DAS STADTMAGAZIN LUZERN - ALLMEND - STADT LUZERN
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LuZerN Ausgabe #03, Juli 2014 DAS STADTMAGAZIN ALLMeND Wo 150 Jahre lang geschossen wurde, erhält die Natur neue Lebensräume.
2|3 Editorial Inhalt Martin Merki 4 ZukuNfT heIMe Sozialdirektor Die Stimmberechtigten der Stadt Luzern haben der Um- wandlung der städtischen Heime und Alterssiedlungen in eine gemeinnützige AG zugestimmt. Das «Stadtma- gazin» berichtet über die wIchTIGer SchrITT für Umsetzung des Entscheids. eINe GuTe ALTerSVerSorGuNG Am 18. Mai haben 61 Prozent der Stimmberech- 6 ALLMeND tigten in der Stadt Luzern Ja gesagt zur Umwand- Nach über 150 Jahren lung der städtischen Pflegeheime in eine gemein- Schiessbetrieb muss bis nützige Aktiengesellschaft. Das deutliche Resultat zu einem halben Meter freut den Stadtrat. Er dankt den Stimmberechtig- belastete Erde abtranspor- ten für die grosse Unterstützung. tiert werden. Der Natur- raum Allmend wird jetzt Die städtische Alterspolitik ist langfristig ange- für Mensch und Tier auf- legt. Der letzte ähnlich wegweisende Entscheid liegt gewertet. IMpreSSuM 14 Jahre zurück. Es ist die Fusion von Bürger- und Verantwortlich: Einwohnergemeinde. Diese stärkte die Investitions- 8 SchuLe Stelle für Kommunikation fähigkeit und ermöglichte wichtige Sanierungen von Der Rektor der Volksschule Niklaus Zeier Betagtenzentren. Nun folgt auf den 1. Januar 2015 Luzern, Rolf von Rohr, tritt Dagmar Christen die Umwandlung der fünf städtischen Betagtenzent- zurück. Er blickt im Inter- Autorinnen / Autoren: ren und Pflegewohnungen in eine gemeinnützige, view auf die Fusion von Daniel Arnold (Aktuell) nicht gewinnorientierte AG. Sie ist die organisatori- Littau und Luzern, auf den Melchior Bendel (MB) Flavian Cajacob sche Antwort auf die Veränderungen in der Finanzie- Ausbau der Tagesbetreu- Dagmar Christen (DC) ung und die «Schule mit rung der Pflege und die konsequente und logische Urs Dossenbach (UD) Dragana Glavic (DG) Weiterentwicklung von dem, was bisher aufgebaut Zukunft» zurück. Madina Klassen worden ist: Seit zehn Jahren werden die Pflegeheime Christine Weber mit einem Leistungsauftrag und Globalbudget 10 QuArTIer Niklaus Zeier (NZ) innerhalb der Stadtverwaltung geführt. Vom St.-Karli-Schulhaus Korrektorat: über das Durchgangszent- Daniela Kessler rum Hirschpark bis zum Nun übergibt die Stadt die Gebäude ihrer Heime Erscheint fünfmal jährlich sowie den Boden im Baurecht an die neue Träger- Campus des Kantonsspitals in einer Auflage von schaft. Die gemeinnützige AG wird für die betriebli- Luzern: Entlang der Spital- 50’000 Exemplaren strasse geht es um Leben, che und finanzielle Führung voll verantwortlich. Die Grafik : Verselbstständigung der Heime, ihre Herauslösung Überleben und auch um hofmann.to als städtische Dienstabteilung, macht Anpassungen den Tod. Fotos: in der Verwaltung notwendig. In der Sozialdirektion 12 pArLAMeNT Franca Pedrazzetti wird die neue städtische Dienstabteilung «Alter und (Front, 3 –12, 14, 16, 17, An zwei Ratssitzungen Gesundheit» die Alterspolitik weiterentwickeln. Diese 20), Stadt Luzern hat das Parlament über die (16 unten,18, Mitte), Verwaltungsstelle schliesst für die Stadt die Verträge Mobilitätsstrategie des Spot on Distribution mit allen Pflegeheimen und Spitex-Organisationen in (18 oben), Stadtrates diskutiert. Dem der Stadt ab. Grosser Stadtrat und Stadtrat bestim- Monica Tarocco (18 unten), Bericht wurde zugestimmt, Dominik Blum (19) men über diese Leistungsverträge. Damit sorgt die die Positionen der einzel- Politik bei allen Pflegeeinrichtungen neben einer fai- Druck: nen Fraktionen liegen aber ren Finanzierung auch für eine gleich hohe Pflegequa- LZ Print, www.lzprint.ch weit auseinander. lität bei zeitgemässen, guten Arbeitsbedingungen. Titelbild: Stefan Herfort vom 14 porTrÄT Umweltschutz der Stadt Die Stadt will für alte und junge Menschen, die Mariteres Hofstetter, Luzern leitet das Projekt permanent hier leben oder kurzfristiger mit uns musikalische Gastgeberin Natur und Erholungs sind, ideale Lebensbedingungen schaffen. Das zeigt raum Allmend. auch die lesenswerte Quartier-Reportage über 16 AkTueLL Gedruckt auf Recycling das Leben an der Spitalstrasse oder das Angebot Neuzuziehende erhalten Papier, hergestellt in der «Neu in der Stadt?» im aktuellen «Stadtmagazin». alle Informationen in ver- Schweiz Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und schiedenen Sprachen neu © Stadt Luzern einen schönen Sommer! auch via Internet.
Nachgefragt Mehr VerANTworTuNG Mehr hANDLuNGSSpIeLrAuM In einem halben Jahr sind die städtischen Heime und Pflegewohnungen nicht mehr Teil der Verwaltung, sondern Bestandteil einer AG. Wieso dieses Tempo, was gibt es noch zu tun und wie viel verdient der designierte Geschäftsführer Beat Demarmels? Ich werde mehr Verantwor- tung und mehr Handlungsspiel- raum erhalten und gemeinsam mit der Geschäftsleitung Ent- scheide zuhanden des Verwal- tungsrates vorbereiten. In der Geschäftsleitung wie auch im Verwaltungsrat werden Personen vertreten sein, die mit dem Ge- sundheitswesen vertraut sind. Deshalb wird es zu mehr und ver- tieften Fachdiskussionen kom- men, auf deren Grundlage Ent- scheide getroffen werden. Das führt zu mehr Professionalität und Effizienz. Arbeitsinstrumen- te und Dienstleistungen können so besser auf die Bedürfnisse der Menschen mit einem Pflege- oder Betreuungsbedarf ausge- richtet werden. Erhalten Sie als CEO der AG mehr Lohn als bisher? Diese Frage beschäftigt mich zurzeit am wenigsten. Es wird Auf- gabe des Verwaltungsrates sein, mein Gehalt festzusetzen. Wie werden Sie den Be Beat Demarmels im Park des Betagtenzentrums Eichhof. Ab Januar 2015 wird er Geschäftsführer der neugegrün fürchtungen, die im Vor deten gemeinnützigen AG, in die die städtischen Heime und Pflegewohnungen übergeführt werden. feld der Abstimmung laut wurden, entgegen Beat Demarmels, wollen Sie Welche Arbeiten drängen wirken? mit den Heimen möglichst jetzt am meisten? Mit guter Arbeit und offener, rasch weg von der Stadt? Wichtig ist, ein gutes Team transparenter Information. Die Nur weil wir zügig vorwärts- zusammenzustellen. Wir suchen Heime sollen auch weiterhin ihre arbeiten? Nein. Wir haben letztes Fachleute im Bereich Finanzen, wichtige Rolle in den Quartieren Jahr viele Grundlagen erarbeitet Unternehmensentwicklung und – spielen und noch stärker zu Treff- und Vorabklärungen getroffen, besonders zentral – im Bereich punkten werden. damit das Parlament und die Personal: Es arbeiten über 900 Die Bewohnerinnen und Be- Stimmberechtigten ihren Ent- Menschen in den städtischen wohner sollen durch ein gutes scheid über die Umwandlung der Heimen und Alterssiedlungen. Dienstleistungsangebot und Heime und Alterssiedlungen fäl- Auch die zukünftige Zusammen- durch motivierte Mitarbeitende, len konnten. Beispielsweise ist arbeit mit der Stadt und der die sie optimal betreuen und pfle- der Gesamtarbeitsvertrag mit den eigene Auftritt als Unternehmen gen, profitieren. Ich bin mir be- Sozialpartnern bereits ausgehan- werden uns noch beschäftigen. wusst, dass wir im Fokus der Öf- delt, die Statuten für die gemein- fentlichkeit stehen und unse - nützige AG oder die Baurechtsver- Ab Januar 2015 sind Sie re Schritte genauestens verfolgt träge sind schon festgeschrieben. Geschäftsführer der gemein werden. Eine längere Vorbereitungszeit nützigen AG im Eigentum würde nur mehr Unsicherheit für der Stadt. Wie verändert Dagmar Christen die Mitarbeitenden bedeuten. sich dadurch Ihre Arbeit ? Redaktorin «Stadtmagazin»
4 |5 Zukunft Heime eIN rÄTSeL BLeIBT: wIe heISST DIe Neue AG? Die städtischen Heime und Alterssiedlungen werden selbstständig. Jetzt gilt es, die neue AG aufzubauen. Die nächsten Schritte: Wahl des Verwaltungsrates, neue Verträge für die Mitarbeitenden, Ergänzung der Geschäftsleitung, neuer Name. Bewährtes auch als AG erhalten: Esterina Deflorin, Gast in der Übergangspflege im Rosenberg, mit Pflegefachfrau Paula Willi. Eine rund zehnseitige, eng beschriebene Check- neue AG arbeiten werden. Zudem garantiert der liste bildet im Moment das wichtigste Arbeitsinst- Stadtrat, entsprechend den früheren Verselbststän- rument von Beat Demarmels, Leiter der Abteilung digungen (ewl, vbl) und Fusionen (Einwohner- und Heime und Alterssiedlungen (HAS) der Stadt Luzern. Bürgergemeinde, Littau-Luzern), eine faire Perso- Diese wurde unmittelbar nach der Abstimmung nalpolitik mit den folgenden Beschlüssen, die er über die Verselbstständigung der städtischen Heime bereits beim Start des Projekts zur Verselbstständi- und Alterssiedlungen zusammengestellt. Am 18. Mai gung der Abteilung HAS gefasst hat: sagten 61 Prozent der Stimmenden Ja zu dieser Neu- organisation für die städtischen Alters- und Pflege- • Alle Mitarbeitenden bleiben in der Pensions- einrichtungen. «Jetzt gilt es, diesen Entscheid zeit- kasse der Stadt Luzern. Sie profitieren damit gerecht umzusetzen, denn ab dem 1. Januar 2015 auch künftig von den Leistungen der städtischen sind wir eine gemeinnützige AG im Eigentum der Pensionskasse. Stadt Luzern», hält Beat Demarmels fest. • Das neue Unternehmen übernimmt alle Mitar- beitenden, ohne dass sich diese neu bewerben GAV bereits unterzeichnet müssen. Eine wichtige Vorarbeit wurde aber bereits im • Die Führungskräfte werden in gleichwertige vergangenen Herbst abgeschlossen: Damals unter- Führungspositionen übernommen. zeichnete die Stadt mit den Berufsverbänden den neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für das Heim- Der GAV enthält bewährte Bestandteile des bis- personal, der von den Berufsverbänden als wegwei- herigen Personalreglements sowie einige Neuerun- send gewürdigt wird. Nach dem Ja an der Urne tritt gen vor allem bei den Ruhe- und Ferienzeitregelun- er am 1. Januar 2015 in Kraft. Der GAV sichert die gen. Im Herbst erhalten alle Mitarbeitenden einen insgesamt guten Bedingungen der mehr als 900 Mit- neuen Vertrag, den sie mit der neuen AG abschlies- arbeitenden in den Pflegezentren und Pflegewoh- sen werden und der ab dem 1. Januar 2015 gültig nungen der Stadt Luzern, welche künftig für die sein wird.
Mit der Überführung übergibt die Stadt die Neue Organisation für Gebäude ihrer Heime sowie den Boden im Baurecht Alterspolitik an die neue AG , die künftig die betriebliche und Parallel zur Verselbst finanzielle Führung aller Heime und Pflegewohnun- ständigung der Abtei gen verantwortet. Die Aufgaben in der Alterspolitik lung Heime und Alters werden entflochten. Die Stadt konzentriert sich auf siedlungen in eine ge meinnützige AG wurde ihre Rolle als Eigentümerin der AG sowie auf die Ver- die neue Dienstabtei gabe der Leistungsverträge an alle Pflegeheime und lung Alter und Gesund Spitex-Organisationen in der Stadt Luzern, also heit (AGES) aufgebaut. auch an die neue gemeinnützige AG. Sie hat die Aufgabe, die städtische Versorgung Wie heisst die neue AG? im Altersbereich zu ge Während bei den früheren Verselbstständigun- stalten und zu steuern. gen die Namen vbl und ewl schon gesetzt waren, Die Abteilung ist Teil der fehlt die Firmenmarke für die gemeinnützige AG im Sozialdirektion und In Moment noch. «Neu-HAS kann unsere AG ja nicht strument des Sozial heissen», scherzt Beat Demarmels. «Nein, zurzeit direktors, die Alterspoli arbeiten wir noch konzentriert am neuen Auftritt tik in Luzern zu führen. Sozialdirektor Martin Merki (links) bespricht sich am Rande einer Ratssitzung mit Beat Demarmels, designier unserer AG.» tem Geschäftsführer der gemeinnützigen AG. Für diesen Auftritt benötigt die künftige Ge- Alter und Gesundheit schäftsleitung nicht nur einen einprägsamen und AGES gehören folgende Bereiche an: AHVZweig Wahl des Verwaltungsrates passenden Namen. Auch eine visuelle Marke gehört stelle, Pflege und Woh Die neue AG bleibt wie die Verkehrsbetriebe Lu- dazu. Vom Geschäftspapier über die Beschriftung nen sowie die Fachstelle zern AG (vbl) und Energie Wasser Luzern AG (ewl) der Häuser bis hin zum Namenstäfelchen an den für Altersfragen. Der Be zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Luzern. Aller- reich Pflege und Woh dings ist sie nicht gewinnorientiert: Allfällige Ge- nen ist unter anderem winne muss sie zugunsten von Menschen mit einem zuständig für die Ausge Pflege- und Betreuungsbedarf wieder investieren. staltung der Leistungs Zurzeit sucht der Stadtrat Persönlichkeiten für das verträge mit den Pflege Verwaltungsratspräsidium und den Verwaltungs- einrichtungen in der rat. Dieser besteht aus fünf bis sieben Mitgliedern. Stadt Luzern. Die Fach Die Namen der Mitglieder sollen bis Ende August stelle für Altersfragen feststehen. Anfang Juni hat die Stadt die Verwal- erarbeitet die Grundla tungsratsmandate öffentlich ausgeschrieben. Der gen zur Alterspolitik Stadtrat bildet die Generalversammlung der AG und und betreut Projekte zur wählt somit auch den Verwaltungsrat. Partizipation der Gene ration 60 plus. Die Lei tung von AGES unter Aufbau der Geschäftsführung stützt den Sozialdirektor Während der Verwaltungsrat die strategische und den Stadtrat in der Führung der neuen AG verantwortet, liegt das ope- Alters und Gesundheits rative Management der AG mit ihren fünf Heimen politik. und vier Pflegewohnungen bei der Geschäftsleitung. Ihr gehören alle Betriebsleiterinnen und -leiter Sozialdirektion der Betagtenzentren und Pflegewohnungen an. Dem Sozialdirektor wird Der heutige Auftritt der fünf Betagtenzentren und der Neu hinzu kommen die Leiterin oder der Leiter Pflegewohnungen gehört ab 2015, wenn die gemeinnüt trotz Ausgliederung Personal, Finanzen und Unternehmensentwick- zige AG ihre Arbeit aufnimmt, der Vergangenheit an. der Abteilung HAS die lung. Bereits als Geschäftsführer designiert ist Beat Arbeit nicht ausgehen. Demarmels. «Bis Ende Oktober will ich mein gesam- Arbeitskleidern der Mitarbeiterinnen und Mitar- Neben der Alterspolitik tes Team unserem Personal und der Öffentlichkeit beiter: Alle Beschriftungen müssen neu gestaltet verantwortet er die vorstellen können», gibt er zu Protokoll. werden, Schritt für Schritt. Auch einen neuen Arbeit u. a. in den Dienst Ende Dezember verabschiedet sich die Abteilung Internetauftritt gilt es zu entwickeln sowie Image- abteilungen Kindes und Heime und Alterssiedlungen (HAS) von der Stadtver- broschüren zu den Angeboten, eine Hauszeitung, Erwachsenenschutzbe waltung. «Wir wollen diesen Neubeginn im Januar einen Newsletter. Die Arbeit geht dem Projektteam, hörde, Soziale Dienste, Kinder Jugend Familie. mit einem Gründungsfest feiern», erklärt Beat welches am Aufbauen der neuen AG ist, nicht aus. Demarmels. «Uns ist es aber wichtig, dass wir auch Beat Demarmels wird seine Checkliste noch lange der Stadt richtig Adieu sagen, denn unsere Zusam- nicht abgearbeitet haben. Bestimmt rot angestri- menarbeit mit dem Stadtrat und der Verwaltung chen in der Arbeitsagenda des künftigen Chefs der wird ab Anfang 2015 eine andere sein. So müssen wir AG ist der 1. Januar 2015: Dann tritt die neue Toch- künftig die Leistungsverträge mit der Stadt aushan- tergesellschaft der Stadt Luzern ihre Selbstständig- deln wie die privaten Heime in Luzern. Daneben wer- keit an. den wir in den nächsten Jahren jedoch auch einzelne Dienstleistungen wie die Lohnbuchhaltung oder die Niklaus Zeier EDV noch weiterhin bei der Stadt einkaufen.» Chef Kommunikation
6 |7 Allmend DIe SpureN VoN 150 jAhreN SchIeSSBeTrIeB BeSeITIGeN Noch sind nicht alle Bauarbeiten auf der Allmend abgeschlossen. Zurzeit wird der Boden bei den Schiessplätzen vom Blei befreit, Bäche werden freigelegt sowie neue Wege und Biotope angelegt. zialgerät, das Röntgenstrahlen aussendet, misst er die Belastung und gibt dem Baggerführer Anwei- 1 sungen, wie tief er graben muss. Je nach Belastung sind es 10 bis 50 Zentimeter. Ziel ist, dass der Boden im Wald nach der Sanierung noch maximal sechs Gramm Blei pro Kilogramm enthält. Im Bereich von Wegen und Aufenthaltsflächen liegt das Sanie- rungsziel bei einem Gramm. «Dann stellt der Boden für Gewässer, Pflanzen, Tiere und Menschen keine Gefahr mehr dar», sagt Pascal Koch. Grosse Umsiedlung Insgesamt muss auf den ehemaligen Schiessan- lagen der Boden auf rund zwei Hektaren abgetra- gen werden. Damit die Tiere, die hier leben und ge- schützt sind, das Prozedere überleben, werden sie umgesiedelt. Um sie einzufangen, wurden mit Ble- chen und Ziegeln künstliche Unterschlupfmöglich- keiten geschaffen und Amphibienzäune aufgestellt. Da die Schiessanlagen lange Zeit Sperrgebiet waren, konnte sich die Pflanzen und Tierwelt «Ringelnattern, Unken, Zauneidechsen, Feuersa- ungestört entwickeln. lamander, Blindschleichen und weitere Arten ver- kriechen sich unter den Blechen und Ziegeln oder Das Gebiet der ehemaligen Schiessanlagen zwi- folgen so lange den Zäunen, bis sie in einen Kübel schen Horwerstrasse, Zihlmattweg und Bireggwald fallen», sagt Stefan Herfort. Die «Fallen» werden war jahrzehntelang ein Niemandsland – abgesperrt regelmässig kontrolliert und die Tiere in Bereiche und höchstens für Rekruten und Soldaten zugäng- gebracht, die von der Sanierung nicht betroffen lich. Jetzt wird hier gearbeitet: Im März 2014 wur- sind. «Wir haben so in wenigen Wochen mehrere den 6500 Quadratmeter Wald gerodet. Zurzeit trägt hundert Tiere umsiedeln können», sagt Stefan Her- ein Bagger die oberste Humusschicht ab. fort. Über 150 Jahre Schiessbetrieb haben ihre Spu- ren auf der Luzerner Allmend hinterlassen. Die Neue Kleingewässer Böden sind grossflächig mit Schadstoffen wie Blei Da die Schiessanlagen lange Zeit Sperrgebiet belastet. Sie gefährden die Gewässer, Pflanzen, waren, konnte sich die Pflanzen- und Tierwelt un- Tiere und Menschen. Deshalb wird der Boden ent- sorgt. «Am Rand des Bireggwaldes mussten wir rund 150 Bäume fällen, damit wir den Boden abtragen können», sagt Stefan Herfort. Der Projektleiter beim Umweltschutz der Stadt Luzern geht davon aus, dass auf den ehemaligen Schiessplätzen insgesamt rund 6500 Kubikmeter Erde mit rund 400 Tonnen Blei abtransportiert und in Bodenwaschanlagen oder auf spezielle Deponien gebracht werden müssen. «Dazu braucht es rund 550 Lastwagenfahrten», sagt Stefan Herfort. So viel wie nötig Bezahlt wird pro Kilogramm. Deshalb wird nur bei trockenem Wetter gearbeitet. Dadurch kann ver- hindert werden, dass die Erde mit Wasser vollgeso- gen ist und damit schwerer wird. Eine wichtige Funktion hat Pascal Koch, Altlastenfachmann der Firma CSD Ingenieure. Er sorgt dafür, dass nur so Pascal Koch misst die Belastung und zeigt dem viel abgetragen wird, wie nötig ist. Mit einem Spe- Baggerführer, wie tief er den Boden abtragen muss.
die Schiessanlagen zum Rückhaltebecken an der Naherholung und Horwerstrasse fliessen, in Betonrinnen gezwängt Naturschutz und zum grossen Teil unterirdisch kanalisiert. Das Stadtrat und Parlament wird nun rückgängig gemacht. Nach der Sanierung haben sich 2006 darauf können die Betretungsverbote bei den ehemali- geeinigt, die Entwick gen Schiessanlagen weitgehend aufgehoben wer- lung der Messe und des Fussballstadions im nord den. Bis Ende 2015 entsteht ein rund ein Kilometer östlichen Viertel der langer Naturerlebnisrundweg. Er wird vom Zihl- Allmend zuzulassen. mattweg über die Schiessanlagen und durch den Die übrigen drei Viertel Bireggwald zurück zum Zihlmattweg führen. Auf bleiben als offener Land Informationstafeln wird den Spaziergängerinnen schaftsraum für den und Spaziergängern die vielfältige Pflanzen- und Breitensport, die Nah Tierwelt nähergebracht. erholung und den Natur schutz reserviert. Leinenzwang Aus Rücksicht auf die Natur gilt auf den ehe- Sanierung maligen Schiessplätzen, die mehrheitlich in der 2009 hat der Grosse Naturschutzzone sind, künftig ein Leinenzwang für Stadtrat im Rahmen des Hunde. Die Hundehalterinnen und Hundehalter Projekts «Natur und erhalten dafür östlich der Horwerstrasse eine «Hun- Erholungsraum All Stefan Herfort kontrolliert eine Amphibienfalle. dewiese»: Auf der sogenannten Allmendwiese süd- mend» die altlastentech lich des Armee-Ausbildungszentrums können sie nische Sanierung der gestört entwickeln. «Hier leben schätzungsweise ihre vierbeinigen Lieblinge von der Leine lassen. ehemaligen Schiess gegen 1000 Gelbbauchunken – eine der grössten Auf den ehemaligen Schiessanlagen gibt es zahl- plätze beschlossen. Sie Populationen im Kanton Luzern», sagt Stefan Her- reiche militärische Bauten wie Scheibenstände, kostet rund 4 Mio. Fran fort. Die Sanierung sei auch eine Chance, ken und umfasst den vor allem von der Armee diesen Lebensraum zu erhalten und auf- genutzten Gefechts zuwerten. Die Rodungsflächen im Biregg- wald werden nach Abschluss der Sanie- Rund 550 Lastwagenfahrten schiessplatz Stand A, die beiden 300Meter rung mit einheimischen Bäumen – zum sind nötig, um die belastete Anlagen und die von Beispiel mit Eichen – und Sträuchern bepflanzt. Auf den übrigen Flächen wer- Erde abzutransportieren. der Jagdschützengesell schaft betriebene Ton den neue Mager- und Trockenwiesen taubenanlage. Die Stadt angelegt und Hecken gepflanzt. Für die muss voraussichtlich 1 bis gefährdeten Gelbbauchunken und die anderen Bunker oder Munitionsdepots. Sie werden mit Aus- 1,3 Mio. Franken bezah Amphibien entstehen neue Kleingewässer. nahme des Scheibenstandes der Zihlmatt-Anlage len. Den Rest der Kosten zurückgebaut. Hier betreibt die Stadtschützenge- müssen der Bund, der Bäche «befreien» sellschaft weiterhin eine Infrarot-Trainingsanlage. Kanton Luzern und die Zur Aufwertung gehört auch, dass die Oberrüti- Zum Projekt Natur- und Erholungsraum gehört auch Schützenvereine über bäche und der Finsterlochbach revitalisiert und ein neuer Veloweg, der im Herbst 2014 gebaut wird. nehmen. Im Anschluss ökologisch aufgewertet werden. Damit die Soldaten Er wird vom Kreisel Allmend bei der Gemeindegrenze an die Sanierung wird bei ihren Gefechtsübungen nicht im Sumpf stecken Horw / Luzern über die Schiessanlagen und entlang der Kostenverteiler defi blieben, wurden die Bäche, die vom Bireggwald über des Kunstrasenfeldes zum Zihlmattweg führen. (UD) nitiv festgelegt. Die gefährdeten Gelbbauchunken erhalten Die Oberrütibäche werden aus ihrer Scheibenstände, Bunker und Munitionsdepots neue Kleingewässer. «Gefangenschaft» befreit. werden zurückgebaut.
8 |9 Schule «eS LohNT SIch NIchT, BeI Der BILDuNG Zu SpAreN» Fusion LittauLuzern, additive Tagesschule, individuelle und integrative Förde rung: «Die Schule hat sich massiv verändert», sagt Rolf von Rohr. Der Teamplayer und BeatlesFan tritt auf Ende Juli 2014 als Rektor der Volksschule zurück. Inwiefern? Wir sind auf dem Weg von der Schule, die selektiert und sich an den Defiziten der Lernenden orientiert, hin zu einer Schule, die integriert und die Lernenden individuell fördert. Jede Schüle- rin und jeder Schüler wird dort abgeholt, wo sie oder er steht, und dorthin geführt, wo sie oder er gemäss den eigenen Ressourcen hingelangen kann. Diese Entwicklung wird bei Lehrpersonen und Eltern kontrovers diskutiert. Eltern bemängeln, dass ihr Kind zu kurz kommt. Lehrpersonen kritisieren, dass die Inte gration von verhaltensauf fälligen oder lernbehinderten Kindern in die Regelklasse schwierig und eine grosse Belastung sei. Eine solche Umstellung kann nicht von heute auf morgen voll- zogen werden. Es dauert mindes- tens eine Generation, bis das neue System optimal funktioniert. Ich Rolf von Rohr: «In guter Erinnerung bleiben mir meine Kolleginnen und Kollegen im Rektorat – eine tolle spüre aber, dass die Akzeptanz bei Crew, in der sich ein Teamplayer wie ich gut aufgehoben und getragen fühlt.» Lehrpersonen und Eltern wächst und die grossen Chancen der in- Rolf von Rohr, warum lassen Sie hat sich massiv verändert. tegrativen Förderung vermehrt Sie sich bereits mit 62 Jahren Wir haben die Fusion der Volks- gesehen werden. Hinzu kommt, pensionieren ? schulen Littau und Luzern erfolg- dass vor allem verhaltensauffällige Es ist ein Glück, dann gehen reich vollzogen. Meiner Meinung Kinder für die Schule immer eine zu können, wenn einem der Job nach ist es uns dabei auch gelun- grosse Herausforderung sind – «rüüdig» gut gefällt, und ein gutes gen, damit verbundene Ängste egal in welchem System sie unter- Gefühl, eine gute Volksschule und und Vorurteile abzubauen. Zu- richtet werden. Die Erwartungen ein tolles Team zu übergeben. dem haben wir die additive Tages- an die Schule sind in den letzten Zudem sind mein Privatleben schule aufgebaut. Mittlerweile Jahren extrem gestiegen. Sie kann und meine Hobbys in den letzten haben wir über 900 Lernende in aber nicht jedes Problem lösen. Jahren zu kurz gekommen. Es ist der Stadt, die die Angebote in der Gerade bei der Integration von ver- Zeit, meiner Frau, meinen beiden Tagesbetreuung und den Mit- haltensauffälligen Kindern ist sie erwachsenen Töchtern und mei- tagstisch nutzen. Die grösste Ver- auf die Hilfe der Familien, der Po- nen beiden Grosskindern etwas änderung ist die Schulentwick- litik und aller Personen rund um zurückzugeben. lung im Rahmen des kantonalen die Schule angewiesen. Projektes «Schulen mit Zukunft». Sie waren sechs Jahre lang Mit der Aufhebung der Kleinklas- Welches Ereignis bleibt Ihnen Rektor der Volksschule der sen und der Einführung der indi- in besonderer Erinnerung? Stadt Luzern. Wie hat sich viduellen Lernförderung hat ein Es ist nicht ein einzelnes die Schule in dieser Zeit ent eigentlicher Paradigmawechsel Ereignis. Es ist vielmehr die Er- wickelt? stattgefunden. kenntnis, dass alle an der Schule
Schule Neue Rektorin Vreni Völkle aus Becken ried wird ab Schuljahr 2014/2015 Rektorin der Volksschule. Der Stadtrat hat sie zur Nachfolgerin Beteiligten zunehmend am sel- den Mitteln weiterzuentwickeln, wissen, welche unserer zahlrei- von Rolf von Rohr ge ben Strick ziehen. Es sind die die zur Verfügung stehen. Ich chen Ideen wir in den nächsten wählt. Sie tritt die Stelle Schulleiterinnen und Schulleiter, hoffe, dass sich zunehmend die Jahren umsetzen wollen. Lang- im August 2014 an. Vreni die hinter der individuellen Lern- Erkenntnis durchsetzt, dass es weilig wird es uns bestimmt Völkle ist Sekundarlehre förderung und der Kompetenz- sich nicht lohnt, bei der Bildung nicht, denn die verbleibende Zeit rin in Stans. Zuvor war orientierung stehen und zusam- zu sparen, oder um es mit den Wor- würde nicht ausreichen, alle Ideen sie 19 Jahre lang Vorste men mit den Lehrpersonen und ten von John F. Kennedy zu sagen: umzusetzen. herin des Amtes für dem Rektorat in der Umsetzung «Es gibt nur eins, was auf Dauer Volksschulen des Kan grosse Arbeit leisten. In guter Er- teurer ist als Bildung: keine Bil- Warum Liverpool? tons Nidwalden. Vreni innerung bleiben mir auch meine dung.» Eine weitere Herausforde- Ich war in jungen Jahren ein Völkle verfügt neben Kolleginnen und Kollegen im rung ist die Einführung der integ- Beatles-Fan und habe es bis heute dem Primar und Sekun Rektorat – eine tolle Crew, in der rierten Sekundarschule auf das nicht geschafft, dies zu ändern, darlehrerinnenPatent über Zusatzausbildun sich ein Teamplayer wie ich gut Schuljahr 2016 / 2017. Auch hier was ich natürlich auch nicht will. gen in Public Manage aufgehoben und getragen fühlt. wird es einige Zeit brauchen, bis Liverpool ist eine inspirierende ment, Supervision und sich dieses System etabliert hat. Stadt, in der man an allen Ecken Organisationsentwick Was sind die Herausforde auf die Lieder der Beatles trifft – lung. Sie überzeugte den rungen der nächsten Jahre? Haben Sie schon Pläne für ein idealer Ort, um die Zukunft Stadtrat durch ihre fun Der finanzielle Druck auf die die Zeit danach? zu planen. dierten Kenntnisse der Bildung und das Sozialwesen wird Im September reise ich mit Volksschule sowie ihre weiter zunehmen. Die Herausfor- meiner Frau nach Liverpool. Wir Urs Dossenbach kommunikative Persön derung wird sein, die Schule mit kommen erst zurück, wenn wir Projektleiter Kommunikation lichkeit. BASISSTufe IM SchuLhAuS BüTTeNeN Auf das Schuljahr 2014 / 2015 werden im Schulhaus Büttenen drei Basisstufen klassen eröffnet: Kinder des zweijährigen Kindergartens sowie der ersten und zweiten Primarklasse werden in der Basisstufe gemeinsam unterrichtet. Das Schulhaus Büttenen ist Entwicklung des Kindes – nach das dritte Schulhaus in der Stadt drei oder fünf Jahren erfolgen. Luzern, in dem die Basisstufe ein- geführt wird. Es gibt sie bereits Schwankende Schülerzahlen in den Schulhäusern Unterlöchli Neben diesen pädagogischen und Steinhof. Vorteilen können dank der Basis- stufe schwankende Schülerzah- Individuelle Lernwege len in Schulhäusern mit kleinem Die Basisstufe umfasst den Einzugsgebiet besser aufgefan- zweijährigen Kindergarten und gen werden. Im Schulhaus Bütte- die ersten zwei Jahre der Primar- nen gab es in der Vergangenheit schule. Die Schülerinnen und oft zu viele Kinder für eine Klasse; Schüler werden während der vier oder es waren so wenige, dass es Jahre von den gleichen Lehr - nur für eine halbe Klasse reichte. personen unterrichtet. Dadurch Mit vier Jahrgängen in der glei- kann der Lernweg der Kinder und chen Klasse kann nun besser auf der Eintritt in die dritte Klasse der grössere und kleinere Jahrgänge Primarschule individuell gestal- reagiert werden. Für die Einfüh- tet werden. In der Regel erfolgt rung der Basistufe müssen im der Eintritt in die dritte Klasse Schulhaus keine räumlichen An- nach vier Jahren. Er kann aber passungen vorgenommen wer- Das Schulhaus Büttenen ist das dritte Schulhaus in der Stadt Luzern, auch – je nach Lerntempo und den. (DG) in dem die Basisstufe eingeführt wird.
10 | 11 Quartier VerSchIeDeNe weLTeN ruND uM DIe SpITALSTrASSe Zwischen Reuss und Rosenberg rauscht nicht nur der Verkehr. Hier leben Menschen für kürzere Zeit oder permanent zusammen. Prägende Institutionen sind das St.KarliSchulhaus, das Kantonsspital und seit Mai das Asylzentrum Hirschpark. Blick vom Helikopterlandeplatz auf dem Dach des Spitals auf die Spitalstrasse, die zum St.KarliSchulhaus führt. Ein paar Kids kurven auf dem Velo herum, der Schule führt. Heute hat das Schulhaus einen her- Stamm eines Baumes ist mit farbigen «Strick-Plätz- vorragenden Ruf, von den rund 320 Kindern hat chen» umwickelt. Hinter den Fenstern des über etwa die Hälfte einen Migrationshintergrund, und 100-jährigen St.-Karli-Schulhauses sitzen 13 Schul- es lebt sich tipptopp miteinander. «Dahinter steckt klassen. Das imposante Schulhaus hatte in Luzern viel Arbeit», sagt Zaccaria. Eine Herausforderung sei eine Pionierrolle und ist bis heute Vorbild, wie eine bis heute das völlig unterschiedliche Umfeld, aus bunt gemischte Kinderschar aus vielen verschiede- dem die Kinder kommen: auf dieser Seite der Reuss nen Ländern unter einem Schulhausdach Platz hat. die Basel-/Bernstrasse, auf jener Seite der Bramberg. «Das war nicht immer so. In den 1980er-Jahren gab «Das ist nicht nur vom sozialen Umfeld her eine es noch wenig Erfahrung bezüglich Integration. Ent- grosse Schere, sondern auch bezüglich Freizeitmög- sprechend gross waren die Ängste der Schweizer El- lichkeiten und Schulweg», sagt Zaccaria. Letzteren tern, die sich um den schulischen Fortschritt ihrer machen die Kinder zu Fuss, was gerade von der Kinder sorgten», erinnert sich Marianne Zaccaria, Baselstrasse her gefährlich ist. «Täglich sind viele die seit 35 Jahren an der Schule arbeitet und seit Schutzengel unterwegs! Aber Mama-Papa-Taxis sind Langem zusammen mit Wendela Martens die keine Alternative: Auf dem Schulweg machen Kin- der wertvolle Erfahrungen.» Offene Begegnungen Einen Katzensprung den Hügel hinauf befindet sich der reale Hirschpark und in einigem Abstand das ehemalige Pflegeheim Hirschpark, das seit die- sem Mai für drei Jahre Durchgangszentrum für Asyl- suchende ist. Am Eingang steht ein älterer Mann aus Syrien, er hat gerade Türdienst. «Noch drei Mi- nuten», sagt er und zeigt lachend auf die Uhr. Wie die anderen Bewohnerinnen und Bewohner über- nimmt er Arbeiten im und ums Haus. Geführt wird das Zentrum von der Caritas Luzern, Platz gibt es für rund 100 Personen, die zwischen drei und sechs Leiten die MultikultiSchule St. Karli: Wendela Martens (links) und Marianne Zaccaria. Monaten hier ein provisorisches Zuhause finden.
Bypass Luzern Bund und Kanton pla nen das Gesamtsystem Bypass Luzern. Mit dieser neuen Auto umfahrung zwischen Rotsee und Kriens sol len unter anderem die Innenstadt und auch die Spitalstrasse vom Autoverkehr entlastet werden. Dadurch entstünde mehr Platz für den öffentlichen Verkehr sowie für den Kinder beleben zwei Stöcke im Durchgangszentrum, dem ehemaligen Pflegeheim Hirschpark. Velo und Fussverkehr. Das Gesamtsystem «Die Menschen kommen aus Syrien, Eritrea, Nige- befand sich der Landeplatz neben dem Kinderspi- Bypass Luzern kostet ria und aus dem Maghreb. Es sind Einzelpersonen tal. «Diese Neuerung aus sicherheitstechnischen 1,6 Mrd. Franken und wird frühestens genauso dabei wie Familien und alleinerziehende Gründen bedeutet auch für die Anwohner eine Ent- ab 2025 umgesetzt. Mütter», sagt Martina Gerber, Leiterin Asylzentrum lastung: Die Flugschneise ist jetzt höher, die Lärm- Hirschpark. Es gibt eine Männer-, eine Frauen- und belastung geringer», sagt Adrian Uster, Immobili- Spange Nord zwei Familienetagen, Letztere sind zuoberst im vier- enmanager LUKS. Für das Gebiet rund um stöckigen Gebäude untergebracht und haben eine die Spitalstrasse hätte wunderschöne Sicht auf Luzern. Noch ist es still auf Viel Betrieb dieses grosse Auswirkun den freundlich gestrichenen Fluren. In der blitz- Der Campus LUKS ist in ständiger Bewegung, gen. Die Spange Nord blanken Gemeinschaftsküche stehen selbst geba- der Platzbedarf steigt kontinuierlich. 423’781 am- ist ein Teilprojekt des ckene Brötchen auf dem Tisch, ein kleines Mädchen bulante Patientenkontakte und 26’948 stationäre Gesamtsystems Bypass huscht vorbei. «Die Leute sind jetzt draussen, am Patientinnen und Patienten verzeichnete das Spital Luzern. Sie ermöglicht, Besorgungen machen oder unterwegs zu einem Ter- im Jahr 2013. «Eine Zunahme im Vergleich zum Vor- dass Autofahrende vom min», sagt Martina Gerber, die sehr zufrieden ist mit jahr von rund 8 Prozent bei den ambulanten Pati- Schlossberg über die dem Start. «Dem Zentrum wird viel Goodwill entge- enten, bei den stationären Fällen waren es 4 Prozent Friedentalstrasse zum gengebracht, auch von den Anwohnern.» In der mehr», sagt Uster und zeigt bei einem Rundgang die neuen Autobahnan Begleitgruppe engagiert sich der Familiengärtner- wichtigsten Pflöcke, die in den nächsten Jahren schluss Lochhof gelan gen. Beim Schlossberg verein genauso wie der Quartierverein. Die Caritas eingeschlagen werden: Der Erweiterungsbau der entsteht ein Einbahnring Luzern kann von ihrer langjährigen Erfahrung pro- Augenklinik ist bereits in Bau und soll im Herbst mit Lichtsignalanlagen. fitieren. «Was ein gutes Klima ausmacht? Anliegen 2015 abgeschlossen sein. Beim Kinderspital gibt es Der Abschnitt bis zur und Fragen der Nachbarschaft und der Zentrumsbe- als Überbrückung einen provisorischen Anbau, bis Friedentalstrasse wird wohnerinnen und -bewohner sind ernst zu nehmen, voraussichtlich 2020 der Neubau realisiert wird. der erhöhten Verkehrs und es ist ihnen offen zu begegnen.» Und auch die Ausbildungsstätte für die Fachange- belastung angepasst. Momentan leben hier auch 15 Kinder. Ab nächs- stellten Gesundheit wird bis 2019 ihren Neubau Das Friedental wird mit tem Schuljahr werden sie zusammen mit den Kin- beziehen können. einem rund 150 Meter dern aus dem Zentrum Sonnenhof, Emmenbrücke, langen Tunnel umfah im Hirschpark unterrichtet. «Und Kinder in Beglei- Mittel gegen Stau ren. Zudem wird mit tung eines Elternteils dürfen den Schulhofspielplatz Wer das Spitalgelände mit dem ÖV verlässt, einer Brücke über die und die Turnhalle des St.-Karli-Schulhauses an den nimmt entweder den Bus Richtung St. Karli oder Reuss auch das Gebiet Randzeiten mitbenützen», sagt Martina Gerber. fährt Richtung Schlossberg; beide Linien kämpfen Fluhmühle an den neuen zu Stosszeiten mit Stau. Abhilfe könnte die Spange Autobahnanschluss Lebendiger Mikrokosmos Nord schaffen (siehe «Bypass Luzern»). Adrian Uster Lochhof angeschlossen. Im Anschluss an das Asylzentrum Hirschpark hat noch eine andere Option im Hinterkopf: «Falls erstreckt sich auf 140’000 Quadratmetern der Cam- das Metro-Projekt Schwanenplatz–Ibach realisiert pus des Luzerner Kantonsspitals Luzern (LUKS). werden würde, gäbe es die Möglichkeit, das LUKS- «Das LUKS ist wie ein lebendiger Mikrokosmos. Gelände über die Metro zu erreichen. Planerisch Nebst dem Gesundheitsbereich findet sich hier halten wir diese Option offen.» von der Gärtnerei über mechanische Werkstätten, Wer zu Fuss unterwegs ist, trifft auf der Höhe Grossküche und Wäscherei bis hin zur betriebsin- der Haltestelle Gopplismoos auf ein richtiges Quar- ternen Feuerwehr fast alles, was zu einer Kleinstadt tierlädeli, wie es kaum noch zu finden ist. Geführt gehört», sagt Jeannette Nagy, Leiterin Unterneh- wird es von Kajenthran Kanagalingam, und im menskommunikation. Das LUKS ist der grösste Angebot ist von Kaffee über Waschmittel alles, was Arbeitgeber in der Zentralschweiz: 4043 Mitarbei- es im Alltag braucht. Und zur Stärkung gibt es sogar tende sorgen an 365 Tagen rund um die Uhr dafür, einen frischen Melonenschnitz. dass der Betrieb gut läuft. Im Zentrum steht das Bet- tenhaus, auf dessen Dach 2012 ein zweiter Heliko- Christine Weber pterlandeplatz in Betrieb genommen wurde. Früher Freie Journalistin
12 | 13 Parlament LANGe uND INTeNSIVe DeBATTe Zur MoBILITÄTSSTrATeGIe Der Grosse Stadtrat hat am 5. Juni 2014 die Mobilitätsstrategie des Stadtrates mehrheitlich gutgeheissen: Die Fraktionen der SP, G / JG, CVP und GLP stimmten zu, FDP und SVP lehnten sie ab. Der Grosse Stadtrat hat die Mobilitätsstrategie des Stadtra- tes zustimmend zur Kenntnis genommen. Auf Antrag der CVP wurde die flächendeckende Ein- führung von Tempo 30 in Quar- tieren abgeschwächt: Sie gilt nicht mehr für Hauptverkehrsstrassen. Die CVP hatte auch erfolgreich beantragt, dass das Ziel, den Autoverkehr in der Stadt in den nächsten Jahren nicht weiter an- wachsen zu lassen, für den Bypass nicht gilt. Auf Antrag der SVP wurde zudem festgehalten, dass Mass- nahmen zur Förderung des öf- fentlichen Verkehrs möglichst so umgesetzt werden, dass der Autoverkehr nicht eingeschränkt Wie viel von welchem Verkehr? Im Grossen Stadtrat gingen die Meinungen der Fraktionen weit auseinander. wird. (UD) fLÄcheNeffIZIeNTe und unter ein gemeinsames Ziel traproduktiv. Es ist somit logisch, VerkehrSArTeN gestellt. Der Schlüssel der Strate- wie wir ein nachhaltiges Wachs- gie liegt im Flächenverbrauch pro tum, die Wirtschaft und deren Es gibt in Luzern kein Ge- Verkehrsmittel. Ein Auto benötigt Umsatz fördern wollen: Wir set- samtverkehrskonzept, obwohl 115 Quadratmeter, der öffentliche zen auf den öffentlichen Verkehr, seit Jahren über x verschiedene Verkehr, Velo oder Fussgänger Velofahrten und Fussgänger und Massnahmen gezankt wird. Jetzt mindestens zehnmal weniger. sichern so die Erreichbarkeit der liegt eine Mobilitätsstrategie vor, Wir haben in Luzern kurze Wege, Innenstadt für möglichst viele die wir in der ursprünglichen wenig Platz und viel Mobilität. Kunden und auch für diejenigen Form des Stadtrates sehr begrüs- Deshalb stimmt der Grundsatz Autofahrten, die unverzichtbar sen. Endlich werden die Mobili- der Förderung der flächeneffizi- oder nicht zu ersetzen sind. tätsprojekte strukturiert in einen enten Verkehrsarten. Alles andere Rahmen und Zusammenhang ist ineffizient, sehr teuer und kon- András Özvegyi STrATeGIe üBerZeuGT sourcenschonend sind, müssen Mobilitätsstrategie zeigt aber in NIchT VoLLSTÄNDIG Vorrang haben. Die Stadt Luzern einer Gesamtschau sinnvoll auf, müsste in der Mobilitätsstrategie wo in den nächsten Jahren Ver- Die Verkehrszunahme bis noch klarer auf ÖV, Velo- und Fuss- besserungen möglich sind, und ins Jahr 2035 ist für die Grünen verkehr setzen. Damit die Stadt da geht es in eine gute Richtung. nicht einfach eine Prognose. Die schon bald für mehr Menschen Die Grünen haben nach lan- Zunahme müsste aktiv gesteu- sicher und attraktiv erreichbar ist. gem Abwägen am Schluss zwar ert werden. Zusätzlicher Verkehr Stattdessen verschiebt die von der Mobilitätsstrategie zu- müsste möglichst vermieden wer- Stadt die Lösung des Verkehrs- stimmend Kenntnis genommen. den. Dazu braucht es aber eine problems auf teure Grossprojek- Sie überzeugt aber nicht vollstän- Prioritätensetzung bei den Ver- te wie Bypass und Spange Nord. dig. kehrsflächen. Verkehrsmittel, die Deren Umsetzung wäre für einige wenig Platz brauchen und res- Quartiere eine Katastrophe. Die Christian Hochstrasser
Für alle erreichbar Die Stadt soll auch in für fuSS-, VeLo- bisher gefördert werden. Leider die flächendeckende Einführung Zukunft attraktiv und uND öffeNTLIcheN setzen der Stadtrat und die bür- von Tempo 30 von der bürgerli- für alle sicher erreichbar Verkehr gerliche Parlamentsmehrheit chen Ratsmehrheit ausgebremst, bleiben. Der Stadtrat hat dazu eine Mobilitäts langfristig auf das Megapro - schade! strategie entwickelt. Sie Die Mobilitätsstrategie setzt jekt Bypass mit den quartierzer- Die SP / JUSO -Fraktion wird enthält aufeinander mit ihren rund 100 Massnahmen störenden und Mehrverkehr er- sich weiterhin für eine Mobilität abgestimmte Verkehrs die wichtigen und richtigen Wei- zeugenden Spangen Nord und für alle statt für wenige in der massnahmen, die in den chen für eine nachhaltige städti- Süd. Stadt Luzern engagieren. Dazu nächsten 20 Jahren um sche Mobilität. Der Schwerpunkt Die städtische Bevölkerung gehört eine noch konsequentere gesetzt werden sollen. liegt auf den Verkehrsarten, die will jedoch endlich vom Autover- Bevorzugung von Fuss-, Velo- und wenig Platz benötigen (Fuss- und kehr entlastet werden und keine öffentlichem Verkehr. Lebensqualität Veloverkehr, öffentlicher Ver- neuen Autobahnzubringer mit- Da in der Innenstadt kehr): Diese sollen stärker als ten in der Stadt. Zudem wurde Nico van der Heiden keine neuen Strassen gebaut werden können, setzen Stadtrat und Parlament auf Verkehrs VorSchLÄGe Der cVp Stadtrat noch der Grosse Stadtrat Mobilität – und damit mehr Men- mittel, die wenig Platz fANDeN ANkLANG hier Neues erfinden. Die Sicher- schen auf unseren Strassen – kön- brauchen. Der öffentli stellung der städtischen Mobili- nen wir nur dann verkraften, che Verkehr sowie der Fuss und Veloverkehr Die CVP-Fraktion konnte in tät kann nur in einem Gesamtsys- wenn diese Menschen mit platz- sollen gefördert werden. der Debatte noch Korrekturen in tem begriffen werden, in dem alle sparenden Transportmitteln be- Gleichzeitig soll die der stadträtlichen Mobilitätsstra- Verkehrsarten gemäss ihren Vor- fördert werden oder wenn sie zu Innenstadt weitgehend tegie bewirken, weil die Mehrheit teilen einen Platz haben müssen. Fuss gehen. Dazu gehören auch vom motorisierten des Rates unsere Intentionen Da die Strasseninfrastruk- die S-Bahn und der RBus, welche Durchgangsverkehr nachvollziehen konnte. Zentral tur in der Stadt mindestens in regional die schnellsten, zuverläs- befreit und Stadträume ist, dass Kanton und Stadt mit den Stosszeiten, aber auch bei sigsten und sichersten Verkehrs- mit hoher Lebens und dem Agglomerationsprogramm der kleinsten Störung überlastet mittel werden müssen. Aufenthaltsqualität ge genau dieselbe Richtung ansteu- ist, kann langfristig die Bypass- schaffen werden. ern. Darum sollen weder der Lösung Abhilfe schaffen. Mehr Markus Mächler Finanzierung Mit der Zustimmung zur Mobilitätsstrategie fDp krITISIerT MoBI- bereits in anderen Planungsin- rates zu den Schlüsselmassnah- wurden keine finanziel LITÄTSSTrATeGIe strumenten integriert und somit men: den Spangen Nord und len Mittel beschlossen. Die Finanzierung der ohnehin auf dem Weg zur Um- Süd sowie dem Bypass, mit de- Massnahmen erfolgt Die FDP.Die Liberalen Stadt setzung. Leider lässt die Ausgewo- nen der Verkehr in der Innen- über Projektkredite. Der Luzern bemängelt an der Mobi- genheit zu wünschen übrig. Zu ei- stadt nachhaltig entlastet wer- Bund ist zuständig für litätsstrategie, dass es sich nicht nem grossen Teil berücksichtigen den könnte. die Nationalstrassen, der um eine eigentliche Strategie die Vorschläge den Langsam- und Der Mobilitätsbedarf in der Kanton für die Kantons handelt und dass sie keine neuen, den öffentlichen Verkehr; Lösun- Innenstadt wird in den nächsten strassen und die Stadt nachhaltigen Vorschläge zur Ent- gen für den motorisierten Indivi- Jahren weiter steigen. Umso mehr Luzern für die Gemein schärfung bereits bestehender dualverkehr fehlen in der kurz- braucht es mutige Entscheide für destrassen innerhalb Probleme aufzeigt. Es ist lediglich fristigen Planung vollständig. grosse Würfe. des Stadtgebietes. Viele ein Katalog von bekannten Mass- Insbesondere fehlt der FDP ein der städtischen Mass nahmen. Viele Vorhaben sind deutliches Bekenntnis des Stadt- Sonja Döbeli Stirnimann nahmen wurden vom Grossen Stadtrat oder von der Bevölkerung bereits verabschiedet STADTrAT MuSS nis für deren Umsetzung. Wir hof- oft unverständlichen Anordnun- oder stammen aus be fArBe BekeNNeN fen, dass der Stadtrat in seiner gen gegen den Automobilisten stehenden Projekten. Vernehmlassung zu diesen Pro- wird keine Lösung des Verkehrs- Die SVP ist sich bewusst, dass jekten sich im Sommer / Herbst problems erzielt. Die Probleme der wirkliche Befreiungsschlag doch noch positiv äussert! Bei den (Staus) verlagern sich nur, die nur mit den gross angedachten kurzfristigen Massnahmen be- Fahrzeiten verlängern sich durch Projekten wie Bypass/Spange, Me- mängeln wir die einseitige, fast Schleich- und Umwegfahrten, tro- oder Musegg-Parkhaus, aber ausschliessliche Ausrichtung auf und mit der Anhebung der Park- auch mit dem Tiefbahnhof erzielt die Förderung des ÖV und Velo- gebühren (Allmend) wird auch werden kann. Wir vermissen wei- verkehrs. Mit der vorgesehenen vor dem Portemonnaie des Auto- terhin seitens des Stadtrates, vor Plafonierung (in Relation zum Be- mobilisten nicht haltgemacht. allem mit Bezug auf die beiden völkerungszuwachs ist dies sogar MIV-Projekte, ein klares Bekennt- eine Reduktion) des MIV und teils Marcel Lingg
14 | 15 Porträt DIe «pATIN» MIT DeM VoLLeN kühLSchrANk Lebendiger Austausch mit den Stars von morgen: Mariteres Hofstetter beherbergt jeden Sommer Nachwuchsmusikerinnen und musiker aus aller Welt. Die jungen Menschen haben ihr das Herz auch für die zeitgenössische Musik geöffnet. Eine Gastmutter mit Musikgehör: Mariteres Hofstetter hat bisher angehende Maestros und Maestras aus der Schweiz, aus Grossbritannien, Schweden, Italien und Frankreich bei sich zu Hause aufgenommen. Gut 160 Musikerinnen und Musiker vereint die einheimischen gar: Albin Brun. «Kunst, Kultur und Lucerne Festival Academy jeweils im Spätsommer Musik, sie haben in unserem Haus ihren festen in ihren Reihen. Virtuosen auf ihrem Instrument, Platz», sagt die Primarlehrerin und zweifache Mut- Stars von morgen allesamt, die unter den Fittichen ter. «Und mein Partner und ich, wir laden gerne namhafter Dozentinnen und Dozenten und dem Leute zu uns ein!» Zwei ideale Voraussetzungen künstlerischen Leiter Pierre Boulez an ihrem mu- also, um während der Lucerne Festival Academy als sikalischen Können feilen. Seit zehn Jahren lockt Gastgeberin zu fungieren. Kommt hinzu, dass die die Akademie Talente aus aller Herren Ländern an Söhne inzwischen erwachsen sind. «So haben wir den Vierwaldstättersee – und seit zehn Jahren fin- immer ein Zimmer frei, das wir zur Verfügung stel- den die jungen Frauen und Männer bei Familien len können.» aus der Stadt Unterkunft. Zum Beispiel bei Marite- res Hofstetter im Obergrund-Quartier. Kommunikative Damen Der Klang von Handorgel und Saxofon erfüllt Ein Haus ist aber nicht Voraussetzung, um die das Entrée, die Küche, das Wohnzimmer, als Mari- musikalischen Gäste zufriedenzustellen. Ein Bett teres Hofstetter die Haustür öffnet. Sie hat an die- in einem abschliessbaren Zimmer reicht aus. Denn sem Nachmittag zeitgenössischen Jazz aufgelegt, die meiste Zeit sind die Virtuosen eh auf der Piste:
Lucerne Festival Academy Die Lucerne Festival Aca demy (die Akademie) ist ein Ausbildungsangebot von Lucerne Festival und der Hochschule Luzern – Musik. Während dreier Wochen treffen sich gut 160 junge, hochbegabte Instrumentalistinnen, am Proben, in Workshops, an Konzerten. «Man er- eingenommen.» Ansonsten halte sich der Aufwand Sänger, Dirigentinnen lebt eigentlich alles: Junge Herren, die schnell rein- tatsächlich in Grenzen, würden die angenehmen und Komponisten aus huschen, um zu duschen, und dann wieder ver- Seiten des Einsatzes überwiegen: die Begegnungen aller Welt in Luzern. schwinden, völlig im Zeugs, weil sie noch so viel mit interessanten Menschen, der Austausch mit Unter der künstlerischen vorhaben. Aber auch junge Frauen, die sich gerne ihnen. «Ich habe mir früher nie viel aus zeitgenös- Leitung von Pierre Bou mal an den Tisch setzen, um in aller Ruhe zu erzäh- sischer Musik gemacht», gesteht Mariteres Hofstet- lez proben sie mit Mit len. Von ihren Träumen, ihren Zielen, ihrem Zu- ter. «Seit wir aber Musikerinnen und Musiker ken- gliedern des Ensemble hause», sagt Mariteres Hofstetter. Die kommuni- nen, die in dieser Sparte tätig sind, höre ich gerne Intercontemporain Paris kative Ader, die sei bei den Damen in der Regel hin, wenn Werke aus dem 20. und 21. Jahrhundert zeitgenössische Musik. Höhepunkt sind jeweils ausgeprägter als bei den Männern. «Das soll aber aufgeführt werden.» Vom Lucerne Festival erhalten die Aufführungen der nicht heissen, dass wir nicht auch schöne Begeg- die Gastgeberinnen und Gastgeber als Dankeschön erarbeiteten Werke im nungen mit Musikern gehabt hätten», stellt sie so- Eintrittskarten zu verschiedenen Konzerten oder Rahmen von Lucerne gleich klar. «Am besten erwartet man einfach nicht die Möglichkeit zum Probenbesuch. «Dem heuer Festival. zu viel, dann wird man sicher nicht enttäuscht.» verstorbenen Claudio Abbado zu Lebzeiten beim Dirigieren zuzuschauen, das war schon ein speziel- Gastfamilien gesucht Opfer der Leidenschaft les Erlebnis. Aber auch die Konzerte, an denen Die Teilnehmerinnen Die Rolle der Gastgeberin übernimmt Mariteres unsere Gäste mitgewirkt haben, bleiben in bester und Teilnehmer der Lu Hofstetter seit zehn Jahren; sie ist inzwischen Erinnerung.» cerne Festival Academy «Patin», verzichtet auf die 30 Franken Vergütung pro werden privat unterge Tag, die das Lucerne Festival den Gasteltern in der Ein ansteckendes Engagement bracht; dies im Zeitraum Regel zugesteht. In dieser Zeit hat die Lehrerin In bester Erinnerung bleibt der Gastgeberin wie vom 4. bis 24. August junge Musikerinnen und Musiker aus der Schweiz, ihren Gästen wohl auch der jeweils erste gemein- (Lucerne Festival Aca aus Grossbritannien, Schweden, Italien und Frank- same Abend. Dann wird aus Tradition gekocht und demy Choir) und vom reich beherbergt. Zusammengekommen ist so – in gemeinsam unter freiem Himmel gegessen: ein 16. August bis 7. Sep Etappen – ein Ensemble bestehend aus Harfe, Cello, gemütlicher Rahmen, um sich besser kennenzuler- tember (Lucerne Festival Academy Orchestra). Trompete, Klavier und Posaune. «Keine Angst, die nen. Mariteres Hofstetter öffnet die Tür zum idylli- Interessierte Gastgebe Instrumente bleiben jeweils im Probelokal», lacht schen Garten. «Hier sitzen wir dann und reden.» Sie rinnen und Gastgeber die Gastgeberin. Im Moment wird das Zimmer nickt in Richtung Nachbarhaus. Und lacht. Längst wenden sich an: unter dem Dach von einer 27-jährigen Harfenistin sei sie nämlich nicht mehr die Einzige an der m.toenz@lucernefesti bewohnt, die in Turin und Paris zu Hause ist. Sie Strasse, die während der Akademie Gäste bei sich val.ch, Tel. 041 226 44 22. nimmt nicht nur an der Akademie teil, sondern aufnähme. «Unsere Nachbarin hat sich auch enga- weilt auch unter dem Jahr immer wieder mal für ein giert. Und weiter unten weiss ich noch von einer Festivalsommer paar Tage in Luzern, um sich im Projekt «Young Familie, die mitmacht.» Neben dem Lucerne Fes Performance» des Lucerne Festival zu engagieren. An negative Erlebnisse kann sich die Gastgebe- tival (15. August bis 14. «Wenn man so mitbekommt, welche Opfer diese rin nicht erinnern. Bloss einmal hätte ein Absolvent September) mit klingen jungen Menschen für ihre Leidenschaft zu erbrin- fast seinen Flieger verpasst, weil er am Vorabend den Namen wie Anne gen bereit sind, dann ist das schon sehr beeindru- den Abschied ein bisschen zu intensiv begossen Sophie Mutter, Cecilia ckend», meint Mariteres Hofstetter anerkennend. hatte. «Aber auch den haben wir noch wach bekom- Bartoli und Lang Lang men und in letzter Minute am Flughafen abgelie- steht auch das mittler Neue musikalische Horizonte fert», schmunzelt sie. Ansonsten: Kein Anlass zu weile international viel In der Regel beschränkt sich das Engagement Reklamationen! «Freude an der Musik, Freude an beachtete Blue Balls Fes der Gastfamilien auf drei Wochen im August. den Menschen, ein Bett und ein Kühlschrank – tival (18. Juli bis 26. Juli) auf dem Programm. Es Etwaige Verpflichtungen zu Freizeitaktivitäten, mehr braucht es wirklich nicht, um während der richtet sich in erster Linie beispielsweise Ausflüge auf den Pilatus oder ins Lucerne Festival Academy eine gute Gastgeberin zu an die Anhängerschaft Verkehrshaus, entfallen. Das Programm an der Aka- sein.» Die «Patin» schliesst die Tür zum Garten, der Popmusik. Erwartet demie ist dicht gedrängt und bietet den ausländi- Albin Brun und sein Ensemble setzen zum Schluss- werden Travis, Sophie schen Gästen nebst der vertieften Auseinanderset- furioso an. Sie überlegt kurz. Und betont dann: «Für Zelmani, James Blunt, zung mit der zeitgenössischen Musik auch Einblicke mich gehört der Besuch der jungen Musikerinnen The Hives und viele an in die Kultur und das Leben rund um den Vierwald- und Musiker inzwischen zum Sommer wie die war- dere. stättersee. «Ein voller Kühlschrank in der Küche ist men Temperaturen und die Sonne.» aber sicher von Vorteil, wenn man eines dieser Mehr Informationen: Nachwuchstalente beherbergt», schmunzelt Mari- Flavian Cajacob www.lucernefestival.ch teres Hofstetter, «denn das Frühstück wird zu Hause Freier Journalist www.blueballs.ch
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