Der Bote - Historischer Verein Herne ...
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:: Zeitschrift des Historischen Vereins Herne / Wanne-Eickel e. V. :: Der Bote April 2020 3. Jahrgang - Nummer 9 April 2020 Das Bahnbetriebswerk Wanne-Eickel Hbf in den 1950er Jahren Das Leben in der Kolonie der Zeche Friedrich der Große 3/4 Der Engel von Sodingen
Die neunte Ausgabe Editorial Nun liebe Leser_innen, vor euch liegt die neunte Ausgabe des Boten. Auch in diesem Jahr versuchen wir, die vier Ausgaben in gewohntem Umfang herauszubringen. Wir haben schon wieder viele neue Ideen und Geschichte rund um unsere schöne Stadt und darüber hinaus auf Lager. Lasst euch über- raschen. Als neue Rubrik haben wir, wie das Titelfoto schon zeigt, die Eisen- bahngeschichte von Herne in den Fokus genommen. In den nächs- ten Ausgaben möchten wir euch gerne weitere Artikel aus diesem Themenbereich präsentieren. Schnell ist die Anzahl der Artikel erreicht und wir haben mit Platzpro- blemen zu kämpfen, so dass wir, trotz vielfachem Wunsch, immer noch keine Kreuzworträtsel veröffentlichen können. Bleibt mir nur noch, euch viel Spaß beim Lesen und Blättern zu wün- schen und mich schon jetzt für eure Mithilfe zu bedanken. Euer Redaktionsteam Kontakt: redaktion@hv-her-wan.de Schillerstraße 18 44623 Herne Fon: (0 23 23) 1 89 81 87 Fax: (0 23 23) 1 89 31 45 Heinrich Andreas Anna-Maria Thorsten Gerd E. Michael Friedhelm Anton Janik Penitzka Schmidt Schug Thomasen Wessel Behrendt 2 Der Bote im April 2020
Inhalt 02 Editorial 23 Termine Das Team hinter dieser Ausgabe 24 Buchvorstellung 04 Musik aus und über Herne Von Friedhelm Wessel Von Friedhelm Wessel 25 Neuigkeiten aus dem Verein 05 Drehs zwischen Oberhausen und Hagen 26 »Reiseführer« die Royal Air Force Leidenschaftlicher Aquarellist: erläutert Herner Ziele. Helmut Manfreda Von Andreas Janik Von Friedhelm Wessel 31 Brücken 06 Das Leben in der Kolonie der Zeche Friedrich der Große 3/4 32 Historische Klassenfotos Von Heinrich Anton Behrendt Zusendungen aus unserer Leserschaft 09 Tausendmal erzählt … Von Friedhelm Wessel 34 Neuigkeiten aus dem Verein 10 Das Bahnbetriebswerk Wanne- 35 Gedanken zur Zeit – Gedanken zurzeit Eickel Hbf in den 1950er Jahren. von Anna-Maria Penitzka Eine Beschreibung des Titelbildes von Michael Thomasen 36 Time.Mix Von Marcus Schubert 13 Einmal Bundesliga … Von Friedhelm Wessel 14 Das Stadtarchiv stellt sich vor: ISG - Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen 16 Der Engel von Sodingen Teil 1. Von Gerd E. Schug 19 Aufnahmeantrag zum Heraustrennen 21 Die Vereinsbibliothek 22 Möchten Sie unsere Arbeit unterstützen? Redaktion: Heinrich Anton Behrendt, Andreas Janik, Anna-Maria (Etliche Fotos sind oftmals nicht mit dem Namen des Fotografen Penitzka, Barbara Rohde, Thorsten Schmidt, Gerd E. Schug, Mi- gekennzeichnet, sodass eine Recherche der Bildrechte in vielen chael Thomasen, Friedhelm Wessel Fällen nicht möglich war. Grundsätzlich haben wir uns darum be- müht, alle Urheberrechte an den veröffentlichten Fotos und Do- Lektorat: Anna-Maria Penitzka, Patricia Schubert kumenten zu klären. Sollte dies in Einzelfällen nicht gelungen sein, bitten wir, sich mit uns in Verbindung zu setzen.) Verantwortlich für den Inhalt: Thorsten Schmidt Wir weisen darauf hin, dass das Urheberrecht an den Artikeln bei Titelbild: Foto von Wolfgang Dembski, Wanne-Eickel Hbf, Bw, den jeweiligen AutorInnen liegt. Verwendung und Abdruck in an- 11. Mai 1968 deren Medien, auch auszugsweise, ist nur mit deren ausdrückli- cher Zustimmung gestattet. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Fotos: Seite 4 - 5: Friedhelm Wessel - Seite 6 - 8: Miele & Cie. die Redaktion. KG | Carl-Miele-Straße 29 | 33332 Gütersloh, Friedhelm Wessel - Seite 9: Friedhelm Wessel - Seite 10 - 11: Lichtbildstelle der ehe- Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, Mühlbachstraße 7, 71522 Backnang maligen Bundesbahndirektion Essen - Seite 12 - 13: Friedhelm Wessel - Seite 15: Foto: ISG - Seite 16: Sammlung Schönstätter Marienschwestern, Neuseeland - Seite 17: Sammlung Gerd E. Schug - Seite 24: Wolfgang Viehweger - Seite 25: Barbara Rohde - Seite 26 - 30: urn:nbn:de:hebis:77-vcol-20056 - Seite 31: Fried- helm Wessel, Thorsten Schmidt - Seite 32 - 33: Sammlungen: Gerd E. Schug, Margret Lohre-Schug, Barbara Rohde - Seite 34: Doris Saisch - Seite 36: Marcus Schubert Der Bote im April 2020 3
Musik aus und über Herne Erwin Weiß 1977 Auf die Frage »Musik aus Herne« fällt den Da wollte »Gottlieb Wendehals« (Polonaise meisten Einheimischen die Antwort nicht Blankenese) nicht nachstehen und nahm den schwer: »Nichts ist so schön, wie der Mond Song »Im Frühstau zu Herne« auf. Hausmeis- von Wanne-Eickel«. Klar, aber es wurde ja ex- ter Anton Klopotek »So sind sie in Herne«, plizit nach Herne gefragt. Kurt Edelhagen »Weiße noch die schöne Zeit in Herne« und (1920 – 1982), Jürgen Marcus (1948 — 2017), »Zwischen Herne und Ruhr« von Michael Lar- Andrea Jürgens (1955 — 2017) »Herne sen folgten. 3« (Immer wieder aufstehn) folgen. Als Band- Gerd T. (Gerd Tratz), ein aus Herne stam- leader eroberte Edelhagen damals die Welt, mender und in Hamburg lebender Medienex- seine Karriere startete der gebürtige Holthau- perte, schrieb seiner Heimatstadt nach dem sener ab 1945 im berühmten »CC« an der Vorbild von Grönemeiers »Bochum« der Stadt Bahnhofstraße. Quasi um die Ecke wuchs Jür- am Kanal einen Song auf den Leib: »Herne«. gen Beumer auf, der ab den 1970er-Jahren mit In die Reihe der Songschreiber und Interpreten »Ein Festival der Liebe« und weiteren Hits aus reiht sich auch Helmut Sanftenschneider (Co- dem Hause von Texter/Komponist Jack White, median/Moderator) mit »Ich wohne so gerne in von der heutigen Glockenstraße — damals Herne« ein. In dieser musikalischen Herne- noch Marienstraße — in die bunte und vielfälti- Reigen dürfen die Rapper aber nicht fehlen. ge deutsche Schlagerwelt startete und sich Erwähnenswert »Alias Titan« mit »Herne, mei- dort jahrelang behauptete. Seine »Nachfolge- ne Stadt« und der gelungene »FC Herne-57- rin« aus Herne: Andrea Jürgens, die sich eben- Song« von M.I.K.I. falls mit ihren Liedern in der Szene durchset- Auch im englischsprachigen Ausland hört zen konnte. man oft den Namen Herne. So schrieb Alexan- »Sing doch endlich mal ain schönet Lied von der James Adams die »Hymne of Herne«. Von Herne«, trällert Revierbarde »Ährwin« Weiß den Promised Childs stammt »Song to Herne«, (1934 — 2008) aus Castrop-Rauxel, der aber während Jenna Green ihr Lied schlicht und ein- noch mit weiteren liebenswerten Songs, den fach »Herne« nannte, denn Ortsname Herne Ruhris aufs Maul schaute. gibt es in der Welt gleich mehrfach. Friedhelm Wessel 4 Der Bote im April 2020
Drehs zwischen Oberhausen und Hagen Nie ohne Kamera. Wenn ich irgendwo im Aufnahmen vom Oberhausener Gasometer, Revier unterwegs bin – eine Kamera habe ich der Haniel-Halde, von den Herner Taubenzüch- immer dabei. Aus alter Gewohnheit. So kam tern Borg, der Zeche Teutoburgia, den Weih- ich aber erst im Frühjahr 2019 auf die Idee, nachtsmärkten in Herne und Hagen, von einem eine Art filmisches Reviertage- Bergmannstreffen in Bochum, buch zu erstellen. Es muss ja einem Auftritt von Dudelsack- nicht unbedingt eine Filmkame- spielern auf dem Börniger Hof ra sein. Auch die heutigen Fo- Große Lahr und dem Besuch toapparate ermöglichen ein gu- eins Bundesligaspiels in Dort- tes digitales Aufzeichnen von mund. Auf erläuternde Kom- Bild und Ton. Diese »Neue- mentar müssen die Zuschauer rung« nutze ich daher oft bei aber verzichten – die Bilder meinen Revierausflügen und und Szenen sollen für sich Touren. Entstanden ist so sprechen. Nur das wohl be- »Ruhrgebiet 2019«. Da ich kanntes Bergmannslied, die 2019 oft in Bottrop und Kirch- Hymne des Revier – unser hellen unterwegs war, um das »Glückauf der Steiger kommt« erste Jahr nach Schließung der - habe ich als Musik in ver- dortigen Schachtanlage Pros- schiedenen Variationen unter- per-Haniel zu filmisch doku- legt. Im nächsten Jahr werde mentieren, steht natürlich der ich diese Reihe fortsetzen, Bergbau mit all seinen Facet- denn im Revier gibt es ja be- ten im Mittelpunkt. So gibt es kanntlich sehr viel zu sehen. Leidenschaftlicher Aquarellist: Helmut Manfreda Auch an seinem Ehrentag wird Helmut Man- da künstlerisch weiter. Arbeitete in verschiede- freda einige Zeit in seinem kleinen Atelier in nen Techniken und Materialien. So schuf er Holthausen verbringen. An seinem Geburtstag unzählige Landschaften, Porträts und Abstrak- sind es aber vermutlich nur wenige Augenbli- tes in Öl, Acryl und Aquarell. In den 1970er- cke, denn die Schar der Gratulanten wird groß Jahren zeichnete der kreative Feuerwehrmann sein. Der bekannte und auch tagesaktuelle Karika- vielseitige Herner Künstler turen für heimische Print- feierte im Januar nämlich medien. Mittlerweile hat sich seinen 80. Geburtstag. Helmut Manfreda aber ganz Schon früh entdeckte der dem Aquarell verschrieben. gelernte Bauhandwerker Im Laufe der vergangenen seine Liebe zur Kunst – er Jahrzehnte beteiligte sich zeichnete und malte. Kurz- der Holthausener, der auch zeitig wechselte der Holt- einige Jahre lang den hausener in die Bauverwal- Kunstverein Schollbrock- tung der Harpener Bergbau haus als Vorsitzender führ- AG. »Einmal musste ich so- te, an unzähligen Gruppen- gar in 1.000 Meter Tiefe in und Einzelausstellungen. einem Schacht von Mont- Auch dem Historischen Cenis arbeiten,« erinnert Verein Herne-Wanne-Eickel sich der Jubilar, der danach gehört der Jubilar an. Hier zur Herner Berufsfeuerwehr ist unter anderem sein Rat wechselte. Dort war er auch als Experte für die heimi- bis zu seiner Pensionierung sche Kunst und Holthausen tätig. Parallel dazu entwi- sehr gefragt. ckelte sich Helmut Manfre- Friedhelm Wessel Der Bote im April 2020 5
Das Leben in der Kolonie der Zeche Friedrich der Große 3/4 von Heinrich Anton Behrendt Nach dem 1. Weltkrieg wur- hier näher beschreiben. Einge- ten »Mutterklotz«. den immer mehr Arbeiter im denk der Tatsache, dass man An jeder Haushälfte war ein Bergbau gebraucht, weshalb den Arbeitern keinen so gro- Stall angebaut, in dem auch es große Werbeaktionen vor ßen Lohn zahlen wollte oder die Plumpstoilette unterge- allem in Ostdeutschland und konnte, sollte Haus, Garten bracht war. Im Stall hielt man in Polen gab. So kamen auch vie- und Stall in der Lage sein auch der Regel ein Schwein, das im le Polen nach Herne-Horst- für die Ernährung zu sorgen. Herbst geschlachtet wurde. hausen. Für die erste Zeit wur- Und man war bei der Planung Außerdem Kaninchen und oft den sie im Ledigenheim unter- sehr sorgfältig, auch die Miete gab es auch einen selbst ge- gebracht, das wir »Bullenklos- war entsprechend niedrig. bauten Hühnerstall. Im geräu- ter« nannten. Aber dann ka- Das Haus bestand aus zwei migen Dachboden brachten men die Familien nach oder Hälften, mit zwei Eingängen einige Bergleute auch ihre die Ledigen fanden die richtige und einem kleinen Hof an jeder Brieftauben unter. Der Garten Frau und alle brauchten eine Seite. Für eine Familie standen war groß genug für den Anbau Wohnung. Schon bald reichten vier Zimmer zur Verfügung, in von Kartoffeln, vielen Gemüse- die Wohnungen für die vielen der Regel als Küche, Wohn- und Obstsorten. Bergleute und ihre Familien zimmer und zwei Schlafzimmer Zusammen mit Fleisch und nicht mehr aus. Die Berg- genutzt. Im Keller befanden Wurst vom Schwein, dem werksgesellschaft baute wegen sich eine Waschküche und ein Fleisch von den Kaninchen der Wohnungsnot in den Kellerraum. Jeder Arbeiter er- und den Eiern von den Hüh- 1920er und 1930er Jahren hielt kostenlos ausreichend nern war man gut versorgt. eine neue Kolonie nahe der Kohlen für den Winter, die au- Margarine, Brot, Zucker, Salz, Zeche Friedrich der Große. Es ßer den Kartoffeln im Keller Mehl usw. holte man sich vom gab Wohnhäuser verschiede- eingebunkert wurden. Die Hei- Kaufmann. ner Größe. Ein Typ stach dabei zung war also kostenlos. Zum Der Obst- und Gemüseh- besonders hervor. Anzünden der Öfen brachte ändler Neugebauer rief immer Diesen Typ, in dem auch ich der Bergmann seiner Frau laut: »Äpfel, Birnen, Tomaten, groß geworden bin, möchte ich Brennholz mit; den sogenann- Erbsen, Wurzeln, Kartoofeln!«, 6 Der Bote im April 2020
mit einem ganz langen »ooo« Ein weiteres zum Schluss. Und wenn dann großes Treiben gab der Gaul seine »Äpfel« fallen es, wenn wir Sau- ließ, dann musste ich diese für erkraut machten. unseren Garten aufsammeln. Dazu konnte man Der Milchmann brachte je- sich eine große den Morgen frische Milch und Reibe ausleihen, die war nicht, wie heute »pas- auf der die Kohl- teurisiert«, oder »länger halt- köpfe über die bar«. Auf einem Teller in den Messer gerieben Keller gestellt gab es Dickmilch wurden. Das gab mit einer gelben Schicht oben riesige Mengen ge- drauf. Darauf noch etwas Zu- schnittenen Kohl. cker, lecker. Versucht das mal Der Kohl wurde heute mit der behandelten dann mit Salz in Milch. einem Holzfass Nicht vergessen wollen wir eingebracht, bis den »Klüngelkerl«, der mit sei- dieses Fass bis nem Wagen durch die Straßen oben gefüllt war. fuhr und auf einer kleinen Dann machte man Blechflöte eine Melodie blies, noch Druck von © Miele & Cie. KG die ich heute noch im Ohr oben, legte eine habe. Alles, was man an Abfall Holzplatte oben drauf und dar- Blutwurst brauchte man gutes hatte oder fand: Lumpen, Ei- auf noch einen Stein. Nach Wissen über die besten Kräu- sen, andere Metalle usw. konn- langer Lagerung war das Sau- ter. Auch die Mettwurst wurde te man ihm bringen und bekam erkraut fertig und wir konnten i m m e r l e c k e r. B e s t i m m t e als Kind dafür ein kleines den ganzen Winter davon le- Wurst, Schinken und Specksei- Spielzeug oder ein paar Pfen- ben. ten mussten geräuchert wer- nige. Ähnlich ging es zu, wenn wir den. Sie kamen danach in Es gab Lebensmittelge- Rübenkraut machten. Die Rü- Stoffsäcke und hingen oben im schäfte, einen Metzgerladen ben mussten klein gehäckselt Flur an der Decke. Ein wun- und eine Wirtschaft »Kasino werden und wurden dann in derbarer Duft zog durch das Stegmann«. Eine Bank gab es einem Kessel gekocht, bis Haus. nicht. War auch nicht nötig, Rübenkraut daraus entstand. Außer kochen und putzen denn die Bergleute bekamen Man musste immer wieder die konnte die Mutter aber auch eine Lohntüte mit ihrem Geld. Masse umrühren und wir Kin- schneidern, stricken, stopfen, Ein großer oder kleiner Teil der halfen dabei. Das reichte häkeln, sticken und Vieles blieb gleich beim Kasino dann für ein Jahr. mehr. Ein alter Mantel vom Stegmann, denn die staubigen Obst wurde oft eingemacht großen Bruder wurde ausein- Kehlen mussten angefeuchtet oder zu Marmelade verarbeitet. ander getrennt auf die andere werden. Mein Vater stellte auch Obst- Seite gedreht und daraus ein Es war schon erstaunlich wein selbst her. Dazu stand ein Mantel für den kleinen Bruder was unsere Väter und Mütter in Weinballon Gärbehälter in der gefertigt. dieser Zeit geleistet haben. Küche in dem es immer ge- Wenn bei uns Waschtag Heute ist alles so einfach. heimnisvoll blubberte. Der so- war, nahm die Arbeit für Mutter Wenn man etwas braucht, geht genannte Beerenwein war be- immer überhand und wir halfen man einkaufen. Das konnte rühmt für den schweren Kopf auch dabei mit. Die Wäsche man sich damals nicht leisten. am nächsten Tag. wurde mit der Hand, Seife und Selbst ist der Mann und selbst Die meisten Einmachgläser Bürste gewaschen. Später hat- ist die Frau war angesagt. Na- brauchte man für das Fleisch ten wir eine hochmoderne türlich mussten die Erzeugnis- vom Schwein, das wurde fertig Waschmaschine. Die arbeitete se des Gartens verarbeitet gegart eingemacht. Man aber nicht mit Strom, sondern werden und einiges wurde brauchte gute Kenntnisse, um mit Wasserdruck. Es war das auch davon für den Winter in die verschiedenen Wurstsorten Modell 40 der Firma Miele. Zu Gläsern eingemacht. zu machen. Für die Leber- und seiner Zeit das Modernste, was Der Bote im April 2020 7
auf dem Markt war. Die Me- Natürlich bekamen wir Kinder (Pneumokoniose), die keine chanik war erstaunlich. Das unsere Haare zuhause mit der lange Lebenserwartung zuließ. Wasser machte Druck auf den Haarschere vom Opa geschnit- Ich habe ein Bild von einem Kolben oben auf der Wasch- ten. Wenn die Schuhe abge- 42jährigen, ehemaligen Berg- maschine, der fuhr also hin latscht waren, dann wurden sie mann vor Augen, wie er alle und her. Das wurde dann in vom Vater besohlt. Aber Schu- paar Schritte an unserem Zaun eine Drehung umgeleitet und he waren nur für Sonntags. stehen blieb und erst wieder die hölzernen Paddel im innern Ansonsten liefen wir im Winter Luft holen musste. Und nicht drehten sich hin und her. So mit Holzschuhen und im Som- lange danach ging der Trauer- wurde die Wäsche hin und her mer barfuss. zug durch unsere Straße. bewegt und kam ganz sauber Alle Schreinerarbeiten Beliebt waren bei uns Kin- heraus. Dann hatten wir eine machte unser Vater selbst. So- dern Spiele mit Knickeln (Mur- kleine Mangel, die ich meistens gar die komplizierteste Ecken- meln). Die aus Ton gebrannten bediente. Die presste das verzahnung hatte er drauf. Kugeln wurden mit der Hand Wasser aus der Wäsche. Auch jede Art von Metallarbeit geschnippt, so dass sie gegen Die großen Wäschestücke kam bei ihm vor. Er konnte einen anderen Knickel stießen wie Bettwäsche, Tischtücher wunderbar löten. Wenn der Va- und diesen in ein Loch beför- usw. kamen zur Mangel. Keine ter etwas zu Hause bastelte, derten. Für das Spiel mit dem Heißmangel wie heute. Stellt brauchte er dazu Material. Peitschendop (Kreisel) benö- Euch einen riesigen Kasten »Das haben wir auf der Zeche tigte man außer dem Dop noch vor, der mit großen Steinen be- zufällig gefunden«, erzählt eine selbst gefertigte Peitsche. lastet war. Den konnte man mit mein Bruder Willi. Wir fuhren Das Band an der Peitsche einer großen Kurbel bedienen. mit dem Leiterwagen (Hand- wurde um den Dop gewickelt Unter dem großen Kasten wa- wagen) zur Zeche und holten und dann mit Schwung gezo- ren große Holzrollen mit einem offiziell Abfallschwarten. Das gen. Dann kreiselte der Peit- langen Tuch drum herum. In war erlaubt, aber unter diesen schendop auf glatter Fläche. dieses Tuch legte man die Wä- Schwarten versteckten wir Holz Weitere Schläge mit der Peit- sche und drehte diese auf die zum Basteln aus der Schreine- sche hielten ihn in Drehung Rolle. Die Rollen kamen unter rei und Eisen aus der Schlos- und man konnte auch Figuren den Kasten und durch die Kur- serei. mit dem bel rollte der riesige Kasten Viele Väter die Übertage tä- D o p m a- Über den Autor: über die Rollen bis die Wäsche tig waren, ließen sich ihr Mit- chen. Heinrich Anton Beh- darin völlig geplättet war. tagessen von der Frau an das Wir Kin- rendt, 91 Jahre, Kapi- Wir Kinder wurden einmal in Tor der Zeche bringen. Bei uns der spiel- tänleutnant a. D., der Woche in ei- war es die Aufgabe ten oft im ehemaliger Büroleiter ner Zinkwanne der Kinder, dem Va- Wäldchen, des MA-Stabes bei gebadet. Das ter das Essen im oder tob- der Deutschen Bot- Wasser wurde Henkelmann in das ten am Ha- schaft in Tokio, Japan. vorher auf dem Kesselhaus bringen, fen, bauten Geboren im Herner Herd in der denn er durfte aus uns wilde F e l d h e r r e n v i e r t e l Waschküche er- Sicherheitsgründen Flöße und (Horsthausen), auf- wärmt. Ich als das Kesselhaus nicht s c h i p p e r- gewachsen in der Ko- letztes Badekind verlassen. ten kreuz lonie Friedrich der bekam kaltes Die Bergleute vor Ort und quer G r o ß e 3 / 4 , Vo n - Wasser. Denn es bekamen ja guten im Hafen B u r g s d o r ff - S t r a ß e . gab kein frisches Lohn und später h e r u m , Jetzt lebt er in Flens- Wasser für jedes auch eine hohe Ren- s p r a n g e n burg. Kind und dann te. Aber wiegte das von der war das Wasser die Nachteile der Ar- Mauer und auch schon et- beit auf? Wer wirklich tauchten was trüber. täglich dem Staub im so weit es Es war schon erstaunlich Stollen ausgesetzt war, der war ging. was unsere Mütter und Väter oft mit vierzig Jahren schon In- alles konnten und machten. valide. Das war die Staublunge 8 Der Bote im April 2020
»Tausendmal erzählt…« Auch Hans Tilkowski schrieb Scherz gemeint war? Seine wohl damals in mein Auto- Gesprächspartner waren je- grammheft. Als das 1966er- denfalls irritiert, unterschrie- WM-Endspiel in Wembley ben. »Aber sie haben doch angepfiffen wurde, verfolgte schon ein Buch ich zusammen mit meinem geschrieben«, warf ich ein. B r u d e r Wa l t e r, m e i n e m »Til« grummelte etwas und Freund und heutigen Schwa- unterschrieb schließlich die ger Helmut, das Match auf Karte. einem Campingplatz im nie- 2016, es stand der 50. derländischen Katwijk. Wir Jahrestag des berühmten drückten natürlich unserem Wembleytores an. Ich erin- Herner »Til« die Daumen. nerte mich an zwei Bottroper, Dann das verhängnisvolle die damals hautnah in Lon- Tor. »Der war nicht drin«, er- don im Stadion waren und zählte Hans Tilkowski danach nahm nun Kontakt mit Marius wohl etliche Tausendmal. Schneider aus Herne auf, der Erst vor etlichen Jahren für das 3. WDR-Fernsehpro- Hans Tilkowski ist tot. Die- kreuzten sich dann unsere gramm arbeitet. Er fand die se Nachricht machte Anfang Wege in Herne. Nämlich dort, Idee gut, lud Tilkowksi und Januar schnell in Herne und wo Hans Tilkowski seine ers- die Bottroper Lipka und Paw- anschließend in der gesam- ten großen Erfolge feiern lenka nach Herne ein. Dort ten Fußballwelt die Runde. konnte, im Stadion am fand dann im Stadion am »Til«, wie der aus Dortmund Schloss. Hier wurde ein Fuß- Schloss ein Dreh statt. Ich stammende und in Herne le- ballbuch vorgestellt. »Til« und war natürlich dabei, schoss bende Keeper von Freunden andere ehemalige bekannte einige Fotos. »Und wer sind und Fans gerufen wurde, war Kicker waren dazu eingela- sie?«, wollte Hans Tilkowski 84 Jahre alt. In meinem Le- den. So Siggi Held, Horst schließlich wissen. »Ein alter ben bin ich Hans Tilkowski Bertram (BVB) und Klaus Fan…« antwortete ich wahr- mehrfach begegnet. Zwei Fichtel (S04). Aber »Til« saß heitsgemäß. Eine Stunde dieser Treffs liegen erst we- diesmal nicht in der ersten lang stand Hans Tilkowski an nige Jahre zurück. Anpfiff: Reihe, sondern verfolgte das diesem Tag vor der WDR- Ende der 1950er-Jahre pil- Geschehen, im Türrahmen Kamera und erzählte zum gerte ich, wie damals viele des Westfalia-Vereinshauses Tausendsten mal die Ge- H e r n e r, z u m P l a t z a m stehend. Es war seltsam, schichte des wohl berühmtes- Schloss Strünkede. Dort kaum einer kannte »Til«, oder ten Fußballtores der Welt. kämpfte unsere Westfalia um wagte es, ihn anzusprechen. Und ohne jeglichen Einwände den Titel des Deutschen Danach traf sich das Trio Til- und Bedenken ließ sich »Til« Fußballmeisters. Die Mann- kowski/Held/Fichtel zu einem abschließend sogar mit mir schaft, es waren unsere Hel- fußballerischen Gedanken- fotografieren - eine versöhnli- den, stand sogar in dieser austausch. Ich aber wagte es che Geste. Zeit lebensgroß als Foto im nun, die drei Legenden, um Schaufenster des damaligen Autogramme zu bitten. Wäh- Textilkaufhauses Sinn, auf rend Held und Fichtel sofort der Bahnhofstraße. Doch zu- die Einladungskarte zur rück zu Tilkowski und Co. Na- Buchvorstellung unterschrie- türlich sammelte ich auch Au- ben, zierte sich der 34malige togramme, aber irgendwann Nationaltorhüter. »Wenn ich verlor ich wohl den Spaß schreiben könnte, wäre ich daran, den Stars der damali- nicht Fußballer geworden«, gen Kickerelite nachzujagen. antwortete er. Ob es als Der Bote im April 2020 9
Blick vom Stellwerk Nwt II in Richtung Norden auf den Kohlenbansen. Rechts ist das markante Geäude der Güterabferti- gung Wanne-Eickel Hbf zu erkennen. Im Hintergrund sieht man einen Teil der Ladestraße mit zeitgenössischen Lastkraft- wagen. Weiter dahinter erkennt man das Dach des Empfangsgebäudes, mit dem markanten Uhrenturm. Das Bahnbetriebswerk Wanne-Eickel Hbf in den 1950er Jahren Die Geschichte zum Titelbild Der Bahnhof Wanne-Eickel Hbf Bereich der Reichsbahn und spä- feld Süd, Gelsenkirchen-Bismarck (früher: Wanne) liegt an der von teren Bundesbahn. Was lag da und Dortmund Rbf beheimateten der Köln-Mindener Eisenbahn-Ge- näher, als auch in Wanne ein so- Dampflokomotiven, waren sie im sellschaft errichteten Eisenbahn- genanntes Bahnbetriebswerk (ab- Einsatz vor schweren Zügen zur strecke, von Köln-Deutz über gekürzt: Bw) für die Wartung und Versorgung der Stahlwerke mit Erz Oberhausen, Gelsenkirchen, Her- Behandlung von Dampflokomoti- und Hüttenkoks und zur Versor- ne, Dortmund und Hamm nach ven zu errichten. Bis zur Elektrifi- gung der zahllosen Steinkohle- Minden. Mit der Eröffnung der Ei- zierung der Köln-Mindener-Strecke kraftwerke mit Kraftwerkskohle. senbahnstrecke nach Münster und im Jahr 1961 (die abzweigende Werfen wir einen Blick in das weiter über Osnabrück und Bre- Strecke bis Münster folgte im Jahr Bw Wanne-Eickel Hbf in den men nach Hamburg, im Jahr 1870, 1965), waren hier die Dampfloko- 1950er Jahren. Es fällt auf, dass wurde der Bahnhof Wanne zum motiven die vorherrschende Trak- sich die Anlagen des Bahnbe- Eisenbahnknotenpunkt. Er entwi- tionsart im Güter- sowie im Perso- triebswerks nicht auf eine Stelle im ckelte sich nach dem 1. Weltkrieg nenverkehr. Die beim Bw Wanne- Bahnhofsbereich konzentrierten, zum größten Rangierbahnhof im Eickel Hbf stationierten Dampflo- wie es bei den oben erwähnten mittleren Ruhrgebiet. Der Bahnhof komotiven waren seit Ende des 2. Nachbar-Bw der Fall war. Vielmehr verfügte, neben der Anlage für den Weltkriegs, bis zur Einstellung des erstreckte sich das Bw Wanne-Ei- Personenverkehr, über einen Dampfbetriebs im Jahre 1976, fast ckel Hbf über insgesamt drei Stel- »zweiseitigen« Rangierbahnhof mit ausschließlich im Güterverkehr len im Bereich der weitläufigen Ost-West- und West-Ost-System, sowie im örtlichen Rangierdienst Bahnhofsanlagen. über eine gesonderte Anlage für eingesetzt. Zusammen mit den bei Den größten Bereich nahmen Eilgüter und über eine der größten den Bahnbetriebswerken Duis- die Anlagen im Bereich der Ul- Umladeanlagen für Stückgüter im burg-Wedau, Oberhausen-Oster- menstraße ein. Hier befand sich 10 Der Bote im April 2020
Blick vom Stellwerk Nwt II in Richtung Osten auf den Besandungsturm vorn und dahinter den Kohlenbansen mit Bela- dungskränen. Links, im Hintergrund, ist das Dach der großen Stückgut-Umladehalle zu erkennen. die Verwaltung des Bw nebst Durchmesser. Ein Kohlenbansen Die Anlagen im Bereich des Werkskantine. Statt eines üblichen war auch vorhanden, insgesamt ehemaligen Lokschuppens II exis- Ringlokschuppens mit Drehschei- jedoch waren die Anlagen deutlich tieren seit Jahren nicht mehr. Das be, bestand hier ein rechteckiger kleiner dimensioniert als beim Lok- Gelände hat sich die Natur Zug um Lokschuppen mit zwei innenlie- schuppen I. Der Bereich war zu Zug zurückerobert. Auf dem Ge- genden Schiebebühnen. Östlich Fuß, über die noch heute vorhan- lände des ehemaligen Lokschup- des Schuppens befanden sich um- dene Unterführung zwischen Her- pens II – der Wasserturm wurde fangreiche Lokbehandlungsanla- ner Straße und Ackerstraße, zu schon in den 1970er Jahren abge- gen, wie Kohlenbansen mit Lade- erreichen. brochen, erinnert ebenfalls nichts kränen, Besandungsturm, Feuer- Unmittelbar an der Herner mehr an das frühere Bahnbe- löschgruppe und Wasserkränen, Straße, im Bereich der Unterfüh- triebswerk. Hier befinden sich heu- sowie eine Drehscheibe mit 23 m rung zur Ackerstraße befanden te Anlagen der DB Netz AG. Die Durchmesser. Die Anlagen wurden sich die Anlagen des Lokschuppen Anlagen im Umfeld des ehemali- von einem Wasserturm mit Kugel- III. Auch hier bestand ein Ringlok- gen Lokschuppen I wurden, nach behälter und der Aufschrift „Wan- schuppen mit einer Drehscheibe Auflassung der Dampflokunterhal- ne-Eickel Hbf« überragt. Aufgrund von 23 m Durchmesser. Ferner tung, umfangreich umgestaltet. seiner Dimensionen war der Was- waren die üblichen Lokbehand- Hier können heute Diesellokomoti- serturm weithin erkennbar und lungsanlagen wie Kohlenbansen ven und Diesel-Triebwagen be- somit quasi eine Wanner Land- und Besandungsturm vorhanden. tankt werden. marke. Zur Herner Straße befindet sich Mitten im großen Bahnhofsge- eine noch heute vorhandene lände, umgeben vom Einfahrbe- Stützmauer. Unmittelbar an der reich des Ost-West-Systems im Stützmauer befand sich ein Was- Norden und dem Ausfahrbereich serturm mit Kugelbehälter und der des West-Ost-Systems im Süden, Aufschrift „Wanne-Eickel Hbf“, der lag der Lokschuppen II. Es handel- ähnlich markant war wie der Was- te sich um einen Ringlokschuppen serturm im Bereich des Schuppens mit einer Drehscheibe von 23 m I. Michael Thomasen Der Bote im April 2020 11
Einmal Bundesliga... Wenn sich Herner über alte Fußballzeiten unterhalten, fal- len oft die Namen Tilkowski, Benthaus, Cieslarzyk und Pyka. Für sie ging einst ein Traum in Erfüllung, denn sie spielten in der 1. Bundesliga und hinterließen dort ihre Spu- ren. Für die ebenfalls aus Her- ne stammenden Kicker Harry Bohrmann, Siegfried Grams und Christian Korek endete dagegen einst das Abenteuer »Bundesliga« nach nur einem Spiel. Siegfried Grams (1942 — 2014) stammte aus Sodingen. Jahrelang schnürte er für die Grünweißen die Fußballschuhe u n d s c h a ff t e A n f a n g d e r 1960er-Jahre sogar den Sprung in die Erstvertretung, die damals in der Oberliga West, einer der höchsten Spielklassen, antrat. Bei der benachbarten Westfalia führte in jenen Tagen der »Eiserne Fritz«, Fritz Langner, das Re- giment. Als ihm ein Traineran- gebot aus Mönchengladbach unterbreitet wurde, nahm er es an. Auch SVS-Stürmer »Siggi« Grams folgte dem »Eisernen« Harry Bohrmann in den »Fohlenstall«. Hier konnte sich Grams aber nicht durchsetzen. Denn am ligen Knappenelf stand auch nem Stammverein RSV 1970 Bökelberg tummelten sich eine Herner Fußballlegende: zu TB Eickel. Hier wurde der schon damals etliche Talente. Alfred Pyka, der für Westfalia damalige VfL Bochum-Coach, Als Fritz Langner dann in Re- Herne, 1860 München, Schal- H e r m a n n E p p e n h o ff , a u f vier, nach Schalke wechselte, ke und danach wieder für die Bohrmann aufmerksam und ging Grams erneut mit. Am 5. Strünkeder kickte. Grams setz- holte ihn an die Castroper März 1966 stand Siggi Grams te seine Laufbahn danach in Straße. Als sich am 25. Sep- jedoch erstmals in der Knap- Marl-Hüls und Meinerzhagen tember 1971 der damalige penelf. Gegner von S04 war fort. Seinem Sodingern hielt er Stammtorhüter Jürgen Bradler Werder Bremen. Sein Gegner: aber immer die Treue. verletzte, musste der 19-jähri- »Eisenfuß« Horst-Dieter Hött- ge Bohrmann ab der 40. Minu- ges, den Grams bereits aus Der FC Bayern München te den VfL-Kasten sauber hal- seiner Mönchengladbacher spielte in den Fußballleben von ten. In der 50. Spielminute Zeit kannte. Es war ein Harry Bohrmann und Christian konnte sich der Holthausener schlechter Tag für den damals Korek entscheidende Rollen. dann auch bewähren, als er 24-Jährigen Sodinger. S04 Bohrmann, 1952 in Holthausen einen Elfmeter des Münchener ging mit 6:1 unter. In der dama- geboren, wechselte von sei- Torjägers Gerd Müller parierte. 12 Der Bote im April 2020
Die Bayern gingen trotzdem als Sieger vom Platz. Sie ge- wannen mit 2:0. Am nächsten Spieltag war Jürgen Bradler wieder fit und Bohrmann ver- ließ zwei Jahre später den VfL, um für den RSV Holthausen und BV Herne-Süd zu spielen. Danach war der Herne noch lange als Sportfotograf im Re- vier unterwegs. Ausgerechnet die Bayern. Es ist die Lieblingsmannschaft des gebürtigen Herners Chris- Gerhard, Koslowski, Sigi Grams, Senger und Erlhoff tian Korek, der seine fußballe- rische Laufbahn in Horsthau- kam er wieder nach Verl zu- ger zur Westfalia, um danach sen begann und über Westfalia rück, wo er seit einigen Jahren über Lüdenscheid, DSC Wan- Herne zum 1. FC Nürnberg lebt und arbeitet. Einer seiner ne-Eickel zu Hannover 96 zu führte. »Tiger« Hermann Ger- Arbeitskollegen: Ulf Raschke, wechseln. In der zweiten Bun- land, heute in Diensten des der einst ebenfalls nur ein BL- desliga kam Kosien, der einst deutschen Rekordmeisters aus Spiel für den BVB absolvierte. in der Schalker Jugend, zu- München, holte den Herner sammen mit den späteren damals nach Franken. Am 10. Zweimal Bundesligaluft Bundesliga-Akteuren Abramc- Juni 1989 schickte Trainer Ti- schnupperte dagegen der aus zik und Bruns kickte, auf im- ger Gerland den damals 24- Sodingen stammende Roland merhin 100 Einsätze. Jährigen in der 67. Minute in Kosien, der 1972/73 für Schal- der Begegnung gegen den FC ke 04 kickte. Der damalige S04 Bayern aufs Feld. Sein Gegen- – und spätere Goldin-Coach, spieler: Klaus »Auge« Augen- Irvica Horvath, setzte den 1953 thaler. Nürnberg gewann zwar, geborenen Kicker bei BL-Be- aber Korek hatte keine Zukunft gegnungen gegen den VfL Bo- mehr in Franken. Über Mep- chum und den 1. FC Köln ein. pen, Verl, Beckum und Herne Danach wechselte der Sodin- Friedhelm Wessel Sigi Grams in Meinerzhagen Christian Korek Der Bote im April 2020 13
Das Stadtarchiv stellt sich vor: ISG - Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen Das Institut für Stadtge- über einen umfassenden Zei- den Findmitteln behilflich. Die schichte (ISG) ist die zentrale tungsbestand sämtlicher loka- Einsicht der Archivalien ist Einrichtung der Stadt Gelsen- ler Tageszeitungen seit 1903. ausschließlich im dafür vorge- kirchen zur Erforschung und Es befinden sich zudem die sehenen Benutzerraum im In- Präsentation der Stadtge- von 1951 bis 1996 vom Pres- stitut für Stadtgeschichte er- schichte. Es besteht seit dem seamt erstellten Stadtfilme in laubt. Eine Ausleihe der Archi- 1. September 1989. Ihm ob- den Archivbeständen. Diese valien ist nicht möglich. Die liegt die wissenschaftliche Er- sind beeindruckende Doku- Benutzung des Archivs ist forschung, Aufbereitung und mente der Zeitgeschichte, die grundsätzlich entgeltfrei. Be- Präsentation von Stadtge- den Alltag, die Freuden und sondere Leistungen seitens schichte, insbesondere am Sorgen der Menschen in Gel- des Archivs und die Anferti- Beispiel der Ruhrgebietsstadt senkirchen zeigen. Auch Fami- gung von Reproduktionen sind Gelsenkirchen. Zum Institut für lienforschern bietet das Stadt- jedoch kostenpflichtig und Stadtgeschichte zählen die Be- archiv wichtige Quellen. Bei werden entsprechend der der- reiche Stadtarchiv, historische schriftlichen Anfragen erhalten zeit geltenden Gebührenord- Forschung und Beratung sowie Genealog_innen Informationen nung berechnet. die Dokumentationsstätte sowohl aus den Adressbüchern »Gelsenkirchen im Nationalso- ab 1888 als auch aus den Ein- Auf der Suche nach den Vor- zialismus«. wohnermeldekarteien der Stadt fahren Gelsenkirchen und ihrer Vor- Im Institut für Stadtgeschich- Bestände läufergemeinden. te stehen dem Familienfor- Das Archiv verwahrt etwa scher im Wesentlichen zwei 5.000 Regalmeter Akten, Fil- Benutzung und Service Quellen zur Verfügung: Zum me, Karten, Pläne und Zeitun- Das Stadtarchiv steht allen Einen sind dies die Adressbü- gen aus der städtischen Ver- interessierten Bürgerinnen und cher der Stadt Gelsenkirchen waltung seit der frühen Neu- Bürgern zum Besuch offen. Die und ihrer Vorläufergemeinden zeit, schwerpunktmäßig jedoch Einsichtnahme in das Archivgut (ab 1888), zum Anderen die erst seit dem 19. Jahrhundert. erfolgt im Rahmen der Öff- Einwohnermeldekarteien der Die Bestände des Stadtarchivs nungszeiten des Stadtarchivs Stadt Gelsenkirchen und ihren lassen sich in zwei große (abweichend von den Service- Vorläufergemeinden. Gruppen unterteilen. Dem zeiten des Instituts für Stadt- Schriftgut und anderen Mate- geschichte!) bzw. nach vorhe- Recherche und Quellen rialien aus der städtischen riger Terminabsprache. Gerne Die Benutzung von Archiv- Verwaltung steht das Samm- können Sie telefonisch einen und Bibliotheksgut im Stadtar- lungsgut gegenüber, das aus Besuchstermin vereinbaren. chiv Gelsenkirchen ist grund- verschiedenen Quellen erwor- Die Mitarbeiterinnen und Mit- sätzlich entgeltfrei. Recher- ben wurde. Eine Bibliothek mit arbeiter des Stadtarchivs ha- chen zur Familienforschung ca. 8.000 Bänden zur Ge- ben so die Möglichkeiten, Ihren und Erbenermittlung aus der schichte Gelsenkirchens, des Besuch im Stadtarchiv optimal Einwohnermeldekartei, können Ruhrgebietes und Westfalens vorzubereiten und lange War- nur von Mitarbeitern des Insti- steht als Präsenzbestand tezeiten zu vermeiden. Gerne tuts für Stadtgeschichte durch- ebenfalls für die Besucher_in- sind sie Ihnen außerdem bei geführt werden und sind daher nen bereit. Es verfügt daneben der inhaltlichen Recherche in kostenpflichtig. Es gelten die 14 Der Bote im April 2020
Sätze der aktuellen Benut- zungs- und Gebührensatzung für das Institut für Stadtge- schichte Gelsenkirchen. Auf- grund der zahlreichen Anfra- gen zur Familienforschung und Erbenermittlung ist mit einer längeren Bearbeitungszeit zu rechnen. Die Auskünfte werden grundsätzlich in deutscher Sprache erteilt. Vorab wird vom Institut für Stadtgeschichte eine Zustimmung zur Kosten- übernahme nach der aktuell geltenden Gebührenordnung eingeholt. Seit dem 1. Januar Alt trifft Neu: Im modernen Wissenschaftspark Gelsenkirchen befindet sich 2019 gilt ein neues Personen- das ISG. Foto: ISG standsgesetz, das die Überga- fangreichen Zeitungsbestand. werden. Auf Grund der unzu- be der Personenstandsregister Seit 1903 sind sämtliche Aus- reichenden Qualität des vorlie- von den Standesämtern an die gaben von verschiedenen loka- genden Archivmaterials hat kommunalen Archive regelt. len Tageszeitungen vollständig das Institut für Stadtgeschichte Dementsprechend hat das archiviert. Die meisten Zeitun- die Anfertigung von Zeitungs- Stadtarchiv die folgenden Per- gen sind sowohl im Original als kopien vorübergehend einge- sonenstandsregister vom auch als Mikrofilm (oder Mikro- stellt. Die ausgewiesenen Zei- Standesamt Gelsenkirchen fiche) vorhanden. tungsbestände können jedoch übernommen: Folgende Zeitungen befin- auch weiterhin in den Räum- Geburtsregister von 1874-1909 den sich im Bestand des ISG: lichkeiten des ISG eingesehen Heiratsregister von 1874-1939 werden. Im Hinblick auf die Sterberegister von 1874-1989 Vor 1945 begrenzte Anzahl an Lesegerä- Emscherzeitung 01.1876 bis ten vor Ort, wird um telefoni- Sammelakten wurden nicht 31.12.1904 sche Absprache eines Be- übernommen. Die Gelsenkirchener Zeitung: suchstermins gebeten. Eigene Recherchen in den 02.01.1902 bis 30.06.1940; Registern, durch die Benutze- Nachfolgezeitung "Westfäli- rinnen und Benutzer, sind aus scher Beobachter": 01.07.1940 Übersicht: konservatorischen Gründen bis 19.03.1945 nicht möglich. Aus denselben Die Gelsenkirchener Allgemei- Gründen können auch keine ne Zeitung: 01.12.1903 bis Fotokopien angefertigt werden. 31.08.1944 ISG - Institut für Das Institut für Stadtgeschichte Die Buersche Zeitung: Stadtgeschichte bearbeitet schriftliche Anfragen 19.05.1909 bis 30.06.1945 Wissenschaftspark bei Vorlage konkreter Geburts-, Nach 1945 Munscheidstraße 14 Heirats- oder Todesdaten ent- Die Westdeutsche Allgemeine 45886 Gelsenkirchen sprechend der Gebührenord- Zeitung: seit dem 03.04.1948 nung des Instituts für Stadtge- Die Buersche Zeitung: Telefon +49 (209) 169-8551 schichte Gelsenkirchen und 22.10.1949 bis 31.12.1971 isg@gelsenkirchen.de erstellt Kopien oder beglaubig- Emscherbote 10.1980 bis te Kopien durch digitale Re- 02.1984 Öffnungszeiten: produktionen aus den Regis- Montag bis Donnerstag terbänden. Bestellung von Zeitungsko- 08:30 bis 15:30 Uhr pien Lokalpresse seit 1903 Zeitungskopien von verfilm- Freitag Das Stadtarchiv Gelsenkir- ten Zeitungsbeständen können 08:30 bis 12:30 Uhr chen verfügt über einen um- derzeit leider nicht angefordert Der Bote im April 2020 15
Der Engel von Sodingen Leben und Wirken der Lehrerin Emilie Engel in Zeiten der Not. (1915 -1926) von Gerd E. Schug Ihre sich schon Schulschwestern Unserer Lie- früh zeigenden ben Frau in Arnsberg. Ihre Ein- Selbstzweifel satzfreude verwendete sie je- mussten in ihr die doch nicht bloß in eigenen In- Frage aufkommen teressen, sondern mit hohem lassen, ob sie sei- Engagement vertrat sie als nen Tod hätte ver- Klassensprecherin die Belange hindern können. In ihrer Mitschülerinnen vor den späterer Zeit, Lehrautoritäten. 1917, fiel ihr Bru- Emilie vertiefte ihre von der Josef im Felde; Haus aus mitgebrachte Reli- eine weitere Lei- giosität zusehends. Mit nach- derfahrung in der lassender Einbindung in die Familie. familiäre Gebetspraxis schloss Nachdem sie am sie sich mehreren Gebetsver- 30. April 1905 die einigungen, meist mariani- Erste heilige scher Prägung, an. So bereits Kommunion in der 1909 der Marianischen Kon- Antoniuskapelle in gregation, 1911 der Erzbruder- Iseringhausen schaft v. Heiligsten Herzen empfangen hatte, Jesu, 1915 als Mitarbeiterin wurde sie am 2. der Pallotiner und 1918 der September 1908 in Ehrenwache Mariens, dem ihrer Taufkirche ge- ewigen Rosenkranz-Apostolat firmt. Dieses Jahr der göttlichen Liebe. Dieser sollte eine Wei- Zug zur Vereinsbildung mit chenstellung in ih- Mehrfachmitgliedschaften ist rem Leben bedeu- auch im katholischen Bereich ten, denn sie wi- durchaus zeittypisch. So sind Herkunft, Kindheit und Aus- dersetzte sich den Eltern, wel- für unsere Heimatpfarrei Peter bildung che Emilie auf dem Hof halten und Paul für diese Zeit im Jah- Emilie Engel wurde am 6. wollten und die Vorstellung re 1913 bspw. 25 Vereine vom Februar 1893, als viertes von hatten, ihr Aufgaben in der Kindheit-Jesu-Verein bis zum insgesamt 12 Kindern, auf ei- Hausarbeit zu überantworten. Immerwährenden Kreuzweg, nem Bauernhof in Husten, im Emilie jedoch wollte Lehrerin mit insgesamt 5666 Mitglie- Kreis Olpe geboren. Zwei Tage werden, wohl angeregt durch dern belegt. Emilie Engel will später empfing sie die Taufe in das Beispiel zweier älterer heilig werden. So schreibt sie der ehemaligen Zisterziense- Schwestern, die sich bereits in 1920 in ihr Tagebuch. Auffällig rinnenklosterkirche St. Cle- der Lehrerinnenausbildung be- ist, dass sie sich jeweils an mens, in Drolshagen. Das El- fanden. Das mit dem Lehrerin- Eck- und Wendepunkten ihres ternhaus war, nicht untypisch nenberuf damals verbundene Lebens, jedenfalls in neuen für das Sauerland, streng reli- Pflichtzölibat nahm sie dafür Lebenssituationen, einem giös, was sich z.B. daran zeigt, gerne in Kauf, zumal sie sich neuen Verein eintritt. Man dass die Familie das gemein- auch mit der Frage nach einer sieht, dass Emilie Engel noch same Gebet pflegte. Als Klosterberufung beschäftigt Suchende ist, ihren Platz noch Frucht wurden in späterer Zeit hatte. Sie setzte sich mit muti- nicht gefunden hat. insgesamt vier Schwestern gen Geist und ihrer zähen Doch zurück zum Ausbil- Schönstätter Marienschwes- Westfalennatur, wie sie von dungsgang. An die Höhere tern. sich selbst sagte, gegen ihre Töchterschule anschließend, 1904, als Emilie 11 Jahre alt Eltern durch und kam 1908 für bereitete sie sich zwei Jahre war, starb ihr kleiner Bruder ein Jahr auf die höhere Töcht- auf der Königlichen Seminar- Albert, mit nur fünf Monaten. erschule bei den Armen Präparandie auf die Lehrerin- 16 Der Bote im April 2020
nenausbildung vor. Diese drei jährige Ausbildung erhielt sie ebenfalls in Arnsberg im dor- tigen Königlichen Lehrerin- nenseminar. Nach dem Ab- schluss, 1914, war sie bis 1915 Schulamtsbewerberin bei Neuss, um schließlich im gleichen Jahr ihre Stelle an der Marienschule, eine Volks- schule an der Händelstraße in Sodingen anzutreten, die sie über elf Jahre inne hatte. Die Not der Zeit von 1916 Marienschule, Sodingen bis 1926 Bevor wir im Leben Emilie Engels weitergehen, wollen wir Streiks, als Protest gegen den Russland, Polen und Übersee kurz die Not der Bevölkerung Hunger. Kriegsküchen lindern importiert wurden, waren diese im Ruhrgebiet, im betrachteten die Not, bis auch dort Le- ausgefallen. Nun versucht man Zeitraum, beschreiben. Die bensmittelmarken abgegeben im Umland zu tauschen. Das Entbehrungen in allen Berei- werden müssen. Die Kirchen Gold und der Schmuck, der chen der Lebensführung gin- frohlocken in dieser Zeit. Die noch nicht zur Finanzierung gen über die — arbeitende — Gottesdienste werden gut be- des Kriegs abgegeben wurden Bevölkerung in mehreren Wel- sucht, wird doch zum Teil ge- (»Gold gab ich für Eisen«), wird len hinweg. Vereinfacht lassen predigt: »Wer die General- nun den Bauern angeboten. sich folgende drei Notzeiten beichte ablegt und zur Ge- Diese Nutzen die Gunst der unterscheiden: neralkommunion geht, der Stunde und verlangen für ein Zum einen die Not während kommt sofort in den Himmel, Pfund Butter 30 Mark, also des ersten Weltkrieges. Waren wenn ihn der Heldentod trifft.« den Lohn dreier Wochen einer die Lebensmittel beispielswei- Im Steckrübenwinter 1917 Gleisbauerin (z. B. 1,90 Mark se bereits ab dem Jahre 1915 ist die Versorgung mit Textilien für 12 Stunden Arbeit in einer nur auf Karten erhältlich, reich- und Brennmaterial völlig zu- Gleisbaurotte). Außerdem ge- te der Sold und der Verdienst sammengebrochen. Die Le- ben sie die Ernteflächen und der arbeitenden Frauen, die oft bensmittelrationen decken nur Erträge falsch an, um auf dem nur den halben Lohn ihrer noch die Hälfte des Energie- lukrativeren Tauschmarkt mehr männlichen Kollegen beka- bedarfs. So bekommen viele Gewinn aus der Not erzielen men, nicht aus, so dass bei- Bergleute nur 25g Margarine zu können. Gewinne aus dem spielsweise die Bergleute der pro Woche, da ihnen der Sta- Krieg erzielte aber auch Krupp. Zechen 4% ihres ebenfalls tus als Schwer- und Schwerst- Bei 900 Millionen Mark Um- kargen Lohnes für die betref- arbeiter verweigert wird. Die satz mit Kriegsgütern erzielte fenden Familien spendeten. Lebensmittel sind häufig un- er einen Gewinn von 400 Mil- Den Angestellten der Stadt genießbar, die notwendige Sei- lionen Mark, finanziert durch und des Staates wurden im fe überteuert: Die Inflation be- »Gold für Eisen« und Kriegsan- Vergleich dagegen für die ginnt bereits. Brot wird mit Sä- leihen der Bevölkerung. Was Dauer des Kriegsdienstes 50% gemehl und Rinde gestreckt, diese wohl nicht wusste: des Gehaltes zum Sold hinzu- die Familien sammeln Buch- Durch Lizenzabkommen mit kommend weitergezahlt. Da eckern und Eicheln, um zu dem englischen Rüstungsher- die wegen der Abwesenheit überleben. steller Vickers bekam Krupp der Familienväter arbeitenden Wegen des Mangels an für jeden gefallenen deutschen Mütter sich nicht mehr um die Brennstoffen im Kohlenrevier Soldaten an der englischen Erziehung der Kinder kümmern werden für die Bevölkerung Front 3 Pfd. Sterling Lizenzge- können, verwahrlosen zahl- Wärmehallen gebaut. Der bühr … reiche Kinder. Schwarzmarkt blüht auf. Denn Die Rezepte ihrer Hinter- Ab 1916 gibt es auf einigen da die Lebensmittel des Ruhr- bliebenen und der Arbeitsfami- Zechen im Revier bereits gebietes hauptsächlich aus lien dieser Zeit weisen durch Der Bote im April 2020 17
den Fleischwolf gedrehte Kar- tikern eine Abspaltung der so- gesamten Revier. toffelschalen, Spinat aus genannten »Rheinisch-Westfä- Nach einer Phase einer ge- Brennnesseln oder Steck- lischen Republik« vom Reich wissen politischen Ruhe, be- rübenmarmelade, auch Hin- betreibt, um den schädlichen setzen Belgische und Franzö- denburgbutter genannt, auf. Einfluss aus Preußen (Berlin sische Truppen 1923 das Die Moral verfällt in dieser Zeit, und Hafenstädte) auf die Ar- Ruhrgebiet, nachdem die Re- notbedingt. In Essen wird der beiterschaft einzugrenzen. parationsleistungen nicht im Schlachthof geplündert, in Bo- Unter dem Schatten der geforderten Umfang erbracht chum das Bergmannsheil, um drohenden Revolution, mit der worden waren. Mit den Solda- Lebensmittel zu ergattern. erstmalig erhobenen Forde- ten zogen auch wieder Hunger 1918 streiken auf 31 Zechen rung nach Sozialisierung des und Not ins Revier ein. des Ruhrgebietes die Bergleu- Kohlenbergbaus, gelang es Diese resultiert aus der Ab- te für den Frieden, im August den Gewerkschaften, die Sie- riegelung des besetzten Indus- sind es 60.000. Viele werden in ben Stunden Schicht durchzu- triegebietes vom agrarischen der Folge mit 48stündiger Frist setzen; doch der reale Lohn Umland. Die Bauern innerhalb zum Militärdienst einberufen. reichte nicht für die Existenz. der Besatzungszone profitie- Doch der ersehnte Waffenstill- Inflation und Hunger blieb, ren wiederum vom Schwarz- stand bringt keine Besserung, Mangelkrankheiten wie Tuber- markt und dem Tauschhandel, als er endlich eintritt. Die Not kulose und Ruhr grassierten leiden aber auch selber unter verschärft sich noch, der im an der Ruhr. Requirierungen und Plünde- Kriege ausgebliebene Woh- Die politische Lage bleibt rungen durch die hungernde nungsbau bringt Wohnraum- angespannt. Die Bergleute Bevölkerung. Etwas gemildert mangel und dazu kehren die kämpfen für gerechten Lohn wird die Not durch die Einrich- Truppen heim, welche dann und erträgliche Arbeitsbedin- tung von Suppenküchen durch keine Arbeit mehr finden, da gungen, demonstrieren mit französisches Militär. die Stellen von den halb ent- 120.000 Mann. Doch die de- Nebenbei sei bemerkt, dass lohnten Frauen besetzt sind. mokratisch gewählte Reichs- den Besatzern an einer weite- Nur in der Montanindustrie regierung läßt die Reichswehr ren Spaltung der Bevölkerung gibt es noch Arbeitsplätze. und Freikorps marschieren. gelegen ist; so unterstützen sie Damit sind wir in der Not Immerhin gelingt es, 1919 den teilweise aktiv die Separatis- der unmittelbaren Nachkriegs- e r s t e n Ta r i f v e r t r a g a b z u- ten, die eine nunmehr nur zeit und den politischen Wirren schliessen. »Rheinische Republik« auch dieser Tage angekommen, die Als, zur Erfüllung der Repa- mit Waffengewalt errichten die zweite Notphase mit sich rationsforderungen, wieder wollen. brachte, im unmittelbaren An- Überschichten gefahren wer- Der sogenannte passive schluss an den Krieg. Im An- den sollten und zeitgleich in Widerstand gegen die Beset- schluss an die Meuterei der Berlin der antidemokratische zung führt zu einem Rückgang Flotte bildeten sich recht Kapp-Putsch die Vorkriegs- der Produktion, was wiederum schnell auch im Revier Arbei- verhältnisse wiederherstellen die hohe Inflation in eine ga- ter- und Soldatenräte, die die wollte, formierten sich zur loppierende verwandelt. Die zu drängendsten Probleme, näm- Notwehr gegen die Freikorps hohen Preise führen darüber lich die Sicherstellung der Er- die Rote Ruhrarmee. Ein Ge- hinaus zu weiteren Streiks und nährung der Bevölkerung, Auf- neralstreik wurde ausgerufen. Massenaussperrungen, welche rechterhaltung der Ordnung Der folgende Bürgerkrieg im die Lage nur verschärfen. Ers- und die Demobilisierung lösen Revier mit zahlreichen Toten te unrentable Zechen werden wollten. Doch wilde Streiks brachte wiederum Not und geschlossen, was die Arbeits- von revierweit bis zu 80.000 Elend für viele Familien. Ob- losigkeit verstärkt. Als 1925 Bergleuten, die eine die Inflati- wohl im Anschluss die Reichs- die Besatzungstruppen wieder on der Kriegsjahre ausglei- regierung im Bielefelder Ab- abziehen, erhält das Ruhrge- chende Entlohnung forderten, kommen auf die Forderungen biet nun Zeit, seine Wunden erschweren eine koordinierte der Arbeiterarmee eingeht, heilen zu lassen. Doch die so- Politik. Die Verwirrung einiger lässt sie bei Waffenstillstand zialen Verwerfungen haben Politiker dieser Zeit zeigt sich sofort die Reichswehr mar- sich eher verfestigt, die Lager am Projekt des Kölner Ober- schieren, es kommt zu Er- radikalisieren sich … bürgermeisters (Adenauer), der schießungen von Arbeiterinnen mit anderen Zentrumspoli- und Arbeitern; über 2.000 im Ende 1. Teil. 18 Der Bote im April 2020
Historischen Verein Herne / Wanne-Eickel e. V. www.hv-her-wan.de Hiermit beantrage ich/beantragen wir die Aufnahme in den Historischen Verein Herne / Wanne-Eickel e. V. Name: Vorname: Straße/Hausnummer: PLZ / Ort: Telefon: E-Mail Grundlage der Mitgliedscha? ist die Satzung des Vereins in der jeweils letzten von der Mitgliederversammlung beschlossenen Fassung. Die Satzung kann auf hFps://hv-her- wan.de und in der Geschä?sstelle eingesehen werden. ⃝ 18,00 € Einzelmitglied ⃝ 28,00 € Familientarif Den jährlich fälligen Beitrag zahle ich/zahlen wir: per SEPA-Lastschri?mandat (siehe Rückseite) per Überweisung Ich/wir willige/n ein, dass mich/uns der Historische Verein Herne / Wanne-Eickel e. V. per E-Mail über alle Belange des Vereins informiert. Meine / Unsere Daten werden ausschließ- lich zu diesem Zweck genutzt. Eine Weitergabe an DriFe erfolgt nicht. Ich kann / wir kön- nen die Einwilligung jederzeit per E-Mail an info@hv-her-wan.de, per Brief an die Ge- schä?sstelle, oder durch Nutzung des in den E-Mails enthaltenen Abmeldelink widerrufen. Ort, Datum Unterschri? Der Mitgliedsbeitrag wird zum 15. Februar eines jeden Jahres fällig. Satzung: hFp://hv-her-wan.de/kwt7 Datenschutzsatzung: hFp://hv-her-wan/kwa7 Historischer Verein Herne / Wanne-Eickel e.V.- Schillerstraße 18 – 44623 Herne Herner Sparkasse: IBAN: DE10 4325 0030 0003 3202 64 BIC: WELADED1HRN Der Bote im April 2020 19
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