Das Erfolgsdilemma Zukunft In Deutschland mangelt es an Gründern, die bis zur Weltspitze vordringen. Den meisten - Mackevision

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Das Erfolgsdilemma Zukunft In Deutschland mangelt es an Gründern, die bis zur Weltspitze vordringen. Den meisten - Mackevision
Champions von morgen – eine Bilanz. Neue Technolo-                                men vorgestellt, die das Zeug haben, in der Wirtschaft
gien krempeln ganze Branchen um. Der SPIEGEL hat von                              von morgen eine große Rolle zu spielen. Nun fragen wir:
März 2016 bis Juli 2017 in loser Folge deutsche Unterneh-                         Wer hat durchgehalten – und warum?

                          Das Erfolgsdilemma
  Zukunft In Deutschland mangelt es an Gründern, die bis zur Weltspitze vordringen. Den meisten
       geht allein die Puste aus – nur wenige bleiben auf ihrem Weg. Was unterscheidet sie?

J
       eans, schwarzes T-Shirt, Lederjacke:     über die gleiche Technologie zu verfügen            war, beteiligte er 2014 den Finanzinvestor
       Chris Boos trägt, was er immer trägt,    wie die globalen Internetkonzerne.                  KKR mit 50 Millionen Dollar an dem Un-
       er hat sich nicht verkleidet, nur weil      An Selbstbewusstsein fehlt es nicht,             ternehmen. Jetzt steht eine neue Finanzie-
       er einen Termin im Kanzleramt hat.       Boos glaubt, der Konkurrenz weit voraus             rungsrunde für die weitere Expansion an.
Dort tagt der Digitalrat, den Angela Mer-       zu sein. »Wir stehen ziemlich allein                Offenbar hat der weltweit größte Tech-
kel ins Leben gerufen hat: Zehn Experten        da«, sagt er über seine Firma Arago und             fonds vorgefühlt, der Vision Fund des ja-
sollen der Regierung helfen, die Digitali-      ihre Software HIRO. Was ihm für seine               panischen Konzerns Softbank, doch Boos
sierung des Landes voranzutreiben.              KI-Plattform-Vision fehlt, ist Geld, viel           hat andere Pläne.
   Boos ist einer von ihnen – eine bemer-       Geld.                                                  Arago soll in der künstlichen Intelligenz
kenswerte Karriere für einen fast blinden          Jahrelang hat Boos das Kapital, das              ein führendes Unternehmen werden, welt-
Nerd, den vor drei, vier Jahren nur ein         er für seine Innovationen brauchte, als             weit operierend, aber mit Sitz in Deutsch-
paar Insider kannten. Bis dahin hatte           Dienstleister für andere Unternehmen ver-           land. Deshalb hat der Gründer eine, wie
er, von der Öffentlichkeit weitgehend           dient, so konnte er seine Software in                            er sagt, »total beknackte Idee«:
unbemerkt, sein Unternehmen Arago               Ruhe entwickeln. Als sie marktreif                                   Er sucht nach europäischen
(SPIEGEL 35/2016) aufgebaut,                                                                    1995 gegründet         Investoren. Und fügt hin-
es soll Unternehmen helfen,                                                              Sitz: Frankfurt am Main         zu: »Wenn’s keiner pro-
ihre Geschäftsprozesse mithilfe                                                                                            biert, wird’s nie ge-
künstlicher Intelligenz (KI) zu                                                                                            macht.« Dann wan-
automatisieren.                                                                                                            dert die Kontrolle
   Auch KI war lange nur ein                                                                                               über hoffnungsvolle
Thema für Insider. Das änderte                                                                                             Zukunftsunternehmen
sich, als die chinesische Regie-                                                        Gründer: Hans-Christian Boos      wie Arago ins Ausland.
rung ankündigte, zur führenden                                                                    rund 200              Und mit ihr gehen
KI-Nation der Welt aufsteigen                                                                     Mitarbeiter         Arbeitsplätze, Wertschöp-
zu wollen, und dafür einen drei-                                                                                   fung und auch Know-how.
stelligen Milliardenbetrag ein-                                                                                    Deutschland braucht solche
plante. Da erkannten viele, wel-                                                                                ehrgeizigen Gründer, die groß
ches Potenzial in dieser Technik                                                                                denken, und junge Firmen, die
steckt – und welche Gefahren                                                                                    in der digitalen Zukunft eine be-
heute noch führenden Wirt-                                                                                      deutende Rolle spielen können.
schaftsstandorten drohen kön-                                                                                   Denn die heimische Wirtschaft
nen, die diese Umwälzung ver-                                                                                   wird noch immer von Unter-
schlafen.                                                                                                       nehmen beherrscht, die zu Be-
   Deutschland hat erheblichen                                                                                  ginn des Industriezeitalters ge-
Nachholbedarf. Es gibt zwar                                                                                     gründet wurden, und sie lebt
viele hervorragende KI-For-                                                                                     von Produkten, die man vor
scher im Land, aber nur wenige                                                                                  Jahrzehnten erfunden hat.
Gründer, die daraus ein erfolg-                                                                                    Der SPIEGEL hat nach
reiches Geschäftsmodell ent-                                                                                    Champions von morgen ge-
                                                                                                           MATTHIAS FERDINAND DÖRING / SZ PHOTO

wickeln.                                                                                                        sucht, und etliche von ihnen
   Boos ist die Ausnahme, und                                                                                   2016 und 2017 in loser Folge
er weiß die Popularität, die ihm                                                                                porträtiert: Unternehmen wie
das einbringt, zu nutzen. Wie                                                                                   Arago und Teamviewer, Relayr
ein Missionar zieht er durchs                                                                                   und Mackevision, Curevac und
Land, um für KI zu werben –                                                                                     Biontech, um nur einige zu nen-
und für seine Idee, eine Platt-                                                                                 nen. Unternehmen, die sich mit
form zu schaffen, die alle                                                                                      Daten, Algorithmen und 3-D-
Unternehmen nutzen können.                                                                                      Animation beschäftigen – oder
Eine Plattform, die ihnen hilft,         Arago-CEO Boos: »Wenn’s keiner probiert, wird’s nie gemacht«           den Krebs besiegen wollen.

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Das Erfolgsdilemma Zukunft In Deutschland mangelt es an Gründern, die bis zur Weltspitze vordringen. Den meisten - Mackevision
Wirtschaft

   Nun ist es Zeit für eine erste                                                           1994 gegründet            Börsengang und davon,
Bilanz. Wie haben sich diese                                                                Sitz: Stuttgart             dass seine Company
Unternehmen entwickelt? Sind                                                                                             gar zum Einhorn auf-
sie wirklich auf dem Weg, globa-                                                                                         steigen könnte. Als
le Champions zu werden – Welt-                                                                                            Unicorns werden in
marktführer einer neuen Gene-                                                                                            den USA Start-ups
ration, die dem Standort treu                                                                                            bezeichnet, die min-
bleiben? Ermöglichen dessen                                                             verkauft an Accenture           destens eine Milliarde
aktuelle Rahmenbedingungen                                                                   mehr als 600              Dollar wert sind.
überhaupt globale Wachstums-                                                                   Mitarbeiter             Heute klingt er nüchter-
geschichten? Und, falls nicht,                                                                                   ner. Blue Yonder habe der
was bedeutet das alles für die Zu-                                                                           Zugang zu einer großen Zahl
kunftsfähigkeit der deutschen                                                                                Kunden im Ausland, vor allem
Wirtschaft?                                                                                                  in den USA, gefehlt, sagt Weiss.
   Um es vorwegzunehmen:                                                                                     In Europa sei die Nachfrage
Die Bilanz fällt gemischt aus.                                                                               nach KI-Anwendungen noch
Ja, es gibt sie, die jungen Unter-                                                                           klein, außerdem sei der euro-
nehmer, die Chancen haben                                                                                    päische Markt zersplittert, die
und den Mut, diese zu nutzen.                                                                                Sprachgrenzen seien problema-
Es scheint aber eindeutige Gren-                                                                             tisch – und all die rechtlichen
zen des Wachstums zu geben,                                                                                  Unterschiede. Es sei deshalb
denn eines fällt auf: Viele haben                                                                            notwendig, sich schnell auf
ihr Unternehmen inzwischen                                                                                   dem amerikanischen Markt
verkauft, sind bei globalen                                                                                  durchzusetzen. Und dafür er-
Konzernen untergeschlüpft –                                                                                  schien ihm der Käufer JDA die
aus durchaus nachvollziehba-                                                                                 richtige Wahl.
ren Gründen.                                                                                                    Einen Partner mit globaler
   Es ist ein gängiges Klischee,                                                                             Reichweite, das war es auch,
dass deutsche Gründer sich zu                                                                                wonach Armin Pohl und seine

                                                                                                          SVEN CICHOWICZ
schnell mit dem Erreichten zu-                                                                               Mitgesellschafter suchten, als
friedengäben. Dass sie bei der                                                                               sie entschieden, Mackevision
ersten Gelegenheit Kasse mach-                                                                               (SPIEGEL 41/2016) zu verkaufen.
ten. Dass ihnen jener Ehrgeiz                                                                                Der gelernte Grafiker hatte früh
fehle, der Silicon-Valley-Größen          Mackevision-Chef Pohl: »Einer von 450 000 Angestellten«            erkannt, wie grundlegend die Di-
wie Mark Zuckerberg auszeich-                                                                                gitalisierung seine Branche ver-
net. Der lehnte in seinen jungen                                                                             ändern würde, und sein Unter-
Jahren sogar Milliardenofferten für sein       Digitalkonferenz im eigenen Ministerium.           nehmen auf computererzeugte Bilderwel-
soziales Netzwerk Facebook ab, weil er         Dafür brauche es eine aktive Industrie-            ten spezialisiert. Bekannt wurde es durch
Größeres im Sinn hatte und das auch für        politik, er werbe gerade für eine gemein-          die Animationen für die Fantasyserie
erreichbar hielt – aus eigener Kraft.          same europäische Anstrengung, »einen              »Game of Thrones«, das Gros des Umsat-
   Die Wirklichkeit, das zeigt das Beispiel    Airbus der KI«, und bekomme bisher »ein            zes erwirtschafteten Pohl und seine 600
der Champions von morgen, ist kompli-          gutes Echo«.                                       Mitarbeiter indes mit Kunden aus der
zierter. Innovative Produkte, Ehrgeiz und         Es lag allerdings nicht am Geld allein,         Automobilindustrie wie Daimler und Por-
Mut reichen nicht aus, um den Weltmarkt        dass Champions von morgen wie Blue                 sche. Für sie erschafft Mackevision aus Da-
zu erobern. Was im Zeitalter der Digitali-     Yonder aus Karlsruhe, Mackevision aus              tensätzen detailgenaue Visualisierungen
sierung zählt, ist Geschwindigkeit, die Fä-    Stuttgart und Relayr aus Berlin jetzt nicht        von Produkten.
higkeit, viele Märkte gleichzeitig aufzurol-   mehr aus eigener Kraft den Weltmarkt er-              Die Nachfrage nach solchen perfekt
len, Marktanteile zu erobern und große         obern wollen – in vielen Fällen anders, als        aussehenden und ausgeleuchteten »digi-
Auftragsvolumen stemmen zu können –            es ursprünglich geplant war.                       talen Zwillingen« aus dem Rechner ist
bevor die Internetkonzerne sich darauf            Blue Yonder (SPIEGEL 18/2016) gehört            immens. Sie lassen sich immer wieder
stürzen. Das ist von Deutschland aus           seit Juli komplett dem amerikanischen              nutzen und in alle denkbaren Umgebun-
schwierig, und es ist teuer.                   Softwarekonzern JDA. »Es war kein Not-             gen, etwa in Werbefilme, einpflanzen.
   Das hat inzwischen auch die Bundes-         verkauf«, sagt Unternehmenschef Uwe                Global agierende Einzelhandelsketten
regierung erkannt. Es gebe in Deutschland      Weiss. »Wir hätten auch alles so lassen kön-       müssen ihre Produkte nicht mehr für
durchaus eine innovative und erfolgreiche      nen, denn wir waren voll finanziert von            jeden Markt aufwendig neu fotografieren
Start-up-Landschaft, erklärte Wirtschafts-     unseren Anteilseignern, der Otto Group             lassen, sondern nur noch digital die
minister Peter Altmaier (CDU) Anfang           und Private-Equity-Investoren.«                    Etiketten in der jeweiligen Sprache ein-
Dezember auf dem Digitalgipfel der Bun-           Blue Yonder hat einen lernenden Algo-           fügen.
desregierung, aber wenn die Firmen             rithmus entwickelt, der aus riesigen Daten-           Was noch vor wenigen Jahren aussah
erwachsener würden, global skalieren           strömen Prognosen ableitet, zum Beispiel           wie eine Nische, ist plötzlich die Zukunft.
wollten und dafür mindestens zweistellige      über das Kaufverhalten von Kunden. Als            »Alle versuchen, ihre Kundenbeziehungen
Millionensummen benötigten, würde es           der SPIEGEL 2016 diesen Champion von               zu digitalisieren, alle möchten am liebsten
hierzulande immer noch eng.                    morgen vorstellte, sah Geschäftsführer             direkt und online verkaufen«, sagt Pohl
   Um bei der künstlichen Intelligenz mit      Weiss das Start-up auf Augenhöhe mit den           heute. Wettbewerber von Mackevision
China und den USA mitzuspielen, reiche         führenden US-Unternehmen. »Wir stehen              wie 3DExcite aus München wurden be-
auch das nicht aus, betonte der Wirt-          im direkten Wettbewerb mit dem Silicon             reits Anfang 2014 vom französischen Mil-
schaftsminister erst diese Woche bei einer     Valley«, sagte er. Er träumte von einem            liardenkonzern Dassault Systèmes über-

DER SPIEGEL Nr. 5 / 26. 1. 2019                                                                                                            73
Das Erfolgsdilemma Zukunft In Deutschland mangelt es an Gründern, die bis zur Weltspitze vordringen. Den meisten - Mackevision
Wirtschaft

nommen – und wuchsen in der Folge er-               chenpartner und Experten abgeraten:             von Vermessungsequipment ein. Allian-
heblich schneller.                                 »Zu teuer, zu kompliziert.« Die Gesell-          zen mit den wichtigsten Softwareanbie-
   Anfang vergangenen Jahres zogen Pohl             schafter entschieden sich schließlich für       tern sollen das weitere Wachstum voran-
und seine Mitgesellschafter die Konse-              den Verkauf an den weltgrößten Rückver-         treiben, eine neue Finanzierungsrunde
quenzen: Der global agierende Beratungs-            sicherer, Munich Re, der über seine US-         brachte mit 35,5 Millionen Dollar das da-
und IT-Dienstleister Accenture, Jahresum-           Tochter Hartford Steam Boiler bereits in        für notwendige Kapital.
satz 35 Milliarden Dollar, übernahm Ma-             Relayr investiert war.                              Noch haben die Gründer die Mehrheit,
ckevision zu 100 Prozent. Nun sei er selbst            Relayr habe nun einen deutlich weiteren      aber das muss nicht so bleiben. Sie wollen
»einer von 450 000 Angestellten weltweit«           Planungshorizont und werde »unter dem           lieber schnell wachsen, um den Markt zu
und müsse vielleicht »einige Genehmigun-            Dach der Munich-Re-Familie weiter wach-         besetzen. »Noch sind wir relativ konkur-
gen mehr einholen«, kokettiert Pohl. Doch           sen«, sagt Brunner, der wie Armin Pohl          renzlos«, sagt Reinshagen. Er sei »sicher,
die Allianz sei strategisch sinnvoll: »Mein         von Mackevision betont, dass die eigene         dass unser Angebot eine große Rolle auf
größter Markt sind jetzt Accenture und              Marke und die Unternehmensstruktur er-          dem Weltmarkt spielen wird«.
dessen Kunden, zu denen fast alle Konzer-           halten blieben, es werde lediglich einen            Dass Google versuchen könnte, auch
ne der Fortune-Liste gehören.« Die Marke            neuen, unabhängigen Aufsichtsrat geben.         diesen Markt zu erobern, hält er für un-
Mackevision bleibe erhalten, eine weitge-              Es gibt aber auch Unternehmer, die an-       wahrscheinlich. »Gebäude sind privat«,
hende Unabhängigkeit auch, und er selbst            ders entscheiden, die versuchen, es allein      sagt Reinshagen. »Wir sammeln die Daten
habe vertragliche Anreize, mindestens               zu schaffen. Felix Reinshagen und seine         nicht ein, um sie zu vermarkten. Wir ver-
fünf Jahre zu bleiben.                              drei Mitgründer gehören dazu. Ihr Unter-        wahren sie für unsere Kunden, die können
   An mangelndem Erfolg lag es jedenfalls           nehmen NavVis (SPIEGEL 5/2017) hat ein          unsere Technik eigenständig nutzen.«
nicht, dass Blue Yonder und Mackevision             Navigationssystem für innen entwickelt.             Sein Wunsch ist es, »einen großen in-
nicht mehr selbstständig sind, ganz im Ge-          Mithilfe eines fahrbaren 3-D-Scanners,          ternationalen Player zu bauen«, aber er
genteil. Auch Relayr (SPIEGEL 19/2017)              ausgestattet mit Kameras und Laser, wer-        sagt auch, dass bis dahin »noch viele Jahre
entwickelte sich mindestens so gut wie              den Gebäudedaten erfasst und zu einem           harte Arbeit und sehr viel Fortune« nötig
prognostiziert – und hat, dennoch oder              3-D-Modell verarbeitet, auf das der Nut-        seien. Und zwischendurch müsse man im-
deshalb, inzwischen ebenso zu 100 Pro-              zer über eine App zugreifen kann.               mer wieder prüfen, ob das Ziel noch er-
zent die Besitzer gewechselt.                          Aktuell beschäftigt NavVis rund 170          reichbar sei.
   Relayr, 2013 in Berlin gegründet, hat            Leute aus 40 Ländern. Ihr größter Markt             Teamviewer (SPIEGEL 26/2016) ist da
eine Plattform für das Internet der Dinge           ist China, weil dort enorme Fabrikanlagen       einen entscheidenden Schritt weiter. Das
(IoT) geschaffen. Der Ansatz der Gründer,           gebaut werden, im Sommer ging NavVis            Unternehmen mit Sitz im schwäbischen
bereits existierende Maschinen-                      eine Vertriebspartnerschaft mit dem be-        Göppingen zählt tatsächlich schon zu
parks nachträglich mithilfe                              deutendsten chinesischen Hersteller        jenen Hidden Champions, für die Deutsch-
von Sensoren fit für IoT-          2013 gegründet                                                              lands Wirtschaft berühmt ist –
Anwendungen wie die                   Sitz: Berlin                                                             Weltmarktführer aus der Pro-
vorausschauende War-                                                                                           vinz in ihrem jeweiligen Spe-
tung zu machen, hat-                                                                                           zialgebiet, die es sonst fast nur
te bereits Investoren                                                                                          in analogen Geschäftsfeldern
wie Kleiner Perkins                                                                                            gibt. Und es zählt zu den Uni-
und Anfang 2018                verkauft an Munich Re                                                           corns. Rund eine Milliarde Dol-
auch die Telekom            Wert bei Verkauf: 300 Mio. $                                                       lar nämlich hat Finanzinvestor
überzeugt. Im Herbst                 mehr als 200                                                              Permira   bezahlt, als er Team-
verkauften alle bisheri-              Mitarbeiter                                                              viewer 2014 übernahm.
gen Anteilseigner rund um                                                                                         Die Software des Unterneh-
Geschäftsführer Josef Brunner                                                                                  mens läuft inzwischen weltweit
an eine Tochter der Munich Re,                                                                                 auf mehr als 1,5 Milliarden
zu einer Bewertung von etwa                                                                                    Rechnern. Mit ihrer Hilfe kön-
300 Millionen Dollar – es war                                                                                  nen sich Experten von außen in
einer der größten Exits der deut-                                                                              die Geräte einloggen, um sie zu
schen Start-up-Szene.                                                                                          warten, Kollegen und Freunde
   Aber auch einer, der das Di-                                                                                können gemeinsam an Projek-
lemma der Champions von                                                                                        ten arbeiten, Menschen sich
morgen besonders eindrücklich                                                                                  über Apps und Tablets mit Ma-
zeigt. »Wir standen vor der Ent-                                                                               schinen verbinden.
scheidung, für unser weiteres                                                                                     »Es gibt immer mehr Geräte
Wachstum signifikant Kapital                                                                                   für immer mehr Anwendungs-
aufzunehmen oder an große                                                                                      fälle in immer mehr Ländern«,
angelsächsische Unternehmen                                                                                    sagt Oliver Steil, der das Unter-
zu verkaufen«, sagt Brunner,                                                                                   nehmen seit Anfang des Jahres
der schon sein früheres Start-                                                                                 leitet. »Teamviewer kann sehr
up JouleX für etwas mehr als                                                                                   groß werden.«
hundert Millionen Dollar an                                                                                       Steil soll das Unternehmen
                                                                                                          GOETZ SCHLESER / LAIF

Cisco abgegeben hatte. Ein sol-                                                                                im Auftrag des Eigentümers auf
cher Deal sei für ihn mit Relayr                                                                               Wachstum trimmen. Er forcier-
nicht mehr infrage gekommen:                                                                                   te die internationale Expansion
»Zarte Pflänzchen können da                                                                                    und stellte das Geschäftsmodell
schlecht gedeihen.« Von einem                                                                                  um. Großkunden kaufen die
Börsengang hätten ihm Bran-                  Relayr-Geschäftsführer Brunner: »Zu teuer, zu kompliziert«        Software nun nicht mehr einma-

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Das Erfolgsdilemma Zukunft In Deutschland mangelt es an Gründern, die bis zur Weltspitze vordringen. Den meisten - Mackevision
lig, sondern bezahlen jährlich                                                              2008 gegründet               Aber am Ende hängt
eine Art Abogebühr, erhalten                                                                Hauptsitz: Mainz            alles davon ab, ob
aber auch regelmäßig Updates.                                                                                             die Wirkstoffe so funk-
Das sorgte zwar erst einmal für                                                                                           tionieren, wie er es
eine Delle in der Umsatzkurve,                                                                                             erwartet. Und das
das Wachstum wäre in diesem                                                                                                werden er und seine
Jahr sonst noch höher als 25 Pro-                                                      Investoren: Strüngmann-            Geldgeber, die Strüng-
zent ausgefallen, sichert aber für                                                          Brüder, Sanofi               mann-Brüder, erst 2021
die Zukunft regelmäßige Einnah-                                                                 rund 850               oder 2022 wissen. Dann
men – was den Unternehmens-                                                                     Mitarbeiter          ist auch, wenn alles klappt,
wert steigert.                                                                                                    ein Börsengang geplant.
   Sobald der hoch genug ist,                                                                                   Investoren mit einem langen
wird Permira aussteigen. Finanz-                                                                             Atem und so viel Kapital wie
investoren sind immer nur Ei-                                                                                Hopp und die Strüngmanns gibt
gentümer auf Zeit, sie verab-                                                                                es für Gründer in anderen
schieden sich, wenn ihr Rendite-                                                                             Branchen nicht. Dabei mangelt
ziel erreicht ist.                                                                                           es in Deutschland nicht an Geld,
   Was wird dann aus Team-                                                                                   es gibt riesige Vermögen und
viewer? Möglicherweise steigt                                                                                sogenannte Family-Offices, die
ein weiterer Finanzinvestor ein,                                                                             sie für ihre reiche Klientel zu
vielleicht übernimmt aber auch                                                                               mehren versuchen. Doch viele
ein großer internationaler Tech-                                                                             Investoren verfolgen Anlage-
Konzern. Deutschland hätte er-                                                                               strategien mit möglichst wenig
neut einen Hidden Champion                                                                                   Risiko.
weniger, und das ausgerechnet                                                                                   In Deutschland fehle ein
im digitalen Zukunftsmarkt.                                                                                  Growth-Fonds, der Start-ups
   Einen solchen Ausverkauf                                                                                  beim Wachstum wirklich effek-
wollen Investoren ganz anderer                                                                               tiv unterstützt, klagt Christian
Art verhindern, in einem Ge-                                                                                 Henschel, Gründer des Berliner

                                                                                                           DOMINIK PIETSCH
schäft, das ebenfalls grund-                                                                                 Datenanalyseunternehmens Ad-
legend umgewälzt wird und das                                                                                just (SPIEGEL 49/2016).
noch mehr von großen Kapital-                                                                                   »Ab einer Investmentgröße
spritzen abhängig ist – der                                                                                  von 30 Millionen Euro musst
Biotechnologie: Dietmar Hopp                 Biontech-Boss Sahin: »Das ist keine blinde Wette«               du dich ans Ausland wenden,
und die Zwillinge Thomas und                                                                                 um Investoren zu finden.« Er
Andreas Strüngmann. Hopp,                                                                                    fordert die Einrichtung eines
Mitgründer des Softwarekonzerns SAP,            hergestellten Impfstoff bekämpfen. Zusam-        Staatsfonds nach dem Vorbild Norwegens
hat nach eigenen Angaben bereits 1,4 Mil-       men mit dem US-Konzern Genentech                 oder Singapurs, »das hilft nicht nur den
liarden Euro in deutsche Biotech-Start-         wird das Medikament weltweit an 500 Pa-          Start-ups, sondern auch der deutschen
ups gesteckt. Mit rund einer Milliarde          tienten gegen zehn Tumorarten getestet,          Wirtschaft«.
Euro haben sich die Brüder Strüngmann           erste Ergebnisse sollen bis Ende 2019 vor-          Adjust ist darauf allerdings nicht an-
engagiert, die durch den Verkauf des            liegen.                                          gewiesen, das Unternehmen macht seit
Arzneimittelherstellers Hexal reich gewor-         »Finanzielle Macht steht gegen intellek-      drei Jahren Gewinne. Seine Kunden sind
den sind.                                       tuelle Macht«, gibt sich Curevac-Gründer         die großen internationalen App-Anbieter,
   Sie alle eint das Ziel, einen Pharmakon-     Ingmar Hoerr ebenfalls selbstbewusst.            die Software von Adjust hilft ihnen, das
zern der Zukunft schaffen zu wollen, mit       »Wir sind sehr stark im Know-how, nie-            Kaufverhalten ihrer Kunden im mobilen
Sitz in Deutschland. Ihre aussichtsreichs-      mand hat so viele Patente.«                      Netz zu verfolgen. Seit 2013 hat das Un-
ten Kandidaten sind Curevac (SPIEGEL               Wer immer die Führung übernimmt:              ternehmen den Umsatz alle zwei Jahre
13/2016) aus Tübingen und Biontech              Der Markt ist groß genug für alle. Voraus-       mehr als verdoppelt, allein in diesem
(SPIEGEL 28/2017) aus Mainz. Beide ent-         gesetzt, Medikamente auf RNA-Basis las-          Jahr stieg die Zahl der Beschäftigten um
wickeln Medikamente auf Basis von RNA           sen sich tatsächlich wie erhofft gegen           110 Mitarbeiter.
(Ribonukleinsäure), auch gegen Krebs,           Krebs, Grippe und Infektionskrankheiten             Weil Adjust kein fremdes Kapital
konkurrieren also direkt miteinander.           aller Art einsetzen. Zurzeit erprobt Cure-       braucht, muss das Unternehmen auch
   Sie treten allerdings gegen einen Dritten    vac einen Impfstoff gegen Tollwut. Das ist       nicht befürchten, übernommen zu werden.
an, der einen entscheidenden Vorteil            zwar nur ein Nischenmarkt, aber wenn             Im Gegenteil: Im Dezember kaufte es das
hat: Er sitzt in den USA, wo Biotech-Un-        der Einstieg gelingt, könnten schnell wei-       kalifornische Start-up Aquired.io, in dieser
ternehmen mit Geld geradezu überschüt-          tere Impfstoffe folgen.                          Woche gaben die Berliner die Übernahme
tet werden. Gerade hat der Börsengang              Biontech hat ebenfalls »den Anspruch,         eines israelischen Cybersicherheits- und
diesem Konkurrenten, Moderna Thera-             ein global operierendes Pharmaunterneh-          KI-Start-ups bekannt.
peutics aus Boston, rund 600 Millionen          men aufzubauen«, sagt Sahin. »Das kann              »Wir machen es andersherum«, sagt
Dollar in die Kasse gebracht – der Unter-       man nur machen, wenn man eine breite             Henschel. »Mit diesem Schritt bauen
nehmenswert liegt bei rund sechs Milliar-       Produktpalette hat.«                             wir unsere Position als globaler Markt-
den Dollar. Können Curevac und Biontech            Manchmal sei ihm mulmig, räumt Sahin          führer aus.«
da mithalten?                                   ein. Aber es sei der richtige Weg. Er habe          Armin Mahler, Martin U. Müller,
   »Wir sind weiter«, sagt Biontech-Chef        ihn über Jahrzehnte vorbereitet und dabei           Marcel Rosenbach
Ugur Sahin. Sein Unternehmen will Krebs         mehrere technische Durchbrüche erzielt.             Mail: armin.mahler@spiegel.de
mit einem für jeden Patienten individuell      »Das ist keine blinde Wette.«

DER SPIEGEL Nr. 5 / 26. 1. 2019                                                                                                              75
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