-Holstein Danke für 25 Jahre
Liebe Leserinnen, liebe Leser, dass diese Ausgabe eine besondere ist, werden Sie schon an der Titelseite erkannt haben: HEMPELS feiert in diesem Monat 25-jähriges Bestehen. Wobei: »Feiern« könnte an dieser Stelle eine vielleicht etwas unscharfe Formulierung sein. Zu den Be- sonderheiten der derzeitigen Pandemielage gehört ja auch, dass im Moment keine Fei- ern möglich sind. Alle schon vor längerer Zeit gefassten Pläne, mit unseren Verkäufe- rinnen und Verkäufern und mit vielen weiteren Gästen diese 25 Jahre bei einer großen Veranstaltung Revue passieren zu lassen, mussten wir vorerst auf Eis legen. 25 Jahre HEMPELS bedeuten 25 Jahre Journalismus für und mit Menschen, die sich in prekä- ren Lebenssituationen befinden und in vielfältiger Form von Obdachlosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Ihnen geben wir eine Stimme, mit der wir auf Sorgen und Nöte hinweisen und Veränderungen bewirken. Und: HEMPELS ist ein landesweiter niedrigschwelliger Zugang zu Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe. In dieser 48-seitigen Jubiläumsausgabe stellen wir Ihnen verschiedene Aspekte unserer Arbeit vor. Zum Beispiel die Erfolgsgeschichte unseres Verkäufers Hans aus Husum, der viele Jahre obdachlos war und über die Arbeit als Zeitungsverkäufer wie- der Struktur in seinen Alltag bekam und mit Unterstützung unseres örtlichen Koopera- tionspartners, der Bahnhofsmission, auch wieder eine Wohnung fand. Unseren Leserinnen und Lesern, allen Anzeigenkunden und Förderern ein großes Dankeschön, dass Sie uns auf diesem Weg begleiten! Ihre HEMPELS -Redaktion gewinnspiel sofarätsel Gewinne Auf welcher Seite dieser HEMPELS-Ausgabe versteckt 3 x je ein Buch der Ullstein Verlagsgruppe. Im Januar war das kleine Sofa sich das kleine Sofa? Wenn Sie die Lösung wissen, dann auf Seite 24 versteckt. Die Gewinner werden im März veröffentlicht. schicken Sie die Seitenzahl an: raetsel@hempels-sh.de oder: HEMPELS, Schaßstraße 4, 24103 Kiel. Teilnehmende Im Dezember 2020 haben gewonnen: erklären sich einverstanden, dass im Falle eines Gewinns Inge-Lore Dold (Altenholz), Birgit Legerlotz (Kiel) und Wolf Rhein ihr Name in HEMPELS veröffentlicht wird. (Neustadt) je ein Buch des Ullstein Verlags. Allen Gewinnern herzlichen Glückwunsch! Einsendeschluss ist der 28.2.2021. Der Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen. 2 | inh a lt Hempel s # 2 97 2/2 02 1
HEMPELS in Zahlen Einfach Ehrensache 4 25 Jahre HEMPELS in Zahlen 22 Ehrenamtliche wie Dietrich Anger unterstützen HEMPELS Ein starkes Blatt auf der Hand Roadtrip 6 Interview mit Jo Tein und 24 Wie die Zeitung zu den Catharina Paulsen, die Verkaufenden im ganzen HEMPELS seit Anfang an Land kommt begleiten Glücklich und zufrieden Viel gefragt 10 Günther Diercksen aus 30 Organisationen wie die Lübecker Eckernförde ist mit 87 Jahren Vorwerker Diakonie betreuen unser ältester Verkäufer vor Ort unsere Verkaufenden Eine groSSe Familie Es fehlt Wohnraum 14 Hans Linke aus Husum war 34 Interview mit lange obdachlos. Als Verkäufer Diakoniechef Heiko Naß hat er jetzt wieder Struktur im Alltag Das Sechsbuchstabenproblem Seite für Seite 18 Welche Schwierigkeiten 38 Wie unseren Leserinnen unsere Verkaufenden bei der und Lesern die Zeitung gefällt Wohnungssuche haben rubriken 45 impressum 46 Sudoku, K arik atur 47 Leserbriefe Bitte kaufen Sie HEMPELS nur bei Verkaufenden, die diesen Ausweis sichtbar tragen Titelillustration: Tim Eckhorst He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 inh a lt | 3
25 JAHRE HEMPELS 25 JAHRE HEMPELS IN ZAHLEN Mehr als Vor 10 Jahren 1500 startete in der JVA Lübeck die erste HEMPELS- Schreibwerkstatt für Gefangene. Das in dieser Form in Deutschland einmalige Projekt findet inzwischen Frauen und Männer haben sich auch in der JVA Neumünster statt bislang mit dem Verkauf einen Zuverdienst erwirtschaftet 19 plus 15 Für 370 Frauen und Männer arbeiten bei und für HEMPELS: 19 fest angestellt, 15 ehrenamtlich Tsd. € hat unsere Stiftung 3,5 Mio. € »HEMPELS hilft wohnen« in Kiel 2017 ein Haus gekauft, Einnahmen insgesamt in dem jetzt auch zuvor (geschätzt) erzielten die Wohnungslose leben. Ein Verkaufenden im vergangenen Erweiterungsbau ist in Planung. Vierteljahrhundert für sich. In weiteren Städten soll ebenfalls Anfangs kostete das Heft Wohnraum geschaffen werden 2 D-Mark 4 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
7 Landesweit 220 Verkäuferinnen und Verkäufer bieten aktuell die Zeitung an Ausgabestellen über das Land verteilt sorgen dafür, dass Verkaufende immer rechtzeitig Rd. 4 Mio. Nachschub bekommen: in Flensburg, Husum, Kiel (2), Lübeck, Rendsburg und Schleswig Hefte wurden bislang verkauft Jährlich 27.500 Frauen und Männer suchen und finden Unterstützung in unseren Kieler Einrichtungen (Zahl aus 2019) 12.000 9.800 5.700 Besucher Trinkraum Gaarden Besucher Trinkraum Innenstadt Besucher Café »Zum Sofa« 298 100 Besucherinnen und Besucher Printausgaben sind bisher erschienen, unserer Kieler Einrichtungen inklusive der Start-Nullnummer im Februar werden durch unsere Treuhand- 1996. Ein weiteres Heft erschien zu Beginn kontoverwaltung in alltäglichen der Corona-Pandemie als digitale Notausgabe Geldangelegenheiten unterstützt He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPE LS | 5
25 JAHRE HEMPELS Ein starkes Blatt auf der Hand Jo Tein ist Mitbegründer von HEMPELS, auch Catharina Paulsen engagiert sich seit dem ersten Tag. Ein Gespräch mit beiden Vorstandsmitgliedern über Anfänge, Gegenwart und Zukunft INTERVIEW: PETER BRANDHORST, FOTOS: AXEL SCHÖN In diesem Monat Februar 2021 wird mit Sozialarbeitsangeboten sinnvoll ist. diengattung. Wie kam es zu der Idee, HEMPELS 25 Jahre alt. Wofür steht Catharina Paulsen: 25 Jahre in Schleswig-Holstein eine solche Zei- diese Zahl? HEMPELS bedeuten auch: Menschen, tung zu gründen? Jo Tein: Für ein Vierteljahrhundert die aus unterschiedlichen Gründen auf Tein: Ich war Mitte 1995 Sozialar- erfolgreiche Arbeit der Zeitung und dass dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, beiter im Tagestreff der Kieler Stadt- es wichtig war, damals dieses Projekt zu wird seither die Möglichkeit geboten, mission für Wohnungslose. Eines Tages starten. Wir können politisch und gesell- sich mit eigener Arbeit gesellschaftliche besuchte uns ein sogenannter Fahr- schaftlich einwirken. Wir mischen uns Teilhabe und einen kleinen Zuverdienst radberber – ein Obdachloser, der mit ein und helfen damit prekär lebenden zu erwirtschaften. seinem Rad durch Deutschland reiste – Menschen. Und es hat sich gezeigt, dass Straßenmagazine waren damals und erzählte von gerade frisch gegrün- die Verknüpfung des Zeitungsprojekts eine noch weithin unbekannte Me- deten Straßenzeitungen in Hamburg und München. Seine Idee war, so was doch auch in Kiel zu etablieren. Man könne damit als Verkäufer etwas Geld verdienen, und man könne gleichzei- tig den Leserinnen und Lesern ein un- geschminktes Bild vom Leben auf der Straße vermitteln. Die Initiative ging also von Betrof- fenen aus? Sie wurde nicht »von oben« vorgegeben? Tein: Genau. Von Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit betroffene Men- schen sind initiativ geworden und haben sich selbst gekümmert; sie haben sich im besten Sinne eingemischt. Catharina Paulsen, mein inzwischen verstorbener damaliger Kollege Jürgen Knudsen und ich haben zunächst nur für den organi- satorischen Rahmen gesorgt und dafür, dass auch die Arbeiten erledigt wurden, Catharina Paulsen mit Redaktionsleiter Peter Brandhorst. Das Interview wurde für die gerade niemand anderes zur Ver- vor dem Lockdown geführt. fügung stand. 6 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
25 JAHRE HEMPELS Welche Erwartungshaltung, wo- möglich auch Skepsis gab es damals auch außerhalb des Gründerkreises? Paulsen: Im Gründerkreis war der Glaube an ein Gelingen groß. Und dass wir jetzt 25-jähriges Jubiläum feiern, be- stätigt die Motivation des Gründungs- kreises ja auch. Wenn ich damals jedoch außerhalb dieses Kreises über unsere Zeitungsidee sprach, überwog deutlich die Skepsis. Das wird doch nie was, habe ich oft zu hören bekommen. Dass der Gründerkreis die Puste haben und bei der Sache bleiben würde, das wurde ihm anfangs nicht zugetraut. Tein: Skepsis zeigte sich zum Bei- spiel auch bei der Finanzierung: Wo bekommt man ein nötiges Startkapi- tal her? Das war schwierig zu organi- »Die Zeitung legt den Finger in gesellschaftliche Wunden«: HEMPELS-Vorstand Jo Tein. sieren, wir haben lediglich eine kleine Anschubfinanzierung vom Diakoni- sein mit einem professionellen Ange- Nicht nur die Zeitung mit ihren In- schen Werk Schleswig-Holstein erhal- bot, das ist auch der Anspruch unserer halten hat sich verändert, HEMPELS ten. Aber wir haben uns gesagt: Okay, Leserinnen und Leser. Das haben wir insgesamt hat sich im Laufe der Jahre dann versuchen wir es eben ohne viel geschafft. Heute verkaufen wir pro Jahr breiter aufgestellt. Geld. Heute darf man sagen: Schon fast 250.000 Hefte. Tein: Ganz wichtig war der Schritt lange trägt sich HEMPELS selbst, und Paulsen: Viele der anfangs Mitar- in weitere Städte und Gemeinden im niemand würde noch infrage stellen, beitenden sind inzwischen leider auch Land. Heute können wir sagen, dass dass wir eine wichtige Zeitung heraus- HEMPELS eine Straßenzeitung für bringen, die aus der schleswig-holstei- ganz Schleswig-Holstein ist, das hat die nischen Medienlandschaft nicht mehr Akzeptanz deutlich erhöht. Zudem ha- wegzudenken ist. Info HEMPELS-Vorstand ben wir mit sozialen Angeboten in Kiel In den Anfangsjahren wurde die zusätzliche Hilfeangebote geschaffen. Zeitung vor allem von Menschen ge- Jo Tein ist Mitbegründer von HEM- 2003 konnten wir zusammen mit der macht, die unmittelbar und direkt PELS, Catharina Paulsen hat Stadt Kiel in unserem Stammhaus in selbst von Armut und Ausgrenzung das Projekt vom ersten Tag an zu- der Kieler Innenstadt den ersten Trink- betroffen waren: Sie haben die meis- nächst als ehrenamtliche Unterstütze- raum Deutschlands für alkoholkranke ten Artikel geschrieben und anschlie- rin begleitet. Seit vielen Jahren lenken Menschen eröffnen, vor gut zehn Jah- ßend das fertige Heft verkauft. Warum beide zusammen mit Lutz Regen- ren in Gaarden den zweiten. Das hat war es wichtig, dann professionelle berg aus Lübeck im ehrenamtlich enormes Renommee geschaffen weit Strukturen zu schaffen? arbeitenden HEMPELS-Vorstand die über Schleswig-Holstein hinaus bis in Tein: Es war bald klar, dass viel Geschicke des Trägervereins und da- benachbarte Länder wie Luxemburg mehr Aufwand erforderlich war, als mit auch der Zeitung. Hauptberuflich und England. wir alle ihn damals leisten konnten. arbeitet Tein, 62, als Referatsleiter im Paulsen: Seit Jahren bieten wir Wir hatten zu Beginn ja kein Geld, um Justizministerium; Paulsen, 53, ist über ein Treuhandkonto auch eine Geld- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter be- selbstständig tätig. verwaltung an, wir betreiben seit 1999 zahlen zu können. Gleich zu Beginn in der Innenstadt ein Café für unsere erreichten wir zwar eine Auflage von Verkäufer und Besucher, wir haben eine mehr als 10.000 Heften. Das ließ dann schon verstorben. Professionelle Jour- Suppenküche, unsere Sozialarbeiterin- aber nach einiger Zeit wieder nach. nalisten und Fotografen – die weibliche nen schaffen Orientierung nicht nur in Deshalb war mir klar: Dauerhaft beste- Form ist mitgemeint – haben es über- Notsituationen. Wir erreichen darüber hen können wir nur, wenn wir Struktu- nommen, die Fahne der ursprünglichen viele Menschen, nicht nur unsere Ver- ren und Inhalte verbreitern und profes- Macherinnen und Macher hochzuhal- käuferinnen und Verkäufer. Wir helfen sionalisieren. Man kann nur erfolgreich ten. Der Erfolg gibt uns recht. vielen. 8 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
Tein: Die stark gewachsene Bedeu- ren Wohnungen. Es funktioniert, wenn erst die Möglichkeit entstehen könnte, tung unserer Arbeit insgesamt spiegelt man einen engen Draht hat zu den Leu- unsere journalistische Unabhängigkeit sich ja auch in den Zahlen wieder. 19 ten. Den haben wir. in einen Zusammenhang zu bringen mit Frauen und Männer sind mittlerweile in Während sich die Zeitung aus- Mittelzuweisungen in anderen Berei- den verschiedenen Arbeitsbereichen bei schließlich selbst finanziert über Ver- chen. uns fest beschäftigt, 15 Ehrenamtliche kaufserlöse, Anzeigen und Spenden, Nach 25 Jahren: Wie würde das sozi- unterstützen uns zusätzlich. Der Jahres- werden einzelne andere Angebote des ale Leben in Schleswig-Holstein ausse- umsatz beträgt 700.000 Euro. Weitere Trägervereins wie die Trinkräume hen, würde es HEMPELS nicht geben? 300.000 Euro kommen als Verdienst auch von städtischer Seite gefördert. Tein: Schwer zu sagen. Klar ist: Ak- für unsere Verkäuferinnen und Verkäu- Könnte da nicht auch die Gefahr von tuell mehr als 220 Verkäuferinnen und fer hinzu. Ein Gesamtumsatz von einer Interessenskonflikten entstehen? Verkäufer haben eine sinnvolle Beschäf- Million Euro also. Tein: Wir haben eine unabhängige tigung und können sich so ein wenig Ein neben der Zeitung besonders Zeitung, die aus sich selbst heraus funk- hinzuverdienen, im Laufe der Jahre wa- wichtiges Projekt ist die Stiftung tioniert. Sie ist unabhängig von der Poli- ren das schon über 1500 Menschen. Und »HEMPELS hilft wohnen«. Vor gut tik, unabhängig von staatlichen Geldge- klar ist auch: Die Zeitung wird in Poli- drei Jahren konnte mit Unterstützung bern. Diese Unabhängigkeit der Zeitung tik und Gesellschaft wahrgenommen, vieler Leserinnen und Leser in Kiel wollen wir weiter stärken, indem wir sie hat ein großes Gewicht. Wir können ein erstes Wohnhaus für zuvor woh- unsere geförderten Angebote künftig Themen platzieren, die anschließend nungslose Menschen gekauft werden. gemeinsam mit einem größeren Träger auch von anderen Medien aufgegriffen Welche Bedeutung ergibt sich daraus? betreiben, konkret mit der Diakonie werden. Das war und ist nicht immer Tein: Die Stiftung ist wichtig, weil Altholstein. Mit der haben wir eine eige- nur angenehm für Politik und Verwal- es die öffentliche Hand nicht schafft, ne Gesellschaft gegründet, in der HEM- tung. Aber den Finger in gesellschaftli- Menschen mit mehrfachen Problemla- PELS in den entscheidenden Fragen ein che Wunden zu legen, ist nun einmal die gen dauerhaft in Wohnraum unterzu- Vetorecht besitzt. So schließen wir aus, Aufgabe einer demokratischen Presse. bringen. Mit ihr zeigen wir, dass man dass einerseits die Qualität der dort ge- Und für die Menschen, für die wir uns das schaffen kann, wenn man will. Man leisteten sozialen Arbeit verändert wer- engagieren, war und ist dies immer ein muss die Menschen dann betreuen in ih- den könnte und andererseits überhaupt Gewinn. »Unsere Arbeit hilft vielen Menschen«: Catharina Paulsen, Mitglied im Vorstand. He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPE LS | 9
25 JAHRE Rubrik HEMPELS »Ich bin glücklich und zufrieden« Auch unser Verkäufer Günther aus Eckernförde feiert in diesem Monat Geburtstag: Er wird 87 und ist damit unser ältester aktiver Verkäufer »Die Aufgabe macht große Freude«: Günther Diercksen aus Eckernförde, mit 87 unser ältester Verkäufer. 10 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
TEXT UND FOTO: PETER BRANDHORST »Ach, wirklich?«, fragt Günther zu- und inzwischen so etwas wie eine In- rück, in seinem Gesicht meint man jetzt stitution. Mehr noch: In seinem hohen ein eher schüchternes Lächeln zu entde- Alter ist er täglich, außer sonntags, an cken, bei genauem Hinsehen vielleicht seinen Verkaufsplätzen vor Famila und sogar eine schmale Prise Stolz. am Wochenmarkt anzutreffen. Gün- Ein Mittag in Eckernförde. »Darf ther ist unser ältester aktiver Verkäufer ich du zu Ihnen sagen?«, war man von in Schleswig-Holstein und wohl einer Günther empfangen worden, er mag der ältesten Straßenzeitungsverkäufer nicht so sehr das Förmliche und achtet in ganz Deutschland. In diesem Monat dabei doch stets auf die höfliche Form, Februar, am 25., wird er 87 Jahre alt. In wie er dies seinem Gegenüber vermit- dem Monat zufällig, wenn auch wir Ju- telt. Und jetzt, da das mit der gegensei- biläum feiern, unser 25-jähriges. tigen Anrede geklärt ist und auch der Kellner im türkischen Imbiss das Glas Tee auf den Tisch gestellt und den feh- lenden Süßstoff nachgereicht hat, jetzt »Bei meiner Arbeit also zunächst schnell die Übermittlung eines Lobes. Ein Leser hatte sich näm- habe ich richtige Freund- lich kürzlich bei uns von HEMPELS ge- meldet, voll mit anerkennenden Worten schaften gefunden« über das freundliche Auftreten unseres Verkäufers Günther aus Eckernförde. »Ach, wirklich?«, sagt Günther jetzt also, als man ihm davon erzählt, rund Was macht die Person Günther aus, um die Augen tatsächlich auch eine Pri- wie viel Lust – womöglich auch Last – se Stolz, »das freut mich sehr.« bereitet ihr die Verkaufsarbeit? »Hast Natürlich war man nicht ausschließ- du gerade von Last gesprochen?«, ruft lich deshalb zu Günther nach Eckern- Günther, rechts im Ohr ein Ring, auf förde gefahren, um ihm dieses Lob dem Kopf eine Prinz-Heinrich-Mütze, auszurichten. Andererseits: Die Gele- »nee nee, keine Last, die Aufgabe macht genheit dazu, das zu tun, ist passend; große Freude. Auch wenn ich mein Alter Günther Diercksen – man darf das ohne deutlich spüre.« Übertreibung so feststellen – ist mit Aus Hamburg stammt Günther, seine seinem stets freundlichen und zurück- Mutter starb, da war er zwei Jahre alt. haltendem Auftreten in Eckernförde Wenige Jahre später, 1939, wurde sein ein ganz wichtiges HEMPELS-Gesicht Vater von den Nazis ermordet, weil er He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPE LS | 11
25 JAHRE Rubrik HEMPELS Kommunist war. Sohn Günther weiß Stuttgarter Straßenzeitung auf, 2008 kontern. »So wie du war ich auch schon das nur aus Erzählungen seiner älteren zieht der inzwischen zweifache Großva- mal dran«, habe sie ihm im Vorbeigehen Geschwister. Gut erinnern – besser ge- ter nach Eckernförde und beginnt dort zugerufen. Günthers Antwort: »Ja? Wie sagt: schlecht erinnern – kann er sich an als HEMPELS-Verkäufer zu arbeiten. denn?« die dann folgenden Jahre in Waisenhei- Und heute? »Ich bin glücklich und zu- Man muss sich nicht schämen für sein men und Pflegefamilien, wo er der NS- frieden«, antwortet Günther, »ich habe Leben, das ist Günther eine ganz wichti- Pädagogik ausgesetzt war. »Hamburg eine kleine Wohnung, habe Freunde und ge Botschaft. »Ich mache meinen Job und hat mich damals schlecht behandelt«, was zu essen.« Über seine Begegnungen verdiene mir damit etwas Geld«, sagt sagt er irgendwann nachdenklich, »aber auf der Straße, mit Kunden und anderen er, »diese Arbeit hat nichts mit Bettelei ich habe mir bis heute mein soziales Passanten, weiß er nur positiv zu be- zu tun.« Ganz im Gegenteil, so fügt er Denken und den Sinn für Gerechtigkeit richten. »Jedenfalls zu bestimmt mehr noch hinzu: »Die Zeitung ist eine ganz bewahrt.« als 80 Prozent«, sagt Günther, »richtige wichtige soziale Stimme; meine Kunden Er schließt die Volksschule ab, bei ei- Freundschaften habe ich da gefunden.« sagen mir immer wieder, wie gut sie die nem Bauern, auf dessen Hof er damals Einen dieser Menschen, Erwin, lernt Themen und Berichte finden.« Er selbst lebt, beginnt er eine Ausbildung zum man an diesem Tag auch kurz kennen; liest auch die Texte, bevor er die Zeitung landwirtschaftlichen Gehilfen, fliegt er hatte unseren Verkäufer zum verab- seinen Kunden anbietet. »Besonders ge- jedoch noch vor dem Abschluss raus, redeten Treffpunkt gefahren, will beim fällt mir, dass HEMPELS sich um die weil er aus der Speisekammer ein Stück anschließenden Gespräch aber nicht Schicksale Obdachloser kümmert und Kuchen geklaut haben soll. »Ich muss weiter stören. mit der Stiftung inzwischen ein eigenes das Kind beim Namen nennen, und das Wohnhaus erworben hat.« tue ich auch ohne Scham«, sagt er jetzt Ach ja, eine vielleicht nicht ganz un- mit dem Tee in der Hand, »ich hab kei- wichtige Frage zum Schluss – wie lange nen Beruf gelernt.« Dann fügt er noch »Die Kunden sagen will er seiner Arbeit noch nachgehen? selbstbewusst hinzu und wirkt dabei »Wie lange noch?«, fragt Günther mit überhaupt nicht aufgesetzt: »Ich kann immer, wie gut sie die erstauntem Blick zurück, »natürlich mich aber trotzdem ausdrücken.« so lange ich kann«, antwortet er dann, Keinen Beruf erlernt, aber dennoch Zeitung finden« »hoffentlich lange also noch. Es geht ja das ganze Berufsleben gearbeitet: Als nicht nur um den kleinen Zuverdienst, junger Mann zieht Günther nach Stutt- es geht auch um die vielen guten Kon- gart und arbeitet dort als Möbelpacker takte.« in Arbeitsverhältnissen, die man heute Viele freundschaftliche Begegnungen »Is' so«, sagt Günther, »wirklich.« wohl als prekär bezeichnen würde. Aus also, über die Günther sich alltäglich zwei Ehen stammen vier Kinder, seiner freuen darf. Und wenn ihm so wie neu- Arbeit geht er nach, bis sie ihm als Mit- lich eine fremde Frau doch mal jemand sechziger körperlich zu schwer wird. anscheinend etwas schräg daherkommt, Danach bessert er seine schmale Rente was von ihr aus vielleicht noch nicht mit dem Zuverdienst als Verkäufer der einmal so gemeint war, dann weiß er zu Anzeige 12 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
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25 JAHRE HEMPELS Eine große Familie Hans Linke aus Husum war lange obdachlos. Dann begann er mit der Arbeit als HEMPELS-Verkäufer, fand mit Hilfe der Bahnhofsmission eine Wohnung und konnte so seinen Alltag neu ordnen TEXT: PETER BRANDHORST »Man darf den Mut nicht verlieren«, Leiter der Einrichtung. Paulsen nickt sagt Hans Linke irgendwann. jetzt zustimmend: »Das hat er gemacht. 60 ist Linke inzwischen, und im- Er hat nie den Mut verloren und immer mer wenn man ihm in Husum begeg- nach Unterstützung gesucht.« net – seit vielen Jahren seine Stadt –, Bloß nicht aufgeben, gemeinsam dann bemerkt man zunächst eine stille die Gegenwart verändern, um selbst- Zurückhaltung. »Wie es mir geht? Gut bewusster in die Zukunft blicken zu natürlich!«, antwortet er auf die Frage können – dafür soll diese Geschichte nach seinem Befinden und scheint über- stehen. Denn Hans Linke hat es ja ge- rascht, dass man diese Frage überhaupt schafft, mit Hilfe von HEMPELS und gestellt hat. »Gut gehts«, wiederholt er der Husumer Bahnhofsmission seinem also nochmal, keinen Zweifel daran las- Leben eine neue Struktur zu geben. send, dass er mit seinem Alltag inzwi- Er hat es geschafft, seinen Alltag so zu schen mehr als nur zufrieden ist. ordnen, dass er heute sagen kann: »Ich bin wirklich zufrieden mit dem, was jetzt ist.« Vor dreißig Jahren sah das alles »Ohne HEMPELS noch anders aus. Aus Ibbenbüren in Nordrhein-Westfallen stammt Linke, und Bahnhofsmission nach der Schule hatte er eine Ausbil- dung zum Bergmechaniker gemacht sähe mein Leben wohl und anschließend im Steinkohleabbau gearbeitet; ein Alltag, wie ihn damals ganz anders aus« viele andere junge Männer auch hatten. Nach zehn Jahren unter Tage dann der Bruch im Leben von Hans Linke: »Aus privaten Gründen« beendet er sein Be- Dann fügt er hinzu: »Und man muss schäftigungsverhältnis; seine Bezie- sich immer Unterstützung holen.« hung war in die Brüche gegangen und Im Büro der Bahnhofsmission Hu- hatte ihn aus der Bahn geworfen. Linke sum hat man sich mit ihm verabredet, wird obdachlos, reist durch Deutsch- mit mehreren Stuhlbreiten Coronaab- land, vor allem durch den südlichen stand sitzt Diakon und Diplom-Sozi- Teil, und hält sich mit Gelegenheits- alpädagoge Erk Paulsen mit am Tisch, jobs über Wasser. Eher zufällig führen 14 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
Foto: Peter Brandhorst »Man darf den Mut nicht verlieren«: HEMPELS-Verkäufer Hans Linke aus Husum. He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPELS | 15
25 JAHRE HEMPELS ihn seine Wege irgendwann auch nach Norddeutschland, nach Husum. »Muss sagen, das war mein großes Glück«, sagt Hans Linke bei Kaffee und Keksen am Tisch in der Bahnhofsmission. Zwar lebt er auch in Husum die ersten Jahre zunächst obdachlos. Aber Stadt und Menschen gefallen ihm, er baut Bekanntschaften auf, bekommt Kon- takt zur Bahnhofsmission und beginnt bei HEMPELS als Zeitungsverkäufer. Vor 18 Jahren kommt er mit Hilfe der Bahnhofsmission in einer städtischen Übergangswohnung unter, einige Jahre später kann er in eine eigene Wohnung Foto: Peter Werner umziehen. »Man darf den Mut nicht verlieren«, hatte Hans Linke eingangs gesagt. Jetzt fügt er hinzu: »Gäbe es HEMPELS und die Bahnhofsmission nicht, dann würde mir was ganz Wichtiges fehlen und mein Auch unser im vergangenen Jahr verstorbener Husumer Verkäufer Willi Wallner (re.) fand nach 36 Jahren Obdachlosigkeit über die Verkaufsarbeit wieder Struktur. Leben sähe wohl anders aus.« Auf dem Foto mit Erk Paulsen, Leiter der Bahnhofsmission. Dass er sich in Husum seit Jahren so wohlfühlt, hat ja auch etwas mit der Struktur zu tun, die er sich jetzt im All- und die Unterstützung durch die Bahn- ren Leiter Erk Paulsen, »wir schnacken tag wieder geschaffen hat. »Ich muss hofsmission ganz wichtig, um nach dann ein bisschen zum Beispiel über immer raus«, sagt Hans Linke, »ich bin vielen Jahren aus der Obdachlosigkeit Fußball«, beide sind ja große Fans dieses niemand, der sich den ganzen Tag allein rauszukommen.« Vergangenen Mai war Sports, Paulsen vom Hamburger SV und oder in geschlossenen Räumen aufhalten Willi Wallner 69-jährig in seiner Woh- Linke von Borussia Dortmund. kann.« Vielleicht hat das auch mit den nung verstorben. »Wenn HEMPELS in Vor mehr als dreißig Jahren, als Berg- mehr als zwanzig obdachlosen Jahren diesem Artikel über mich an Willi erin- mann, hatte Linke auch mal eine Dauer- zu tun, auf jeden Fall aber damit, dass nern könnte, dann würde mich das sehr karte für das Dortmunder Stadion. Als ihm soziale Kontakte, die Gespräche freuen«, sagt Hans Linke. wir 2015 in einem kleinen Porträt darü- mit Kunden beim Zeitungsverkauf oder ber und über seinen Wunsch schrieben, anderen Gästen in der Bahnhofsmission noch einmal im Leben ein Spiel live im wichtiges Lebenselixier sind. Seine Hu- Stadion mitzuerleben, hatte ein HEM- sumer Kontakte sind ihm so bedeutsam »Ich bin inzwischen PELS-Leser sogar Karten für ein Spiel »wie die in einer großen Familie«. organisiert und die dazugehörige Bahn- Lange gehörte dazu auch unser in- sehr zufrieden mit fahrt geschenkt. zwischen verstorbener Verkäufer Willi »Ein großartiges Erlebnis war das Wallner. »Willi war einer meiner ersten meinem Leben« damals, bei der letzten Saison mit dem Kontakte hier in Husum«, sagt Linke, legendären Trainer Jürgen Klopp durf- »ein großer Freund, wir waren ganz eng te ich nochmal live dabei sein«, erinnert miteinander und haben uns gegenseitig Hans Linke heute im Rückblick, sogar geholfen.« Auch Willi Wallner hatte ja Hans Linke, Willi Wallner und die Regionalzeitung hatte anschließend viele Jahre obdachlos gelebt, insgesamt manch anderer auch in anderen Städten größer über diesen Ausflug berichtet. 36, bevor er vor gut zehn Jahren eben- haben es geschafft, über die Jahre wieder »Was soll ich sagen«, sagt Hans Linke, falls mit Hilfe der Bahnhofsmission eine Struktur zu bekommen in ihrem jewei- »ich bin schon länger sehr zufrieden mit eigene Wohnung fand. ligen Alltag. Eigenes Wollen war dabei meinem Leben hier in Husum.« »Eigentlich müssten wir jetzt beide wichtig, aber genauso auch das Vorhan- hier beim Interview sitzen, Willi und densein unterstützender Hilfeangebote. ich«, sagt Linke, »auch für Willi waren »Hans kommt weiterhin regelmäßig zu ja die Arbeit als HEMPELS-Verkäufer uns in die Bahnhofsmission«, sagt de- 16 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
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25 JAHRE HEMPELS Das Sechsbuchstabenproblem Mit welchen Schwierigkeiten HEMPELS-Verkaufende bei der Wohnungssuche zu tun haben und warum unsere Stiftung wichtig ist TEXT: PETER BRANDHORST, FOTO: KLAUS-HENNING HANSEN Beginnen wir diese Geschichte mit gattung noch erklärbar gewesen sein. mag so aussehen, und das gilt in Kiel einer Binse: Wohnen ist Menschen- In weiten Teilen falsch war sie aber nicht anders als in Lübeck oder Flens- recht; jede Frau, jeder Mann sollte ein schon damals, so wie sie auch heute burg: Ein, vielleicht auch mal zwei Dach über dem Kopf haben, das ihr falsch ist. kleine Zimmer in Wohnvierteln, die oder ihm auch eine eigene Privatsphä- nicht zu den Vorzeigestadtteilen ge- re sichert. Jetzt ein Blick auf die Rea- hören. Bei Beziehern von Transferleis- lität: Etwa 10.000 Frauen und Männer tungen achten schon allein die Ämter in Schleswig-Holstein haben nach Nur wer eine Wohnung darauf, dass es sich um einfache Woh- Schätzungen des Diakonischen Werks nungen mit niedrigem Standard han- überhaupt keine eigene Wohnung oder hat, kann auch andere delt – aber es sind Wohnungen. sind akut bedroht von Wohnungslosig- Wer versucht, auf eigene Faust eine keit, sie schlafen meist bei Freunden, Alltagsprobleme lösen Wohnung zu finden, vielleicht gar in Bekannten, in Schrebergartenlauben einem anderen Viertel als den sonst oder öffentlichen Notunterkünften. üblichen, ist oft sofort mit einem Mehrere Hundert machen sogar auf Sechsbuchstabenproblem konfron- der Straße »Platte«. tiert: Schufa. Zehn Prozent der Men- Und nun zu HEMPELS und den Unsere Verkäuferinnen und Ver- schen in Deutschland haben einen Verkäuferinnen und Verkäufern un- käufer leben aus unterschiedlichen negativen Schufa-Eintrag; das sind serer Obdachlosenzeitung. Wobei – Gründen prekär, doch die wenigsten bei weitem nicht nur Verkäufer von schon ist uns hier ein grober Fehler von ihnen leben auch obdachlos auf Straßenzeitungen, betroffen sind in- unterlaufen. Obdachlosenzeitung? der Straße. Manche, die das in frühe- zwischen auch viele Angehörige aus Eine solche Schubladenbezeichnung ren Jahren mussten, konnten ihre Si- der sogenannten Mittelschicht. Aber für eine ausschließlich auf der Straße tuation selbst oder mit Unterstützung eben auch Teile unserer Verkaufenden verkaufte Zeitung – für ein Straßen- von Hilfeeinrichtungen verändern, müssen mit diesem negativen Etikett magazin also – mag vor einem Vier- anderen haben wir von HEMPELS leben. teljahrhundert bei der Gründung von über all die Jahre geholfen. Das ist gut Heißt: Wer einmal eine Wohnung HEMPELS und anderen vergleichba- so, aber ist deshalb auch alles gut? verloren hat, weil er oder sie die Miete ren Publikationen als Klassifizierung Die typische Wohnung eines HEM- nicht mehr bezahlen konnte, oder wer einer bis dahin unbekannten Medien- PELS-Verkäufers, einer Verkäuferin mal einen Handyvertrag nicht bedie- 18 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
Bewohner Turan zusammen mit unserer Verkäuferbetreuerin Cathrina Neubert vor dem von der HEMPELS-Stiftung gekauften Wohnhaus in Kiel. Früher war Turan lange ohne eigene Wohnung. He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPE LS | 19
25 JAHRE HEMPELS nen konnte, hat kaum Aussicht, auf schleswig-holsteinischen Städten sol- dem freien Wohnungsmarkt je wieder len folgen –, das sollte der öffentlichen eine neue Unterkunft zu finden. Und Stiftung Hand doch erst recht möglich sein. wer mit Suchterkrankungen oder psy- »HEMPELS hilft wohnen« Noch etwas ist wichtig: Von Woh- chischen Krankheiten zu kämpfen hat nungslosigkeit betroffenen Menschen oder Sozialleistungen bezieht, bleibt Mit unserem Stiftungsprojekt »HEM- muss rechtzeitig geholfen werden, sowieso außen vor. Solange Vermie- PELS hilft wohnen« haben wir Ende nämlich bevor Vermieter Wohnraum ter am Markt auswählen können, ent- 2017 in Kiel für 370.000 Euro ein kündigen und das Kind endgültig in scheiden sie sich gegen den aktuell Haus mit zwölf Wohnungen erworben, den Brunnen gefallen ist. Untersu- oder ehemals Wohnungs- oder Ob- durch Aus- sowie einen Neubau auf chungen zeigen, dass 80 Prozent der dachlosen, gegen den Suchtkranken, einer angrenzenden Fläche sollen wei- Betroffenen ihre jeweilige Wohnung gegen den langjährig Arbeitslosen. tere Wohnungen entstehen. Möglich deshalb verloren haben, weil sie die Zusätzlich verschärft ist die Situ- wurde der Kauf erst durch Spenden Miete nicht mehr bezahlen konnten. ation für bitterarme osteuropäische und Zustiftungen vieler Leserinnen Nur wer eine Wohnung hat oder Menschen, die seit ein paar Jahren und Leser. Auch in weiteren Städten wieder eine findet, kann auch ande- überall in Deutschland ihre kleine wollen wir Wohnraum für Wohnungs- re Alltagsprobleme lösen, sich bei- Chance suchen, auch als Verkäufer lose schaffen. Werden Sie Zustifter spielsweise auf die Suche nach Arbeit bei Straßenzeitungen wie unserer. und helfen Sie mit: begeben. Eine einfache Binse ist das. Sie kommen häufig in ganzen Fami- Womit wir wieder am Anfang dieser lienverbünden, hoffen auf Bildung für Konto: Geschichte wären. Denn wo eine Sa- ihre Kinder und sind manchmal skru- Diakonie Stiftung Schleswig-Holstein che nicht in die andere greift, sieht Re- pellosen Vermietern ausgesetzt, die Stichwort: HEMPELS hilft wohnen alität ganz anders aus. Wohnungen zimmerweise vermieten, Evangelische Bank e.G. pro Familie ein Zimmer zu einem Wu- IBAN: DE03 5206 0410 0806 4140 10 cherzins. Behörden und Ämter sind BIC: GENODEF1EK1 hier vor allem gefragt. Überall gilt: Es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Vor gut drei Jahren hat unsere HEMPELS-Stiftung, mit gro- schen leben. Das damit verbundene Si- ßer finanzieller Unterstützung vieler gnal in die Politik: Es geht, wenn man Leserinnen und Leser, deshalb in Kiel denn will. Und was HEMPELS in ver- ein erstes Wohnhaus gekauft, in dem gleichsweise kleinen Schritten schafft jetzt auch zuvor wohnungslose Men- – weitere Wohnungen auch in anderen Anzeige 2 0 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
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25 JAHRE HEMPELS Einfach Ehrensache Ob in der Küche, den Trinkräumen oder der Verwaltung – an diesen und vielen anderen Stellen unterstützen Ehrenamtliche unsere Arbeit bei HEMPELS. Dietrich Anger ist einer von ihnen TEXT: GEORG MEGGERS, FOTO: KLAUS-HENNING HANSEN »Endlich wieder etwas tun!« Das Ausgabe. Per Post gehen sie raus an eini- Gründung. Viele Jahre hatte ich ein sehr habe er sich vor vier Jahren gedacht, sagt ge Autorinnen und Fotografen des Hefts nettes Verhältnis zu meinem Stamm- Dietrich Anger heute. Damals hatte der sowie die darin Interviewten und Foto- verkäufer, bis der leider verstorben ist.« Kieler nach längerer Zeit seine gesund- grafierten. Ärztinnen und Anwälte, die Also meldete er sich bei uns. Gemeinsam heitlichen Probleme überwunden, und unser Wartezimmer-Abo abgeschlossen mit unserem damaligen Geschäftsfüh- er war auf der Suche nach einer neuen haben, bekommen ihre Ausgabe zuge- rer überlegte er, wie er am besten helfen Aufgabe. »Ich war fit und im Ruhestand: sendet, wie auch andere Straßenma- könne – und sie kamen auf den Maga- Also konnte ich mich gut für andere gazine, mit denen wir postalisch Hefte zinversand. »Eine schöne Aufgabe, bei Menschen einsetzen«, sagt Dietrich. austauschen. Zudem stehen jeden Monat der ich selbst entscheiden kann, wann Seither ist der heute 71-Jährige einer drei Bücher auf Dietrichs Liste: Sie wer- genau am Monatsende ich sie erledige.« von vielen Helfenden, die ehrenamt- den verschickt an die Gewinnenden un- Und auch seine Frau unterstützt ihn bei lich wichtige Aufgaben bei HEMPELS seres Sofa-Rätsels. Insgesamt brauche er seinem Ehrenamt. »Als ich einmal Rü- übernehmen: Sie unterstützen etwa dafür »drei bis vier Stunden – je nach Ta- cken hatte – wie man so sagt –, ist sie mit die Teams des Mittagstisches und der gesform und Menge«. Den großen Stapel in die Redaktion gekommen und hat mir Trinkräume, sie übernehmen Fahrdiens- adressierter und frankierter Versand- geholfen.« te und Verwaltungsaufgaben, und sie taschen müssen andere Mitarbeitende Neben seinem Engagement für uns bieten Sprachkurse für Verkaufende an, dann nur noch zur Post bringen. nutzt Dietrich seinen Ruhestand auch die nicht so gut Deutsch können. Unser Routine hilft Dietrich bei seiner Auf- dazu, sich intensiv mit Musik, Fotogra- Geschäftsführer Lukas Lehmann sagt: gabe: »Ich weiß inzwischen, wo ich alle fie und Literatur zu beschäftigen, seinen »Ehrenamtliche helfen uns, anderen zu wichtigen Gegenstände wie Schere, »großen Leidenschaften«. Und jeden helfen. Ohne sie wären viele Bereiche Kleber und Versandtaschen im Redak- Monat steckt er ein Heft unseres Stra- unserer Arbeit undenkbar – deshalb tionsraum finde und wie alles funktio- ßenmagazins nicht in eine Versandta- können wir ihnen gar nicht genug dan- niert – das spart Zeit.« Und die nutzt er sche, sondern klemmt es sich unter den ken!« Stellvertretend für sie alle stellen gerne für einen kurzen Schnack mit den Arm. »Für die Lektüre zu Hause. Als wir an dieser Stelle Dietrich Anger und anderen Mitarbeiterinnen und Mitar- langjähriger Leser freue ich mich, nun sein Engagement vor. beitern; »auch wenn wir uns natürlich zum HEMPELS-Team zu gehören – und Zum Interview treffen wir Dietrich, nicht gegenseitig von der Arbeit abhal- solange meine Gesundheit mitspielt, der mit allen im Haus per Du ist, in der ten wollen«, sagt er und lacht. Nach ei- möchte ich auf jeden Fall weitermachen.« Kieler Schaßstraße. Seit 2017 kommt er nem abgebrochenen Jura-Studium hat einmal im Monat hierher und setzt sich der gebürtige Rendsburger zunächst als Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, dann in unserem Redaktionsraum auf Einzelhandels- und Industriekaufmann HEMPELS ehrenamtlich unterstützen ein Sofa. Vor ihm auf dem Tisch: ein Sta- gearbeitet, anschließend viele Jahre bis wollen, schreiben Sie einfach eine E-Mail pel Versandtaschen sowie Kartons voll zu seiner Rente als Sacharbeiter einer ge- an verwaltung@hempels-sh.de oder ei- frisch gedruckter Magazine. Jede Tasche setzlichen Unfallversicherung. nen Brief an HEMPELS e.V., Schaßstra- beklebt Dietrich mit einer ausgedruck- Nun ist er bei HEMPELS – warum ße 4, 24103 Kiel. Gemeinsam finden wir ten Adresse und steckt ein oder mehrere eigentlich? Engagieren könnte man sich bestimmt eine Möglichkeit, wie Sie Ihre Hefte hinein – monatlich etwa 120 bis ja auch woanders. Dietrich sagt: »Das Talente bei uns einbringen können. 200 Exemplare der neuen HEMPELS- Straßenmagazin lese ich fast seit seiner 2 2 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
»Eine schöne Aufgabe«: Der 71-jährige Dietrich Anger kümmert sich ehrenamtlich um unseren Magazinversand. He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPELS | 2 3
25 JAHRE HEMPELS Roadtrip Wie kommen unsere Verkaufenden eigentlich an ihre Hefte? Wir sind mitgefahren bei einer Auslieferung zu unseren Partnerorganisationen im Land TEXT: GEORG MEGGERS, FOTOS: TILMAN KÖNEKE, GEORG MEGGERS 8:42 Uhr, Schaßstraße Kiel. Im fenden vor Ort. Fin Jacobsen arbeitet HEMPELS-Vereinscafé »Zum Sofa« erst seit kurzem hier, »aber wir haben stürzt Jan Hölzel noch schnell die letz- uns schon mal gesehen, oder?«, fragt ten Schlucke seines Kaffees hinunter. Jan. »Ja«, sagt Fin Jacobsen. »in Kiel- Foto: MGG Den Lieferwagen im Innenhof hatte Gaarden. Dort habe ich vorher für er zuvor schon mit grauen Pappkar- Wohnungslose und Bedürftige gear- tons beladen; nun startet er den Motor beitet – und wir haben uns bei einem und dreht an der Musikanlage. Ra- Mittagstisch getroffen, den du belie- dio? »Nee, Johnny Cash«, sagt Jan und fert hast.« lacht. Wenig später ist er auf der Au- tobahn. Ziel Nummer eins: Schleswig. Jan Hölzel ist seit über 20 Jahren bei HEMPELS. Im ersten Jahr war der Radio? heute 57-Jährige Straßenverkäufer, seither ist er in Teilzeit fest angestell- »Nee, Johnny Cash«, ter Mitarbeiter. Eine Stellenbeschrei- bung von Jan würde mehrere Seiten sagt Jan und lacht befüllen – oder man fasst sie in dieser Zeile zusammen: Jan hilft, wo Hilfe benötigt wird. Eine seiner Aufgaben: Im Wechsel mit einem Kollegen liefert Etappenziel zwei ist Flensburg. Un- er warme Mahlzeiten an wohnungslo- sere Außenstellen dort sowie in Husum se und bedürftige Menschen aus. Und und Lübeck bekommen ihre Hefte di- sie fahren jeden Monat Exemplare der rekt vom Druckort in Westerrönfeld neuen Ausgabe unseres Straßenmaga- per Spedition geliefert. Dass Jan trotz- zins – verpackt in graue Pappkartons dem nach Flensburg fährt, hat einen – zu den Ausgabestellen in Schleswig- besonderen Grund: Neben den grauen Holstein. Wie heute. Pappkartons hat er seinen Lieferwagen 9:27 Uhr, Norderdomstraße Schles- auch mit Stoffbeuteln und Schirmmüt- wig. Jan parkt neben dem St.-Petri- zen beladen – jeweils mit HEMPELS- Dom, dann klingelt er an der Tür des Logo darauf. Sie sind das Weihnachts- Diakonischen Werks. Mit Mund-Na- geschenk unseres Vereins an die rund sen-Schutz und Abstand reicht er ei- 220 Verkäuferinnen und Verkäufer in nige Kartons an Fin Jacobsen. Der ist ganz Schleswig-Holstein. In seine Stel- Gesundheitspädagoge und berät Woh- lenbeschreibung könnte Jan nun auch nungslose für die Schleswiger Diako- »Weihnachtsmann« eintragen. nie. Zudem betreut er in Vertretung 10:37 Uhr, Johanniskirchhof Flens- einer Kollegin unsere Straßenverkau- burg. Wieder parkt Jan neben einem 24 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
Seit über 20 Jahren ist Jan Hölzel bei HEMPELS. Aufgabe heute: unser neues Heft zu den Ausgabestellen in Schleswig-Holstein fahren. He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPE LS | 25
25 JAHRE HEMPELS Sakralbau; diesmal ist es die St. Jo- hannis Kirche. Kein Zufall, sind un- sere Partnerorganisationen in den verschiedenen Städten doch meist diakonisch. Jan schnappt sich einen Sack voller Geschenke und bringt ihn zu den Mitarbeiterinnen des Flens- burger Tagestreffs für wohnungslose Männer, die unsere Verkaufenden in Flensburg und dem Umland betreuen. Im Tagestreff hat an diesem Vormit- tag Sigrun Römer alle Hände voll zu tun: Denn wie jeden Freitag gibt die Rechtsanwältin auch heute ehrenamt- lich Frühstücksmahlzeiten aus. Bevor Jans Roadtrip weitergeht, noch kurz nachgefragt: Warum tut sie das? Si- grun Römer sagt: »Weil mir Hilfe für Obdachlose wichtig ist.« Notiert, wei- ter gehts. Nächster Halt: Husum. 11.46 Uhr, Poggenburgstraße eben- Gleich gehts los: Jan in der Kieler Schaßstraße vor dem beladenen Lieferwagen. dort. Vor der Bahnhofsmission des Di- akonischen Werkes Husum treffen wir Wohnungslose. Und er betreut unsere Obdachlosen geht, die sich auf dem Erk Paulsen. Der Diplom-Sozialpäda- Husumer Straßenverkaufenden. Eben Marktplatz und anderswo aufhalten. goge und Diakon leitet die Bahnhofs- war Erk Paulsen in der Stadt unter- »Und ich habe vorhin eine Wohnung mission sowie die Beratungsstelle für wegs – um nachzuschauen, wie es den für einen wohnungslosen Herrn ge- funden. Hoffentlich klappt das!« Für unsere Verkäufer lässt Jan Stoffbeutel und Schirmmützen da, dann steigt er wieder in den Lieferwagen. »Tschüss, Erk!« An jedem Ort engagieren sich Menschen für andere Um einem Stau auszuweichen, fährt Jan durch einige kleinere Örtchen zu unserer letzten Etappe nach Rends- burg. Zeit, ein wenig über unsere Aus- gabestellen nachzudenken. Überall, wo wir heute waren, engagieren sich Menschen für andere Menschen, die keine Wohnung haben oder sogar auf der Straße leben. So wie HEMPELS es in Kiel tut – und so, wie wir es auch mit Sigrun Römer gibt im Flensburger Tagestreff für wohnungslose Männer ehrenamtlich unserem Straßenmagazin tun wollen. Frühstücksmahlzeiten aus. Jan trifft sie auf seiner zweiten Station. Für uns sind sie somit die perfekten 26 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
Erste Etappe: Jan (li.) und Fin Jacobsen von der Schleswiger Diakonie. He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPE LS | 2 7
25 JAHRE HEMPELS Partnerorganisationen. (Das gilt na- türlich auch für unsere nächste Station an diesem Tag in Rendsburg sowie für die Zentrale Beratungsstelle für Män- ner der Vorwerker Diakonie – unsere Lübecker Ausgabestelle –, die heute nicht auf Jans Route liegt.) Auf dem Handy ploppt eine Nachricht auf: »FEIERABEND!!!!« 13:13 Uhr, Materialhofstraße Rends- burg. Anke Höft und die anderen Mitar- beiterinnen der Rendsburger Tafel haben gerade Mahlzeiten an Wohnungslose und Bedürftige verteilt; Kartoffelpü- ree, angedickten Kohl und Seelachs- filet. Nun steht Jan vor der Tür – mit einem Stapel grauer Pappkartons und einer Tüte voller Weihnachtsgeschen- ke für unsere Rendsburger Verkau- fenden in den Händen. »Schön, dass Dritter Halt in Husum: Jan (li.) und Erk Paulsen, der die Bahnhofsmission sowie die Beratungsstelle für Wohnungslose leitet. wir uns treffen, Anke«, sagt Jan. Zum Abschied bekommt er von Anke Höft noch einen selbstgenähten Mund-Na- sen-Schutz geschenkt. »Sieht richtig cool aus«, sagt er und setzt ihn sich gleich auf. 14:25 Uhr, Jan ist zurück in der Schaßstraße. Feierabend? »Nee.« Er muss gleich weiter: Mahlzeiten abho- len, die am nächsten Tag von unserem »Mittagstisch Manna« ausgegeben werden. Um 15:01 Uhr ploppt auf dem Handy dann eine Nachricht von Jan Hölzel auf – in Großbuchstaben und mit vier Ausrufezeichen versehen: »FEIER ABEND!!!!« Im Innenhof der Rendsburger Tafel: Anke Höft hat Jan einen selbstgenähten Mund-Nasen-Schutz geschenkt. 2 8 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
unterstützen sie unsere arbeit mit einer spende. Für nähere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Telefon (04 31) 67 44 94; verwaltung@hempels-sh.de Das Straßenmagazin für Schleswig-Holstein He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 a nze ige n | 2 9
25 JAHRE HEMPELS Viel gefragt Die Zentrale Beratungsstelle der Vorwerker Diakonie Lübeck betreut unsere Verkaufenden aus der Region. Ein Besuch an einem offenen Fenster TEXT UND FOTOS: GEORG MEGGERS »Kann man auch weniger schief Seine Erklärung muss warten. Ein gleich zu Arbeitsbeginn erledigen woll- machen«, sagt Thomas Grümmer und Interview mit Thomas zu führen ist te: die Post. »Das ging aber nicht – als lacht. Von außen blickt er auf etwas, das nicht so einfach, denn nicht nur der ich heute früh in die ZBS kam, stand er eben von innen an die Fensterschei- HEMPELS-Reporter möchte etwas von schon jemand vor meinem Fenster und be geklebt hat: ein Exemplar unseres ihm wissen: »Wo ist …?« »Und wann ist wartete auf die neue Ausgabe.« Als der Straßenmagazins. Wer in der Lübecker eigentlich …?« »Sag mal, weißt du, wer dann seine Hefte hatte, wartete bereits Wahmstraße die Zentrale Beratungs- …?« Kaum jemand geht ohne Frage an der nächste Verkäufer. Und so weiter. stelle für Männer (ZBS) passiert, sieht Thomas vorbei. Und schnell wird klar, Nun greift sich Thomas eine Hand- nun, dass wir eine neue Ausgabe drau- warum sich alle an ihn wenden: Kom- voll Briefe. Was es damit auf sich hat? ßen haben. »Bisschen Werbung ma- petent wie geduldig gibt er jedem Aus- 260 Menschen bekommen ihre Post in chen«, sagt Thomas. kunft. die ZBS geschickt: Sie haben keine eige- Zweiter Versuch: Warum ist dieser Tag der stressigste im Monat? »Weil wir heute die von uns verwalteten Gelder »Heute ist der stressigste auszahlen – und weil heute der Verkauf bessere zeiten der neuen HEMPELS startet.« Das ist Tag des Monats« eine weitere Aufgabe von Thomas: Er hieß das Straßenmagazin aus Lübeck, betreut unsere Straßenverkaufenden das 1996 zum ersten Mal erschien aus Lübeck und dem Umland. Viele – und somit wie wir in diesem Jahr von ihnen holen sich gleich am ersten 25-jähriges Jubiläum gefeiert hätte. HEMPELS arbeitet in mehreren Ausgabetag ihre Hefte für den gesam- Wegen fehlender Finanzkraft konn- Städten Schleswig-Holsteins mit ähn- ten Monat. Dafür stellen sie sich mit te Bessere Zeiten nicht regelmäßig lich strukturierten Partnerorganisati- Abstand draußen vor dem historischen erscheinen, weshalb die Verkaufenden onen zusammen, eine davon ist die zur Stadthaus in der Wahmstraße an, um keine sicheren Einnahmen hatten. Vorwerker Diakonie gehörende ZBS. sich und die Mitarbeitenden vor einer Darum entschlossen sich Bessere Deren Aufgabe: Menschen beraten und Infektion zu schützen. Im Erdgeschoss Zeiten, die Lübecker Vorwerker Di- unterstützen, die durch das soziale Netz der ZBS hat Thomas das Fenster gleich akonie und HEMPELS 2008 zu einer gefallen sind. Mitarbeitende setzen sich neben der Scheibe mit der eingeklebten Kooperation; seither erscheint unser dafür ein, dass Wohnungslose und Be- Außenwerbung geöffnet und reicht ih- Straßenmagazin in der Hansestadt. dürftige Grundsicherung bekommen nen die Magazine hindurch. Viele ehemalige Verkäuferinnen und und wieder krankenversichert sind. Jetzt ist Mittagszeit. Die meisten Ver- Verkäufer von Bessere Zeiten bieten Zudem übernehmen sie die Geldver- kaufenden haben ihre Hefte inzwischen noch heute HEMPELS an. Und auch waltung für Personen, die kein eigenes bekommen, und Thomas holt sich ein an der Ausgabestelle hat sich nichts Konto besitzen. Der 51-Jährige Tho- Käsebrötchen vom Bäcker. »Rushhour geändert: Damals wie heute bekom- mas, der gerade in bisschen Werbung vorbei«, sagt er. »Zeit für ein spätes men Lübecker Straßenverkaufende gemacht hat, ist Mitarbeiter der ZBS. Frühstück.« Nachdem er die Brötchen- ihre Hefte in der ZBS. MGG »Heute ist der stressigste Tag des Mo- tüte zusammengeknüllt hat, nimmt er nats«, sagt er. Warum das? sich eine Aufgabe vor, die er eigentlich 30 | 25 JA HR E HE MPE LS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
Thomas Grümmer vor dem Eingang der Zentralen Beratungsstelle für Männer in der Lübecker Wahmstraße. He mpe l s # 2 97 2/2 02 1 25 JA HR E HE MPE LS | 3 1
25 JAHRE HEMPELS ne Wohnung und somit auch keine eige- ne Adresse, die sie etwa bei Ämtern oder Versicherungen angeben könnten. Tho- mas sortiert die Briefe in alphabetischer Reihenfolge in eine Kiste ein. »Wenn sich die Leute nach ihrer Post erkundi- gen, weiß ich sofort, wer was bekommt.« »Moin Chef«, sagt ein junger Mann, der in der Wahmstraße vor dem offe- nen Fenster und der etwas schief einge- klebten Außenwerbung steht. »Moin«, sagt Thomas und blickt kurz von seinen Briefen auf. Doch es folgt keine Frage auf die Begrüßung; der Mann geht weiter und Thomas kann weiter sortieren. Und auch der Reporter möchte am stressigs- ten Tag im Monat nicht weiter stören. Bei einer seiner vielen Aufgaben: Thomas kümmert sich um die Post von Menschen, die keine eigene Wohnung und somit keine eigene Adresse haben. Haben Sie Interesse an einem Wartezimmer-ABO? Sie bieten damit Ihren Patienten und Mandanten eine zusätzliche informative und unterhaltsame Lektüre und zeigen gleichzeitig soziales Engagement. Mit unserem Exklusiv-Abo für Anwälte sowie Ärzte, Zahnärzte und andere Praxen bekommen Sie monatlich die aktuelle Ausgabe frei Haus geliefert. Ein ganzes Jahr für 21,60 Euro (Copypreis Straßenverkauf: 2,20 Euro/ Ausgabe). Auch beim Abo kommt die Hälfte des Erlöses natürlich unseren Verkäufer/innen zugute. HEMPELS-ABO IHRE DATEN HEMPELS KONTAKT Ja, ich möchte HEMPELS unterstützen und Bitte senden an: abonniere das Magazin für zwölf Monate zum Preis HEMPELS Straßenmagazin von 21,60 Euro. Will ich das Abo nicht verlängern, Praxis, Kanzlei Schaßstraße 4, 24103 Kiel kündige ich mit einer Frist von zwei Monaten zum Ablauf der Mindestlaufzeit. Anderenfalls verlängert Fax: (04 31) 6 61 31 16 sich das Abo automatisch und ist mit einer Frist von Ansprechpartner/in E- Mail: abo@hempels-sh.de vier Wochen zum Monatsende jederzeit kündbar. Die Zahlung erfolgt nach Erhalt der Rechnung. Oder einfach anrufen: Straße, Hausnummer (04 31) 67 44 94 Datum, Unterschrift PLZ, Ort 3 2 | 25 JA HR E HE MPELS Hempel s # 2 97 2/2 02 1
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