2030: DER SCHWEIZER TOURISMUS IM KLIMAWANDEL - MYSWITZERLAND.COM

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2030: DER SCHWEIZER TOURISMUS IM KLIMAWANDEL - MYSWITZERLAND.COM
2030: Der Schweizer Tourismus
im Klimawandel.
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2030: DER SCHWEIZER TOURISMUS IM KLIMAWANDEL - MYSWITZERLAND.COM
Autoren.
Autoren:               Hansruedi Müller/Fabian Weber, Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus (FIF) der Universität Bern

Auftraggeber/          Jürg Schmid/Martin Nydegger, Schweiz Tourismus
Projektkoordination:

Begleitgruppe:         Bruno Abegg, Geographisches Institut der Universität Zürich
                       Hans Allemann, Alpinzentrum Gstaad GmbH
                       Christen Baumann, Zermatt Bergbahnen AG
                       David Bosshart, GDI Zürich
                       Peter Felser, SFLB
                       Philippe Frutiger, Hotel Giardino Ascona
                       Mario Lütolf, STV
                       Theo Schnider, Tourismus UNESCO-Biosphäre
                       Hans-Kaspar Schwarzenbach, Arosa Tourismus
                       Roger Seifritz, Gstaad-Saanenland Tourismus
                       Andreas Züllig, Hotel Schweizerhof Lenzerheide, Hotelierverein GR

                       Bern, 21. Januar 2008

2 | Autoren
2030: DER SCHWEIZER TOURISMUS IM KLIMAWANDEL - MYSWITZERLAND.COM
Inhalt.
1. Zusammenfassung und Commitment des Schweizer Tourismus    5

2. Grundlagen                                                6
2.1 Ausgangslage – Temperaturzunahme weltweit                6
2.2 Ausgangslage – Temperaturzunahme in der Schweiz          6
2.3 Naturräumliche Konsequenzen                              8

3. Sozio-ökonomische Rahmenbedingungen                      12
3.1 Wertewandel                                             12
3.2 Reiseverhalten                                          12

4. Chancen & Risiken                                        14

5. Commitment für den Schweizer Tourismus                   17

6. Verminderungsstrategien                                  18

7. Anpassungsstrategien                                     23

8. Aktionsplan                                              26

9. Anhang                                                   27

Quellenverzeichnis                                          31

                                                                 Inhalt | 3
La Tour-de-Peilz, Genferseegebiet
Cabane de Tracuit, Wallis

1. Zusammenfassung.
Commitment des Schweizer Tourismus.
Die Klimaänderung gehört zu den grössten Herausforderungen         – Die Klimaänderung eröffnet dem Schweizer Tourismus auch
unserer Zeit. Schweiz Tourismus hat sich im Rahmen einer Pro-        Chancen, die er innovativ nutzen kann, ohne gleichzeitig den
jektgruppe eingehend mit der Thematik befasst und kommt zu           Klimaschutz zu gefährden. Dabei handelt es sich unter ande-
untenstehenden Schlussfolgerungen:                                   rem um die Konzentration des Wintersports auf hochgelegene
– Die Klimaänderung mit einer zunehmenden generellen Erwär-          Destinationen, die neue Popularität der Sommerfrische, verän-
  mung und gleichzeitig veränderten Niederschlägen wird als          derte Konkurrenzverhältnisse zwischen dem Mittelmeer und
  reale Veränderung ernst genommen. Man ist sich bewusst,            den Alpen durch mehr Sonnentage im Sommer und einem mil-
  dass der rasche Entwicklungsverlauf der aktuellen Klimaände-       deren Klima in Mitteleuropa.
  rung weitgehend vom Menschen verursacht ist.                     – Der Tourismus ist bereit, zur Verminderung der Klimagase bei-
– Der Tourismus ist wichtiger Verursacher von CO2-Emissionen         zutragen, sei es durch Energiesparmassnahmen, durch die
  als bedeutendstes Klimagas. Gleichzeitig ist der Schweizer         Förderung klimafreundlicher Verkehrsträger, durch technische
  Tourismus ein zentraler Betroffener des Klimawandels. Des-         Innovationen, durch Lenkungsabgaben auf CO2-Emissionen
  halb ist der Tourismus aufgerufen, eine aktive Klimapolitik zu     oder durch Kompensationen von Klimagasen.
  betreiben.                                                       – Der Tourismus hat unzählige Möglichkeiten, sich laufend und
– Die Klimaänderung betrifft beinahe alle Lebens- und Wirt-          vorausschauend der Klimaänderung anzupassen, angefangen
  schaftsbereiche. Der Tourismus als Querschnittsphänomen ist        bei der Entwicklung neuer Angebote über die Weiterentwick-
  deshalb nicht nur von direkten, sondern auch von indirekten        lung und Sicherung des Schneesports, die Verstärkung der
  Effekten bezüglich Land-, Forst- oder Wasserwirtschaft tan-        Gefahrenabwehr durch technische Massnahmen, die Vermin-
  giert.                                                             derung von Risiken durch organisatorische Massnahmen,
– Der Tourismus hat sich an den ökonomischen, sozialen, ökolo-       einer klaren Positionierung mit gezieltem Marketing bis hin zur
  gischen sowie politischen Entwicklungen zu orientieren und         Sensibilisierung der Branche und der breiten Bevölkerung.
  hat insbesondere Veränderungen der sozialen Werte und neue
  Konsumtrends zu berücksichtigen.                                 Der Schweizer Tourismus sollte sein Handeln an diesen Über-
– Der Tourismus ist ein zentraler Betroffener des Klimawandels,    zeugungen orientieren.
  insbesondere wegen der abnehmenden Schneesicherheit in
  unteren Lagen und der seltener werdenden Winteratmosphäre,
  den zunehmenden Wetterkapriolen und Wärmeperioden, dem
  Gletscherschwund und dem weichenden Permafrost, mög-
  lichen Landschaftsveränderungen und zunehmenden Natur-
  gefahren.

                                                                                                             Zusammenfassung | 5
2. Grundlagen.
2.1 Ausgangslage – Temperatur-                                    Abb. 1: Entwicklungsszenarien der globalen Oberflächentemperatur
                                                                          1900–2100 (IPCC 2007)
    zunahme weltweit.
                                                                                                                 Multimodell-Mittel und geschätzte Bandbreiten
Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) trägt                                                          für die Erwärmung an der Erdoberfläche
                                                                  Globale Erwärmung an der Erdoberfläche (°C)

regelmässig die Ergebnisse der weltweiten Forschungen zur
                                                                                                                                                     ©IPCC 2007: WG1-AR4
                                                                                                                              A2
Klimaänderung zusammen und veröffentlicht diese in den                                                          6,0           A1B
                                                                                                                              B1
IPCC Assessment Reports. Die Berechnungen verschiedener                                                                       konstante Jahr-2000-
                                                                                                                5,0
                                                                                                                              Konzentrationen
Klimamodelle wurden im IPCC-Bericht, der im Frühjahr 2007                                                                     20. Jahrhundert
erschienen ist, vorgestellt. Die Abbildung 1 fasst die Tempera-                                                 4,0

turveränderungen aufgrund unterschiedlicher Emissionsszena-
                                                                                                                3,0
rien mit den besten Schätzungen zusammen und zeigt die
wahrscheinliche Bandbreite auf. Für die Periode 2090–2099 ist                                                   2,0

gegenüber 1990–1999 je nach Modell und Szenario (A1, A1B
                                                                                                                1,0
etc.) eine weltweite Temperaturzunahme zwischen 1,8 und 4 °C
zu erwarten.                                                                                                    0,0
                                                                                                                                                                                                        A1FI
                                                                                                                                                                                             A1B
                                                                                                                                                                                  A1T

                                                                                                                -1,0
                                                                                                                                                                             B1

                                                                                                                                                                                        B2

                                                                                                                                                                                                   A2

 Nachgefragt: Was ist der Unterschied zwischen Wetter-
 und Klimaprognosen? Während die Wetterprognosen kurz-                                                                 1900              2000                         2100
                                                                                                                                          Jahr
 zeitige Veränderungen unterschiedlicher Wetterparameter
 wiedergeben (maximal 5 Tage), befassen sich Klimaprogno-
 sen mit Durchschnittswerten von Temperatur und Nieder-           2.2 Ausgangslage – Temperatur-
 schlag für eine minimale Periode von 10 Jahren mit einem
 Prognosehorizont von mindestens 25 Jahren.
                                                                      zunahme in der Schweiz.
                                                                  Auf Basis der Klimamodelle des IPCC berechnete die ETH
                                                                  Zürich (Frei 2004) die Veränderungen von Temperatur und Nie-
 Fazit: Gemäss dem IPCC-Bericht 2007 wird die globale
                                                                  derschlag für die Schweiz in den Jahren 2030, 2050 und 2070.
 Temperatur bis Ende des 21. Jahrhunderts um zwischen
                                                                  Dabei wurden die Alpennord- und Alpensüdseite sowie die vier
 1,8 und 4 °C zunehmen.
                                                                  Jahreszeiten unterschieden.

6 | Grundlagen
Diavolezza, Oberengadin, Graubünden

Abb. 2: Veränderungen der Temperatur gegenüber 1990 (links Alpennord-, rechts Alpensüdseite)

                                                            Alpennordseite                                                            Alpensüdseite                   Quelle: Frei 2004
                                            2030
                                            2050
                                            2070                                     7
                                                                                                                                                                7,1
                              7,0

                              6,0
                                                                                                       5,2                                                                           5,3
    Temperaturänderung (°C)

                                                                                                                                                          4,9
                              5,0               4,7
                                                                  4,8          4,7                                                         4,7
                                                                                                                         4,5

                                                                                                                                                                4
                              4,0                                                    3,8
                                                                                                                                                                               3,6
                                                                                                 3,5
                                          3,4               3,3                                                                      3,3
                                                                                                       3                                                                             3,1
                                                                                                                    3
                              3,0                                              2,7
                                                                                                                                                          2,8
                                                2,6               2,5    2,6                                             2,5               2,6      2,6

                                                                                                 2,1                                                                           2,2
                                                                                                                                                                         1,9
                              2,0   1,8
                                          1,8         1,8 1,8                              1,8                     1,8
                                                                                                                               1,7
                                                                                                                                     1,8                        2,1
                                                                                     1,9                     1,7
                                                                         1,4                                                                        1,5
                                                                                                       1,7                                                                           1,7
                                                                                           1,1                                                            1,5            1,1
                                    1                 0,9                      1,4                           0,9               0,9
                                                1,2                                                                                        1,2
                              1,0                                 1,1                            1,1                     1,2                                                   1,2
                                          0,9               0,8                                                    0,9               0,9
                                                                         0,6                                                                        0,7
                                                                                           0,5                                                                           0,6
                                    0,4               0,4                                                    0,4               0,4
                              0,0
                                        DJF            MAM                 JJA              SON                    DJF           MAM                      JJA              SON

                                                                  Jahreszeit                                                                 Jahreszeit

                                                                                                                                                                          Grundlagen | 7
Abb. 3: Veränderungen der Niederschläge gegenüber 1990

                                                                   Alpennordseite                                                                                    Alpensüdseite                    Quelle: Frei 2004

                              1,50
                                                                                                                                                     1,42

                                                  1,3
                                                                                                                                              1,26
                              1,25         1,21
                                                                                                                                                     1,16
                                                                         1,13                                                          1,13 1,11
                                       1,11 1,08 1,11             1,1
                              1,10                                                                                                                                        1,07
      Niederschlagsänderung

                                                           1,05                                                                        1,06                        1,05                                                1,06
                                       1,04                                                                                                                                                                     1,04
                                                                                                                                                            1,03                                         1,02
                                                            1     0,99 0,99                                 1 0,99 0,99
                              1,00                                                                                                                          0,98                 0,97                    0,98
                                       0,99 0,99 0,99                           0,97                       0,97                          1    1,01 1,01            0,96                                         0,96
                                                                                                                0,94                                                      0,94          0,94                           0,95
                                                                                       0,93                          0,91
                                                           0,94                 0,91                                                                                                           0,92
                                                                                              0,91                                                                               0,9                     0,93
                              0,90                                                                         0,92                                             0,91
                                                                  0,89
                                                                                       0,83                     0,86                                                                                            0,86
                                                                         0,85                                                                                      0,85                 0,81
                              0,80                                              0,82          0,77                                                                                                                     0,81
                                                                                                                       0,8
                                                                                                                                                                          0,78   0,78          0,74

                                                                                       0,69
                              0,66             2030
                                               2050                                                                                                                                     0,64

                                               2070                                           0,59

                              0,50                                                                                                                                                             0,51

                                           DJF                  MAM                    JJA                    SON                             DJF              MAM                      JJA                   SON

                                                                         Jahreszeit                                                                                       Jahreszeit

 Ausgehend vom Basisjahr 1990 zeigen die Abbildungen 4 und                                                                    schnittliche Veränderung, die beiden äusseren den minimalen
 5 die probabilistische Projektion für Temperatur und Nieder-                                                                 resp. maximalen 95% Unsicherheitsbereich.
 schlag bis ins Jahr 2030. Die mittlere Spalte zeigt die durch-

 Abb. 4: Temperaturveränderung 1990–2030 (in °C)                                                                             Abb. 5: Niederschlagsveränderung 1990–2030 (in Prozent)

                                                                   Unsicherheitsbereich                                                                                          Unsicherheitsbereich
                                     Jahreszeiten                  0,025    0,5      0,975                                                            Jahreszeiten               0,025    0,5      0,975
Nordschweiz                          Winter (Dez.–Febr.)           0,4            1                  1,8                     Nordschweiz              Winter (Dez.–Febr.)               - 1            + 4                + 11
                                     Frühling (März–Mai)           0,4            0,9                1,8                                              Frühling (März–Mai)               - 6              0                + 5
                                     Sommer (Juni–Aug.)            0,6            1,4                2,6                                              Sommer (Juni–Aug.)                - 18           - 9                - 3
                                     Herbst (Sept.–Nov.)           0,5            1,1                1,8                                              Herbst (Sept.–Nov.)               - 8            - 3                    0
Südschweiz                           Winter (Dez.–Febr.)           0,4            0,9                1,7                     Südschweiz               Winter (Dez.–Febr.)                 0            + 6                + 13
                                     Frühling (März–Mai)           0,4            0,9                1,7                                              Frühling (März–Mai)               - 9            - 2                + 3
                                     Sommer (Juni–Aug.)            0,7            1,5                2,6                                              Sommer (Juni–Aug.)                - 22           - 10               - 3
Quelle: Frei 2004                    Herbst (Sept.–Nov.)           0,6            1,1                1,9                     Quelle: Frei 2004        Herbst (Sept.–Nov.)               - 7            - 2                + 2

Die Temperatur wird in der Schweiz im Vergleich zum globalen
                                                                                                                              Fazit: Die Temperaturzunahme wird im Alpenraum tendenziell
Mittel stärker ansteigen (OcCC 2004, Rebetez/Reinhard 2007).
                                                                                                                              höher ausfallen als im globalen Mittel (OcCC 2004). Während
Dafür gibt es eine Vielzahl möglicher Gründe:
                                                                                                                              es im Sommer mehr Trockenheit geben wird, ist im Winter mit
– Die Temperatur über den Landmassen nimmt allgemein
                                                                                                                              mehr Niederschlägen zu rechnen, in unteren Höhenlagen in
  stärker zu als das globale Mittel (Kontinentalität).
                                                                                                                              Form von Regen, in oberen in Form von Schnee.
– Die Abnahme der Schneebedeckung in Gebirgsräumen führt
  durch die Änderung der Albedo (bzw. der Absorption der
  Sonnenstrahlung) zu einer zusätzlichen Erwärmung (positives
  Feedback).                                                                                                                 2.3 Naturräumliche Konsequenzen.
– Interne Schwankungen im Klimasystem mit Perioden von                                                                       Mit der Klimaänderung sind zukünftig in der Schweiz deutlich
  einigen Jahrzehnten (z.B. Nordatlantische Oszillation) können                                                              höhere Temperaturen zu erwarten. Im Alpenraum dürfte die
  durch Überlagerung zu einer Verstärkung (oder auch Ab-                                                                     Klimaänderung besonders stark ausfallen. Neben der Erwär-
  schwächung) der Erwärmung führen.                                                                                          mung sind vor allem die Änderungen bezüglich Niederschlag
– Höhere Lagen und höhere Breiten zeigen eine tendenziell                                                                    und weiterer Klimaelemente zu berücksichtigen.
  stärkere Temperaturzunahme.

8 | Grundlagen
Brunni-Schonegg mit Blick auf den Titlis, Zentralschweiz

2.3.1 Schneesicherheit.
Eine Untersuchung der Entwicklung der Schneedecke zwischen          Schneesichere Skigebiete in der Schweiz (OECD 2007)
1931 und 1999 zeigt bis in die frühen 80er-Jahre eine stetige       Region             Anzahl Erwärmung
                                                                                       Ski-
Zunahme in Bezug auf Schneemenge, Dauer der Schneebe-                                  gebiete
deckung und Anzahl Tage mit Schneefall. Seit den 80er-Jahren                                  heute         +1°C         +2°C          +4°C
machen die Daten für alle untersuchten Variablen eine markante                                Anz.     % Anz.       % Anz.        % Anz.        %
Abnahme deutlich (Laternser/Schneebeli 2003). Der Trend hin         Waadt & Fribourg    17       17   100     11 64,7       9   52,9      1    5,9
zu einem Klima mit weniger Schnee ist von der Höhenlage             Wallis             49        49   100     49   100     49   100      39   79,6
abhängig. Während Stationen über 2000 m ü. M. kaum Tenden-          Bern (ohne Jura)    26       25 96,2      22 84,6      16   61,5      3   11,5
zen zu weniger Schnee zeigen, wird die Abnahme umso                 Zentralschweiz      20       18    90     15    75     11    55       4    20
deutlicher, je tiefer eine Station liegt. Bei den Stationen unter   Tessin               4        4   100      3    75      2    50       0     0
2000 m ü. M. waren die 90er-Jahre mit grossem Abstand die           Ostschweiz          12       10 83,3       7 58,3       7   58,3      1    8,3
schneeärmste Dekade seit 1930 (Laternser/Schneebeli 2003).          Graubünden          36       36   100     35 97,2      35   97,2     30   83,3
Mit mehr Winterniederschlag werden die Schneemengen in den          Schweiz            164      159    97    142 86,6     129   78,7     78   47,6
höheren Lagen zunehmen, während in tieferen Lagen Nieder-
schlag vermehrt als Regen fallen wird. Also ist auch in einem
                                                                    Die alpinen Wintersportregionen sind unterschiedlich stark von
insgesamt milderen Klima in Hochlagen mit grösseren Schnee-
                                                                    der Klimaänderung betroffen. Eine Studie der OECD untersuch-
mengen zu rechnen. Nach einer Faustregel steigt die Schnee-
                                                                    te die natürliche Schneesicherheit (ohne technische Beschnei-
fallgrenze pro Grad um ca. 100–150 m.
                                                                    ung) der Skiregionen im Alpenraum. In der Schweiz sind auf-
                                                                    grund der Höhenlage die Tourismusregionen Wallis und Grau-
Grundsätzlich sind in tieferen Lagen folgende Tendenzen in
                                                                    bünden besonders schneesicher, während die Zentral- und
Bezug auf die Schneesicherheit wahrscheinlich:
                                                                    Ostschweiz, aber auch das Berner Oberland stärker gefährdet
– Wärmere Winter
                                                                    sind (Abb. 6).
– Späteres Einschneien
                                                                    Im internationalen Vergleich wird ersichtlich, dass die Schweiz
– Häufigere schneearme Winter
                                                                    länger – das heisst auch bei einer stärkeren Erwärmung – über
– Kürzere Winter
                                                                    schneesichere Skigebiete verfügt als die Nachbarländer
                                                                    (Abb. 7). Bei einer Erwärmung von 2°C verfügen rund 80%
 Fazit: Es ist zukünftig mit wärmeren und niederschlagsrei-
                                                                    der Skigebiete in der Schweiz noch über ausreichend Schnee,
 cheren Wintern zu rechnen. Die Schneesicherheit in tiefen
                                                                    während in Frankreich noch 65%, in Italien 68%, in Österreich
 Lagen nimmt mit der Klimaänderung ab; in höheren Lagen
                                                                    50% und in Deutschland sogar nur noch 13% der Skigebiete
 nimmt die Schneedecke zu.
                                                                    schneesicher sind.

                                                                                                                                Grundlagen | 9
Abb. 6: Schneesichere Skigebiete im Alpenraum (Abegg et al.: OECD 2007)

                                                           0                               100 km

                                                                                                                                                                                                                                          2018 8 3 1
                                                                                                                                                                                                  Schwaben/                              Oberbayern                                                         13 9 2 1 0
                                                                                                                                                                                                  Allgäu
                                                                                                                                                                                                                                                                             11 7 4 2 0               Niederösterreich
                                                                                                                                                   Ostschweiz                                                                                                            Oberösterreich

                                                                                                                                                                                                 19 9 3 2 0
                                                                                                                       Berner Zentral-
                                                                                           Alpes                     Oberland schweiz                 12 10 7 7 1
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Steiermark
                                                                                          VD+FR                                                                                                                            7975 614523
                                                                                                                                                                                 25 19 16 12 3                                             Salzburg        39 352924 9
                                                                                                                                                                                       Vorarlberg                                Tirol

                                                                                                                                                2018 15 11 4                                                                      Alto                                                                  37342617 5

                                                                                                  17 17 11 9 1
                                                                                                                                                                                 Graubünden                                       Adige                               Kärnten
                                                                                                                              26252216 3                                                                                                                                            242015 14 7
                                                                                                                                                                    3636353530
                                                                                                                                                                                                                    32312720 7
                                                                                                                                                    Ticino
                                                                      Haute-
                                                                      Savoie                                                  Valais                 4 4 3 2 0

                                                                                                                 4949494939                                                                                          Trentino                            11 7 6 5 2
                                                                                     37352718 7
                                                                                                                                                                                                                                                Friuli-Venezia-
                                                                                                                                                                                                          2019 16 14 3                                    Giulia
                                                                                     Savoie
           Isère                                                                                                                                                          6 6 6 5 4

                                                                 19 19 16 12 7
                                                                                                  42 42 403830                                                            Lombardia
                                                                                                                                                                                                                           Numbers of ski areas

                                                                                                                                18 18 16 15 5
                                                                                                  Hautes-
               4 1 0 0 0
                                                                                                  Alpes                         Piemonte
           Drôme
                                                                                   27272419 9                                   incl. Aosta

                                                                                                                                                                                                                                                                                                        D

                                                                                                                                                                                                                                                                               F                                          A
                                                                                    10 10 9 7 1
                                                                          Haute-Provence                   9 9 7 2 1                                                                                                         Total Snowreliable
                                                                                                                                                                                                                                    Present                                                 CH
                                                                                                                                                                                                                                      +1°C
                                                                                                                                                                                                                                      +2°C
                                                                                                                                                                                                                                      +4°C
                                                                                                       Alpes-                                                                                                                                                                                                             SLO
                                                                                                       Maritimes                                                                                                                                                                                  I

Abb. 7: Schneesichere Skigebiete im internationalen Vergleich (Abegg et al.: OECD 2007)

                                                       0                                                     200 km

                                                                                                                                                                                                                           Germany
                                                               Existing ski areas

                                                                  naturally snow-reliable today
                                                                                                                                                                                                                                                  100 69 28 13 3
                                                                      naturally snow-reliable
                                                                      in future (+1°)
                                                                                                                                                                    Switzerland                                                                                                            Austria
                                                                          naturally snow-reliable
                                                                          in future (+2°)                                                                                                                                                                                                               100 87 67 50 21

                                                                                                                                                                                                    100 97 87 79 49

                                                                                 naturally snow-reliable
                                                                                 in future (+4°)

                                                                                                                 France
           Cartography: Martin Steinmann, GIUZ, 2006

                                                                                                                                                                                                                                          Italy

                                                                                                                                  100 97 83 65 37

                                                                                                                                                                                                                                                       100 93 82 68 24

 Fazit: In der Schweiz sind insbesondere die Skigebiete mit                                                                                                                                                              und Wallis mehr höher gelegene Stationen aufweisen. Im
 einem hohen Voralpenanteil wie in den Waadtländer Alpen, in                                                                                                                                                             internationalen Vergleich wird die Schweiz länger, das heisst
 der Ost- und Zentralschweiz sowie das Tessin von den Kon-                                                                                                                                                               auch bei einer stärkeren Erwärmung, über schneesichere
 sequenzen der Erwärmung betroffen, während Graubünden                                                                                                                                                                   Skigebiete verfügen als die benachbarten Alpenländer.

10 | Grundlagen
2.3.2 Gletscherdynamik.                                             Fazit: Mit der Klimaänderung treten vermehrt Starkniederschlä-
Seit dem letzten Gletscherhochstand am Ende der Kleinen Eiszeit     ge auf. Zudem erhöhen der auftauende Permafrost und der
um 1850 weichen die Gletscher in der Schweiz generell zurück.       Rückzug der Gletscher das Risiko für Naturgefahren. Die Ein-
Heute gibt es noch ungefähr 2000 Gletscher, die rund 1050 km2       trittswahrscheinlichkeit für gewisse Naturgefahren, insbes. Über-
bedecken. Das sind 2,5% der Fläche der Schweiz. Zwischen            schwemmungen und Massenbewegungen, wird sich erhöhen.
1850 und 2000 verminderte sich die Fläche um über 40% und
das Volumen aller Gletscher um rund 50% (Spreafico/Weingartner
2005). Alle in im Hitzesommer 2003 haben die Alpengletscher        2.3.4 Wasserhaushalt.
weitere 8% des verbliebenen Volumens eingebüsst. Und 2004          Die Schweiz befindet sich bezüglich Verfügbarkeit von Wasser in
kamen nochmals rund 3% hinzu. In den beiden Jahren 2003/           einer günstigen Lage. Als Folge der Klimaänderung wird damit
2004 schmolz damit über 10% des Gletschervolumens dahin            gerechnet, dass das Wasserangebot im Sommer und Herbst ab-
(Zemp, Haeberli et al. 2006, S. 3). Neuste Studien zeigen, dass    nimmt, wodurch Trockenperioden zunehmen werden. Für das
bei einem Vergleich mit der Periode 1971–1990 bei einer Erwär-     Winterhalbjahr hingegen zeigen die heutigen Klimaszenarien eine
mung von 2°C rund 65% der alpinen Gletscherfläche verloren          Zunahme des mittleren Niederschlags und der Häufigkeit von
geht, in der Schweiz etwa 55% (Zemp/Haeberli et al. 2006, S. 3).   Starkniederschlägen. Zudem werden die Niederschläge häufiger
Weil rund 90% aller Gletscher der Alpen kleiner sind als 1 km2,    als Regen statt Schnee fallen und somit nicht gebunden. Mit der
muss davon ausgegangen werden, dass der grösste Teil der Glet-     Schneeschmelze ist deshalb im Frühling mit einer Zunahme der
scher in den nächsten Dekaden verschwinden wird. Neben dem         Hochwasserhäufigkeit zu rechnen. Im Sommer werden Trocken-
Wasserhaushalt und der Gefahrendisposition wird vor allem das      perioden zunehmen. Die Wasserknappheit wird in der Schweiz
Landschaftsbild wesentlich vom Gletscherschwund geprägt.           allerdings kein regelmässig auftretendes Problem darstellen.
                                                                   Möglich sind häufigere Schwankungen der Grundwasserspiegel
 Fazit: Die Klimaänderung verursacht einen starken Rück-           und entsprechende Auswirkungen auf den Wasserhaushalt einer
 gang der Alpengletscher. Insbesondere die zu erwartenden          Region, wobei lokal grosse Unterschiede bestehen können. Zu-
 heissen Sommer tragen zu einem beschleunigten Abschmel-           dem könnten Speicherung und Verteilung der Wasserressourcen
 zen der Gletscher bei.                                            (insbesonders für Beschneiung) zu häufigeren Problemen führen.

                                                                    Fazit: Mit der Klimaänderung einhergehende Veränderungen
2.3.3 Naturgefahren.                                                des Wasserhaushalts sind für den Tourismus von Relevanz.
Die Frage, ob extreme Wetterereignisse mit der Klimaänderung        Während die Niederschläge im Winter tendenziell zunehmen
häufiger werden, ist aufgrund der definitionsgemässen Selten-       werden, wird es vermehrt trockene Sommer geben. Zudem
heit von solchen Ereignissen sehr schwer zu beantworten. Je         wird die Zahl der Starkniederschläge und somit das Über-
extremer und somit seltener ein Ereignis und je kürzer die          schwemmungsrisiko ansteigen.
Dauer der Datenaufzeichnungen, desto unwahrscheinlicher ist
der Nachweis eines Trends. Nach dem heutigen Wissensstand
deutet jedoch vieles darauf hin, dass sich die Erwärmung der       2.3.5 Weitere Aspekte.
Atmosphäre auf die Intensität und Häufigkeit von Wetterextre-      Längerfristig kann die Klimaänderung das Landschaftsbild verän-
men auswirken wird. Die Wetterkapriolen und Extremereignisse       dern, wobei diese Veränderungen nur schwer abzuschätzen sind.
werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zunehmen. Zwar können          Noch kaum erforscht sind mögliche Auswirkungen auf die Son-
einzelne Extremereignisse nicht direkt mit der Klimaänderung in    nenscheindauer oder die Nebelgrenze, die für den Tourismus
Verbindung gebracht werden, doch wird für verschiedene Ereig-      ebenfalls von grosser Bedeutung wären (Müller/Weber 2007).
nistypen in Zukunft eine Zunahme erwartet.                         Von den Auswirkungen der Klimaänderung sind – zwar in unter-
Hitzewellen: Mit dem erwarteten Anstieg der Temperaturen ist       schiedlicher Intensität – beinahe alle Wirtschaftssektoren und
mit einem häufigeren Auftreten von Hitzeperioden zu rechnen.       Lebensbereiche betroffen. Durch die engen Verbindungen mit
Es ist wahrscheinlich, dass bereits gegen Ende dieses Jahrhun-     vielen dieser Bereiche ist der Tourismus auch von indirekten
derts jeder zweite Sommer so heiss oder noch heisser ausfallen     Effekten betroffen (OcCC 2007).
wird wie der Sommer 2003 (Schär et al. 2004). Hitzewellen          Landökosysteme: Ausfall von Schutzfunktionen im Alpenraum,
beeinträchtigen den Wasserhaushalt massiv und wirken sich          Veränderungen der Biodiversität.
auch auf die Vegetation und damit auf die Landschaft aus.          Landwirtschaft: Veränderte Attraktivität der Landschaft als
Hochwasser: Es ist mit einer Zunahme von Häufigkeit und            touristische Kulisse bei Verwaldung und Verbuschung (vor allem
Intensität von Starkniederschlägen zu rechnen. Das Hochwas-        bei veränderter Berglandwirtschaft).
serrisiko steigt aufgrund der Zunahme bei den Winternieder-        Wasserwirtschaft: Auswirkungen von wasserbedingten Natur-
schlägen und dem geringeren Schneeanteil in Höhenlagen             gefahren oder verändertem Wasserangebot auf den Tourismus
zwischen 1000 und 1500 m (OcCC 2003).                              (geringere Wasserstände in Seen und Fliessgewässern im
Massenbewegungen (Murgänge, Rutschungen, Fels- und                 Sommer: Baden/Personenschifffahrt), Wasserversorgung für
Bergstürze): Veränderte Hangstabilitäten durch den Rückzug         Beschneiungsanlagen.
der Gletscher und durch längerfristig auftauenden Permafrost
führen zusammen mit erhöhten und häufigeren Niederschlags-          Fazit: Die Klimaänderung betrifft beinahe alle Wirtschafts-
intensitäten zu mehr Massenbewegungen wie Rutschungen               und Lebensbereiche. Der Tourismus als Querschnittsphäno-
oder Murgängen.                                                     men ist damit in vielfältiger Weise indirekt involviert.

                                                                                                                    Grundlagen | 11
3. Sozio-ökonomische
   Rahmenbedingungen.
Die Klimaänderung stellt eine unter mehreren grossen Heraus-           – Verzicht: Der Verzicht könnte als ein neuer Trend an Bedeu-
forderungen für die Gesellschaft dar. Von den wirtschaftlichen           tung gewinnen. Insbesondere die Aufwertung der Nähe und
(Globalisierung), politischen (Kriege, Terror), ökologischen             der Langsamkeit bilden eine Chance für den Tourismus.
(Desertifikation, Wasserknappheit) und sozialen (Demographie)          – Green Company: Bestrebungen und erfolgreich umgesetzte
Veränderungen ist auch der Tourismus betroffen. Die Globalisie-          Massnahmen können als solche kommuniziert werden und
rung führt vielerorts zu einer Angleichung der Angebote. Wo              positive Imagewirkung haben.
politische Unsicherheiten zunehmen und Sicherheitsmassnah-             – Mutige Strategien: Der Mensch hat wesentliche Möglichkeiten,
men verschärft werden, wird das internationale Reisen strapa-            die Entwicklungen zu beeinflussen und zu lenken. Entspre-
ziöser. Zudem werden sich die Fernreisen verteuern. Wirtschaft-          chend sind innovative und mutige Strategien gefordert.
licher Druck führt dazu, dass die Reisemotive und damit das
Urlaubsverhalten ändern oder die Ferien kürzer werden. Der             Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass Touristen
Tourismus ist zudem stark von Veränderungen gesellschaftli-            zukünftig auf Klimafragen sensibler reagieren und auch ihr Ver-
cher Werte und von Trends im Konsumverhalten betroffen.                halten entsprechend anpassen werden. Möglicherweise wird
                                                                       dadurch die Nähe und das Einfache attraktiver, eine grosse
                                                                       Chance, die vom Schweizer Tourismus genutzt werden kann.
3.1 Wertewandel.
Die Gäste werden gemäss David Bosshart vom Gottlieb Dutt-
weiler Institut (GDI 2007) in Zukunft mobiler, älter, reifer, sozia-   3.2 Reiseverhalten.
ler, wertebewusster und weiblicher. Verschiedene Aktionsfelder         Die aktuellen Trends im Reise- und Buchungsverhalten des
werden für den Tourismus an Bedeutung gewinnen, zum Bei-               modernen Freizeitmenschen können wie folgt charakterisiert
spiel Gesundheit, Schönheit, Produktivität, Nachhaltigkeit.            werden (Müller 2005):
                                                                       – Trend zur Individualisierung: Gesucht werden flexiblere Reise-
In Zusammenhang mit klimatischen Veränderungen und deren                 angebote für unabhängiges Reisen nach eigenen Vorstellungen.
Auswirkungen auf den Tourismus können folgende vier Trends             – Trend zu Sicherheit und hohem Anspruch: Gesucht werden
hervorgehoben werden:                                                    (vermeintlich) sichere Reisen, die Kultur und Bildung vermitteln.
– Neuer Luxus: Die Schweiz hat in weiten Teilen gute Vorausset-          Sowohl rein passive Erholung wie hyperaktiver Sport sind out.
  zungen, um das Bedürfnis nach «neuem Luxus» aufzunehmen              – Trend zum Erlebnis: Gesucht werden Angebote mit intensiven
  und zu befriedigen. Mit der Klimaänderung wird der Schnee-             Erlebnissen und viel Abwechslung. Opaschowski (2000)
  sport exklusiver und kapitalintensiver.                                spricht vom «kalkulierten Wahnsinn».

12 | Rahmenbedingungen
Barrhorn, Wallis

– Trend zu mehr Wohlbefinden in den Ferien: Gesucht werden       – Die Preissensibilität nimmt zu: sowohl Billig- wie auch Luxus-
  Reiseformen, die den überreizten Menschen ganzheitlich           reisen werden wichtiger.
  beseelen. Wellnessangebote mit gesunder Ernährung, körper-     – Fernreisen gewinnen an Bedeutung.
  licher Bewegung, Schönheitspflege, vielfältigsten Therapie-    – Flugreisen gewinnen trotz steigender Flugpreise weitere
  formen und viel Erholung haben Zukunft.                          Marktanteile.
– Trend zur behaglichen Umgebung: Gesucht werden Destina-
  tionen und Ferienunterkünfte mit Atmosphäre und hohem          Diese Beschreibung der touristischen Zukunft verdeutlicht, dass
  Komfort, quasi als heimische Rückzugsnischen.                  sich einige Konfliktfelder noch zuspitzen werden, insbesondere
– Trend zu Wärme in der Ferne: Gesucht werden Reiseziele mit     der wachsende Druck auf die letzten natürlichen Reservate, die
  Sonnengarantie, insbesondere im nasskalten und nebligen        grösser werdenden Reisedistanzen und damit der zunehmende
  Winter.                                                        Energie- resp. Ressourcenverbrauch sowie der anhaltende
– Trend zu billigeren Reisen: Gesucht werden preisgünstige       «Exotismus» mit seinen Gefahren für Reisende, Bereiste und
  Angebote, die es erlauben, mehrfach zu verreisen. Überkapa-    Umwelt.
  zitäten und Internet sind die Drahtzieher dieses Trends.
– Trend zu häufigeren und kürzeren Reisen: Gesucht werden         Fazit: Der Klimawandel ist in den grossen Kontext der
  Reiseangebote, die zwischendurch Abwechslung schaffen.          Herausforderungen zu stellen: Die Globalisierung verstärkt
– Trend zu spontanen Reiseentscheiden: Gesucht werden Ange-       den Konkurrenzdruck, die Strukturprobleme den Wandlungs-
  bote mit Überraschungseffekt, die in letzter Minute gebucht     druck, die Rentabilitätsschwäche den Finanzierungsdruck, die
  werden können.                                                  technologische Entwicklung den Innovationsdruck, die demo-
– Trend zu mobilerem Reiseverhalten: Gesucht werden Reise-        graphische Entwicklung und der Wertewandel den Anpas-
  angebote mit Unterwegssein als Hauptattraktion.                 sungsdruck und die Klimaänderung den Diversifikationsdruck.

Die Deutsche Reiseanalyse hat aufgrund langjähriger Marktfor-    Die aktuellen Trends im Reiseverhalten sind: individueller, spon-
schungen die aktuellen Haupttrends der Tourismusnachfrage in     taner, häufiger, kürzer, billiger, anspruchsvoller, sicherer, exoti-
Deutschland wie folgt beschrieben:                               scher, erholsamer, erlebnisreicher. Die Reisenden werden in der
– Die Zahl der Reisenden wird nur noch gering steigen.           Tendenz vielleicht etwas umweltbewusster, handeln jedoch
– Ältere Menschen werden als Kundengruppe wichtiger –            kaum umweltverantwortlicher und zeigen beim Reisen ein sehr
  Familien mit Kindern verlieren an Bedeutung.                   opportunistisches Umweltverständnis: Umweltschäden werden
– Die Ansprüche an den Urlaub wachsen.                           dann wahrgenommen, wenn das persönliche Ferienglück in
– Die Haupturlaubsreise wird kürzer, die Ferien werden breiter   Frage gestellt ist. Und Vorsicht: Die Klimaänderung kann mit den
  verteilt.                                                      Sinnesorganen kaum oder gar nicht wahrgenommen werden.

                                                                                                         Rahmenbedingungen | 13
4. Chancen & Risiken.
Die Klimaänderung birgt sowohl Chancen als auch Risiken für den      – Wohnlage: Agglomerationsnahe Feriengebiete können sich
Tourismus. Je nach Region und Tourismusform sind diese unter-          mehr und mehr in Ausflugsgebiete oder in Wohngebiete ver-
schiedlicher Art. Die Schweiz hat jedoch bezüglich der Höhenlage       wandeln.
ihrer Skigebiete gegenüber anderen Alpenländern einen Standort-
vorteil. Im Folgenden werden mögliche Chancen und Risiken für
die Alpen, Voralpen, Seenregionen und Städte aufgezeigt.
                                                                     Seenregionen.
                                                                     – Ausflugstourismus: Die Seenregionen verfügen vor allem
                                                                       über einen starken Ausflugstourismus, der mit wärmeren Be-
Alpen.                                                                 dingungen sowohl im Sommer als auch im Winter zunehmen
– Schneesicherheit: Während im Winter in hohen Lagen die               könnte. Insbesondere der Badetourismus im Sommer stellt für
  Schneesicherheit ein Trumpf ist, stellen unsicherere Bedingun-       einige Seenregionen eine Chance dar.
  gen für tiefer gelegene Schneesportgebiete ein Risiko dar.         – Überschwemmungen: Ein Risiko für diese Regionen liegt
– Sommerfrische: Das angenehme Klima in den Bergen steigert            unter anderem in einer möglichen Zunahme von Überschwem-
  die Attraktivität der Höhe in heissen Sommern.                       mungen, die touristische Infrastrukturen gefährden und zu
– Extreme Wetterereignisse/Naturgefahren: Extreme Wetter-              einem Ausbleiben der Tagestouristen führen könnten.
  bedingungen wie Wärmeeinbrüche oder zu viel Schnee kön-
  nen insbesondere für den Wintertourismus prekär sein. Ein
  häufigeres Auftreten von Naturgefahren könnte vor allem dann
                                                                     Städte.
                                                                     – Klimaresistenz: Der Tourismus in den Städten ist im Vergleich
  zum Problem werden, wenn damit ein negatives Image von
                                                                       zu den anderen Regionen resistenter gegenüber klimatischen
  Unsicherheit entstünde.
                                                                       Veränderungen.
                                                                     – Mediterranisierung: Möglicherweise werden die Städte auf-
Voralpen.                                                              grund einer gewissen Mediterranisierung in warmen Sommern
– Ausflugstourismus: Die Voralpen sind wichtige Destinationen          für Gäste attraktiver, wobei sich zu heisse Sommer wieder
  für den Ausflugstourismus und könnten als solche insbeson-           eher nachteilig auswirken würden.
  dere im Sommer – aber auch im Frühling und Herbst – als Orte       – Sommerfrische: Insbesondere für kleine Städte in Voralpen-
  der Bergfrische profitieren.                                         nähe kann die Sommerfrische ein Thema sein.
– Schneesicherheit: Das Hauptrisiko für die Voralpen ist der         – Attraktionsverlust: Während die stadtnahen Erholungsge-
  seltener werdende Schnee im Winter, der vielerorts den Ski-          biete im Sommer wohl kaum an Attraktivität einbüssen wer-
  betrieb grundsätzlich in Frage stellt. Mittel, die in unrentable     den, fällt mit schlechteren Schneebedingungen in nahe
  Infrastrukturen investiert werden, fehlen für eine nötige Anpas-     gelegenen Skigebieten im Winter ein Verkaufsargument weg.
  sung des Angebots.

14 | Chancen & Risiken
Silsersee, Oberengadin, Graubünden

Aufgrund der Klimaänderung können folgende hauptsächlichen        Eine Einschätzung (Abb. 8) der Chancen und Risiken für den
Chancen und Risiken für den Tourismus in der Schweiz unter-       Tourismus in der Schweiz durch die Begleitgruppenteilnehmer
schieden werden.                                                  auf einer Achse zeigt, dass die Chancen für die meisten Regio-
                                                                  nen tendenziell überwiegen, vorausgesetzt, die richtigen Mass-
Chancen                         Risiken                           nahmen werden getroffen.
Attraktivitätszunahme durch     Attraktivitätsverlust in den
                                                                  Abb. 8: Einschätzungen von Chancen und Gefahren durch die Teilnehmer
Sommerfrische im Berg-          Voralpen durch verminderte                der Begleitgruppe
tourismus                       Schneesicherheit im Winter
Attraktivitätszunahme           Rückgang der Wintersportler
für Badetourismus in Seen-      durch fehlende Winteratmo-
regionen im Sommer              sphäre im Mittelland
Verbesserte Konkurrenz-         Zunehmender Investitions-
situation für hoch gelegene     bedarf zur Anpassung des
Schneesportorte im Winter       Angebots auf veränderte
im internationalen Vergleich    Bedingungen (z.B. Klimaan-
                                lagen insbesondere in Städten)
Verbesserte Konkurrenzsitua-    Zunahme der Kosten für das
tion aufgrund veränderter       Risikomanagement zum
klimatischer Bedingungen in     Schutz vor Naturgefahren
Konkurrenzräumen (z.B. zu
heisser Mittelmeerraum)
Attraktivitätszunahme           Attraktivitätsverlust durch
der Städte im Sommer            Landschaftsveränderungen
(Mediterranisierung)            (Gletscherrückzug)

Die genannten Chancen und Risiken sind als Tendenzen zu ver-
stehen. Selbstverständlich sind jeweils die lokalen Bedingungen
und der Anpassungsgrad entscheidend, wie stark sich diese
auf Tourismusdestinationen auswirken. Zudem ist zu berück-
sichtigen, dass die oben genannten Trends nur innerhalb eines
bestimmten klimatischen Spektrums wahrscheinlich sind. Bei
einer noch stärkeren Klimaänderung könnten Aspekte, die
heute eher als Chancen eingestuft werden, ebenfalls problema-
tisch werden und zu Risiken für den Tourismus führen.

                                                                                                             Chancen & Risiken | 15
Bergkristall, Furka, Wallis

Resultierende Trends                                                Abb. 9: Einschätzungen der durch die Klimaänderung verursachten
                                                                            Entwicklungstendenzen
und Tendenzen.                                                      Gästefrequenzen Sommer
Die Klimaänderung ist nur einer von mehreren Faktoren, welche
                                                                    Alpen                                                           +++
die touristische Entwicklung beeinflussen. Gerade im Wintertou-
                                                                    Voralpen                                                         ++
rismus tragen beispielsweise die fehlende Skitradition bei vielen
                                                                    Seenregionen                                                     ++
Secondos, das Wegfallen von Skilagern in den Schulen oder
moderne Familienstrukturen wesentlich zum Rückgang der im
                                                                    Städte                                                            +
                                                                    Gästefrequenzen Winter                        
Wintersport Aktiven bei (Nydegger 2004). Trotzdem können auf-
                                                                    Alpen                                                                0
grund der aufgeführten Chancen und Risiken grobe Einschät-
                                                                                                                
                                                                    Voralpen                                                          ---
zungen zu möglichen Entwicklungen von Gästefrequenzen und
                                                                    Seenregionen                                                        0
Umsätzen in Zusammenhang mit der Klimaänderung in Form
                                                                    Städte                                                              0
von Tendenzen gemacht werden.
                                                                    Umsätze pro Gästefrequenz                                            0
                                                                    Binnenmarkt                                                       ++
                                                                    Nahmärkte*                                    
                                                                                                                                      ++
                                                                    Fernmärkte**                                                         0

                                                                    * Nahmärkte Auto/Bahn, Prioritätsmärkte: CH, D, I, F, NL, UK
                                                                       Aktiv-, Wachstumsmärkte: B, Lux, Ö, Ungarn, Nordics, CZ, Pol, Sp
                                                                    ** Fernmärkte, Prioritätsmärkte: USA, JP
                                                                       Aktiv-, Wachstumsmärkte: China, Indien, GCC, Russland, Kanada

                                                                     Fazit: Die Chancen und Risiken der Klimaänderung für den
                                                                     Tourismus sind vielfältig. Eine grobe Einschätzung zeigt,
                                                                     dass insgesamt die eröffneten Chancen für die meisten
                                                                     Regionen tendenziell überwiegen. Zu den hauptsächlichen
                                                                     Verlierern gehören die Voralpenregionen.

16 | Chancen & Risiken
Denkmal Wilhelm Tell, Altdorf, Zentralschweiz

5. Commitment für den
   Schweizer Tourismus.
Die Klimaänderung ist eine der grössten Herausforderungen          – Der Tourismus ist bereit, auf innovative Art und Weise zur
unserer Zeit. Der Schweizer Tourismus hat sich eingehend mit         Verminderung der Klimagase beizutragen. Zudem hat er un-
der Thematik befasst und kommt zu den folgenden Überzeu-             zählige Möglichkeiten, sich laufend und vorausschauend
gungen:                                                              der Klimaänderung anzupassen.
– Die Klimaänderung wird als reale Veränderung ernst genom-
  men. Man ist sich bewusst, dass der rasche Entwicklungsver-      Der Schweizer Tourismus sollte sein Handeln an diesen Über-
  lauf der aktuellen Klimaänderung weitgehend vom Menschen         zeugungen orientieren.
  verursacht ist.
– Der Tourismus ist wichtiger Verursacher von CO2-Emissionen        Fazit: Der Schweizer Tourismus nimmt die Klimaänderung
  als bedeutendstes Treibhausgas. Gleichzeitig ist der Schwei-      ernst und ist bestrebt, einen aktiven Beitrag zum Klima-
  zer Tourismus ein zentraler Betroffener des Klimawandels.         schutz zu leisten.
  Deshalb ist der Tourismus aufgerufen, eine aktive Klimapolitik
  zu betreiben.
– Die Klimaänderung eröffnet dem Schweizer Tourismus auch
  Chancen, die er innovativ nutzen kann, ohne gleichzeitig den
  Klimaschutz zu gefährden.

                                                                                                                    Commitment | 17
6. Verminderungsstrategien.
Der Tourismus ist nicht nur Betroffener, sondern auch ein          Emissionen im Preis wiedergegeben werden können, soll der
wichtiger Mitverursacher der Klimaänderung. Weltweit trägt         Gast bei der Buchung die Möglichkeit erhalten, die bei der
der Tourismus rund 5% zu den CO2-Emissionen bei, wobei der         Anreise anfallenden Emissionen freiwillig zu kompensieren.
Strassenverkehr (32%), der Luftverkehr (40%) und die Beher-
bergung (21%) besonders ins Gewicht fallen (UNWTO 2007). Im         Nachgefragt: Was heisst «klimaneutral»? Die Grundidee
Vergleich zum Beitrag des Tourismus am weltweiten Bruttoin-         der Klimaneutralität besteht darin, dass primär versucht wird,
landprodukt von 3,6% bedeutet dies einen überproportionalen         möglichst wenige Treibhausgase zu emittieren und zusätzlich
Anteil.                                                             unvermeidliche Emissionen an einem anderen Ort zu kom-
                                                                    pensieren. Treibhausgase haben eine globale Schädigungs-
In der Schweiz trägt der Individualreiseverkehr wesentlich zur      wirkung. Für Verminderungsmassnahmen ist es daher wenig
Emission von klimawirksamen Gasen bei. Mit der verbesserten         relevant, an welchem Ort Emissionen entstehen oder einge-
Erschliessung, der steigenden Motorisierung und der zuneh-          spart werden. Somit können Emissionen von Treibhausgasen
menden Mobilitätsbereitschaft hat der Verkehr in den Alpen          an Ort A durch Verminderungsmassnahmen an Ort B neutra-
stark zugenommen. Ebenso wächst der mobilitätsintensive             lisiert werden. Die Kompensation der Emissionen kann durch
Kurzzeit- und Zweitwohnungstourismus. Neben den Verkehrs-           den Kauf von Emissionsminderungszertifikaten aus aner-
emissionen haben die Heiz- und zunehmend auch die Kühlener-         kannten Klimaschutzprojekten oder durch Unterstützung ent-
gie der Beherbergung einen wichtigen Anteil am touristisch          sprechender Klimaschutzprojekte erfolgen.
bedingten Ausstoss von Treibhausgasen. Insbesondere die
Zweitwohnungen fallen dabei ins Gewicht.                           Folgende Kernstrategien können zur Verminderung der Klima-
                                                                   gase unterschieden werden, wobei die Priorisierung folgender
Auch wenn sich dem Schweizer Tourismus mit der Klimaände-          Logik folgen soll: Weniger (fossile) Energie verbrauchen – Ener-
rung im internationalen Vergleich gewisse Chancen bieten, ist      gie effizienter einsetzen – auf erneuerbare Energiequellen
zu berücksichtigen, dass andere Regionen der Welt massiv von       umstellen – Ausstoss von Treibhausgasen kompensieren. Die
den klimatischen Veränderungen betroffen sein werden. Daraus       verschiedenen Verminderungsstrategien (Mitigation) können
entsteht eine Verpflichtung, mit geeigneten Massnahmen zur         grob in fünf Kernstrategien unterteilt werden:
Verminderung von Treibhausgasen beizutragen. Als Mitverur-         1. Reduktion des Energieverbrauchs resp. der CO2-Emissionen
sacher soll der Tourismus nicht nur reagieren, sondern möglichst   2. Förderung des öffentlichen Verkehrs – Optimierung des Ver-
die Verminderung als Chance sehen. Neben den tourismuspoli-           kehrsmanagements
tischen Massnahmen auf nationaler Ebene sind Massnahmen in         3. Lenkung über finanzielle Anreize – konsequente Anwendung
den Destinationen sowie in den Betrieben von Relevanz. Zudem          des Verursacherprinzips
ist anzustreben, die touristischen Angebote möglichst klima-       4. Kompensation von CO2-Emissionen
neutral zu gestalten. Während die in den Betrieben anfallenden     5. Verstärkung der Kommunikation

18 | Verminderungsstrategien
Grosser Mythen, Zentralschweiz

Verminderungsstrategien (V) für touristische Partner und Leistungsträger.
                                                                                      Wichtigkeit
                                                                                      (Einschätzungen
V1       Reduktion des Energieverbrauchs resp. der CO2-Emissionen                     der Begleitgruppe)
V 1.1    Energie- und CO2-Sparprogramme propagieren und weiterentwickeln              ••••••
V 1.2    CO2-reduziert heizen                                                         ••••••
V 1.3    Abwärmenutzung intensivieren und kommunizieren                               ••••••
V 1.4    Erneuerbare Energien fördern, auf regionale Produktion (Holz) setzen         ••••••
V 1.5    Ersatz von Kohle- und Gaskraftwerke durch alternative Anlagen befürworten    •••••
V 1.6    Gebäude besser isolieren (Wärme/Kälte)                                       ••••••
V 1.7    Antriebssysteme, Klimaanlagen energetisch optimieren (Wärme/Kälte-Dämmung)   •••••
V 1.8    Ferien- und Zweitwohnungen bedarfsgerecht heizen (Fernsteuerung)             •••••
V 1.9    Holz als Baumaterial verwenden (Bindung von CO2)                             •••
V 1.10   Regionale Produkte bevorzugt berücksichtigen                                 ••••••

V2       Förderung des öffentlichen Verkehrs – Optimierung des Verkehrsmanagements
V 2.1    ÖV-Verbindungen attraktivieren                                               ••••••
V 2.2    Alternative Treibstoffe und Antriebssysteme im ÖV propagieren                •••
V 2.3    Car-Sharing popularisieren                                                   •
V 2.4    Zubringerbusse organisieren                                                  ••
V 2.5    Alpentaxis anbieten                                                          ••
V 2.6    Parkplatzbewirtschaftung einführen/verbessern                                ••
V 2.7    Verkehrsmanagement innerorts optimieren                                      ••••
V 2.8    An-/Abflugregime im Flugverkehr verbessern                                   ••
V 2.9    Neue Mobilitätsformen unterstützen                                           ••••
V 2.10   Reisemittel attraktivieren (Anreise als Erlebnis)                            •••••
V 2.11   Anreize für ÖV schaffen                                                      •••••
V 2.12   Verbindungen, Fahrpläne optimieren                                           ••••
V 2.13   Kooperationen mit SBB etc. eingehen                                          •••••
V 2.14   Verkehrsmanagement verbessern                                                ••••

                                                                                      Verminderungsstrategien | 19
Jugendherberge, Valbella, Graubünden

                                                                                                   Wichtigkeit
                                                                                                   (Einschätzungen
V3      Lenkung über finanzielle Anreize, konsequente Anwendung des Verursacherprinzips            der Begleitgruppe)
V 3.1   CO2-Abgabe unterstützen                                                                    •••
V 3.2   Energie stärker besteuern                                                                  ••••
V 3.3   Schadstoffarme Fahrzeuge begünstigen                                                       ••••
V 3.4   Parkgebühren flächendeckend einführen                                                      •

V4      Kompensation von CO2-Emissionen
V 4.1   Klimaneutrale Produkte und Angebote schaffen                                               •••••
V 4.2   Kompensationsprojekte über Emissionshandel unterstützen                                    •••
V 4.3   Kooperation mit Kompensationspartnern eingehen                                             •••
V 4.4   Dem Gast die Möglichkeit geben, Emissionen der Anreise zu kompensieren                     ••••

V5      Verstärkung der Kommunikation
V 5.1   Klimaänderung visualisieren und Bevölkerung sensibilisieren                                •••••
V 5.2   Mit Partnern arbeiten                                                                      •••
V 5.3   Innovationen stimulieren, Anreize schaffen                                                 ••••••
Aus Sicht der Begleitgruppe liegen die Schwerpunkte bei den Verminderungsmassnahmen, den Energiesparmassnahmen
und den Kommunikationsmassnahmen.

Good-Practice-                                                   Nachhaltigkeit bei den
                                                                 Schweizer Jugendherbergen (V1).
Beispiele.                                                       Die Schweizer Jugendherbergen gehörten der ersten Gruppe
                                                                 von 45 Schweizer Unternehmen an, die mit der Energieagentur
Vielerorts sind die klimatischen Veränderungen für den
                                                                 der Wirtschaft (EnAW) eine Zielvereinbarung abgeschlossen
Tourismus bereits spürbar und einige Destinationen und
                                                                 haben. Damit verfolgten die Jugendherbergen nicht nur das Ziel
Betriebe beschäftigen sich aktiv mit entsprechenden Mass-
                                                                 einer Befreiung von einer allfälligen CO2-Abgabe, sondern auch
nahmen. Im Folgenden werden einige nachahmenswerte
                                                                 die Fortführung der bereits langjährigen Energiesparbemühun-
Beispiele im Sinn einer Ideensammlung aufgelistet.
                                                                 gen im Rahmen von Energie 2000. Diese hatten den Schweizer
                                                                 Jugendherbergen innerhalb von fünf Jahren eine Energie-Effi-

20 | Verminderungsstrategien
zienzsteigerung von 10% eingebracht. Ein Meilenstein der           ren. Mit klimaneutralen Reisepauschalen wird den Arosatouris-
besonderen Art war die Eröffnung der Minergie-Jugendherberge       ten eine neue Handlungsmöglichkeit geboten. Sie können bei
in Zermatt im Januar 2004. Der Minergie-Standard soll in           Abschluss ihrer Reise frei wählen, ob die Reise klimaneutral
Zukunft für Neubauten von Jugendherbergen zur Pflicht wer-         ausgestattet wird. Urlauber, die sich für eine klimaneutrale
den. Mit diesen Bekenntnissen zu nachhaltigem Bauen und            Reise entscheiden, erhalten als Belohnung ein Zertifikat. Für die
nachhaltiger Energieverwendung folgen die Schweizer Jugend-        Kompensation der CO2-Emissionen wurde mit dem Partnerun-
herbergen ihrem Leitbild, das dem umweltverträglichen Touris-      ternehmen ClimatePartner GmbH & Co. KG zusammengearbei-
mus eine hohe Bedeutung schenkt.                                   tet. Ausgewählt wurde ein Projekt zur Reduktion von Methan-
www.youthhostel.ch/nachhaltigkeit.html?&L=1%3BL%3D1%3Fuser         emissionen durch den optimierten Betrieb von Biogasanlagen.
                                                                   Um diese klimaneutrale Reise zu etablieren, bietet Arosa Touris-
                                                                   mus die Option der Klimaneutralität in der ersten Wintersaison
Umweltfreundliche Wärmeerzeu-                                      für ihre Gäste gratis an und übernimmt die anfallenden Kos-
gung im Hotel Badrutt’s Palace,                                    ten. Über eine Internet-Plattform werden zudem Informationen
                                                                   über die klimaneutralen Pauschalen angeboten. Mit Hilfe von
St. Moritz (V 1).                                                  CO2-Rechnern können Internetnutzer selbst erste CO2-Berech-
Bei der Sanierung der Wärmeerzeugungsanlagen strebt das
                                                                   nungen für ihre Reise durchführen.
5-Sterne-Hotel Badrutt’s Palace in St. Moritz höchstmögliche
                                                                   www.klimaneutral.net
Reduktionen in den Bereichen CO2-Ausstoss und Feinstaub-
emissionen an. Gemeinsam mit dem Elektrizitätswerk der Stadt
Zürich (ewz) wurde ein Energie-Contracting-Projekt ausgearbei-     CO2-Bilanz Davos (V 4, A 1).
tet, das den CO2-Ausstoss um 75% reduzieren wird. In der Zwi-      In der umfassenden Studie des Eidgenössischen Instituts für
schenzeit bekundete die Gemeinde St. Moritz Interesse daran,       Schnee- und Lawinenforschung wurden alle CO2-Emissionen
auch das Schulhaus Grevas in die umweltfreundliche Wärme-          und -Senken in Davos berechnet, Wege zur Reduktion der
erzeugung einzubeziehen.                                           Emissionen evaluiert und konkrete Massnahmen zu deren Reali-
Das Badrutt’s Palace und das Schulhaus Grevas werden               sierung vorgeschlagen. Die Wärmeerzeugung ist die grösste
zukünftig mit Wärme beheizt, die dem St. Moritzersee entzogen      CO2-Quelle in Davos (75% der Emissionen). Durch den Verkehr
und mittels Wärmepumpe auf das erforderliche Temperatur-           werden 19 000 Tonnen CO2 jährlich emittiert, was 17% des
niveau gebracht wird. Fauna und Flora bleiben unbeeinträchtigt;    Gesamtvolumens entspricht. Die Studie zeigt, dass der jährliche
auch die zahlreichen Veranstaltungen auf dem See können wie        Pro-Kopf-Ausstoss an CO2-Emissionen in Davos aufgrund des
bisher durchgeführt werden. Durch die jährliche Reduktion von      kühleren Klimas um mindestens 25% höher liegt als im schwei-
ca. 475 000 Litern Heizöl und 1200 Tonnen CO2 leisten das          zerischen Mittelland. Die Studie zeigt auch, dass Davos in
Badrutt’s Palace und die Gemeinde St. Moritz einen grossen         erstaunlich hohem Mass von fossilen Brenn- und Treibstoffen
und wertvollen Beitrag zur Reduktion der Schadstoffbelastung       (Erdöl, Diesel und Benzin, Gas) abhängig ist. Erstmals werden
im Engadin (ewz 2006).                                             in der Studie den CO2-Emissionen auch die CO2-Senken gegen-
www.stadt-zuerich.ch/internet/ewz/home/medien/                     übergestellt, das heisst die Faktoren, die das klimaschädigende
medieninformationen/mitteilungen_2006/240306.html                  CO2 binden. Trotz ausgedehnter Waldflächen erreichen die Sen-
                                                                   kenleistungen durch den Naturraum und das verbaute Holz nur
                                                                   12% der Emissionen. Die Studie zeigt, dass sich in Davos am
Energiebewusste Swiss Hotels von                                   meisten CO2 einsparen liesse, wenn der Energieverbrauch für
Best Western (V 1).                                                die Wärmeerzeugung vermindert wird. Die Forschenden haben
Zahlreiche Best Western Swiss Hotels haben Massnahmen um-          60 Massnahmen bezüglich ihrer Auswirkungen auf die CO2-
gesetzt, um Energie aus fossilen Energieträgern zu sparen. So      Bilanz sowie ihres Umsetzungspotenzials für die Landschaft
hat beispielsweise das Hotel Bahnhof-Terminus in Davos schon       Davos geprüft. Es wurden Kosten-Nutzen-Abschätzungen vor-
vor zehn Jahren Sonnenkollektoren auf dem Dach installiert und     genommen, die beteiligten Akteure identifiziert und
bis heute rund vier Bahnwagen Heizöl eingespart. Oder das          konkrete Vorgehensschritte für die Gemeinde vorgeschlagen.
Hotel Bellevue au Lac war das erste Hotel in Lugano mit einer      www.slf.ch/media/co2/welcome-de.html
Solarzellenanlage. Oder das an der Autobahn A1 gelegene Hotel
Grauholz bei Bern installierte eine Wärmepumpe mit Erdsonde.
www.bestwestern.ch                                                 Clean Energy in St. Moritz (V 1).
                                                                   St. Moritz hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Europas höchst-
                                                                   gelegene Energy City zu werden. Im Juni 2003 wurde in
Klimaneutrale Winterpauschalen                                     St. Moritz ein Hauptbestandteil des Gesamt-Energieprojekts
in Arosa (V 4, V 5, A 5, A 6).                                     «Clean Energy St. Moritz» eingeweiht, das erneuerbare Energien
Durch die Einführung der klimaneutralen Winterpauschalen sol-      aus Wasserkraft, Wind, Sonne und Biogas fördert. Dank durch-
len die touristischen Akteure (vom Tourismusverband über die       schnittlich 322 Sonnentagen im Jahr bietet St. Moritz beste
Hoteliers, Gastwirte und Skiliftbesitzer bis zu den Gästen) zu     Standorte für Solarstromanlagen. Auf einer Höhe zwischen 1770
einem klimafreundlichen Verhalten angeregt werden. Da sich         und 3057 m ü. M. produziert eine Photovoltaikanlage Strom.
Treibhausgase ohne die (aus touristischer Sicht nicht erwünsch-    Neben der direkten Sonneneinstrahlung kann durch den Albe-
te) vollkommene Einstellung der Reisetätigkeit nicht vollständig   do-Effekt auch die vom Schnee reflektierte Strahlung genutzt
vermeiden lassen, wurde durch die Sustainable Partner GmbH         werden, was zu einer Leistungssteigerung von zeitweise bis zu
eine Möglichkeit geschaffen, diese Emissionen zu neutralisie-      50% führt.

                                                                                                      Verminderungsstrategien | 21
Initiiert wurde die Solaranlage vom Verein Clean Energy. «Clean
Energy St. Moritz» kostete rund eine Million Franken. Entlang
                                                                    Autofreie Orte (V 2).
                                                                    Mehrere traditionelle Schweizer Tourismusorte haben sich zur
der Strecke der Corviglia-Standseilbahn zieren 162 Photovol-
                                                                    Gemeinschaft Autofreier Schweizer Tourismusorte zusammen-
taik-Module die Geländer. Die Südfassade der Piz-Nair-Berg-
                                                                    geschlossen und sind für eine hohe Umweltqualität bemüht.
station (3030 m ü. M.) wurde komplett mit Solarstrommodulen
                                                                    www.gast.org
ausgestattet, der Gipfel mit einer speziellen Windturbine. Später
wurde auch die Fassade der Talstation der Piz-Nair-Bahn mit
einer Photovoltaikanlage ausgerüstet. (SSES 2003)                   Produktegruppen wie Human
www.stmoritz.ch/clean-energy-tour--002-011001-de.htm
                                                                    Powered Mobility, Schweiz Mobil
Alpine Pearls (V 2).                                                usw. (V 2).
                                                                    www.humanpoweredmobility.ch, www.schweizmobil.ch
Rund 20 Ortschaften aus AT, DE, IT, FR und CH haben sich
unter dem Titel www.alpinepearls.com zusammengetan, um
die sanfte Mobilität zu fördern. Aus der Schweiz sind Interlaken    Gratis Ortsbus (V 2).
und Arosa dabei, und diese beiden Orte sind auch die mit            Verschiedene Orte bieten gratis Ortsbusse oder Sammelbusse
Abstand am besten per ÖV erschlossenen der ganzen Gruppie-          ins Skigebiet an. In Arosa beispielsweise fährt ein mit
rung.                                                               Greenergy betriebener Gratisbus ganzjährig im Taktfahrplan
www.alpine-pearls.com                                               durchs Dorf.

Grosswärmeverbund in Gstaad-                                        Energiesparmassnahmen am Fuss
Saanenland (V 1).                                                   des Matterhorns (V 1).
Die geplante Anlage eines Grosswärmeverbunds soll alle              Die Zermatter Bergbahnen haben unterschiedliche Energiespar-
zukünftigen Vorschriften betreffend Lufthygiene erfüllen und        massnahmen lanciert:
über 90% der Wärme mit Energieholz erzeugen.                        – Durch zusätzliche Tankstellen auf dem Klein Matterhorn kön-
www.energiezukunftschweiz.ch/ezs/aktuell/aktuell.php?news_ID=4        nen jährlich 10 000 Liter Dieselöl eingespart werden, da die
                                                                      Pistenfahrzeuge zum Tanken nicht zurück zum Trockenen Steg
                                                                      müssen.
Heizen mit Holzschnitzeln und                                       – Im Bahngebäude Blauherd werden im Sommer 2008 alle be-
brennbaren Abfällen im Unique                                         heizten Räume isoliert und eine Wärmepumpe mit Erdsonden
                                                                      erstellt. Dadurch ergibt sich eine Energieeinsparung von 80%.
Hotel Appenberg (V 1).                                              – Auf dem Klein Matterhorn wird 2008 ein Restaurant mit 130
www.enaw.ch/content.cfm?ek_id=71ª4786ª-04B3-4905-
                                                                      Sitzplätzen, Souvenirshop und 40 Schlafplätzen als Minergie-
A16C6ª1777C3B761&type=pdf&filetype=pd
                                                                      P-Gebäude erstellt.

Nachhaltigkeitsstrategie der                                         Fazit: Die Verminderungsmassnahmen sind äusserst viel-
                                                                     schichtig und folgen der Logik: weniger (fossile) Energie ver-
Reka-Feriendörfer (V 1).                                             brauchen – Energie effizienter einsetzen – auf erneuerbare
Auch die Reka setzt auf erneuerbare Energien. Das Feriendorf
                                                                     Energiequellen umstellen – Ausstoss von Treibhausgasen
in Hasliberg wird zu 40% mit Solarenergie betrieben. In Disentis
                                                                     kompensieren – Kommunikation verstärken.
wurde eine Million Franken investiert, um den Minergie-Stan-
dard zu erreichen. Das Feriendorf wird komplett mit Pellets
                                                                    Diese und weitere Good-Practice-Beispiele aus dem Alpenraum
beheizt. Das Feriendorf Urnäsch wurde im Minergie-Standard
                                                                    zum Bereich Energie finden Sie unter www.stnet.ch
gebaut. Die Häuser wurden mit einheimischem Holz erstellt.
Damit wird CO2 während längerer Zeit gebunden.

Coaster (V 2).
Im Frühsommer 2007 wurde in Arosa die erste Monorail der
Schweiz eröffnet. Sie führt die Gäste des Tschuggen-Hotels
direkt ins Skigebiet. Das Grand-Hotel spart so rund 100 Taxifahr-
ten täglich.
www.seilbahn.net/index_old.htm?newsline/coaster.htm

22 | Verminderungsstrategien
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