Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo - Status und Systemdefinition

Die Seite wird erstellt Kristina Beck
 
WEITER LESEN
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo - Status und Systemdefinition
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

           Das Europäische Satellitennavigationssystem
           Galileo – Status und Systemdefinition

           T. Weber, K Strodl, C. Schäfer, EADS Astrium GmbH, München

1    Einleitung
           Die Satellitennavigation spielt in zunehmendem Maße eine wesentliche Rolle in allen Berei-
           chen der Mobilität in unserer Gesellschaft sowie bei der Verarbeitung räumlicher und raum-
           gebundener Informationen. Mit dem US-amerikanischen, militärischen GPS System und
           dem russischen, ebenfalls militärisch kontrollierten System GLONASS existieren derzeit zwei
           Systeme, mit denen in der jüngeren Vergangenheit umfangreiche Erfahrungen im Umgang
           mit satellitengestützter Positionierung und Navigation gesammelt werden konnten. Dabei
           hat sich eine Fülle möglicher Anwendungsgebiete herausgebildet.
           Basierend auf den positiven Erfahrungen und unter Berücksichtigung der Unzulänglichkei-
           ten der bestehenden Systeme wurde das Interesse an einem eigenständigen, zivilen und
           zertifizierbaren Satellitennavigationssystem geäußert. Nach Abschluß einer einjährigen Vor-
           Definitionsphase wurde daher Anfang 2001 ein neues europäisches Satellitennavigations-
           projekt names Galileo beschlossen. Die vorangegangene Definitionsphase umfasste zwei
           wesentliche Definitionsstudien: GalileoSat für das Raumsegment und GALA für die Archi-
           tektur des Gesamtsystems. Diese beiden Studien wurden in einer Kooperation von etwa 30
           der wichtigsten europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmen erarbeitet. Zur Zeit werden
           im Rahmen der Galileo Phase B2 Studie die Ergebnisse der beiden Studien konsolidiert, zu
           einer einheitlichen Systemdefinition zusammengeführt und mit dem Ziel weiterentwickelt,
           die für den Beginn der Phase C/D notwendigen Spezifikationen zu erstellen.
           Mit Galileo wird ab 2008 weltweit eine europäische Infrastruktur zur Verfügung stehen, die
           Europa sowohl in strategischer als auch kommerzieller Hinsicht von den USA unabhängig
           machen wird. Die Galileo Satelliten werden unabhängig von GPS arbeiten, aber beide Syste-
           me werden kompatibel und interoperabel sein. Das heisst, beide Systeme können gleichzei-
           tig verwendet werden, was für den Nutzer den Vorteil erhöhter Verfügbarkeit, Redundanz
           und besserer Positionierungsgeometrie mit sich bringt.

2    Galileo Dienste
           Allein auf dem Raumsegment basierend, wird Galileo die vier folgenden grundlegenden
           Navigationsdienste bzw. Gruppen von Navigationsdiensten anbieten:
              • den sog. Open Service,
              • eine Gruppe von sog. Commercial Services,
              • den sogenannten Safety-of-Life Service und
              • einen sogenannten Public Regulated Service.
           Zusätzlich zu diesen Basisdiensten unterstützt Galileo
              • einen im Zusammenhang mit den Navigationsdiensten implementierten Search-and-
                Rescue (SAR) Dienst, der mit dem existierenden COSPAS/SARSat System koordiniert
                sein wird,
              • außereuropäische Integritätssysteme,
              • die kombinierte Anwendung von Galileo und anderen Navigationssystemen, insbe-
                sondere GPS und
              • kombinierte Dienste, in denen Navigation basierend auf Galileo ein Bestandteil sein
                wird.

18
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo - Status und Systemdefinition
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

              Die Implementierung einer systemeigenen Kommunikationsnutzlast auf den Galileo Satelli-
              ten wurde in einer Kosten-Nutzen-Analyse untersucht und für die erste Satellitengeneration
              verworfen.
              Zur Förderung spezieller Anwendungen mit erhöhten Anforderungen an Positionierungs-
              und Navigationsgenauigkeit, Integritätsinformation (z.B. niedrige Time-to-Alarm) und lo-
              kale Verfügbarkeit, unterstützt Galileo verschiedene lokale Dienste. Dies sind sogenannte
              Local Component Demonstrators für
                    • einen Local Precision Navigation Service,
                    • einen Local High-Precision Navigation Service,
                    • einen Locally-Assisted Service und
                    • einen Local Augmented-Availabilitiy Service für erhöhte Verfügbarkeit
              und sind Bestandteil von Galileo [2].
              Für den Open Service, die Commercial Services und den Safety-of-Life Service werden diesel-
              ben Signale genutzt. Alle diese Dienste werden durch mindestens zwei nicht verschlüsselte
              Rangingsignale in zwei verschiedenen Frequenzbändern ausgestrahlt. Die Dienste unter-
              scheiden sich dabei in den unterschiedlichen Informationen, die in freien Bereichen der auf
              die Signale aufmodulierten Navigationsnachricht mitverteilt werden.
              Eine dritte Frequenz für die Anwendung von sog. Three Carrier Ambiguity Resolution
              (TCAR) Techniken für hochgenaue Positionierung bei Realtime Kinematic Anwendungen
              wird ebenfalls zur Verfügung gestellt.
              Im folgenden werden die verschiedenen Dienste genauer erläutert, um einen Überblick
              über die Anwendungsmöglichkeiten von Galileo zu geben. Dabei basieren die Zahlenanga-
              ben zu den Leistungsparametern auf die Angaben in den Grundlagendokumenten [1] und
              [2] und spiegeln den momentanen Stand der Definition der Dienste wieder. Die Werte sind
              jedoch vorbehaltlich weiterer Veränderungen durch die Konsolidierungs- und Definitions-
              aktivitäten der momentanen und kommenden Projektphasen zu verstehen.

              2.1 Open Service (OS)
              Der Open Service von Galileo zielt auf den Massenmarkt und seine Anwendungen und ist
              daher für jedermann frei zugänglich. Er kann von jedem Nutzer, der mit einem geeigneten
              Ein- oder Mehrfrequenzempfänger ausgestattet ist, ohne Nutzungsgebühren verwendet
              werden. Der OS ermöglicht weltweit Positionierung, Navigation und Frequenz- und Zeitbe-
              stimmung, basierend auf Ranging-Signalen, der Phaseninformation der Trägerfrequenzen
              und der Navigationsnachricht, die auf den Trägerfrequenzen von Galileo ausgestrahlt wer-
              den.
              Die wesentlichsten Leistungsparameter des OS sind in Tabelle 1 zusammengefasst, wobei
              alle Zahlenwerte mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% angegeben werden.
              Der OS stellt keine vom System selbst bestimmte Integritätsinformation zur Verfügung. Der
              Nutzer kann diese Integritätsinformation jedoch mittels sog. Receiver Autonomous Integrity
              Monitoring (RAIM) Techniken selbst bestimmen.

              2.2    Commercial Services (CS)
              Bestimmte Anwendungen der Satellitennavigation benötigen zusätzlich navigationsbe-
              zogene Daten, wie beispielsweise geographische Karten, Geo-Datenbanken etc. oder
              zusätzliche Korrekturdaten zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Systems. Die kom-
              merziellen Dienste von Galileo erlauben es, solche zusätzlichen Daten zum frei verfügbaren
              OS hinzuzufügen und diese für kommerzielle Zwecke zu vermarkten.

                                                                                                      19
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo - Status und Systemdefinition
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

                                                Einfrequenz-Empfänger            Zweifrequenz-Empfänger

      Verfügbarkeit (global)                               99.5 %                            99.5 %

      Horizontale
                                                            15 m                               4m
      Positionierungsgenauigkeit
      Vertikale
                                                            35 m                               8m
      Positionierungsgenauigkeit
      Zeitbestimmungs-Genauigkeit
                                                            30 ns                             30 ns
      bezogen auf UTC
     Tabelle 1: Ausgewählte Leistungsparameter des Galileo Open Service für Ein- und Zweifrequenz-Empfänger

     Diese kostenpflichtigen, zusätzlichen Informationen werden ausschließlich über das Satel-
     litensignal verbreitet. Darin liegt einer der entscheidenden Vorteile dieses Verfahrens: Zur
     Nutzung der CS werden keine zusätzlichen Empfangseinheiten benötigt, auch die „Nicht-
     Satelliten“ Daten/Signale können über die herkömmlichen Satellitenreceiver ausgewertet/
     empfangen werden. Der Zugang zu diesen zusätzlichen Daten erfordert allerdings eine
     entsprechende Autorisierung, da sie durch eine Kodierung geschützt sein werden.
     Der CS liefert die gleiche Leistungsfähigkeit im Hinblick auf Positionierung, Navigation,
     Zeit- und Frequenzbestimmung wie der OS. Allerdings können diese durch die Verwendung
     von zusätzlichen Korrekturdaten, die über die CS zur Verfügung gestellt werden können,
     erheblich verbessert werden. Entsprechend zielen die CS im wesentlichen auf den kommer-
     ziell-professionellen Markt ab.
     Wie im Falle des OS kann auch der Nutzer der CS die Integrität der Positionslösung mittels
     RAIM Techniken bestimmen. Allerdings ist es auch vorstellbar bei entsprechender Nachfra-
     ge, die vom System für den Safety-of-Life Service bestimmte Integritätsinformation als zu-
     sätzliche kommerzielle Information im kompletten oder reduzierten Leistungsumfang zur
     Verfügung zu stellen.

     2.3   Safety-of-Life Service (SoL)
     Für sicherheitskritische Anwendungen stellt Galileo den sogenannten Safety-of-Life Ser-
     vice mit einer vom System selbst bestimmten Integritätsinformation für entsprechende
     Nutzergruppen zur Verfügung. Der Begriff „sicherheitskritisch“ meint Anwendungen, bei
     denen beispielsweise Menschenleben von der Navigation abhängen. Ein klassisches Beispiel
     sind Präzisionsanflüge und –landungen im Bereich der zivilen Luftfahrt. Deshalb steht der
     SoL nicht der Allgemeinheit, sondern nur entsprechenden Nutzergruppen ohne direkte
     Nutzungsgebühren zur Verfügung. Der SoL basiert wie die CS auf dem OS und stellt damit
     ebenfalls dieselbe Leistungsfähigkeit zur Verfügung. Die Leistungsparameter für die durch
     das Bodensegment bestimmte Integritätsinformation, sind in Tabelle 2 zusammengefaßt.
     Die Kontinuität beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass der Safety-of-Life Service für eine
     zusammenhängende Zeitspanne von 15 Sekunden nach Beginn einer Operation ununter-
     brochen zur Verfügung steht.
     Die horizontalen bzw. vertikalen Alarmlimits sind die maximal zulässigen Fehler in der Po-
     sitionslösung des Nutzers, bevor ein Alarm im System erzeugt wird. Die Alarmzeit gibt die
     Zeitspanne an, die maximal zwischen Eintreten eines Alarmzustands und der Anzeige des
     Alarms auf dem Nutzerdisplays vergehen darf. Das Integritätsrisiko ist die Wahrscheinlich-
     keit, dass während einer beliebigen kontinuierlichen Zeitspanne von 150 s der berechnete
     Positionsfehler die Alarmlimits überschreitet und der Nutzer nicht innerhalb der spezifizier-
     ten Alarmzeit informiert wird.

20
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo - Status und Systemdefinition
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

                           Verfügbarkeit                        99.5 %
                     horizontales Alarmlimit                     12 m
                       vertikales Alarmlimit                     20 m
                 Alarmzeit (Time-to-Alert, TTA)                    6s
                          Integritätsrisiko                3.5×10-7 / 150 s
                      Kontinuität über 15 s                    99.999%
              Tabelle 2: Integritäts-Leistungsparameter für den Galileo Safety-of-Life Service

              2.4    Public Regulated Service (PRS)
              Im Rahmen der momentan laufenden Studien wird die Bereitstellung eines sog. Public Re-
              gulated Service, eines Dienstes mit Zugangsregulierung durch und für staatliche Stellen,
              untersucht. Dieser Dienst soll im wesentlichen
                    • staatliche Anwendungen für die europäische und/oder nationale Sicherheit (z.B. Po-
                      lizei und Ordnungsdienste, Zivilschutz und Rettungsdienste, staatliche Aktivitäten),
                    • kritische Anwendungen auf den Gebieten Energieversorgung, Transportwesen und
                      Telekommunikation und
                    • wirtschaftliche und industrielle Tätigkeiten mit strategischem Interesse für Europa
              unterstützen. Diese Anwendungen müssen auch in Krisenzeiten (z.B. Naturkatastrophen,
              Bedrohung der europäischen und/oder nationalen Sicherheit) basierend auf dem PRS ge-
              währleistet werden.
              Der PRS unterliegt der Kontrolle durch die Europäische Union und die Regierungen ihrer
              Mitgliedstaaten. Er wird auf speziell reservierten Frequenzen zur Verfügung gestellt und
              basiert auf verschlüsselten PRS Ranging Codes und Navigationsnachrichten. Der Zugang
              zum PRS wird durch die Mitgliedsstaaten durch die Einrichtung geeigneter Zugangskont-
              rollmechanismen autorisiert und kontrolliert werden.

              2.5    Local Component Services
              Um die Anforderungen spezieller Anwendungen in Gebieten mit begrenzter räumlicher
              Ausdehnung zu erfüllen, ermöglicht Galileo lokale Dienste, die auf sog. Local Components,
              lokalen System-komponenten, basieren. Das Ziel dieser lokalen Dienste, die kein Bestandteil
              des Galileo Kernsystems sind, ist es, wo nötig,
                    • differentielle Korrekturdaten zur Verbesserung der Positionslösung und Navigati-
                      onsleistung sowohl im Falle von Code-basierten als auch Trägerphasenmessungen zu
                      bestimmen und zu verteilen,
                    • lokal bestimmte und gültige Integritätsinformation mit verbesserten Leistungspa-
                      rametern (z.B. Time-To-Alert von 1 Sekunde) zu be-stimmen und zur Verfügung zu
                      stellen,
                    • zusätzliche Informationen, um dem Empfänger die Signalauffindung und –auswer-
                      tung zu erleichtern, zur Verfügung zu stellen,
                    • Teile oder die gesamte Galileo Navigationsnachricht an den Empfänger zu übermit-
                      teln und so eine Entschlüsselung des Satellitensignals unnötig zu machen und
                    • zusätzliche Satellitensignale mittels Pseudolites zur Verfügung zu stellen, um lokal
                      die Verfügbarkeit zu erhöhen und die Qualität der Lösungsgeometrie (v.a. bezüglich
                      der vertikalen Komponente) zu verbessern.
              Lokale Komponenten bilden die Basis für die meisten kombinierten Dienste, in denen Na-
              vigation und andere Dienste, z.B. Telekommunikation, Informationstechnologien etc., mit-
              einander verbunden werden.

                                                                                                            21
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

           2.6 Unterstützung eines Search-and-Rescue (SAR) Dienstes
           Search-and-Rescue Dienste ermöglichen es ihren Nutzern auch abseits herkömmlicher
           Kommunikationssysteme, wie z.B. Mobilfunknetzen, in Notfallsituationen mittels eines
           speziellen Senders Notrufe abzusetzen. Diese werden über Satellit an eine Einsatzzentrale
           weitergeleitet, die dann entsprechende Rettungsaktionen einleitet. Wesentlich für eine
           erfolgreiche Rettungsaktion ist eine möglichst genaue Positionsinformation in Verbindung
           mit dem Notruf. Bei existierenden Systemen, wie z.B. COSPAS/SARSat, wird der Notruf durch
           einen sog. Beacon ausgelöst und auf einer Frequenz von 406 MHz ausgesendet. Dieser Not-
           ruf wird durch tieffliegende oder geostationäre Satelliten (sog. LEOs und GEOs) empfan-
           gen, die aus der Dopplerverschiebung des Signals eine Positionsinformation ableiten. Diese
           Information wird an das Bodensegment weitergeleitet. Diese Positionsinformation kann
           nun auch die Positionslösung eines Satellitennavigationsempfängers sein, der mit dem SAR
           Beacon gekoppelt ist.
           Galileo unterstützt einen SAR Dienst in enger Verbindung mit dem existierenden COSPAS/
           SARSat System. Es stellt auf Bodensegmentniveau eine Operationsschnittstelle zu COSPAR/
           SARSat her und unterstützt die momentanen und zukünftigen SAR 406 MHz Beacons. Die
           Unterstützung ist frei von direkten Nutzungsgebühren und unverschlüsselt. Zusätzlich zur
           Unterstützung der herkömmlichen SAR Funktionalität stellt Galileo eine spezielle Antwort-
           nachricht zur Verfügung. Diese informiert in einer Notsituation befindendliche Nutzer über
           die Galileo Navigationsnachricht vom Empfang ihres Notrufs und der erfolgten Einleitung
           einer Rettungsaktion. Voraussetzung dafür ist, dass der Nutzer nicht nur über einen SAR
           Sender, sondern auch über einen Galileo Empfänger verfügt.

           2.7   Bereitstellung der Galileo Dienste – Service Centres
           Die Bereitstellung der Dienste für die Nutzer ist die Aufgabe der sog. Service Centres.
           Dabei ist der Aufgabenbereich der Service Centres zweigeteilt. Zum einen haben sie die
           kommerziellen und vertraglichen Beziehungen mit sog. Service Providern zu unterhalten.
           Diese Service Provider stellen die direkte Schnittstelle zu den Nutzern von Galileo dar, sind
           aber nicht Bestandteil des Systems. Zum anderen garantieren die Service Centres die Leis-
           tungsparameter der entsprechenden Dienste und übernehmen für die Dienste, bei denen es
           vorgesehen ist, die Gewährleistung. Entsprechend sind die Service Centres den Bedürfnissen
           der einzelnen Dienste angepasst.

3    Galileo Signal- und Frequenzplan
           Jeder Galileo Satellit wird auf insgesamt vier Trägerfrequenzen Signale mit komplexen
           Strukturen abstrahlen. Um möglichst hohe Robustheit speziell für den Empfang in kriti-
           schen Umgebungen mit mobilen Empfängern zu gewährleisten, werden Breitband-Signal-
           konzepte implementiert. Jedes Signal stellt einen breitband ranging code dar, der aus einer
           pseudo-zufallsfolge von Nullen und Einsen besteht, die für jeden Satelliten individuell ist.
           Durch optimierte Code Sequenzen für alle Signale wird sicher gestellt, das die bestmögliche
           Korrelations-Performance unter allen Empfangsbedingungen erreicht wird.
           Um die Vielzahl der vorgesehenen Galileo Dienste global anbieten zu können, werden die
           Galileo Signale in den folgenden Frequenzbändern zur Verfügung gestellt, die für Satelli-
           tennavigationsdienste (RNSS, Radio Navigation Satellite Services) frei gegeben sind; siehe
           Abbildung 1.
           Zwei Frequenzbänder – von 1164 bis 1215 MHz und von 1260 bis 1300 MHz – wurden auf
           der World Radio Communications Conference 2000 (WRC 2000) in Istanbul für Galileo frei
           gegeben. Das dritte, für Galileo genutzte Band – von 1559 bis 1610 MHz – soll gemeinsam
           mit GPS genutzt werden. Diese gemeinsame Nutzung ermöglicht es, dass Galileo intero-
           perabel mit GPS sein wird, wodurch verbesserte Verfügbarkeit der Signale und Dienste für
           kombinierte Galileo und GPS Empfänger ermöglicht werden. Das Frequenzband von 5000
           bis 5010 MHz im C-Band ist vorgesehen für die Übertragung von Missionsdaten (Navigation
           und Integrität) zu den Satelliten.

22
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

              Abbildung 1: Für die Satellitennavigation allokierte Frequenzbänder und deren geplante Nutzung durch Galileo
              und existierende Systeme

4   GALILEO SYSTEMARCHITEKTUR
              Das Galileo System besteht aus einem Raumsegment und den entsprechenden Bodenein-
              richtungen, die die Bereistellung der Dienste und der Funktionalität zum Betrieb des gesam-
              ten Systems während der verschiedenen Betriebsphasen sicherstellen (siehe Abbildung 2).
              Einen allgemeinen Überblick über die Systemarchitektur von Galileo gibt [4].

              4.1    Das Raumsegment
              Das Raumsegment von Galileo besteht aus der Galileo Satellitenkonstellation und dem
              sogenannten Launch Service. Die Satelliten haben die Aufgabe, die Galileo Signale (Signal-
              in-Space, SIS) zu verteilen. Jeder der Galileo Satelliten strahlt vier Ranging Signale ab, die
              abhängig vom jeweiligen Signal und Dienst Ephemeriden, Uhrenparameter, Integritätsin-
              formationen und andere Daten enthalten.
              Die Basisdaten der Satelliten sind im folgenden zusammengefaßt:
                    • Masse:             625 kg
                    • Leistung:          1500 W
                    • Abmessungen: 2.7 x 1.2 x 1.1 m3
              Der Launch Service ist für den Transport der Satelliten in ihre vorgegebene Position beim
              Aufbau der Konstellation zuständig. Es können bis zu acht Galileo Satelliten gleichzeitig mit
              einer Ariane 5 gestartet werden.

                                                                                                                       23
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

     Abbildung 2: Überblick über das Galileo System

     Die Galileo Konstellation besteht aus 30 MEO (Medium Earth Orbit) Satelliten, die in drei
     Bahnebenen mit einer Bahnneigung von 56° und einer Bahnhöhe von 23616 km angeordnet
     sind. Pro Tag führen die Satelliten 1 2/3 Umläufe um die Erde aus, was einer Umlaufdauer
     von etwa 14,4 Stunden entspricht. Um diese Konstellation gegen Satellitenausfälle so un-
     empfindlich wie möglich zu machen, sind die Satelliten folgendermaßen angeordnet:
           • 27 der 30 MEO sind in einer sogenannten 27/3/1 Walker Konstellation angeordnet,
             d.h. in drei Bahnebenen à neun Satelliten. Die Satelliten sind innerhalb der Bahnebe-
             nen gleichmäßig mit einem Abstand von 40° verteilt und die Anordnung ist zwischen
             den Bahnen um jeweils 40°/3 verschoben.
           • Ein Satellit pro Bahnebene dient als aktiver Reservesatellit für eventuelle Ausfälle
             unter den neun anderen MEO Satelliten derselben Bahnebene (“aktiv” bedeutet in
             diesem Zusammenhang, dass der Reservesatellit die Navigationssignale genauso ab-
             strahlt wie die neun nominellen Satelliten in der Ebene. Beim Ausfall eines Satelliten
             nimmt er dann dessen Position ein).

     4.2    Das Bodensegment
     Das Bodensegment ist das wichtigste Segment von Galileo, da es die gesamte Galileo Kon-
     stellation kontrolliert und verantwortlich ist für die Bahnbestimmung der Satelliten, die
     Zeitsynchronisierung, sowie für die Bestimmung und den Uplink der Integritätsinformation.
     Die hierfür benötigen Informationen werden über ein globales Netzwerk von Galileo Sensor
     Stations erfasst. Zusätzlich unterstützt es den SAR Service und die Galileo Service Centres.
     Das Bodesegment von Galileo besteht aus folgenden Elementen (siehe Abbildung 3):
           • Einem Netzwerk von 30 Galileo Sensor Stations (GSS), das kontinuierlich Entfer-
             nungsmessdaten zu den Satelliten und andere stationsabhängige Daten sammelt.
             Jede GSS hat zwei Kanäle: einen für Navigation (Bahnbestimmung, Uhrensynchroni-
             sation und SISA Bestimmung) und einen für Integritätsbestimmung.
           • Zwei Galileo Kontrollzentren (GCC), die alle Kontroll- und Prozessierungs-
             einrichtungen enthalten.

24
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

              Abbildung 3: Überblick über das Galileo Bodensegment

                   • Einem Netzwerk von fünf Bodenstationen mit jeweils einer S-Band Antenne (Durch-
                     messer 11 m) für die Übertragung von Telemetrie- und Telekommandos (TT&C).
                   • Einem Netzwerk von neun sogenannten Mission Uplink Stations (ULS) mit insgesamt
                     26 Antennen (Durchmesser 3 m) für die Übertragung der Navigations- und Integrity
                     Daten zu den Satelliten. Dieses Netzwerk ist robust gegen den Ausfall einer einzel-
                     nen Antenne, einer ganzen Station bzw. eines Satelliten.
                   • Ein globales Kommunikationsnetzwerk, das die einzelnen Elemente des Bodenseg-
                     ments miteinander verbindet.
              Die beiden GCC bilden das Kernstück des Bodensegments und beinhalten jeweils:
                   • eine Satellite Control Facility (SCF), welche für die Steuerung und Überwachung aller
                     Galileo Satelliten sowie das multiplexen der TT&C und Navigationsdaten zuständig
                     ist.
                   • eine Mission Control Facility (MCF), verantwortlich für die Überwachungs aller missi-
                     onsrelevanten Daten und Elemente (OSPF, IPF, PTF) und der aktuellen Systemperfor-
                     mance (inklusive der Erstellung von Performance-Vorhersagen und weitergehenden
                     offline-Analysen der GSS Messdaten).
                   • eine Ground Assets Control Facility (GACF), verantwortlich für die technische Echt-
                     zeit-Überwachung und -Kontrolle alle Elemente des Bodensegments und für die Da-
                     tenarchivierung.
                   • eine Message Generation Facility (MGF), verantwortlich für das Multiplexing aller
                     Nachrichten, die innerhalb des GCC generiert werden (Navigation und Integrity) be-
                     ziehungsweise von externen Quellen stammen (SAR, externe, regionale Integritäts-
                     daten), zu einem einheitlichen Datenstrom, der dann über die ULS an die Satelliten
                     geschickt wird.
                   • eine Orbitography and Synchronisation Processing Facility (OSPF), die alle Parameter
                     bestimmt, die für die Navigationsnachricht benötigt werden, das heisst für: Date-
                     nakquisition von den GSS, Bestimmung von Satellitenorbits und Uhrenparametern,
                     Berechnung von Ephemeris-Daten und Vorhersagen über die Genauigkeiten der Sa-
                     tellitenuhren, sowie Bestimmung der Signal-in-Space Accuracy (SISA).
                   • eine Integrity Processing Facility (IPF) hat die Aufgabe, aus den Messdaten der GCC
                     in Echtzeit den Integritätsstatus des Systems zu ermitteln und in Form von sogenann-
                     ten Integrity Flags dem Nutzer zur Verfügung zu stellen.

                                                                                                        25
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

              • eine Precision Timing Facility (PTF), welche die Galileo Systemzeit (Galileo System
                Time, GST) bestimmt und sie gegenüber der internationalen Atomzeit TAI reguliert.
                Dabei bestimmt die PTF die Differenz zwischen GST und TAI, die für die Bereitstel-
                lung von Zeitinformationen für die Nutzer, z.B. Transfer von UTC, von Bedeutung ist.
              • mehrere Key Management Facilities (KMF), die für die Verteilung der Zugangsschlüs-
                sel im System und für spezielle Aspekte des PRS verantwortlich sind.
              • eine Service Product Facility (SPF), die die Schnittstelle zu den externen Nutzern dar-
                stellt. Insbesondere ist sie zuständig für die Nutzerautorisierung und Datenarchivie-
                rung sowie für die Bereitstellung der Verbindung zum Bodensegment von COSPAS/
                SARSAT.
          In Abbildung 4 ist die geographische Verteilung der GCC, GSS, ULS und TT&C Stationen ge-
          zeigt.

          Abbildung 4: Geographische Verteilung der Elemente des Galileo Bodensegments

5    Abschliessende Bemerkungen
          Galileo wird einer Fülle von Anwendungen und Anwendungsbereichen ermöglichen, die
          Vorteile satellitengestützter Positionierung, Navigation und zeitlicher Synchronisierung für
          sich zu nutzen. Neue Anwendungsbereiche und Einsatzmöglichkeiten für satellitengestütz-
          te Navigation werden sich aus der angestrebten hohen Genauigkeit und Zuverlässigkeit des
          Systems ergeben, die mit den bisher existierenden Systemen nicht oder nur eingeschränkt
          möglich waren.
          Der Hauptvorteil aus Galileo ergibt sich durch die Kombinierbarkeit mit anderen existie-
          renden Satellitennavigationssystemen. Die nahezu doppelte Anzahl an Satelliten erhöht
          die Verfügbarkeit besonders in kritischen Empfangsumgebungen (z.B. inner-städtischer
          Bereich) und verbessert die Positionierungsgeometrie und damit die Genauigkeit der Po-
          sitionierungslösung. Darüber hinaus wird die Möglichkeit redundanter Beobachtungen
          erhöht.

26
Das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo – Status und Systemdefinition

              Während bestehende Systeme wie GPS oder GLONASS zur Bestimmung der Integrität der
              von ihnen zur Verfügung gestellten Information und der daraus abgeleiteten Positionslö-
              sungen auf sogenannte Overlay Systeme (EGNOS oder WAAS) angewiesen sind, wird Gali-
              leo erstmals die systemeigenen Anteile an der Integritätsinformation selbst bestimmen und
              zusammen mit der Navigationsnachricht zur Verfügung stellen. Der Nutzer erhält somit die
              Möglichkeit eine Zuverlässigkeitsaussage über die erreichte Genauigkeit seiner Navigation-
              lösung zu erhalten – und das in einem Zeitrahmen, der ihm eine angemessene Reaktionszeit
              und damit ein erhöhtes Maß an Sicherheit einräumt.

6   Referenzen
              [1] European Commission (2003):
                         Galileo Mission Requirements Document, issue 5, 27.03.2003.

              [2] European Space Agency (2003):
                         Galileo System Requirements Document, issue 3, ESA-APPNS-REQ-00011,
                         20.06.2003.

              [3] European Commission (2000):
                         Galileo Definitions, issue 3, GALA-DD092, November 2000.

              [4] Galileo Industries (2003):
                            Galileo System Architecture Executive Summary, issue 6,
                            RPT/GAL/0109/GLI, 04.09.2003.

                                                                                                     27
Sie können auch lesen