Das Spielverhalten der Hunde
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Das Spielverhalten der Hunde Abschlussarbeit für die Ganzheitliche Hundeverhaltenstrainerausbildung nach THL Julia Purgathofer
Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 1. Was ist Spiel? 6 1.2. Wie sieht Spiel aus? 7 1.3. Freies Spiel VS Strategisches Spiel 9 2. Die Sprache der Hunde – ein kurzer Überblick 10 2.1. Die olfaktorische Kommunikation 11 2.2. Die akustische Kommunikation 12 2.2.1. Das Bellen 12 2.2.2. Wuffen 13 2.2.3. Knurren 13 2.2.4. Schreien, Fiepen, Winseln, Jaulen 13 2.3. Die taktile Kommunikation 14 2.4. Die optische Kommunikation 14 2.4.1. Die Gesamtausrichtung des Körpers 15 2.4.2. Die Rute 16 2.4.3. Der Kopfbereich 17 2.4.4. Beschwichtigungs- und Stresssignale 19 3. Die Arten des freien Spiels 23 3.1. Solitärspiel 23 3.1.1. Objektspiele 24 3.1.2. Bewegungsspiele 25 3.2. Sozialspiel 26 3.2.1. Spielkämpfe 27 3.2.2. Verfolgungs- und Fluchtspiele 28 3.2.3. Objektspiele 29 3.2.4. Rudeljagdspiele 30 3.2.5. Bellspiele 30 3
4. Spielsignale 30 4.1. Die Spielverbeugung 31 4.2. Das Spielgesicht 32 4.3. Die Pfotenbewegungen 32 4.4. Das Spieltragen 33 4.5. Das Spielbeißen 33 4.6. Das Hopsen 33 4.7. Mit der Schnauze anstoßen 33 4.8. Spielerisches Anspringen 33 4.9. Spielerischer Überfall 34 4.10. Weitere Spielsignale 34 5. Schönes Spiel VS Mobbing 35 5.1. Mobbing 37 5.2. Eingreifen bei nicht-adäquatem Spiel und Mobbing 37 5.3. Rassetypisches Spielverhalten 38 6. Artübergreifendes Spiel Mensch – Hund 41 6.1. Spielideen für Mensch und Hund 42 6.2. Wie teile ich meinem Hund mit, dass ich spielen möchte? 43 6.3. Spiel als Training 44 7. Der Sinn des Spiels – oder – Warum spielen Hunde? 45 7.1. Moral und Fairness 46 7.2. Verhaltensflexibilität 46 8. Der Unsinn des Spiel 47 8.1. Das Ballwerfen 47 8.2. Welpenspielgruppen 48 8.3. Hundezonen – Spielzonen? 49 9. Quellenverzeichnis 51 4
Vorwort Das Spielverhalten der Hunde ist ein komplexes und sehr weitreichendes Thema. Alle Hunde sind damit fast tagtäglich konfrontiert, denn bis auf wenige Ausnahmen spielt die Mehrheit der Hunde. Während die einen lieber mehr dabei laufen, bringen die anderen lieber einen Ball zu ihrem Halter. Spiel ist alltäglich. Ob man nun jeden Sonntag mit seinem Hund in der Hundeauslaufzone zum Spielen mit anderen Artgenossen geht oder auf dem Spazierweg andere Hunde trifft. Ob das Kind mit dem Hund im Garten tobt oder der Hundebesitzer mit seinem Schützling zum „Dog Frisbee“- Kurs geht. Der Welpe muss zur Welpenspielgruppe in die Hundeschule und rauft dort mit anderen kleinen Hunden. Aber haben alle dieser Situationen wirklich den Spielcharakter, wie es den Anschein hat? Spielen die Hunde in der Auslaufzone oder in der Welpenspielgruppe tatsächlich miteinander? Wann ist das Verhalten tatsächlich Spielverhalten und wann kann man es leicht mit ernsten Situationen verwechseln? Und warum spielen Hunde überhaupt? Wie spielt man richtig mit seinem Hund und wann beschäftigt man ihn „nur“? Was ist Spiel überhaupt? Viele Hundehalter sind überfordert mit der Frage, ob ihr Hund nun tatsächlich mit einem anderen Hund spielt oder ob nicht doch noch anderes Verhalten mit einfließt. Andere betiteln mit voller Überzeugung jedes schnelle, laufende, rangelnde und hüpfende Verhalten ihres Hundes gegenüber anderen Artgenossen als Spiel. Diese Arbeit soll Aufschluss über die oben gestellten Fragen geben, sie soll Hundehaltern ein wenig Hintergrundinformation über das Spielverhalten geben und das Wissen vermitteln, wie man Spiel erkennt, es eventuell beeinflussen und in die richtigen Bahnen lenken kann. Auf der dazugehörigen DVD finden sich etliche Anschauungsbeispiele für schönes und nicht-schönes Spiel. 5
1. Was ist Spiel? Bevor man sich mit dem Spielverhalten auseinandersetzen kann, muss man den Begriff des Spiels hinterfragen. Was ist Spiel? Wie sieht Spiel aus? Bisher gibt es keine offiziell anerkannte Definition für „Spiel“ oder „spielen“, obwohl schon in der Antike die ersten Versuche gewagt wurden, den Begriff zu erfassen. Die wohl berühmteste Definition für Spiel stammt von Johan Huizinga, einem niederländischen Kulturhistoriker: „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des „Anderseins" als das „gewöhnliche Leben". Auch wenn diese Definition ursprünglich für das menschliche Spiel aufgestellt wurde, kann man deren Bedeutung auch auf das Spiel von und zwischen Tieren anwenden. Laut Huizinga ist Spiel also freiwillig und findet nur in bestimmten Situationen, sowohl zeitlich als auch umgebungstechnisch, statt. Es gibt während des Spiels Regeln, aber das Ziel ist das Spiel selbst. Es ist geprägt von bestimmten Gefühlen und es ist mehr oder weniger das Gegenteil vom „richtigen“ Leben. Damit sind wichtige Kriterien für das Spiel genannt, tatsächlich kann Spiel aber noch vielfältiger sein, als Huizinga es beschreibt. Marc Bekoff definiert Spiel als „Sämtliche motorische Aktivität die zwecklos erscheint, mit motorischen, modifizierten und abgeänderten Verhaltensmustern aus anderen Kontexten…“ [1] Diese Modifizierungen inkludieren übertriebene Aktionen, die durch verschiedene Stimuli angeregt werden, die scheinbar zwecklos sind und das sogenannte „Selbst- 6
handicapping“ (ein sehr großer Hund nimmt sich gegenüber einem kleineren Hund in seiner Kraft absichtlich zurück, damit ein Spiel funktioniert). [2] Das Problem ist, je genauer Spiel definiert wird, desto mehr muss der Begriff eingeschränkt werden. Umgekehrt besteht die Problematik, je weiter der Begriff ist, desto ungenauer wird die Definition. Deswegen wird in dieser Arbeit keine Definition verwendet, sondern Spiel nur anhand seiner Charaktermerkmale beschrieben. 1.2. Wie sieht Spiel aus? In der Praxis erkennt man Spiel normalerweise intuitiv. Aber wie sieht Spiel aus, wenn man es beschreiben müsste? Was macht den Unterschied zwischen dem „gewöhnlichen Leben“ und Spielsituationen aus? Welche Kriterien charakterisieren die spielerische Tätigkeit? Nach Huizinga ist Spiel eine freiwillige Handlung. Das bedeutet, dass jedes spielende Individuum jederzeit seine Teilnahme am Spiel beenden kann. Spiel findet nur in begrenzten zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten statt. Der Biologe Burghardt beschreibt in seiner Definition von Spiel, dass es nur dann stattfindet „wenn das Tier in einem entspannten oder stressarmen Umfeld ist“. [3] Das bedeutet, Spiel findet nur in einem sicheren Ort und in einem entspannten Umfeld statt. „Hunde spielen nicht, wenn sie Hunger oder Durst haben, müde sind, Schmerzen oder Angst haben.“ [4] Beim Spielen werden Regeln eingehalten. Hunde, die beim Spielen Regelbrüche begehen, werden aus dem kooperativen Spiel ausgeschlossen. Wer zu fest zubeißt oder körperlich für den anderen zu aufdringlich wird und diese Grenzen immer wieder überschreitet, wird künftig als kooperativer Spielpartner ausgeschlossen. 7
Spiel hat das Ziel in sich selbst. Das bedeutet, Spiel hat kein anderes Ziel außer dem Spielen, es ist zweckfrei und eigenmotiviert. Spiel ist gekoppelt mit „einem Gefühl der Spannung und Freude“ (Huiizinga). Anders ausgedrückt: Spiel macht Spaß, es ist aufregend und selbstbelohnend. Spiel ist anders „als das gewöhnliche Leben“ (Huizinga). Im Spiel werden Verhaltensweisen aus allen möglichen Lebensbereichen des Hundes gezeigt (zum Beispiel aus dem Jagdbereich und der Körperpflege), abgeschwächt oder übertrieben eingesetzt und willkürlich miteinander kombiniert und immer wieder wiederholt werden. Stöcke und Bälle sind im Spiel auch nicht die tatsächlichen Gegenstände, sondern werden als „Beute“ umfunktioniert. Dem Spiel fehlt also der Ernstbezug zur Realität. Die Endhandlungen der Verhaltensweisen fehlen (wie das Töten der „Spielbeute“). [5] Rollentausch ist ein weiteres wichtiges Kriterium für Spiel. Auch wenn es nicht immer vorhanden sein muss, so kennzeichnen Rollenwechsel in der Regel ein schönes Spiel. Dabei begeben sich alle Individuen abwechselnd in die verschiedenen Rollen (zum Beispiel: ein Hund jagt den anderen, holt ihn ein und wird dann zum Verfolgten). [6] Wenn man sich unsicher ist, ob ein Spiel zwischen zwei Hunden adäquat und für alle Parteien spaßig ist, dann wäre der Rollentausch ein guter Hinweis dafür. Spielverhalten wird durch eindeutige Spielbewegungen, Spielsignale und dem Spielgesicht gekennzeichnet. [7] Spielgesicht und Spielsignale werden in einem anderen Kapitel noch genauer erläutert. 8
Spielverhalten ist geprägt von Wiederholungen der Verhaltensweisen, dem Erfinden neuer Bewegungen und Übertreibungen der Verhaltensweisen. [8] Wenn all diese Merkmale gegeben sind und auch richtig interpretiert werden, dann könnte man von einem schönen und freien Spiel sprechen. Für das Spielverhalten gäbe es noch weitere Kriterien, die allerdings nicht immer erfüllt sein müssen. Wissenswert zu erwähnen wäre noch, dass Spielverhalten sehr eng mit dem Neugier- oder Erkundungsverhalten verbunden ist. Diese beiden Verhaltensweisen können häufig miteinander gekoppelt auftreten. Soziale Arten wie Menschen und Hunde lernen viel durch spielen und soziales Lernen. 1.3. Freies Spiel VS Strategisches Spiel Spiel ist nicht gleich Spiel. Wenn in der Arbeit von „Spiel“ gesprochen wird, dann ist damit immer das „freie Spiel“ gemeint. Im Unterschied dazu gibt es bei Hunden noch das „strategische Spiel“, das die im vorherigen Kapitel genannten Kriterien nicht erfüllt und vor allem einem Zweck dient. Der Zweck ist Spielverhalten in einer spezifischen Situation zu zeigen um sie zu deeskalieren. Wenn es nun unter Hunden zu einem Konflikt kommt, weil zum Beispiel ein Hund von einem anderen bedrängt wird, dann könnte der Bedrängte Spielbewegungen (wie die Vorderkörper-Tiefstellung) und Spielaufforderungen machen, um diesem Konflikt zu entkommen. Bei relativ harmlosen aggressiven Auseinandersetzungen zwischen zwei Hunden könnte auch einer der beiden Beteiligten versuchen, weitere Aggressionen bzw. eine Eskalation durch eine unerwartete Spielbewegung/-aufforderung und einem damit verbundenem Stimmungswechsel oder einer Verwirrung zu verhindern. [9] 9
Häufig sieht man das strategische Spiel in Situationen, in denen sich zwei Hunde treffen, sich nicht kennen und angespannt sind. Durch die „Spielintention“ kann sich der beschriebene Stimmungswechsel einstellen und eventuell sogar in ein freies Spiel übergehen. Außerdem können Hunde auch spielerisches Verhalten als Taktik zeigen um andere Sozialpartner abzulenken, zu einer Tätigkeit zu bewegen oder deren Aufmerksamkeit zu gewinnen. [10] So ist es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, dass Hunde spielerisch mit einem Stofftier oder Spielzeug vor der Nase des Menschen herumtanzen, wenn sie spazieren gehen wollen. Oder wenn ein Hund eine Ressource (zum Beispiel einen Ball) hat und ein zweiter Hund diese auch gerne hätte, dann könnte es passieren, dass der zweite Hund mit einem anderen Spielzeug übertrieben zu spielen beginnt, um den ersten Hund von seinem Ball abzulenken bzw. ihm das andere Spielzeug „schmackhaft“ machen möchte um selbst an den Ball zu kommen. 2. Die Sprache der Hunde – ein kurzer Überblick Im Gegensatz zum Menschen kommunizieren Hunde vorwiegend auf einer nicht- vokalen Ebene. Die Körpersprache, Mimik, Gestik, das Verhalten, sowie die olfaktorische und taktile Kommunikation stehen im Vordergrund, wobei natürlich auch die Lautäußerung eine Rolle spielt. Hunde kommunizieren ihre Emotionen und ihre Stimmung zu jeder Zeit. Ein Hund teilt immer mit, wie er sich gerade fühlt und wie es ihm in bestimmten Situationen geht. Um Spielsituationen richtig einschätzen zu können, ist es von Nöten, die Sprache der Hunde zumindest überblicksmäßig lesen und verstehen zu können. Je schneller und besser man Hunde versteht, umso leichter wird es für den einzelnen Hundehalter bei nicht-adäquaten Spielen zu intervenieren und ein Gefühl dafür zu bekommen, wann sich sein Hund wirklich wohl fühlt und wann nicht. Auch für den sonstigen Alltag ist es von 10
Vorteil seinen Hund zu verstehen, um Missverständnissen vorzubeugen und zu einer besseren Beziehung zwischen Mensch und Hund beizutragen. Da man mit dem Thema ganze Bibliotheken füllen könnte, werden im Folgenden nun die Kommunikationsarten der Hunde nur kurz erklärt und wichtigsten Signale der Hundesprache kurz angeführt und erläutert. 2.1. Die olfaktorische Kommunikation Die olfaktorische Kommunikation bezeichnet die Kommunikation über den Geruchsinn. Hunde haben einen außerordentlich guten Geruchsinn. Ihre Gehirnregion, in der die Gerüche verarbeitet werden ist größer und viel komplexer aufgebaut, als die des Menschen und nimmt fast 1/8 des Hundegehirns ein. Anhand des Individualgeruchs von Mensch oder Tier kann ein Hund erkennen, welches Geschlecht und Alter das betroffene Individuum hat, welche Ernährungsform es gewählt hat, wie es um den Gesundheitszustand steht und welche Emotionen das Gegenüber gerade empfindet. Durch Abgabe von Körpersubstanzen, wie Kot, Harn und andere Sekrete, können unter Hunden bewusst Informationen ausgetauscht werden. Durch den Austausch chemischer Signale können somit Emotionen und sonstige wichtige Informationen weitergegeben werden. Diese Art der Kommunikation hat große Vorteile, wenn zum Beispiel optische Kommunikationsmöglichkeiten nicht gegeben sind (in der Dunkelheit). [11] Außerdem ist diese Art der Kommunikation praktisch, wenn ein Hund in ein Gebiet kommt, in dem sich schon mehrere andere Hunde befinden (zum Beispiel in einer Hundeauslaufzone). Wenn der „Neue“ in den abgegrenzten Bereich kommt, kann es passieren, dass die restlichen Hunde ihn bedrängen, um seine Identität und Befindlichkeit herauszufinden. Wenn dieser Hund nun abseits eine Urinmarke setzt, kann man sicher sein, dass sich viele der Hunde sich nun damit beschäftigen anstatt den Neuen von oben bis unten zu beschnüffeln. [12] 11
2.2. Die akustische Kommunikation Es existiert eine Vielzahl von akustischen Kommunikationselementen bei Hunden. Jede Vokalisation hat eine eigene Bedeutung und Klang. Dazu zählen zum Beispiel das Bellen, das Wuffen, das Heulen, das Knurren, das Schreien, das Fiepen, das Winseln, das Jaulen, das Schmatzen, etc. Für jede dieser Lautäußerungen gibt es je nach Ausführung verschiedene Bedeutungen. Im Folgenden soll auf die wichtigsten Vokalisationen im Kontext mit dem Spielverhalten eingegangen werden. 2.2.1. Das Bellen Bellen ist immer ein Zeichen, dass der Hund sich in einem Erregungszustand befindet. Es gibt unterschiedliche Belltypen, die die Hunde in verschiedenen Situationen und Erregungszuständen zeigen, um ihrem Gegenüber ihre Befindlichkeit oder Anderes mitzuteilen. Allerdings ist das Bellen kein alleiniger Indikator für den Gefühlszustand des Hundes, es sollte immer auf den Gesamteindruck und die dazugehörige Körpersprache geachtet werden! Ganz allgemein kann gesagt werden, dass die Tonlage und die Frequenz die Unterschiede in den Belllauten ausmachen. So können sehr hohe Töne ein Zeichen für Stress, Unsicherheit oder sogar Angst sein während sehr tiefe Töne eher Selbstbewusstsein oder Warnungen signalisieren. Eine hohe Frequenz des Bellens ist ein Zeichen für Aufregung und Erregung. Natürlich muss abseits davon auch beachtet werden, dass Hunde genau wie Menschen unterschiedliche Stimmlagen haben, weswegen die Tonlage für jeden Hund etwas variieren kann. 12
2.2.2. Wuffen Das Wuffen ist eine Art Bellen mit geschlossenem Fang und wird eigentlich als Ausdruck von Unsicherheit (häufig gegenüber Objekten und Menschen in ungewohnten Situationen) oder als Droh- oder Warnlaut eingesetzt. Bei entsprechender entspannter Körpersprache ist das Wuffen jedoch auch eine Spielaufforderung und ein Kontaktlaut dem Mensch oder Artgenossen gegenüber. [13] Ein kurzes raues „Wuff“ deutet auf Aufregung hin und kann in einigen Fällen eine Spielaufforderung sein. Wie immer muss auch hier auf den Kontext geachtet werden. 2.2.3. Knurren Das Knurren ist eigentlich ein Warnsignal an das Gegenüber. Beim Spielen jedoch tritt auch das sogenannte „Spielknurren“ auf, das meist sanfter als das realbezogene Knurren ist. Außerdem hört es sich „verspielter“ an und wird mit dazugehörigen Spielsignalen und entsprechender entspannter Körpersprache untermauert. 2.2.4. Schreien, Fiepen, Winseln, Jaulen Wenn ein Hund im Spiel schreit, also einen sehr hohen langgezogenen Ton von sich gibt, signalisiert er extreme Angst und Überforderung. Dann sollte der Hund dem „Spiel“ nicht mehr länger ausgesetzt werden. Jaulen oder Fiepen kann auf eine Verletzung hindeuten oder aber auf eine plötzliche erschreckende (eventuell auch schmerzhafte) Situation. Manche Hunde fiepen auch schon, bevor es zu dieser Situation kommt, weil das Spiel zum Beispiel immer rauer und körperbetonter wird und sie aufgrund schlechter Erfahrungen schon eine schmerzhafte Situation erwarten. Winseln kann auf Frustration und Ungeduld oder aber auf Aufregung oder ein Bedürfnis, das nicht erfüllt wird (wie zum Beispiel der Außenseiter im Spiel zu sein) hindeuten. 13
2.3. Die taktile Kommunikation Als taktile Kommunikation versteht man jegliche Kommunikation über den Tastsinn. Eng aneinander liegen (sogenanntes Kontaktliegen), den Kopf aneinander schmiegen und „Schnauzenzärtlichkeiten“ gehören beispielsweise dazu. Obwohl die taktile Kommunikation zwischen zwei Beziehungspartnern sehr wichtig ist, wird nun nicht näher darauf eingegangen. Einzig allein das Soziale „Grooming“ wird im Folgenden kurz erklärt. „Social Grooming“ oder „Allogrooming“ ist eine im Nahbereich durchgeführte Kommunikation zu Beziehungspflege. Dabei wird Fell geknabbert, mit der Schnauze angestupst, gegenseitig sanft über den Fang gebissen, Zärtlichkeiten ausgetauscht. [14] Oft wird die ganze „Zeremonie“ mit Spielsignalen versetzt, weswegen es den Anschein eines Spiels haben könnte, wie der Versuch aussehen ein Spiel zu initiieren oder sich sogar aus einem Spiel entwickelt oder in ein Spiel mündet. Auf der DVD gibt es ein kurzes Videobeispiel für das „Social Grooming“. 2.4. Die optische Kommunikation Die optische Kommunikation findet über die Körpersprache des Hundes statt. Hunde reagieren auf körpersprachliche Signale besser als auf akustische. Sie sind Weltmeister darin die Körpersprache von anderen Individuen zu lesen und darauf zu „antworten“. Um die Körpersprache der Hunde lesen und verstehen zu können, bedarf es einiger Übung und es sollte noch weitere ausführlichere Literatur oder Seminare dazu konsumiert werden. Nichtsdestotrotz ist diese Art der Kommunikation essentiell bei der Einschätzung von Spielsituationen, weswegen sie hier zumindest grob umrissen erklärt wird. 14
Hunde kommunizieren mit ihrem gesamten Körper. Vom Kopf bis zur Rute werden mehrere Signale gleichzeitig abgegeben. Um das Lesen und Verstehen der Körpersprache zu üben ist es ratsam, sich eine Zeit lang auf eine Partie des Körpers zu konzentrieren und dann immer weitere in den Beobachtungsrahmen hinzu zufügen. Mit der Zeit sollte jedoch das Gesamtbild erkannt werden, da häufiger auch gemischte Signale verschiedener Körperpartien gesendet werden. 2.4.1. Gesamtausrichtung des Körpers Die Körperhaltung, die Ausrichtung, die Muskelanspannung, die Balance und Gewichtsverteilung verraten viel über den Gefühlszustand und Intention des Hundes. Am leichtesten erkennt man die Unterschiede wenn der Hund steht. Entspannte Körperhaltung: Der Hund steht gerade mit entspannten Muskeln, das Gewicht auf allen vier Pfoten verteilt, die Bewegungen sind entspannt und sehr „kurvig“. Der Rücken ist entspannt, das Haarkleid glatt. Körperhaltung in Erregung/Spannung; selbstbewusste Haltung: Der Hund neigt sich nach vorne, das Gewicht ist auf den Vorderpfoten verteilt. Er macht sich eventuell größer, die Bewegungen und die Rückenpartie sind steif. Im hinteren Halsbereich und bei der Schwanzwurzel können die Haare aufgestellt sein, was auf einen hohen Erregungsgrad hinweist. Dies nennt man „Piloerektion“. Diese Erektion wird von den Hunden nicht bewusst sondern vom vegetativen Nervensystem gesteuert. Damit wird signalisiert, dass sich der Körper bereit macht, nach außen hin eine Handlung zu setzen (zum Beispiel Fliehen oder Kämpfen). Unsichere/ängstliche/deeskalierende Körperhaltung: 15
Der Hund neigt sich nach hinten oder seitwärts (weg vom Auslösereiz), das Gewicht liegt auf den Hinterpfoten. Der Hund macht sich kleiner und der Körper richtet sich nach unten (Richtung Boden) aus. Der Rücken ist rund und wirkt gekrümmt, die Bewegungen sind entweder langsam oder sehr schnell „hüpfend“. Auch hier ist der Körper angespannt. Eventuell kann man auch eine Piloerektion erkennen. Alle oben beschriebenen Körperhaltungen müssen nicht wie beschrieben aussehen. Die Übergänge können fließend sein (zum Beispiel vom entspannten Zustand in einen erregten), auch müssen nicht alle beschriebenen Merkmale auftreten. 2.4.2. Die Rute Die Rute ist die verlängerte Wirbelsäule des Hundes. Sie kann kurz oder sehr lang sein, runterhängend oder über dem Rücken aufgerollt. An der Position der Rute kann man die Signale des Hundes erkennen. Entspannte Rutenhaltung: Die Muskeln sind entspannt, die Rute schwingt mäßig oder gar nicht hin und her. Die Rute befindet sich (normalerweise) in einer Position unterhalb der Horizontalen. Daher die einzelnen Rassen aber unterschiedliche Ruten haben, kann sich die Einschätzung als schwierig erweisen. So befinden sich zum Beispiel Ringelruten immer in einer sehr hohen Position, nämlich in einem 90-Grad-Winkel nach oben zur Wirbelsäule, was zu kommunikativen Missverständnissen führen kann. Um dem als Mensch vorzubeugen, sollte bei Beobachtung der Rute immer der Rutenansatz und im Fokus stehen. Wenn man nun dessen Ausgangspunkt im entspannten Zustand kennt, ist es ein leichtes zu eruieren, ob die Rute noch weiter Richtung Rücken oder Richtung Boden bewegt wird. 16
Erregte/angespannte Rutenhaltung: Die Rute befindet sich weiter nach oben/Richtung Rücken bezüglich der entspannten Ausgangsposition. Dies signalisiert in der Regel einen selbstbewussten Hund. Die Rute kann entweder komplett steif und bewegungslos sein oder in einem kleinen Radius schnell hin und her bewegt werden. Je schneller die Bewegung, desto aufgeregter ist der Hund. Wenn die Rute komplett steif vom Körper absteht, ist der Hund sehr angespannt. Je höher die Rute getragen wird, desto größer ist die Spannung. Die Körperhaltung dazu ist meist ebenfalls sehr steif. Angespannte/ängstliche Rutenhaltung: Wenn die Rute in Richtung Bauch gezogen, die Anogenitalregion bedeckt wird und die Muskeln angespannt wirken, dann kann dies darauf hindeuten, dass der Hund sich unwohl fühlt, eventuell sogar ängstlich ist oder in dem Moment nicht unbedingt Sozialkontakt wünscht. Wenn im Spiel die Rute einer der Hunde immer heruntergezogen ist oder sogar zwischen den Hinterbeinen an den Bauch geklemmt wurde, dann ist dies ein Zeichen, dass es für diesen Hund kein freies Spiel mehr ist oder es nie eines war. Situationsbezogen muss dann überlegt werden, ob man als Mensch das Spiel unterbricht und dem Hund eine Pause gönnt oder weiterlaufen lässt. Dabei müssen wieder die restliche Körpersprache und das Umfeld, die Beziehung der Hunde zueinander und der Kontext miteinbezogen werden. 2.4.3. Der Kopfbereich Der Kopf als kommunikatives Mittel kann wieder in die Bereiche der Ohren, des Fangs, der Augen und der Stirn gegliedert werden. Es wird nun nicht auf jedes dieser 17
Körperteile einzeln eingegangen, sondern versucht, den Gesamteindruck eines Gesichtsausdruckes zu vermitteln. Entspannter Gesichtsausdruck: Die Ohren sind in Ausgangsposition, gerade und entspannt, bei Hängeohren gerade herunterhängend. Die Augen sind offen und haben einen weichen Blick. Die Maulpartie kann geschlossen oder leicht geöffnet sein. Die Gesichtsmuskeln sind entspannt, die Stirn ist glatt. Vereinfacht erklärt bedeutet dies, dass der Hund keine angestrengt wirkenden „Falten“ im Gesicht aufweist. Aufmerksamer/erregter Gesichtsausdruck: Wenn der Hund aufmerksam wird, können die Ohren nach vorne gehen, sie werden quasi nach vorne „gespitzt“. Die Stirn und Muskeln können leicht angespannt und faltig sein. Die Augen sind groß, der Blick jedoch weich. Gestresster/unsicherer Gesichtsausdruck: Hierbei werden die Ohren zur Seite oder nach hinten gelegt, die Stirn ist in Falten gelegt, die Augenbrauen werden nach oben gezogen. Die Augen können weit geöffnet sein, oder der Hund blinzelt viel. Die 18
Maulpartie kann weit offen sein, die Lefzen werden nach hinten gezogen, eventuell hechelt der Hund viel und „abgehackt“. Das Maul kann jedoch auch geschlossen sein, die Maulfalten sind hierbei etwas verkürzt und zu einem leichten „Lächeln“ nach oben gezogen. Angespannter/selbstbewusster Gesichtsausdruck: Wenn sich im Gefühlsstand des Hundes Spannung aufbaut, können die Ohren nach vorne gehen, die Augen sind offen und der Blick starr und hart. Die Maulpartie ist geschlossen und wird verkrampft, die Muskeln im Stirnbereich sind leicht angespannt. Dies alles sind nur Beispiele, wie der Körper eines Hundes in bestimmten Situationen aussehen könnte! Die wichtigsten Merkmale wurden genannt, tatsächlich werden aber die Signale nicht alle immer so eindeutig und in den Kombinationen wie angeführt verwendet. Oft werden aus den verschiedenen Bereichen beispielsweise gemischte Signale gesendet, die auf einen inneren Konflikt des Hundes hinweisen könnten oder angespannte, offensive Körperhaltungen mit „Beschwichtigungssignalen“ oder auch „Deeskalierungssignale“ genannt, versetzt, um Situationen zu entschärfen und sie nicht eskalieren zu lassen. 2.4.4. Beschwichtigungs- und Stresssignale Ein wichtiger Punkt in der hundlichen Körpersprache sind die sogenannten Beschwichtigungssignale. Die Hundetrainerin Turid Rugaas hat diese Signale zum ersten Mal für Hunde beschrieben. Sie werden gegeben, um Situationen zu besänftigen, wenn aggressives, ängstliches, gestresstes oder rüpelhaftes Verhalten vom Gegenüber an den Tag gelegt wird. Ein Hund setzt Beschwichtigungssignale aber auch dann ein, wenn er sich überfordert fühlt, wenn er Spannungen abbauen, Stress signalisieren oder sich selbst beruhigen möchte. 19
Diese Signale sind ein höfliches Kommunikationsmittel unter Hunden, quasi die „Hundeknigge“. Sie sind Warnsignale für mögliche Konflikte, Stimmungsmesser und Deeskalierungsmaßnahmen. Im Spiel werden sie häufig gegeben um zu signalisieren „mir ist die Situation zu viel/ich bin überfordert“ oder als Entschuldigung, wenn ein Hund eine Spielregel überschritten hat sagen möchte „das war nicht so gemeint“. Ein kurzer Auszug über die häufigsten Beschwichtigungssignale: Der Kopf oder der ganze Körper wird abgewendet Direkter Blickkontakt oder Anstarren ist in der Hundesprache unhöflich oder sogar als Drohung zu verstehen. Bei Hundebegegnungen dreht häufig eine der Parteien den Kopf zur Seite, um dem anderen zu signalisieren „Ich bin keine Gefahr!“. Wenn ein Spiel zwischen zwei Hunden zu heftig wurde und beide stoppen, so ist in dieser Situation oft das Kopf-abwenden vom Gegenüber zu beobachten. Dies dient der kurzen Beruhigung. Zunge zeigen/die Nase lecken Wenn ein Hund nicht gerade gefressen hat oder in Erwartung von Futter sich genüsslich das Maul schleckt, so ist das Nase-lecken meist als Beschwichtigung zu sehen. In Spielsituationen ist das Zunge zeigen häufig zu beobachten, meist wenn eine Grenzübertretung stattgefunden hat oder bei spielerischen Kämpfen einer der Hund am Boden am Rücken liegt und sich in dieser Position nicht wohl und sicher fühlt. Eventuell kann es passieren, dass der am Boden liegende dann auch nicht mehr aufstehen und das Spiel verlassen kann. Hinsetzen oder Hinlegen 20
Meist in Begrüßungssituationen oder in Spielpausen zu beobachten. Diese „Ruhepositionen“ nehmen das Tempo aus diesen Situationen. Gähnen Dient zur eigenen Beruhigung oder der Beruhigung anderer in stressigen Situationen. Natürlich ist nicht jedes Gähnen gleich ein Beschwichtigungssignal, manchmal sind Hunde auch einfach nur müde. Blinzeln Am Boden schnüffeln Hunde erkunden ihre Umwelt mithilfe der Nase. In angespannten Situationen lässt sich allerdings auch jenes Schnüffeln beobachten, bei dem zwar die Nase Bodenkontakt hat, jedoch die Augen die Welt um den Hund herum im Blick behalten. Häufig in Begrüßungssituationen zu sehen, wenn zwei Hunde sich noch nicht kennen. Die Vorderkörper-Tiefstellung Die Vorderkörper-Tiefstellung gehört eigentlich zu den Spielsignalen. Dabei wird der Oberkörper samt den Vorderbeinen des Hundes abgesenkt und das Hinterteil in die Höhe gereckt. Während bei einer tatsächlichen Spielaufforderung eine sehr entspannte Körperhaltung und ein entspannter Gesichtsausdruck mit übertriebenen Bewegungen einhergeht, verharrt der Hund bei der Beschwichtigung einige Sekunden länger, zeigt eventuell noch andere Beschwichtigungssignale, die Vorderbeine sind oft parallel zueinander am Boden, während bei einer Spielverbeugung diese weiter auseinandergestreckt sind. Die Verbeugung ist eine wenig bedrohliche Position, weil der Kopf des ausführenden Hundes unter dem zu beschwichtigenden ist. 21
Turid Rugaas beschreibt in ihrem Buch von Fällen, wo Hunde mehrere Minuten lang in der Stellung verharren um die anderen beteiligten Hunde zu beruhigen und zu signalisieren, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht. Splitten/dazwischengehen Wenn zwei Hunde einen Konflikt miteinander haben oder spielerisch miteinander raufen und es etwas zu grob wird, kann ein dritter Hund dazwischengehen und sie trennen, indem er sich von hinten oder der Seite nähert. Diese Verhaltensweise ist auch für Menschen sehr gut geeignet, zu raues Spiel und Streits zwischen Hunden zu schlichten. Einige Stresssignale, auf die man während des Spiels achten sollte: Übersprungshandlungen: Von einer Übersprungshandlung spricht man dann, wenn der Hund ganz plötzlich ein der Situation nicht passendes Verhalten zeigt. Wenn beispielsweise bei einer Kontaktaufnahme zweier Hunde einer den anderen sehr unfreundlich abweist, kann der abgewiesene Hund sich ganz plötzlich hinsetzen und sich beginnen zu kratzen. Man könnte diese Handlung auch als Verlegenheitshandlung nennen, allerdings existiert hierbei die Kritik den Hund zu stark zu vermenschlichen. Aufreiten Schütteln: Wenn angespannte Situationen sich auflösen, kann man bei den meisten Hunden das Abschütteln beobachten. Dabei schüttelt sich der Hund, so als ob er nass wäre. Umgangssprachlich könnte man vom „Stress abschütteln“ sprechen. Nase lecken 22
Vermehrtes Hecheln Gähnen Etc. Die Liste ließe sich noch viel länger fortführen, es gibt eine Vielzahl an Beschwichtigungs- und Stresssignalen und noch immer sind nicht alle erforscht bzw. wurden erkannt. Die Sprache der Hunde ist sehr viel komplexer und vielfältiger, als in dieser Arbeit beschrieben. Die wichtigsten Merkmale wurden genannt, damit ein Gefühl dafür entsteht, sie erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Um die Sprache besser lesen zu lernen, wäre mehr Anschauungsmaterial und mehr Tiefgang in dieses Thema notwendig. Fotos können nur Momentaufnahmen zeigen, um eine Situation interpretieren und verstehen zu können, muss jedoch den Gesamtkontext kennen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass es ratsam wäre, sich weiterführende Literatur dazu anzusehen. Die Komplexität des Themas würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 3. Die Arten des freien Spiels Hunde spielen auf sehr differenzierte Arten miteinander. Zu unterscheiden sind hier das Solitärspielverhalten und das Sozialspiel, die beide wiederum Objekt- sowie Bewegungsspiele beinhalten können. 3.1. Solitärspiel Zum Solitärspiel zählen alle Formen des Spiels ohne Spielpartner, bei dem auch keine Aufforderung an einen eventuellen Spielgefährten erfolgt. Manchmal mündet auch eine 23
missglückte Spielaufforderung an einen Sozialpartner in ein alleiniges Spiel, allerdings ist dieses kein Solitärspiel per definitionem. Beim Solitärspiel geht es hauptsächlich um die Erfahrung des eigenen Körpers und der Umwelt. Die eigenen Fähigkeiten werden erprobt und trainiert, die Umwelt wird erkundet und manipuliert. Insbesondere beim jungen Hund oder Hunden, die sehr depriviert aufgewachsen sind, hat das Solitärspiel eine immense Bedeutung. Diese Hunde lernen in meist großen Fortschritten, was sie können und wie sie sich verbessern können, wie sie ihre Umwelt beeinflussen können und ihr nicht mehr ausgeliefert sind, während erwachsene und erfahrene Hunde tendenziell schon mehr Eigenerfahrung besitzen. Zum Solitärspiel zählen: 3.1.1. Objektspiele „Zweckentfremdete Interaktionen mit einem leblosen Objekt […] einschließlich explorativer Manipulation“ – Fagen 1981 [15] „Objektspiele sind Spiele mit unbelebten, beweglichen Gegenständen, die geruchlich, taktil und geschmacklich untersucht werden.“ – Feddersen Petersen 2008 [16] Das Objektspiel des Hundes ist das alleinige oder gemeinsame Spielen mit einem Sozialpartner unter Einbeziehung eines dafür geeigneten Objekts. Im Objektspiel des Hundes sind gemäß seiner Natur als Raubtier sind sehr viele Verhaltensweisen und Sequenzen der Jagd zu beobachten. Demzufolge ist es nicht überraschend, dass in dieser Art von Spiel häufig sehr beuteähnliche Gegenstände verwendet werden beziehungsweise diese einen potentiell starken Spielcharakter besitzen. Spielzeuge werden wie Beute behandelt, sie werden beschnüffelt, beleckt, zerlegt, fixiert, in die Luft geworfen und wieder gefangen, mit den Vorderpfoten angestoßen, gebissen, geschüttelt, umkreist und nach eventuellem Anpirschen auch 24
häufig angesprungen, es wird darum gekämpft und sie werden vor anderen Sozialpartnern verteidigt. So sind zum Beispiel Spielzeuge die quietschen für Hunde sehr motivierend, weil sie ebenso wie kleine Beutetiere (z.B. Hasen und Mäuse) sehr hohe Töne von sich geben. Weitere beliebte Gegenstände für das Objektspiel sind weiche und bewegliche Gegenstände (z.B. Stofftiere, Baumwollseile, etc.) und natürliche Gegenstände (z.B. Tannenzapfen, Stöcke, Steine, etc.). Manchmal wird auch Futter vor dem Verzehr und Futterreste nach dem Verzehr als Spielbeute herangezogen. Objektspiel kann auch gemeinsam mit anderen Artgenossen auftreten. 3.1.2. Bewegungsspiele Als Bewegungsspiele werden jene einzeln ausgeführten Spiele bezeichnet, in denen die Bewegung im Vordergrund steht. Dabei springt, rennt oder wälzt sich der Hund übermütig, scheinbar ohne näheren Grund und ohne die Umwelt allzu sehr miteinzubeziehen. Konkret als Beispiel könnten die „verrückten 5 Minuten“ oder „Rennspiele“ eines Hundes darstellen. Dabei läuft der Hund schnell und in riesigen Bögen umher, schlägt Haken, wälzt sich auf dem Rücken und fuchtelt mit allen Pfoten in der Luft herum, er hüpft und macht Bewegungen, die er im Alltag sonst nicht oder kaum zeigt. Häufig jagt der Hund auch eigene Körperteile wie die eigenen Hängeohren (sofern vorhanden) oder den 25
Schwanz, wobei hier darauf geachtet werden muss, ab wann es noch Spiel ist und ab wann sich eventuell eine Stereotypie entwickeln könnte. Die Frage nach dem Nutzen dieses Spielverhaltens ist bisher noch nicht ganz geklärt. Bisherige Hypothesen besagen, dass plötzliche Bewegungslust dazu dienen könnte, überschüssige Energie im Körper des Hundes abzubauen und so die optimale Entwicklung und Verstoffwechselung von Aminosäuren gerade in jungen Jahren zu garantieren. [17] Die zweite Theorie zum Bewegungsspiel besagt, dass es ein „Verhalten, das aus Bewegungslust (der Umsetzung der momentanen Befindlichkeit in Bewegung oder der Freude ab der Bewegung selbst) entsteht“ ist, das Hunde gehäuft dann zeigen, wenn sie sich besonders wohl fühlen. Es könnte mit den Freudentänzen oder – sprüngen von Menschen verglichen werden. [18] Eine weitere Theorie ist, dass Hunde die nach einer sozialen Zurechtweisung oder einem ausgetragenen Konflikt wild spielen, weil dies befreiend wirkt. Rennspiele (oder auch Verfolgungsspiele, wenn andere Artgenossen anwesend sind) sind hierbei besonders beliebt und sollen für Entspannung sorgen. [19] 3.2. Sozialspiel Beim Sozialspiel steht, wie der Name schon sagt, die Interaktion mit Sozialpartnern im Vordergrund. Während der Hund im Solitärspiel den Umgang mit seiner Umwelt und sich selbst erlernt, lernt er diesen im Spiel mit Artgenossen und Menschen aber auch anderen Lebewesen, wie beispielsweise Katzen (sofern diese in seinem Sozialverband eine Bedeutung haben). Hunde lernen spielerisch die Regeln, Grenzen und Umgangsformen im Kontakt mit anderen Individuen einer sozialen Gruppe und wie sie mit ihrem Verhalten andere Lebewesen beeinflussen können. Hunde jeden Alters und insbesondere Welpen profitieren davon, sofern diese Spielart allen Beteiligten Spaß macht und es bei eventuell auftretenden kommunikativen 26
Missverständnissen nicht zur Eskalation kommt. Wie solche Missverständnisse bzw. Eskalationen aussehen könnten und wie man diese am besten vorbeugen und beseitigen kann wird später noch erklärt. Laut Marc Bekoff lernen soziale Caniden wie Hunde „moralanaloges“ Verhalten (Social Play Behaviour). Sie lernen soziale Bindungen zu etablieren und erwerben ihren Sozialstatus (innerhalb einer sozialen Gruppe von Artgenossen), sie lernen was „richtig“ und was „falsch“ ist und was von ihren Sozialpartnern akzeptiert wird, wie Konflikte innerhalb der sozialen Gruppe gelöst werden. Diese Regeln generalisieren die Hunde dann auch auf andere Lebenssituationen. Sozialspiel ist „[…] eine auf ein anderes Individuum gerichtete Aktivität, bei der Aktionen aus anderen Kontexten in modifizierter Form und in geänderter Reihenfolge eingesetzt werden“ – (Bekoff & Byers 1998) [20] Diese „Aktionen aus anderen Kontexten“ beschreiben Verhalten aus verschiedenen Kontexten, wie das Beutefangverhalten, das Sexualverhalten, das Aggressionsverhalten und Submission, die im Spiel, im Gegensatz zum Ernstfall, unvorhersehbar miteinander kombiniert und in unterschiedlicher Intensität, Form und Ausführung gezeigt werden. Häufig kommt es bei dieser Spielart zu Missverständnissen zwischen den Spielpartnern, die die Betroffenen nicht immer von alleine aus der Welt schaffen können. Deswegen sollten Sozialspiele am besten unter Beobachtung stattfinden und rechtzeitig eingegriffen werden, bevor es zu einer Eskalation kommt. Das kann unter Umständen auch ein sehr gut sozialisierter Hund sein, der diese Aufgabe übernimmt. 3.2.1. Spielkämpfe Spielkämpfe sind Kämpfe ohne Ernstbezug. Dabei werden sehr ritualisiert die Verhaltensweisen, die auch in echten Kämpfen gezeigt werden, abgeschwächt eingesetzt. Dazu gehören Angriffs-, Flucht- und Verteidigungsverhalten. 27
Marc Bekoff beschreibt in seinem Essay „Sozialspiel, soziale Entwicklung und soziale Kommunikation: Kooperation, Fairness und Gerechtigkeit unter Tieren“ wie ein solcher Spielkampf aussehen könnte: „Während des Spiels von Hunden, Kojoten oder Wölfen kann man die folgenden Sequenzen beobachten: Beißen-Nachjagen-Ringen-Anrempeln-Ringen- Körperteile ins Maul nehmen-Nachjagen-Anspringen-Beißen-Ringen, während bei Aggression wahrscheinlich eher Drohen-Jagen-Anspringen-Attackieren- Beißen-Ringen und dann die Unterwerfung eines der Individuen zu beobachten sind.“ [21] Diese beschriebenen Verhaltensweisen entstammen aus einem agonistischen Kontext, also jenes Verhalten, das bei Aggression zu tragen kommt. Spielkämpfe verlangen viel Körpereinsatz der Spielenden. Dabei wird gerempelt, sich gegenseitig auf den Boden gedrückt, angesprungen und attackiert. Sie können auf den Hinterbeinen stehend, liegend oder stehend ausgeführt werden. Als Regel gilt, je höher die Hundekörper beim Spiel nach oben gerichtet werden, desto erregter sind die Gemüter. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Situation nicht eskaliert. Kampfspiele die im Liegen oder Sitzen ausgeführt werden, heißen Beißspiele, sind entspannter und nehmen allein durch die „Ruheposition“ Geschwindigkeit und Spannung aus dem Spiel. 3.2.2. Verfolgungs- oder Fluchtspiele Bei Fluchtspielen steht die Verfolgung eines Spielpartners im Vordergrund. Die Jagd- bzw. Beutefangverhaltensweisen und die agonistischen Verhaltensweisen werden hierbei spielerisch und nicht zielgerichtet um- und eingesetzt. 28
So gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit, dass bei zwei Hunden, einer die Beute spielt und flieht und der andere als Jäger die Verfolgung aufnimmt. Bei Verfolgungsspielen machen die Hunde oft kurze Pausen, in denen ein Rollentausch stattfindet. Sie verständigen sich dabei mittels Blickkontakten und Bewegungsinitiierung. Je nachdem welcher Hund zuerst eine Richtung wählt, entscheidet über die Rollenverteilung. Läuft er von seinem Spielpartner weg, wird er der Gejagte, macht er Bewegungen in Richtung Spielpartner, nimmt er die Rolle des Jägers ein und verfolgt das „Beutetier“. Das Ganze wird auch als „Jagdspiel“ bezeichnet. Häufig mündet diese Art von Spiel in einen Spielkampf, wenn der Verfolgte „erwischt“ wird. Wie auch bei den Spielkämpfen fehlen beim Jagdspiel gewisse Sequenzen in den Verhaltensmustern. Im Gegensatz zum Ernstfall bei der Jagd, wird das „Beutetier“ nicht erst aufgestöbert, Such- und Orientierungsverhalten fehlen. [22] 3.2.3. Objektspiele Soziales Spiel mit einem Objekt kann entweder ein Verfolgungsspiel mit Spielbeute sein oder mit dem Objekt wird ein „Tauziehen“ gestartet. Bei den Verfolgungsspielen mit einem Zerrspiel mit Spieldrohen Objekt, wird eine Konkurrenz um eine „Beute“ vorgetäuscht. Als Spielbeute werden wieder genau dieselben Gegenstände bevorzugt wie schon beim solitären Objektspiel. Dabei kann der Hund, der gerade in Besitz der Spielbeute ist, vor dem anderen umherstolzieren oder immer wieder vorbeirennen, sie in die Luft werfen oder sich mit ihr hinlegen und durch bestimmte Laute Spielabsichten erklären. Als Spielaufforderung gegenüber dem Menschen kommt häufig noch das Element des „Objekt-vor-die-Füße-legen-und-mit-der-Nase-anstupsen“ hinzu. 29
3.2.4. Rudeljagdspiele Wenn mehrere Hunde eines Rudels einen Hund verfolgen, dann spricht man vom Rudeljagdspiel. Vorrausetzung dafür ist, dass die Hunde tatsächlich ein Rudel (also einen Familienverband) oder eine rudelartige Gruppierung (eine Gruppe nicht verwandter Hunde, die zusammenleben und die eine Art Rudelstruktur haben) bilden. Rudeljagdspiele dürfen nicht mit Mobbing verwechselt werden, bei dem ebenfalls mehrere Hunde sich ein Opfer suchen und dieses zusammen verfolgen. 3.2.5. Bellspiele Eine sehr seltene Spielform ist das Bellspiel. Dieses Spiel tritt nicht bei allen Hunderassen auf. Dabei liegen zwei Individuen nebeneinander am Boden, strecken und räkeln sich, reißen das Maul weit auf und „bedrohen“ damit den jeweils anderen und bellen minutenlang. Die Spielpartner nehmen dabei keine Rollen ein, sondern verhalten sich identisch. [23] 4. Spielsignale Wie im ersten Kapitel schon erwähnt führen Hunde im Spiel Verhaltensweisen durch, die eigentlich aus einem anderen Funktionskreis stammen. So ist das Beute-schütteln aus dem Jagdverhalten, das Spieldrohen aus dem Aggressionsverhalten und die Schnauzenzärtlichkeiten aus dem Komfortverhalten zu beobachten. Aber woran erkennen die Hunde, dass es sich bei einem Spieldrohen tatsächlich um Spiel handelt und nicht um ein ernst gemeintes Drohen? Um Missverständnissen vorzubeugen werden vor und während des Spiels sogenannte „Spielsignale“ verwendet, um zu zeigen, dass das folgende Verhalten spielerisch und nicht ernst gemeint ist. Diese Signale sind stereotyp (das bedeutet, die die Form ändert 30
sich im Lauf der Entwicklung kaum) und hoch ritualisiert, damit auch alle Hunde dasselbe darunter verstehen. 4.1. Die Spielverbeugung Das wohl bekannteste Spielsignal ist die Spielverbeugung, auch Vorderkörper- Tiefstellung oder „play bow“ (Begriff des Verhaltensbiologen Marc Bekoff) genannt. Angedeutete Spielverbeugung vor Bei der Spielverbeugung Spielverbeugung einem Spielobjekt senkt der Hund den Oberkörper herab und kauert auf seinen vorgestreckten Vorderläufen. Diese Position gibt ihm die Möglichkeit sehr flexibel und in alle Richtungen zu agieren, die Muskeln werden gedehnt und er kann schnell losrennen. Die Spielverbeugung ist häufig begleitet von Spielbellen und einem auffordernden Schwanzwedeln und weiteren Spielsignalen. Die Spielverbeugung wird zu Beginn eines Spieles als Spieleinladung gezeigt, während des Spiels, um eine mögliche Eskalierung zu vermeiden und noch einmal zu versichern „Es ist alles in Ordnung, ich spiele nur!“ oder kurz bevor oder kurz nachdem ein Hund eine Handlung ausführt, die eventuell bedrohlich wirken könnte (beispielsweise eine „Attacke“). [24] Die Vorderkörper-Tiefstellung wird vor Artgenossen, Menschen aber auch Objekten gemacht. 31
4.2. Das Spielgesicht Das Spielgesicht kündigt die eindeutige Bereitschaft zum Spielen an, es fordert dazu auf und erhält erlahmende Spiele am Leben. [25] Auch hier ist die Botschaft wieder: „Alles in Ordnung, das ist nicht ernst gemeint!“. Das Spielgesicht ist gekennzeichnet durch einen entspannten Gesichtsausdruck, die Augen blicken nicht den anderen Hund an sondern ins Leere, die Ohren können kurzzeitig und abrupt an den Kopf gelegt werden. Das Maul ist entweder leicht und entspannt geöffnet oder übertrieben weit aufgerissen. [26] Spielgesichter bei einem Spielkampf 4.3. Die Pfotenbewegungen Bewegungen mit der Pfote können eine Spielaufforderung sein. So gibt es beispielsweise das sogenannte „Pföteln“, bei dem eine der Vorderpfoten in Richtung Spielpartner gerade in die Luft gestreckt und in einem Bogen wieder abgesetzt wird. Auch kann eine der Vorderpfoten auf dem Rücken, Kopf oder Nacken aufgelegt werden. Dabei wird nur sehr wenig Druck ausgeübt, meist ist diese Bewegung mit weiteren Spielsignalen gekoppelt. [27] 32
4.4. Das Spieltragen Beim Spieltragen tänzelt oder hopst ein Hund mit einem Gegenstand an dem zukünftigen Spielpartner vorbei. Häufig mündet dies in einem plötzlichen Umdrehen und Wegrennen. [28] 4.5. Das Spielbeißen Mit einer großen Beißhemmung werden Bisse gegen Artgenossen oder Menschen gerichtet. Eventuell wird es von Spielknurren begleitet. Häufig zu beobachten vor oder während Kampfspielen. 4.6. Das Hopsen Dabei nähert sich der Hund in übertriebenen Hops- und Sprungbewegungen seinem Spielpartner, bremst kurz davor ab, dann kann es eventuell zum Spielbeißen kommen um dann schnell wieder weg zu rennen. [29] Dieses Spielsignal lädt zum Verfolgen ein. 4.7. Mit der Schnauze anstoßen Hunde stupsen Artgenossen, Objekte oder Menschen mit der Schnauzenspitze mehrmals hintereinander spielerisch an um zum Spiel aufzufordern. [30] 4.8. Spielerisches Anspringen Dabei wird ein Spielpartner mit einem schnellen Vorwärtssprung angesprungen. Eventuell kann der angesprungene Betroffene dabei auch umgeworfen werden. Dies ist eine Spieleinladung mit sehr starkem Aufforderungscharakter. [31] 33
4.9. Spielerischer Überfall Dabei kauert der „angreifende“ Hund am Boden, fixiert seinen (baldigen) Spielpartner, schleicht auf ihn zu oder wartet, bis dieser vorbeiläuft und springt dann plötzlich (übertrieben) auf. Daraus entwickelt sich häufig ein Spielkampf oder ein Verfolgungspiel. [32] 4.10. Weitere Spielsignale Weitere Spielsignale gibt es etliche und wahrscheinlich sind auch noch nicht alle vollständig erforscht. Zu den weiteren Spielsignalen zählen beispielsweise noch das Spielbellen, das Spieldrohen und das Spielknurren. Das Spielbellen klingt harmonisch, melodisch und gleichmäßig und soll Distanz verringernd wirken (also eine Annäherung zwischen den spielenden Individuen möglich machen). Das Spielknurren wurde im zweiten Kapitel schon beschrieben. Das Spieldrohen ist eine Verhaltensweise aus dem agonistischen Kontext, das meist zusammen mit sehr übertriebenen Bewegungen und/oder einer Spielverbeugung gezeigt wird. Das Spieldrohen ist ein sehr übertriebenes Drohen, bei dem der Hund nur ein sehr schmales Maul macht, die Oberlippe übertrieben zurückzieht und die vorderen Zahnreihen zeigt. Das restliche Gesicht dazu ist, im Gegensatz beim Ernstfall, entspannt, die Augen sehen spielerisch ins Leere, die Stirn ist entspannt. Der gesamte Körper des Hundes sollte beim Spiel entspannt und kurvig wirken. Bei Erklärung all dieser Spielsignale fällt auf, dass sie immer übertrieben im Gegensatz zum Ernstfall gezeigt werden. Wie schon im ersten Kapitel erwähnt ist dies ein wichtiges Merkmal für Spiel. 34
5. Schönes Spiel VS Mobbing Wann ist Spiel also noch Spiel? In den vorherigen Kapiteln wurden die Spielsignale und die Spielarten der Hunde genauer beschrieben. Nun werden kurz die wichtigsten Indikatoren, woran man schönes, adäquates Spiel erkennt, zusammengefasst und übersichtlich aufgelistet. Gesundes, schönes Spiel zwischen Hunden enthält: Spielverbeugungen (Ausnahme: Hunde, die sich sehr gut kennen und mögen, brauchen nicht erst deutlich machen, dass sie spielen) Übertriebene, „sinnlose“ Bewegungen und Verhaltensweisen (insbesondere viele Seitwärtsbewegungen; Rückwärtsbewegungen deuten eher auf ein Unwohlsein einer der Spielpartner hin) Spielgesichter mit offenen Mäulern Entspannte, niedrig gehaltene Ruten Hunde brauchen im Spiel viele Pausen (Pausen sieht man häufig in Form von kurz gehaltenen Spielverbeugungen oder in Form eines kurzen Innehaltens) „Selbst-Handicapping“ (stärkere, größere, schnellere und wendigere Hunde nehmen sich in Kraft, Geschwindigkeit und Bewegung zurück um kleineren, älteren, langsameren oder schwächeren Tieren die Möglichkeit zu einem fairen Spiel ermöglichen) Impulskontrolle und Frustrationstoleranz (Spiel ist sehr emotional aufregend, weswegen manche Hunde leicht in eine Übererregung kommen und damit Spiel schnell in Nicht-Spiel umschlägt) Rollentausch in ausgewogenem Maß ist ein gutes Merkmal für schönes Spiel Beißhemmung (bei einem schönen Spiel sollte es nicht zu Schrammen, Kratzern oder zu festen Bissen kommen – es darf hinterher kein Blut zu sehen sein!) 35
Das Bellen oder Knurren klingt melodisch und sanft und tendenziell ohne große Veränderungen in der Stimme Wenn man sich unsicher ist, ob alle Beteiligten tatsächlich Spaß haben (weil das Spiel sehr rau und bedrängend wurde), ist es ratsam, die spielenden Individuen kurz zu trennen, um dann zu sehen, ob der meist bedrängte Spielpartner wieder zum/zu den anderen zurückkehrt Zu erwähnen wäre noch, dass in den meisten Fällen Hunde am liebsten nur mit einem Spielpartner spielen und nicht mit mehreren gleichzeitig. Nicht-adäquates Spiel enthält: Wenig Spielsignale und kein Spielgesicht Kaum oder gar keine Pausen Der bevorteilte Hund nimmt sich nicht selbst zurück (Selbst-Handicapping) Im Spiel ist einer der Hunde frustriert oder kann seine Emotionen nicht kontrollieren Einer der Spielpartner kann das Spiel nicht verlassen, auch wenn er es versucht Eventuell sucht einer der Hunde immer wieder Schutz bei seinem Hundehalter (in dem er sich beispielsweise zu ihm oder zwischen dessen Beine stellt) Sehr viele Hochkämpfe, bei denen die Beteiligten auf den Hinterläufen stehen Das Bellen und Knurren wird sehr tief oder hoch und kräftiger in der Vokalisation Sehr viele Stresszeichen und Beschwichtigungsignale 36
5.1. Mobbing Eine veränderte Definition von Mobbing nach dem Psychologen Heinz Leymann von 1995: "Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation […] verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch […] angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet." Diese Definition kann man auch (zumindest verändert) auf Hunde anwenden. Wenn beim Spiel ein Hund unterlegen vor dem Angreifer am Boden liegt, passiert es häufig, dass weitere Angreifer sich dazugesellen und alle auf einen losgehen. Es kann auch passieren, dass in einer beengten Situation sich viele Hunde entschließen, auf einem Hund rumzuhacken. Manchmal schlagen auch Verfolgungsspiele mit mehreren Hunden in Mobbing um, bei dem dann viele Hunde hinter einem unterlegenen hinterher laufen und ihn eventuell bei Erwischen massiv bedrängen. „Alle auf einen!“ – das ist Mobbing wohl auf den Punkt gebracht. Auf der DVD gibt es dazu ein Videobeispiel. 5.2. Eingreifen bei nicht-adäquatem Spiel und Mobbing Wenn man Mobbing unter Hunden beobachtet, sollte auf jeden Fall eingegriffen werden! Falls der unterlegene/verfolgte Hund von alleine Schutz beim Menschen sucht, sollte ihm dieser gewährt werden. Bei Welpen kann man sich hinhocken und den bedrängten Welpen mit Armen und Beinen vor den anderen beschützen. Bei nicht-adäquatem Spiel gilt dasselbe. Eine weitere Möglichkeit des Eingreifens ist das sogenannte „Splitting“ (siehe Kapitel 2 – Beschwichtigungssignale). Dabei geht man mit einer ruhigen Bewegung zwischen die Mobber und den Gemobbten bzw. zwischen die Spielpartner, deren Spiel in Nicht-Spiel umgeschlagen ist. 37
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