Das Magazin mit unternehmerischen Visionen - Editorial

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Ausgabe 4 – November 2014

Das Magazin mit unternehmerischen Visionen

Editorial                                     Der Spagat war dank aktueller Entwicklun-
                                              gen in den drei Landeskirchen und der
                                              ebenfalls staatlich anerkannten Israeliti-          Für einen Kirchenbund in guter
                 Roger Thiriet
                                              schen Gemeinde Basel keiner. Die Verfas-        2   Verfassung
                                              sungsreform, an welcher der Schweizeri-
                 Schriftleitung tribune
                                              sche Evangelische Kirchenbund zur Zeit
                 thiriet@bluewin.ch
                                              arbeitet, gibt Einblick in durchaus unterneh-
                                              merische Visionen, die der SEK mit seinen
                                              24 Kantonalkirchen durchdenkt; ähnlich wie
                                              der kreative Umgang der Basler Christka-
                                                                                              4   Und sie bewegt sich doch!

                                              tholiken mit ihren zu gross gewordenen
                                              Gebäuden. Die Gleichstellungsinitiative, die
                                              die Mitglieder der Römisch-Katholischen
«Religionen und Kirchen im Wandel» lau-       Kirchen beider Basel Ende September
                                                                                                  «Church is change!» – Das Wesen
tete einer der Vorschläge, den die tribu-     angenommen haben, wird aufgrund der             6   der Kirche ist Wandel
ne-Redaktionskommission nach einem            komplizierten Balance zwischen Landeskir-
Themen-Brainstorming als verfolgens-          chen und Rom in der Umsetzung zur Her-
wert protokollierte. Ein weites und hoch      ausforderung für Jurisprudenz wie Kurie.
interessantes Feld zweifellos in einer        Und unternehmerische Visionen sind
Epoche, in welcher die christlichen Kon-      sowohl von der Basler Kirchendirektorin             Drei Fragen an
fessionen in der alten Welt in die Defensi-   bei der Umnutzung denkmalgeschützter            7   Eva Herzog
ve geraten und der Islam von extremisti-      Sakralbauten als auch vom Präsidenten der
schen Gruppen instrumentalisiert wird.        kleiner werdenden jüdischen Glaubensge-
Doch wie diese Thematik aufbereiten in        meinschaft Basels gefragt.
einem Magazin, das im Untertitel «unter-      tribune hat dazu die aktuell kompetentes-
nehmerische Visionen» verspricht und          ten Autorinnen und Autoren gefunden. Ihre           IGB: Der Spagat zwischen
hauptsächlich von Juristinnen und Juris-      Beiträge versprechen Ihnen, geschätzte          8   Tradition und Moderne
ten gelesen wird? Und wie sie herunter-       Leserinnen und Leser, eine informative
brechen auf die Schweiz und die Region?       Lektüre.

Eine Publikation der Handelskammer beider Basel, der Advokatenkammer Basel und des Basellandschaftlichen Anwaltsverbands
                        mit grosszügiger Unterstützung der Jubiläumsstiftung La Roche & Co Banquiers
Für einen Kirchenbund in guter Verfassung

                                                   sion; es braucht Zeit und Geduld, aber           nach kundiger Fähigkeit der Unterschei-
                 Dr. h.c. Peter Schmid-Scheibler   auch Gestaltungsehrgeiz und den Willen           dung und der Entscheidung. Die Beschäf-
                 Vizepräsident des Rats des        zum unverstellten Blick in die Gegenwart.        tigung mit den Religionen wirkt anstren-
                 Schweizerischen Evangelischen                                                      gend. Der Ausweg in die Neutralität scheint
                 Kirchenbundes                     Wandel unserer Gesellschaft                      oft einfacher. Als Folge davon wird die
                 p.schmid-scheibler@bluewin.ch     Religionssoziologische Studien weisen Ver-       Religion in den Bereich des Privaten
                                                   änderungen nach, die weder alleine durch         gewiesen. Selbst die gestaltende Kraft des
                                                   die Kirchen verursacht wurden noch ihre          «Kulturprotestantismus» schwindet.
                                                   Wirkungen ausschliesslich in den Kirchen
                                                   entfalten. Sie machen sich nicht nur in der      Auch innerhalb der evangelischen Kir-
Die gesellschaftliche Entwicklung macht            Schweiz bemerkbar. Es handelt sich um            chen zeigen sich deutliche Veränderun-
auch vor der evangelisch-reformierten              Entwicklungen in Westeuropa. In andern           gen. Religiös ansprechbare Menschen
Kirche nicht Halt. Das Interesse an                Teilen der Welt lebten christliche Kirchen       stellen sich oft eine Art von «christ-
der Institution Kirche nimmt ab, die               schon immer oder seit langem unter nicht         licher Individualreligion» zusammen, sehen
Zahl der Austritte steigt seit Jahren. Der         vergleichbaren Voraussetzungen.                  Wert und Notwendigkeit der Institution
Schweizerische Evangelische Kirchen-                                                                Kirche nicht und nehmen bei Bedarf die
bund, Dachorganisation der Evangelisch-            Ein drastischer Traditionsabbruch zeigt          Dienstleistung einer ihnen als geeignet
reformierten Kirchen unseres Landes,               Auswirkungen auf die Kirchen. Die Zuge-          erscheinenden Person in Anspruch. Die
versucht dem Trend mit einer Revision der          hörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft         evangelisch-reformierten Landeskirchen
Kirchenverfassung entgegen zu wirken.              ist nicht mehr selbstverständlich. Der           sind in starker Weise den staatlichen
                                                   Besuch des Religionsunterrichtes in jun-         Strukturen entlang organisiert: Kirchge-
                                                   gen Jahren verhindert oft die Ahnungs-           meinde, Kantonalkirche. Die nationale
Schweizerischer Kirchenbund                        und Sprachlosigkeit über religiöse Fragen        Ebene wird allerdings im Unterschied
Der Schweizerische Evangelische Kir-               nicht. Bibelkenntnisse können selbst in          zum staatlichen Gefüge wenig beachtet.
chenbund (SEK), gegründet 1920, ist die            bescheidenem Ausmass nicht mehr vor-             Gerade bewusste Christinnen und Chris-
Stimme von mehr als zwei Millionen Pro-            ausgesetzt werden. Immer mehr Men-               ten führen für sich die freie Gemeinde-
testantinnen und Protestanten in der               schen verzichten auf einen religiös begrün-      wahl ein und fühlen sich nicht zwingend
Schweiz. Als Gemeinschaft der 24 Lan-              deten Glauben. Andere Weltreligionen             in ihrer Ortsgemeinde verwurzelt. Natür-
deskirchen, der Evangelisch-methodisti-            gewinnen in Westeuropa an Bedeutung.             lich gibt es die traditionelle Kerngemein-
schen Kirche und der Eglise Evangélique            Religiöser Pluralismus ruft eigentlich           de noch immer. Es ist aber offensichtlich:
Libre de Genève setzt er sich in Wort und
Tat auf der Basis des biblischen Evangeli-
ums für die Achtung christlicher Werte in
der Gesellschaft ein. 74 von den Mitglied-
kirchen entsandte Persönlichkeiten bil-
den die Abgeordnetenversammlung und
ein siebenköpfiger Rat wirkt als Exekuti-
vorgan.

Gegenwärtig arbeitet der SEK an einer
neuen Verfassung. Die Verfassung ist das
grundlegende Regelwerk des Kirchen-
bundes. Ausgangspunkt ist die Hoffnung,
dass der christliche – evangelische –
Glaube nicht nur Zukunft hat, sondern
sinnstiftender Teil der Zukunft ist. Mit
Zuversicht und Gestaltungsfreude suchen
wir nach Antworten auf die drängenden
Fragen, die eine sich offensichtlich verän-
derte religiöse Landkarte der Schweiz
stellt. Auch beim SEK führt ein demokra-           Im Augenblick leider keine Seltenheit in Kirchenräumen: leere Bänke
tischer Prozess zu einer Verfassungsrevi-          Bild: Gebrüder Hauser Kirchengestühl

2
Die Kirchen der nahen Zukunft werden          nen Megatrends rufen nach einer Erkenn-       wirtschaftlichen Themen äussert sich der
kleiner, «ärmer», stärker von individuel-     barkeit des evangelisch-reformierten          Kirchenbund; wo es nötig ist, bezieht er
len Wünschen herausgefordert. Die Kir-        Glaubens. Dazu braucht es synodale Pro-       Stellung – evangelisch begründet, theolo-
chenmitglieder werden flexibler, wähleri-     zesse, die über die Region hinauswirken.      gisch klar und politisch klug. Er verleiht
scher, organisieren sich «freier».            Die alte schweizerische Tradition, wonach     seine Stimme jenen, denen Unrecht wider-
                                              alles von Kanton zu Kanton verschieden        fährt und die selber in der Öffentlichkeit
Anfragen an die «gottlose» Gesellschaft       ist, steht in einem krassen Spannungsfeld     kein Gehör finden.»
Eine entscheidende Frage vor dem Hinter-      zur heutigen medialen Kommunikations-
grund der beschriebenen Entwicklungen         welt. Dabei geht es weder um die Schaf-       Die wohlformulierte Zielsetzung kann
lautet: Wird dadurch unsere Gesellschaft      fung einer Zentralmacht, noch um die          nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kir-
gerechter, friedlicher und im Umgang mit      Einführung einer übereifrigen Regelungs-      che und Wirtschaft ein eher distanziertes
den Menschen in allen Lebenslagen sorg-       wut. Eine zeitgemässe evangelisch-refor-      Verhältnis pflegen. Auch hier wirken sich
fältiger? Wird unsere Kultur reicher? Führt   mierte Kirche lebt weiterhin von Freiheit     die erwähnten Megatrends aus, dazu kom-
die reine Bezogenheit des Menschen auf        und Vielfalt, aber ein benennbarer Rah-       men subtile bis grobe Vorurteile auf beiden
sich selber zu mehr Humanität? Christin-      men ist für jede Gemeinschaft unentbehr-      Seiten. Wer wirtschaftlich erfolgreich ist,
nen und Christen sind da skeptisch.           lich, sonst droht Beliebigkeit und Belang-    gerät in Verdacht, unethisch zu handeln –
Ein biblisch begründeter Hoffnungsüber-       losigkeit.                                    wer ethische Ansprüche an die Wirtschaft
schuss erscheint ihnen glaubwürdiger.                                                       anmeldet, versteht angeblich nichts von
Weil christlicher Glaube nicht Privatbesitz   Reformiert reformieren                        Ökonomie. Beziehungen, die stark auf Vor-
ist, wollen sie ihn teilen. Und genau dazu    Evangelische Kirchen kennen durchaus          urteilen beruhen, sind freudlos und bedau-
braucht es «kirchliche Orte».                 eigenständige Entwicklungen, die meiner       erlich wenig kreativ. Ich drücke es altmo-
                                              Meinung nach nicht verhandelbar sind. Da      disch aus: Eine Volkskirche behält die
Eine evangelische Kirche in der Schweiz?      wäre die synodale-demokratische Struk-        Volkswirtschaft im Blick. Gesucht ist auch
Die geschilderten Entwicklungen rufen         tur zu nennen und somit die strikte demo-     hier, was letztlich den Menschen und der
für mich nach einem Zusammenrücken            kratisch legitimierte Beauftragung in         Menschenwürde dient. Dabei geht es nicht
der reformierten und der weiteren evan-       kirchliche Ämter. Unverhandelbar ist die      ausschliesslich um die Menschen in unse-
gelischen Kirchen in der Schweiz. Es          Gleichstellung von Frau und Mann und          rer Region, sondern ebenso um die uns
braucht definierte Orte des gemeinsamen       damit die Frauenordination. Wichtig ist mir   unbekannten Menschen im weitverzweig-
Nachdenkens und des Feierns. Eine deut-       darüber hinaus die differenzierte, liberale   ten Netz einer international wirkenden
lich zugenommene Erklärungsnotwen-            Haltung in gesellschaftlichen Fragen, wie     Wirtschaft. Die kritische Nachfrage nach
digkeit des christlichen Glaubens bedeu-      zum Beispiel die gleichgeschlechtliche        ethischen Werten im Wirtschaftsleben
tet eine grosse Herausforderung. Die          Partnerschaft. Mir liegt sehr viel an         gehört zu den Aufgaben einer lebensbeja-
Ansprüche steigen und können häufig           einer zeitgemässen «Volkskirche», die         henden, menschenfreundlichen Kirche.
nicht einfach «vor Ort» befriedigt werden.    wohl nicht mehr einfach das «Volk» mit-
Es braucht mehr und nicht weniger             einschliessen kann, aber der Lebenswirk-
Gemeinschaft, sonst droht die individuelle    lichkeit der Menschen nahe ist. Vom
Überforderung.                                Evangelium her ergibt sich zuweilen die
                                              Notwendigkeit des Widerspruchs – er ist
Es kann einfach nicht mehr alles «vor Ort»    auch eine Form der Nähe zu den Men-             Dr. h.c. Peter Schmid
geleistet werden. Es dürfte wohl weiterhin,   schen. Kurz und gut – ich wünsche mir
                                                                                              war von 1989 – 2003 Regierungsrat des
aber in verschiedener Form, so etwas wie      eine tolerante, aber glaubwürdige evange-
                                                                                              Kantons Basel-Landschaft und von 2003 bis
Basisgemeinden geben. Einige Mitglied-        lisch-reformierte Kirche.
                                                                                              2012 Präsident des Fachhochschulrates
kirchen haben nach wie vor die Grösse und
                                                                                              FHNW. Daneben engagiert er sich seit
das Potenzial, um als «Regionalkirche» zu     Evangelisch wachsam
                                                                                              jeher für Kirche und Theologie und erhielt
wirken. Andere wiederum verfügen nur          Die geltenden Legislaturziele des SEK
                                                                                              2004 den Ehrendoktor der theologischen
über geringe Ressourcen und zu beschei-       nennen unter anderem das Ziel «evange-
                                                                                              Fakultät der Universität Basel. Seit 2003 ist
dene Möglichkeiten, um in ihrer Zustän-       lisch wachsam». Dazu heisst es: «Der
                                                                                              Peter Schmid auch Mitglied des Rates des
digkeit weiterführende Impulse zu entwi-      Kirchenbund bezieht öffentlich Stellung,
                                                                                              Schweizerischen Evangelischen Kirchen-
ckeln. Meine Prognose ist, dass es schon      wo gesellschaftliche, politische oder wirt-
                                                                                              bundes (SEK), seit 2011 in der Funktion des
bald andere «Orte des Kircheseins» geben      schaftliche Entwicklungen dem Evangeli-
                                                                                              Vizepräsidenten.
wird. Auch ihnen soll die nationale Ebene     um Jesu Christi zuwiderlaufen. Nicht zu
Dach und Heimat bieten. Die beschriebe-       allen politischen, gesellschaftlichen oder

                                                                                                                                              3
Und sie bewegt sich doch!

                                                   Gleichstellung der Geschlechter, sondern          unterbreitet ihnen dabei auch Anliegen der
                  Monika Hungerbühler,             ebenso dem Evangelium Jesu, das zu                römisch-katholischen Bevölkerung. In die-
                  röm-kath. Theologin              einer Gemeinschaft von Gleichgestellten           sem Rahmen wirkt sie darauf hin – auch
                  Co-Leiterin Offene Kirche        aufruft. Gegen diese inakzeptable Diskri-         bei der Weiterentwicklung des kirchlichen
                  Elisabethen                      minierung laufen die Katholikinnen seit           Rechts –, dass Veränderungen insbeson-
                  monika.hungerbuehler@oke-bs.ch   Jahrzehnten Sturm, wenn sie sich nicht            dere in Bezug auf die gleichberechtigte
                                                   aus eben diesem Grund von der römisch-            Zulassung zum Priesteramt, unabhängig
                                                   katholischen Kirche abwenden.                     von Zivilstand und Geschlecht, ermöglicht
                                                                                                     werden.» Damit wird nichts anderes ver-
                                                   Der Reformstau betrifft noch andere unge-         langt als die Abschaffung des Pflicht-
Im Jahre 2011 wurde innerhalb der                  löste Fragen und macht die katholische            zölibats und Zulassung der Frauen zum
römisch-katholischen Kirchen Basel-                Kirche zunehmend unglaubwürdig. Um                Priesteramt.
Stadt und Basel-Landschaft die «kirch-             nun ein Zeichen zu setzen, griffen Frauen
liche Gleichstellungsinitiative» lanciert,         und Männer der Römisch-Katholischen               Illustre Initiativkomitees
welche die Abschaffung des Zölibats und            Kirche Basel-Stadt und der Römisch-               Die Gleichstellungsinitiative ist von Anfang
die Zulassung von Frauen zum Priester-             Katholischen Landeskirche Basel-Land-             an auf grosses Echo gestossen und in bei-
amt forderte. Die Initiative ist diesen            schaft zum demokratischen Mittel einer            den Halbkantonen durch Vertreterinnen
Herbst mit grossem Mehr angenommen                 kirchlichen Verfassungsinitiative.                und Vertreter nicht nur aus kirchlichen
worden. Verbindlich ist das Resultat
jedoch nur für die Kantonalkirchen, und
es bringt deren Vertreter in die nicht
leichte Situation, sich für etwas einzuset-
zen, das von Rom nach wie vor nicht
akzeptiert wird.

In beiden Basel anerkennt der Kanton die
Römisch-Katholische Kirche (RKK) als
öffentlich-rechtliche Körperschaft und gibt
ihr Verfassungsrechte, darunter jenes,
eine Initiative zu lancieren. Das Initiativ-
komitee der «kirchlichen Gleichstellungs-
initiative», wie sie verkürzt genannt wird,
hat davon Gebrauch gemacht und damit
einen sensiblen Bereich in der römisch-
katholischen Kirche Schweiz getroffen. Im
Juni 2013 haben die Synoden beider Kan-
tone einen gleich lautenden Text für ihre
Kirchenverfassungen verabschiedet. Ein
Referendum ist nicht ergriffen worden,
                                                   Realität im virtuellen Raum: Bischöfinnen der «Virtuellen Diözese» bei einer Priesterinnenweihe
hingegen mussten die geänderten Verfas-
                                                   in Lyon auf einem Schiff auf der Saone. Bild: Virtuelle-Dioezese.de
sungen dem Kirchenvolk vorgelegt wer-
den, was am Wochenende des 28. Septem-             Der Kernsatz                                      Kreisen, sondern auch aus Wissenschaft,
ber 2014 geschehen ist.                            Der Ingress der basel-städtischen wie             Kultur und Politik prominent unterstützt
                                                   auch der die kirchlichen Aufgaben                 worden. So fanden sich im Initiativkomitee
Die Anliegen der Initiative                        umschreibende Paragraf 13 der basel-              Basel-Stadt Namen wie Georges Delnon,
Die seit Jahrzehnten aktuelle Forderung            landschaftlichen Kirchenverfassung sollen         Direktor Theater Basel; Prof. Dr. Felix Haf-
nach der Gleichstellung der Geschlechter           gemäss Initiative künftig folgende identi-        ner, Ordinarius für Öffentliches Recht an
auch in der katholischen Kirche verläuft           schen Kernsätze aufweisen:                        der Universität Basel; Dr. Oswald Inglin,
äusserst zögerlich und ist teilweise völlig        «Dabei (sc. bei der Erfüllung ihrer Aufga-        Grossrat; Anita Lachenmeier-Thüring,
blockiert. Dies betrifft vor allem den Aus-        ben) pflegt sie in gegenseitigem Respekt          ehemalige Nationalrätin und Dominik
schluss der Frauen vom Priesteramt allein          und unter Wahrung der je eigenen Zustän-          Wunderlin, stellvertretender Direktor des
aufgrund ihres Geschlechts. Nicht nur              digkeitskompetenzen auch den Dialog mit           Museums der Kulturen sowie im Komitee
widerspricht er dem Grundrecht der                 den zuständigen kirchlichen Organen und           des Nachbarkantons Dr. Bruno Gutzwiller,

4
Advokat und Kantonsrichter; Dr. Matthys        fach. Es bedarf eines Spagats zwischen          Zivilstand und Geschlecht – dies das Anlie-
Klemm, Theologe; Prof. Dr. Anne Peters,        den Forderungen der Initiative und der          gen des Initiativkomitees – soll deshalb
Ordinaria für Völker- und Staatsrecht an der   Position der Kirchenleitung in Rom bezie-       diskutiert und nicht ad acta gelegt werden.
Universität Basel oder Elsbeth Schneider-      hungsweise in Solothurn. Papst Johannes         Dass Diskussionsverbote nicht hilfreich
Kenel, ehemalige Regierungsrätin des           Paul II. hat 1994 bekräftigt, dass die Kirche   sind, hat man auch im Ordinariat in Solo-
Kantons Basel-Landschaft.                      «keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Pries-     thurn erkannt. Ein Passus, wie er nun in
                                               terweihe zu spenden, und dass sich alle         die Verfassungen der Römisch-katholi-
Fahrplan                                       Gläubigen der Kirche endgültig an diese         schen Kirchen Basel-Stadt und Basel-
An Pfingsten 2011 ist die Initiative in den    Entscheidung zu halten haben». Zu diesen        Landschaft aufgenommen worden ist, ent-
beiden Halbkantonen lanciert worden;           Gläubigen gehören auch die Mitglieder der       spricht einer dauernden Aufforderung, in
in Basel-Stadt betrug das Quorum 700,          staatskirchenrechtlichen Behörden, wel-         dieser Hinsicht wachsam zu sein und ent-
im Landkanton 1000 Unterschriften. Im          che nun jedoch zur Ausführung des Ver-          sprechende Initiativen der Seelsorgenden
Januar 2012 konnten rund dreitausend           fassungstextes aufgrund der «kirchlichen        von staatskirchenrechtlicher Seite her zu
Unterschriften eingereicht werden (BS          Gleichstellungsinitiative» verpflichtet sind.   unterstützen.
878, BL 1952), welche Ende 2012 von den        Markus Thürig, Generalvikar des Ordinari-
beiden Kirchensynoden für gültig erklärt       ats in Solothurn, befürchtet deshalb, dass      Nach der erfolgreichen Abstimmung vom
wurden. Am 25. Juni 2013 sagten die Syn-       die Annahme der Initiative die Mitglieder       28. September erhofft sich das Initiativ-
oden beider Kantone Ja zur Initiative und      dieser Behörden in einen «permanenten           komitee, dass auch andere Landeskirchen
Ja zum ausformulierten Initiativtext. Im       Gewissenskonflikt» stürzen könnte.              diesen Ball auffangen und gleiche oder
Stadtkanton bedurfte es laut Kirchenver-                                                       ähnliche Initiativen starten werden. Wenn
fassung zudem einer positiven Stellung-                                                        es bis jetzt auch noch nicht danach aus-
nahme des Diözesanbischofs und des für                                                         sieht, soll man die Hoffnung nicht aufge-
die Kirchen zuständigen Regierungsrats-                                                        ben. Man stelle sich vor, dass in zwanzig
mitglieds. Bischof Felix Gmür genehmig-                                                        Kantonen eine solche Abstimmung unter
te den Text im November 2013, Regie-                                                           den Katholikinnen und Katholiken stattfin-
rungsrätin Eva Herzog im Juli 2014. Die                                                        den und mit vielen Stimmen angenommen
basellandschaftliche Verfassung hinge-                                                         würde ... das wäre ein Erdrutsch!
gen sieht vor der Abstimmung keine sol-
chen Stellungnahmen vor.

Die Abstimmung
Am 28. September 2014 stimmte das Kir-
chenvolk über die Initiative ab und sprach
sich in beiden Kantonen mit überwältigen-
dem Mehr für die vorgeschlagene Teilrevi-
sion aus. Bei einer Stimmbeteiligung von
22.1 Prozent in Basel-Stadt und 28.8 Pro-
zent in Baselland wurde die Initiative im                                                        Monika Hungerbühler
Stadtkanton mit 81.8 Prozent und auf dem
                                                                                                 ist römisch-katholische Theologin und
Land gar mit 87.5 Prozent der Stimmen          Verklärtes Frauenbild: Maria Magdalena mit
                                                                                                 steht seit 1986 im Dienst der Kirche. Sie ist
angenommen. Mit diesem eindeutigen             Myrrhegefäss (Ikone); Bild Wikipedia
                                                                                                 Co-Dekanatsleiterin im Dekanat Basel-
Resultat hat sich das römisch-katholische
                                                                                                 Stadt und Co-Leiterin der Offenen Kirche
Kirchenvolk klar für die Gleichberechti-       Ecclesia semper reformanda
                                                                                                 Elisabethen. Von 2003 bis 2012 leitete sie
gung des Zivilstands und Geschlechts in        Die Kirche ist eine «Ecclesia semper refor-
                                                                                                 die Frauenstelle der Römisch-Katholischen
der Priesterordination ausgesprochen.          manda» – eine Kirche, die sich immerwäh-
                                                                                                 Kirche Basel-Stadt.
                                               rend wandeln und reformieren kann und
                                                                                                 Die Gleichstellung der Frau in der katholi-
Die Spannung bleibt                            soll. In einer «Spiegel»-Umfrage vom
                                                                                                 schen Kirche ist Monika Hungerbühler seit
Das Abstimmungsresultat ist für die kan-       13./14. September 2011 waren 88 Prozent
                                                                                                 je ein wichtiges Anliegen. Sie war deshalb
tonalen Landeskirchen verbindlich, nicht       der Befragten dagegen, dass Frauen wei-
                                                                                                 auch Mitinitiantin der «kirchlichen Gleich-
jedoch für das weltweit geltende kanoni-       terhin vom Priesteramt ausgeschlossen
                                                                                                 stellungsinitiative»
sche Kirchenrecht. Die Situation ist für die   werden sollen. Andere Umfragen ergeben
                                                                                                 (www.kirchliche-gleichstellung.ch).
«Kirchen-Regierungen» der beiden kanto-        ein ähnliches Bild. Die Frage der Zulas-
nalen Körperschaften deshalb nicht ein-        sung zum Priesteramt unabhängig von

                                                                                                                                                 5
«Church is change!» – Das Wesen der Kirche ist Wandel

                                                  ben» optimiert. Vielmehr bricht dieses          vespern im Advent» finden eine dauerhafte
                  PD Dr. theol. Michael Bangert   Paradigma der permanenten Wiederho-             Heimat in der Predigerkirche, weil der
                  Pfarrer Predigerkirche Basel    lung der bekannten Muster an diesem             Kerzenwachs auf dem Boden plötzlich
                  michael.bangert@ckk-bs.ch       besagten Morgen auf und entzwei. Es wer-        keine heilsentscheidende Frage mehr ist.
                                                  den noch einige Jahre ins Land ziehen, bis      Auch das bekannte Weihnachtsspiel «Pas-
                                                  die Konsequenzen profiliert hervortreten,       torale des Santons» verwurzelt sich in der
                                                  doch der Wechsel hat begonnen                   Predigerkirche. Ein multireligiöser Anlass
                                                                                                  zum Weltkongress der «Ärzte gegen den
                                                  Geben statt nehmen                              Atomkrieg» kann hier ohne Komplikatio-
                                                  Das Movens für dieses Zerbrechen liegt im       nen gefeiert werden. Auch experimentelle
Es ist ein trüber Samstagmorgen im                Rückgriff auf einen Wesenszug der frühen        Formen der Kommunikation werden von
November des Jahres 2003. Der Kirchen-            Christenheit. Neben der liturgischen Feier      Studierenden der Fachhochschule in der
rat der christkatholischen Kirchgemeinde          des Glaubens und dem Einsatz für christli-      Predigerkirche «getestet»!
Basel trifft sich im Hotel Bad Schauen-           che Spiritualität in Kultur und Gesellschaft
burg zur Zukunftsplanung. Obwohl die              ist es die sogenannte «diakonia», der           Kantatensonntage
Aussichten für die kirchliche Entwicklung         selbstlose und radikale Einsatz für die         Die Anfrage einer Gruppe engagierter und
ebenso verhangen und grau sind wie das            Bedürftigen. Und so steht plötzlich die         hochqualifizierter Musiker und Musikerin-
Wetter, opfern zwölf engagierte Männer            Frage ist Raum: «Was können wir für die         nen, die Predigerkirche für eine Auffüh-
und Frauen unterschiedlichen Alters ein           Stadtgesellschaft in Basel tun?». Es geht       rung des gesamten Kantatenwerkes von
gutes Stück ihrer freien Zeit. Der Mega-          dem Kirchenrat nicht mehr um das Bekom-         Johann Sebastian Bach nutzen zu können,
trend der Säkularisierung setzt auch den          men, das Haben, den Besitz, sondern um          wird positiv beschieden. Doch die Kirchge-
Christkatholiken in Basel zu. Austritte           das Geben, das Einsetzen und Unterstüt-         meinde tritt nicht als mehr oder weniger
und schleichende Entfremdung stellen              zen. In einer komplexen Organisation wie        passiver Vermieter auf. Den Künstlern, die
organisationsintern die grössten Heraus-          der Stadtgesellschaft Basel sind viele          mehrheitlich der «scola cantorum basili-
forderungen dar. Nach aussen sind es              grundlegende Formen der Hilfe bereits           ensis» verbunden sind, wird die Kirche
schleichende Ignoranz und gesellschaft-           abgedeckt. Es gibt die kantonalen Sozial-       zwölfmal jährlich für zwei Tage kostenfrei
liche Marginalisierung. Vieles hat die            werke. Es gibt die grossartigen Einrichtun-     zur Verfügung gestellt, wenn kein Eintritt
Kirchgemeinde schon unternommen:                  gen der Heilsarmee und anderer Kirchen.         erhoben wird, sondern eine Kollekte am
Investitionen in Kommunikation und Mar-           Es gibt Frauenhäuser, Übernachtungsmög-         Ende des Konzertes erbeten werde. Zudem
keting sowie offensive Profilbildung und          lichkeiten für Männer, die Tafel, Kleiderstu-   gibt es vor jedem Konzert eine kurze
profunde Qualitätssicherung. Doch das             ben etc. So wenden sich die Überlegungen        spirituelle Einführung in die jeweiligen
ökumenische Phänomen der Kirchenero-              alsbald dem zu, was oft bitter entbehrt         Kantaten. Der freie Eintritt ermöglicht
sion und der Verharmlosung des Evange-            wird: Ein Raum der Entschleunigung, der         auch einkommensschwachen Personen,
liums setzt sich massiv fort.                     Besonnenheit und der Schönheit. Der Kir-        die Bachkantaten zu besuchen. Der gewal-
                                                  chenrat legt fest, dass die Predigerkirche      tige Andrang zeigt, dass mit dem Projekt
Es sind stets dieselben Instrumente, mit          am Totentanz – wohl einer der schönsten         «Bachkantaten in der Predigerkirche» ein
denen die Christkatholiken seit Jahren            Räume, den die Gotik am Oberrhein               grosses Bedürfnis gestillt wird. Und für
mutig gegen die Veränderungen reagieren.          geschaffen hat – für die Gesellschaft geöff-    manchen, der seiner Kirche schon lange
Alle Strategien sind durchdacht und               net wird. Dieser Raum soll seine «splendid      den Rücken gekehrt hat, nimmt die Auffüh-
bewährt. Doch sie sind offensichtlich nicht       isolation» aufgeben und nun eine dienende,      rung der Bachkantaten die Bedeutung
interventionssensibel. Wenn gute Metho-           proaktive Funktion und damit seine              eines «Gottesdienstes» an. Dass oft 500 bis
den nicht greifen, dann stellt sich über          ursprüngliche Bedeutung zurück erhalten.        700 Besucher in die Predigerkirche drän-
kurz oder lang Frustration ein. Illusionen                                                        gen, verändert im Laufe der Jahre auch
macht sich in diesem Kontext niemand              Offene Predigerkirche                           die Selbsteinschätzung der Kirchgemeinde,
mehr. Die kraftlos-fromme Devise «small           Die praktischen Konsequenzen stellen            da sie sich nun als Gastgeberin für so
is beautiful» des zuständigen Bischofs            sich langsam, aber unwiderstehlich ein.         viele Menschen versteht. Auf Seiten der
erweist sich als wirkungsfrei. Es bleiben         Ebenso bleiben die reziproken Wirkungen         Kirchgemeinde wachsen Generosität und
die drängenden Fragen «Wie können wir             dieses Paradigmenwechsels auf die Kirch-        Selbstbewusstsein in reziproker Weise. Die
das bekommen, was wir zum Wachsen                 gemeinde nicht aus. Die aus der Haltung         Haltung des Teilens und der Solidarität
brauchen?» und «Wer kann es uns                   des Gebens entstandenen Ideen für die           wird dadurch beständig gestärkt.
geben?». Der Wandel, der an diesem trü-           «Sternschnuppen über Mittag», die promi-
ben Novembertag seinen Anfang nimmt,              nenten Personen die Möglichkeit geben, in       Krise als Chance
kommt allerdings nicht von einer genialen         Ruhe über ein Thema nachzudenken, fin-          Dieses «change movement» gerät ab dem
Idee, die das jahrelange «Mehr-vom-Sel-           den Zuspruch. Die «Ökumenischen Licht-          Jahr 2008 gleichsam in einen Turbo-Lader.

6
Die überaus eigenwillige Anlageabteilung        Ecclesia semper reformanda                        Drei Fragen an
eines zwar renommierten, aber funktional        Im Zuge des doch tiefgreifenden Wandels
unfähigen Geldinstituts pulverisiert in kur-    kann auch die Predigerkirche – als zent-          Eva Herzog
zer Frist einen wesentlichen Teil des           rales Gebäude der Kirchgemeinde – nun
Anlagevermögens der Kirchgemeinde. Die          wieder eine elementare Kommunikations-
                                                                                                                   Dr. Eva Herzog
Finanzkrise schlägt auf den Alltag durch;       funktion wahrnehmen. Gäste, Seelsorge-
                                                                                                                   Regierungsrätin und Kirchen-
die Illiquidität droht. In dieser problemati-   rinnen und Seelsorger, Behördenmit-
                                                                                                                   direktorin Basel-Stadt
schen Situation bewährt sich die Neuaus-        glieder, Besucher und Gemeindeglieder
                                                                                                                   eva.herzog@bs.ch
richtung der Kirchgemeinde nicht nur –          können einander auf diesem «Forum»
nein, die Veränderungsdynamik nimmt             begegnen. Gebet, Gespräch und Geschäft
jetzt erst richtig Fahrt auf. Das System der    sind aufeinander bezogen und ineinander
christkatholischen Kirchgemeinde hatte          verwoben. So kann durch diesen Wandel
glücklicherweise bereits begonnen, sich         die Kirchgemeinde ihrem Gotteshaus                Wie wichtig sind die Kirchen für das
zu verändern. Vor der Krise waren die ers-      genau das wieder zurückgeben, was eine            Basler Stadtbild?
ten Lernerfolge zu erkennen, so dass die        christliche Kirche vom Ursprung her ist:          Zum vielseitigen Basler Stadtbild gehören
Adaption der neuen Situation in einer           Ein Ort des Gebetes, der Erinnerung und           auch die Kirchen. Unverzichtbar ist das
Atmosphäre vorsichtiger Zuversicht erfol-       der Begegnung. Die christliche Tradition          Münster, aber auch andere Kirchen prä-
gen konnte. Die Leitfrage «Was können wir       folgt weder dem Konzept der ägyptischen           gen unser Stadtbild stark und sind Teil
für die Basler Stadtgesellschaft tun?» und      Heiligtümer noch dem der griechischen             unserer Geschichte.
die Maxime der – theologisch gesprochen         Tempel. Sie greift die Idee der paganen
– Ausrichtung auf das «Du» machten die          «Basilika», der «Halle des Königs» auf, in        Welches Konzept hat die Regierung für
von der wirtschaftlichen Misere erzwunge-       der die Verehrung ihren Platz hat, aber           den Fall, dass die schrumpfenden Landes-
nen Veränderungen zu einer konstruktiven        wo auch die alltäglichen Bezüge der               kirchen den Unterhalt ihrer oft denkmal-
Herausforderung.                                «Polis» und ihrer Menschen zuhause                geschützten Kirchen dereinst nicht mehr
                                                sind. Das – und den Primat des Dienens            aus eigener Kraft aufbringen können?
So wurde die komplette Verlegung der            – im Zuge der mühseligen Veränderun-              In Basel-Stadt gehören die Kirchengebäu-
Büros des Seelsorgeteams und der Ver-           gen zurück gewonnen zu haben, ist für             de den Kirchen, sie sind somit auch verant-
waltung in die Sakristei bzw. die Neben-        die christkatholische Kirchgemeinde in            wortlich für Nutzung und Unterhalt. Schon
räume der Predigerkirche, welche aus            Basel vielleicht der grösste Gewinn des           heute trägt der Staat aber zum Erhalt der
der Not geboren wurde, sowohl in der            Wandels, der an jenem trüben November-            Gebäude bei. Gesetzlich vorgeschrieben ist
Innen- wie in der Aussenwahrnehmung als         samstag vor elf Jahren begann. Es gilt            dies beim Münster und der Predigerkirche.
grosser Fortschritt bewertet. Der finanziel-    der alte Satz von der Kirche, die stets der       Zudem ist der Kanton Eigentümer der Cla-
le Zwang, die Räumlichkeiten des Kirchge-       Veränderung bedarf: «Ecclesia semper              rakirche. Wir leisten aber auch bei Sanie-
meindehauses wirtschaftlich zu nutzen           reformanda!».                                     rungen anderer historisch wichtiger Kir-
und zu vermieten, wurde gleichsam ver-                                                            chengebäude einen finanziellen Beitrag.
wandelt. Die Notwendigkeit, auf die wirt-                                                         Soeben ist die St. Albankirche saniert wor-
schaftlich-strukturelle Misere zu antwor-                                                         den und der Kanton hat zwei Drittel der
ten, führt nicht zur Frustration, sondern                                                         Kosten übernommen.
«verflüssigt» die Strukturen und macht die
Gestaltung des Wandels überhaupt erst                                                             Wie stellt sich die Kirchendirektorin zu
möglich. Soll «change management» keine                                                           Kirchenumnutzungen, wie sie aus anderen
inhaltsfreie Worthülse sein, bedarf es einer                                                      Ländern bekannt sind?
vorgängigen Vision. Oder anders: Es               Dr. theol. Michael Bangert                      Ich bin da sehr offen. Da die Kirchen mit
braucht den Dienst eines Kapitäns, der das        Geb. 1959. Studium von Theologie, Biologie      einem Mitgliederschwund konfrontiert
Ziel der Reise bestimmt. Das wäre – religi-       und Geschichte in Münster/D und München.        sind, werden sie gezwungen sein, gewisse
ös gesprochen – für eine Kirchgemeinde            Fernstudium Betriebswirtschaft. Therapeu-       Kirchengebäude anders zu nutzen. Dies
                                                  tische Ausbildung. Promotion in Münster.
das Evangelium Jesu Christi. Ist er der                                                           kann auch eine Chance sein. Wir alle
                                                  Habilitation in Bern. Seit 1995 Tätigkeit als
Kapitän, können sich die Offiziere, aber                                                          schätzen die Martinskirche als Konzert-
                                                  Management-Coach und Ethik-Berater.
auch der einzelne Leichtmatrose unaufge-          Seit 2002 Pfarrer an der christkatholischen     saal, das Oekolampad wird als Tagungs-
regt um ihre jeweiligen Sachen kümmern.           Predigerkirche in Basel. Lehrtätigkeit an       raum genutzt. Auch neue, unkonventio-
Und allen ist klar: Dass die Kirchgemeinde        den Theologischen Fakultäten Bern und           nelle Ideen sollen geprüft werden.
wächst, dass die Zahl der Gottesdienst-           Basel. Publikationen zu Spiritualitäts-         Wünschenswert sind Nutzungen, die quar-
besucherinnen und -besucher beständig             geschichte und Personalführung.                 tierverträglich und aufgrund des Denk-
steigt, liegt am Kapitän.                                                                         malschutzes möglich sind.

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Der Spagat zwischen Tradition und Moderne
                                                      umfassende Gemeinde sieht sich von                      finanzierbar sein, zumal die jüdische
                     Dr. Guy Rueff                    vielen Seiten bedrängt, sei dies durch ste-             Gemeinde nicht wie die christliche Kirche
                     Präsident der Israelitischen     tigen moderaten Rückgang der Mitglie-                   einfach eine Synagoge mit einer anderen
                     Gemeinde Basel                   derzahlen bei gleichzeitig steigendem                   fusionieren kann.
                     g.rueff@tareno.ch                Durchschnittsalter, rückläufiger Bereit-
                                                      schaft, Freiwilligenarbeit auszuführen                    Die letzten Jahre haben aber auch zu
                                                      oder durch den wieder aufflammenden                     verstärkten Kontakten geführt, die helfen
                                                      Antisemitismus.                                         sollen, in Basel die verschiedenen Religio-
                                                                                                              nen einander näher zu bringen. Die IGB
                                                      Warum wird die IGB kleiner?                             bemüht sich, überall aktiv dabei zu sein,
Seit rund 800 Jahren ist die Geschichte               Die rückläufigen Mitgliederzahlen begrün-               und der runde Tisch der Religionen, das
der Juden in Basel überliefert. Aber erst             den sich einerseits auf der in Basel immer              Zelt Abrahams und die Aktion «Basel zeigt
vor gut 200 Jahren, in der Folge der fran-            schon hohen Bereitschaft junger Leute,                  Haltung» haben sicher dazu beigetragen,
zösischen Revolution, wurden die Juden                sich nach der Ausbildung in Israel nieder-              dass wir in Basel viel weniger antisemi-
wieder für längere Zeit in Basel ansässig,            zulassen. Dazu kommt die Auswanderung                   tische Reaktionen erleben mussten als
und so bildete eine kleine Betgemein-                 älterer Mitglieder nach der Pensionierung,              in der übrigen Schweiz. Auch im inner-
schaft im Jahre 1805 den Grundstock für               die oft ihren Kindern nach Israel folgen.               jüdischen Kreis ist ein Wandel sichtbar.
die Gründung der Israelitischen Gemeinde              Auch sind in den letzten Jahren junge                   So haben sowohl auf der «linken» wie
Basel (IGB).                                          Paare nach Zürich gezogen, um dort eine                 «rechten» Seite der jüdischen Religions-
                                                      grössere Vielfalt von jüdischem Leben zu                breite neue Kräfte in Basel Fuss gefasst
Die jüdische Gemeinde wuchs bis Ende                  finden. Die Rate der Mischehen steigt,                  und bedrängen die traditionelle Einheits-
des Jahrhunderts stetig an. Dies führte               daher pflegen viele Familien kein so inten-             gemeinde.
1868 zur Einweihung der Synagoge an der               sives jüdisches Leben mehr oder gehen
Leimenstrasse. Im 20. Jahrhundert hatte               dem Judentum gar ganz verloren. Gleich-                 Diese kurze Aufzählung zeigt, dass sich das
die IGB ihre Blütezeit mit teilweise über             wohl ist in letzter Zeit wieder Bewegung in             Bild des jüdischen Lebens in Basel in
2500 Mitgliedern, doch wurde diese Peri-              der Jugendarbeit zu sehen und jüdische                  einem steten Wandel befindet und die
ode durch den 2. Weltkrieg überschattet.              Vor- und Schulinstitute wie Ganon (Klein-               Herausforderungen nicht kleiner werden.
Gleichwohl war die Nachkriegszeit sowohl              kindergarten), Kindergarten und Schule                  Trotzdem darf sich die jüdische Gemeinde
kulturell wie vom Bild nach aussen die                erfahren grossen Zuspruch. Schwierig ist                Basels mit einer gewissen Zuversicht die-
aktivste Periode der Gemeinde. Langsam                jedoch bei abnehmenden Steuereinnah-                    sen Aufgaben stellen, da die grundsätzliche
begann dann aber mit der voranschrei-                 men deren Finanzierung. Dank Spenden                    Verbundenheit der Basler Juden mit ihrer
tenden Emanzipation, der Abnahme der                  und Vergabungen ist hier eine gewisse                   Stadt, die gute Jugendarbeit und die heu-
Aussenbedrohung sowie der Entstehung                  Entspannung eingetreten, doch wird eine                 tige gute Infrastruktur und bessere finan-
des Staates Israel ein Mitgliederschwund.             nach wie vor für über 2000 Mitglieder                   zielle Lage eine Zukunft der IGB auch im
Die heute noch gut 1000 Mitglieder                    angelegte Infrastruktur langfristig nicht               schwierigen Umfeld sichern sollte.

    IMPRESSUM Nummer 4/2014, erscheint viermal jährlich.
    HERaUSgEbER: Handelskammer beider basel (info@hkbb.ch), advokatenkammer basel, basellandschaftlicher anwaltsverband (sekretariat@advokaturambahnhof.ch)
    grosszügig unterstützt von der Jubiläumsstiftung La Roche & Co (jubilaeumsstiftung@larochebanquiers.ch)
    REdaktIoN: beatrice abt, dr. Philip R. baumann, lic. iur. Roman Felix, dr. iur. alexander Filli, dr. iur. Urs d. gloor, Martina Hilker,
    MLaw andrea tarnutzer-Münch, lic. phil. I Roger thiriet
    LayoUt: Elmar Wozilka, Handelskammer beider basel, druck: bc medien ag, Münchenstein
    adRESSE: «tribune», aeschenvorstadt 67, Postfach, 4010 basel, telefon: +41 61 270 60 31 telefax: +41 61 270 60 05 E-mail: tribune@hkbb.ch
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                 AZB
             CH-4010 Basel
              P.P. / Journal

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