"Der EU-Beitritt wäre ein Gewinn - an Souveränität."
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Das Magazin der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz nebs Nr. 1/2019 Interview mit Joseph Deiss «Der EU-Beitritt wäre ein Gewinn an Souveränität.» Seite 6
EDITO INHALT Die Beitrittsdiskussion WAHLEN 2019 gehört auf den Tisch 3 Die Europawahlen feiern ihren vierzigsten Jahrestag 4 «Make Europe Yourope», die Liebe Leserinnen, liebe Leser Kampagne der EBD 5 Kampagne der UEF: Es gibt wenig glückliche Momente in der desrat sind im innenpolitischen Prozess Ich wähle Europa! schweizerischen Europapolitik. Es war und unabdingbar. Dazu reicht es nicht, wenn INTERVIEW ist innenpolitisch seit Jahren ein Knorz. der Bundesrat im Rahmen einer «Konsulta- Trotzdem habe ich mich vor einigen Wo- tion» der Politik einfach mal etwas auf den 6 Joseph Deiss – «Der EU- chen gefreut. Die Aussenpolitische Kom- Tisch legt, selbst dazu aber keine Meinung Beitritt wäre ein Gewinn an mission des Nationalrates (deren Vizepräsi- haben will. Es sollte aber in gemeinsamer Souveränität.» dent ich bin) hielt in ihrer Stellungnahme Anstrengung zu schaffen sein. Mit etwas LITERATUR zum institutionellen Rahmenabkommen an Zeit und ziemlich viel Rat. 9 «Sprechen wir über Europa» den Bundesrat nämlich Folgendes fest: Und doch beschleicht mich nach all den «Das derzeitige Verhandlungsergebnis ist unzähligen Sitzungen und Kaffeepausen, AKTIVITÄTEN DER NEBS 10 Nicht abwarten, mitmachen! 11 2019–2020: das Programm Martin Naef der Nebs Co-Präsident der Nebs und SEKTIONEN Nationalrat (SP/ZH) 12 Europapolitik in einem schwierigen Umfeld YES 13 «Stop Roaming»-Kampagne: für die Abschaffung der Roaminggebühren © Nomes-Nebs EURO-MYTHEN AUFGESPIESST 14 Cool bleiben, Herr Geizhals: Sie müssen die € 22.57 ja gar nicht bezahlen … in weiten Teilen im Interesse der Schweiz. wo über das Rahmenabkommen diskutiert EU-SPOTS Der Abschluss eines Abkommens für den und gestritten wurde, immer mal wieder 15 EU-Bürgerinitiative «Housing kontinuierlichen Ausbau der Wirtschafts- die Gewissheit, dass dies nicht ewig so for all» kann starten und Handelsbeziehungen zwischen der weitergehen kann. Spürbar ist bei allen Be- 15 Am «gefährlichsten» sind Schweiz und der EU soll durch den Bundes- teiligten, dass wir grundsätzlich ganz ein- Spielsachen und Autos rat innert Jahresfrist angestrebt werden.» fach Mühe damit haben, uns etwas aus 15 ARTEFAKTE gegen Umwelt- Fünf von sechs Fraktionen in der Kommis- zusetzen, das letztlich ein offener Prozess Fake-News sion stellten sich hinter diese Einschät- mit Mitsprache, aber ohne Mitentschei- zung. Das tönt nicht nach Durchbruch. Ist dung bleibt. So sehr wir uns als Nebs für SURFEN es auch nicht. Aber angesichts des lang- das Rahmenabkommen und damit für eine 15 Junge EuropäerInnen und wierigen Gestürms rund um das institutio- weitere Vertiefung der Integration einset- ihre Lebensträume nelle Abkommen, all den geäusserten zen, so sehr ist und bleibt es unsere Auf 15 Eine Auslegeordnung zum Bedenken, ist diese Koalition für eine ver- gabe, in der Diskussion auf die Grund- Problem des Plastikmülls lässliche und stabile Beziehung zu Europa schwäche jedes Abkommens hinzuweisen: so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Der Wir sind nicht dabei, wir entscheiden nicht ist auch bitter nötig. Es ist nämlich offen- über die Zukunft Europas und damit über sichtlich, dass der Bundesrat nicht alle Klä- unsere eigene Zukunft. Das ist nicht nur rungen sofort wird herbeiführen können. bedauerlich, sondern demokratisch frag- Zu verschiedenen Punkten braucht es, würdig und das Gegenteil von souverän. wenn nicht Verhandlungen, so doch weite- Falls die Beitrittsfrage je wirklich vom Tisch re Gespräche mit der EU. Andere Präzisie- war, gehört sie darum unbedingt wieder rungen und Feststellungen durch den Bun- drauf. ★ 2 europa.ch 1/2019
WAHLEN 2019 Die Europawahlen feiern ihren vierzigsten Jahrestag Von Gilbert Casasus, Professor für Europastudien an der Universität Freiburg Die Europawahlen werden 40 Jahre alt. In de sich allein unter der Bundeshauskuppel. Vernunft und Weisheit gereift finden sie in Dabei irrt die Schweiz gewaltig. Nach den diesem Jahr in dreimal so vielen Ländern Wahlen vom 26. Mai 2019 wird sie auf der statt wie 1979, als sie in nur neun Staaten europäischen Bühne nicht im Rampenlicht über die Bühne gingen. Sie sind Symbol für stehen. Andere, dringlichere Themen war- eine viel erfolgreichere europäische Integ- ten auf Kommission und Parlament. Her- ration, als es die damalige Ost-West-Tei- ausforderungen von ganz anderer Grössen- lung erwarten liess, und sie widerspiegeln ordnung werden sie beschäftigen, wie der eine lange Reise, die die überzeugtesten mehrjährige EU-Finanzrahmen, die Steue- EuropäerInnen gegen alle Widrigkeiten be- rung der Eurozone, die Klimaerwärmung, wältigt haben. die Migrationspolitik, die EU-Erweiterung © Gilbert Casasus Zehn Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer auf dem Balkan oder Handelskonflikte mit war die Europäische Gemeinschaft ein Sy- China und den USA. nonym für Hoffnung. Ohne wirklich daran Zuvorderst wird man sich jedoch dem Bre- zu glauben, träumten etliche davon, sich ihr xit widmen. Um eine für alle akzeptable Lö- anzuschliessen – für andere war sie ein sung zu finden – vor allem aber, um dieser Gilbert Casasus hochfliegender Plan zur Veränderung ihres Posse ein Ende zu setzen, welche immer Professor Gilbert Casasus, geboren Lebens. Vierzig Jahre später ist Ernüchte- mehr einer zweitklassigen Seifenoper äh- am 9. Oktober 1956 in Lyon, ist ein rung eigekehrt: Für viele BürgerInnen ist nelt. Indem die Europäische Union briti- französisch-schweizerischer Poli- Europa die Ursache ihres Unglücks und sche Abgeordnete in Strassburg akzeptiert, tikwissenschaftler. Er absolvierte das Institut d'Études Politiques de dient als Sündenbock, um sich der eigenen diskreditiert sie sich selbst. Sie nimmt hin, Lyon (1978) und promovierte am Ge- Verantwortung zu entziehen. Das ist ein- dass gewählte Vertreter im Strassburger schwister-Scholl-Institut für Politik- fach, es fühlt sich gut an und es hilft, sich Plenarsaal sitzen, die kurz nach oder – noch wissenschaft an der Universität vor Ausländern, Migranten, Flüchtlingen schlimmer – schon vor ihrem Amtsantritt München (1985). Als Spezialist für und Brüsseler Beamten zu bewahren. aufgefordert werden, sich wieder zu verab- deutsch-französische Beziehungen Hier unterscheiden sich die SchweizerIn- schieden. Auf diese Weise schafft die EU arbeitete er zunächst für deutsch- nen kaum von anderen EuropäerInnen, mit Misstrauen unter ihren BürgerInnen: Diese französische Institutionen, bevor der einzigen Ausnahme, dass sie nicht an erleben ein rechtlich-politisches Durch er 1993 eine akademische Karriere den Europawahlen teilnehmen können. Im einander, wo die Rechtmässigkeit von in Deutschland, der Schweiz und Wohlgefühl der «Reduit-Mentalität» blei- parlamentarischen Entscheidungen im Wi- Frankreich begann; zunächst als ben sie ohne Stimme. Überzeugt davon, derspruch steht zum Bedürfnis nach demo- Dozent an der Universität Jena, später in Genf, Grenoble und vor al- ihre Unabhängigkeit zu schützen, ziehen kratischer Legitimität. Die Europawahlen, lem am deutsch-französischen eu- sie sich zurück in einen imaginären Raum, die bereits unter stetig abnehmender Wahl- ropäischen Campus der Sciences wo jegliche Übereinkunft mit der Europäi- beteiligung leiden, verdienen etwas Besse- Po Paris (2001-2008). Seit 2008 ist er schen Union ihren Interessen zuwiderläuft. res, um ernst genommen zu werden! ★ ordentlicher Professor an der Uni- Wir kennen den Rest! versität Freiburg und Direktor des Es kommt den SchweizerInnen nicht in Masterstudiengangs in Europa den Sinn, dass die EU auch bei uns ein studien an der Philosophischen Wort mitzureden hat. Frei von politischem Fakultät. Der Ritter des Verdienst Realitätssinn vergessen sie, dass das Euro- ordens Frankreich und Offizier des päische Parlament an der Wahl aller Kom- Ordens des Sterns von Italien ist missare teilnimmt, einschliesslich des Prä- auch Stiftungsratsmitglied der Fon- dation Jean Monnet pour l’Europe. sidenten. Der Umstand, dass die nächste Er wird als Spezialist für die Ge- Kommission der Schweiz weniger wohlge- schichte der europäischen Integra- sinnt sein könnte, scheint sie kaum zu be- tion und die politischen Prozesse unruhigen. Getreu dem alten Motto, dass innerhalb der Europäischen Union die Geschehnisse in Brüssel oder Strass- in der Schweiz, Frankreich und burg sie nicht betreffen, glauben sie immer Deutschland geschätzt. noch, die Schweizer Europapolitik entschei- europa.ch 1/2019 3
WAHLEN 2019 «Make Europe Yourope», die Kampagne der EBD Von Linn Selle, Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland Die Europäische Bewegung Deutschland hat sich stark für den aller Sparten: Mehr Europapolitik und die Europawahl engagiert und konzentrierte ihre Kampagne mehr Wettbewerb um europapolitische In- halte! Der Wahlaufruf, der es in die Haupt- auf drei Säulen: einen Aufruf zur Abstimmung, eine Analyse nachrichten der ARD geschafft hat, fordert des Inhalts von Parteiprogrammen und eine Mobilisierungs die Beibehaltung des Spitzenkandidaten- kampagne ihrer Mitgliedsorganisationen. prinzips, einen besseren Zugang zu Infor- mationen, weniger Propaganda und mehr Aufklärung sowie mehr proeuropäische «Natürlich Europa», «Ja zu Europa», «Euro- Gesichter und Arenen. pa. Jetzt aber richtig!» – mit diesen Slogans zogen nicht etwa die politischen Parteien in Einteilung in Pro- und Anti den Europawahlkampf, sondern grosse ge- europäerInnen ist zu einfach sellschaftliche Verbände (nämlich der Deut- Welche europäische Klima-Politik verfolgen sche Naturschutzring, der Verband der che- die Parteien, was fordern sie zum Thema mischen Industrie und der Deutsche Gleichstellung und wie wollen sie Europas Gewerkschaftsbund). Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Soli- In der heissen Phase des Wahlkampfes hat darität gewährleisten? Mit einer Tabelle, die sich der Eindruck verfestigt, dass die euro- die Positionen der Parteiprogramme in © EBD/K. Neuhäuser papolitische Auseinandersetzung der Par- Stichpunkten zusammenfasste, wollte die teien dürftig ist. Statt eines zukunftsge EBD den Wählerinnen und Wählern zeigen, richteten demokratischen Wettbewerbs für welche Inhalte sie sich bei der Europa- wurden, wenn überhaupt, nur Abwehrdis- wahl entscheiden konnten. Für die EBD kussionen geführt. Dabei sollte es um die stand dabei der demokratische Wettbe- Linn Selle besten Lösungen für dringende Probleme werb im Vordergrund – und keine verein- Linn Selle ist seit 2018 Präsiden- wie den Brexit, die Verteilung von Geflüch- fachte Einteilung in Pro- und Antieuropäe- tin der Europäischen Bewegung teten oder auch den nächsten Mehrjähri- rInnen. Deutschland e.V. (EBD). Sie wurde gen Finanzrahmen gehen. 1986 im westfälischen Havixbeck In diese Bresche sprangen die gesellschaft- Make Europe Yourope! geboren. Nach ihrem Studium der lichen Kräfte – und zwar stärker und enga- Auf direkte Aktivierung setzte die EBD-Mit- Politikwissenschaften in Bonn und gierter als vor fünf Jahren. Jenseits proeuro gliederkampagne mit dem Slogan «Make Paris absolvierte sie einen Master in European Studies an der Viadri- päischer NGOs war ein professionelles Europe Yourope!»: Ziel war es, die Wähle- na-Universität Frankfurt/Oder, wo politisches und öffentliches Campaigning zu rinnen und Wähler in ihrer jeweiligen sie 2017 ihre Promotion zur par beobachten, dass Parteien, Medien und die Lebens realität – als Unternehmerinnen, lamentarischen Haushaltshoheit breite Öffentlichkeit dazu aufforderte, die Autofahrer oder Betriebsräte – unmittelbar beim EU-Haushalt beendete. Seit Europawahl ernst- und den Wahlkampf an- anzusprechen. Die Mitgliedsorganisatio- 2014 ist sie Mitglied im Vorstand der zunehmen. Genau dort setzte auch die Ar- nen lieferten dafür die individuelle Begrün- EBD und wurde im selben Jahr mit beit der Europäischen Bewegung Deutsch- dung, die EBD das gemeinsame Anzei dem «Preis Frau Europas» ausge- land e.V. (EBD) im Europawahljahr 2019 gendesign. So ist frühzeitig ein stetig zeichnet. Hauptberuflich ist sie an, die auf drei Säulen fusste: einem wachsendes Kaleidoskop unterschiedlicher beim Verbraucherzentrale Bundes- politischen Wahlaufruf, einer inhaltlichen Testimonials für einen proeuropäischen verband tätig. Analyse der Parteiprogramme und einer Wahlentscheid entstanden, das die EBD Multiplikatorenkampagne der Mitgliedsor- auf ihrer Website präsentiert hat. Täglich ganisationen. wurde ein Motiv über die sozialen Medien gestreut. Demokratischer Wettbewerb statt Demokratie im Kleinen für die Demokratie angezogene Handbremse im Grossen – ohne den Einsatz der gesell- Drei Monate vor der Europawahl forderte schaftlichen Kräfte wäre der Europawahl- die EBD gemeinsam mit 17 Spitzenverbän- kampf nur halb so spannend gewesen. ★ 4 europa.ch 1/2019
WAHLEN 2019 Kampagne der UEF: Ich wähle Europa! Von Pauline Gessant, Vizepräsidentin der Union der Europäischen Föderalisten Wie alle fünf Jahre sind die Europawahlen unsere Ideen bei BürgerInnen und Kandi- Anlass zu einem grossen Wahlkampf der datInnen zu verbreiten, sondern sie auch Europäischen Föderalisten (UEF). In die- für unsere Sache zu gewinnen, um mehr sem Jahr läuft er unter dem Motto «I choo- Wirkung zu erzielen. Dies ist das Ziel der se Europe», «Ich wähle Europa». Das ist Verpflichtungen, die wir zur Unterzeich- mehr als ein Slogan – es ist eine Gelegen- nung vorschlagen. Die Unterzeichnenden heit, an unser Engagement für die europä- sind künftige Mitglieder der UEF und künf- ische Integration zu erinnern in einem Kon- tige Verbündete im Europäischen Parla- text, wo N ationalisten diese täglich ment, um die von uns geforderten Refor- herausfordern, in der Populisten hoffen, men voranzubringen das Europäische Parlament zu erobern, um Diese Kampagne ist auch ein Mittel zur © Pauline Gessant die EU von innen heraus zu attackieren, die Stärkung des föderalistischen Netzwerks, europäischen Institutionen zu schwächen zur Entwicklung von UEF-Sektionen mit Hil- und die europäische Solidarität in Frage zu fe «schlüsselfertiger» Aktionen, zur Bereit- stellen. Aber es geht nicht nur darum, den stellung von Argumentationshilfen und europäischen Weg zu verteidigen. Europa Lobbyinstrumenten, zur Förderung der Zu- Pauline Gessant steht heute an einem Scheideweg: Entwe- sammenarbeit zwischen der UEF und der Pauline Gessant ist seit 2003 Mit- der die BürgerInnen stimmen für Kandidat JEF (Junge Europäische Föderalisten) und glied der föderalistischen Familie. Innen, die mehr Integration wollen – oder zur Schaffung einer Mobilisierungsdynamik Von November 2011 bis Oktober wir riskieren den Zerfall und damit den Sieg für ein föderales Europa. 2015 war sie Präsidentin von JEF- Europe (Junge Europäische Föde- des Nationalismus. Diese Dynamik muss alle Bereiche der UEF ralisten), von November 2011 bis Die EU kämpft mit vielen Herausforderun- erfassen, nicht nur jene, die das Glück ha- Dezember 2014 Mitglied des Präsi- gen: begrenzte Befugnisse bei wirtschaft- ben, an den Europawahlen teilnehmen zu diums der Europäischen Bewe- lich, ökologisch und sicherheitspolitisch können. Eine stärkere EU ist ein Gebot der gung International und von Januar wichtigen Themen, ein dreifaches Demo- Stunde, um Stabilität und Wohlstand des 2009 bis Dezember 2010 Generalse- kratiedefizit, Regierungsführung und sozia- gesamten Kontinents zu gewährleisten. kretärin der Europäischen Bewe- le Gerechtigkeit. Wir stehen also vor einer Eine EU mit mehr Respekt für Umwelt und gung Frankreich. Sie ist derzeit entscheidenden Phase für die Zukunft des soziale Gerechtigkeit schafft einen nachhal- Vizepräsidentin der Union der Euro- europäischen Kontinents. Und wir bekräfti- tigeren Kontinent. Eine EU, die von ihren päischen Föderalisten, Präsidentin gen unsere Entscheidung angesichts die- BürgerInnen besser akzeptiert wird, er- von «Friends of JEF» (JEF Alumni ser Herausforderungen: Ich wähle ein zeugt Anziehungskraft für ihre kontinenta- Network) und Mitglied des Vor- stand der Europäischen Bewegung stärkeres, sozialeres, demokratischeres, len Nachbarn. Frankreich. Sie studierte Politikwis- föderales Europa! Also gemeinsam: Ja, wir wählen Europa senschaft und hat einen Master- Eingedenk der Notwendigkeit eines als unsere Zukunft! ★ Abschluss in Europäischen Projek- «Schritts vorwärts» haben die Europäi- ten auf lokaler Ebene. Sie arbeitet schen Föderalisten ein Manifest ausgear- für die französischen Verwaltung. beitet, das unsere Erwartungen an die nächste fünfjährige Legislatur des EU-Par- laments darlegt. Wir verlangen die Vollen- dung der Wirtschafts- und Währungsunion, eine kohärente europäische Einwande- rungs- und Asylpolitik, eine gemeinsame europäische Aussen- und Sicherheitspoli- tik, einen aufgestockten EU-Haushalt mit den nötigen Eigenmitteln, einen neuen eu- ropäischen Pakt gegen den Klimawandel, ein föderales System, das eine wirkungs- volle und demokratische Entscheidfindung Mehr über die Kampagne der UEF für die erlaubt. Europawahlen erfahren Sie unter www.federalists.eu/ Diese Europawahlen sind eine Gelegenheit activities/i-choose-europe/ für die Europäischen Föderalisten, nicht nur europa.ch 1/2019 5
INTERVIEW «Der EU-Beitritt wäre ein Gewinn an Souveränität.» Anlässlich der Publikation seines Buches «Kommt ein Pottwal von Steuerbord … Schilderungen einer modernen, friedlichen und glücklichen Schweiz» blickt Joseph Deiss, Alt Bundesrat und Vorsteher des Departements für auswärtige Ange- legenheiten und des Volkswirtschaftsdepartements, auf seine Jahre in der Regie- rung zurück und befasst sich mit der Frage der Beziehungen Schweiz-EU. Für ihn ist der EU-Beitritt der einzige souveräne Weg. Im Oktober 2018 haben Sie ein Buch mit dem ten Teil meiner Amtszeit als Bundesrat Prä- Titel «Quand un cachalot vient de tribord …» sident der Kommission war. Prodi schrieb (Kommt ein Pottwal von Steuerbord …) ver Geschichte, indem er die Union im Osten öffentlicht, in dem Sie die prägendsten Episo erfolgreich um zehn neue Mitglieder erwei- den Ihrer Karriere Revue passieren lassen. terte. Ich hatte ausgezeichnete Beziehun- Europa nimmt einen herausragenden Platz gen zu diesem grossen Europäer, welcher © KEYSTONE/Martin Ruetschi ein. Woher kommt Ihre Verbundenheit mit bei der Weiterentwicklung des Schweizer Europa? Dossiers immer viel Wohlwollen zeigte. Ich hatte das Glück, von klein auf zu Fragen der europäischen Integration unterrichtet Als Aussenminister haben Sie zur Unterzeich zu werden. Das war anfangs der 1960er- nung der bilateralen Abkommen I im Jahr 1999 Jahre am Collège Saint-Michel, kurz nach beigetragen, welche in einem Referendum Joseph Deiss der Unterzeichnung der Römer Verträge. von fast 70% der Bevölkerung gutgeheissen Joseph Deiss ist studierter Öko- Danach studierte ich an der Universität Frei- wurden. Was bräuchte es Ihrer Meinung nach, nom, 1984 wurde er zum Professor burg Internationale Ökonomie und unter- um eine derart grosse Unterstützung für die für Volkswirtschaftslehre und Wirt- richtete dies später auch. Schweizer Europapolitik wieder zu errei schaftspolitik an der Universität Über Jahrtausende war Europa die Heimat chen? Freiburg ernannt, wo er von 1996 bis einer grossartigen Zivilisation, die auch Der Erfolg der bilateralen Abkommen er- 1998 Dekan der Fakultät für Wirt- heute noch in die ganze Welt ausstrahlt. klärt sich aus dem Scheitern der EWR- schafts- und Sozialwissenschaften war. Als Mitglied der Christlichde- Die Schweiz bildet da keine Ausnahme und Abstimmung 1992 und der wirtschaftlichen mokratischen Volkspartei war er ist einer der vielen Bausteine dieses Ge- Lethargie, die unser Land im folgenden von 1981 bis 1991 im Grossen Rat bäudes. Ich bin stolz und ergriffen, Teil die- Jahrzehnt erfasste. Ich wünsche mir, dass des Kantons Freiburg und von 1991 ses grossen christlichen und humanisti- Fortschritte in unseren europäischen Bezie- bis 1999 im Nationalrat tätig. Von schen Abenteuers zu sein. hungen nicht mehr unter dem Druck von 1982 bis 1996 war er auch Ammann Krisensituationen erzielt werden. Unsere der Gemeinde Barberêche. Joseph Welche politischen Persönlichkeiten haben künftigen Schritte in diesem Bereich sollten Deiss war von 1999 bis 2006 Bun- die europäische Idee Ihrer Meinung nach ver auf durchdachten und kohärenten Mass- desrat, zunächst als Vorsteher des körpert oder verkörpern sie? nahmen gründen – und auf der Überzeu- Departements für auswärtige An- Neben den Gründervätern möchte ich die gung, dass sich Europa nur durch Solidari- gelegenheiten und dann für das Präsidenten der Europäischen Kommission tät und Zusammenarbeit aller seiner Teile, Volkswirtschaftsdepartement ver- antwortlich. Im Jahr 2004 war er Jacques Delors und Romano Prodi erwäh- einschliesslich der Schweiz, auf globaler Bundespräsident. Von September nen. Der erste, weil er den Drittstaaten Ebene verteidigen kann. 2010 bis September 2011 war er eine engere Form der Assoziierung über Präsident der UNO-Generalver- den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Gemäss einer aktuellen Umfrage zur schwei sammlung. ermöglichte. Der zweite, weil er im gröss- zerischen Europapolitik bleibt die öffentliche 6 europa.ch 1/2019
Mit Bundespräsident Pascal Couchepin, nach der Meinung sensibel für wirtschaftliche befleissigt sich des gleichen Populismus, Unterzeichnung der bilateralen Argumente. Sie waren Aussenminister und sobald es ernst wird. Abkommen I am 21. Juni 1999 dann Wirtschaftsminister. Waren ökonomi in Luxemburg. © KEYSTONE/Lukas Lehmann sche Argumente ausschlaggebend für die In Ihrem Buch beschreiben Sie die Schweiz von Ihnen durchgeführten Abstimmungs als ein «bescheidenes Schiffchen», das ein kampagnen? starkes Interesse daran hat, «an der Gestal Ein grosser Teil unserer Bevölkerung ver- tung seines Schicksals» und an Entscheidun steht die einfache Logik, dass es wichtig gen innerhalb der EU mitzuwirken. Was ist, gute Beziehungen zu unseren wichtigs- bedeutet der Begriff der Souveränität für Sie? ten Partnern zu haben. Ohne Zweifel sind Dank den bilateralen Abkommen ist unser unsere natürlichen Verbündeten unsere Schiff durch viele Brücken mit dem grossen Nachbarn und unser Kontinent, Europa. An- Flugzeugträger EU verbunden. 8 Millionen dererseits darf diese Verbundenheit nicht Einwohner gegenüber 500 Millionen! Je- passiv sein, wie bei den bilateralen Abkom- des Mal, wenn sich der riesige europäische «Ich hoffe, dass men, sondern souverän. Und dies wird nur Kahn bewegt, wird die fragile und kom mit umfassender Beteiligung erreicht – mit plexe Struktur der Stege und Übergänge, die Nebs ein Ort einem Beitritt. die uns mit ihm verbinden, umgestossen, der offenen und ohne dass wir den Kurs des grossen Schif- Heutzutage ist die Nebs die einzige Bewe fes beeinflussen können. Deshalb können ehrlichen Refle- gung, die für den Beitritt der Schweiz zur EU bilaterale Abkommen, so nützlich sie auch xion bleibt, mit eintritt. Wie erklären Sie sich, dass diese im Vergleich zu einer Nulllösung sein mö- Option selbst bei Befürwortern der europäi gen, nur die zweitbeste Lösung sein. unerschütterli- schen Integration der Schweiz zum Tabu Souveränität besteht für ein Land darin, Ent- chem Mut im geworden ist? scheidungen zu treffen – oder an Entschei- Durch ständiges Einhämmern negativer dungen teilzunehmen die es betreffen. Es Dienste der für Argumente, meist vereinfachend und feh- gibt Bereiche, wo es möglich ist, den unser Land lerhaft, ist es populistischen Bewegungen eigenen Willen autonom zu bilden. Dann gelungen, die natürliche Lösung – die An- muss man es auch tun. Anderseits mehren wichtigsten Ange- näherung an die EU – als «Crash»-Szenario sich die Situationen, wo es nicht möglich ist, legenheit.» darzustellen. Die Mitteparteien, die in die- den Willen anderer zu ignorieren und wo ser Frage eine Führungsrolle übernehmen sich internationale Zusammenarbeit auf- sollten, zeigen sich kleinmütig, aus Angst, drängt. In diesen Fällen müssen wir die Ent- Wähler an die nationalistische und frem- scheidungen mitbestimmen können, und denfeindliche Rechte zu verlieren. Und die bezüglich der europäischen Integration be- linke Seite, obwohl dem Beitritt zugeneigt, darf es dafür einer EU-Mitgliedschaft. europa.ch 1/2019 7
20 ANS ENSEMBLE © Joseph Deiss Mit US-Präsident Barack Obama am 23. September 2010 in New York am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Was würde die Schweizer Bevölkerung neben notwendig, sich auf das Wesentliche zu der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung konzentrieren. So wie es die Schweizer und dem europäischen Stimmrecht mit der 1848 für ihre Eidgenossenschaft taten, in- EU-Mitgliedschaft gewinnen? dem sie den Kantonen grosse Autonomie Entgegen der landläufigen Meinung bräch- beliessen. Hubert Védrine spricht dies noch te uns dies einen Gewinn an Souveränität. deutlicher aus, sinngemäss etwa so: «Es Wir würden (Entscheidungs-)Befugnisse ist unumgänglich, die angsterregenden, zurückgewinnen, die wir freiwillig aufga- haarspalterischen Spitzfindigkeiten der eu- ben, weil wir uns rausgehalten haben. Au- ropäischen Integration ausdrücklich fallen Im Oktober 2018 veröffentlichte Jo- sserdem, und diese Weisheit ist so alt wie zu lassen.» seph Deiss seine politischen Me- die Welt, würden unsere Interessen dank moiren mit dem Titel «Quand un ca- chalot vient de tribord …» (Kommt der Macht der Union auf globaler Ebene Wenn Sie der Nebs einen Rat für ihr zukünfti ein Pottwal von Steuerbord…) bei besser verteidigt. ges Engagement geben müssten, welcher Editions de l’Aire. Der geheimnis- wäre es? volle Titel bezieht sich auf ein Zitat Die Debatte über das institutionelle Rahmen Grundsätzlich gebe ich keine Ratschläge an des Seglers Olivier de Kersauson. abkommen steht seit Monaten im Zentrum der Organisationen und Verbände, denen ich Laut Deiss ist «unser Schicksal mit Schweizer Politik. Was ist Ihre Einschätzung nicht angehöre. Ich hoffe jedoch, dass die dem Europas verbunden und […] zur künftigen Entwicklung der Beziehungen Nebs ein Ort der offenen und ehrlichen Re- unter den Pottwalen ist es die EU, zwischen der Schweiz und der EU? flexion und Argumentation bleibt, mit uner- die für unser bescheidenes Schwei- Angesichts unserer zahlreichen bilateralen schütterlichem Mut im Dienste der für un- zer Boot am unausweichlichsten Abkommen mit der EU wäre es ein echtes ser Land wichtigsten Angelegenheit. ★ ist». In seinem Buch blickt er auf sei- Versäumnis, ohne Vereinbarung über Me- ne Beziehungen zu Europa zurück und zeichnet den kurvenreichen chanismen zur Lösung potenzieller Umset- Weg der Schweiz zu einer stärkeren zungskonflikte zu bleiben. Eine Ablehnung europäischen Integration nach. Als hätte jedoch viel tiefgreifendere Folgen: privilegierter Zeuge bei der Unter- Die wichtigsten bilateralen Abkommen wä- zeichnung der bilateralen Abkom- ren damit in Frage gestellt. Damit droht ein men I und II bekräftigt Joseph Deiss echter Rückschritt in unseren Beziehungen seine Unterstützung eines Beitritts zur EU, eine Art «Swexit». der Schweiz zur Europäischen Uni- on. Auch im Rest seines Quer- In welche Richtung sollte sich die EU Ihrer schnitts durch sein politisches Le- Meinung nach entwickeln, um die Herausfor ben spart er nicht mit Details. Ein derungen zu bewältigen, vor denen sie steht? Buch reich an «Schilderungen einer modernen, friedlichen und glückli- In seinem jüngsten «Face au chaos, sauver chen Schweiz». l’Europe !» verweist Hubert Védrine, ehe- maliger französischer Aussenminister, dar- Joseph Deiss, «Quand un cachalot vient de tri- bord … Récits d’une Suisse moderne, pacifique auf, was er «die richtige Formel» von Jac- et heureuse», Editions de l’Aire, Oktober 2018, ques Delors nennt, die «Föderation der 475 Seiten Nationalstaaten». Ich halte es wie er für 8 europa.ch 1/2019
LITERATUR «Sprechen wir über Europa» Von Felix Brun, ehemaliger Mitarbeiter der Nebs, Autor und Lehrer Ganz am Anfang stand für mich der Gedan- rung enthalten ist die Einsicht: Es ist kom- ke der Kompliziertheit: Europa als ein Ort pliziert, aber das darf es auch sein. Die Ver- der Kompliziertheit, als ein Ort der Verwor- einfachung – und damit meine ich ganz renheit. Als ich vor zwei Jahren mit mei- grundsätzlich den heutigen Populismus – nem Buchprojekt über Europa begann, hat fällt als Antwort auf die Frage der Kompli- diese Verworrenheit noch keine Gestalt ge- ziertheit ausser Betracht. Denn, so sieht es habt, es war eher ein Gefühl, negativ, eine auch der im Buch porträtierte Zürcher Ger- Idee, etwas, das mich verunsicherte und manist Peter von Matt, die Vereinfachung ratlos machte. braucht als Mittel zu ihrer Durchsetzung die © Nomes-Nebs/Thomas Humm Wer ist schuld an dieser Verworrenheit Gewalt: «Sobald Schüsse fallen, wird die auf unserem Kontinent, ist es die Globali- Welt einfacher. Man war in Probleme ver- sierung, ist es die EU, ist es die Digitalisie- strickt, sie sind gelöst. Man hat sich mit Fra- rung? Wie ist damit umzugehen, und ist gen herumgeschlagen, sie sind beantwor- der Mensch überhaupt dafür gemacht? Im tet.» Laufe meiner Recherchen über Schweizer Mir persönlich ist also der Begriff der Viel- Persönlichkeiten und ihre Äusserungen zum gestaltigkeit während meiner Arbeit am Felix Brun Thema Europa hat diese Verworrenheit Buch immer wichtiger geworden, ich habe Felix Brun ist Masterstudent in dann Gestalt angenommen, etwa im Be- ihn, wie man so schön sagt, liebgewonnen. Europastudien an der Universität griff der «Vielgestaltigkeit», wie ihn der im Was wäre, wenn wir die Chancen dieser Freiburg. Er arbeitete als wissen- Buch porträtierte Jean Rudolf von Salis viel- europäischen Vielgestaltigkeit erkennen schaftlicher Mitarbeiter im Gene- ralsekretariat der Neuen Europäi- fach verwendete. In einem vielgestaltigen könnten? Was wäre, wenn tatsächlich alle schen Bewegung Schweiz (Nebs) Europa lässt sich schon eher leben als in Gestalten Europas gleichberechtigt neben- in Bern und als Journalist. Aktuell einem verworrenen Europa. Facettenreich und miteinander existieren könnten? Wel- unterrichtet er am Gymnasium und ist dieses vielgestaltige Europa, und man che politischen Formen könnten diese «co- hat gerade sein erstes Buch «Spre- ahnt, dass hier alle Gestalten gleichberech- habitation», wie es der Künstler Ben Vautier chen wir über Europa» bei Hier und tigt neben- und miteinander existieren, man nennt, gewährleisten? Was wäre, wenn Jetzt veröffentlicht. Felix Brun lebt ahnt aber auch Schwierigkeiten, Kommuni- wir Europäerinnen und Europäer uns zur mit seiner Familie in Oberburg im kationsschwierigkeiten etwa, oder Identifi- Kompliziertheit und zur Verworrenheit be- Kanton Bern. kationsschwierigkeiten. Mit welcher Gestalt kennen könnten, im Wissen darum, dass Europas kann und will ich mich identifizie- diese Kompliziertheit reich ist und uns be- ren? reichert? Gemeint ist eine geistige und Es sind Schwierigkeiten, die Schweizer In- seelische Bereicherung, nicht eine materi- tellektuelle das gesamte 20. Jahrhundert elle. ★ hindurch beschäftigt haben und bis heute beschäftigen. In meinem Buch «Sprechen wir über Europa» werden diese Schwierig- keiten erlebbar, etwa in den immer wieder- Die Frage, wie weit sich die Schweiz in der kehrenden Fragen, die sich alle zehn im Aussenpolitik öffnen soll, entfachte und Buch porträtierten Persönlichkeiten ge- entfacht immer noch Leidenschaft und stellt haben: Was ist die Schweiz? Wo ist ihr Emotionen. Felix Bruns Buch rezensiert Platz in Europa? Was ist unsere Aufgabe in zehn Reden und Texte von Schweizer Per- diesem Europa? Auf viele Fragen gibt es sönlichkeiten, die das Nachdenken der auch viele Antworten, doch letztlich laufen Schweiz über ihre Beziehungen zu Europa bei den im Buch vorgestellten Persönlich- in den letzten hundert Jahren widerspie- keiten alle Fragen auf die eine Antwort hin- geln. Jeder Text wird vom Autor vorgestellt aus: Man kann sich einig sein in der Unei- und in seiner Originalversion wiedergege- nigkeit, man kann sich gleich sein in der ben. Zu den Beitragenden gehören unter anderem Gret Haller, Peter von Matt und Verschiedenartigkeit, man kann sich selbst Lukas Bärfuss. finden in der Verworrenheit. Möglich wird dies durch die europäischste aller Ideen: Felix Brun, «Sprechen wir über Europa», Hier und Jetzt, Baden, April 2019, 224 Seiten die Aufklärung. Im Bekenntnis zur Aufklä- europa.ch 1/2019 9
AKTIVITÄTEN DER NEBS Nicht abwarten, mitmachen! Von Raphaël Bez, Co-Generalsekretär der Nebs Als das Projekt der Europäischen Union noch in den Kinderschuhen Ufer des Vierwaldstättersees stattfand; die steckte, hat die Schweizer Zivilgesellschaft aktiv dazu beigetragen und UEF hielt 1947 ihren Gründungskongress in Montreux ab, und die Paneuropäische Raum für Dialog und Austausch ermöglicht. Mit ihrem Engagement auf Union des österreichischen Grafen Richard europäischer Ebene setzt die Nebs heute diese lange Tradition fort. Coudenhove-Kalergi organisierte 1947 und 1948 Treffen in Gstaad und Interlaken. Die in diesen Vorhaben engagierten Schweize- rInnen – vor allem aus der Zivilgesellschaft und nicht aus den herrschenden Klassen Eine «europäische Renaissance» wünscht stammend – teilten das Gefühl einer «eu- Europäische Bewegung Interna sich der französische Präsident Emmanuel ropäischen Mission» und glaubten zu erle- tional (EBI): Sie ist in 34 Ländern Macron. Annegret Kramp-Karrenbauer, seit ben, was auch Europa erleben sollte, näm- vertreten, vereint Akteure aus Zivil- dem Rücktritt von Angela Merkel CDU- lich ein demokratisches und harmonisches gesellschaft, Wirtschaft, Gewerk- Chefin, teilt viele dieser französischen For- Zusammenleben unterschiedlicher Kultu- schaften, NROs, politischen Par derungen nicht. Der spanische Regierungs- ren, Sprachen und Religionen. Die Europa- teien, Hochschulen und lokalen chef Pedro Sanchez hat im Europäischen Union Schweiz, die Schweizer Sektion der Behörden und setzt sich ein für die europäische Zusammenarbeit und Parlament in Strassburg für ein Europa mit UEF und Vorgängerin der Nebs, hat sich für Integration gemäss den Grundsät- föderaler Struktur plädiert. Ich könnte auch die Schaffung einer demokratischen Euro- zen des Friedens, der Demokratie, noch eine weitere Vision von Europa er- päischen Verfassung, eines Europäischen der Freiheit, der Solidarität, der wähnen: jene von Mark Rutte, dem nieder- Parlaments, eines Europäischen Bundes- Gerechtigkeit und der Achtung von ländischen Ministerpräsidenten. Diese Dis- gerichts und einer Europäischen Regie- Menschenrechten und Rechts- sonanzen sind nicht neu und uns sogar rung eingesetzt. Die Zuständigkeit dieser staatlichkeit. Die Nebs ist die ziemlich vertraut: Tatsächlich gehen die föderalen Institutionen sollte die Aussen-, Schweizer Sektion. Meinungen darüber, wohin sich der euro- Verteidigungs-, Zoll- und Geldpolitik umfas- päische Integrationsprozess bewegen soll- sen. Die offizielle Schweiz, die diesen «eu- Union der Europäischen Föderalis- te, von einem Mitgliedstaat zum anderen ropäischen Aktivisten» misstrauisch ge- ten (UEF): Sie besteht aus 24 Sek auseinander, und das schon seit langem. genüberstand und sich vor allem der tionen, ist Mitglied der EBI und bezweckt die Förderung eines fö- Vorschläge liegen jedoch vor und stehen Neutralität verbunden fühlte, wollte zur deralen Europas: einer demokrati- zur Diskussion: So veröffentlichte die Jun- Verwirklichung des europäischen Projekts schen und effizienten Europäischen cker-Kommission 2017 ein Weissbuch mit nicht beitragen. So entfaltete sich die EU Union, welche die Vielfältigkeit der fünf Zukunftsszenarien. Auch die Zivilge- ohne die Schweiz. europäischen Staaten wahrt. Die sellschaft und die Privatwirtschaft machen Heute wie in der Vergangenheit liegt es da- Nebs ist die Schweizer Sektion. sich regelmässig für Reformen stark. her an der Zivilgesellschaft, den Schweizer Raphaël Bez ist Mitglied des UEF- Innen zu ermöglichen, ihren Beitrag zu leis- Vorstands. Im Komitee der UEF ha- Und was ist mit der Schweiz? ten. Bei der Nebs wollen wir zur Entwicklung ben insgesamt neun Schweizer De- Betreffen diese Überlegungen zur der EU beitragen, ohne den Beitritt unseres legierte Einsitz. Zukunft Europas auch unser Landes abzuwarten. Letztlich sind wir ge- Land? Sollen wir uns daran be nauso EuropäerInnen wie unsere österrei- teiligen? chischen, französischen, deutschen oder italienischen NachbarInnen! Die Zukunft In der Zwischenkriegszeit und kurz nach Europas ist auch die unsrige. Daher ist un- dem Zweiten Weltkrieg stand die Schweiz ser Engagement im Rahmen der Euro immerhin im Mittelpunkt der Entwicklung päische Bewegung International und der des europäischen Projekts: Die erste Sek- Union der Europäischen Föderalisten sinn- tion der Union der Europäischen Föderalis- voller denn je. ★ ten (UEF) wurde 1934 in Basel gegründet; Winston Churchill hielt seinen berühmten Appell zur Schaffung der «Vereinigten Staa- ten von Europa» 1946 an der Universität Zürich, während die Hertensteiner Konfe- renz der Europäischen Föderalisten am 10 europa.ch 1/2019
AKTIVITÄTEN DER NEBS 2019–2020: das Programm der Nebs Von Lukas Wegmüller, Co-Generalsekretär der Nebs Mit den eidgenössischen Wahlen 2019 und der sogenannten «Begrenzungs initiative», die 2020 zur Abstimmung kommt und darauf abzielt, die Personenfrei zügigkeit mit der Europäischen Union zu beenden, hat die Nebs viel zu tun! National- und Ständeratswahlen: welche Richtung sich die Beziehungen Das Europrofil der Kandidieren- Schweiz-EU weiterentwickeln sollen. Über den unsere Website werden unsere Mitglieder Am 20. Oktober 2019 werden wir in der die Gelegenheit haben, die Fragen eben- Schweiz das neue Parlament für die nächs- falls auszufüllen und ihre Antworten mit je- ten vier Jahre wählen. Für die Nebs, für die nen des Nebs-Vorstands zu vergleichen. ProeuropäerInnen in diesem Land ist das ein Risiko, aber auch eine grosse Chance. Die Europatour 2019 Jede Stimme im Parlament, welche den Unsere jährliche Europatour wird ebenfalls öffnungsorientierten Kurs mitträgt, ist eine ganz im Zeichen der Wahlen stehen. Auf © Michael Girsberger Chance und ein Plus für uns – jede, die es Podien und Veranstaltungen werden wir im nicht tut, das exakte Gegenteil. Damit die September und Oktober versuchen, Öf- Nebs-Mitglieder wissen, welche Parlamen- fentlichkeit für einen konstruktiven Diskurs tarierInnen ihnen europapolitisch am nächs- über Europa und die EU und die dafür ste- ten stehen, geben wir Kandidierenden die henden Kandidierenden zu schaffen. «Die Nebs leistet einen wichtigen Möglichkeit, einen separaten Smartspider Beitrag zur Erklärung und Weiter- zum Thema «Europa» auszufüllen. Der da- Eine europäische Vorkampagne entwicklung der Beziehungen zwi- raus resultierende Eurospider zeigt dann Über all dem schwebt die SVP-Kündigungs- schen der Schweiz und der EU. auf, wie der oder die Kandidierende im initiative, welche voraussichtlich gegen Sie wirkt der Anti-EU Polemik ent- Spannungsfeld zwischen Abschottung und Ende des Jahres 2020 zur Abstimmung gegen und hilft, die Beziehungen Öffnung, zwischen politischer, gesellschaft- kommt. Je besser wir darauf vorbereitet der Schweiz zur EU zu sichern. Des- licher und wirtschaftlicher Integration und sind, je aktiver wir jetzt schon werden, des- halb unterstütze ich die Kampag- globaler und regionaler Zusammenarbeit to mehr Chancen haben wir, diese Abstim- nen der Nebs. Helfen Sie mit, jeder steht und was die Positionen zu verschie- mung zu gewinnen. Zurzeit erarbeiten wir Beitrag zählt!» denen europarelevanten Optionen sind. die möglichen Elemente einer Vorkampag- Michael Girsberger, Und selbstverständlich wird die Nebs dann ne, um im Moment der tatsächlichen Kam- CEO Girsberger Holding und veröffentlichen, wer uns am nächsten ist pagne bereit zu sein. Wir möchten so bald Gönnerclub-Mitglied und unsere Positionen am genausten wi- wie möglich ein proeuropäisches «Grund- dergespiegelt. Natürlich mit dem Ziel, dass rauschen» schaffen und damit den Boden viele WählerInnen davon Gebrauch machen legen für die anschliessende Kampagne. und möglichst viele ProeuropäerInnen ins Wir wollen aufzeigen, wie europäisch, wie Parlament gewählt werden. Denn diese be- länderübergreifend vernetzt unser Leben stimmen dann wieder für vier Jahre mit, in doch bereits ist. Neben den kreativen Kam- pagnenbausteinen, mit welchen wir Auf- merksamkeit generieren möchten, wollen Wenn auch Sie die Nebs unterstützen möchten, wir Falschaussagen klarstellen und inhalt- treten Sie ihr als Mitglied bei (Beitrag von 100 Fran- lich über die Vorteile einer starken Bezie- ken pro Jahr für Einzelmitglieder, 150 Franken für hung zu Europa sprechen. Ideen haben wir Paare und 40 Franken reduziert) oder als Gönne- viele – der schwierigste Part ist die Frage, rIn (Jahresbeitrag als Mitglied des Gönnerclubs worauf wir welchen Fokus legen, und wie von 500 Franken pro Jahr), schreiben Sie uns wir das alles bezahlen können. Daneben oder besuchen Sie unsere Website! analysieren wir selbstverständlich auch www.europa.ch die aktuellen Stärken und Schwächen der info@europa.ch Nebs. Und sind bemüht, in allem was wir PK 30-9024-9 machen, besser zu werden. ★ europa.ch 1/2019 11
SEKTIONEN Europapolitik in einem schwierigen Umfeld Von Jacques Ducry, Präsident der Sektion Tessin und Vizepräsident der Nebs staltung nahmen mehr als hundert Perso- nen teil. 1979, als ich jung war, haben wir mit der wertvollen Hilfe von Luzius Wasescha, ehe- maliger Schweizer Botschafter, die drei Pro- europäer-Sektionen Bellinzona, Locarno und Lugano zu einer einzigen vereint. So wirken wir seit vierzig Jahren, ohne jemals in Engagement oder Prinzipien nachzulas- sen. All dies wäre nicht möglich gewesen ohne den Einsatz, die Leidenschaft und die Beständigkeit vieler bekannter oder unbe- kannter Menschen, die die Vorurteile, die Engstirnigkeit und die populistischen Ten- denzen vieler TessinerInnen in Frage stell- ten. 2005 habe ich die Nachfolge von Fulvio Pel- li als Präsident der Tessiner Nebs-Sektion angetreten. Wir zählen heute etwa hundert Mitglieder aus allen politischen Parteien Jacques Ducry (mit Ausnahme der extremen). An dieser © Nomes-Nebs/SodaFilm Stelle möchte ich mich bei allen Mitglie- dern des Tessiner Vorstandes bedanken, 1803 rief Konsul Napoleon Bonaparte den welcher sich an der Generalversammlung Kanton Tessin ins Leben, eine Region mit vom 14. Januar 2019, wo wir auch unsere ausschliesslich italienischer Sprache und Statuten revidierten, neu gebildet hat. Kultur, welche damals von Norden her von Was uns fehlt, ist das Mitwirken junger Deutschsprachigen und von Süden her von Menschen. Immerhin ein neues junges Langobarden besetzt war. Umgeben von Mitglied ist unserem Vorstand beigetreten. Bergen, Tälern und voralpinen Seen, spie- Wir müssen jetzt alles daran setzen, dass gelt die Geografie des Tessins seine Zu- sich die young european swiss | yes auch rückgezogenheit und Verschlossenheit – im Tessin vermehrt etablieren. ausser wenn es um italienisches Geld In unserem Kanton spielt die Lega dei Tici- geht! nesi ihre bekannte Rolle, und ihr Einfluss Dementsprechend waren die BürgerInnen erstreckt sich auch auf andere politische des Kantons schon immer entschieden ge- Parteien. Jedoch missriet ihr Versuch, den gen jede Öffnung gegenüber Europa und Gemeinden zu verbieten, am 9. Mai – dem den Vereinten Nationen. Also war ich über- Europatag – die europäische Flagge zu his- rascht – und sehr glücklich –, als das Tessin sen. Es ist mir nämlich nicht ohne Stolz ge- am 25. November 2018 die sogenannte lungen, im Kantonsparlament eine Mehr- «Selbstbestimmungsinitiative» ablehnte; heit gegen dieses Ansinnen zu finden. ein sehr positives Ergebnis, zu dem wahr- Unsere Sektion arbeitet in einem schwieri- scheinlich auch das grosse Engagement gen Umfeld. Aber wir widersetzen uns, wir unserer Nebs-Sektion im Abstimmungs- glauben an Europa und wir setzen uns kampf beigetragen hat. In Massagno orga- ein… immer und immer wieder! ★ nisierten wir z. B. ein Streitgespräch zum SVP-Text und zeigten den Film «Der Staat gegen Fritz Bauer» (2015). An dieser Veran- 12 europa.ch 1/2019
YES «Stop Roaming»-Kampagne: für die Abschaffung der Roaminggebühren Von Cécile Kessler, Vizepräsidentin der young european swiss | yes In der öffentlichen Debatte wird vor allem aus nationalistischen und rechtspopulisti- schen Kreisen immer wieder betont, die EU sei überflüssig. Sie ignorieren dabei gerne die Errungenschaften, von denen die Einwohnerinnen und Einwohner Europas dank der EU profitieren: Nebst Menschen- rechtsschutz, Frieden und Sicherheit garan- tiert die EU auch umfassende Rechte zum Beispiel beim Konsumentenschutz, bei der Gesundheitsversorgung, beim Datenschutz oder bei den persönlichen Freiheiten. Während die EinwohnerInnen der Schweiz dank den Abkommen mit der EU viele die- ser Rechte ebenfalls in Anspruch nehmen können, sind sie in einem Bereich klar be- nachteiligt: bei den Roaminggebühren. Am 1. Juli 2017 wurden in der EU und im Euro- päischen Wirtschaftsraum (EWR) die Roa- minggebühren für Endverbraucher abge- Mario Tipura, Cécile Kessler und schafft. Seitdem können alle Mobiltelefon- Samuel Huber von der yes bei einer kunden aus diesen Ländern ihr Gerät zu Roaminggebühren zu unterzeichnen. Damit Unterschriftensammelaktion den gleichen Bedingungen und ohne Zu- wollen wir einerseits auf die Vorteile einer in Bern. © yes/Mario Tipura satzkosten in der ganzen EU und im EWR EU-Mitgliedschaft aufmerksam machen, an- wie in ihrem Herkunftsland verwenden. Als dererseits möchten wir die grenzüberschrei- einziges Land in West- und Mitteleuropa er- tende Vernetzung fördern. Der Grossteil hebt die Schweiz zusätzliche Gebühren auf unserer persönlichen Kommunikation läuft Surfen, Telefongesprächen und Kurznach- heute über mobile Geräte, viele unter uns richten im Ausland. Zwar behaupten inlän- haben Familie, Freunde und Bekannte in Die Petition «Stop dische Telekomanbieter immer wieder, sie anderen europäischen Ländern. Insbeson- Roaming» können hätten die Gebühren in ihren All-Inclusive- dere die «Generation Erasmus» verbringt Sie auf www. Spezialabonnementen abgeschafft. Dies viel und längere Zeit im Ausland, wo sie stop-roaming.ch sind jedoch Mogelpackungen, wo die Roa- mit ihrem sozialen Umfeld in der Schweiz unterschreiben. minggebühren im Abopreis integriert sind. ohne zusätzlichen Aufwand kommunizieren Für weitere Infos: Ungefähr 600 Franken mehr im Jahr kostet möchte. Kommunikation, reger Austausch info@y-e-s.ch. das «inOne mobile go»-Abo der Swisscom und grenzüberschreitende Unternehmun- im Vergleich zum gleichwertigen Abo ohne gen fördern das Verständnis über länderspe- freies Roaming (SRF «Espresso» vom 1. Fe- zifische Unterschiede und ebnen den Weg bruar 2019). 600 Franken müssen in der für eine gemeinsame europäische Vision. Schweiz Ansässige zusätzlich zahlen, wenn Mit Verteilaktionen und Unterschriften- sie die gleichen Dienstleistungen in An- sammlungen an Bahnhöfen, Universitäten spruch nehmen möchten wie Einwohner der und auf der Strasse machen wir auf unsere übrigen Länder West- und Mitteleuropas! Kampagne aufmerksam. Die Petition wird Diesen Misstand möchten die young euro- zu Beginn der Sommerferien eingereicht – pean swiss mit ihrer Kampagne «Stop Roa- zum Zeitpunkt, an dem die Schweizerinnen Werde Mitglied der yes! ming» beheben. Wir verlangen mit unserer und Schweizer wieder daran erinnert wer- Alle Infos sind auf unserer Petition vom Bundesrat, mit der EU ein bila- den, welche Vorteile die EU-Bürgerinnen Webseite: www.y-e-s.ch terales Abkommen zur Abschaffung der und Bürger zusätzlich geniessen. ★ europa.ch 1/2019 13
EURO-MYTHEN AUFGESPIESST Cool bleiben, Herr Geizhals: Sie müssen die € 22.57 ja gar nicht bezahlen… 1. Bis jetzt hatten sich in der Schweiz zum halten. Ist das etwa zu viel, wie Somm Zwecke der primitiven EU-Verunglimpfung suggeriert? nur Boulevardmedien und rechtsgewi ckelte Blogschreiber bei der manisch EU- 3. Der Abstecher zum – in der Tat privaten – feindlichen Londoner Presse bedient, die Abholen eines Hündchens ist keine Staatsaffä- routinemässig jedes Mückenembryo zum «EU-Chef Juncker Elefanten aufpumpt. Ab jetzt aber dürfen re, sondern ein winziges Mosaiksteinchen in Junckers mörderischem Terminplan vom 10. bis verschwendet wir offenbar britischen Anti-EU-Schwach- 12. Januar: Donnerstag: Neujahrsempfang sinn auch unserer «seriösen» Presse ent- Steuergeld!» nehmen. beim belgischen König; Flug nach Bukarest zur Eröffnung der rumänischen EU-Präsident- schaft; offizielles Dîner. Freitag: Vieraugenge- «[EU-Kommissionspräsident Jean- 2. Mit Verlaub: Das Präsidium der Europä- spräch mit Präsident Klaus Iohannis; Empfang Claude Juncker] hat auf dem Heim- ischen Kommission ist eines der anstren- aller EU-Kommissare bei Iohannis; gemeinsa- weg von einer Veranstaltung in gendsten und verantwortungsvollsten öf- me Pressekonferenz mit Iohannis; Treffen mit Bayern, wo er mit einem Preis ge- fentlichen Ämter der Welt. Der Präsident ist den Präsidenten beider rumänischer Kammern; ehrt worden war, einen dreistündi- Dienstherr über mehr als 40 000 Arbeitneh- Treffen mit der Ministerpräsidentin; Arbeitses- gen Umweg angeordnet, um ein mer, überwacht und koordiniert 28 Gene- sen der EU-Kommissare mit den rumänischen Hundeheim aufzusuchen. Hier hol- te er mit seiner Frau einen [herren- raldirektionen, hält ständigen Kontakt zu Ministern; Abflug nach München; Transfer nach losen Hund] ab. (…) Im Daily Tele den Regierungen von 28 Mitgliedländern, Tegernsee zum Ludwig-Erhard-Gipfel; Juncker graph (…) erschien ein rührendes hat sich vor dem Europäischen Parlament hält eine Rede und erhält den «Freiheitspreis Bild (…): Alle drei (…) sind über- und dem Europäischen Rat zu rechtfertigen der Medien»; Teilnahme am Dîner; Transfer glücklich. Weniger glücklich ist und muss von Amtes wegen eine erdrü- nach Vilseck; Übernachtung in einem Landgast- die Tatsache, dass Juncker für ckende Flut von Repräsentationsterminen hof. Samstag: Abholen des Hündchens im Tier- diesen (…) Abstecher (…) einen wahrnehmen. Das ist mit einer nie abrei- heim; Rückreise nach Luxemburg. Selbstver- Dienstwagen in Anspruch nahm; ssenden Kette von Reisen und einem sehr ständlich erfolgten alle Landtransporte im vermutlich liess er sich gar von spärlich bemessenen Privatleben verbun- Dienstwagen; aus Sicherheitsgründen darf ein einem Chauffeur fahren. (…) Der den. Zum Vergleich: Ein Schweizer Bundes- Amtsträger wie Juncker schon gar nicht selber Steuerzahler finanzierte diese Hun rat bezieht im Jahr 450 000 Franken, plus ans Steuer. derettung (…). Wenn man bedenkt, dass Juncker jeden Monat gut 30 000 Franken Spesenpauschale. Juncker 30 000 Franken Lohn bezieht, wird bezieht, wie Somm selber schreibt, monat- 4. Die «private» Fahrt von Tegernsee im Sü- verständlich, dass manche Leute lich 30 000 Franken, macht 360 000 Fran- den nach Vilseck im Norden der Stadt München (…) sich empören: «Gott sei Dank ken; auch er wird eine Spesenpauschale er- war ziemlich genau 250 km lang. Die Karten- kehren wir der EU bald den Rü- dienste im Internet geben an, was die durch- cken!», liess sich ein britischer schnittlichen Transportkosten einer Autofahrt Konservativer zitieren (…).» sind: € 22.57. Man fragt sich: Was geht das Kolumnist Markus Somm, SonntagsZeitung, Herrn Somm überhaupt an? Er gehört mit Ga- 20. Januar 2019 rantie nicht zu den 500 Millionen «europäi- schen Steuerzahlern», welche diese gewaltige Summe unter sich aufteilen müssen. Der von Somm zitierte «Konservative» übri- gens, ein Tory-Hinterbänkler aus Leices- tershire, vertraute dem gleichermassen europhoben Daily Express noch an: «Dies beweist eine flagrante Gering- schätzung für das Geld der Steuer- zahler.» Vermutlich war so viel verlo- gene Pathetik sogar Herrn Somm ein bisschen zu peinlich, weshalb er sie uns verschwieg. (sp)★ 14 europa.ch 2/2018
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