Das Europäische Satelliten-navigationssystem GALILEO
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Das Europäische Satelliten- navigationssystem GALILEO Bernd Eissfeller und Torben Schüler Institut für Erdmessung und Navigation Universität der Bundeswehr München D-85577 Neubiberg bernd.eissfeller@unibw.de 1 Zusammenfassung In diesem Beitrag wird - nach einer kurzen Darstellung der bisherigen Historie - eine Übersicht über den momentanen Projektstatus des Satellitennavigationssys- tems GALILEO gegeben. Im Anschluss hieran findet der Leser eine technische Diskussion, die stark auf das Nutzersegment konzentriert ist. Diese beginnt mit einer Beschreibung der gegenwärtigen GALILEO Architektur (Raumsegment, Bodensegment, Nutzersegment), wobei die Besonderheiten gegenüber dem a- merikanischen GPS System herausgearbeitet werden. Die Darstellung des Nut- zersegmentes befasst sich zunächst mit der aktuellen GALILEO Signalstruktur. Anschließend werden besondere technische Herausforderungen bei der Ent- wicklung von GALILEO Endgeräten besprochen. 2 Einleitung Basierend auf der Kommunikation [1] der Europäischen Kommission vom 9. Februar 1999 („GALILEO Involving Europe in a New Generation of Satellite Navigation Services“) wird in Europa gegenwärtig das Satellitennavigationssys- tem GALILEO entwickelt. Einerseits soll damit die Unabhängigkeit von GPS bzw. eine effektive Ergänzung erreicht werden. Andererseits soll hiermit auch die Fähigkeit Europas erheblich verbessert werden, sich auf dem Welt-Markt für Satellitennavigation und den damit zusammenhängenden Anwendungen und Diensten einen gewichtigen Marktanteil zu sichern. Die strategische und wirt- 1
schaftliche Bedeutung von GALILEO für Europa ist unumstritten. Dies wurde auf mehreren Tagungen des Europäischen Rates, z.B. Laeken am 14. und 15. Dezember 2001 (Tagesordnungspunkt 33) immer wieder bestätigt [2]. Obwohl der politische Wille zum Aufbau von GALIEO vorhanden ist, gingen die Mei- nungen der Mitgliedsländer über die Finanzierung des Programms teilweise auseinander, insbesondere was die Beiträge des privaten Sektors zu den Ent- wicklungskosten betrifft (Public-Private-Partnership). Dieser Konflikt verwun- dert hier etwas, da GALILEO für europäische Maßstäbe mit Errichtungskosten von 3,2 Mrd. (das sind die Kosten für 150 km Autobahnneubau), die zudem noch über 8-10 Jahre aufzubringen sind, nicht teuer ist, aber ohne Frage ein Beitrag zur Lösung der wirtschaftlichen Strukturprobleme in Europa darstellt. Derzeitige Schätzungen gehen davon aus, dass GALILEO zur Schaffung bzw. Sicherung von 100.000 Arbeitsplätzen führt, und dass der mit GALILEO ver- bundene Dienstleistung- und Endgerätemarkt mit rd. 9 Mrd. pro Jahr ange- nommen werden kann. Unabhängige Abschätzungen der wirtschaftlichen Ren- tabilität von GALILEO zeigen ein Nutzen-/Kostenverhältnis von etwa 4.6 an, was bei Infrastrukturprojekten als sehr guter Wert gilt. 2.1 Status GALILEO ist ein Großprojekt, das in Zusammenarbeit von Organen der Euro- päischen Union (EU) und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) durchgeführt wird. Seit Juni 2003 hat das gemeinsame Unternehmen (Joint Un- dertaking oder JU) mit Sitz in Brüssel die Verantwortung für die GALILEO Re- alisierung übernommen. GALILEO soll prinzipiell in drei Phasen (Definition, Entwicklung, Errichtung) realisiert werden. Nach einer Definitionsphase, die im Jahr 1999 mit einer grundlegenden Systemstudie [3] begonnen („Comparative System Study“) wurde, läuft seit Dezember 2003 die Vorentwicklungsphase C0. Wichtig für GALILEO war das Jahr 2000, in dem eine Serie von Detailstudien für insgesamt 100 Mio durchgeführt wurden. Besonders hervorzuheben sind hier die Architekturstudie GALA (beauftragt von der EC) und die GalieoSat Studie [4] zur Definition des Raumsegmentes (beauftragt von der ESA). Ziel sämtlicher Studien war es, dem Rat der Verkehrsminister am 22.12.00 die erfor- derlichen Entscheidungshilfen zur Verfügung zu stellen, um ein positives Votum für die Entwicklungsphase zu erhalten. Eine positive Entscheidung des Rates der Verkehrsminister wurde erwartet, aber dann aus mehreren Gründen ver- schoben auf April 2001 (Konsolidierung der Finanzierung, Implementierung des Public Private Partnership PPP bis 2003, Aufbau einer Organisationsstruk- 2
tur, Intensivierung der Verhandlungen mit USA and Russland). Auch bei dem Treffen der Verkehrsminister im April 2001 wurde keine weitergehende Ent- scheidung getroffen. Da der kritische Punkt des GALILEO Projektes weniger die Technik darstellt, sondern vielmehr die Finanzierung, zumal aus dem Be- reich des privaten Sektor ursprünglich nicht mehr als 200 Mio. zugesagt wa- ren, wurde ein Konsortium, das von Price Waterhouse Coopers (PWC) geführt wurde [5], von der EU beauftragt, unabhängig das Projekt GALILEO im Rah- men einer Kosten/Nutzenanalyse erneut zu bewerten und einen Geschäftsplan zu entwickeln. Die grundlegende Aussage der Studie, deren Resultate zu Ende 2001 veröffentlicht wurden, bestand darin, dass die öffentliche Hand deutlich länger Mittel bereitstellen muss (bis in die Anfangsphase des Betriebes hinein) bis ein höherer Beitrag des Privatsektors greifen kann. Einige Regierungen ba- ten aufgrund der PWC Studie um eine Denkpause, so dass auch zum Jahresende 2001 keine Entscheidung getroffen werden konnte [6]. Nach vielen nationalen Diskussionen [7] gab dann der Europäische Verkehrsministerrat am 26.03.02 grünes Licht für den Aufbau von GALILEO. Allerdings trat das Projekt von März 2003 bis März 2004 auf der Stelle, da sich zum einen Deutschland und Italien nicht über die industrielle Führung einigen konnten. Zum anderen haben einige Europäische Länder das GALILEO Programm überzeichnet (eine zu gro- ßen Beitrag zugesagt), was zu zeitaufwendigen Verhandlungen bei den Budget- anpassungen führte. Beide Problembereiche konnten beim Verkehrsministerrat am 28.03.2003 aufgelöst werden, mit den Resultaten, dass Deutschland die Sys- temführung erhalten hat und auch der Sitz von Galileo Industries nach München verlegt werden soll. In dem Treffen wurden auch die Anteile wie folgt festge- legt: Deutschland 20.9, Italien 15.2, Frankreich 17.0, Großbritannien 16.0, Spa- nien 10.1 und Belgien 5.8 %. Seit Oktober 2003 läuft der Auswahlprozess für den Konzessionär. Der Konzessionär soll das JU ablösen und mir privaten In- vestitionen das operationelle System aufbauen. Nach dem Stand der derzeitigen Planungen, sollen die Entwicklungs- und Validierungsphase (In Orbit Valida- tion) bis 2005, die Errichtungsphase von 2006-2007 und die Betriebsphase ab 2008 laufen [8]. Von einer Verlängerung des Zeitplanes um etwa 2 Jahre wird inzwischen jedoch ausgegangen. Im Rahmen der Entwicklungsphase sollen in Kürze zwei Experimentalsatelliten gestartet werden. Verhandlungen der EU mit den USA über die gemeinsame Nutzung von Frequenzen von GPS und GALI- LEO konnten im Juni 2004 erfolgreich abgeschlossen werden. 3
2.2 Architektur Die wesentlichen Eigenschaften der GALILEO Systemarchitektur lassen sich wie folgt [9] zusammenfassen: - Unabhängigkeit von anderen Systemen der Satellitennavigation - Interoperabel mit GPS (GLONASS) - Dienstekonzept (offen, kommerziell, sicherheitskritisch, reguliert) - Implementierung eines Integrity Dienstes (in Europa /außerhalb Europas) - Unabhängigkeit des Integrity Dienstes vom Galileo Kontrollsystem (GCS) - Weltweite Dienste (SAR und navigationsdatenbezogene Dienste) - Globale Ortung und Zeitverteilung auf Grundlage einer globalen Konstellation - Regionale Komponenten (Monitorstationen und Up-Link Stationen) - Integration mit regionalen Systemen (z.B. EGNOS) - Integration mit lokalem (Differential u.a.) Systemen - Kompatibel mit zukünftigen Mobilfunknetzen (UMTS) Space Segment Non-European EGNOS Ground Segment Integrity Systems Local Component Demonstrators Local Components MEO-LUT Beacon User Test Receivers COSPAS-SARSAT Service Providers MCC Search & Rescue User Receivers Abb. 1: Übersicht über die GALILEO Systemarchitektur Man erkennt aus Abb.1, dass die wesentliche Erweiterung von GALILEO ge- genüber GPS in der Implementierung eines globalen/regionalen Segmentes zur 4
Überwachung der Integrität besteht. Zielsetzung ist Unterstützung der sicher- heitskritischen Navigation der Luftfahrt (Landeanflug CAT I) sowie der Ortung und Führung von Zügen (Train Control) im schienen-gebundenen Landverkehr. 2.2.1 Raumsegment Das Raumsegment [10] von GALILEO soll sich insgesamt aus 30 MEO (Mean Earth Orbiting) Satelliten aufbauen, die als Walker 27/3/1 (+ 3 Ersatzsatelliten) Konstellation konfiguriert sind, d.h. auf drei Bahnebenen (Abb. 2b) verteilt sind. Die Bahnhöhe beträgt 23.616 km und die Neigung der Bahnebene 56o. Das Satellitendesign (Abb. 2a) basiert auf bereits durchgeführten Vorläuferpro- grammen (z.B. GLOBALSTAR) inklusive kritischer Nutzlasttechnologien, die bereits in begleitenden ESA Programmen entwickelt werden. Der GALILEO Satellit hat eine Masse von 625 kg, generiert eine Primärleistung von 1500 W und fällt mit linearen Abmessungen von 2.7 x 1.2 x 1.1 m3 in die Kategorie von Minisatelliten. Der Satellit besitzt sämtliche Standardsysteme zur Bahn- und Lagekontrolle, Thermalkontrolle, usw. Hervorzuheben, im Gegensatz zu GPS, ist die Integration eines Laser Retroreflektors, um die Bahnbestimmung auch mit Laserentfernungsmessungen zu stützten. Abb. 2a: GALILEO Satellit Abb. 2b: GALILEO Raumseg- ment Das Herzstück des GALILEO Satelliten stellt die Navigationsnutzlast dar. Bei der Nutzlast handelt es sich um einen regenerativen Transponder, bei dem mo- derne Digital- und Halbleitertechnik eingesetzt wird. Die Nutzlast baut sich aus Atomuhren (Clock Monitoring und Control Unit), dem Signalgenerator (Navi- gation Signal Generation Unit) mit Rechnereinheit, dem Frequenzgenerator (FPGU), dem Endverstärker (Solid State Power Amplifier) und der L-Band An- 5
tenne auf. Als Atomuhren sollen zwei Rubidiumstandards (5 10-13 über 100 s) und zwei Wasserstoffmaser (5 10-14 über 10.000 s) eingesetzt werden. 2.2.2 Bodensegment Wie bereits ausgeführt, baut sich das GALILEO Bodensegment [9] einmal aus dem Kontrollsegment für den Betrieb und die Bahn- und Zeitbestimmung (GCS oder Ground Control Segment) auf. Zum anderen besteht es aus dem System zur Überwachung der Integrität (IDS oder Integrity Determination System). Abb. 3: GALILEO Bodensegment (Beispiel) Die Zahl der Elemente im CGS und IDS werden derzeit noch genauer in der Phase C0 bestimmt. Von der Größenordnung her gesehen setzt sich das CGS aus 18-20 Monitorstationen, 9 Up-Link Stationen, 5 TTC Stationen und zwei Kon- trollzentren zusammen. Im europäischen Raum spielt die Integration mit dem EGNOS Bodensegment eine wichtige Rolle. 2.2.3 Nutzersegment Das GALILEO Nutzersegment setzt sich, vergleichbar zu GPS, aus allen An- wendern zu Wasser, auf dem Land, in der Luft und im Weltraum zusammen. In Abb. 4 erkennt man die vor-hergesagten Anteile verschiedener Anwendungen am europäischen GNSS Markt (Marktgröße 8 Milliarden ) im Jahr 2005. 6
Augmentation Leisure 1% Fleet Mgt Surveying 1% 1% 1% Aviation 1% Car Navigation 23% Mobile Phones 73% Abb. 4: Vorhersage des Europäischen GNSS Marktes im Jahr 2005 Nachfolgende Tabelle zeigt die Anforderungen an die GALILEO Leistungspa- rameter (Maskenwinkel, Genauigkeit, Überdeckung, Verfügbarkeit, Integrität) für zwei (grundlegend) unterschiedliche Anwendungen. Die Anforderung für sicherheitskritische Anwendungen ist mit der Luftfahrtanforderung für den prä- zisen Landeanflug der CAT I identisch. Bei den Massenmarktanforderungen ist wichtig, dass diese für Maskenwinkel über 25o gelten sollen. Hierbei wird den besonderen Bedingungen der Landnavigation in bebauten Gebieten (Abschat- tungen, Multipath) Rechnung getragen. Tab. 1: Ausgewählte Anforderungen an GALILEO [10] Parameter Massenmarkt Sicherheitskritisch Maskenwinkel 25° 5° Genauigkeit (95%) 10 m horizontal 4 m vertikal Überdeckung weltweit weltweit Verfügbarkeit > 70% > 99% Integrität nicht gefordert zwingend (6 s, 10-7) 2.2.4 Signale Ein sehr wichtiges Thema aus der Sicht des Nutzers ist die Ausarbeitung einer innovativen Signalstruktur für das GALILEO System. Hierbei sind viele Rand- bedingungen zu beachten, z.B. noch vorhandene freie Bereiche auf der Fre- quenzachse des L-Bandes, die Größe der abgestrahlten Leistung, die Kompati- bilität mit dem derzeitigen und dem zukünftigen GPS Signal und die Wahrung von militärischen Sicherheitsinteressen der NATO (NAVWAR). Der heutige 7
stand der Signaldefinition, wie sie durch die EU mit den USA vereinbart wurde, ist in Abb. 5 schematisch dargestellt (Stand: Juni, 2004): Band / Carrier Minimum Bandwidth Typical C/N 0 Modulation Chip Rate Data Rate Signal Frequency Reception Power E5a 1176,45 MHz 24 MHz -155 dBW 50 dBHz 10,23 Mcps 50 sps AltBOC(15,10) E5b 1207,14 MHz 24 MHz -155 dBW 50 dBHz 10,23 Mcps 250 sps E6 1278,75 MHz 40 MHz -152 dBW 50 dBHz BOC cos (10,5) 5,115 Mcps 1000 sps L1 1575,42 MHz 32,736 MHz -152 dBW 45 dBHz BOC(1,1) 1,023 Mcps 250 sps Abb. 5: Schematische Darstellung der Galileo Signaldefinition [11] sowie Ta- belle der Trägerfrequenzen und Signalparameter Man sieht, dass bei GALILEO im Prinzip vier Frequenzbänder (siehe Tabelle zu Abb. 5) für Signale verwendet werden sollen, nämlich im unteren L-Band E5a (überlagert mit GPS L5) und E5b von jeweils 24 MHz Bandbreite, im mittleren L-Band E6 mit insgesamt 40 MHz Bandbreite und im oberen L-Band 32.7 MHz Bandbreite. Bewertet man die in Abb. 5 dargestellten Signale, so erkennt man, dass die Implementierbarkeit im unteren L-Band (E5a+E5b) sehr gut durch- führbar ist. Die Verwendbarkeit von E6 ist fraglich, da in E6 z.B. militärische und zivile Radarsysteme koexistieren (kein geschütztes Band). Problemstelle ist das obere L-Band, da hier das GALILEO Signal einerseits mit dem GPS C/A – Kode, andererseits mit dem neuen Militärsignal (M–Kode) verträglich sein muss. Wie aus Abb. 5 entnommen werden kann, sind grundsätzlich folgende Modula- tionsverfahren vorgesehen: - BPSK(10): Binäre Phasenumtastung mit 10.23 MHz - BPSK(5): Binäre Phasenumtastung mit 5.115 MHz 8
- BOC(1,1): Binary Offset Carrier (Chip-Rate 1.023 MHz, Unterträger 1.023 MHz). Dieses Verfahren wird auch Manchester Kodie- rung genannt. - BOC(15,2.5): Binary Offset Carrier (Chip-Rate 2.5575 MHz, Unterträger 15.3450 MHz) - BOC(10,5): Binary Offset Carrier (Chip-Rate 5.115 MHz, Unterträger mit 10.23 MHz) Für alle Modulationen ist ein datenfreier Kanal (nur mit dem Spreizkode modu- liert) als Q - Kanal (Pilotsignal) vorgesehen, während der um 90° gedrehte I – Kanal neben dem Spreizkode noch die Navigationsdaten enthält. Dies ist äqui- valent zu einer QPSK Modulation. Die betrachteten Datenraten liegen bei 50, 250 und 1000 sps. 3 GALILEO Endgeräte In diesem Abschnitt soll so kurz wie möglich skizziert werden, wie die Struktur der GALILEO Endgeräte vermutlich aussieht und welche Besonderheiten, die sich aus der Signalstruktur ergeben, bei der Implementierung zu beachten sind. In Abb. 6 ist ein Blockdiagramm eines GALILEO Empfängers dargestellt. Digital Signal Processing Down DLL Tracking RF processing conversion A/D conversion PLL Tracking DLL Tracking RF front-end #1 A/D Conversion Data Demodulation PLL Tracking DLL Tracking Navigation RF front-end #2 A/D Conversion Signal Data Acquisition Processor Demodulation PLL Tracking RF front-end #3 A/D Conversion Signal Data Acquisition Demodulation Signal Acquisition Frequency Synthezisers Reference Oscillator Abb. 6: Schematischer Aufbau eines GALILEO Empfängers Die einzelnen Sub-Systeme: 9
• RF- Front-End: Für den Galileo Hochleistungsempfänger sind mindes- tens vier verschiedene Trägerfrequenzen vorzusehen (E5a, E5b, E6 und L1). Dieser Forderung muss bei der Auslegung der Antenne und im Auf- bau des Front-Ends (Hardware) Rechnung getragen werden. • Frequenzumwandlung: Durch die Mehrfrequenzproblematik muss ein geeigneter Frequenzplan für das Herabsetzen der Trägerfrequenz (Down- Conversion) erarbeitet werden, der eine gute Empfangsqualität aller Sig- nale gewährleistet. • A/D Wandlung: Je nach Frequenzplan müssen ein oder mehrere A/D- Wandler eingesetzt werden. Es wäre möglich, die verschiedenen Bänder auf die gleiche Zwischenfrequenz zu konvertieren. Dadurch wäre nur ein einzelner A/D Wandler erforderlich. Hierdurch wird aber der Rauschpegel erhöht. Eine andere Möglichkeit wäre alle Bänder getrennt zu digitalisie- ren. • Digitale Signalverarbeitung: Akquisition: Die Akquisition der BPSK - Signale kann auf konven- tionelle Weise erfolgen, d.h. wie bei GPS. Zur Akquisition der BOC - Signale muss ein neues Verfahren angewendet werden, das die Besonderheiten dieser Signalstruktur berücksichtigt. Nachführen von Kode durch einen Delay-Lock-Loop (DLL): Das „Tracking“ der Kodes kann weitgehend so durchgeführt werden wie bei konventionellen GPS-Empfängern. Es sind jedoch Ergän- zungen notwendig, um extreme BOC Signale, wie der BOC(15,2.5), stabil nachführen zu können (kleiner Linearbereich der S-Kurve, Mehrdeutigkeit der Autokorrelationsfunktion). Nachführen der Trägerphase durch einen Phase-Locked Loop (PLL): Die Einführung der Pilotsignale (ein datenloses Signal) er- laubt den Ersatz des Costas Regelkreises durch einen kohärenten PLL, der wesentlich stabiler ist. Navigationsberechnung: Die Berechnung der Position anhand der Rohdaten, kann prinzipiell wie bei GPS erfolgen. Es müssen allerdings die „Gruppenlauf- zeiten“ zwischen den Trägern berücksichtigt werden. 10
4 GALILEO-Performance-Charakteristika Wie bereits deutlich wurde, bieten die verbesserten Signalstrukturen von GA- LILEO ein Potential, das sowohl eine Verbesserung des Messrauschens der Streckenmessungen („Pseudo-Ranges“), als auch eine Verbesserung im Hinblick auf die Mehrweg-Problematik („Multipath“) zulässt. Neben diesen Vorteilen von GALILEO soll in diesem Kapitel aber auch auf den gesteigerten Nutzen einer kombinierten Auswertung von GPS- und GALILEO-Messungen einge- gangen werden, die für viele Positionierungs-Anwendungen von großem Inte- resse sein wird. Die gemachten Angaben wurden in [14] dokumentiert und ent- stammen im Wesentlichen Arbeiten, die am Institut für Erdmessung und Navi- gation durchgeführt wurden. 4.1 Strecken- und Trägerphasenmessungen 4.1.1 Rauschen der Kode-Strecken Die Eigenschaften der Signalstrukturen, die auf die Galileo Trägerwellen auf- moduliert werden, erlauben die Ermittlung von Kode-Strecken auf einem bisher nicht erreichten, sehr niedrigen Rauschniveau. Tab. 2 und 3 stellen das Kode- Rauschen für die gegenwärtigen und zukünftigen GPS- denen der Galileo- Signale gegenüber. 0,45 Rauschen der Kode-Strecke [m] bei 45 dB.Hz 0,4 0,35 GPS C/A, 24 Mhz 0,3 GPS C/A, 8 Mhz GPS L5, 24 MHz 0,25 Galileo L1, 24 Mhz 0,2 Galileo L1, 8 Mhz Galileo E6, 40 Mhz 0,15 Galileo E6, 24 MHz Galileo E5a, 24 MHz 0,1 0,05 0 Abb. 7: Grafische Veranschaulichung des Rauschens der Kode-Strecken für ausgewählte GPS und GALILEO Signale. Eine Bandbreite zukünftiger Empfän- ger von 24 MHz gilt als realistisch. 11
Die in Tab. 2 und 3 enthaltenen Ergebnisse entstammen Simulationsrechnungen, die am Institut für Erdmessung und Navigation durchgeführt wurden und den seinerzeit letzten Stand der Signaldefinition (September 2004) berücksichtigen. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hier das Empfänger-Rauschen charakterisiert wird und alle externen Effekte (bspw. die atmosphärische Re- fraktion) ohne Berücksichtigung bleiben. Tab. 2: Rauschen der Kode-Strecken für das gegenwärtige und zukünftige GPS sowie für GALILEO-Empfänger bei einem typischen Träger-zu-Rauschver- hältnis (C/N0). Signal Modulation Leistung Bandbreite C/N0 Rauschen [dB·W] [MHz] [dB·Hz] [m] GPS C/A L1 BPSK(1) -160 24 41,5 0,36 GPS C/A L1 BPSK(1) -160 8 41,5 0,61 Galileo L1 BOC(1,1) -155 24 46,5 0,11 Galileo L1 BOC(1,1) -155 8 46,5 0,19 Galileo E6 BPSK(5) -155 24 46,5 0,09 GPS L5 BPSK(10) -154 24 47,5 0,06 Alt- E5a oder E5b -155 24 46,5 0,02 BOC(15,10) Tab. 3: Rauschen der Kode-Strecken für GPS- und GALILEO-Empfänger bei einem angenommenen Träger-zu-Rauschverhältnis (C/N0) von einheitlich 45 dB Hz. Modulation Leistung Bandbreite C/N0 Rauschen Signal [dB·W] [MHz] [dB·Hz] [m] GPS C/A L1 BPSK(1) -160 24 45 0,24 GPS C/A L1 BPSK(1) -160 8 45 0,41 Galileo L1 BOC(1,1) -155 24 45 0,14 Galileo L1 BOC(1,1) -155 8 45 0,23 Galileo E6 BPSK(5) -155 24 45 0,11 GPS L5 BPSK(10) -154 24 45 0,08 Alt- E5a oder E5b -155 24 45 0,02 BOC(15,10) Die dramatische Verringerung des Rauschniveaus wird gewiss ihre Auswirkung auf kinematische Anwendungen haben. Insbesondere darf davon ausgegangen werden, dass für die Mehrdeutigkeits-Bestimmung verstärkt geometriefreie An- 12
sätze angewendet werden. Allerdings werden sich Mehrweg-Effekte weiterhin störend bemerkbar machen und die Genauigkeit der Streckenmessung herab- setzen. Abb. 7 illustriert die Daten für ausgewählte Signale grafisch. Es wird schnell deutlich, dass die GALILEO-Messungen ein deutlich geringeres Rauschniveau aufweisen werden als vergleichbare GPS-Signale. Die geringsten Werte für GPS werden bei L5 erreicht, von GALILEO E5a aber nochmals unterboten. Es sei er- wähnt, dass gegenwärtig von amerikanischer Seite angedacht wird, im Rahmen der GPS-Modernisierung auf GPS L1 zukünftig die Signalstruktur von GALI- LEO zu übernehmen, um so die offenkundigen Vorteile auch für GPS- Anwender ausnutzen zu können. 4.1.2 Trägerphasenmessungen Eine einschneidende Genauigkeitssteigerung für Trägerphasenmessungen ist bei GALILEO im Vergleich zu GPS nicht zu erwarten, jedoch sollte folgende Fein- heit Beachtung finden: Abb. 5 zeigt die beiden Signal-Komponenten, nämlich den I- und den Q-Kanal. Während Daten auf die I-Komponente aufmoduliert werden, bleibt der Quadratur-Kanal frei von Daten („data-free“ bzw. „data- reduced“), so dass das Trägerphasentracking kohärent durchgeführt werden kann. Die Entfernung der Daten vom Signal hätte einen bestimmten Leistungs- verlust zur Folge. Die so gewonnenen Trägerphasen wären bereits bei einem höheren Signal-Rausch-Verhältnis anfällig gegenüber Phasensprüngen, wohin- gegen die mit GALILEO realisierbare kohärente Trägerphasenverfolgung ro- buster bei niedrigerem Signal-Rausch-Verhältnis arbeitet. Diese Feststellung gilt in analoger Weise auch für die L5-Signale des modernisierten GPS III. 4.1.3 Einfluss der Ionosphäre Wie hinreichend bekannt ist, kann durch die Kombination der Messungen auf 2 Frequenzen der Ionosphärenfehler erster Ordnung eliminiert werden. Aus der vereinfachten Beobachtungsgleichung Si = ρ + c1/fi2 (1) mit Si als Streckenmessung auf Frequenz fi und ρ als wahre geometrische Ent- fernung zwischen Empfänger und Satellit sowie c1/fi² als Ionosphärenfehler ers- ter Ordnung ergibt sich die ionosphärenfreie Strecke zu 13
ρ = f12/(f12-f22).S1 - f22/(f12-f22).S2 (2) Abb. 8 zeigt, wie sich das Rauschen der ionosphärenfreien Streckenmessungen im Vergleich zu den Ausgangswerten in Tab. 3 erhöht. Abb. 9 veranschaulicht die Situation für die Trägerphasen, wobei dort einheitlich eine Standardabwei- chung von 2 mm angenommen wurde (inkl. externer Effekte). 3,5 Rauschniveau/Standardabweichung [m] 3 2,5 GPS (L1,L2) GPS (L1,L5) 2 GPS (L2,L5) 1,5 Gal. (L1,E6) Gal. (L1,E5a) Gal. (E6,E5a) 1 0,5 0 Abb. 8: Rauschen der ionosphärenfreien Streckenmessungen (Effekt erster Ordnung; Rauschniveau gemäß Tab. 3). 35 30 Standardabweichung [mm] 25 GPS (L1,L2) GPS (L1,L5) 20 GPS (L2,L5) 15 Gal. (L1,E6) Gal. (L1,E5a) Gal. (E6,E5a) 10 5 0 Abb. 9: Standardabweichung der ionosphärenfreien Linearkombinationen (Ef- fekt erster Ordnung; angenommene Standardabweichung der eingehenden Trä- gerphasen: einheitlich 2 mm). 14
Es liegt auf der Hand, dass diejenigen Zweifrequenz-Kombinationen, deren Fre- quenzen am nächsten zusammenliegen, auf Grund ihrer Fehlerfortpflanzung die größten Standardabweichungen aufweisen werden. Dies sind für GPS die L2-L5- Kombination und für Galileo E6-E5a. Die günstigsten Kombinationen ergeben sich für beide Satellitennavigationssysteme für L1-L5 bzw. L1-E5a (maximaler Frequenzabstand). 4.2 Reduktion von Mehrwege-Effekten Der Einfluss von Mehrwegesignalen ist in starkem Maße von der Signalstruktur abhängig. Als wichtigste Parameter sind in diesem Zusammenhang die verwen- dete Modulationsart, die Bandbreite des empfangenen Signals sowie die Code- rate zu nennen. Mehrwege-Effekte sind eine wesentliche Fehlerquelle bei der präzisen Positionsbestimmung mit GPS. Praktisch alle auf dem Markt befindli- chen Empfänger besitzen aber bereits entsprechende Signalverarbeitungs- algorithmen, die zu einer spürbaren Reduktion dieses Fehlereinflusses führen: Enger Korrelator: Als Quasi-Standard in der Empfängertechnologie hat sich die Technik der engen Korrelation durchgesetzt, die bereits 1992 vorgeschlagen wurde und bspw. von der Firma NovAtel in ihren GPS-Empfängern implemen- tiert wird. Dabei wird die „frühe“ und „späte“ Korrelation nicht mit einem Chip- abstand von 1, sondern bspw. mit 0,1 chips durchgeführt. Die so entstehende Diskriminatorfunktion führt zu einer signifikanten Reduktion der Mehrwege- Fehler (unter der Annahme einer idealen, nicht bandbegrenzten Korrelations- funktion um einen Faktor 10). Da auch das thermische Rauschen direkt propor- tional zum Chipabstand ist, ergibt sich unter Verwendung solch geringer Korre- latorabstände auch ein deutlich reduzierter Rauscheinfluss. HRC/∆∆-Korrelator: Unter diesem Namen werden spezielle Kode Diskrimina- toren verstanden, die durch zwei Paare von frühen und späten Korrelationszeit- punkten gebildet werden. Im Gegensatz zum engen Korrelator, welcher mit ins- gesamt 3 Korrelatoren auskommt (1x „früh“ – 1x „pünktlich“ - 1x „spät“), stützt sich das ∆∆-Konzept auf 5 Korrelatoren (2x „früh“ - 1x „pünktlich“ - 2x „spät“). Das Konzept wird in der Literatur gelegentlich auch als „High Resolu- tion Correlator“ (HRC) bezeichnet und von diversen Empfängerherstellern un- ter unterschiedlichen Bezeichnungen in deren jeweilige Empfänger implemen- tiert. 15
Daneben existieren weitere, allerdings weniger weit verbreitete Ansätze zur Mehrwegereduzierung auf der Basis von geeigneten Signalverarbeitungsalgo- rithmen. 4.2.1 Mehrwegeeinflüsse auf Kode-Beobachtungen Tab. 4 fasst maximale und mittlere zu erwartende Mehrweg-Fehler zusammen. Es zeigt sich, dass der Mehrweg eine Fehlerwirkung hat, die weitaus größer als das Empfänger-Rauschen ist. Diese Aussage gilt für GPS und GALILEO, auch wenn die GALILEO Signalstrukturen grundsätzlich ein etwas günstigeres Ver- halten zeigen. Im Fall der GPS C/A Kode-Strecken (L1) bei 24 MHz Empfänger- Bandbreite liegt der Mittelwert um das 1,5fache über dem Wert für GALILEO L1 mit BOC(1,1), bei Vergleich von GPS L5 und GALILEO E5a ergibt sich ein Verhältnis von 3,6, das die Vorteile von GALILEO noch stärker betont. Ein mittlerer Mehrwegfehler von 0,60 cm auf E5a zeigt aber auch, dass dieser Fehler weiterhin eine Bürde für das Fehlerbudget bei kinematischen GNSS- Anwendungen sein wird, auch wenn er unter eine Schwelle fällt, die bisher nicht erreicht wurde. Tab. 4: Maximale (Einhüllende) und repräsentative mittlere Mehrwege-Fehler für GPS und GALILEO Kode-Beobachtungen bei Verwendung „enger“ Korre- lation zur Mehrweg-Reduktion nach [15]. Signal Modulation Bandbreite Maximalfehler repräsentativer [MHz] [m] Mittelwert [m] GPS C/A BPSK(1) 24 6,95 6,05 GPS C/A BPSK(1) 8 11,94 7,09 Galileo L1 BOC(1,1) 24 6,94 3,89 Galileo L1 BOC(1,1) 8 11,99 5,34 Galileo E6 BPSK(5) 24 4,00 2,27 GPS L5 BPSK(10) 24 4,52 2,30 Alt- E5a oder E5b 24 1,62 0,63 BOC(15,10) Der in Tab. 4 angegebene repräsentative Mittelwert bezieht sich auf die Beurtei- lung der Mehrwegefehler für alle möglichen geometrischen Umwege. Werden hingegen nur die Maxima der Mehrwegefehler betrachtet, so gibt es zwar auf L1 praktisch keinen Unterschied zwischen dem derzeitigen GPS und Galileo, wohl aber auf L5/E5. 16
4.2.2 Mehrwegeeinflüsse auf Trägerphasen-Beobachtungen Die Anfälligkeit der Trägerphasenmessungen gegenüber Mehrwegen hängt e- benfalls von der verwendeten Signalstruktur ab. Einen Blick auf die Trägerpha- sen gestatten die Diagramme in Abb. 10 für den „engen“ sowie Abb. 11 für den ∆∆-Korrelator. Die zugrunde liegenden Berechnungen basieren auf einer Emp- fängerbandbreite von 24 MHz sowie der Annahme, dass das direkte Signal mit nur einem Umwegsignal überlagert ist. Das Amplitudenverhältnis zwischen di- rektem Signal und Umwegsignal beträgt in diesem Fall 0,5. Abb. 10: Mehrwege-Fehler für Träger- Abb. 11: Mehrwege-Fehler für Träger- phasen als Funktion des Umwegs phasen als Funktion des Umwegs („Multipath Delay“) bei Verwendung („Multipath Delay“) bei Verwendung des „engen“ Korrelators. des HRC-/∆∆-Korrelators. 17
Mehrwege-Fehler auf der Galileo L1-Trägerphase (rote Kurve in Abb. 10 sowie 11 ganz oben) überdecken eine geringere Fläche als im Fall der GPS L1- Trägerwelle (C/A-Kode). Ein genauer Vergleich zwischen dem GPS L1 und dem Galileo L1 Signal zeigt, dass das Galileo-Signal nur 68% der Fläche des GPS Signals beansprucht (Flächenindex) , was als eine Verbesserung der Mehrwege- eigenschaften interpretiert werden kann. Die unterschiedlichen Formen der Feh- lerdiagramme resultieren aus den verschiedenen Modulationsformen. Die Ei- genschaften der BOC-Modulation führen beispielsweise dazu, dass der resultie- rende Mehrwegefehler bei einem geometrischen Umweg von ungefähr 100 m auf Null zurückgeht. Die Galileo E6-Messungen weisen einen Flächenindex von lediglich 22% im Vergleich zur GPS L1 auf, wenn der Standardalgorithmus zur Mehrweg-Reduktion eingesetzt wird. Bei Verwendung des ∆∆-Korrelators ergibt sich ein etwas komplizierteres Bild: Die GPS L1-Trägerphasen erfahren eine deutliche Verbesserung und der Flä- chenindex von GALILEO L1 liegt nun bei 135% (!) im Vergleich zu GPS, was am Auftreten eines zweiten Maximum zwischen Umwegen von ca. 110 bis 180 m liegt, die bei BPSK-modulierten Signalen nicht auftreten. Der Flächenindex für GALILEO E6-Phasen mit ∆∆-Korrelation liegt im Vergleich zu GPS L1 dann wieder bei 81%. Der zu erwartende Mehrwegeeinfluss ist für Galileo E6 dem- nach etwas geringer als für GPS L1. Abb. 12: Mehrweg-Fehler für die iono- Abb. 13: Mehrweg-Fehler für die io- sphärenfreie GPS-Linearkombination nosphärenfreie Galileo- bei Verwendung des „engen“ Korrela- Linearkombination bei Verwendung tors. des „engen“ Korrelators. 18
Der Vergleich zwischen GPS L1 und L5 sowie GALILEO E5a ergibt Werte von 15% (GPS L1 und GPS L5) und weniger als 10% (GPS L1 und GALILEO E5a) für die enge Korrelation. Beim ∆∆-Korrelator erhalten wird 81% bzw. 45%. Schließlich sei noch ein Blick auf die ionosphärenfreie Linearkombination (GPS: L1-L5, Abb. 12; Galileo: L1-E5a, Abb. 13) gestattet. Ein deutlicher Vorteil der Galileo-Signale wird dabei ersichtlich. Es sei betont, dass der Flächenindex den gesamten Mehrwege-Einfluss für alle möglichen Umwege repräsentiert. Der jeweilige Integralwert wird ins Verhältnis zu dem des Vergleichskandidaten gesetzt. In vielen wissenschaftlichen Anwen- dung (insbes. statischen Anwendungen) sind jedoch kurze Umwege vorherr- schend, die durch den Flächenindex als repräsentativen Mittelwert nur unzurei- chend charakterisiert werden können. Aus diesem Grund werden die Fehlerdia- gramme gegebenenfalls mit Hilfe eines mathematischen Modells gewichtet. Dieses Modell berücksichtigt die Tatsache, dass Umwegsignale mit kürzeren geometrischen Umwegen zum einen häufiger auftreten und zum anderen stärker sind als Umwegsignale mit langen Umwegen. Zusätzlich können verschiedene Empfängerumgebungen angenommen werden (z.B. städtisch, ländlich, maritim) und somit repräsentative Werte für die zu erwatenden Mehrwegefehler berech- net werden, siehe auch [15]. 4.3 Kombination von GPS und Galileo Ein wesentlicher Vorteil bspw. für die kinematische GNSS-Positionierung wird sich aus der kombinierten Nutzung von GPS- und GALILEO-Signalen ergeben. Dabei wurde auch bereits deutlich, dass die Integration der beiden Systeme in einem Empfänger vergleichsweise einfach sein wird, denn GPS L1 und Galileo L1 liegen auf identischen Zentralfrequenzen, ebenso wie GPS L5 und Galileo E5a. Lediglich GPS L2 und Galileo E6 weichen in ihren Frequenzen voneinander ab. 4.3.1 Verbesserte Geometrie Der wesentliche Vorteil der Kombination der beiden Systeme liegt auf der Hand: Die Anzahl der gleichzeitig beobachteten Satelliten wird sich in etwa verdoppeln, was zu einer Reduktion des DOP-Faktors („Dilution of Precisi- on“) um eben bis zu einem Faktor von ca. 2 führen kann (homogene Verteilung der Satelliten vorausgesetzt). Die verbesserte Geometrie erlaubt somit eine er- heblich präzisere Lösung. Selbst wenn keine neuen Algorithmen zur Positionie- 19
rung entwickelt würden, ergäbe sich somit durch die gemeinsame Nutzung von GPS- und Galileo-Messungen (auch lediglich im Zweifrequenz-Modus) eine deutliche Verbesserung. Abb. 14: Beispiel für die Verbesserung des geometrisch bedingten Positionsfeh- lers (PDOP: position dilution of precision, bezieht sich auf 3D-Koordinate). Links die gegenwärtige Situation mit alleiniger Positionierung über GPS, rechts die Situation bei Positionsbestimmung mit GPS und Galileo. Diese Tatsache macht sich unmittelbar in den erzielbaren Erfolgsraten bei der geometriebasierten Mehrdeutigkeitsfixierung bemerkbar, die bei kürzeren Ba- sislinien sehr stark ansteigt; siehe dazu bspw. [12] und [13]. Bei längeren Basis- linien verliert sich der Vorteil wegen der höheren Dominanz der atmosphäri- schen Refraktion, die nach wie vor ein Problem bleibt. 4.3.2 Fixierung mit Signalen auf drei Frequenzen Die Verfügbarkeit von mindestens drei Signalen eröffnet neue Möglichkeiten der geometriefreien Mehrdeutigkeitsbestimmung, die für die kinematische Posi- tionierung hochgradig relevant sind. Das Konzept ist unter der Abkürzung TCAR (Triple Carrier Phase Ambiguity Resolution) bzw. allgemein MCAR (Multiple Carrier Phase Ambiguity Resolution) bekannt und kann kurz folgen- dermaßen zusammengefasst werden; siehe auch [16]: Zunächst wird zwischen den beiden Signalen, deren Frequenzen am engsten beieinander liegen, eine sog. „Super Wide Lane“ (spezielle Linearkombination, die sich aus der Subtraktion der Phasen auf den zwei betrachteten Frequenzen ergibt) gebildet, die eine be- sonders hohe Wellenlänge aufweist und damit aus der Kombination von Stre- 20
cken- und Trägerphasenmessungen sehr schnell - bei geringem Mehrweg-Fehler sogar instantan - festgesetzt werden kann. Anschließend wird auf die „Wide La- ne“ übergegangen. Sind deren Mehrdeutigkeiten gelöst, erfolgt der letzte Schritt in Form der „Medium Wide Lane“. Konnten die Mehrdeutigkeiten all dieser Li- nearkombinationen bestimmt werden, so können die Mehrdeutigkeiten der Ori- ginalträgerwellen auf einfache Weise ermittelt werden. Für GPS ergibt sich folgende Aufstellung; siehe auch [17]: Als „Super Wide Lane“ käme L2-L5 zur Anwendung mit einer virtuellen Wellenlänge von 5,86 m, gefolgt von der bisher bereits genutzten „Wide Lane“ L1-L2 mit der Wellenlänge von 0,86 m. Schließlich kann noch L1-L5 mit einer Wellenlänge von 0,75 m ge- bildet werden. Auf Grund des höheren Rauschniveaus dieser Linearkombinatio- nen im Vergleich zu den Originalsignalen kann in der Praxis nicht grundsätzlich mit einer instantanen Mehrdeutigkeitslösung gerechnet werden, aber es besteht die realistische Chance einer schnellen Lösung, ggf. auch über die Kombination geometriefreier mit geometriebasierten Methoden. Im Galileo-Fall kann von folgender Kaskade ausgegangen werden: Kann die „Super Wide Lane“ nur über E6-E5a gebildet werden, so ergäbe sich eine virtuel- le Wellenlänge von 2,93 m, bei Verwendung von E6-E5b immerhin 4,19 m. Die „Wide Lane“ folgt mit L1-E6 (Wellenlänge: 1,01 m) und die „Medium Wide La- ne“ schließlich mit L1-E5a (Wellenlänge: 0,75 m) bzw. L1-E5b (Wellenlänge: 0,81 m). Da zunächst nicht von einer kompletten Nutzung des E5ab-Breitbandsignals ausgegangen werden kann, gestaltet sich das Dreifrequenzverfahren mit GALI- LEO geringfügig ungünstiger als mit GPS. In jedem Fall ist die Nutzung des kommerziellen E6-Signals notwendig, wohingegen die GPS-Nutzung insgesamt unentgeltlich bleiben wird. 5 Abschließende Bemerkungen Die Entwicklung des weltraumbasierten Navigationssystems GALILEO stellt eine enorme technologische und finanzielle Herausforderung für Europa dar. Auf der anderen Seite ist jedoch eine erhebliche Steigerung der Leistungspara- meter (Genauigkeit, Verfügbarkeit, Integrität, Kontinuität) der Satellitennaviga- tion für fast alle Anwender zu erwarten. Viele Anwendungen von GPS, die zur- zeit noch gewissen Beschränkungen unterliegen, werden in Zukunft durch zu- sätzliche GALILEO Satelliten wesentlich besser möglich sein als dies heute der 21
Fall ist. Die kompatible Verwendung der L1 Frequenz für GPS und GALILEO ist eine gute Nachricht für die Hersteller von Massenmarktempfängern, da beide Systeme mit gleicher Antenne und gleichem Front-End empfangen werden kön- nen. Unterschiede in den Signalen haben nur Auswirkungen auf den Digitalteil, was jedoch relativ unkritisch ist. Auch hochpräzise Anwendungen werden, ne- ben einer generell verbesserten Geometrie bei kombinierter Auswertung, durch Verwendung von 3 Signalen und mehr von einer schnelleren bzw. robusteren Mehrdeutigkeitsfixierung profitieren, auch wenn das Problem der atmosphäri- schen Refraktion bestehen bleibt, regionale Netzwerke insofern also weiterhin von Bedeutung bleiben werden. Literatur [1] European Commission: Galileo, Involving Europe in a New Generation of Satellite Navigation Services, Communication 54, Brüssel, 9. Februar, 1999. [2] Belgian EU Presidency, European Council of Laeken: Precidency Conclu- sions, No. 33, Laeken, 14.-15. Dezember 2001. [3] Alenia, Alcatel, Dornier Satellitensysteme, Matra Marconi Space: GNSS-2 Comparative System Study, Final Presentation, Noordwijk, December 7th, 1999. [4] Alenia Spazio: GalileoSat Definition Study, Final Presentation, Noordwijk, March 22 th, 2001. [5] Price Waterhouse Coopers: Inception Study to Support Development and Business Plan for the GALILEO Programme, Executive Summary, TREN/B2/23-2001, 20 November, 2001. [6] Kommision der Europäischen Gemeinschaften: Zwischenbericht über das Programm GALILEO, Faktenbericht auf Ersuchen des Rates (Verkehr) vom April 2001, Brüssel, 05.12.2001. [7] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Deutschland unterstützt die Entwicklung der europäischen Sattelitennavigation, Presse- mitteilung, Nr.: 054/02, Berlin, 27. Februar 2002. [8] Europäische Kommission Generaldirektion Energie und Verkehr: GALI- LEO, Unverzichtbar für Europa, Information, Brüssel, 2001 [9] Weber, T., Trautenberg, H. L., Schäfer, Chr.: Galileo System Architecture – Status and Concepts, Proceedings ION GPS 2001, Salt Lake City. [10] Benedicto, J., Dinwiddy, S. E. , Gatti, G., Lucas, R. Lugert, M., GALILEO : Satellite Design and Technology Developments, European Space Agency, Noordwijk, November 2000. 22
[11] Hein. G.W., Godet, J., Issler, J.-L., Martin, J.-Chr., Lucas, R., Pratt, T., The GALILEO Frequency Structure and Signal Design, Proceedings ION GPS 2001, Salt Lake City. [12] Eissfeller, B., Tiberius, Chr., Pany, Th., Biberger, R., Heinrichs, G.: Real- Time Kine-matic in the Light of GPS Modernization and Galileo, Proceed- ings ION GPS 2001, Salt Lake city. [13] Teunissen, P.: An Optimality Property of the Integer Least-Squares Estima- tor, J. Geod., Vol. 73, pp. 587-593. [14] Schüler, T., M. Irsigler, E. Krueger, and G. W. Hein: GALILEO - Das Satel- litennavigationssystem Europas und sein Nutzen für die Hydrographie, Bei- träge zum 64. DVW-Seminar und zum 20. Hydrographentag 2005, 6.-8. Juni 2005, Wilhelmshaven, Schriftenreihe des DVW, Band 47/2005, ISBN 3- 89639-480-0, S. 81-103, Wißner-Verlag [15] Avila-Rodriguez, J.A., Hein, G. W., Irsigler, M. and Pany, T.: Combined Galileo/GPS Frequency and Signal Performance Analysis, Proceedings of the International Technical Meeting of the Satellite Division of the Institute of Navigation, ION GNSS 2004, September 21-24, 2004, Long Beach, Califor- nia [16] Forssell, B.; Martin-Neira, M.; Harris, R. A.: Carrier Phase Ambiguity Resolution in GNSS-2; Proceedings of the ION GPS-97, 10th International Technical Meeting of The Satellite Division of The Institute of Navigation, Kansas City Convention Center, Kansas City, Missouri, September 16-19, 1997, S. 1727-1736 [17] Werner, W.; Winkel, J. O.: TCAR and MCAR Options With Galileo and GPS; Proceedings of GPS ION 2003, 9.-12. September 2003, Portland, Ore- gon, USA, S. 790-800 WWW-Links European Union: www.europa.eu.int European Space Agency: www.esa.int Galileo: www.galileo-pgm.org GENESIS: www.genesis-office.org Galileo Joint Undertaking: www.galileoju.com The White House: www.whitehouse.gov/news/releases 23
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