Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie

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Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Can Arslan
Das Demokratisierungspotential
der Blockchain-Technologie
                                                                                                                                                                    Mashreq Digital Forum
                                                                                                                                                                    in Amman (2019)

Der Weg zum richtigen Anwendungsfall
Nepal: Katmandu United Nations for Project Services ( UNOPS )
Frankreich: Paris World Bank Group ( WBG )

                                    Als Mercator Fellow beschäftigte ich mich mit dem Demokra­          United Nations for Project Services ( UNOPS )
                                    tisie­rungspotential von dezentralen, vernetzten, kollaborativen    Mit diesen Fragen reiste ich im September 2018 nach Katmandu,
                                    ­digitalen Infrastrukturen – also der Blockchain – und verknüpfte   wo ich als Berater für Blockchain bei der United Nations for
                                    somit technische und soziale Innovationen miteinander.              ­Project Services arbeitete. Ich beschäftige mich mit der Ein­
                                                                                                        gliederung von benachteiligten Gruppen in das Bankenwesen,
                                    Wie muss die zugrundeliegende technologische Architektur            der Dezentralisierung der Energieversorgung und der
                                    der Blockchain optimiert werden damit die Machtdynamiken,           ­Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen durch transparente
                                    zum Beispiel im globalen Finanzsystem demokratisiert werden?        Wertschöpfungsketten. Dazu gehörte auch die Mitarbeit mit
                                    Wenn die Technologie folgenschwere sozio-politische Im­             ­lokalen Innovation Hubs für die Entwicklung der digitalen Lösun-
                                    plikationen verspricht, was bedeutet das für die Entscheidungs-     gen innerhalb des Landes.
                                    prozesse in Blockchain-Projekten? Und welche Anwendungsfälle
                                    gibt es, die das Zusammenleben fundamental gleichberechtigter       World Bank Group ( WBG )
                                    gestalten können?                                                   Anschließend arbeitete ich als Innovationsberater für die
                                                                                                        World Bank Group in Paris und beschäftigte mich mit den ins­
                                                                                                        titutionellen Rahmenbedingungen des digitalen Wandels.
                                                                                                        ­Zudem wirkte ich in Projekten zur Förderung von Unter­
               Can Arslan sammelte Arbeitserfahrung im Mobilitätssektor, im Bankwesen und in            nehmer*innen mit und fokussierte mich dabei auf den Aufbau
             ­Unternehmensberatungen und spezialisierte sich dabei auf digitale Transformations-        von Blockchain-Netzwerken für Wissensaustausch und
    prozesse. Er e­ ngagiert sich außerdem im Bereich Social Entrepreneurship. Can Arslan studierte     ­Technologietransfer. Einer der Höhepunkte meines Kollegjahres
    Corporate Management & Economics an der Zeppelin Universität mit Stationen an der University
                                                                                                        war das Mashreq Digital Forum mit Minister*innen, die das
    of California Los Angeles und Boğaziçi Universität. Im Anschluss daran absolvierte er einen MSc
                                                                                                        ­digitale Portfolio der jeweiligen Länder verantworten.
    in Management of Information Systems & Digital Innovation an der London School of Economics
    and Political Science. can.arslan@mercator-fellows.org

                                                                                                                                                       10
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Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Louisa Barzen
Wie können innovative Finanz-                                                                                                                           European Bank for Reconstruction
                                                                                                                                                        and Development, London

instrumente die Finanzierungslücke
der nachhaltigen E
                 ­ ntwicklungs-
und Klimaziele schließen?
Belgien: Brüssel Europäische Kommission, DG DEVCO
Côte d‘Ivoire: Abidjan African Development Bank
Vereinigtes Königreich: London European Bank for Reconstruction
and Development

                                   Zur Erreichung der Sustainable Development Goals und der                     Ich begann mein Kollegjahr mit der ersten Stage in Brüssel
                                    ­Klimaziele der Vereinten Nationen bedarf es eines finanziellen             bei der Europäischen Kommission in der Generaldirektion
                                   Aufwands, der über bisherige Anstrengungen hinausgehen                       ­Entwicklung und internationale Zusammenarbeit. Dort werden
                                   muss. Schätzungen gehen derzeit von Summen im Billionen­                     in Kooperation mit Entwicklungsbanken neben Zuschüssen
                                    bereich aus, die nötig sein werden, um beide Abkommen zu                    ­heute vermehrt auch Mischfinanzierungen, sog. »blended
                                   ­finanzieren – pro Jahr. Die internationale Gemeinschaft, natio­             ­finance«, und Garantien eingesetzt, um zusätzliche Mittel zu
                                   nale Regierungen, Entwicklungsbanken und der Privatsektor                    ­mobilisieren und die Finanzierungslücke zu schließen.
                                   ­stehen vor der großen Herausforderung, diese Investitionslücke
                                   nach und nach zu schließen. Deshalb werden verschiedene                      Als nächstes ging es für mich in die zweite Stage nach Abidjan
                                    ­Instrumente entwickelt, um Armut zu beenden, ein nachhaltiges              zur African Development Bank, um dort Garantien als Instrument
                                    Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit für alle                     besser kennenzulernen und zur Finanzierung von sozialen
                                   zu erreichen und um den Klimawandel und seine Auswirkungen                   ­Start-Ups und Unternehmen in sozialen Sektoren zu arbeiten.
                                   zu bekämpfen. Je nach Sektor bedarf es zusätzlicher öffentlicher
                                    Mittel, zusätzlicher privater Mittel oder gemeinsamer gemischter            Meine dritte Stage führte mich nach London, zur European
                                    Finanzierungen. Obwohl dies auch eine Herausforderung für                   Bank for Reconstruction and Development, wo ich mich mit
                                    Länder mit hohem Einkommen ist, ist die Finanzierungslücke                  Geber-­Kofinanzierung als Finanzierungsart beschäftigte und
                                    vor allem in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen                  zur För­derung grüner Technologien arbeitete.
                                    besonders groß.

               Louisa Barzen hat sich mit Entwicklungsfinanzierung bereits bei der KfW Entwicklungsbank
             und bei einer indischen Microfinance NGO beschäftigt. Weitere Stationen führten sie für ein Jahr
    nach Togo, zum Deutschen Bundestag und zur Forschungsgruppe »Global Food«. Dort untersuchte sie,
    ob Nachhaltigkeitssiegel die Einkommenssituation von Kleinbäuer*innen verbessern. Am GIGA Institut
    ­beschäftigte sie sich mit den Erfolgsfaktoren ugandischer Kleinunternehmen. Louisa hat Volkswirtschaft
    ( BA ) und Development Economics ( MA ) in Göttingen, Deutschland und Pune, Indien studiert.
    louisa.barzen@hotmail.de

                                                                                                                                                             10
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Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Yoran Beldengrün
Frieden mit, statt aus,
dem Reagenzglas
                                                                                                                  Vertreter*innen von diversen Initiativen tauschen sich in Harvard bei einer

Das Potential der Wissenschafts-                                                                                  Konferenz zu Wissenschaftsdiplomatie zwischen Israel und Palästina aus.

diplomatie im Nahostkonflikt
USA : Boston swissnex Boston
Israel: Tel Aviv EcoPeace Middle East
Israel: Tel Avi Schweizerische Botschaft in Israel

                                    Während auf der großen diplomatischen Bühne schon eine                        im Nahen Osten kennen­gelernt und in Harvard eine Konferenz
                                    ­endlose Anzahl von Reaktionen und Formeln gescheitert sind,                  zu meinem Kollegthema organisiert. In Boston lernte ich,
                                    um den über 70-jährigen Nahostkonflikt zu lösen, kann die                     wie die Schweiz und andere in Boston präsente Konsulate
                                    ­Wissenschaftsdiplomatie vielleicht eine friedensfördernde Rolle              ­Wissenschaft und Technologie r­ ealpolitisch als soft power tool
                                    spielen. Grenzüberschreitende wissenschaftliche Kooperationen                 einsetzen, was sich von der l­ iberalen, oben genannten
                                    können dazu beitragen, regionale Probleme, wie zum Beispiel                   ­Beschreibung der Wissenschafts­diplomatie unterscheidet.
                                    die Wasserknappheit oder auftretende Epidemien, zu lösen.                     Mit diesem anderen Aspekt habe ich mich in meiner nächsten
                                    Gleichzeitig kann die Wissenschaft durch ihren neutralen, uni-                Stage bei EcoPeace Middle East befasst. Die regionale NGO
                                    versellen Charakter helfen, Vertrauen zwischen israelischen                   ­fokussiert sich auf umweltpolitische Friedensförderung zwischen
                                    und palästinensischen Forschenden aufzubauen.                                 Israel, Palästina und Jordanien. Durch Kombination von
                                                                                                                  Forschungs­kooperationen, Bildungsprogramme mit der Zivil­
                                    Ich begann das Kollegjahr im Schweizer Wissenschafts­                         gesellschaft und Advocacy Arbeit, trugen wir zur Lösung von
                                    konsulat swissnex in Boston, da die Stadt eines der weltweit                  ­regionalen konflikt- und klimabedingten Wasserproblemen bei.
                                    wichtigsten Zentren für Wissenschaft, Innovation und inter­
                                    nationale Politik ist. Hier habe ich einen generellen Einblick                Neben zivilgesellschaftlichen und akademischen Kooperationen
                                    in die Wissenschaftsdiplomatie erhalten, deren Akteur*innen                   gab es in den letzten Jahren auch eine verstärkte israelisch-­
                                                                                                                  palästinische wirtschaftliche Zusammenarbeit, v. a. im Innova­
                                                                                                                  tionssektor. Mit der Schweizer Botschaft in Israel haben wir
                                                                                                                  in meiner dritten Stage einen Plan erarbeitet, wie die Schweiz
               Yoran Beldengrün absolvierte sein Doktorat im Bereich der Nanomedizin am IQAC-CSIC                 als Drittstaat diesen Trend unterstützen und dabei vertrauens-
             in ­Barcelona. Zuvor erwarb er einen MS c in Biomedizinischer Technik und einen BSc in Pharma­       und eventuell friedensfördernde Maßnahmen einbauen kann.
    zeutischen Wissenschaften an der ETH Zürich. Yoran ist Gründer des Scientists Dating Forums, einer
    ­Orga­nisation, welche Brücken zwischen der Wissenschaft und der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft baut.
    Zudem hat er die Organisation des March for Science Barcelona geleitet und hat als Wissenschaftskom­
    munikator Wissenschaft unterhaltsam unterrichtet. Erste Erfahrung in der Wissenschaftspolitik hat er
    bei ­einem Praktikum bei der UNESCO gesammelt. yoran.beldengruen@mercator-fellows.org /
    yoran.beldengruen@gmail.com

                                                                                                                                                                                   10
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Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Alina Bill-Weilandt
                                                                                                                                                   Zyklon Idai hat 400.000 Mosambikaner*innen

Effektives Klimarisikomanagement
                                                                                                                                                   genötigt, ihre Heimat zu verlassen.
                                                                                                                                                   1.5 Millionen Menschen waren direkt betroffen
                                                                                                                                                   Bild: Denis Onyodi: IFRC/DRK/ Climate Centre

Potential für nachhaltige Entwicklung
und globale Gerechtigkeit
USA : Washington, D.C. Weltbank
Mosambik: Maputo Weltbank
Thailand: Chiang Mai Understanding Risk Field Lab
Deutschland: Berlin Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( BMZ )

                                    Welche Finanzinstrumente sind geeignet, damit eine Regierung                  Im Frühjahr 2019 trafen zwei Zyklone in Mosambik auf Land.
                                    im Fall einer Naturkatastrophe schnell finanzielle Ressourcen                 Mehr als 650 Menschen kamen ums Leben. Besonders betroffen
                                    abrufen kann? Welche Maßnahmen sind notwendig, um die                         sind bis heute vor allem arme Bevölkerungsgruppen. 91,8 % der
                                    ­finanzielle Widerstandsfähigkeit der vom Klimawandel am                      Menschen in Mosambik leben von weniger als 5,50 USD am Tag.
                                    stärksten Betroffenen zu erhöhen?                                             Die wenigsten haben Ersparnisse, um eine Katastrophe ab­
                                                                                                                  zufedern, ihre Gesundheit und Bildung sind besonders gefähr-
                                    Diese Fragen führten mich zuerst zur Weltbank in Washington,                  det. Vor Ort arbeitete ich mit einer Vielzahl von Akteur*innen an
                                    D.C. , wo ich lernte, wie sich verschiedene Finanzierungs-                    der Post-Katastrophenbedarfsanalyse und unterstützte die Koor-
                                    und Versicherungsinstrumente kombinieren lassen. Außerdem                     dinierung der Weltbank-Aktivitäten in Reaktion auf die Zyklone.
                                    wirkte ich an der Entwicklung eines Programms zu Katastrophen­
                                    risikomanagement und zu Klimaresilienz in Mosambik mit.                       Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen
                                    Das Programm umfasst das Aufsetzen eines nationalen Katas­                    ­haben, sind besonders von dessen Folgen betroffen. Deshalb ist
                                    trophenmanagementfonds, worüber die Regierung eine Ver­                       der Umgang mit klimabedingten Katastrophen eine Frage glo­
                                    sicherung gegen Dürre und Zyklone abschließen kann, sowie die                 baler Gerechtigkeit und auf internationaler Ebene zu behandeln.
                                    Förderung von Katastrophenvorsorge, Frühwarnsystemen und                      Im BMZ habe ich das erste Treffen der Expert*innengruppe zu
                                    klimaresilienter Schulinfrastruktur.                                          umfassendem Katastrophenrisikomanagement des Internatio-
                                                                                                                  nalen Warschau Mechanismus für klimabedingte Schäden und
                                                                                                                  Verluste organisiert. Die Gruppe ermöglicht einen Brückenschlag
                                                                                                                  zwischen Akteur*innen verschiedener Hintergründe und Her-
               Alina Bill-Weilandt sammelte vor dem Kollegjahr Arbeitserfahrungen an der Schnittstelle von
                                                                                                                  kunft, um effektives Katastrophenrisikomanagement voranzu-
             ­internationaler Zusammenarbeit und Klimapolitik, u. a. im Bundesministerium für wirt­­schaftliche
                                                                                                                  bringen, das die Bedürfnisse der Betroffenen ins Zentrum stellt.
    Zusammenarbeit und Entwicklung, bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ( GIZ ) und bei
    Brot für die Welt. Sie erwarb einen doppelten Masterabschluss in Environmental Policy und Politikwissen-
    schaft an der Sciences Po Paris und der FU Berlin. Während des Kollegjahres hat sie sich mit der Frage
    ­auseinandergesetzt, wie Klimarisikomanagement effektiv und global gerecht gestaltet werden kann, um
    nachhaltige Entwicklung zu befördern. Dabei arbeitete sie zu Instrumenten zur Finanzierung und
    ­Versicherung von Naturkatastrophen. alina.billweilandt@gmail.com

                                                                       Zyklon Idai hat
                                                                       240.000 Wohnhäuser
                                                                       und 1.372 Schulen
                                                                       in Mosambik teilweise
                                                                       oder vollständig
                                                                       zerstört.

                                                                                                                                                                    10
                                                                       Bild: Dominic Chavez /
                                                                       World Bank

                                                                                                                                                                 Jahre
Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Stefan Brantschen
Wirtschaftliche
Perspektiven schaffen
                                                                                                                                                         Filiale der staatlichen Fluggesellschaft Tunisair.
                                                                                                                                                         Einst der Stolz der Nation, macht sie heute mehrheitlich
                                                                                                                                                         mit Verspätungen, Ausfällen und Streiks Schlagzeilen.
                                                                                                                                                         Sinnbild des schlechten Zustands der tunesischen Wirtschaft.

Förderung von privatwirtschaftlichen
Strukturen in Nordafrika
Tunesien: Tunis Deutsche Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit ( GIZ )
Tunesien: Tunis Weltbank
Schweiz: Bern Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

                                    »Kleine und mittlere Unternehmen ( KMU s) bilden das Rück-                                       Buchhaltung oder Marketing. Zu einer nachhaltigen Entwicklung
                                     grat unserer Wirtschaft«. Diesen Satz hört man in Deutschland                                   gehören zudem der Aufbau von Co-Working Spaces, Gründer­
                                     und der Schweiz oft. Er gilt auch für die Länder Nordafrikas.                                   zentren, sowie die Erschließung von Finanzierungsquellen für
                                     Der Kontext unterscheidet sich jedoch stark. Mangelndes Fach-                                   den Kauf von Material und Maschinen.
                                     wissen, fehlender Zugang zu Krediten sowie instabile politische
                                     Rahmenbedingungen resultieren in einem wenig kompetitiven                                       Im Großraum Tunis finden sich viele gut ausgebildete junge
                                     Privatsektor. Die Folge davon sind hohe Jugendarbeitslosig-                                     Fachkräfte mit innovativen Ideen. Für Startups existiert ein Netz-
                                     keit, ein wachsendes Gefälle zwischen urbanen und ländlichen                                    werk von Fördereinrichtungen. Das Problem von Finanzierungs-
                                     ­Regionen sowie soziale und politische Spannungen.                                              schwierigkeiten besteht jedoch auch hier. Die Weltbank lanciert
                                                                                                                                     deshalb ein Programm zur finanziellen Förderung von digitalen
                                     Bei der GIZ wirkte ich in einem Projekt mit, das in den wenig                                   Startups und KMU s an dessen Vorbereitung ich mitarbeiten
                                     ­entwickelten Regionen von Tunesien aktiv ist und dort Jung­                                    konnte. Dabei erhielt ich auch wertvolle Einblicke in die internen
                                     unternehmer*innen fördert. An Geschäftsideen fehlt es nicht,                                    Prozesse der weltweit größten Entwicklungsbank.
                                     doch der Bedarf an Unterstützung ist größer als in den urbanen
                                     Zentren. Gefragt sind fachliche Expertise sowie Trainings in                                    Letztendlich müssen auf staatlicher Ebene langfristige Reform-
                                                                                                                                     prozesse umgesetzt werden. Zum Beispiel im Finanzsystem.
                                                                                                                                     Oder in der Verwaltung von öffentlichen Finanzen. Entscheidend
                                                                                                                                     ist, dass die Privatwirtschaft zuverlässige Rahmenbedingungen
               Stefan Brantschen beschäftigte sich in seinem Kollegjahr mit Initiativen zur                                          vorfindet. Das SECO finanziert in Nordafrika verschiedene Pro-
             Privatsektor­förderung in Nordafrika. Zuvor war er unter anderem in der Schweizer                                       jekte mit, die genau dies zum Ziel haben. Im Gegensatz zu GIZ
    Botschaft in Japan in den B
                              ­ ereichen Politik und Wirtschaft tätig und arbeitete in einer
                                                                                                                                     und Weltbank arbeitete ich hier auf der Geberseite, also dort, wo
    Non-Profit-Organisation in Bern zum Thema nachhaltige Produktionsketten. Stefan erwarb
                                                                                                                                     die Finanzierung vereinbart wird. Ein Perspektivwechsel, der
    einen Master in International Affairs am Graduate Institute of International and Develop-
                                                                                                                                     mein Kollegjahr hervorragend abrundete.
    ment­Studies in Genf und studierte Politikwissenschaften, Volkswirtschaft sowie Öffent­
    liches Recht an der Universität Zürich. brantschen.stefan@gmail.com

                                                                                           Ausfahrt aus der Provinzstadt El Kef.
                                                                                           Die Region um El Kef gilt als benachteiligt
                                                                                           und weist innerhalb Tunesiens große
                                                                                           wirtschaftliche Probleme auf. Hier war das
                                                                                           Projekt der GIZ unter anderem aktiv.

                                                                                                                                                                                            10
                                                                                                                                                                                         Jahre
Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Céline Dillmann
Wenn sich der Blickwinkel ändert,
                                                                                                                                                             Milchwertschöpfungskette –
                                                                                                                                                             Spielende in Aktion

kann sich die Welt verändern
Ansätze zur Förderung und Unterstützung
von Dialog- und Entscheidungsprozessen
Kolumbien: Bogotá World Wide Fund for Nature (  W WF )
Côte d‘Ivoire: Abidjan Interpeace West Africa

                                    Mit bereits viel Erfahrung zu strategischen Brettspielen im                  ­Gewalt. Vordergründig geht es um Sicherheit, Stabilität und
                                    ­Gepäck habe ich in meiner ersten Stage für den WWF Kolumbien                ­Arbeit(slosigkeit). Tieferliegende Aspekte jedoch sind: Vertrauen
                                    ein Spiel entwickelt, das die Milchwertschöpfungskette darstellt             und Anerkennung. Seitens der Gesellschaft und Politik, dass
                                    und als Instrument dienen soll, den Dialog zwischen milch­                   die Jugend eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielt und ihre
                                    produzierenden und -verarbeitenden Akteur*innen zu unter­                    Bedürfnisse einen Platz in Entscheidungsprozessen haben
                                    stützen. Während es auf den ersten Blick um hartnäckiges                     ­müssen. Seitens der Jugend, dass sie sich politisch engagieren
                                    ­Taktieren der Industrie und der Kleinbäuer*innen um Milchquali-             kann und die Politik in ihrem Sinne handelt. Und auch dafür
                                    tät und -preis geht, zeigt der unverbindliche Austausch im Spiel,            braucht es Dialog, Zuhören und das Finden gemeinsamer
                                    dass etwas viel Tieferliegendes zugrunde liegt: Vertrauen. Setzt             ­Grundlagen.
                                    die Industrie faire Preise? Liefern die Milchproduzenten die
                                    ­vereinbarte Menge und Qualität? Um das aufzubauen, braucht                  Zwei unterschiedliche Kontexte, ähnliche tiefliegende ­
                                    es Dialog, Zuhören und eine gemeinsame Grundlage.                            Prozesse. In beiden Fällen ermöglichen visuelle Ansätze –
                                                                                                                 wie Brettspiele, wo Rollen getauscht und gemeinsam neue
                                    Um auch meinen eigenen Blickwinkel zu ändern, ging ich in                    ­Szenarien entdeckt werden können, oder Videos, die die
                                    der zweiten Stage zu Interpeace West Africa, eine NGO , die                  ­Stimmen von Menschen für andere hörbar machen – »die
                                    sich für Frieden durch Dialogförderung zwischen verschiedenen                Welt durch andere Augen zu sehen« und dadurch Menschen
                                    Gesellschaftsgruppen einsetzt, oft mit Hilfe von Filmaufnahmen.              auf eine alternative Art ins Gespräch zu bringen. Dies ist
                                    Ein Beispiel aus dem Bereich »Jugend & Frieden«: Gesellschaft,               eine Grundvoraussetzung, um Vertrauen aufzubauen, ob in
                                    Politik und Sicherheitskräfte verbinden Jugendliche oft mit                  der Milchwirtschaft oder bei gesellschaftlichen Konflikten.

               Céline Dillmann beschäftigte sich im Mercator Kolleg mit methodischen Ansätzen, z. B.
             ­strategischen Brettspielen, um gemeinsames Verständnis zu schaffen und Dialog anzuregen –
    im Umweltschutz und in der Friedensförderung. Sie hat Umweltwissenschaften an der ETH Zürich studiert,
    wo sie anschließend als Forschungsmitarbeiterin Erfahrung mit Moderation und Workshop-Leitung
    ­sammelte und in Projekten zu kleinbäuerlicher Landwirtschaft in Laos, tropischem Waldmanagement
    im Kongobecken und Mensch-Wildtierkonflikten in der Schweiz arbeitete. Außerdem hat sie bei der
    Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ( GIZ ) in Eschborn und bei Biovision in Zürich gearbeitet.
    celine.dillmann@gmx.net

                                                             Konferenz des
                                                             Bildungsministeriums,

                                                                                                                                                                10
                                                             auf der ein Video von
                                                             Interpeace gezeigt

                                                                                                                                                             Jahre
                                                             wurde
Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Nadine Düe
Die Zusammenarbeit
mit lokalem Personal in                                                                                                          Manchmal auch Fotograf. Der kosovarische
                                                                                                                                 ­Sprachmittler kommt der Bitte eines Einheimischen
                                                                                                                                 nach, sich mit zwei deutschen Soldaten ablichten

internationalen Missionen                                                                                                        zu lassen. Die Dankbarkeit der Bevölkerung gegenüber
                                                                                                                                 der Bundeswehr ist hier groß.

Deutschland: Schwielowsee
Einsatzführungskommando der Bundeswehr ( EinsFüKdoBw)
Deutschland: Hammelburg, Wildflecken
Vereinte Nationen Ausbildungszentrum Bundeswehr ( VN AusbZB w)
Deutschland: Lübeck Bundespolizeiakademie ( BPOLAK )
Kosovo: Priština KFOR -Hauptquartier
Nigeria: Abuja International Organization for Migration

                                     Die Bundeswehr ist derzeit in 13 Auslandseinsätzen aktiv,       zu fliehen. Nichtsdestoweniger waren unsere Behörden von
                                     die Bundespolizei in 16 und die deutsche Entwicklungshilfe      ­dieser Gefährdungslage überrascht, und auch sonst ist diese
                                     ­engagiert sich in einer kaum überschaubaren Anzahl             ­Zusammenarbeit in der jungen Einsatzgeschichte Deutschlands
                                      ­frie­densfördernder Projekte. Dieses Engagement wäre nicht    noch keine Gewohnheit. Demnach stellte sich mir die Frage,
                                     ­denkbar ohne die Hilfe von Ortskräften, die die Deutschen      wie die Kooperation mit den Ortskräften künftig vorbereitet,
                                     durch das fremde Umfeld navigieren. Während der ISAF -          durchgeführt und nachbereitet werden sollte.
                                     Mission arbeiteten hunderte afghanische Ortskräfte als
                                     ­Übersetzer*innen, Wachleute oder Analyst*innen für die         Zunächst arbeitete ich am VNA usbZB w und an der BPOLAK ,
                                     ­deutschen Behörden.                                            um zu verstehen, wie deutsche Zivilist*innen, Polizist*innen
                                                                                                     und Soldat*innen auf ihre Auslandseinsätze, die kulturellen
                                     Mit Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan wurden          ­Begebenheiten und die Zusammenarbeit mit den Ortskräften
                                     die einheimischen Helfer*innen von den wiedererstarkenden       vorbereitet werden. Im Kosovo und in Nigeria erhielt ich einen
                                     Aufständischen als Kollaborateure beschuldigt und verfolgt.     Einblick in den Missionsalltag und die Arbeit vor Ort. Im Eins­
                                     Das Ortskräfteverfahren ermöglichte einigen, nach Deutschland   FüKdoBw konnte ich außerdem beobachten, wie die Erkennt­
                                                                                                     nisse aus Einsätzen gesichert werden und wie gefährdeten
                                                                                                     ­Ortskräften der Weg nach Deutschland ermöglicht wird.

                Nadine Düe arbeitete nach ihrem Studium der Friedens- und Konfliktforschung          Kein Aspekt des sicherheitspolitischen Engagements
              fünf Jahre als Beraterin der Bundeswehr. Daneben engagierte sie sich für ehe­
                                                                                                     ­Deutschlands kommt ohne die Frage der ressortübergreifenden
    malige afghanische Ortskräfte, die als Übersetzer*innen, Analyst*innen oder Wachleute
                                                                                                     Zusammen­arbeit aus. Auch wenn der »Vernetzte Ansatz« in
    während der ISAF -Mission für Deutschland tätig waren. Ihr 2019 erschienenes Buch
                                                                                                     aller Munde ist, wurde er für mich noch nie so greifbar und
    »Auch. Wir. Dienten. Deutschland.« ( bpb) gab die Idee für ihr Kollegprojekt, w
                                                                                  ­ elches sie zur
    ­Bundeswehr, zur Bundespolizei und zur International Organization for Migration führte.
                                                                                                     ­lebendig wie in diesem Jahr. Ich nutzte die Zeit also vor allem
    Nach dem Kollegjahr arbeitet sie nun im internationalen Stab der Nato zum Afghanistan-           ­dafür, die ver­schiedenen sicherheitspolitischen Akteur*innen
    einsatz in Brüssel. nadine.duee@googlemail.com                                                   besser kennen und verstehen zu lernen. Besondere Freude
                                                                                                     hat mir dabei das Ver­mitteln zwischen der zivilen, der
                                                                                                     ­militärischen und der Welt der Polizei gemacht.

                                                                                                                                                         10
                                                                                                                                                      Jahre
Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Corinne Duriaux
Cash Transfers in
humanitären Kontexten                                                                                                                                                 Durch den Krieg in Syrien hat sich die

Wie Bargeldzahlungen Genderbeziehungen
                                                                                                                                                                      Einwohnerzahl des türkischen Gazianteps
                                                                                                                                                                      in den letzten Jahren verdoppelt. Die
                                                                                                                                                                     ­an­gespannte Wohn­situation macht beson-
                                                                                                                                                                     ders g­ eflüchteten Frauen zu schaffen.

beeinflussen und von diesen beeinflusst werden                                                                                                                        Die ­Hilfs­organisation CARE Turkey versucht
                                                                                                                                                                     durch Cash Transfer-Projekte ihre Situation
                                                                                                                                                                     zu ­verbessern.

Jordanien: Amman Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge ( UNHCR )
Ghana: Accra Plan International
Türkei: Gaziantep CARE Turkey
Schweiz: Genf Internationales Kommitee des Roten Kreuzes ( IKRK )

                                   Traditionell unterstützt die humanitäre Hilfe Menschen in                               Geld ausgegeben wird und welche Bedürfnisse werden berück-
                                   ­Krisensituationen mit Nahrungsmitteln und anderen Nothilfe­                            sichtigt? Wäre dies anders, wenn die Frau das Geld erhalten
                                   gütern. Cash Transfers haben sich in den letzten Jahren als                             ­würde? Anderenorts gelangen Frauen und Kindern als Binnen-
                                   ­effiziente und effektive Alternative erwiesen. Hierbei handelt                         vertriebene in die Städte, deren Männer gestorben oder in
                                   es sich um direkte Geldleistungen an hilfsbedürftige Personen,                          ­Gefangenschaft sind. Wenn diese nun finanzielle Unterstützung
                                   die selbst entscheiden können, was für sie am besten ist.                               erhalten, um ein Geschäft aufzubauen, wie wird das in einer
                                                                                                                           ­patriarchalen Gesellschaft wahrgenommen?
                                   Sowohl Konflikte als auch humanitäre Unterstützung, z. B.
                                   in Form von Bargeldzahlungen, verändern Familiendynamiken                               In meinem Kollegjahr versuchte ich mehr Klarheit in das
                                   und beeinflussen die Stellung der Frauen. Im Norden Nigerias                            ­Zusammenspiel von Bargeldzahlungen und Genderbeziehungen
                                   ­erwirtschafteten Frauen und Männer gemeinsam als Bäuerinnen                            zu bringen. Deutlich wurde, dass die Entscheidungsprozesse
                                   und Bauern ihr Einkommen. Fliehen sie in die Stadt, erhalten                            meist innerhalb von Familien liegen, welche zumeist eine Black
                                   sie Bargeldzahlungen, welche dem zumeist männlichen Haus-                               Box darstellen. So kann eine Geldzahlung an die Frau anstelle
                                   haltsvorstand übergeben werden. Wer entscheidet für was das                             des Mannes in einem Haushalt ihre Verhandlungsposition stärken,
                                                                                                                           während dies in anderen Haushalten zu mehr Spannungen und
                                                                                                                           Gewalt führen kann. Sorgfältige Genderanalysen und gründliche
                                                                                                                           Monitoringprozesse sind daher wichtig, um unbeabsichtigte
               Corinne Duriaux arbeitete bereits während ihrer Tätigkeit beim Globalen Fonds
                                                                                                                           ­Folgen zu vermeiden. Zusammen mit meinen Stagengeber*innen
             zur Bekämpfung von AIDS , Tuberkulose und Malaria in Genf zu Cash Transfers und Gender,
                                                                                                                           arbeitete ich daran, die Komplexität und Intransparenz dieser
    ­insbesondere im Bereich der Prävention von HIV -Infektionen bei jungen Frauen. Zuvor sammelte
    sie Berufserfahrung bei McKinsey & Company, dem Schweizerischen Roten Kreuz und der Schweizerischen
                                                                                                                           Dynamiken nicht als Grund zu nehmen, nichts zu tun, sondern
    Botschaft auf den Philippinen. Sie erwarb einen Masterabschluss in Human Rights & Humanitarian                         mehr Sensibilität für die Thematik zu schaffen und mit einfachen
    Action an der Sciences Po Paris sowie einen Master in Internationalen Beziehungen an der Universität                   Veränderungen, wie z. B. mit gendergemischten Auswertungs-
    St. Gallen. corinne.duriaux@gmail.com                                                                                  teams dazu beizutragen, dass die Bedürfnisse von allen Bevölke-
                                                                                                                           rungsgruppen berücksichtigt werden.

                                                                      In Maiduguri im Norden Nigerias haben
                                                                     viele F  ­ amilien aufgrund des vorherrschenden
                                                                      ­Konflikts ihre Einkommensmöglichkeiten
                                                                     ­verloren. In einer größtenteils muslimischen
                                                                       ­Gesellschaft sind Witwen davon besonders
                                                                        ­betroffen. Das IKRK gab ihnen Geld für den Kauf

                                                                                                                                                                        10
                                                                     von Hühnern, welche sie großziehen und
                                                                     dann wiederum verkaufen und so ein kleines

                                                                                                                                                                     Jahre
                                                                       Einkommen erwirtschaften.
Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Paul Fabel
Der Kampf gegen den                                                                                                                                      Fortbildung in Banteay Chhmar
                                                                                                                                                         durch Heritage Watch

illegalen Kulturgüterhandel
Maßnahmen zur Eindämmung des
Schwarzmarkts von Herkunfts- bis Marktstaat
Italien: Rom International Institute for the Unification of Private Law – UNIDROIT
Kambodscha: Siem Reap, Antiquities Coalition / Heritage Watch
Polen: Warschau European Border and Coast Guard Agency – FRONTEX
Frankreich: Paris Französisches Außenministerium

                                     Wie Drogen- oder Waffenschmuggel folgt auch der illegale                Dadurch werden wirtschaftlich profitable Strukturen im länd­
                                     ­Handel mit Kulturgütern dem einfachen Gesetz von Angebot und           lichen Raum etabliert, die lokale Eigenverantwortung gefördert
                                     Nachfrage. Für Kriminelle bedeutet das finanzielle Bereicherung.        und gleichzeitig dazu beigetragen, das Kulturerbe besser zu
                                     Es zerstört aber einen Teil unserer kulturellen Identität. Ver-         schützen und zu erhalten.
                                    schwindet ein Objekt auf dem Schwarzmarkt, wird es nur selten
                                    gefunden. Das macht Rückgaben schwierig und führt im Zweifel             Ebenso wichtig ist es, die Nachfrage nach geschmuggelten
                                    dazu, dass archäologisches Wissen für immer verloren geht.               ­Kulturgütern zu beenden. Nebst moralischer Überzeugungs­
                                                                                                             arbeit muss es so schwer wie möglich werden, juristische
                                     Um das Angebot zu senken, müssen wirtschaftliche Anreize                ­Schlupflöcher bewusst ausnutzen zu können.
                                     für Plünderungen abgeschafft werden, denn häufig werden
                                     ­Objekte aus finanziellen Notlagen heraus entwendet und dann            UNIDROIT in Rom versucht durch privatrechtliche Vorgaben
                                     verkauft. Hier setzt die NGO Heritage Watch an: Sie versucht,           ­diese Lücken im Völkerrecht zu minimieren. Außerdem führt
                                    die wirtschaftlichen Vorteile von Kulturerbeschutz aufzuzeigen.          die Organisation Schulungen durch, um rechtliche Vorgaben
                                     Dazu bildet sie Jugendliche in Kambodscha zu Tourguides aus.            ­praxisrelevant für Zoll und Polizei zu übersetzen. Somit werden
                                                                                                             diese für den Kampf gegen illegalen Kulturgüterhandel und
                                                                                                             der damit verbundenen organisierten Kriminalität, Geldwäsche
                                                                                                             und möglichen Terrorismusfinanzierung sensibilisiert. Hier
               Paul Fabel war vor dem Mercator Kolleg als Projektmanager bei der UNESCO tätig und
                                                                                                             gibt es aber noch viel Potential: Besonders im Bereich der inter-­
             arbeitete dort zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten beim Handel mit Kulturgütern. Zeitgleich
                                                                                                             institutionellen Kooperation stieß ich auf ungenutzten Gestal-
    ­arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am UNESCO -Chair for International Relations an der
                                                                                                             tungsspielraum.
    TU Dresden. Weitere Erfahrungen sammelte er im Europäischen Parlament und mit dem Auswärtigen Amt
    in Pretoria und in Brüssel. Paul absolvierte seinen Bachelor in Politikwissenschaften an der FU Berlin
    und studierte im Master Internationale Beziehungen in Dresden, Frankreich und der Schweiz.               Und dennoch – Rückgaben an die Herkunftsstaaten finden
    paul.fabel@mercator-fellows.org                                                                          statt und zeigen, dass der Schutz von kultureller Identität weit-
                                                                                                             aus mehr als eine leere Worthülse ist. Es geht um die Wieder­
                                                                                                             vereinigung der Herkunftsgesellschaften mit ihren Kulturgütern –
                                                                                                             und mit der Vergangenheit, die diese Objekte repräsentieren.

                      Feierliche
                      Zeremonie in der
                      Peruanischen
                      Botschaft in Paris
                      anlässlich der
                      Rückgabe unrecht­

                                                                                                                                                           10
                      mäßig exportierter
                      Kulturgüter

                                                                                                                                                        Jahre
Das Demokratisierungspotential der Blockchain-Technologie
Sebastian Franzkowiak
Die Jugend am Scheideweg
                                                                                                                                              Aufruf an die Jugend wählen zu gehen, Mai 2019, Tunis:
                                                                                                                                              »Mitmachen, um mitbestimmen zu können«

Youth Empowerment in der MENA-Region
Deutschland: Berlin Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung ( BMZ )
Tunesien: Tunis Deutsche Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit ( GIZ )
Frankreich: Paris Organisation for Economic Cooperation
and Development ( OECD )

                                    Junge Menschen zwischen 15 und 29 Jahren sind die am                         Und dennoch ist Afrika der Kontinent der Zukunft. Bald werden
                                   ­schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in der MENA -­                      hier 2 Milliarden Menschen leben – und die wachsende Bevöl­
                                    Region – dem Nahen Osten und Nordafrika. Vor wenigen                         kerung bringt große Chancen mit sich. In meinem Kollegjahr
                                    Jahren sprachen Analysten noch hoffnungsvoll vom Arabischen                  ­befasste ich mich mit der Frage, wie dieses Potential der Jugend,
                                    Frühling, doch die sozioökonomischen Herausforderungen                       insbesondere in Nordafrika, gezielter ausgeschöpft werden kann.
                                   der Länder – wichtigster Auslöser der historischen Protestwelle –
                                    haben sich vielerorts verschärft: Hohe Arbeitslosigkeit, kein                Partizipation und Teilhabe schaffen Perspektiven
                                    ­bezahlbarer Wohnraum, und Diskrepanz zwischen Jobaussichten                 Bei meiner Arbeitsstation im BMZ konnte ich an der Sonder­
                                   und der Zahl der qualifizierten jungen Absolvent*innen prägen                 initiative Ausbildung und Beschäftigung mitwirken. Analysen
                                   das Gesellschaftsbild von Rabat bis Kairo. Die junge Bevölkerung              ­zufolge müssten pro Jahr etwa 20 Millionen Arbeitsplätze in
                                    ist in ihrer Selbstentfaltung stark eingeschränkt. Die potenziellen          ­Afrika entstehen, um jungen Menschen nachhaltige wirtschaft­
                                    Risiken in dieser Generation, wie Radikalisierung und Zunahme                liche Perspektiven zu ermöglichen. Doch mein Kollegjahr hat
                                    von ­gewaltbereitem Extremismus und Brain Drain durch Mi­                    mir gezeigt, dass Jobs alleine keine Perspektiven schaffen –
                                   gration nach Europa, wurden zu Katalysatoren der regionalen                   auch Partizipation und gesellschaftliche Teilhabe müssen der
                                    ­In­stabilität.                                                              ­Jugend garantiert werden.

                                                                                                                 Bei der GIZ in Tunesien und im MENA-OECD Governance
                                                                                                                 ­Programme konnte ich direkt mit Jugendorganisationen und
               Sebastian Franzkowiak arbeitet als Junior-Berater zur afrikapolitischen Agenda der
                                                                                                                 ­jungen Hochschulabsolvent*innen aus Nordafrika zusam­
             ­Bundes­regierung bei der GIZ in Berlin. Arbeitserfahrung sammelte er vor dem Mercator Kolleg als
                                                                                                                 menarbeiten. Die Wünsche der MENA -Jugend ähneln im Grunde
    Projektkoordinator am Centre International de Formation Européenne in Tunis, wo er sich für den Dialog
                                                                                                                 aktuellen europaweiten Protesten wie den Fridays for Future:
    der Mittelmeerstaaten einsetzte. Während seines Studiums in Maastricht, Tunis und Istanbul entwickelte er
    ein besonderes Interesse für die politischen Herausforderungen und die Zukunft der Jugend in der MENA -­
                                                                                                                 Junge Menschen wollen ernst genommen werden. Sie wollen
    Region. Während seines Masterstudiums am King’s College London spezialisierte sich Sebastian zudem auf       nicht mehr, dass ältere Generationen über ihre Köpfe hinweg
    Prävention von gewalt­bereitem Extremismus. sebastian.franzkowiak@gmail.com                                  ihre Zukunft bestimmen.

                          Junge Mitglieder
                          des UGTT,
                          dem mächtigsten
                          Gewerkschafts-
                          verband Tunesiens

                                                                                                                                                                       10
                                                                                                                                                                    Jahre
Johannes Christian Haas
Custodians of the climate?
Klimawandel, Naturschutz und
die Einbindung indigener Gruppen                                                                                                                 Die Achuar streben den ersten von Indigenen
                                                                                                                                                 verwalteten Nationalpark im ecuadorianischen
                                                                                                                                                 Amazonas an

Ecuador: Quito World Wide Fund for Nature ( WWF )
Ecuador: Quito Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ( GIZ )
Kanada: Montreal United Nations Convention on Biological Diversity ( UN CBD )


                                    Der Klimawandel und das globale Artensterben gehören zu                   Stellen globale Anstrengungen im Klima- und Naturschutz
                                    den großen Herausforderungen unserer Zeit. Im Kampf gegen                 eine Chance dar, jahrhundertelange Marginalisierung in
                                    diese essentiellen Bedrohungen für Mensch und Umwelt erkennt              ­an­er­kennende Zusammenarbeit zu transformieren? Oder
                                    die internationale Politik zunehmend, welch entscheidende                 sind sie vielmehr ein Risiko, die Situation für Indigene
                                    ­Rolle einer sonst oft übersehenen Gruppe zukommt: den                    noch zu ­ver­schlimmern?
                                    370 Millionen Indigenen der Erde.
                                                                                                              Ich nutzte die einmalige Gelegenheit meines Kollegjahres,
                                    Nach neuen Schätzungen befinden sich 80 % der weltweit­                   um diesen dringlichen Fragen nachzugehen. Beim WWF
                                    verbleibenden Biodiversität in von indigenen Gruppen bewohn-              in Ecuador unterstützten wir indigene Beiträge zum UN REDD +
                                    ten Gebieten! Nur sie verfügen über traditionelles Wissen, das            Rahmenwerk zur Emissionsreduzierung. Mit der GIZ ent­
                                    für Klima- und Naturschutz von größter Relevanz ist. Dennoch              wickelte ich ein partizipatives Umweltschutzprojekt in den
                                    bleiben die elementaren Grundrechte und das kulturelle Über­              ­Anden. Die weltweit größte Indigenenkonferenz bei den
                                    leben Indigener stark bedroht. Beispielsweise liegt ihre Lebens-          ­Vereinten Nationen in New York und die UN Konvention zur
                                    erwartung durchschnittlich 20 Jahre unter der ihrer Mitmen-               ­bio­logischen Vielfalt ermöglichten es mir, lokale Erfahrungen
                                    schen. Vielerorts sind sie Diskriminierungen ausgesetzt und ihre          in i­ nternationale Politikprozesse einzuspeisen.
                                    Sprachen sterben rapide aus.
                                                                                                              Was bleibt – außer lebendigen Erinnerungen an ein bereichern-
                                                                                                              des und bewegtes Jahr? Indigene dürfen nicht als schutz­lose
                                                                                                              ­Opfer, sondern müssen als wichtige Akteur*innen in Umwelt- und
               Johannes Christian Haas arbeitet an der Schnittstelle von nachhaltiger Entwicklung und         ­Klimavorhaben verstanden werden. Nur wirklich gleichberech­
             ­globalem Umweltschutz. Vor dem Mercator Kolleg war er bei der Gesellschaft für Internationale   tigte Partnerschaft auf Augenhöhe kann bestehende Margina­
    ­Zusammenarbeit (GIZ ) in Äthiopien, der Friedrich-Ebert-Stiftung in Pakistan und als Consultant bei
                                                                                                              lisierungen aufbrechen. Dann mag es gelingen, das große
    ­joyn-coop in München tätig. Zudem forschte er mit dem Center for International Forestry (CIFOR ) und
                                                                                                              ­Potenzial Indigener zu nutzen und ihnen zugleich eine Chance
    dem WWF zu marktbasiertem Naturschutz in Vietnam. Johannes erwarb seinen MS c in Natural Resource
                                                                                                              zur eigenständigen Verbesserung ihrer Lebensrealität zu bieten.
    ­Management sowie einen BA in Politikwissenschaften & Geographie nach Studien an der Technischen
    ­Universität München, in Bremen und im norwegischen Bergen. johanneschristianhaas@gmx.de

                                                               Die Zukunft
                                                               vieler ­indigener
                                                               Gruppen bleibt
                                                               ungewiss – nicht
                                                               nur im tropischen
                                                               Regenwald

                                                                                                                                                                10
                                                                                                                                                             Jahre
Lucie Haupenthal
EU-NATO Kooperation
am Beispiel der Sicherheit
im Mittelmeer                                                                                                                                                       HQ DSACT in Norfolk
                                                                                                                                                                    auf der größten
                                                                                                                                                                    Marinebasis der Welt

Belgien: Brüssel Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU
                                                                                                                                                                    Foto: NATO

USA : Norfolk NATO Allied Command Transformation, Norfolk
Tunesien: Tunis International Centre for Migration Policy Development

                                    Menschen- und Waffenschmuggel, Terrorismus und fragile                          Bei der NATO wurden diese Herausforderungen im Arbeitsalltag
                                    ­Staatensysteme – sowohl die EU als auch die NATO sind in der                   greifbar. Wie können Sicherheitslagen gemeinsam eingeschätzt
                                    Mittelmeerregion aktiv, um diesen Herausforderungen zu                          werden und überlappende Mandate und Einsätze effizient ge-
                                    ­begegnen. Eine effektive EU -NATO Kooperation stellt demnach                   plant werden, wenn eingestufte Informationen mit Counterparts
                                    eine zentrale Bedingung für die Stabilisierung der europäischen                 nicht ausgetauscht werden können? Die Zusammenarbeit mit
                                    Nachbarschaft dar. Die Weiterentwicklung der EU -NATO Koo­                      der EU wird daher als mühsam angesehen und es fehlt im Alltag
                                    peration gestaltet sich jedoch trotz einer Reihe von politischen                oft an Ressourcen, um an kreativen Lösungen zu arbeiten, die
                                    Absichtserklärungen schwierig, da die Türkei als NATO-Mitglied                  die Kooperation in gewissen Bereichen trotz der politischen
                                    und Zypern als EU -Mitglied wechselseitig eine engere Zusam-                    Blockade ermöglichen.
                                    menarbeit verhindern.
                                                                                                                    Eine Möglichkeit für eine tiefergehende EU -NATO Kooperation
                                    Während meiner Zeit in Brüssel stand die EU -NATO Kooperation                   könnte Libyen darstellen – allerdings nur, wenn die Mitglieds-
                                    wiederholt auf der Tagesordnung des Politischen und Sicher-                     staaten in der Zusammenarbeit über politische Absichts­
                                    heitspolitischen Komitees. Bei diesen Gelegenheiten wurde die                   erklärungen hinausgehen wollen und sich auf eine gemeinsame
                                    Wichtigkeit von Fortschritten bei der Vertiefung der »strate­                   Linie einigen können. Während zum Beispiel ICMPD in einem
                                    gischen Partnerschaft« von mehreren Mitgliedsstaaten unter­                     EU -finanzierten Projekt mit der von der UN anerkannten Regie-
                                    strichen. Jedoch wurden in diesem Rahmen aus Rücksichtnahme                     rung und NGO s am Aufbau von zivilen Strukturen im Bereich
                                    auf politische Sensitivitäten nie die Herausforderungen bei                     Migrationsmanagement in Libyen arbeitet, könnte die NATO ein
                                    der Zusammenarbeit thematisiert.                                                wertvoller Partner für nötige Militärreformen darstellen.

               Lucie Haupenthal sammelte bereits vor dem Mercator Kolleg erste Arbeitserfahrungen bei
             der EU Delegation in Washington D.C. , der Deutschen Botschaft in Budapest, beim Deutschen Institut
    für Entwicklungspolitik und bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie erwarb ihren Bachelorabschluss der Politik-
    und Verwaltungswissenschaften in Konstanz und Stockholm und spezialisierte sich während des inter­
    nationalen »Euromasters«-Programms in Bath, Chapel Hill und Berlin auf transatlantische Sicherheitspolitik.
    lucie.haupenthal@mercator-fellows.org

                                                                       Workshop zu
                                                                       Migration und Asyl
                                                                       mit Vertreter*innen
                                                                       der libyschen
                                                                       Zivilgesellschaft
                                                                       Foto: ICMPD

                                                                                                                                                                  10
                                                                                                                                                               Jahre
Sebastian Heinz
Ökologisch verträglich
und inklusiv?
                                                                                                                                                   Wie kann sich der Agrarsektor Bangladeschs
                                                                                                                                                   auf den Klimawandel einstellen? Eine Aus­weitung
                                                                                                                                                   der Fischzucht könnte dabei helfen, sowohl
                                                                                                                                                   die Proteinversorgung der Bevölkerung zu ver­
                                                                                                                                                   bessern als auch die CO2-Emissionen aus der

Die nachhaltige Intensivierung der                                                                                                                 Landwirtschaft zu senken. Foto: Fahim Hasan /
                                                                                                                                                   Unsplash

Nahrungsproduktion als Instrument
für mehr Nahrungssicherheit und
wirtschaftliche Entwicklung
Singapur Grow Asia
USA: Washington, D.C. Weltbank
VR China: Peking Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ( GIZ )

                                    Eine riesige Herausforderung für die Menschheit liegt darin,                   Während des Kollegjahres habe ich mich hauptsächlich
                                    ­genug Nahrung für die wachsende Weltbevölkerung zu erzeugen.                  mit dem von internationalen Organisationen zunehmend
                                    Eine umweltfreundliche Intensivierung der Produktion von                       ­geförderten Ansatz der »klimaintelligenten Landwirtschaft«
                                    ­Nahrungsmitteln kann einen wertvollen Beitrag zur Armuts­                     ­beschäftigt. Dieser zielt darauf ab, mithilfe des Einsatzes
                                    bekämpfung leisten, da mehr als die Hälfte der globalen Armen                  von neuen Technologien Produktionssteigerungen und Klima-
                                    in der Landwirtschaft tätig ist. Anders als in der Vergangenheit               schutz miteinander zu verbinden.
                                    muss dabei jedoch unbedingt eine Produktivitätssteigerung
                                    auf Kosten von Klima und Ökosystemen vermieden werden.                         In Singapur habe ich bei der NGO Grow Asia untersucht, wie
                                    Von entscheidender Bedeutung ist gleichzeitig die Anpassung                    in Südostasien Kleinbäuer*innen durch Partnerschaften zwischen
                                    des Sektors an den Klimawandel – in Teilen Asiens und Afrikas                  ­Privatsektor, Regierungen und Zivilgesellschaft besseren Zugang
                                    beeinträchtigen zunehmende Wetterextreme schon heute                           zu modernen Technologien und agronomischen Kenntnissen
                                    die Ernten von wichtigen Agrargütern wie Weizen und Mais.                      ­gewinnen können. Dazu habe ich Vertreter*innen von Agrarkon-
                                                                                                                   zernen und NGO s interviewt. Bei der Weltbank habe ich an einem
                                                                                                                   landwirtschaftlichen Investitionsplan für Bangladesch gearbei-
                                                                                                                   tet und ein Modell mitentwickelt, das es lokalen Entscheidungs-
               Sebastian Heinz schloss sein Bachelorstudium der Politik- und Verwaltungswissenschaften
                                                                                                                   träger*innen ermöglicht, Auswirkungen von verschiedenen
             an der Universität Konstanz ab. Auslandsaufenthalte führten ihn unter anderem in das im Südpazifik
                                                                                                                   ­Produktions- und Klimaszenarien auf die mittelfristige Nahrungs-
    gelegene Neukaledonien sowie nach Nanjing und Hangzhou. Seinen Master in nachhaltigen Ressourcen­
                                                                                                                   sicherheit des Landes abzuschätzen. Für die GIZ habe ich in
    wissenschaften absolvierte er an der TU München. Erste Arbeitserfahrungen sammelte er bei der Konrad-­
    Adenauer-Stiftung in Peking, in der Klimaabteilung der Allianz sowie bei der NGO Future Earth in Paris. Nach   ­Peking eine Kurzstudie zur aktuellen Biodiversitätspolitik Chinas
    dem Mercator Kolleg wird Sebastian das Climate Smart Agriculture-Team der Weltbank unterstützen.               im Hinblick auf den UN-Biodiversitätsgipfel 2020 verfasst.
    sebastian.raphael.heinz@gmail.com
                                                                                                                   Eine wiederkehrende Erkenntnis während meiner Stationen war,
                                                                                                                   dass bei der Zusammenarbeit mit Regierungen das Aushalten
                                                                                                                   weltanschaulicher Differenzen häufig notwendig ist, um kons­
                                                                                                                   truktiv auf gemeinsame Projektziele hinarbeiten zu können.

                                                                       Egal ob Klima- oder
                                                                       Biodiversitätsschutz –
                                                                       nur mit China ist
                                                                       die Bewältigung dieser
                                                                       globalen Heraus-

                                                                                                                                                                       10
                                                                       forderungen möglich.
                                                                       Foto: Hanson Lu /
                                                                       Unsplash

                                                                                                                                                                    Jahre
Mirko Hohmann
Städte als Treiber sozialer
und öffentlicher Innovation
                                                                                                                                                              Der Gebäudekomplex Ruta N in Medellín.

Innovationslabore im
internationalen Vergleich
Deutschland: Berlin PUBLIC , Berlin, Deutschland
Medellín: Kolumbien Ruta N / Laboratorio de Innovación, Medellín, Kolumbien
Deutschland: Berlin City LAB , Berlin, Deutschland

                                          In Medellín geht neuerdings ein Algorithmus auf Steuerfandung.                       wo und wie, sie verfolgen ähnliche Ziele, allen voran die
                                          Der Bot des lokalen Finanzamts durchkämmt Angebote auf                               ­Förderung eines innovativen Umfelds im öffentlichen Dienst
                                          ­Instagram und überprüft, ob deren Verkäufer*innen gewerblich                        und die Einbindung der Bürger*innen.
                                          registriert sind. So durchsucht er 50 Profile pro Stunde, Über-
                                          stunden machen ihm nichts aus. Bis letztes Jahr erledigte ein                        Leider ist nicht alles Gold, was glänzt. Viele Projekte werden
                                          Mitarbeiter den mühsamen Job. Er kann sich nun darauf konzen-                        ­kurzfristig gefördert und nicht ausreichend in der Verwaltung
                                          trieren, die Anbieter*innen zu kontaktieren und ihnen bei der                        verankert. Oft fehlt das Geld, um mehrere Piloten zu testen,
                                          ­Legalisierung des Geschäfts helfen.                                                 so dass nur erfolgreiche Projekte skaliert werden. Zudem drehen
                                                                                                                               sich die Mühlen der Bürokratie langsam und am Ende wird oft
                                          Dies ist nur eine von vielen Ideen, mit denen ich im letzten                         fortgesetzt, was schon immer irgendwie funktionierte.
                                          Jahr in Kontakt kam. Die Projekte haben gemein, dass sie durch
                                          so­genannte Innovationslabore auf städtischer Ebene gestartet                        Vor allem auf städtischer Ebene leisten viele Labore trotzdem
                                          wurden. Weltweit wurden in den letzten Jahren Hunderte solcher                       ­einen wichtigen Beitrag. Eingebettet in das Thema Open
                                          Labs errichtet – teilweise direkt in der Verwaltung, oft als externe                 ­Government mit den Prinzipien Transparenz, Kollaboration und
                                          Projektpartner, mal auf lokaler, mal auf föderaler Ebene. Egal                       Teilhabe öffnen sie die Arbeit des öffentlichen Dienstes gegen-
                                                                                                                               über externen Anspruchsgruppen. Sie binden Bürger*innen in
                                                                                                                               Entscheidungen ein und schaffen wertvolle Netzwerke. In Berlin
                                                                                                                               versucht das seit Kurzem das City LAB , das man auf dem Flug­
                 Mirko Hohmann arbeitete in seinem Kollegjahr an Fragen der sozialen und öffentlichen                          hafen Tempelhof besuchen kann.
               ­Innovation auf Stadtebene. Er ist Non-Resident Fellow am Global Public Policy Institute,
    wo er z­ uvor die Arbeit im Bereich Daten- und Technologiepolitik leitete. Zudem war er Gastdozent an
    der Hertie School of Governance, Visiting Fellow am German Marshall Fund und absolvierte Praktika
    im ­Deutschen Bundestag und bei der Boston Consulting Group. Er veröffentliche Artikel u. a. bei
    Foreign Affairs, Politico Europe und im Handelsblatt. Mirko studierte Public Policy und Internationale
    ­Beziehungen in Berlin, St. Gallen, Austin und Dunedin. mirko.hohmann@mailbox.org

    Die Eröffnung des City LAB s Berlin                              Für manche Politiker muss Digitalisierung greifbar sein

                                                                                                                                                                                 10
                                                                                                                                                                              Jahre
Jennifer Lehnen
Wie können die Potenziale
der Migration für Entwicklung                                                                                                                                     Aït-Ben-Haddou,

gefördert werden?
                                                                                                                                                                  Marokko

Ansätze für eine nachhaltige
entwicklungsorientierte Rückkehr
und Reintegration
Marokko: Rabat Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ( GIZ )
Ecuador: Quito Ecuadorianisches Außenministerium
Deutschland: Berlin Bundesministerium des Innern
Brasilien: Recife Caritas Schweiz

                                    Wie können bestehende Ansätze für eine entwicklungs­                     in Marrakesch teilzunehmen. Das führte mich zu meiner zweiten
                                    orientierte Rückkehr und Reintegration verbessert und erweitert          Station nach Quito ins ecuadorianische Außenministerium, das
                                    werden, um die Potenziale von Migration für Entwicklung                  ich zu seiner Präsidentschaft ebendieser Konferenz im Jahr 2019
                                    ­optimal zu fördern und die Risiken zu mindern? Welche Erfolgs-          beriet. Ich schaute mir die Thematik Migration und Entwicklung
                                    faktoren gibt es? Welche Bedarfe gibt es unter Migrant*innen?            aus der globalen Perspektive an und brachte verschiedene Ak-
                                                                                                             teur*innen mit dem ecuadorianischen Außenministerium zusam-
                                    Bei der GIZ in Rabat lernte ich die Arbeit der Rückkehr- und             men, um den Zusammenhang von Migration und Entwicklung
                                    ­Reintegrationsberatung in einem Herkunftsland kennen.                   auf s­ trategischer und konzeptioneller Ebene weiterzuentwickeln.
                                    Die Kolleg*innen beraten Rückkehrer*innen nach ihrer Ankunft
                                    zu potenziellen Jobangeboten und vermitteln ihnen Weiter­                Auch die deutsche Bundesregierung zeigt aufgrund der aktuellen
                                    bildungen, z. B. zur Gründung eines eigenen Unternehmens.                politischen Situation großes Interesse an einem Ausbau seiner
                                                                                                             Rückkehrprogramme. In meiner dritten Stage beim Bundes­
                                    Während meiner Zeit in Marokko bekam ich die Möglichkeit,                ministerium des Innern konnte ich, basierend auf den erworbenen
                                    am Global Forum on Migration and Development, einer der                  Kenntnissen während meiner vorherigen Stationen, aktiv an
                                    ­größten und wichtigsten Konferenzen im Bereich der Migration,           ­Lösungsansätzen mitarbeiten, die eine kohärente Migrations­
                                                                                                             politik fördern und langfristig eine nachhaltige und humane
                                                                                                             Rückkehr- und Reintegrationspolitik in Deutschland gewährleis-
                                                                                                             ten. Des Weiteren bekam ich Einblicke in die politische Steue-
               Jennifer Lehnen beschäftigte sich während des Kollegjahres mit Instrumenten zur
                                                                                                             rung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration.
             ­Unterstützung von rückkehrenden Migrant*innen. Arbeitserfahrungen im Bereich von Flucht
    und Migration sammelte sie unter anderem beim UNHCR in Bogotá und bei der GIZ in Eschborn.
    Zuletzt arbeitete sie als Projektmanagerin in der Gründungsberatung für rückkehrende Migrant*innen.      Am Ende meines Kollegjahres zog es mich nochmal in ein
    Jennifer spezialisierte sich während ihres Masters in Public Policy and Human Development an der         ­operatives Projekt der Caritas Schweiz in Recife, Brasilien, wo ich
    United Nations University-Merit in Maastricht auf Migration Studies. Ihren Bachelorabschluss in Inter­   ein Vorhaben zur Integration der venezolanischen Migrant*innen
    national Relations and Management erwarb sie in Regensburg und Buenos Aires.                             kennenlernte und unterstützte.
    j.lehnen@alumni.maastrichtuniversity.nl

                                                                                                                                                            10
                                                                                                                                                         Jahre
Maja Leo
Von der Kunst
miteinander zu reden                                                                                                                                              Theaterworkshop mit
                                                                                                                                                                  Jugendlichen im Libanon

Theater-basierte Dialogformate
in Prozessen der Konflikttransformation
Libanon: Beirut United Nations Development Programme ( UNDP )
Libanon: Beirut Ziviler Friedensdienst der Gesellschaft
für internationale Zusammenarbeit ( GIZ )
Kambodscha: Phnom Penh Ziviler Friedensdienst der GIZ

                                    Kunst und Kultur prägen das Miteinander und dienen als                           ­relevanten gesellschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen.
                                    Spiegel gesellschaftlicher Normen, fordern diese aber auch                       ­Dabei wird dazu eingeladen, das Gegenüber nicht als Träger*in
                                    ­heraus. Kunst- und im besonderen Theaterräume können                            einer gewissen Ideologie zu sehen, zwischenmenschliche
                                    zu Freiräumen werden, in denen gesellschaftliche Normen                          ­Beziehungen werden gestärkt und Verbindungen über trennen-
                                    ­vorübergehend außer Kraft gesetzt oder neu verhandelt werden.                   de Konfliktlinien hinweg etabliert.
                                    In Theaterprojekten können Menschen es sich erlauben,
                                    ­spielerisch Perspektivwechsel zu vollziehen, testhalber andere                  In dem Projekt »Our Story«, das vom Zivilen Friedensdienst der
                                    Rollen einzunehmen und sich in Empathie für das Gegenüber                        GIZ in Kooperation mit der NGO Youth Network for Civic Activism
                                    zu üben. In der Konfliktbearbeitung kann das von großem                          im Südlibanon umgesetzt wird, kommen junge Menschen unter-
                                    ­Vorteil sein, um Menschen in ergebnisoffene Gesprächssituationen                schiedlicher Hintergründe und Religionen zusammen. Gemein-
                                    zu bringen. Mit Methoden des Theaters kann hier ein Raum                         sam identifizieren sie Fragen und Themen, die sie alle beschäf­
                                    ­geschaffen werden, an dem Menschen verschiedener Hinter-                        tigen, unabhängig von ihrer Herkunft. Zusammen entwickeln sie
                                    gründe zusammentreffen, um sich gegenseitig kennenzulernen,                      mit theatralen und filmischen Mitteln eine Geschichte, die nicht
                                    Vertrauen aufzubauen und sich in geschütztem Rahmen mit                          widerspruchslos ist, aber in ihren diversen Facetten doch eine
                                                                                                                     gemeinsame Erzählung bildet.

                                                                                                                     Einiges von dem, was in dem geschützten Rahmen des Theaters
               Maja Leo ist Theaterregisseurin und beschäftigte sich bereits vor dem Mercator Kolleg                 erfahren wird, kann später in Konfliktkontexte übertragen
             mit der Rolle von Kunst und Theater in Prozessen der Konflikttransformation. Arbeitserfahrung           ­werden: Neue Perspektiven und Handlungsoptionen, konstruk­
    sammelte sie unter anderem bei Artas Foundation, der Schweizer Stiftung für Kunst in Konfliktregionen,           tiver Umgang mit Konflikten, respektvoller Umgang miteinander.
    für die sie im Südkaukasus tätig war. Sie ist Mitbegründerin des international erfolgreichen Theaterkollektivs
                                                                                                                     ­Kleine Schritte, um gesellschaftliche Konflikte nachhaltig zu
    Neue Dringlichkeit. Maja Leo studierte Theaterregie in Zürich und Buenos Aires sowie Bildende Kunst in
                                                                                                                     transformieren.
    ­Zürich und Hamburg. maja.leo@mercator-fellows.org

                                                           Perspektivwechsel
                                                           auf das Shatila
                                                           Flüchtlingscamp,
                                                           Libanon
                                                           Künstler*in
                                                           unbekannt

                                                                                                                                                                   10
                                                                                                                                                                Jahre
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