AGRAR-ATLAS - FÜR STÄLLE, ÄCKER UND ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

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AGRAR-ATLAS - FÜR STÄLLE, ÄCKER UND ÖSTERREICHISCHE AUSGABE
AGRAR-ATLAS
Daten und Fakten zur EU-Landwirtschaft                     2019

                                                           2. Auflage

                                                  REFORMEN
                                                           LE,
                                                  FÜR STÄL
                                                            D
                                                   ÄCKER UN
                                                     NATUR

                                         ÖSTERREICHISCHE AUSGABE
IMPRESSUM
Die österreichische Ausgabe des AGRAR-ATLAS 2019 ist ein Kooperationsprojekt von
der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, und der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000, Wien.

Inhaltliche Leitung
Basisausgabe: Christine Chemnitz, Heinrich-Böll-Stiftung
österreichische Beiträge: Ruth Pammer, GLOBAL 2000

Projektmanagement: Dietmar Bartz
Art-Direktion und Herstellung: Ellen Stockmar
Bildbearbeitung: Roland Koletzki

Dokumentation und Schlussredaktion: Infotext Berlin

Mit Originalbeiträgen von
Dietmar Bartz, Stanka Becheva, Brîndușa Bîrhală, Harriet Bradley, Christine Chemnitz,
Franziskus Forster, Rebekka Frick, Harald Grethe, Christof Kuhn, Dominik Linhard,
Hans Martin Lorenzen, Alan Matthews, Oliver Moore, Lars Neumeister, Ruth Pammer,
Nikolai Pushkarev, Christian Rehmer, Tobias Reichert, Véronique Rioufol, Cornelia Rumpel,
Markus Schermer, Helene Schulze, Matthias Stolze, Berit Thomsen, Aurélie Trouve,
Katrin Wenz, Helga Willer

Die Beiträge geben nicht notwendig die Ansicht aller beteiligten Partnerorganisationen wieder.

2. Auflage, April 2019

Österreichische Ausgabe:             UWZ_Vermerk_GmbH_4C_Umweltzeichen_Vermerk.qxd               31.05.13 08:02 Seite 1
Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000
Geschäftsführung Leonore Gewessler und René Fischer

Druck: Druckerei Janetschek GmbH, 3860 Heidenreichstein. Ausgezeichnet
                                                  gedruckt                  mit„Druckerzeugnisse“
                                                           nach der Richtlinie   dem
Österreichischen Umweltzeichen „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“,
                                                  des ÖsterreichischenUW-Nr.    637.
                                                                       Umweltzeichens
                                                  Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

                                                        gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
                                                        Österreichischen Umweltzeichens
                                                        Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

Dieses Werk mit Ausnahme des Coverfotos steht unter    der Creative-Commons-Lizenz
                                                    gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
                                                    Österreichischen Umweltzeichens · Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
„Namensnennung – 4.0 international“ (CC BY 4.0). Der Text der Lizenz ist unter
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode abrufbar. Eine Zusammenfassung
(kein Ersatz) ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de
                                                      gedruckt nach der Richtlinie
nachzulesen.Sie können die einzelnen Infografiken dieses  Atlas für eigene
                                                      „Druckerzeugnisse“ desZwecke nutzen,
                                                      Österreichischen Umweltzeichens
wenn der Urhebernachweis Bartz/Stockmar, CC BY 4.0Druckerei
                                                       in der Nähe   der Grafi  k steht
                                                                Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
(bei Bearbeitungen: Bartz/Stockmar (M), CC BY 4.0.

                                                       gedruckt nach
                                                       der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des
                                                       Österreichischen Umweltzeichens
Cover-Copyright: Collage © Ellen Stockmar unter  Verwendung
                                        Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
eines Fotos von Alexandr Andreyko/istockphoto.com

Download: www.global2000.at
AGRAR-ATLAS
  Daten und Fakten zur EU-Landwirtschaft

               2. AUFLAGE
                   2019
INHALT

    02 IMPRESSUM                                             18 DIREKTZAHLUNGEN
                                                                VIEL GELD FÜR WENIG LEISTUNG
    06 VORWORT                                                 Die EU-Kommission will, dass Direktzahlungen
                                                               an Agrarbetriebe auch künftig
                                                               die wichtigste Ausgabe der Agrarpolitik
                                                               bleiben. Das meiste Geld kommt aber
                                                               nur wenigen und großen Betrieben zugute.

                                                             20 LÄNDLICHE RÄUME
    08 ZWÖLF KURZE LEKTIONEN                                    SPAREN AM FALSCHEN ENDE
       ÜBER DIE EU-LANDWIRTSCHAFT                              Ein Teil der EU-Agrarzahlungen hat
                                                               durchaus das Potenzial, die Landwirtschaft
    10 GESCHICHTE                                              ökologischer und nachhaltiger zu
       NEUE ZIELE, ALTES DENKEN                                gestalten. Doch ausgerechnet diese Mittel
         Ihre älteste Aufgabe hat die EU-Agrarpolitik          sollen kräftig gekürzt werden.
         gelöst: in der Nachkriegszeit die Ernährung
         zu sichern. Doch trotz vieler Reformen und          22 HÖFESTERBEN
         neuer Strukturen – die bisherige Förderung             WACHSEN ODER WEICHEN
         taugt nicht für das 21. Jahrhundert.                  Die Agrarpolitik unterstützt die Kleinbetriebe
                                                               zu wenig gegenüber den Großen. Zugleich
    12 EU-AGRARPOLITIK IN ÖSTERREICH                           ist die Hofnachfolge oft schwierig zu sichern.
       GEMISCHTE BILANZ
         Auf vielen Wegen fließen EU-Gelder in               24 ARBEIT
         Österreichs Landwirtschaft. Manche Maßnahme            EINKOMMEN UND AUSKOMMEN
         setzt das Land erfolgreicher um als seine             In den landwirtschaftlichen Kleinbetrieben der
         europäischen Nachbarn. Doch andere Ziele              EU sind viele Millionen Arbeitsplätze nur wenig
         werden deutlich verfehlt.                             profitabel. Wären die Maßstäbe dafür nicht
                                                               nur rein wirtschaftlich, könnte sich das ändern.
    14 KOMPETENZEN
       DRINGEND: DER BLICK ÜBER                              26 LANDPREISE
       DEN TELLERRAND                                           KAPITALE FEHLENTWICKLUNG
         Die Landwirtschaft muss in anderen Politikfeldern     Der Beginn der EU-Agrarzahlungen in den neuen
         eine größere Rolle spielen. Umgekehrt müssen          Mitgliedsländern löste dort eine Welle von
         Gesundheits- und Umweltschutzziele mehr               Landkäufen aus. Seither steigen die Preise fast
         in die Agrarpolitik einfließen. Dieser Austausch      ständig. Gegen Agrarunternehmen und
         läuft noch zu zaghaft.                                Finanzinvestoren haben die kapitalschwachen
                                                               Kleinbetriebe keine Chance.
    16 NETTOZAHLER
       EINE EXTRAWURST                                       28 BIODIVERSITÄT IN DER EU
       FÜR 130 MILLIARDEN EURO                                  BEDROHTE VIELFALT – MIT DEM
         Kleiner Brexit: Bis heute ist der „Britenrabatt“       ARTENSCHWUND WIRD ES ERNST
         ein Verstoß gegen das Solidarprinzip bei              Die intensive Landwirtschaft gilt als größte Bedrohung
         der europäischen Integration. Die Zahlungen           für die Tier- und Pflanzenwelt der EU. Umweltschäd-
         der EU-Agrarpolitik bremsen indes                     liche Trends bei Ackerbau und Tierhaltung werden
         wohl Austrittsdrohungen weiterer Länder.              im Rahmen der Agrarpolitik sogar noch gefördert.

4   AGRAR-ATLAS 2019
30 BIODIVERSITÄT IN ÖSTERREICH                40 ÖKOLANDWIRTSCHAFT
   WIE LEBENSRÄUME VERLOREN GEHEN                ORGANISCH UND DYNAMISCH
  In Österreich nimmt die Artenvielfalt         Das anhaltende Wachstum der
  weiter ab. Der Druck der intensiven           biologischen Landwirtschaft geht auf die
  Landwirtschaft lässt nicht nach und ist       Nachfrage der Kundinnen und Kunden
  größer als die Erfolge der Agrarumwelt-       zurück. Staatliche Fördermaßnahmen
  maßnahmen.                                    helfen dabei. Aber die EU honoriert die
                                                Umweltleistungen dieser Wirtschaftsmethode
32 PESTIZIDE                                    noch zu wenig.
   NEUE IDEEN MIT WENIGER CHEMIE
  Der Gemeinsamen Agrarpolitik fehlen         42 GESUNDHEIT
  Instrumente, um den Einsatz von                IN DER VERANTWORTUNG
  Pestiziden in der Landwirtschaft deutlich     Was hat die Landwirtschaft der EU mit
  zu verringern. Außerdem gibt es zu            sicheren Nahrungsmitteln zu tun?
  viele Ausnahmen. Die verkauften Mengen        Was mit gesunder Ernährung? Was mit
  in der EU sind seit Jahren konstant.          sozialer Gerechtigkeit? Nicht alle solche
                                                Fragen lassen sich einfach beantworten.
34 TIERHALTUNG IN DER EU
   GELDER FÜR DEN UMBAU                       44 KLIMA
  Die EU zahlt hohe Summen als pauschale         TÄTER UND OPFER ZUGLEICH
  Flächenprämien. Dieses Geld fehlt für         Die EU möchte die Emissionen der
  den teuren, aber dringend benötigten          Landwirtschaft senken. Dafür hat sie
  Umbau der Tierhaltung. Dessen Förderung       große Ziele formuliert. Konkrete
  könnte aus der Einsparung der                 Maßnahmen und Förderprogramme
  Pro-Hektar–Zahlungen finanziert werden.       fehlen aber genauso wie die
                                                Resonanz aus den Mitgliedsländern.
36 ERNÄHRUNGSSICHERHEIT
   IN ÖSTERREICH                              46 WELTHANDEL
   ZUM BEISPIEL MILCH UND FLEISCH                WACHSTUM BEI DEN ANDEREN
  Manche Konzepte der Ernährungs-               Die EU-Landwirtschaft ist Teil internationaler
  sicherheit blenden Herstellungsmethoden       Wertschöpfungsketten. Sie beeinflusst
  und internationale Auswirkungen               die weltweiten Agrarmärkte und damit
  aus. Ernährungssouveränität achtet            auch Preise, Produktionen, Einkommen und
  hingegen darauf, wie Ernährungssicherheit     Ernährung in Ländern des Südens.
  erreicht wird.

38 DÜNGER
   WENN ÄCKER WASSER SCHÜTZEN
  Zu viel Nitrat im Wasser führt zu
  ökologischen, ökonomischen und
  gesundheitlichen Schäden. Gewässerschutz    48 AUTORINNEN UND AUTOREN,
  und Agrarpolitik können dies bisher            QUELLEN VON DATEN, KARTEN
  nicht verhindern, weil sie nicht               UND GRAFIKEN
  richtig miteinander verzahnt sind. Und
  es mangelt an Kontrollen.                   50 ÜBER UNS

                                                                                            AGRAR-ATLAS 2019   5
VORWORT

    E
         uropa hat kulinarisch viel zu
         bieten: Mozzarella aus Italien,
         Bier aus Tschechien, Oliven
                                                   „     Die EU-Agrarpolitik
                                                         ist für Laien kaum zu
                                                   verstehen. Viele wissen
    aus Griechenland, Kürbiskernöl aus             nicht einmal, dass es sie gibt.
    Österreich. Verschiedenste Spezialitäten
    aus unterschiedlichen Landschaften – so
    schmeckt Europa.                               der Natur und den lebendigen ländlichen
                                                   Räumen verbunden sind.
    Die Landschaften wiederum sind häufig
    ein Spiegelbild landwirtschaftlicher           Der Wandel in der Landwirtschaft kann und
    Nutzung. In Österreich verdanken wir ihr       sollte daher aktiv gestaltet werden. Einer
    schöne Almen, Obst- und Weingärten im          der wichtigen Hebel, um das zu tun, ist die
    steirischen Hügelland und weit reichendes      Gemeinsame Agrarpolitik (kurz GAP) der
    Grünland neben Salzburger Seen. Keine          EU. Sie ist einer der ältesten europäischen
    Frage: Wir alle wären ärmer ohne die           Politikbereiche und mit knapp 40 Prozent
    Landwirtinnen und Landwirte, denn kein         des EU-Haushalts, knapp 60 Milliarden Euro
    Sektor ist so stark mit der Kultivierung       jährlich, noch immer der finanziell am besten
    unserer Lebensräume verbunden wie              ausgestattete.
    die Landwirtschaft. Ändert sich die

                                                   D
    Landwirtschaft, ändern sich auch die                  ie EU-Agrarpolitik ist für Laien kaum
    ökologischen und sozialen Systeme im                  zu verstehen. Viele wissen nicht
    ländlichen Raum.                                      einmal, dass es sie gibt. Geschweige
                                                   denn, dass genau diese Politik Einfluss auf

    U
           nd die Landwirtschaft verändert sich.   die Dinge hat, die vielen von uns so wichtig
           Immer schneller und fast überall in     sind: gesunde Lebensmittel, der Schutz
           Europa. In vielen EU-Ländern geben      von Umwelt, Klima, Vögeln und Insekten
    Betriebe auf. Die verbleibenden Höfe und       und der Erhalt von kleinen und mittleren
    Felder werden größer, jeder Fleck wird         Betrieben. Darum gibt es diesen Atlas. Er
    möglichst intensiv genutzt. Auch wenn die      zeigt, wie eng die EU-Landwirtschaft mit
    österreichische Landwirtschaft mit ihrem       unserem Leben verbunden ist. Er zeigt
    hohen Bioanteil und der vergleichsweise        auch, dass kaum etwas von dem Geld der
    kleinstrukturierten Bewirtschaftungsweise      GAP den Zielen zugute kommt, die sich
    eine Sonderstellung in Europa hat – auch       Europäerinnen und Europäer von der
    sie bleibt von europäischen Entwicklungen      Landwirtschaft wünschen.
    nicht verschont. Die Veränderungen in
    der Landwirtschaft betreffen ganz direkt       Der Austausch zwischen Bäuerinnen und
    landwirtschaftliche Betriebe, aber sie         Bauern und „der Gesellschaft“ ist vielfältig:
    betreffen uns auch alle – eben weil sie so     Erwartungen an regionalen Konsum und
    eng mit unserer Ernährung, dem Klima,          Anerkennung, beidseitiger Wunsch nach

6   AGRAR-ATLAS 2019
Fairness, und im besten Fall Respekt. Der
Austausch ist aber nicht friktionsfrei: Was ist,
sorgen sich Landwirtinnen und Landwirte,
                                                   „     Vielen Landwirtinnen
                                                         und Landwirten
                                                   geht es in diesem System selbst
wenn das, was „die Gesellschaft“ fordert, sich     nicht gut.
für die Familie und den Betrieb nicht mehr
ausgeht? Was ist, sorgen sich viele Menschen,
wenn unser Wasser mit Pestiziden belastet          und global gerechte Agrar- und
wird, wir die letzten Flecken Natur im immer       Ernährungssysteme. Weil viele Menschen
größeren Effizienzdruck zerstören? „Die            spüren, dass es höchste Zeit ist, die Debatte zur
Landwirtschaft“ besteht aus vielfältigsten         Zukunft der Landwirtschaft zu führen. Reden
Familien und Betrieben, deren Arbeit               wir also über die Rahmenbedingungen,
Wertschätzung gebührt. Aber sie alle sind          innerhalb derer Landwirtinnen und
eingebettet in ein Agrarsystem, das Jahr           Landwirte arbeiten und arbeiten müssen.
für Jahr mit Milliarden Euro falsche Anreize       Wie müssten wir diese ändern, damit sich
setzt und am Ende weder ökologische noch           Ökologie, Soziales und Wirtschaftlichkeit für
soziale oder wirtschaftliche Nachhaltigkeit        die landwirtschaftlichen Betriebe und den
gewährleisten kann. Auch das zeigt der Atlas:      Rest der Gesellschaft ausgehen? Reden wir
dass es vielen Landwirtinnen und Landwirten        darüber, was wir wollen und was möglich ist.
in diesem System selbst nicht gut geht.            Solange jährlich etliche Milliarden in
                                                   das falsche System investiert werden, bleibt

E
      s lohnt sich daher für alle Beteiligten,     die notwendige ökologische und soziale
      für eine bessere, grundlegend andere         Wende in der Agrar- und Ernährungspolitik
      Agrarpolitik einzutreten. Wichtig            in weiter Ferne.
ist, dass wir uns als Gesellschaft darauf

                                                   T
einigen, welche Leistungen wir erwarten                  reten wir für eine starke soziale
und welche wir gesellschaftlich bezahlen                 und ökologische Agrarpolitik ein.
wollen. Landwirtschaft betrifft uns alle.                Landwirtinnen und Landwirte
Daher muss es allen Teilen der Gesellschaft        brauchen das Geld, um ihre Betriebe fit für
möglich sein, darüber zu diskutieren.              die Zukunft zu machen. Wir alle brauchen
Dieser Atlas liefert dazu eine Grundlage. Er       eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik für
erscheint im Laufe des Frühjahres 2019 auch        den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Die
in weiteren fünf europäischen Sprachen             nötige Agrarwende ist nicht umsonst – in
und Länderversionen. Er ist das Ergebnis           vielerlei Hinsicht.
europäischer Vernetzung und soll die
Debatte in möglichst vielen EU-Ländern
                                                   Leonore Gewessler
stärken.                                           GLOBAL 2000

In vielen europäischen Ländern wachsen die         Barbara Unmüßig
Bewegungen für nachhaltige, soziale                Heinrich-Böll-Stiftung

                                                                                          AGRAR-ATLAS 2019   7
12 KURZE LEKTIONEN

           ÜBER DIE EU-LANDWIRTSCHAFT
            1     Durch die EU-AGRARPOLITIK fließen jährlich fast 60 Milliarden Euro in die
                  europäische Landwirtschaft. Die Zustimmung der EU-Bürgerinnen und -Bürger
                  dazu steigt, wenn sich dies positiv auf KLIMA UND UMWELT auswirkt.

                         2   Die Landwirtschaft ist eng verwoben mit dem SCHUTZ von
                             Insekten und Vögeln, sauberem Wasser und gesunden
                             Lebensmitteln. Das GELD der EU fließt KAUM in diese Bereiche.

                                  3   Die nächste siebenjährige Förderperiode
                                      der EU beginnt IM JAHR 2021. Die Verhandlungen
                                      über Reformen sind in vollem Gange.

                         4 Die EU-Agrarpolitik besteht aus ZWEI SÄULEN. Mit der ersten werden vor
                           allem pauschale Flächenprämien gezahlt, mit der zweiten die ländliche
                           Entwicklung, Ökolandbau und Umweltmaßnahmen unterstützt.

                                                       5 70 Prozent der EU-Gelder werden
                                                         pro Hektar ohne weitreichende Auflagen
                                                         ausgegeben. Wer VIEL LAND
                                                         bewirtschaftet, bekommt VIEL GELD.

                                  6   Auch der Erhalt des LÄNDLICHEN RAUMS wird
                                      aus dem Agrarbudget gefördert. Österreich
                                      stellt dafür EU-weit den HÖCHSTEN ANTEIL an
                                      den Gesamtmitteln zur Verfügung.

8   AGRAR-ATLAS 2019
AGRAR-ATLAS 2019 / STOCKMAR
    7   Die EU hat sich zu internationalen Zielen für den KLIMASCHUTZ und die
        BIODIVERSITÄT sowie zur GLOBALEN GERECHTIGKEIT verpflichtet. Ihre
        Agrarpolitik hat sie darauf noch nicht ausgerichtet. Ohne weitreichende
        Reformen wird die EU die internationalen ZIELE VERFEHLEN.

                        8 TIERWOHL ist den EU-Bürgerinnen und -Bürgern
                          sehr wichtig. Dennoch werden die Gelder der
                          EU-Agrarpolitik kaum genutzt, um die TIERHALTUNG
                          in diesem Sinne zu VERBESSERN.

    9 In der EU haben zwischen 2003 und 2013 über ein Viertel aller BAUERNHÖFE
      aufgegeben. Ihre Flächen übernahmen andere. Heute bewirtschaften
      3,1 Prozent aller Betriebe mehr als die HÄLFTE DES AGRARLANDES.

10 Auch in Österreich geht die Anzahl der Betriebe immer noch
   ZURÜCK. Das vielmals empfohlene „Wachsen statt Weichen“
   ist kein Garant für ein WIRTSCHAFTLICHES AUSKOMMEN.

                        11 Die EU-Agrarpolitik HILFT beim Kampf gegen die
                           POLITISCHE EROSION der Europäischen Union.
                           Sie ist besonders in ländlichen Regionen wichtig, in
                           denen die UNZUFRIEDENHEIT MIT DER EU groß ist.

    12 Damit die GEMEINSAME AGRARPOLITIK (GAP)
       der EU gesellschaftlich akzeptiert wird, muss sie
       Umwelt und Klima SCHÜTZEN, die Artenvielfalt
       ERHALTEN, das Tierwohl VERBESSERN
       und kleine und mittlere Betriebe FÖRDERN.

                                                                                  AGRAR-ATLAS 2019                          9
GESCHICHTE

     NEUE ZIELE, ALTES DENKEN
     Ihre älteste Aufgabe hat die EU-Agrarpolitik                                                              dern am EU-Sitz in Brüssel. Kein anderer Wirtschaftsbereich
     gelöst: in der Nachkriegszeit die Ernährung                                                               ist in der Europäischen Union so stark durch gemeinschaft-
     zu sichern. Doch trotz vieler Reformen und                                                                liche Regeln geprägt wie die Landwirtschaft – sie unterliegt
                                                                                                               der Gemeinsamen Agrarpolitik, kurz „GAP“. Ihre Ziele und
     neuer Strukturen – die bisherige Förderung
                                                                                                               Aufgaben wurden erstmals 1957 festgelegt, vor über sech-
     taugt nicht für das 21. Jahrhundert.                                                                      zig Jahren.
                                                                                                                    Die anfangs aus nur sechs Ländern bestehende Staa-

     L
           andwirtschaftlich genutzte Böden bestimmen das                                                      tengemeinschaft wollte die Menschen im zerstörten Nach-
           Landschaftsbild der EU – es sind 174 Millionen Hektar,                                              kriegseuropa mit genügend Nahrungsmitteln zu angemes-
           40 Prozent der gesamten Fläche. Weidende Schafe in                                                  senen Preisen versorgen. Daher sollten die Produktivität in
     Irland, Weinberge in Frankreich, riesige Getreidefelder in                                                der Landwirtschaft gefördert, die Märkte stabilisiert – also
     Ostdeutschland und kleinste Betriebe in Rumänien. Europas                                                 starke Preisschwankungen verhindert – und der landwirt-
     Landwirtschaft ist vielfältig in jeder Hinsicht. Sie ist von öko-                                         schaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshal-
     logischen Gegebenheiten, Kultur und Geschichte, Politik                                                   tung gesichert werden. Das Ziel der Selbstversorgung hat
     und ökonomischen Entwicklungen geprägt und prägt eben                                                     die GAP innerhalb kürzester Zeit erreicht. Schon in den
     diese im Wechselspiel.                                                                                    1970er-Jahren produzierten die Bäuerinnen und Bauern in
         Bewirtschaftet wird die Fläche von etwas über zehn Mil-                                               der EU mehr Nahrungsmittel, als gebraucht wurden. Die
     lionen Betrieben. Ein Drittel davon liegt in Rumänien, etwas                                              Verlockungen sicherer Preise und Einkommen zeigten ihr
     über 13 Prozent in Polen, gefolgt von Italien und Spanien. Die                                            negatives Gesicht: Die Zeit der Butterberge, Milchseen und
     durchschnittlichen Betriebsgrößen sind sehr unterschied-                                                  spektakulären Obstvernichtungen in den südlichen Mit-
     lich. Während sie in Rumänien bei etwas über drei Hektar                                                  gliedsländern begann. Zugleich sorgten Exportsubventio-
     liegen, kommen sie in Tschechien auf 133 Hektar. Auch der                                                 nen für eine künstliche Verbilligung, um die Waren auf dem
     Beitrag der Landwirtschaft zur gesamten Wirtschaftsleis-                                                  Weltmarkt loszuschlagen – ohne Rücksicht darauf, ob dies
     tung variiert von Land zu Land. Lag er im EU-Durchschnitt                                                 die bäuerlichen Betriebe in den Zielländern ruinierte.
     im Jahr 2017 bei etwa 1,4 Prozent, liegt er in vielen neuen
     östlichen Mitgliedsstaaten bei über drei Prozent, in den al-
     ten westlichen hingegen zwischen 0,5 und 1 Prozent.                                                                              Die Landwirtschaft ist nicht mehr das dominante
         Trotz dieser Vielfalt wird Agrarpolitik nicht in den                                                                                     Thema der europäischen Integration,
     Hauptstädten wie Dublin, Paris oder Bukarest gestaltet, son-                                                                       doch sie bleibt der dominante Haushaltsposten

                                                                                                                                                                                                    FI

                                                                                                                                                                                                                     AGRAR-ATLAS 2019 / EC, WIKIPEDIA
        MULTIMILLIARDEN FÜR ÄCKER UND STÄLLE
        Erweiterungsprozess der EU und Agrarausgaben in Milliarden Euro und Prozent des Haushalts                                                                                    SE             EE
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                                         Ausgaben in Milliarden Euro                                                                              IE
                                                                                                                                                                                                   LT
                                         Ausgaben in Prozent des Haushalts                                                                                  UK       NL
          70                                                                                                                                                        BE                      PL
                                                                                                                                                                        DE
                                                                                                                                                                     LU             CZ
                                                                                                                                                                                         SK
         60                                                                                                                            PT                      FR                   AT
                                                                                                                                                                                        HU
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                                                                                                                                                                                       HR
         50
                                                                                                                                                       ES                      IT                    BG

         40                                                                                                                                                                                    GR

                                                                                                                                                                             MT
         30                                                                                                                                                                                                    CY

         20            EU-12                         EU-15                       EU-25                    EU-27                       EU-28                               EU-12 (1986)
                                                                                                                                                                          EU-15 (1995)
                                                                                                                                                                          EU-25 (2004)
          10
                                                                                                                                                                          EU-27 (2007)
                                                                                                                                                                          EU-28 (2013)
          0
               1990     1992      1994     1996     1998     2000      2002     2004     2006      2008     2010      2012     2014     2016     2018

        AT: Österreich, BE: Belgien, BG: Bulgarien, CY: Zypern, CZ: Tschechien, DE: Deutschland, DK: Dänemark, EE: Estland, ES: Spanien, FI: Finnland, FR: Frankreich, GR: Griechenland, HR: Kroatien, HU: Ungarn,
        IE: Irland, IT: Italien, LT: Litauen, LU: Luxemburg, LV: Lettland, MT: Malta, NL: Niederlande, PL: Polen, PT: Portugal, RO: Rumänien, SE: Schweden, SI: Slowenien, SK: Slowakei, UK: Großbritannien

10   AGRAR-ATLAS 2019
AGRAR-ATLAS 2019 / EC
  174 MILLIONEN HEKTAR FELDER, WIESEN UND WEIDEN
  Landwirtschaftliche Nutzfläche in der EU
  nach Mitgliedsländern und Betriebsgrößen,
  Agrarstrukturanalyse 2013                                                           Schweden

                                                                17,1
                                                                                               3,0    2,3
                                                                                                             Finnland
     durchschnittliche Betriebsgrößen
                                                       5,0
     in Hektar                                                            Großbritannien       2,6   Dänemark
         bis 10                                                                                                            Litauen         Estland
                                              Irland
         bis 25                                              Niederlande 1,8                                                                 1,0
                                                                                                                             2,9     1,9
         bis 50
         bis 75
         über 75
                                                                 Belgien 1,3
                                                             Luxemburg 0,1
                                                                                      16,7              14,4                          Lettland

                                                                                                             Polen
                                                                                      Deutschland
                                                                                                                         Tschechien
                           3,6                                                                                    1,9 Slowakei
                                                                                                       3,5

                                                             27,7
                                                                                               2,7

                                   23,3
                  Portugal                                                        Österreich                                     Rumänien

                                                                                   Italien                           4,7
     Nutzfläche
     in Millionen Hektar                                                                12,1
                                                                                                            0,5
                                                                                                                  Ungarn        13,1
                                        Spanien              Frankreich                                 1,6 Kroatien
                       20
                                                                              0,01
                                                                                                                                     Bulgarien
                  10                                                          Malta            Slowenien             4,9       4,7
              5                                                                                        Griechenland                      0,1
                                                                                                                                     Zypern

                                                                                               Kleine Agrarbetriebe dominieren in manchen
    Obwohl die EU-Agrarpolitik seither viele Male grund-                                                 Ländern der EU. Sie werden teils im
legend überarbeitet wurde und die Exportsubventionen                                                 Haupt-, teils im Nebenerwerb betrieben
verschwanden, ist nie ein neuer Zielkatalog vereinbart
worden, der den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
entspricht. Das betrifft vor allem den enormen Einfluss der                      Derzeit stehen für die Finanzierung der GAP etwa 38 Pro-
Landwirtschaft auf Umwelt und Natur, auf nachhaltige                        zent des EU-Budgets zur Verfügung. Das sind EU-weit 58 Mil-
Entwicklung und globale Gerechtigkeit. Die Qualität von                     liarden Euro im Jahr. Umgerechnet zahlt jeder EU-Bürger
Böden, des Wassers und der Lebensräume für Insekten und                     und jede EU-Bürgerin jährlich 114 Euro für die EU-Agrar-
seltene Pflanzen – all diese Themen sind untrennbar mit der                 politik. Auch wenn die GAP der größte EU-Haushaltsposten
landwirtschaftlichen Produktion verbunden. Umwelt-, Tier-                   ist, sinkt ihr prozentualer Anteil seit Jahren. 1988 waren es
und Klimaschutz, die Gesundheit der Menschen, die soziale                   55 Prozent, 2027 sollen es nur noch 27 Prozent sein.
Entwicklung des ländlichen Raums und globale Nachhal-                            Die GAP besteht aus zwei Teilbereichen, den sogenann-
tigkeitsaspekte sind die großen Herausforderungen, die                      ten Säulen. Die erste Säule verfügt über 75 Prozent des
auf europäischer Ebene geregelt werden sollten. Dennoch                     GAP-Geldes und heißt „Europäischer Garantiefonds für die
wurden diese Themen nur von Fall zu Fall in Querschnitts-                   Landwirtschaft“. Daraus werden die Pauschalen an die land-
klauseln festgelegt.                                                        wirtschaftlichen Betriebe gezahlt: die Flächenprämien. Im
    Wie funktioniert eine EU-Agrarreform, mit der neue                      Durchschnitt gibt es in der ganzen EU für jeden Hektar pro
Schwerpunkte, Zahlungen oder auch Einsparungen veran-                       Jahr 267 Euro. Wegen der unterschiedlich großen Betriebe
kert werden sollen? Zunächst entwickelt die EU-Kommissi-                    führt diese Regelung dazu, dass EU-weit 80 Prozent der Gel-
on einen Vorschlag. Sie, das Europäische Parlament und der                  der an nur 20 Prozent der Begünstigten gehen.
Agrarministerrat beraten und ändern ihn später in mühe-                          Die zweite Säule umfasst nur 25 Prozent und heißt „Eu-
vollen Abstimmungsrunden zwischen allen drei beteiligten                    ropäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des
Institutionen im Rahmen eines „Trilogs“. Ist der Gesetzes-                  ländlichen Raums“. Daraus werden die Programme für
text beschlossen, müssen die Mitgliedsstaaten seine Bestim-                 Ökolandbau, zur Unterstützung der Landwirtschaft in be-
mungen mit nationalen Gesetzen und Regelungen umset-                        nachteiligten Gebieten und für andere Umwelt-, Klima- und
zen. Immer wieder kritisieren Umwelt-, Kleinbauern- und                     Naturschutzmaßnahmen finanziert. Obgleich es die zweite
Entwicklungsorganisationen, dass in dem Verhandlungs-                       Säule ist, die die Umweltleistungen der EU-Landwirtschaft
prozess alle Reformvorschläge, die die GAP hinsichtlich der                 entlohnt, will die Kommission nun genau dieses Budget in
Umwelt nachhaltiger und hinsichtlich der Verteilung ge-                     der kommenden Förderperiode um rund 27 Prozent zusam-
rechter machen sollen, verwässert werden. Das wichtigste                    menstreichen. Die erste Säule hingegen würde nur um etwa
Ziel der GAP bleibt seit Jahren die Stabilisierung der land-                elf Prozent gekürzt. Dies ist der jüngste Fehler in der an Feh-
wirtschaftlichen Einkommen.                                                 lern so reichen Geschichte der GAP.

                                                                                                                                       AGRAR-ATLAS 2019                      11
EU-AGRARPOLITIK IN ÖSTERREICH

     GEMISCHTE BILANZ
     Auf vielen Wegen fließen EU-Gelder in                                                                 nationaler Kofinanzierung ausgezahlt werden. In Summe
     Österreichs Landwirtschaft. Manche                                                                    umfasst das Programm 7,7 Milliarden Euro.
     Maßnahme setzt das Land erfolgreicher                                                                     Die Ausgleichszulagen von insgesamt 1,8 Milliarden
                                                                                                           Euro orientieren sich daran, wie benachteiligt Flächen
     um als seine europäischen Nachbarn. Doch
                                                                                                           etwa bezüglich Hanglage, Kleinteiligkeit der Flächen, kli-
     andere Ziele werden deutlich verfehlt.                                                                matischer Ausgangslage wie Seehöhe und Wärmesumme,
                                                                                                           oder auch Erreichbarkeit sind, und sollen etwa Bergbauern-

     S
            eit dem EU-Beitritt 1995 ist Österreich auch Teil der                                          höfen dabei helfen, wirtschaftlich zu überleben. Daneben
            Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und erhält Zahlun-                                              finanzieren 2,8 Milliarden Euro aus diesem Programm so
            gen aus diesem Budget. Die GAP gibt einen Rahmen                                               unterschiedliche Bereiche wie die Stabilisierung von Rut-
     vor und ist in jedem EU-Mitgliedsland verschieden ausge-                                              schungen, Klima- und Energiemodellregionen, den Inter-
     prägt. Ziel der österreichischen Ausformung war von Beginn                                            net-Breitbandausbau, Pläne zur Dorferneuerung, Quali-
     an die Einkommensstützung der Bauern und Bäuerinnen                                                   tätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel,
     einerseits und die Abgeltung ökologischer Leistungen an-                                              Beratungsdienste und Forstwirtschaftstechnik.
     dererseits. Eine österreichische Besonderheit ist, dass stark                                             Ein noch größerer Anteil des Programms für ländliche
     auf die Kofinanzierung der GAP-Gelder gesetzt wird, um                                                Entwicklung, 3,1 Milliarden Euro, fließt in das „Österrei-
     möglichst das gesamte EU-Fördervolumen auszuschöpfen.                                                 chische Programm zur Förderung einer umweltgerechten,
         In der Budgetperiode 2014 bis 2020 erhält Österreich 4,8                                          extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden
     Milliarden Euro in Form von GAP-Direktzahlungen, die als                                              Landwirtschaft“ (ÖPUL). Dieses Programm unterstützt Land-
     Einkommensstütze gelten können. Dazu gehört die Basis-                                                wirtinnen und Landwirte beispielsweise dabei, auf synthe-
     prämie, die pro Hektar Land gezahlt wird und als Gegenleis-                                           tische Unkrautvernichtungsmittel bei Wein zu verzichten,
     tung nicht viel mehr als die Einhaltung der Gesetze und Auf-                                          Äcker über den Winter zu begrünen, im geschützten An-
     zeichnungspflichten vorschreibt. Auch die zweite Prämie,                                              bau Nützlinge einzusetzen oder gefährdete Nutztierras-
     als „Greening“ bekannt, ist eine Flächenprämie und wird für                                           sen zu erhalten. Die Prämie ersetzt recht genau den damit
     den Schutz und zur Verbesserung der biologischen Vielfalt                                             verbundenen Aufwand und ist folglich mehr oder weniger
     gezahlt. Dieses Ziel gilt allerdings wegen der viel zu weichen                                        einkommensneutral. Für den biologischen Landbau, für
     Bestimmungen als gescheitert. Die dritte Direktzahlung                                                Natura-2000-Gebiete und für Tierschutzleistungen ist eine
     fördert die Übernahme von Betrieben durch Junglandwir-                                                Milliarde der 3,1 Milliarden Euro reserviert. Unter anderem
     tinnen und Junglandwirte, die vierte den Almauftrieb von                                              durch diese Stützung ist Österreich im biologischen Land-
     Rindern, Schafen und Ziegen.
         Der andere große Teil der GAP wird in Österreich unter
     dem „Programm für ländliche Entwicklung 2014  – 2020“                                                                    Österreich stockt stark auf, um EU-Mittel für den
     ausgezahlt. Dieses Programm ist mit 3,9 Milliarden Euro                                                              ländlichen Raum zu erhalten. Kofinanzierung – mit
     EU-Geldern dotiert, die allerdings nur unter der Bedingung                                                          diesem Angebot mobilisiert Brüssel nationales Kapital
                                                                                                                                                                                                  AGRAR-ATLAS 2019 / GB

        WOHIN DAS GELD FLIESST
        Zahlungen an die österreichische Landwirtschaft                                                    Verteilung der Mittel für die Ländliche Entwicklung,
        im Budgetzeitraum 2014 bis 2020,                                                                   in Prozent
        in Milliarden Euro                                                                                                                                Tierschutz
                                                  Maßnahmen für die
                                                ländliche Entwicklung                                        Basisdienstleistungen                     3,0 %            Bio
                                                                                                              und Dorferneuerung
                                                          7,7                                                                                               10,2 %
                                                                                                                                         9,9 %
             Direktzahlungen                             3,7*     Österreich                                                                                             Agrarumwelt- und
             an Agrarbetriebe                                                                                                                                            Klimamaßnahme**
                                                                                                                              22,9 %
                                   4,8
                                                                                                                                                                26,9 %
                                                                                                             Ausgleichszulage für
                                                                                                              Berg- und andere
                                            EU           3,9      EU                                        benachteiligte Gebiete
                                                                                                                                                                              	40,1 %: ÖPUL,
                                                                                                                                          27,1 %
                                                                                                                                                                                Österreichische
                                                                                                                                sonstiges                                       Programm für
                                                                                                                                                                                umweltgerechte
        * Kofinanzierung: meist im Verhältnis von 60 Prozent Bund, 40 Prozent Länder, Differenzen durch Rundung. ** mit Ausgaben für Natura 2000 und Wasserrahmenrichtlinie     Landwirtschaft

12   AGRAR-ATLAS 2019
AGRAR-ATLAS 2019 / AMA, STATISTIK AUSTRIA
  SCHLÜSSELLAND NIEDERÖSTERREICH
  Ackerbauflächen in Österreich in Hektar und Bioanteil
  in Prozent, nach Bundesländern, 2017                                                           18 %

                                                          11 %

                                                                                Niederösterreich 675.700
        konventionell
        biologisch                                                                                                    20 %
                                                                                                                         Wien 4.300
                                                  Oberösterreich 290.000

                                                                                                                            31 %
                                                                                         7%
                                                                 37 %
          8%                                                                                               Burgenland 157.500
                                         11 %             Salzburg 4.900
                                                                                      Steiermark 127.300
   Vorarlberg 2.600
                                         Tirol 7.100                    17 %                                                                17 %

                                                                         Kärnten 59.600
                                                                                                         Österreich gesamt 1.328.900

                                                                                         2017 wurden in Österreich 24 Prozent der landwirt-
bau mittlerweile europäischer Vorreiter. 24 Prozent der                              schaftlichen Nutzfläche biologisch bewirtschaftet. Beim
landwirtschaftlichen Nutzfläche werden nach EU-Biorichtli-                               besonders wichtigen Ackerland waren es 17 Prozent
nien oder höheren Standards bewirtschaftet. Der Anteil bei
Wiesen ist höher als im Ackerbau.
    Agrarpolitik besteht aber aus mehr als der GAP. Zu den                        Mithilfe der GAP geschah besonders im Vergleich zu
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehörten ebenso                             anderen EU-Ländern in Österreich manches Richtige im
Besteuerung, Sozialabgaben und Sofortbeihilfen bei Tro-                        Bereich der Ländlichen Entwicklung. Viele Ziele wurden
ckenheit oder Hagel. Die Ergebnisse in Österreich sind ins-                    dennoch verfehlt – und vom Optimum sind wir ohnehin
gesamt gemischt. Das sogenannte Höfesterben hat sich in                        weit entfernt. Ein Zustand, von dem wir uns noch weiter
den letzten Jahren verlangsamt. Aber noch in den vergange-                     entfernen, wenn in Zukunft wirklich ausgerechnet die
nen sieben Jahren haben 19.000 Betriebe aufgegeben, sie-                       Budgetmittel für die Programme der „Ländlichen Entwick-
ben pro Tag. Die Einkommenssituation bleibt durchwach-                         lung“ stark gekürzt werden.
sen. Für den Zustand der Biodiversität zeigt der weitgehend
lineare Rückgang des Bestands an Kulturlandschaftsvögeln
seit 1998 als Zeiger-Index an, dass auch bei unserer relativen
                                                                                 DIE HÖFE WERDEN IMMER GRÖSSER
Kleinräumigkeit die veränderte Landwirtschaft negative
                                                                                 Landwirtschaftliche Betriebe in Österreich nach Betriebsgröße
Folgen für Lebensräume nach sich gezogen hat. Seit Kurzem                        Zu- und Abnahme in Prozent der Betriebe
geht der Bestand – auf niedrigem Niveau – nicht mehr wei-
ter zurück, er erholt sich aber auch nicht.                                         Veränderungen        2010 zu 2013         2013 zu 2016
    Auch bei den Gewässern ist nicht alles im Reinen. Belas-
tungen durch Pestizide treten vermehrt in den intensiv be-                                - 6,36 %
                                                                                                                              bis unter 20 Hektar
wirtschafteten Agrargebieten auf. Problematisch ist auch,                                                - 1,76 %
dass eine Untersuchung im Jahr 2014 zeigte, dass von den
60 in österreichischen Gewässern gefundenen Pestiziden                                                     - 1,41 %
                                                                                                                             20 bis unter 50 Hektar
nur vier Wirkstoffe über die gängigen Beprobungen im                                 - 7,17 %
Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie erfasst werden.
Erosion durch Wasser führt vor allem in Ackerbaugebieten                                                                         + 0,83 %
                                                                                                50 bis unter 100 Hektar
mancherorts zu enormen Bodenverlusten und ist ein we-                                                                          + 2,36 %
                                                                                                                                                      AGRAR-ATLAS 2019 / STATISTIK AUSTRIA

sentlicher Einflussfaktor auf unsere Böden neben der Ver-
siegelung für Gebäude und Verkehrswege im nicht land-                                                          - 0,46 %
                                                                                   100 bis unter 200 Hektar
wirtschaftlichen Bereich.                                                                                                               + 4,07 %

                                                                                                                                      + 1,69 %
                                                                                   200 Hektar und mehr
                       Deutlich haben die Agrarbetriebe unter                                               - 0,98 %
             50 Hektaren abgenommen. Auch Österreich bleibt
                 von „Wachsen statt Weichen“ nicht verschont

                                                                                                                                         AGRAR-ATLAS 2019                                         13
KOMPETENZEN

     DRINGEND: DER BLICK
     ÜBER DEN TELLERRAND
     Die Landwirtschaft muss in anderen                                                                   GAP, wird über die Erträge der gesamten Hektare Land-
     Politikfeldern eine größere Rolle                                                                    wirtschaft erreicht. Sie hängt damit grundlegend von der
     spielen. Umgekehrt müssen Gesundheits-                                                               Fläche an fruchtbarem Boden ab, über das jedes EU-Mit-
                                                                                                          gliedsland verfügt. Statt bei der Flächenverfügbarkeit
     und Umweltschutzziele mehr in die
                                                                                                          regulierend und weitsichtig einzugreifen, bedeutet eine
     Agrarpolitik einfließen. Dieser Austausch                                                            sichere Versorgung traditionell, die letzten Prozent Er-
     läuft noch zu zaghaft.                                                                               tragssteigerung aus einem Hektar zu pressen.
                                                                                                              Das in der Wirtschaftswissenschaft verwendete Er-

     D
            ie Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU erstreckt                                             tragsgesetz kommt nicht zufällig als Bodenertragsgesetz
            sich auf drei Bereiche: die Stabilisierung der Agrar-                                         aus der Landwirtschaft. Es unterscheidet zwischen In-
            märkte, die Stützung und Lenkung der agrarischen                                              put – etwa Saatgut, Dünger oder Maschineneinsatz – und
     Produktion und der Produktionsmethoden sowie Investi-                                                Output – zum Beispiel die Ernte, Schlachtgewichte oder
     tionen in den ländlichen Raum. Was genau dabei der GAP                                               Milchmengen – und besagt: Anfänglich nimmt der Output
     unterliegt, ist Politikum und Macht- wie auch Organisa-                                              bei bestimmtem Input schnell zu, aber später ist ein immer
     tionsfrage. Wenn von einer Reform der EU-Agrarpolitik die                                            höherer Input nötig, um den Output noch weiter zu stei-
     Rede ist, muss auch geprüft werden, wie kohärente Agrar-                                             gern. Immer mehr sinkt die Effizienz des Inputs. Die GAP
     politik gelingen kann.                                                                               fördert jedoch weiter die Hochleistungssysteme in der kon-
         So liegt die Raumordnung nicht in der Verantwortung                                              ventionellen Landwirtschaft mit dem Ziel des höchstmög-
     der GAP. Die Festlegung von Verkehrsflächen, Bau-, Acker-                                            lichen Ertrags pro Hektar.
     und Grünland und die fortschreitende Umwidmung von                                                       Mit etwas höherem Hektarertrag bei zunehmend hö-
     fruchtbarem Boden für nicht landwirtschaftliche Zwecke                                               herem Input steigen auch die negativen Nebenwirkungen
     gehören aber zu den großen EU-weiten Problemen. Die                                                  für öffentliche Güter. Verborgen hinter Kunstdünger, Pes-
     Ernährungssicherheit, eines der grundlegenden Ziele der                                              tiziden oder importiertem Futter stehen zum Beispiel Was-
                                                                                                          serverbrauch oder -verschmutzung anderswo, sogenannte
                                                                                                          Ressourcenrucksäcke. Teils sind die Folgen aber auch offen
                                                                                                          erkennbar vor Ort mit dem Nitratgehalt in Grund- und
        BEITRAG ZUM KLIMAWANDEL
                                                                                                          Oberflächenwasser, einer geringeren Wasserrückhaltefä-
        Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen
        in Österreich, 2015, in Prozent                                                                   higkeit der Böden bei starkem Niederschlag mit allen Fol-
                                                                                                          gekosten, einer abnehmenden Artenvielfalt und damit ins-
                                             Landwirtschaft                                               gesamt einer sinkenden Ökosystemstabilität. Zu ihr trägt
                                   10,2                                                                   die Landwirtschaft im Grundsatz durch die Erhaltung von
                                                                                                          Kulturland positiv bei, aber es ist ein Beitrag, der von seinen
                                   10,1      Gebäude                                                      negativen Folgen konterkariert wird.
                                                                                                              Von den Beteiligten und ihren Verbänden wird das oft
                                                                                                          als unvermeidlich dargestellt. Grund: Die Landwirtschaft
                                                                                                          müsse ökonomisch funktionieren. Das stimmt, aber für eine
                                   28,0      Verkehr*                                                     Gesellschaft als Ganzes ist die Antwort unzureichend. Denn
                                                                                                          sie führt zu Kosten für die Allgemeinheit. Gäbe es statt ein-
                                                                                                          dimensionaler Antworten effizientere, multidimensionale-
                                    7,9      Energie und Industrie                                        re Lösungen, wenn auch andere Politikbereiche Verantwor-
                                                                                                          tung für agrarpolitische Ziele wie Ernährungssicherheit
                                                                                                          übernehmen müssen?
                                                                                                              Teils wird bereits über den Tellerrand gedacht, etwa
                                             Energie und Industrie
                                                                                                          beim Wettbewerbsrecht. So ist auf EU-Ebene ein Verbot
                                                                     AGRAR-ATLAS 2019 / UMWELTBUNDESAMT

                                   37,4                                                                   unfairer Handelspraktiken in Planung. Um landwirtschaft-
                                               Emissionshandel
                                                                                                          liche Betriebe und faire Preise zu schützen, könnten einige
                                                                                                          gängige Praktiken, wie Abzüge wegen angeblicher Quali-

                                    6,4
                                             sonstige                                                     Österreichs Landwirtschaft liegt beim Ausstoß von Klimagasen
        * ohne internationalen Flugverkehr                                                                auf Rang drei. Mitten im Klimawandel muss jeder Bereich
                                                                                                          zu einer Reduktion beitragen. Agrar- ist damit Umweltpolitik

14   AGRAR-ATLAS 2019
WENIGER WIESEN, FELDER, WÄLDER
  Flächenverluste der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe
  von 1990 bis 2016, nach Bundesländern, in Hektar                                                                  Niederösterreich

                                                                 Oberösterreich

     Entwidmung, in Prozent
                                                                            26.100              41.500                             Wien
        bis 5
                                                                                                                           8.600
        über 5 bis 10
        12,1
        31,4

                                                                                                                   39.500
                               Vorarlberg
                                                     Salzburg
                                                                              96.900                                               Burgenland

                                                             30.700
     Fläche des                        12.200
     Bundeslandes Wien,                              3.000                                                 Steiermark
     in Hektar

                                                                                                                                                      AGRAR-ATLAS 2019 / STATISTIK AUSTRIA
                                                     Tirol
                     41.500                                                         Kärnten

                                                                   33.800

                                                                                   Im Durchschnitt sind in ganz Österreich in 26 Jahren
tätsmängel und nachträgliche Werbeabgaben, stärker re-                       der Land- und Forstwirtschaft fast 1.000 Hektar pro Monat
guliert werden. Denn Agrarbetriebe stoßen beim Verkauf                                  verloren gegangen – 292.300 Hektar insgesamt
ihrer Produkte auf wenige, große Abnehmer wie Genos-
senschaften und Handelsketten, die ihre Marktmacht aus-
spielen können. Und je höher die Zuwendungen der GAP,                    nen und -politiker über die GAP bestimmen, sondern auch
desto weniger zahlen die nachgelagerten Player in der Le-                die Verantwortlichen von mitbetroffenen Ressorts wie Ge-
bensmittelkette, was letztlich eine EU-weite, unkontrollier-             sundheit. Auch wo, nicht wie in Österreich, Landwirtschaft
te Abschöpfung der GAP-Mittel bedeutet. Österreich zeigt                 und Umwelt auf zwei Ministerien entfallen, sollte die Mit-
sich hier durchaus kritisch gegenüber dem Einzelhandel,                  sprache der betreffenden „Nachbarressorts“ zu einer we-
will aber große Genossenschaften schonen.                                niger widersprüchlichen Politik und zur Vermeidung von
    Hier werden Machtverhältnisse verkannt, die auf blin-                Folgekosten führen. Zu einer Reform der GAP sollte daher
de Flecken in der klassischen Agrarpolitik hinweisen. Eine               gehören, dass ihre Strukturen, Mittel, Machtbereiche, Ziele
reine Diskussion rund um mehr agrarpolitische Mitsprache                 und Mitspracherechte wesentlich umfassender diskutiert
in Politikfeldern wie Raumordnung oder Wettbewerbs-                      werden als bisher.
recht ist daher nur eine Seite der Medaille. Die zweite Seite
besteht darin, wer die Ausgestaltung der GAP mitentschei-
det – neue und zusätzliche Player sichern eine gesamtheit-
                                                                            HOCH KONZENTRIERTES EINKAUFEN
liche Sicht.
                                                                            Marktanteile der größten Lebensmittel-Einzelhandelsketten
    Dazu noch ein Beispiel, aus der Gesundheitspolitik. Ei-                 in Österreich, 2017, in Prozent
nigen Studien zufolge hat die GAP den Preisunterschied
                                                                                                                    restliche
zwischen Lebensmitteln beeinflusst, indem die Zahlungen
ungesunde gegenüber gesunden Lebensmitteln künstlich                              viert- und fünftgrößte          5,4
verbilligten. Trotz einiger Erfolge, dies abzustellen, beste-                                              10,7
hen auch in der GAP-Haushaltsperiode 2014 bis 2020 noch
viele Verzerrungen, die am Ende zu Ausgaben im Gesund-
heitssektor führen. Es läge daher nahe, dass im europäi-
                                                                                                                                                      AGRAR-ATLAS 2019 / REGIO DATA

                                                                                                                    83,9
schen Entscheidungsprozess nicht nur Agrarpolitikerin-
                                                                                                                           drei größte Ketten

Die Landwirtschaft steht der geballten Einkaufsmacht weniger
            Abnehmer und deren Bedingungen gegenüber. Das
   zeigt, dass Agrarpolitik und GAP nicht ein und dasselbe sind

                                                                                                                                          AGRAR-ATLAS 2019                                   15
NETTOZAHLER

     EINE EXTRAWURST FÜR
     130 MILLIARDEN EURO
     Kleiner Brexit: Bis heute ist der „Britenrabatt“                                                           Zwei Drittel des Nettobetrags fielen für sie künftig weg.
     ein Verstoß gegen das Solidarprinzip bei                                                              Ein Rechenbeispiel mit fiktiven Zahlen: Wenn Großbritan-
     der europäischen Integration. Die Zahlungen                                                           niens jährlicher EU-Mitgliedsbeitrag bei zehn Milliarden
                                                                                                           Euro lag und sieben davon durch EU-Subventionen oder
     der EU-Agrarpolitik bremsen indes
                                                                                                           Beihilfen in das Land zurückflossen, verblieben drei Milliar-
     wohl Austrittsdrohungen weiterer Länder.                                                              den Nettosumme, die Großbritannien an die EU hätte zah-
                                                                                                           len müssen. Wegen des Rabattes brauchte Großbritannien

     F
          ür die Geschichte der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)                                             jetzt nur noch eine Milliarde zu bezahlen. Die anderen zwei
          ist ein Ausruf der britischen Premierministerin Marga-                                           Milliarden wurden – und werden bis heute – von allen ande-
          ret Thatcher legendär. „I want my money back!“, „Ich                                             ren Mitgliedsländern übernommen. So wurde die Landwirt-
     will mein Geld zurück!“, soll sie 1984 auf einem Gipfeltref-                                          schaft zum Auslöser für den ersten großen Verstoß gegen
     fen der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) gefor-                                               das Solidarprinzip bei der europäischen Einigung.
     dert haben. Denn der britische Agrarsektor war zu klein, um                                               In Brüssel stieß eine solche Rethorik des „juste retour“,
     von den Subventionen aus Brüssel ebenso zu profitieren wie                                            des „gerechten Rücklaufs“ oder von Leistung und Gegen-
     der französische oder der deutsche. Weil aber Anfang der                                              leistung, auf grundsätzliche Kritik. Sie verstieß gegen den
     1980er-Jahre mehr als 70 Prozent des EG-Budgets auf die                                               Gemeinschaftsgedanken, und worauf liefe das hinaus: ge-
     GAP entfielen, gab es keine Möglichkeit, diese Benachteili-                                           nau so viel einzuzahlen wie zurückzubekommen? Zudem
     gung des britischen Mitglieds anderswo zu kompensieren.                                               gab und gibt es keine Methode, um die unterschiedlichen
         Auch die vergleichsweise hohen Zoll- und Mehrwert-                                                wirtschaftlichen Vor- und Nachteile unter den beteiligten
     steuereinnahmen, die den EG-Mitgliedsbeitrag beeinfluss-                                              Ländern – von Investitionen über Arbeitsplätze bis zum
     ten, benachteiligten Großbritannien. Außerdem lag das                                                 Handel – zu verrechnen. Dies gilt umso mehr, wenn aus-
     britische Pro-Kopf-Einkommen wegen der scharfen Kon-                                                  gerechnet die Landwirtschaft mit ihren Produktions- und
     junkturkrise deutlich unter demjenigen Deutschlands und
     Frankreichs. Schon seit ihrem Amtsantritt 1979 hatte sich
     Thatcher daher über die Höhe des EG-Beitrags beschwert                                                          Die teure Ausnahme für Großbritannien endet mit dem
     und für eine regelrechte Politikblockade in Brüssel gesorgt.                                                   Brexit. Billiger wird es für die anderen Länder trotzdem
     Und sie bekam ihren „Britenrabatt“, wie er schnell hieß.                                                         nicht, denn London scheidet auch als Nettozahler aus

                                                                                                                                                                                           AGRAR-ATLAS 2019 / MATTHEWS, ONS
        DIE LASTEN DER ANDEREN
        Jährliche und aufgelaufene Kosten des „Britenrabatts“ (66 Prozent des britischen                                                            Aufteilung der Kosten des
        EU-Nettobeitrags, von den anderen Mitgliedsländern übernommen), in Milliarden Euro                                                          Rabatts auf die übrigen
                                                                                                                                                    EU-Länder, in Prozent, 2017
           8                                                                                                                                  160
                                                                            7,3                                                 128,8
           7                                                                                                                    6,8           140
                                                                                                                                                              17,4
                                                                                                       6,3                                                                   27,0

           6                                       jährlicher Rabatt                                                                          120     9,2

           5                                                                                                                                  100      13,2
                                                                                                                                                                            20,0
                                                                                                                                                                13,3
           4                                                                                                                                  80
                                    3,6
                                                                                                                                                        Frankreich
           3                                                                                                                                  60
                                                                                                                                                        Italien
                                                                                                                                                        Spanien
           2                                                                                 aufgelaufener Rabatt                             40        13 EU-Länder ab 2004
                                                                                                                                                        4 EU-Länder mit Reduktion*
           1                                                                                                                                  20
                                                                                                                                                        7 restliche EU-Länder

                                                                                                                                                    * Deutschland, Österreich, Schweden
          0                                                                                                                                   0      und die Niederlande mit um
               1985   1987   1989   1991    1993     1995   1997   1999    2001    2003    2005    2007    2009   2011   2013   2015   2017          75 Prozent reduziertem Betrag;
                                                                                                                                                     dieser „Rabatt vom Rabatt“ wird von
        1985 bis 2015 inoffizielle Berechnungen; 2016 und 2017 Schätzung der britischen Statistikbehörde ONS                                         den anderen 23 Ländern bezahlt.

16   AGRAR-ATLAS 2019
AGRAR-ATLAS 2019 / BPB
  WIE ES EUCH GEFÄLLT
  Drei Berechnungsmethoden für Nettozahler und -empfänger in der Europäischen Union
  und Beitragssalden der jeweils ersten fünf Länder, 2016

                                                                 Nettozahler        Nettoempfänger

                                                                             in Euro
      - 11,0 Mrd. €   Deutschland                                                                                     + 7,0 Mrd. €    Polen
                 - 9,2 Mrd. €   Frankreich                                                                    + 6,0 Mrd. €      Rumänien
                                    - 6,3 Mrd. €      Großbritannien                             + 4,3 Mrd. €         Griechenland
                                            Italien      - 3,2 Mrd. €                        + 3,6 Mrd. €      Ungarn
                                           Belgien - 1,5 Mrd. €                            + 3,2 Mrd. €      Tschechien

                                                                        in Euro pro Kopf
                                 Frankreich           - 138 €                                                                     Griechenland      + 398 €
                                       Belgien        - 136 €                                                                          Litauen      + 396 €
                                Deutschland           - 134 €                                                                   Slowakei      + 366 €
                                        Dänemark          - 112 €                                                                 Ungarn      + 364 €
                                        Österreich        - 111 €                                                                 Estland     + 364 €

                                                                in Prozent der Wirtschaftsleistung
                                             Frankreich - 0,41 %                                                                     Bulgarien    + 4,15 %
                                                   Belgien - 0,36 %                                                       Rumänien       + 3,62 %
                                           Deutschland - 0,34 %                                                           Ungarn + 3,30 %
                                              Österreich - 0,28 %                                                    Litauen    + 3,09 %
                                          Großbritannien - 0,27 %                                         Slowakei     + 2,49 %

                                                                                                           Die wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung
Preisschwankungen die Basis für eine solche gesamtwirt-                                                          einer EU-Mitgliedschaft lässt sich nicht
schaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung abgeben soll.                                                              beziffern, der Finanzsaldo hingegen schon
    Dennoch gelang es niemandem in der EU, den Briten-
rabatt wieder abzuschaffen, auch nicht, als Großbritannien
wirtschaftlich zu den anderen Industrieländern aufschloss                          namik. Obwohl die GAP der dominante Posten bei den Aus-
und die Regierung zu Labour wechselte. Im Jahr 1985 wur-                           gaben blieb, rückte die Agrarpolitik in den Hintergrund.
de nicht etwa das Verfahren zur Berechnung des Beitrags                            Gestritten wurde nun über Reformen für die ganze, ständig
angepasst, um den Rabatt auszugleichen, sondern er wurde                           wachsende EU, nicht mehr über den Britenrabatt.
und wird Jahr für Jahr auf jedes EU-Mitglied umgelegt, auch                            Für die 13 „neuen“ Länder der EU-Erweiterungen seit
auf die neuesten und ärmsten. 1985 begann er bei einer                             2004 hingegen hat die GAP ihre Bedeutung behalten, denn
Milliarde Euro und erreichte 2001 – auch durch Nachzah-                            fast alle gehören zu den Nettoempfängern der EU-Agrar-
lungen – einen Höchststand von 7,3 Milliarden Euro. 2017                           politik. Selbst die gegenüber Brüssel besonders kritischen
lag der summierte Preisnachlass seit 1985 bei 129 Milliar-                         Regierungen können sich einen Verzicht darauf nicht leis-
den Euro. Mit dem Brexit wird sich allerdings auch der Bri-                        ten; beide Seiten wissen das. Für Polen geht es nach einem
tenrabatt erledigen.                                                               Entwurf der Kommission für die Haushaltsrunde 2021 bis
    Auch Deutschland, Frankreich und Italien sind große                            2027 um insgesamt 30,6 Milliarden Euro, für das viel kleine-
Nettozahler und überweisen mehr an die EU, als sie zurück-                         re Ungarn sind es immerhin 11,7 Milliarden.
bekommen. Wenn sich eines dieser Länder nach dem bri-                                  Ihre Investitionszuschüsse an polnische und ungarische
tischen Vorbild verhalten und nur auf den eigenen Vorteil                          Unternehmen – im Umfang ähnlich wichtig wie die GAP-Gel-
gesetzt hätte, wäre es mit dem Projekt der europäischen                            der – will die Kommission um ein Viertel reduzieren. Künftig
Integration schnell vorbei gewesen. Dass der Streit nicht                          soll auch die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen
weiter um sich griff, lag ironischerweise ebenfalls an der                         ein Kriterium für diese Fördermittel sein. Anders als diese
Agrarpolitik. Zu Beginn der 1980er-Jahre galt die EG-Land-                         Zuschüsse sind die Agrarzahlungen an Polen und Ungarn
wirtschaft durch Marktverzerrungen und Überproduktion                              nicht gefährdet. Die GAP gilt in der in der gesamten Union
als Fass ohne Boden. Diese Dauerkrise ging über Thatchers                          gleichermaßen und bleibt eine stabile Einnahmequelle. So
Rabatt weit hinaus. Neue Integrationsprojekte wie der Bin-                         hilft nun ausgerechnet der traditionellste Sektor der EU,
nenmarkt, die Gemeinschaftswährung und die Förderung                               die Finanzierung der Landwirtschaft, besonders viel beim
der Infrastruktur durch die EU sorgten für eine positive Dy-                       Kampf gegen die politische Erosion der Union.

                                                                                                                                                    AGRAR-ATLAS 2019                     17
DIREKTZAHLUNGEN

     VIEL GELD FÜR WENIG LEISTUNG
     Die EU-Kommission will, dass Direkt-                                                                     Menge, beispielsweise pro Tonne Weizen oder pro Liter
     zahlungen an Agrarbetriebe auch künftig                                                                  Milch, pro Hektar Kulturpflanzen oder pro Stück Vieh. Ent-
     die wichtigste Ausgabe der Agrarpolitik                                                                  koppelte Zahlungen sind an die Anbaufläche gebunden
                                                                                                              und verpflichten die Landwirtinnen und Landwirte nicht
     bleiben. Das meiste Geld kommt aber
                                                                                                              dazu, etwas zu produzieren. Rund 90 Prozent der Direkt-
     nur wenigen und großen Betrieben zugute.                                                                 zahlungen sind entkoppelt. So kann eine Entscheidung,
                                                                                                              was produziert werden soll, allein anhand der erwarteten

     D
           irektzahlungen sind das wichtigste Instrument, um                                                  Erträge erfolgen, denn sie hat keinen Einfluss auf die Höhe
           das Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte                                                      der Zahlungen.
           im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der                                                       Um Direktzahlungen zu erhalten, müssen die Landwir-
     EU zu unterstützen. Sie wurden 1992 eingeführt. Im derzei-                                               tinnen und Landwirte einige Grundregeln beachten, die
     tigen Förderzeitraum 2014 bis 2020 machen die Direktzah-                                                 als „Cross-Compliance-Regeln“ bezeichnet werden. Es han-
     lungen 72 Prozent des gesamten GAP-Budgets aus.                                                          delt sich dabei im Wesentlichen um Vorschriften für den
         Direktzahlungen können grundsätzlich an die Produk-                                                  Umweltschutz, die Lebensmittelsicherheit, die Tier- und
     tion gekoppelt oder von ihr entkoppelt werden. Gekop-                                                    Pflanzengesundheit sowie den Tierschutz. Wer gegen sie
     pelte Direktzahlungen richten sich nach der erzeugten                                                    verstößt, dem können die Gelder gekürzt werden.
                                                                                                                  Im Zuge der GAP-Reform 2013 wurden die Direktzah-
                                                                                                              lungen neu strukturiert. 30 Prozent der Mittel sind seither
                                                                                                              für sogenannte Umweltzahlungen vorgesehen. Wer sie
                                                                                      AGRAR-ATLAS 2019 / EC

        KONZENTRIERTES KASSIEREN
                                                                                                              bekommen will, muss Verpflichtungen eingehen, die Um-
        Anteil der EU-Direktzahlungen, der auf ein Fünftel der Empfänger
        im Land entfällt, in Prozent, 2015                                                                    welt- und Klimaschutz verbessern sollen. Umweltgruppen,
                                                                                                              aber auch der Europäische Rechnungshof kritisieren, dass
               EU-Beitritt bis 1995           EU-Beitritt ab 2004                                             diese Zahlungen ihre Ziele verfehlen. Bauernverbände kla-
                                                                                                              gen hingegen, die Regeln gingen an den Bedürfnissen der
                                                Portugal                  87                                  Betriebe vorbei. Die Kommission will diese Umweltzahlun-
                                              Italien                80                                       gen ab 2021 einstellen. Stattdessen sollen die EU-Mitglieds-
                                         Spanien                  78                                          staaten größere Spielräume für eigene Agrar-Umweltpro-
                                      Dänemark                  75                                            gramme erhalten, die von der EU mitfinanziert werden.
                                     Schweden                73                                               Sofern diese Programme mit ehrgeizigen Zielsetzungen
                              Deutschland                  69                                                 verbunden sind, könnten sie tatsächlich einen größeren
                             Griechenland               68                                                    ökologischen Nutzen bringen.
                         Großbritannien               64                                                          Wie deutlich sich die Direktzahlungen auf das Einkom-
                          Österreich             58
                                                                                                              men der Landwirtinnen und Landwirte auswirken, hängt
                                                                                                              von der Größe und Art des Betriebs ab. Wo die Anbaufläche
                           Belgien             56
                                                                                                              kaum eine Rolle spielt, etwa in der Schweine- und Geflügel-
                             Irland            56
                                                                                                              produktion, ist die Bedeutung gering, auch bei sehr hoher
                          Finnland             55
                                                                                                              Produktivität pro Hektar wie im Wein- und Gartenbau. Im
                        Frankreich            54
                                                                                                              Ackerbau und in der Weidewirtschaft hingegen können
                   Niederlande                54
                                                                                                              die Direktzahlungen durchaus die Einkünfte aus der ei-
                 Luxemburg               48                                                                   gentlichen landwirtschaftlichen Arbeit übersteigen.
                                                      Slowakei                   94                               Da die Betriebe in der EU sehr unterschiedlich groß
                                              Tschechien                    89                                sind, hat sich eine Schieflage ergeben. 80 Prozent der Di-
                                                 Estland                  86                                  rektzahlungen gehen an nur 20 Prozent der Berechtigten.
                                                Ungarn                    85                                  Mehr als 30 Prozent der Gesamtsumme entfallen auf nur
                                           Bulgarien                   84                                     131.000 der insgesamt 6,7 Millionen Betriebe. Diese um-
                                          Rumänien                     84                                     fangreichen Beihilfen für Betriebe, deren Einkommen oh-
                                          Lettland                   80                                       nehin deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt, sind kaum
                                        Kroatien                  77                                          zu rechtfertigen. Zwar hat die Kommission mehrfach eine
                                          Zypern                  77                                          Obergrenze für die Zahlungen gefordert, aber die Vor-
                                          Litauen                 77                                          schläge wurden jedesmal verwässert.
                                          Polen                 74
                                        Malta                72
                              Slowenien               64
                                                                                                              In vielen Ländern kassiert ein Fünftel der Betriebe über
                                                                                                              vier Fünftel der Direktzahlungen. In den neueren
                                                                                                              EU-Ländern ist das Problem noch größer als in den älteren

18   AGRAR-ATLAS 2019
AGRAR-ATLAS 2019 / EC
  ZWISCHEN STILLHALTEPRÄMIE UND ÜBERLEBENSMITTEL
  Verteilung des Budgets der Gemeinsamen Agrarpolitik
  auf die Mitgliedsländer, Vorschlag der EU-Kommission für 2021 bis 2027,
  in Milliarden Euro                                                                                        Finnland 5,6 Estland 1,9
                                                                                      Schweden 6,2

                                                                            Dänemark 6,5                                     Lettland 3,0

                                                                                                                  Litauen 5,1

        Förderung der                                   Niederlande 5,4
                                   Irland 10,0
        ländlichen Entwicklung
                                                       Belgien 3,9                           Polen 30,5
        Direktzahlungen für Flächen
        Marktunterstützung
        bei Preis- und Wetterkrisen                      Luxemburg 0,3
                                                                        Deutschland 41,0            Tschechien 7,7
                                                                                                                   Slowakei 4,4

                                                                                       Österreich 8,1     Ungarn 11,7

                                                                                                                               Rumänien 20,5
                                                                                     Slowenien 1,7

                                                                                                Kroatien 4,5
                                                                                                                   Bulgarien 7,7
           Portugal 8,8                             Frankreich 62,3

                              Spanien 43,8
                                                                            Italien 36,4

                                                                              Malta 0,1                 Griechenland 18,3                      Zypern 0,5

                                                                                                        Wer hat, dem wird gegeben. Frankreichs
    Direktzahlungen kommen auch nicht immer in vollem                                                Landwirtschaft soll auch künftig die größten
Umfang dem Bauern oder der Bäuerin zugute. Rund die                                                         Überweisungen aus Brüssel erhalten
Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU ist
gepachtet. Die Landbesitzer und -besitzerinnen können
einen Gutteil der Subventionen selbst einstreichen, indem                       gebnisse und Ziele gebunden sind. Sie sind ineffektiv, weil
sie einfach die Pacht erhöhen.                                                  sie das grundlegende Problem der niedrigen Einkommen
    Direktzahlungen werden heute mit drei Argumenten                            in einigen Betrieben, nämlich die geringe Produktivität,
gerechtfertigt: Sie sollen niedrige Einkommen von Land-                         nicht angehen. Und sie sind ungerecht, weil ein so großer
wirtinnen und Landwirten aufstocken (obwohl in Wirk-                            Teil an Betriebe geht, deren Einkommen weit über dem
lichkeit vor allem die besser Situierten davon profitieren),                    Durchschnitt im Agrarsektor wie auch in der Gesamtwirt-
sie sollen das Einkommen in einem risikoreichen Umfeld                          schaft liegt.
stabilisieren (obwohl für die Zahlungen egal ist, ob die Ein-
künfte hoch oder gering ausfallen), und sie sollen die höhe-
ren Standards ausgleichen, die die EU-Landwirtinnen und
                                                                                   FREIWILLIG ABHÄNGIG
-Landwirte im Vergleich zur internationalen Konkurrenz
                                                                                   „Gekoppelte Prämien“ für ausgewählte Agrarprodukte,
einhalten müssen (obwohl die Beihilfen ganz unabhängig                             gezielte Direktzahlungen in Millionen Euro pro Jahr, 2017
von zusätzlichen Kosten geleistet werden).
    Im Juni 2018 legte die Kommission dem Europäischen                                          Zuckerrüben         sonstige
Rat und dem Parlament Vorschläge für die GAP ab 2021 zur
Beratung vor. Sie hält an den Direktzahlungen als Haupt-                                                      177 180
                                                                                     Obst und Gemüse        189
element der Unterstützung der Landwirtschaft fest. Es ist
                                                                                                          469             1.713
eine verpasste Gelegenheit, weil diese Beihilfen ineffizient,
                                                                                                                  4.200           Rind- und Kalbfleisch
ineffektiv und ungerecht sind. Sie sind ineffizient, weil sie
                                                                                      Eiweißpflanzen      583
an alle Agrarbetriebe auf der Grundlage der bewirtschaf-
teten Hektar gezahlt werden und nicht an konkrete Er-                                                              889
                                                                                                                                                            AGRAR-ATLAS 2019 / EC

                Eigentlich sollen die „gekoppelten Prämien“                                                                    Milch, Milchprodukte
                                                                                     Schaf- und Ziegenfleisch
   Agrarbranchen in Not helfen. Oft werden sie trotz Auflagen
       ausgenutzt, um einfach so weiterzumachen wie bisher

                                                                                                                                               AGRAR-ATLAS 2019                     19
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