Den Wandel gemeinsam gestalten - Digitalisierung als Bewährungsfeld für HR Business Partner - Uni Trier

 
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Den Wandel gemeinsam gestalten - Digitalisierung als Bewährungsfeld für HR Business Partner - Uni Trier
38   SCHWERPUNKT P A R T N E R F Ü R D A S B U S I N E S S ?

     Den Wandel gemeinsam gestalten
     Digitalisierung als Bewährungsfeld
     für HR Business Partner
     Mit der digitalen Transformation ver­
     ändern sich Wertschöpfungsprozesse
     in Unternehmen und in globalen Supply
     Chains. Durch eine umfassende Vernet-
     zung und dauernde Verfügbarkeit von
     Daten kann die Arbeitsorganisation
     fle­xibler gestaltet und bedarfsgerecht
     gesteuert werden. Das Projekt Digitalisiertes
     Ideen- und Arbeitsmanagement in Produk-
     tion, Logistik und Handel (DIAMANT) an
     der Universität Trier, zeigt, wie sich die
     Arbeitsorganisation zukunftsfest aus­richten
     lässt – damit HR seine Partnerrolle
     betonen kann.
                                                               PERSONALFÜHRUNG 3/2019
Den Wandel gemeinsam gestalten - Digitalisierung als Bewährungsfeld für HR Business Partner - Uni Trier
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PERSONALFÜHRUNG 3/2019
Den Wandel gemeinsam gestalten - Digitalisierung als Bewährungsfeld für HR Business Partner - Uni Trier
40 SCHWERPUNKT P A R T N E R F Ü R D A S B U S I N E S S ?

   M
            enschliche Arbeit verändert sich in     selbstbestimmtere und flexiblere Arbeits-    Die Veränderungen können zu neuen For-
            Richtung überwachender Tätigkei-        gestaltung realisiert wird.                  men der Belastung aufgrund der Digitali-
            ten, was mit einer Verschiebung                                                      sierung und zu neuartigen Beanspruchun-
    der Arbeitsanforderungen einhergeht (Ru-         Es kann jedoch auch zu einer psychischen    gen der Mitarbeitenden und Führungskräf-
    iner / Wilkesmann 2016). Beispielsweise          Belastung der Mitarbeitenden kommen,        te führen. Um diesen positiv entgegenzu-
    werden im Produktionskontext Prozess-            wenn neue Kompetenzen gefordert sind        wirken, können Mitarbeitende von Beginn
    überwachungen mithilfe digitaler Monito-         und entwickelt werden müssen, die gestei-   an in die Digitalisierungsprozesse der Ar-
    ringsysteme realisiert. In Transport und         gerte Transparenz zur lückenlosen Nach-     beitsplätze eingebunden und ihre persön-
                                                                  vollziehbarkeit von Hand-      lichen Kompetenzen gestärkt werden (Apt /
    DIE AUTORINNEN
                                                                  lungen beiträgt und zu ei-     Bovenschulte / Hartmann / Wischmann
                            JPROF. DR. CAROLINE RUINER ▶
                                                                  nem erhöhten Arbeitsdruck      2016; DGB-Index Gute Arbeit 2016).
                            Juniorprofessorin für Soziologie
                            mit dem Schwerpunkt Arbeits-          führt. Diese Veränderungen     Hierbei von zentraler Bedeutung ist die
                            und Organisationssoziologie an        der Arbeitswelt führen zu      Selbstorganisation der Mitarbeitenden.
                            der Universität Trier                 neuen Herausforderungen in
                            ▶ ruiner@uni-trier.de
                                                                  der Arbeitsorganisation und    SELBSTORGANISATION
                                                                  ‑gestaltung und werden zum     DER MITARBEITENDEN
                                                                  Bewährungsfeld für das Hu-
                            CHRISTINA DEBBING, B. A. ▶            man Resource Management        Mit der digitalen Transformation einher
                            Wissenschaftliche Hilfskraft an       (HRM) in Unternehmen.          geht eine Auflösung von Strukturen und
                            der Juniorprofessur für Soziologie
                            mit dem Schwerpunkt Arbeits-
                                                                                                 Erweiterung von Handlungs- und Gestal-
                            und Organisationssoziologie an       NEUE CHANCEN,                   tungsmöglichkeiten (Genner / Probst / Hu-
                            der Universität Trier                NEUE BELASTUNGEN                ber / Werkmann-Karcher / Gundrum /
                                                                                                 Majkovic 2017). In diesem Zusammen-
                                                                Gleichermaßen ist das HRM        hang kommt es zu erhöhten Einflussmög-
                              MARTINA SCHAPER, M. SC. ▶
                                                                selbst von Digitalisierung be-   lichkeiten, zu einer veränderten Messung
                              Wissenschaftliche Mitarbeiterin   troffen: erstens die Personal-   von Arbeitserfolg und Leistung, und es be-
                              im Fachgebiet für Personalwesen / auswahl, zweitens die Perso-     darf einer Veränderung der Kompetenz-
                              -psychologie an der
                                                                nalentwicklung und drittens      profile der Beschäftigtengruppen (Schwarz-
                              Universität Bremen
                                                                die Ausgestaltung der Arbeits-   müller / Brosi / Welpe 2016). Es werden
                                                                plätze. Veränderungen im         verstärkte Lern-, Qualifikations- und Fle-
                                                                Rahmen der Personalauswahl       xibilitätsanforderungen sowie ein erhöhtes
                                                                sind beispielsweise das E-Re-    Maß an Selbstorganisation erforderlich,
                              PROF. DR. VERA HAGEMANN ▶
                                                                cruiting, in dem selbstlernen-   welches Ambiguitätstoleranz, Umgang mit
                              Professorin für Personalwesen /
                              -psychologie im Fachbereich       de Algorithmen zentrale In-      Unsicherheiten, Entscheidungskompetenz
                              Wirtschaftswissenschaft an der    formationen der Bewerben-        und Resilienz bei den Beschäftigten voraus­
                              Universität Bremen                den analysieren und zu einem     setzt.
                                                                Gutachten zusammenfügen,
                                                                Onlineassessments oder der       Selbstorganisation als Kompetenz befähigt
                                                                Einsatz von Sprachanalysesoft-   dazu, Zeit und Energie im Sinne von Be-
                                                                ware zur Einschätzung der        lastungsfähigkeit und Effizienz einzusetzen.
    Logistik werden Anforderungen der Kund- Persönlichkeit der Bewerbenden. Für die              Denn eine Person, welche fähig ist, Arbeit
    schaft unter anderem aus Onlinebestellun- Personalentwicklung werden das E-Coa-              zeitlich gut zu strukturieren, vermindert
    gen im Handel in Echtzeit übermittelt („dy- ching (Kluge / Hagemann 2016) oder auch          die Gefahr von Überlastung und erhöht
    namic picking / routing“). Dabei kommt Training mithilfe von Augmented oder Vir-             die Effizienz ihrer Arbeitsschritte. Gleich-
    es zu einer zeitlichen Verdichtung des ope- tual Reality relevant. Am Arbeitsplatz selbst    zeitig ist die Fähigkeit der Mitarbeitenden,
    rativen Geschehens. Für Mitarbeitende verändert sich die Art und Weise der Füh-              sich selbst zu organisieren, für die Unter-
    kann die Digitalisierung in der Folge mit rung, etwa durch eine räumliche Distanz,           nehmen im Umgang mit Herausforderun-
    einer Erleichterung ihrer physischen und sodass zum Beispiel mehr Selbstführung              gen wie Agilität und Flexibilisierung von
    kognitiven Tätigkeiten einhergehen, indem und Selbstorganisation von den Mitarbei-           hohem Wert. Weiterhin wird diese Kom-
    eine Entlastung durch bessere Planbarkeit, tenden verlangt wird.                             petenz benötigt, um die Weiterentwick-

                                                                                                                      PERSONALFÜHRUNG 3/2019
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lung der Mitarbeitenden zu gewährleisten          sowie der Unterscheidung in gering- versus        ternehmen bedingen, sodass sich die ge-
und somit das lebenslange Lernen zu un-           hochqualifizierte Tätigkeiten auftreten.          meinsamen Erwartungen der Gruppenmit-
terstützen.                                                                                         glieder zu typischen und erwünschten Ak-
                                                  Im Zuge der Digitalisierung trägt die ge-         tivitäten beziehungsweise Verhaltenswei-
ZUSÄTZLICHE HANDLUNGS-                            steigerte Transparenz zur lückenlosen Nach-       sen am Arbeitsplatz wandeln.
UND GESTALTUNGSSPIELRÄUME                         vollziehbarkeit der Leistungen bei. Dies
                                                  kann zu einem erhöhten Arbeitsdruck füh-          Grundsätzlich ist die Gestaltung der Ar-
Gleichermaßen verändern sich die Arbeits-         ren, da Führungskräfte das Arbeitshandeln         beitsbedingungen nicht zu trennen von den
beziehungen zwischen Mensch und Technik           kontrollieren und gezielt in die Arbeitspro-      jeweiligen Führungskulturen in Unterneh-
                                                                                                    men. Für eine Veränderung der Arbeitsge-
                                                                                                    staltung hin zur Selbstorganisation ist eben-
                                                                                                    falls eine Berücksichtigung der Führungs-
                                                                                                    kultur erforderlich, um ein durch die Di-
                                                                                                    gitalisierungsprozesse ermöglichtes autono-
                                                                                                    meres und ganzheitlicheres Arbeiten in
                                                                                                    selbstverantwortlichen Teams zu fördern.
                                                                                                    An dieser Stelle setzt das folgende For-
                                                                                                    schungsprojekt an, welches seit November
                                                                                                    2018 für drei Jahre vom Bundesministeri-
                                                                                                    um für Arbeit und Soziales im Rahmen
                                                                                                    der Initiative Neue Qualität der Arbeit
                                                                                                    (INQA) gefördert wird.

                                                                                                    PROJEKT DIAMANT: AUFBAU
                                                                                                    DIGITALER KOMPETENZ

                                                                                                    Das Projekt Digitalisiertes Ideen- und Ar-
Im Rahmen von Lern- und Experimentierräumen werden in den beteiligten Unternehmen innovative,
                                                                                                    beitsmanagement in Produktion, Logistik
passgenaue und konsensuale Digitalisierungsstrategien für wertschöpfungsrelevante Prozesse entwi-
ckelt und deren Umsetzung im betrieblichen Alltag begleitet.                                        und Handel (DIAMANT) hat seinen Ur-
                                                                                                    sprung in der beschriebenen Beobachtung
sowie zwischen Mitarbeitenden und Füh-            zesse eingreifen können. Im Ergebnis kann         einer digitalen Transformation und ihren
rungskräften. Flachere Hierarchien und er-        die Digitalisierung sowohl die Überwa-            Auswirkungen auf die Mitarbeitenden und
höhte Partizipationsmöglichkeiten führen          chung und Kontrolle von Mitarbeitenden            Führungskräfte. Bislang findet die Digita-
dazu, dass die Mitarbeitenden Handlungs-          ermöglichen als auch deren Autonomie              lisierung in Unternehmen in der Regel als
und Gestaltungsspielräume erhalten, in de-        und Selbstorganisation stärken. So erhal-         Top-down-Prozess, initiiert durch Führungs-
ren Rahmen sie eigenständig und autonom,          ten die Mitarbeitenden einerseits die Mög-        kräfte, statt. Die Akzeptanz neuer Techno-
aber auch loyal im Sinne des Unternehmens         lichkeit der Selbstorganisation, weil die Ver-    logien im Arbeitsprozess ist jedoch größer,
entscheiden sollen. Eine Voraussetzung für        antwortung delegiert und Tätigkeiten nicht        wenn die Organisationskultur so gestaltet
die Selbstorganisation ist die intrinsische Mo-   mehr kontrolliert werden, andererseits wer-       ist, dass die Mitarbeitenden am Verände-
tivation. Auf Grundlage der Self-Determi-         den die Ergebnisse des Arbeitshandelns von        rungsprozess teilhaben und die Herausfor-
nation Theory (Ryan / Deci 2000) kann da-         außen bewertet (Ruiner / Wilkesmann               derungen der Transformation partnerschaft-
von ausgegangen werden, dass die intrinsi-        2016). Daher impliziert die Selbstorgani-         lich von Unternehmen und Beschäftigten
sche Motivation und das Wohlbefinden der          sation nicht nur eine Befähigung der Mit-         getragen und gestaltet werden (BMAS 2017).
Mitarbeitenden steigen, wenn die zentralen        arbeitenden, sondern fordert sie gleicher-
menschlichen Bedürfnisse nach Autonomie,          maßen und verändert das Verhältnis der            Im Projekt werden entsprechend Optionen
Kompetenz und Anerkennung beziehungs-             Mitarbeitenden zu ihrer Arbeit, zu ihren          für die innovative Organisation und Gestal-
weise menschlicher Verbundenheit erfüllt          Führungskräften aber auch zum Arbeits-            tung des Ideen- und Arbeitsmanagements
sind. Wechselwirkungen können in Zusam-           markt (Voß / Pongratz 1998). Im Ergeb-            in digitalisierten Arbeitssystemen aufgezeigt
menhang mit den Persönlichkeitseigenschaf-        nis kann das auch eine Veränderung der            und umgesetzt. Das Konsortium ist praxis­
ten (bspw. Neurotizismus oder Dominanz)           sozialen Normen in Gruppen und im Un-             orientiert und interdisziplinär zusammen-

PERSONALFÜHRUNG 3/2019
42   SCHWERPUNKT P A R T N E R F Ü R D A S B U S I N E S S ?

     gestellt. Es besteht aus Unternehmen aus            einbezogen (Abb.). Je Unternehmen wird         generiert werden als im Fall traditioneller
     Produktion, Logistik und Handel, die be-            ein wertschöpfungsrelevanter Prozess opti-     schriftlicher Verfahren (Kontinuierlicher
     reits erste Erfahrungen in der Digitalisie-         miert. Das Leitprinzip ist die Einbindung      Verbesserungsprozess / KVP, Betriebliches
     rung ihrer Arbeitsprozesse gesammelt ha-            der verschiedenen Ebenen, um Entschei-         Vorschlagswesen / BVW), da die Hemm-
     ben, Expertinnen und Experten der Ar-               dungen nach dem Bottom-up-Prinzip mit-         schwelle zur Partizipation niedriger sein
     beitssoziologie und ‑psychologie zur Ar-            gestalten zu können und die Möglichkeit        dürfte. Zentrale Faktoren sind eine offene
     beitsorganisation und Arbeitsgestaltung, der        zu geben, eigene Ideen einzubringen und        und auf Vertrauen basierende Führungskul-
     Erarbeitung und Umsetzung von Digitali-             Digitalisierung im Unternehmen aktiv mit-      tur, welche die Eigeninitiative, Verantwor-
     sierungsprozessen in Unternehmen sowie              zugestalten.                                   tung und Selbstführung der Mitarbeiten-
     für Logistikprozesse und für den Transfer                                                          den fördert. Eine aktive, engagierte und mo-
     von Veränderungen in Organisationen                 Neben der Prozessoptimierung und An-           tivierte Beteiligung aller Mitarbeitenden ist
     (s. diamant.digital).                               passung der Arbeitsorganisation wird die       erfolgskritisch, genauso wie die Akzeptanz
                                                         Kompetenzentwicklung durch ein E-Coa-          des Ideenmanagements. Schließlich wird
      MITARBEITER WERDEN EINBEZOGEN                      ching-System für Mitarbeitende und Füh-        die Güte der vorgenommenen Anpassun-
      Vorgehen im Projekt                                rungskräfte gefördert. Es handelt sich hier-   gen ex ante und ex post mit einem im Pro-
      Digitalisiertes Ideen- und Arbeitsmanagement       bei um eine Form der digitalen Personal-       jekt neu entwickelten Instrument zur Mes-
      in Produktion, Logistik und Handel (DIAMANT)
                                                         entwicklung, die auf die spezifischen Be-      sung psychischer Belastung und Beanspru-
                 INSTRUMENTENTWICKLUNG
                                                         lange der Unternehmen und Bedarfe der          chung (Stichwort „Gefährdungsbeurteilung /
                                                         Mitarbeitenden abgestimmt ist. Es wird in      Risk Assessment“, DIN EN ISO 10.075)
                       IM UNTERNEHMEN
                                                         enger Abstimmung aller Beteiligten, das        in digitalisierten Arbeitssystemen gemessen.
                       Prozessanalyse und                heißt der Mitarbeitenden, Betriebsräte und
                     Digitalisierungsstrategie
                                                         Führungskräfte, wissenschaftlich ausgear-      UNTERNEHMEN AUF DREI LINIEN
                       Risk Assessment I                 beitet. Das System soll dazu beitragen, so-
                     (DIN EN ISO 10.075) t0
                                                         wohl den Umgang mit den digitalen Ar-          Die drei beteiligten Unternehmen lassen
              Begleitung von Prozessoptimierung
                 und Kompetenzentwiciklung
                                                         beitsprozessen als auch die Zusammenar-        sich auf drei Linien anordnen: hinsichtlich der
                                                         beit im Team und die Führungsbeziehung         Position im Produktionsprozess, des Digi-
                  Workshops zu Führung,
               Kooperation und Selbststeuerung           zu entwickeln.                                 talisierungsstatus sowie des Qualifikations-
                                                                                                        grads der Mitarbeitenden, die von Digi­
               Digitalisiertes Ideenmanagement           Es unterstützt die Ausgestaltung und Um-       talisierung betroffen sind. Verbinden lassen
                                                         setzung eines an den Mitarbeitenden ori-       sich die Unternehmen hinsichtlich ihres Sta-
                   E-Coaching-System für
               Beschäftigte und Führungskräfte           entierten Führungsstils, welcher aufgrund      tus im Konstruktionsprozess des Anlagebaus
                       Risk Assessment II
                                                         der erhöhten Strukturierung und digitalen      über die Produktion hin zu Logistikprozes-
                     (DIN EN ISO 10.075) t1              Steuerung der Arbeitsprozesse wichtiger        sen im Handel. Dabei haben die Unterneh-
                                                         wird als zuvor. Gleichzeitig werden die        men unterschiedliche Status ihrer Digitali-
      Quelle: Klumpp et al. 2018                  Abb.   Führungskräfte dahingehend geschult, ein       sierungsprozesse. Diese reichen von der Digi­
                                                         gesundheitsförderliches Führungsverhalten      talisierung papierbasierter Vorgänge, über
                                                         zu entwickeln. Im Zentrum stehen die Stär-     die Modifizierung digitaler Prozesse bis hin
     ALLE ENTSCHEIDUNGSEBENEN                            kung der Selbstwirksamkeit der Mitarbei-       zur Verbesserung der Arbeitsgestaltung im
     EINBEZIEHEN                                         tenden, die Sicherung von Erfahrungswis-       Kontext einer Smart Factory. Schließlich
                                                         sen und die Schaffung einer Plattform für      unterscheidet sich der Qualifikationsgrad
     Im Rahmen von Lern- und Experimentier-              weitere, nachhaltige Lernmöglichkeiten.        der von Digitalisierung betroffenen Mitar-
     räumen werden in den beteiligten Unter-             Darüber hinaus wird ein digitalisiertes Ide-   beitenden. In den verschiedenen Lern- und
     nehmen innovative, passgenaue und kon-              enmanagement eingeführt, um systema-           Experimentierräumen werden sowohl hoch-
     sensuale Digitalisierungsstrategien für wert-       tisch und kontinuierlich die Perspektive       qualifizierte Wissensarbeiterinnen und Wis-
     schöpfungsrelevante Prozesse entwickelt             der Mitarbeitenden für die Veränderungs-       sensarbeiter, qualifizierte Fachkräfte als auch
     und deren Umsetzung im betrieblichen All-           prozesse einzuholen. Das digitalisierte Ide-   Einfacharbeiterinnen und Einfacharbeiter
     tag begleitet. Hierbei werden Mitarbeiten-          enmanagement soll dazu dienen, die direk-      begleitet.
     de, Betriebsräte sowie Führungskräfte in ei-        te Partizipation der Mitarbeitenden nach-
     nem integrierten Projektansatz aktiv in die         haltig zu fördern und von ihnen zu lernen.     Die bisherigen Erfahrungen der Partnerun-
     Entwicklung digitaler Gestaltungslösungen           Über digitale Kanäle können mehr Ideen         ternehmen unterscheiden sich nicht von de-

                                                                                                                              PERSONALFÜHRUNG 3/2019
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nen anderer Unternehmen. Meist wird in            schen Belastungen in digitalisierten Arbeits-   tivität von KMU als Arbeitgeber gesteigert
technische Innovationen investiert, die im        kontexten in Erfahrung gebracht, um die-        werden, die affektive und normative Bin-
Unternehmen implementiert werden. Die             sen präventiv entgegenwirken zu können.         dung der Mitarbeitenden an Unternehmen
Berücksichtigung der Mitarbeitenden ist           Insbesondere durch das entwickelte, ein-        erhöhen und zur Akquise von neuen Be-
jedoch erfolgskritisch, wenn es um die Adop­      fach anzuwendende Risk-Assessment-In­           schäftigten beitragen. Dazu wird zum ei-
tion, das heißt die Nutzung neuer Tech-           strument können im Rahmen einer Ge-             nen ein Methodenbaukasten zur digitalen
nik geht. Hierzu wird in unterschiedlichem        fährdungsbeurteilung branchenübergrei-          Arbeit speziell für KMU entwickelt, und
Maße informiert, und die Mitarbeitenden           fend Belastungen und Beanspruchung mess-        zum anderen dienen die im Projekt imple-
werden in unterschiedlichem Maße auf die          bar gemacht werden. Auf dieser Basis kann       mentierten Lösungen als Benchmark und
neue Arbeitsorganisation geschult. Die Ein-       der Einsatz neuer Technologien im Arbeits-      Beispiel gerade für KMU, um Hemm-
bindung der Mitarbeitenden ist für die ef-        kontext so gestaltet werden, dass eine „Hu-     schwellen und Hürden in der Projektie-
fiziente Nutzung von Neuerungen im Ar-            manisierung der Arbeit“ im 21. Jahrhun-         rung von Digitalisierungsschritten bei Füh-
beitsalltag zentral, da hierüber nicht nur        dert realisiert und zukunftsfähige Konzep-      rungskräften und Mitarbeitenden abzubau-
darauf hingewirkt werden kann, dass die           te erprobt werden, um Arbeit gesund, si-        en und die Arbeit von HR in sich wan-
Technologien wie intendiert genutzt wer-          cher und motivierend zu gestalten.              delnden Arbeitskontexten zu stärken. •
den und die Arbeitsbelastung reduziert
wird. Auch die Perspektive und die Ideen          Alle Ergebnisse sollen grundsätzlich auf
                                                                                                  Literatur
der Mitarbeitenden können wertvoll für            Dritte (Unternehmen und Institutionen)
das Unternehmen sein.                             übertragbar sein, da eine hohe Bedeutung        Apt, W. / Bovenschulte, M. / Hartmann, E. A. /
                                                                                                     Wischmann, S. (2016): Forschungsbericht,
                                                  und Aufmerksamkeit digitaler Transforma-           in: BMAS (Hg.): Foresight – Studie „Digitale
Häufig gibt es in Unternehmen bereits ein         tionsprozesse beobachtet werden kann, die          Arbeitswelt“, Berlin
betriebliches Verbesserungswesen oder ver-        auf einen Großteil der KMU in Produkti-         BMAS (2017): Weißbuch. Arbeit 4.0., Berlin
gleichbares Konzept. Die Erfahrungen, die         on, Logistik und Handel zutrifft und da-        DGB-Index Gute Arbeit (2016): DGB-Index Gute
in dem Zusammenhang des Öfteren ge-               mit einen signifikanten Anteil der Unter-         Arbeit – Der Report 2016. Wie die Beschäftig-
                                                                                                    ten die Arbeitsbedingungen in Deutschland be-
macht werden, sind, dass die Umsetzung            nehmen in Deutschland erreicht. Auch
                                                                                                    urteilen, Berlin
einschläft und mit der Zeit weniger Ideen         wenn konkrete Maßnahmen in den betei-
                                                                                                  Genner, S. / Probst, L. / Huber, R. / Werkmann-
eingereicht werden. Um dies zu vermei-            ligten Unternehmen den zentralen Ansatz-           Karcher, B. / Gundrum, E. / Majkovic, A.-L.
den, setzt das digitalisierte Ideenmanage-        punkt bilden, stellt der Fokus auf arbeits-        (2017): IAP Studie 2017. Der Mensch in der
ment auf einer hohen Transparenz des Pro-         organisatorische, ‑psychologische und ‑so-         Arbeitswelt 4.0, Zürich
                                                                                                  Kluge, A. / Hagemann, V. (2016): Neue und Sozi-
zesses hinsichtlich des Status der eingereich-    ziologische Aspekte eine hohe Generalisier-
                                                                                                     ale Medien in der Fertigung und der Personal-
ten Ideen sowie der angelegten Auswahl-           barkeit der Projektergebnisse sicher. Erar-        entwicklung – am Beispiel von Industrie 4.0
kriterien und getroffenen Entscheidungen          beitet werden transferfähige Lösungsansät-         und E-Coaching aus Sicht der AO-Psychologie,
an und wird auf einer App jederzeit für die       ze, die sich insbesondere auf die Gestaltung       in: Wirtschaftspsychologie, 18 (1), 5-21

Mitarbeitenden verfügbar sein, sodass diese       der innerbetrieblichen Kooperation von          Klumpp, M. / Hagemann, V. / Ruiner, C. / Neu-
                                                                                                     kirchen, T. / Hesenius, M. (2018): Arbeitswel-
selbstorganisiert und flexibel ihre Vorschläge    Mitarbeitenden, Betriebsräten und Füh-             ten der Logistik im Wandel – Gestaltung digi-
beisteuern können. Hierüber sollen die Per-       rungskräften sowie die Einbindung und              talisierter Arbeit im Kontext des Internet der
spektive der Mitarbeitenden auf Verände-          Partizipation von Mitarbeitenden bei der           Dinge und von Industrie 4.0, in: Hermeier,
                                                                                                     B. / Heupel, T , Fichtner‐Rosada, S. (Hg.): Ar-
rungsprozesse eingeholt und die Möglichkeit       Gestaltung von Digitalisierungsprozessen           beitswelten der Zukunft, Wiesbaden, 67-85
gegeben werden, Digitalisierungsprozesse          beziehen.                                       Ruiner, C. / Wilkesmann, M. (2016): Arbeits- und
mitzugestalten.                                                                                      Industriesoziologie, Paderborn
                                                  Neben dem entwickelten digitalisierten Ide-     Ryan, R. M. / Deci, E. L. (2000): Self-determinati-
FAZIT UND AUSBLICK                                enmanagement kann auch das E-Coaching-             on theory and the facilitation of intrinsic moti-
                                                                                                     vation, social development, and wellbeing, in:
                                                  System für die Kompetenzentwicklung der
                                                                                                     American Psychologist, 55 (1), 68-78
Die Auseinandersetzung mit dem Wandel             Mitarbeitenden und Führungskräfte zur
                                                                                                  Schwarzmüller, T. / Brosi, P. / Welpe, I. M.
von Arbeitsanforderungen und Arbeitsor-           Ausrichtung auf die Anforderungen digi-            (2016): Digital Work Design – Wie die Digita-
ganisation durch die digitale Transforma-         talisierter Arbeitskontexte Anwendung fin-         lisierung Geschäftsmodelle, Arbeit und Füh-
tion zeigt beispielhaft auf, wie facettenreich,   den. Durch die Maßnahmen zur Gestal-               rung verändert, München

aber auch tiefreichend diese Veränderun-          tung der Arbeitsbeziehungen und Verbes-         Voß, G.-G. / Pongratz, H. J. (1998): Der Arbeits-
                                                                                                     kraftunternehmer. Eine neue Grundform der
gen sind. Im Zuge des Projekts DIAMANT            serung der Arbeitsbedingungen in digita-           Ware Arbeitskraft?, in: Kölner Zeitschrift für So-
wird mehr über die Ursachen von psychi-           lisierten Arbeitskontexten kann die Attrak-        ziologie und Sozialpsychologie, 50 (1), 131-158

PERSONALFÜHRUNG 3/2019
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