Das Konzept der "Pflegeoase" für Menschen mit schwerer, fortgeschrittener Demenz - Silvia Silva Lima, Leiterin Demenzstation Pflegezentrum ...

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Silvia Silva Lima, Leiterin Demenzstation Pflegezentrum Erlenhof Zürich
     Dr.Christoph Held, Leitender Arzt, Stadtärztlicher Dienst Zürich

                                   -
                   Das Konzept der „Pflegeoase“
      für Menschen mit schwerer, fortgeschrittener Demenz
Was bedeutet schwere Demenz für die Betroffenen und ihre
                         Angehörigen ?

•   Schwere funktionelle und körperliche Regression mit umfassender
    Pflegebedürftigkeit

    Schwere Störungen der Motorik und Bewegungskoordination

•   Verbale Kommunikation bei vollständiger Aphasie kaum mehr
    möglich

•   Verhaltensstörungen wie Rufen, Schreien, Hin- und Herbewegen
    sind häufig Ausdruck basaler Bedürfnisse wie Hunger, Durst,
    Ausscheidung oder Schmerzen

•   Betroffene sind Aussenreizen wie z.Bsp. TV, Radio, lauten
    Stimmen schutzlos ausgeliefert
Welches sind die Aufnahmekriterien in einer „Pflegeoase“ ?
•   Diagnose einer fortgeschrittenen Demenz (MMS
Persönliche Erfahrungen in den Pflegeheimen Sonnweid Wetzikon,
          Seeblick Stäfa, Pflegezentrum Bombach 1990 - 2007

•   Keine unnötigen Transfers im Heim:
    Pflege und basale Bedürfnisse im gleichen funktionsgerechten
    Raum evtl. mit anderen MitbewohnerInnen zusammen
    führte zu einer Beruhigung ängstlicher, irritierter und
    selbstverlorener Patienten

•   Gezielte, sinnbetonte Umgebungsgestaltung mit Farben und
    Formen, Wärme, Licht, Düften, leises Sprechen, Klängen, Mobiles,
    Musikdosen, Stofftieren
    führte zu einem Gleichgewicht von Reizanflutung und
    Reizabschirmung
Persönliche Erfahrungen in den Pflegeheimen Sonnweid Wetzikon,
          Seeblick Stäfa, Pflegezentrum Bombach 1990 - 2007

•   Letzte Geh-, Greif- und Bewegungsversuche konnten mit
    gezielten Behandlungen (Basale Stimulation, Kinästhetik) besser
    begleitet und aktiviert werden als auf der Abteilung

•   Eine angepasste Nahrungsaufnahme (z. Bsp. süsse pürierte Kost
    mehrmals am Tag) mit vorgängiger Stimulation (z. Bsp. Riechen
    von Essenzen oder Massage der Kaumuskulatur) führte zu weniger
    Nahrungsverweigerung, weniger Aspiration und stabilem Gewicht
Pflegeoasen sind keine Neuerfindungen
                 “Low stimulus care units” (Hall et al. 1986)

•   Rational:
    Nursing units are characterised by unending spaces and stimuli that can be
    overwhelming to the AD client with diminished stress threshold.

    Proposed features:
•   chairs, that invited the demented patient to rest for short periods

•   eating groups limited to three or four residents in their own room rather
    than a congregate setting

•   decreased disturbing stiumuli : mirrors and artwork

•   decreased aural stimuli: public address systems, telephones and television
    sets.

•   'time-out' periods twice daily in low stimulus units, usually mid-morning and
    mid-afternoon,
Einfache milieutherapeutische Strategien im Heim:
    Pflegeoase als „Low Stimulus Environment“:

Mehrere (3-6) BewohnerInnen leben in gleichem Raum

Der Wohnraum ist eine Liegewelt mit Sofas und Kissen, Farben
und Formen, Wärme, Lichteffekten, Düften und dosierten
Geräuschen (leises Sprechen, spezifische Musik, Verbannen von
Radio/TV

Visuellen Reizen wie z. Bsp. Mobilés, Wassersäulen, Lichtspiele

Demenzspezifische Behandlungstechniken:
Basale Stimulation, Kinästhetik, Massagen, PT

Differenzierte Schmerzerfassung und Schmerz-Behandlung

Spezifisches Verpflegungsangebot
Reaktionen des Kuratorium Deutsche Altershilfe (Pro Alter 03/2002)

•     Gefährliche Attraktivität

•     Problematisch und nicht beispielgebend

•     Würdevolle und individuelle Behandlung nicht gewährleistet

•     Lebensqualität für Schwerstpflegebedürftige in krasser Weise
      widersprochen

•     Vorstufe zum Fegefeuer
Pflegephilosophie und Leitbild der „Pflegeoase“

•   Palliative Behandlung

•   Relatives Wohlbefinden als Definition der Lebensqualität

•   Der Verlust von Selbstkontrolle Bewohner muss kompensiert
    werden
    unter Berücksichtigung deren Sicherheit
    aber auch deren Respekt und deren Würde.
Pflegephilosophie und Leitbild

•   Menschen mit schwerer Demenz müssen sowohl vor
    Reizüberflutung und Überforderung als auch vor Isolation und
    Vereinsamung geschützt werden.

•   Sterben schwerstdementer Bewohner ist nicht nur ein
    medizinischer Vorgang, sondern ist ein bedeutsames Ereignis auf
    dem zu Ende gehenden Lebensweg

•   Dieser umfassende Prozess schliesst Angehörige, Pflegende und
    Mitbewohner mit ein.
Pflegeziele
•   Basale Bedürfnisse wie Hunger, Durst, volle Blase aber auch
    Schmerzen und vor allem das Bedürfnisse nach menschlicher
    Zuwendung müssen erkannt, festgehalten und gestillt werden.

•   Letzte Bewegungsversuche werden gezielt und beschützt begleitet.
    Sie dienen nicht nur dem Bewegungswunsch des
    Schwerstdementen, sondern sind Prophylaxe von Verspannungen,
    Kontrakturen, Wundliegen und Schmerzen.

•   Unterforderung und Vereinsamung wird durch stimulierende
    Pflegehandlungen sowie eine Sinnes anregende Umgebung
    entgegengewirkt.
Pflegeziele

•   Essen und Nahrungsaufnahme werden sowohl in ihrer Frequenz,
    Ablauf und Art der Nahrung angepasst
.
•   Schmerzen werden in ihrer Frequenz und Intensität sorgfältig
    erhoben und entsprechend behandelt.

•   Schmerzmittel werden vor den Pflegehandlungen oder dem
    Mobilisieren verabreicht.
Angebote und Pflegesoll
•   Grundpflege

•   Permanente Vermittlung von Erleichterung und Wohlbefinden
    - wohltuenden Lagerungen
    - basal stimulierenden Waschungen und Massagen
    - kinästhethisch begleitete Transfers auf Sofas
    - gezielte Bewegungen mit Geh- und Kriechversuchen.

•   Ständiges Erneuern einer stimulierenden und reizgeschützten
    Umgebung
    -   Düfte verbreiten
    -   Licht anpassen
    -   Musik dosieren
    -   Singen, leises Sprechen

•   Gespräche mit den Angehörigen
Anordnung von Betten, Sofas, Sitzgelegenheiten für Angehörige
Betriebsform:

•   Die Abteilung wird autonom oder teilautonom geführt. Ihr steht eine
    Stationsleiterin vor, welche den Tagesablauf, die Arbeitszeiten, die
    Betriebspläne selber organisiert.

•   Die Bewohner erleben wenige Transfers in andere Räume ausser
    in die Badewanne/Baderaum, welcher der Abteilung nahe
    angegliedert ist.

•   Vorbereitetes Essen und Zwischenmahlzeiten sind auf der
    Abteilung vorhanden (Kühlschrank) und können jederzeit von der
    Abteilung regeneriert werden.

•   Für spezielle Therapieformen (Physiotherapie, Musiktherapie etc.)
    können externe Therapeuten angefordert werden.
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