Der Islamische Raum Architektur und Kontext - Hosted By One ...

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Der Islamische Raum
-- Architektur
und Kontext
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Der Inhalt               82
                                                     Die Ursprünge des Architektur-
                    2                                begriffs der Wüstenvölker
                    Das Projekt, das Thema und
                    mein Blickwinkel                 90
                                                     Ammar Khammash: Sins and
                    6                                Solutions in Architecture with
                    Die Entwicklung des Hofhauses    Modesty
                    und das Paradies
                                                     104
                    12                               Ein Raumbegriff und ein gegen-
                    Spanien                          wärtiges Potential

                    14                               108
                    Spuren des letzten Emirats der   Bildverzeichnis
                    Nasriden in Granada

                    28
                    Der königliche Palast und die
                    Kathedrale von Sevilla

                    40
                    Die Herleitung der Moschee,
                    der heilige Raum des Islam

                    44
                    Das iberische Zentrum der
                    islamischen Welt in Córdoba

                    58
                    Ägypten

                    60
                    Die Moschee gegen Le Corbusier
                    in Kairo

                    72
                    Die Wüste und der islamische
                    Begriff der Urbanität

                    80
Für meine Eltern.   Jordanien
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Das Projekt                                Das Thema

Das Projekt,
                            Erst einmal die Frage                     Auf der Hand lag nun der
                  nach dem Warum.                            Kontext für diese Reise; die Länder,
                            Diese Frage ist in Wirk-         die Kultur und die Architektur: der

das Thema und
                  lichkeit schwerer zu beantworten           islamische Raum. Verstanden so-
                  als hier vielleicht nötig. Am Anfang       wohl als geographischer Bereich,
                  stand neben einem grundlegen-              wie auch als gebaute Räume,
                  den Opportunismus der Aspekt,              die uns umgeben und unser Ver-

mein
                  dass ich einige der betrachteten           halten und Wohlbefinden ununter-
                  Länder besuchen würde, oder                brochen beeinflussen. Im Fokus
                  schon immer besuchen wollte.               stehen also die Besonderheiten
                  Daraufhin habe ich mich gefragt            und die unverwechselbare Sprache
                  wie ich diese Reisen geogra-               der islamischen Architektur.
                  phisch und thematisch sinnvoll                      Weiterhin besteht nicht
                  verknüpfen könnte. Und nicht               nur der Kontext, gegeben durch

    Blickwinkel
                  zuletzt die Tatsache, dass diese           die islamische Kultur selbst,
                  Länder eine Kultur und Architektur         sondern auch der Kontext, welcher
                  beheimaten, welche mir bisher              diese Kultur umgibt. Das heißt, die
                  völlig fremd und unbekannt war,            verschiedenen Länder und ihre
                  mich aber aus der Ferne immer              vorhandenen Kulturen, Strukturen
                  schon fasziniert hat.                      und Landschaften. So findet sich
                            Gepaart mit einer grund-         in den drei betrachteten Ländern,
                  legenden Neugier an allem, was             Spanien, Ägypten und Jordanien,
                  fremd und unbekannt ist, ent-              eine breite Vielfalt an interes-
                  stand so der Wunsch, im Rahmen             santen Kontexten, welche ihren
                  dieses Projektes, eine neue Weise          ganz eigenen Stempel auf den in
                  zu finden, sich auf das Fremde             ihnen gewachsenen islamischen
                  einzulassen und im besten Fall             Raum drückten.
                  am Ende mit mehr zurückzu-
                  kehren, als nur ein paar schönen                   Aufgrund des frei for-
                  Erinnerungen und vielen Fotos.             mulierten Charakters dieser
                                                             Arbeit und den unterschiedlichen
                                                             Quellen, darunter vor Ort gesam-
                                                             melte schriftliche oder mündliche
                                                             Informationen, verzichte ich
                                                             auf Quellennachweise. Obwohl
                                                             die Informationen nach bestem
                                                             Willen von mir überprüft wurden,
                                                             müssen die Texte eher als ein
                                                             begleitender Bericht zu dem
                                                             Erlebten verstanden werden.
         2                                               3
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Mein Blickwinkel                   verschiedenen Architekturen er-
                                           kennen lassen, welche zwangs-
          Um herauszufinden, wie           läufig dicht mit unseren Gesell-
ich mich der Sache nähern würde,           schaftsstrukturen und deren
fing ich an ein Notizbuch zu führen.       Fundamenten vernetzt ist. Zu
Klar war, dass ich die Entwicklung         diesem Zweck habe ich versucht,
des Projekts auf eine auf den              Raumerfahrungen zu formulieren
Moment bezogene Weise gestalten            und meine Eindrücke beim Erleben
wollte, durch das unmittelbare             der Räume festzuhalten.
Festhalten von Informationen,                        Was ich im Laufe des
Eindrücken und Zeichnungen.                Projektes feststellen konnte waren
          Zudem stolperte ich              kleine, aber stetige Veränderun-
während der Vorbereitung unver-            gen in der Wahrnehmung meiner
hofft über eine analoge Spiegel-           Umgebung. Während andere von
reflexkamera mit verschiedenen             einem Eindruck zum nächsten
Objektiven. Daraus entstand der            hetzten, zwang ich mich länger
Gedanke, die Dokumentation in              still zu sitzen und hinzuschauen.
Bildform nicht wie üblich durch            Für manche Fotos wartete ich
beiläufige Aufnahmen und späteres          minutenlang, nur um am Ende
Aussortieren an überflüssigen              doch nicht den Auslöser zu drücken.
Fotos anzugehen. Meine Ver-                Viele Motive wurden verworfen,
mutung war, dass mich die Kost-            oder so lange ins Bild gerückt, bis
barkeit und Einzigartigkeit des            sie das verrieten was ich suchte.
einzelnen Bildes, sowie die Unge-          Ich stellte fest, dass ich mehr
wissheit, ob ich hierbei brauch-           fokussierte, über Perspektiven
bare Aufnahmen erzeugen würde,             und Zusammenhänge nach-
dazu verleiten würden, länger an           dachte, generell mehr dachte. Und
einem Ort zu verweilen und da-             vielleicht dabei tatsächlich öfters
bei genauer hinzuschauen, ob               über etwas bewundernswertes
vielleicht etwas zu entdecken ist,         stolperte. Für die Möglichkeit,
was ich sonst im Vorbeihuschen             diesen Versuch zu unternehmen,
übersehen hätte.                           bin ich sehr dankbar.
          Ein generelles Ziel war
es, die These zu testen, ob es
objektive Raumeindrücke gibt,
also Wirkungen von unserer
gebauten Umwelt auf unsere
Synapsen, welche bei verschie-
denen Personen die gleichen
Reaktionen und Empfindungen
hervorrufen. Dadurch müsste
sich eine Art Sprache der
                                       4                                         5
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Der Ursprung

Die Entwicklung
                             Um den Charakter der
                    islamischen Architektur zu ver-
                    stehen, muss man sich ein Bild

des Hofhauses und
                    davon machen, wie und wo diese
                    Baukultur ihren Ursprung hat.
                    Dabei stößt man unumgänglich
                    auf den Kontext der Nomaden-

das
                    kulturen, welche sich im Maghreb
                    und im Mittleren Osten unter
                    den dort herrschenden extremen
                    Bedingungen entwickelt haben.
                    Diese Kulturen, denen große bau-         wurde anschließend nach Innen
                    liche Monumente fremd waren,             gebaut. Die vereinzelten Hütten
                    prägten und verbreiteten das             öffneten sich zum Zentrum hin,

      Paradies
                    Raumverständnis im Islamischen           in dem sich gewöhnlich eine
                    Mittelmeerraum.                          Feuerstelle befand und oft die
                             Ein besonders interes-          Wertvollsten Gegenstände und
                    santer Schritt, der auch den Raum        das Vieh aufbewahrt wurden.
                    definiert hat, war die frühe Ent-        Die Eingangstür befand sich hier
                    wicklung des Hofhauses. Diese in-        nicht in der Wand der Hütten,
                    trovertierte Urform des familiären       sondern in der Wand des Hofes,
                    Wohnraums bot viele Vorteile             Besucher warteten dort auf Ein-
                    unter den Bedingungen des                lass. Diese Form der geschützten
                    Nordafrikanischen Mittelmeer-            Behausung findet man noch heute
                    raums. So wurden die Bewohner            in Bereichen Afrikas, meist be-
                    durch die geschlossene Mauer             wohnt von großen Familien oder
                    ringsum vor wilden Tieren, feind-        kleinen Dörfern. Den Vorteil bildet
                    lichen Stämmen, dem heißen               hier nicht zuletzt die Möglichkeit
                    Wüstenwind und der brennenden            Räume flexibel zu erweitern, sobald
                    Sonne geschützt. In der Mitte            die Bewohneranzahl steigt.
                    wiederum bildete sich ein privater                Diese Architektur, bei
                    und ruhiger Freiraum, um den             der die äußere Mauer eine ab-
                    sich alles Leben konzentrierte.          wehrende, geschlossene Form
                    Das zugrundeliegende Prinzip             annahm, setzte sich fest im
                    war, dass die Nomaden anfingen,          Raumverständnis dieses Kultur-
                    Landstücke ihr Eigen zu nennen           raums. Genauso der Brauch, auf
                    und diese mit einer Mauer, an-           dem abgegrenzten Gebiets von
                    fangs einfachen Zäunen oder              außen nach innen, sowie additiv
                    dornigen Hecken, zu umgeben.             beziehungsweise flexibel erweiter-
                    Von dieser äußeren Umgrenzung            bar zu bauen.
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Die Adaption             öffentlichen Brunnen in trockenen            Das Paradies                      Wurzel im persischen „Faradis“,
                                Regionen.                                                                      was so viel wie: „ein von einer
         Dieser einfache Urtyp des       Nach dem Ende des                    Fließendes Wasser, mit           Mauer umgebener Garten“ be-
Hofhauses und auch schon zwei-  römischen Reiches und dem            seiner Unentbehrlichkeit und              deutet. Diese Gärten wurden
geschossige Hofhäuser in der    resultierenden Machtvakuum in        Bedeutung in diesen Wüsten-               nicht im natürlichen Sinne sich
Stadt Ur mündeten in verschie-  Vorderasien, trugen islamische       kulturen, wurde früh in die Archi-        selbst überlassen, sondern waren
denen Interpretationen dieses   Nomadenstämme, beziehungs-           tektur der Hofhäuser integriert.          systematisch angelegt. Oft durch
Typus wie der „Târma“ im Irak,  weise Halb-Nomaden den Bautyp        So waren die Wasserbecken und             eine mittlere Trennung des Hofes
dem „Hayat“ in der Türkei, sowieweiter. Ein prägender kultureller    Brunnen in der Mitte des Hofes            in vier gleichgroße Flächen, wobei
Adaptionen durch Mioner, Griechen,
                                Aspekt waren hier die Textil-        Ausdruck eines paradiesischen             die Begrenzung entweder ein
Etrusker und Römer, welche über stoffe der Zelte und in gebauter     Wunschbildes. Der Garten ist              Wasserbecken oder ein Geh-
Handelsbeziehungen die Bau-     Form, halb- oder undurchsich-        hier, entgegen anderer Inter-             weg war.
kultur Kleinasiens entdeckten.  tige Raumgliederungen durch          pretationen weltweit, ein Ort der                   Diese Form des Wasser-
Wichtig ist zu verstehen, dass  Holz- oder Steingitter. Gemäß        Abgeschiedenheit.                         beckens findet ihren mythologi-
diese Entwicklungen niemals nur dem islamischen Verständnis von               Auch diese Form findet           schen Ursprung schon zur sume-
einseitig erfolgten. Baupraktiken
                                Öffentlichkeit und Familie er-       ihren Ursprung wieder im Kontext          rischen Zeit in Mesopotamien.
und -techniken wurden zwischen  fuhr der Raum eine stufenweise       der Wüste. Gärten mussten mit             Im sogenannten Zweistromland
den Kulturen wechselwirkend     Privatisierung. Nach dem Betreten    hohen Mauern gegen heiße,                 entstand die Vorstellung von vier
entwickelt, eine klare kulturelle
                                gab es klare Bereiche, die für Be-   sandige Winde geschützt wer-              Strömen, die dem Weltenberg ent-
Abgrenzung ist daher in den     sucher bestimmt sind. Hinter         den. Sogar das Wort Paradies              springen und ein kreuzförmiges
wenigsten Fällen möglich.       mehreren diffusen Raumbegren-        [griechisch „Paradeisos“] hat seine       Koordinatensystem bilden.
         Erfolgskriterien für die
                                zungen wurde die Familie, also
rasche Verbreitung waren die    Frauen und Kinder, vor neugierigen
zentrale Feuerstelle, welche durch
                                Blicken geschützt.
den offenen Hof wirkungsvoll             Hier fungierte das Haus
entrauchen konnte, die effektivewie der Schleier der Frau und war
Belichtung schon bei kleinen    somit der einzige Ort, an dem Sie
Höfen, die effiziente Erschließung
                                sich unverhüllt zeigen konnte.
der Räume mit einem geschütz-   Dies resultierte aus einer Raum-
ten Arbeitsbereich im Zwischen- organisation, die direkte Blick-
raum, sowie die Luftzirkulation beziehungen vermied. Auf einen
durch Kaminwirkung bei gleich-  Fluchtpunkt ausgerichtete und
zeitigem Wärmepolster bei un-   symmetrische Räume wurden
günstigen Witterungsbedingungen.dafür vermieden.
         Das römische Atrium-
haus legte zudem großen Wert westlich                orientalisch
auf die interne Speicherung von
Regenwasser in einem zentralen
Wasserbecken mit Filtersystem.
Durch das sogenannte Impluvium
wurde das Haus aktiv gekühlt und
war gleichzeitig unabhängig von
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Spanien

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Emirat de Granada                      Nach weiteren inneren
                                                              Konflikten und den schrittweisen

Spuren des
                                 Das sogenannte „Emirat       Eroberungen des neu gebilde-
                       von Granada“ oder „Königreich          ten Ehebündnisses zwischen
                       von Granada“ war das letzte, sich      Ferdinand II. von Aragón und

letzten Emirats, die
                       auf der Iberischen Halbinsel be-       Isabella I. von Kastilien, wurde
                       findende muslimische Staats-           1491 mit dem letzten Herrscher
                       gebiet, regiert von der Dynastie       des Emirats, Muhammad XII., ge-
                       der Nasriden. Die Nasriden hatten,     nannt „Boabdil“, ein Kapitulations-

Nasriden in
                       nach der Niederlage der Muslime        vertrag verfasst. 1492 endete
                       bei „Las Navas de Tolosa“,             somit die Herrschaft des letzten
                       unter ihrem ersten Herrscher           muslimischen Staatswesens auf
                       Muhammad I. in Granada ein             der Iberischen Halbinsel. Darauf
                       eigenständiges Emirat etabliert.       folgte die Integration in das
                       Dieses konnte, dank seiner geo-        Königreich Kastilien. Den un-
                       graphisch strategischen Lage,          terworfenen Muslimen wurde in

       Granada
                       auch nach dem Verfall von              der Kapitulation Religionsfrieden
                       al-Andalus Einfluss auf den Mittel-    zugesprochen, was sich jedoch
                       meerraum ausüben und so                später unter der Inquisition für
                       essenzielle Handelsbeziehungen         die gesamte iberische Halbinsel
                       aufrechterhalten.                      wieder ändern sollte.
                                 Trotz der langen Blütezeit
                       des Reiches, welche kulturelle,
                       sowie wirtschaftliche Entwick-
                       lungen der Stadt und einen
                       großen Ausbau der Palastanlagen
                       mit sich brachten, war das Emirat
                       stets in einer beengten Situation.
                       Durch andauernde Konflikte
                       zwischen Berbern und den
                       regierenden Dynastien war das
                       Reich oftmals geschwächt und
                       konnte sich nur schwerlich gegen
                       das Vordringen der Königreiche
                       Kastilien und León verteidigen.
                       Dies hatte den Verlust von Länder-
                       eien zufolge. Granada musste
                       zudem den christlichen Herr-
                       schern Tribut zahlen und diese
                       als Obrigkeiten anerkennen,
                       um einen 20-jährigen Frieden
                       zu erreichen.
           14                                             15
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Arco Elvira

           Das ehemalige Haupt-
 tor der mittelalterlichen Stadt
 liegt im Norden des Stadtteils
 Albaicín, am Ende der belebten
 Calle Elvira.
           Was hier direkt auffällt,
 ist die nicht axiale und dezentrale
 Lage des Tors. Hinter dem großen
 Durchgang findet man sich nicht,
 wie man es vielleicht erwarten
 würde, auf einem offenen Platz,
 sondern steht unmittelbar in der
 kleinen Straßenstruktur des
 Albaicíns. Nicht nur das, die
 Straße hinter der Mauer knickt
 auch unmittelbar ab. Um der
 Calle Elvira in die Stadt zu folgen,
 muss man sich um neunzig Grad
 drehen. Dies bewirkt, dass der
 Raum vor und hinter dem Tor
 stark unterschiedliche Wirkungen
 auf den Erlebenden ausübt.
 Sobald man sich im Inneren
 befindet, muss man sich wieder
 umorientieren und vergisst, was
 vor dem Tor lag. Man fühlt sich von
 der Stadt umgeben, ohne einen
 optischen Bezug zum Außen.
           Neben dem militärischen
 Vorteil dieser Art der verwinkelten
 Wegeführung, lässt sich hier eine
 Parallele zu den typischen „ver-
 bergenden“ Eingangssituationen
 im islamischen Raum erkennen.

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El Bañuelo                    Wand, Säule, Bogen und Decke.
             – Raumerfahrung               Frei-, oder Außenraum existie-
                                           ren nicht, auch die Beziehung
              „Das ehemalige arabische     zur Außenwelt wird durch die
     Dampfbad liegt versteckt hinter       kleinen Lichtlöcher in der Decke
     einer unscheinbaren Straßen-          verneint. Man könnte sich hier,
     fassade im Stadtteil Albaicín.        in dieser geschützten Höhle, an
     Nicht nur die Fassade ist irre-       jedem beliebigen Ort der Welt
     führend, auch nach dem Betreten       befinden. Der Raum strahlt eine
     des Gebäudes offenbart sich           Ruhe und Geborgenheit aus.
     dessen Raumgefüge nicht. Zu-          Jedes Gewölbe möchte entdeckt
     nächst gelangt man über einen,        werden und lässt den Besucher
     selbstverständlich nicht grad-        vergessen, wie er dorthin ge-
     linigen, Eingang in einen Vorhof.     funden hat.“
     In dessen Mitte befindet sich ein
     Wasserbecken. An einer Seite
     befinden sich drei Torbögen, von
     denen der mittlere und größte
     nur eine ausgemauerte Nische
     ist. Die beiden Eingänge links
     und rechts wirken beiläufig, ihre
     Höhe reicht kaum, um aufrecht
     hindurch zu gehen. Wie sich
     herausstellt, verbergen sich hinter
     dem linken die Räumlichkeiten
     der ehemaligen Latrine, während
     der rechte als Haupteingang in
     die Badeanlage fungiert. Betritt
     man diese, erschließt sich einem
     eine spannende Raumabfolge
     von immer neuen, verschieden
     großen Gewölben. Belichtet wird
     das Bad, welches in drei Tem-
     peraturzonen aufgeteilt war,
     durch in der Decke eingelassene
     dekorative Löcher. Wie ein
     Sternenzelt ruhen die Gewölbe
     auf schlanken Marmorsäulen
     mit Hufeisenbögen. Besonders
     ist, dass es sich hier um einen
     rein architektonischen Raum
     handelt, zusammengesetzt aus
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La Alhambra                             Nach dem Zusammen-                    Als demonstratives Zei-             Palacio de las Nazaries
                                      bruch des Kalifats im Jahr 1031        chen des Sieges des katholi-
          Der über der heutigen       fiel die Stadt unter die Herrschaft    schen spanischen Reiches über                 Was an der Palastanlage
Stadt Granada thronende Palast-       der nordafrikanischen Berber,          die letzte Bastion der Muslime       der Alhambra auffällt, ist zunächst
komplex ist das wohl bedeu-           woraufhin die Stadt Granada            wurde unter Karl V., Kaiser des      die untypische Lage des Thron-
tendste Beispiel maurischer           gegründet wurde und näher an           Heiligen Römischen Reiches,          saals. Auf der Aufnahme der
Architektur und islamischer Kunst     die Festung heranwuchs. Darauf         entworfen von Pedro Machuca,         hohe Turm rechts im Bild. Er liegt
in Spanien. Die Alhambra, ab-         folgte die Herrschaft des Emirats      der Renaissancepalast im Zent-       unmittelbar in der Außenmauer
geleitet von „Qasr al-Hamra“ [der     von Granada unter Herrschaft           rum der Alhambra errichtet.          und ragt sogar weit in den Hang
rote Palast] ist heute Weltkultur-    der Nasriden, welche die Zitadelle              Während der franzö-         hinaus. Trotz der guten Aussicht
erbe und umfasst ausgedehnte          oder Alcazaba zu einem rein            sischen Besetzung Spaniens           auf die Untertanen im Albaicín
Befestigungs-, Palast- und Garten-    militärischen Nutzen umbauten          bis 1814 wurden die Bewässe-         ist dies eine eigenartige Position
anlagen, mit einer Gesamtlänge        und die Oberstadt weiter befes-        rungssysteme der Alhambra            für das Herzstück der Burg.
von 740 m und einer Breite von        tigten. Aus dieser Zeit stammt         wiederhergestellt und diese als      Diese dezentrale Lage lässt sich
220 m.                                ein Großteil der heutigen Anlage,      strategische Festung genutzt.        vielleicht durch die Gewohnheit
          Der Bergausläufer aus       welche sich in vier grundlegende       Bei dem Rückzug der Franzosen        der islamischen Architektur er-
der Sierra Nevada, mit seiner         Teile Gliedern lässt:                  wurden jedoch auch einige Teile      klären, von einer Außenmauer
strategisch erhöhten Lage und                   die Alcazaba oder Zita-      der Festung zerstört. Im 19. Jahr-   nach innen zu Bauen und der
der Nähe zu den beiden Flüssen        delle, eine Befestigungsanlage         hundert begann dann die Wieder-      damit einhergehenden Vertraut-
Darro und Genil, wurde bereits        mit städtischem Charakter, die         entdeckung und Restaurierung         heit, wichtige Räumlichkeiten an
vor dem Einfluss der Römer be-        Palastanlagen der Nasriden,            der Alhambra.                        der Außenmauer zu platzieren.
siedelt. Es wurde jedoch erst nach    welche den Herrschaftssitz bildet
den maurischen Eroberungen auf        und in der nördlichen Außenmauer
der iberischen Halbinsel eine erste   mit Blick auf die Stadt gelegen ist,
Befestigungsanlage errichtet.         die Medina, die den Palast um-
Diese wurde im 11. Jahrhundert        gebende befestigende Oberstadt,
erstmals erweitert, um sich vor       in der sich die Verwaltung,
Aufständen in der Bevölkerung         der Wohnsitz höherer Bürger,
des Albaicíns, der maurischen         die wichtigsten Handwerker sowie
Stadt unterhalb der Burganlage,       die Waffenschmiede befanden
zu schützen.                          und zuletzt die Generalife, die
          Während der Herrschaft      Sommerresidenz oder Freizeit-
des Kalifats von Córdoba in           anlage außerhalb der Mauern
al-Andalus ab dem Jahr 929            der Alhambra.
erlebten Stadt und Palastanlagen                Unter den Nasriden über-
eine Blütezeit. Dies brachte          dauerte Granadas Blütezeit das
einen in Europa unvergleichlichen     von den katholischen Königen
Aufschwung von Kultur, Bildung,       besiegte Kalifat von Córdoba bis
Handwerk und Kunst mit sich.          zur eigenen Niederlage gegen
Zudem verfügte die gesamte            Kastilien und der Kapitulation
Stadt über eine funktionierende       und Übergabe der Alhambra im
Frischwasserversorgung.               Jahre 1492.
                                  20                                                                          21
Puertas de la Alhambra

              Die „Puerta de la Justicia“,
     einer der Hauptzugänge zur
     Alhambra, liegt in der südlichen
     Außenmauer. Interessant ist die
     militärisch wirksame Anlage des
     Tores, welche man auch in den
     anderen befestigten Toren findet.
     Der Besucher gelangt nicht direkt
     durch das Tor, sondern muss beim
     Durchschreiten mehrmals die
     Richtung wechseln. Dies macht
     das Tor uneinsichtig für Feinde
     und schwieriger einzunehmen. Im
     Zwischenbereich der beiden Por-
     tale befindet sich ein S-förmiger
     Korridor, welcher den Weg zu-
     sätzlich verlängert.

              Über dem äußeren Tor-
     bogen befindet sich das Relief
     einer Hand, ein Symbol für sicheres
     Passieren des Tores, aber auch für
     die Macht des Hausherren. Nach
     der Eroberung der Alhambra
     wurden hier viele Symbole plat-
     ziert, um den neuen Glauben zu
     demonstrieren. So befindet sich in
     der Front über dem Eingang nun
     eine Nische mit einer Maria Figur,
     während beim inneren Portal
     ein Altar angebracht wurde und
     eine Steintafel mit Inschrift den
     Sieg Kastiliens 1492 feiert.
22                                       23
Torres de la Alhambra

              Viele Wehrtürme in der
     Nordmauer der Alhambra sind im
     Inneren zum Wohnen ausgebaut.
     Diese Struktur zeigt nach außen
     lediglich kleine Fenster. Nach
     innen öffnet sich die massive
     Baumasse zu einem geschoss-
     übergreifenden Freiraum, welcher
     zu allen Seiten gleichwertig an die
     Zimmer angeschlossen ist und
     über ein Oberlicht belichtet wird.
     Dieser Raum ist wie der weiche
     Kern des Turms und bildet einen
     Kommunikationsraum, der alle          Dies deckt sich mit der Raumge-
     Zimmer direkt miteinander ver-        staltung der Türme, welche wenig
     knüpft. Der Sage nach sperrte         nach außen kommunizieren, aber
     hier ein Sultan seine drei Töchter    im Inneren, analog zum Hofhaus,
     ein, um sie vor fremden Blicken       einen geschützten und privaten
     zu beschützen.                        Wohnraum bieten.

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Palacio de Carlos V

           1527 gab Kaiser Karl V.
 den Auftrag zum Bau eines neuen
 Palastes inmitten der Anlage
 der Alhambra, in direkter Nähe
 zu den Palästen der Nasriden.
 Einige Teile wurden sogar für den
 Bau abgerissen. Jedoch wurde
 das Bauwerk nie fertiggestellt,
 geschweige denn bewohnt.
           Im Geiste der Renaissance
 ist der quadratische Bau perfekt
 symmetrisch angelegt und wirkt
 wie ein Fremdkörper im restlichen
 Burgkomplex. In der Mitte befindet
 sich ein kreisrunder, zweistöckiger
 Patio mit umlaufendem Säulen-
 gang. Die Symmetrie war in der
 Renaissance ein Ausdruck von
 Macht, zweifellos ein finales
 Zeichen des Sieges des König-
 reiches und damit auch der letzte
 große Stempel, den die Ge-
 schichte auf die Architektur der
 Alhambra drückte.

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Sevilla

Der königliche Palast
                                  Erobert wurde die Stadt
                        von den maurischen Truppen
                        im Jahre 712 und war fortan

und die Kathedrale
                        Teil des Kalifats von Córdoba in
                        al-Andalus. Nach Überfällen der
                        Normannen im Jahr 844 hatten
                        diese kurzzeitig die Kontrolle über

von
                        Sevilla, sowie anderer Städte im
                        Südosten der iberischen Halb-
                        insel. Als Reaktion darauf wurden
                        mehrere Städte des Reiches erst-
                        mals umfangreich befestigt.
                                  Der Fall des Kalifats von
                        Córdoba führte die Stadt unter

       Sevilla
                        der Dynastie der Abbadiden in
                        eine Blütezeit. Diese wurden ab-
                        gelöst von den berberischen
                        Almoraviden und später den
                        Almohaden. In dieser Zeit wuchs
                        Sevilla zur bedeutendsten Stadt
                        in al-Andalus heran. Zeugen dieser
                        Zeit waren die inzwischen über-
                        baute Moschee und deren Minarett,
                        die Giralda.
                                  Als Ferdinand III. von
                        Kastilien die Stadt 1248 eroberte,
                        wanderte ein Großteil der Muslime
                        nach Granada und Nordafrika ab,
                        was wirtschaftliche Folgen für die
                        Stadt hatte. Unter Peter I. wurde
                        von maurischen Baumeistern
                        aus Granada der Alcazar-Palast
                        errichtet. Eines der bedeutendsten
                        Bauwerke dieses Baustils unter
                        christlichem Einfluss.

          28                                              29
Real Alcazar de Sevilla        königlichen Sitz bauen zu lassen.
                                        Die zentrale Palastanlage aus
          Unter muslimischer Herr-      der Zeit der Almohaden musste
schaft wurde 913 mit dem Bau            hierfür weichen. Dies waren aber
des Palasts begonnen. Dieser            nicht die ersten Änderungen. Ihnen
wurde mehrere Male erweitert und        voraus gingen Bauten im gotischen
umgebaut. Heute sind noch die           Stil, welche mit dem neuen Palast
Außenmauern der großflächigen           ergänzt wurden.
Gärten und das intakte römische                   Dieser ist ein wahrer Mix
Wassersystem vorhanden, welches         aus Symbolen und Ornamenten.
die Mauren wiederaufbauten.             Peter I., welcher großes Interesse
          Der bedeutendste Teil         an der arabischen Kultur hatte,
bleibt jedoch der königliche Alcazar-   hat auch versucht die arabische
Palast aus dem 14. Jahrhundert.         Sprache und Schrift zu lernen. Die
Begonnen wurden die Bauarbeiten         Schriftzüge, welche die Wände
1356 unter Auftrag von Peter I. Er      des Palastes schmücken, sollen
erwarb Baumeister und Arbeiter          von ihm stammen und werden in
aus Granada, um sich im Stil der        seiner spanischen Version der ara-
Mudéjar-Architektur, des Archi-         bischen Sprache von links nach
tekturstils der konvertierten Mus-      rechts geschrieben, andersrum
lime im christlichen Spanien, einen     als im Arabischen üblich.

                                    30                                        31
Auch die Ornamente
 des Palastes erzählen von einem
 Zusammenfügen der Kulturen.
 So sind christliche Symbole, wie
 Muscheln oder die Wappen des
 Königshauses, von muslimischen
 floralen Motiven umrankt. In
 kufischer Sprache titelt „Das
 Reich für Allah“. An anderer Stelle
 findet man in gotischen Schrift-
 zeichen geschrieben:

         „Der höchste, nobelste
 und mächtigste Eroberer Don
 Pedro, unter Gottes Gnaden
 König von Kastilien und León,
 hat den Bau dieses Alcazar und
 dieser Paläste und dieser Fas-
 sade bewirkt, was im Jahr 1402
 [1364] geschah.“

           Die Privatgemächer sind
 geschmückt mit Säulen, entnom-
 men aus den Ruinen der Palastan-
 lage Madīnat az-zahrā in Córdoba,
 während die für die Gäste zugäng-
 lichen Bereiche neu gestaltete
 Säulen verwenden. Ein weiterer
 großer Umbau erfolgte, als hier
 1526 die Hochzeit von Karl V und
 Isabella von Portugal gefeiert wurde.
 Für diesen Anlass wurde unter
 anderem über dem Patio de las
 Doncellas und dem Thronsaal ein
 zweites Geschoss mit königlichen
 Gemächern konstruiert. Die Fenster
 dieser Gemächer öffnen direkt
 in die oberen Wände des Thron-
 saals. Auch wurde das ursprüngli-
 che Wasserbecken in der Mitte des
 Thronsaals entfernt, um Isabellas
 Kleid nicht zu beschmutzen.
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Catedral de Sevilla                  Catedral de Sevilla
             – Raumerfahrung
                                                   Zwischen 1184 und 1198
              „Nach der Kathedrale        wurde die Moschee von Sevilla
     mit ihren bekannten gotischen        errichtet. Der Bau bestand haupt-
     Schiffen, ihrer imposanten Höhe,     sächlich aus Ziegeln, war jedoch
     ihrem Prunk in Silber und Gold       mit seiner Größe und dem mäch-
     und ihrer Symmetrie, alles ausge-    tigen Minarett, der Giralda, eines
     richtet auf einen zentralen Altar,   der bedeutendsten Bauwerke im
     wirkt der Patio de los Naranjos      damaligen al-Andalus.
     fast beiläufig. Dennoch wirkt er              Nach der Rückeroberung
     mit seiner angenehmen Größe,         im Jahre 1248 durch Ferdinand III.
     den Orangenbäumen, dem plät-         wurde der sakrale Bau zur Kathe-
     schernden Wasser und dem             drale erklärt. Es folgten zwischen
     frischen Wind einladender und        1434 und 1517 Bauarbeiten an
     drängt zum Verweilen. Das alles      der gotischen Kathedrale, welche
     muss nicht bedeuten, dass            die Halle der Moschee vollständig
     die ursprüngliche Anlage, unter      ersetzte. Viele Erweiterungen,
     muslimischen Glauben den             darunter die königliche Kapelle
     gleichen Charakter gehabt            im Renaissance-Stil, sowie der
     haben soll, zeigt aber sehr wohl     aufgesetzte Glockenturm der
     ein gewisses raumgestaltendes        Giralda, folgten.
     Potential dieser Form der Spiri-              Heute ist die Kathedrale
     tualität auf.“                       mit 23.500 m², einer Länge von
                                          126 m, einer Breite von 83 m und
                                          einer Höhe von 37 m im Transept,
                                          sowie der Giralda mit 96 m,
                                          die größte gotische Kathedrale
                                          der Welt.

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Die Schwelle                          Die Tradition unter freiem
                                                          Himmel zu beten findet sich

Die Herleitung der
                              Wenngleich der Beginn       noch heute in der Flexibilität der
                     der Moschee als sakraler gebauter    Gläubigen wieder. Sie können an
                     Raum schwerlich an einem Punkt       jedem Ort und zu jeder Zeit beten.

Moschee, der
                     festzumachen ist, gibt es hier ein   Zum Beginn des 16. Jahrhunderts
                     klares bauliches Merkmal, welches    gab es auch unter christlicher
                     unzertrennlich mit deren Entste-     Herrschaft auf der iberischen
                     hung verbunden ist: die Grenze       Halbinsel noch Musallas, die von

heilige Raum des
                     zum Außenraum. Lange bevor die       den wenigen Mauren genutzt
                     Moschee sich zu einem Gebäude        wurden. Als die Conquistadores
                     entwickelte, gab es im arabischen    Südamerika eroberten, expor-
                     Raum sogenannte Musallas.            tierten sie diese Art des Gebets-
                     Diese waren im Grunde offene,        platzes sogar, indem sie die
                     durch eine Mauer geschützte          Einheimischen in sogenannten
                     Grundstücke, auf welchen gebetet     „Capilla de Indios“, also Indianer-

        Islam
                     wurde. Auch für militärische         kirchen, missionierten.
                     Paraden, Spiele und als Markt-                Während die ersten Mu-
                     platz wurde dieser öffentliche       sallas noch Richtung Jerusalem
                     Raum bei Bedarf genutzt.             ausgerichtet waren, orientieren
                                                          sich die Moscheen nach Moham-
                                                          meds Einfluss Richtung Mekka.
                                                          Die Rolle des Propheten in der
                                                          architektonischen Entwicklung
                                                          dieses heiligen Raumes ist auch
                                                          aus weiteren Gründen nicht zu
                                                          verkennen.

                     Musalla in Aswan, Ägypten

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Der Prophet                              Ein begünstigender Fak-          Das Innere
                                        tor für die rasche Ausbreitung der
          Mohammeds Wohnhaus            Religion war die Einfachheit der              In der späteren Entwick-
in Medina wird oft als erste            Bauten und der Rituale. Insbe-       lung der Moschee lassen sich
Moschee bezeichnet und gilt als         sondere der gepredigte, mini-        genau diese Grundlagen, in ge-
Inspiration für die ersten religiösen   malistische Lebensstil ließ sich     baute Form übersetzt, ablesen.
Bauten des Islam. Dabei hatte           ohne Komplikationen mit dem          Die Moscheen wachsen zu immer
er selbst kein Interesse an Archi-      Brauchtum und den Umständen          größeren, geborgenen Bereichen,
tektur und lehnte jede Form von         der Nomadenstämme vereinen.          umschlossen von einer Mauer.
Prunk in Zusammenhang mit               Auch gab es, zumindest im frühen     Vor dem Betreten müssen Be-
sakralen Bauten ab. Die Archi-          Islam, keinen Bedarf an heili-       sucher ihre Schuhe ausziehen.
tektur seines Hauses folgte rein        gen Stätten oder Sakralbauten,       Die Schwelle, das Verhältnis von
pragmatischen Faktoren. Um              lediglich die Himmelsrichtung        innen zu außen, wird so noch mehr
der wachsenden Anhängerzahl             wurde zum Beten benötigt. Dies       in den Vordergrund gehoben.
gerecht zu werden, wurde dem            mündete nicht nur darin, dass                 Um im Inneren Schatten
großen Hof der meiste Raum ge-          muslimische Astronomen zu jeder      zu gewähren wurden mehr und Große Moschee, Kufa
lassen, lediglich gegliedert von        Zeit im Stande sein mussten, die     mehr Bereiche durch Säulen-
einem Portico im Süden. Vorge-          Himmelsrichtung von Mekka her-       gänge überdacht. Aus diesen ent-
sehen war dieser wohl für Arme,         auszufinden, sondern auch, dass      wickelten sich die Riwaqs und die
welche ihrem Propheten aus              den Gläubigen ein einfacher Ort      Bethalle der Mosche, der Haram.
Mekka gefolgt waren. Die Wohn-          und ein Teppich für das tägliche     Im Zentrum wurde der übrige
räume selbst wurden durch beiläu-       Gebet genügten.                      offene Hof so zu einem eigen-
fig in die Außenmauer des Hofes                   In der frühen Ausbrei-     ständigen, von der Außenmauer
gebrochene Durchgänge erreicht.         tungszeit des Islam waren soge-      separaten Gestaltungsmerkmal.
Wobei sich die eigentlichen Räume       nannte Wüstenmoscheen üblich.        Die eigentliche Fassade der
außerhalb der Mauer befanden und        Diese waren einfache Zeltkon-        Moscheen wurde die Hoffassade,
nur durch einen Vorhang nach in-        struktionen, die an jeder Stelle     während die Außenmauer immer
nen verdeckt wurden.                    temporär oder dauerhaft aufge-       weiter hinter wachsenden Säulen-
                                        stellt werden konnten. Spuren        hallen zurücktrat. Dies erzeugte
                                        dieser temporären Gebetsorte         im Inneren einen weitläufigen
                                        lassen sich nur noch in Löchern      horizontalen Raum, isoliert von
                                        im Untergrund erahnen, dort          jeglichen äußeren Einflüssen.
                                        wurden die Stützen der großen                 Bei vielen der größten
                                        Zelte gehalten.                      Moscheen, so beispielsweise bei
                                                                             der Mezquita-Catedral in Córdoba,
                                                                             ist zu beobachten, wie flexibel sie
                                                                             über die Jahre erweitert wurden.
                                                                             Für wachsende Gemeinden
                                                                             musste lediglich die Außenmauer
                                                                             abgerissen werden, um weitere
                                                                             Säulenreihen um den Innenhof
Wohnhof des Propheten, Medina                                                zu addieren.
                                    42                                                                 43
Califat de Córdoba            Hinzukommende Konflikte zwi-
                                                            schen Berbern und Arabern

Das iberische
                               Das Kalifat von Córdoba      führen zum Machtverlust des
                      war zwischen 929 und 1031 ein         Kalifats über al-Andalus. Nach
                      islamischer Staat auf der iberi-      dem stetigen Verfall des Kali-

Zentrum der
                      schen Halbinsel. Anfangs war          fats und seiner resultierenden
                      das umayyadische Emirat von           Schwäche wird Córdoba 1236
                      Córdoba nur ein Satellit von          von Ferdinand III. von Kastilien
                      Damaskus, überlebte dann aber         zurückerobert.

islamischen Welt in
                      den Niedergang der dortigen
                      umayyadischen Dynastie.
                               Die Anfänge des Reiches
                      waren von Aufständen der Aris-
                      tokratie und von Konflikten mit
                      den Berberstämmen geprägt.
                      Das Kalifat wurde nach deren Be-

      Córdoba
                      friedung ausgerufen und konnte
                      seinen Machtanspruch durch
                      Siege über Kastilien und León
                      durchsetzen. Diese mussten die
                      Umayyaden anerkennen und dem
                      Kalifat Tribut zahlen. Unter umay-
                      yadischer Herrschaft, besonders
                      unter Abd al-Rahman III., gewann
                      Córdoba an Einfluss, Wirtschaft
                      und Kultur florierten. Das Kalifat
                      wurde zu einem der reichsten und
                      kultiviertesten Länder seiner Zeit.
                      Hier lebten um die 500.000 Ein-
                      wohner und die Stadt wurde in
                      der islamischen Welt wichtiger
                      angesehen als Damaskus. In diese
                      Periode fällt auch die Errichtung
                      der Madīnat az-zahrā.
                               Unter der Herrschaft der
                      Amiriden, begonnen durch die
                      Machtübernahme des Kämme-
                      rers Abi Amir Almansor, werden
                      Barcelona, Kastilien und León
                      erfolgreich angegriffen. Macht-
                      kämpfe unter den Amiriden
                      schwächen das Kalifat jedoch.
          44                                            45
Mezquita-Catedral          nicht gehetzt. Die Leute gucken
       – Raumerfahrung            mehr in die Luft und man könnte
                                  fast meinen, in dem gedämpften
         „Es fühlt sich an, als Rascheln der Schritte weniger
würde man in einem endlosen Kameras klicken zu hören.“
Wald aus Säulen umherwandern.
Jegliche Orientierung scheitert
an der Wiederholung von Pfeiler
und Bogen. Wären da nicht die
nachträglichen Abwandlungen
und kleine Besonderheiten wie
Gewölbe und Decken verschie-
dener Zeiten, Altäre und vor
allem das in der Mitte des Haram
angelegte Kirchenschiff der
Kathedrale, würde der Blick immer
nur wieder zwischen Säulen in
die diffuse Ferne wandern und
nicht wissen, wo er halten soll.
Es entsteht eine natürliche Lust
umherzuwandern, man fühlt sich

                               46                                   47
Mezquita-Catedral                       Ungewöhnlich ist, dass
                                      die Moschee nicht nach Mekka
         Im Gegensatz zu der über     orientiert ist, sondern nach Süd-
die Jahrhunderte stark veränder-      osten. Wahrscheinlich deutet dies
ten Kathedrale von Sevilla, ist ein   auf die wichtige Beziehung zu
großer Teil der Mezquita-Catedral     Damaskus hin, dessen Moschee
in Córdoba noch als Moschee zu        aus Syriens geographischer Lage
erkennen. Die Kathedrale wurde        in Richtung Südosten, also nach
eher in den Haram integriert, die     Mekka gerichtet ist.
Mauern, der große Patio und die                 Die Moschee wurde
Tore der Moschee sind beinahe         mit wachsender Einwohnerzahl
unverändert vorzufinden.              mehrere Male erweitert und zum
         Dies bedeutet nicht, dass    Vorbild für die Moscheen von
das Gebäude nicht zahlreiche          Sevilla und Marrakesch.
Erweiterungen erfahren hat. Auf                 Nach der Zurückerobe-
dem ehemaligen Gelände eines          rung durch die Christen wurde
römischen Tempels stand hier vor      die Moschee zur Kirche benannt.
der Eroberung durch die Muslime       Neben kleinen Änderungen an der
eine westgotische Basilika, welche    Moschee wurde die Villavisciosa
unter muslimischer Herrschaft         Kapelle im gotischen Stil gebaut.
von beiden Glaubensgemeinden          1523 begann der entscheidende
parallel genutzt wurde. Erst als      Umbau, bei dem in der Mitte der
die muslimische Bevölkerung           Bethalle Säulen entfernt wur-
Córdobas stark zunahm, soll           den, um im plateresken Stil ein
Abd ar-Rahman I. den Christen         Kirchenschiff zu errichtet. Trotz
die Basilika für eine große Summe     großem Widerstand vom Stadtrat
Geld abgekauft haben, während         Córdobas, wurde die Kirche 1607
diese außerhalb der Stadt neue        unter Billigung von Karl V. fertig-
Kirchen bauen durften. Die Kirche     gestellt. Als dieser Córdoba nach
wurde abgerissen und an der glei-     der Fertigstellung besuchte, soll
chen Stelle zwischen 786 und 788      er allerdings gesagt haben:
die erste Moschee errichtet.
         Die Arkaden laufen recht-             „Ich wusste nicht, um
winklig zur Qibla-Wand, welche        was es sich hier handelte. Denn
die Betrichtung der Moschee           wenn ich es gewusst hätte,
angibt. Die Doppelbögen der           hätte ich nicht erlaubt, dass man
Arkaden werden von schlanken          Hand an das alte Gebäude legt.
Säulen getragen, welche zum           Ihr habt getan, was möglich war,
Großteil aus römischen Gebäu-         etwas erbaut, was es andernorts
den stammen. Daher variieren          schon gibt, und dafür habt ihr
Farben und Kapitelle der Säulen       etwas zerstört, was einmalig in
deutlich.                             der Welt war“.
                                  48                                        49
Madīnat az-zahrā                     Madīnat az-zahrā
             – Raumerfahrung
                                                   Die Madīnat az-zahrā
              „Sobald man den Aus-        ist eine Palaststadt, wenige
     grabungsbereich betritt, beginnt     Kilometer von Córdoba, am Fuß
     man sich von Raum zu Raum            der Sierra Morena. Der Bau der
     zu bewegen. Alles scheint Ge-        Stadt wurde vom umayyadischen
     bäude, alles ohne Dach und           Kalifen, Abd ar-Rahman III., 936
     daher gleichwertig. Den Unter-       in Auftrag gegeben. Der Name
     schied macht nur die Größe           war eine Widmung an eine seiner
     der Orte, von denen der Groß-        Konkubinen namens az-Zahra.
     teil rechtwinklig und Richtung       Die Neugründung solcher Städte
     Süden, den Hügel hinab ins Tal       war Tradition unter den Kalifen,
     blickt. In der Madinat gibt es       regelmäßig wurden die Herr-
     nichts als Straße, Hof, Kam-         schaftssitze gewechselt und
     mer und Mauern, die das Ganze        quasi aus dem Nichts aufge-
     voneinander teilen. Hier ist alles   baut. 945 zog der Kalif in seine
     architektonischer Raum, alles ist    neue Stadt ein, Verwaltung,
     gebaute Struktur und mehr wie        Militär und Münzpresse folgten.
     ein geometrischer Teppich aus        Die Anlage ist in Terrassen ange-
     steinerner Baumasse, als von         legt, mit dem Palast an oberster
     einzelnen Häusern.“                  Stelle, danach die Verwaltung
                                          und hinter einer hohen Mauer
                                          schließlich die Stadt. Die Palast-
                                          anlage mit rechteckigem Grund-
                                          riss hatte eine Größe von 1500 auf
                                          750 Meter und besaß ein funktio-
                                          nierendes Frisch- und Abwasser-
                                          system. Die längste Mauer des
                                          112 Hektar großen Stadtgebiets
                                          war 4500 Meter lang.
                                                   Die Stadt hatte jedoch
                                          nur ein kurzes Leben, schon 1010
                                          wurde sie in Folge der Konflikte
                                          zwischen Berbern und Arabern
                                          erobert und geplündert. Danach
                                          verwandelte sich die Stadt schnell
                                          in einen Steinbruch, Mitbringsel
                                          finden sich in verschiedensten
                                          Gebäuden Spaniens wieder, so
                                          zum Beispiel die Säulen im Real
                                          Alcazar in Sevilla.
50                                    51
Madīnat az-zahrā
                         – Raumanalyse

                          Die Palastanlage bestand
                 aus einer zusammenhängenden
                 Struktur, anders als beispiels-
                 weise antike Tempel- oder Palast-
                 anlagen, welche meist erhoben auf
                 freiem Feld standen. Hier gab es
                 keine solchen Pufferzonen, vielmehr
                 wird die Abstufung der Bereiche
1                durch verwinkelte, uneinsichtige
                 Raumabfolgen organisiert.
                          Die Folge ist, wie schon in
                 der Raumerfahrung beschrieben,
                 dass alles Teil eines großen Ge-
             3   bäudes zu sein scheint. So er-
                 folgt der Zugang [1] zum großen
                 Vorplatz [2] der administrativen
                 Basilika [3] beispielsweise über
                 eine Folge von Kammern, die an
                 einer Ecke des Hofes ins Freie
                 führen. So überrascht einen der
                 große Freibereich ohne Ankün-
                 digung. Dennoch wirkt er nur
                 wie ein weiterer, von Mauern in
                 seiner Horizontalen definierter
         2       Raum eines lückenlosen Gesamt-
                 gefüges. Wären die halbhohen
                 Mauern der Ruine nicht von
                 oben einsichtig, wäre es leicht
                 zu vergessen, von wo man ge-
                 kommen ist.
                          Dies ist sinnbildlich für
                 alle Raumstaffelungen der Madī-
                 nat az-zahrā, die sich wie in ei-
                 nem organischen Gewebe aus
                 Räumen von einem Bereich zum
                 nächsten ergeben. Die Folge ist
                 eine hohe Dichte an Funktionen
                 auf engem Raum, bei gleichzei-
                 tiger Abgeschiedenheit dieser
                 voneinander.
    52                                               53
Casa de Ya’far                 Belange mit dem Minister klären.
        – Raumanalyse                  Die folgenden Räume bilden eine
                                       Pufferzone zu den privaten Ge-
           Auch dieser Teil des Pa-    mächern. Betritt der Gast den-
lasts, welcher die Wohnräume des       noch diese Zone, muss er sich um
höchsten Ministers der Madīnat         neunzig Grad nach links drehen,
az-zahrā beherbergte, ist eine         bevor er weiter gehen kann. Ein
Struktur aus Raumabfolgen.             direkter Einblick wird somit ver-
Diese Abfolge und die Lage der         hindert. Von hier folgt ein weiterer
Bereiche wirken auf den ersten         Freibereich [b] mit Wasserbecken.
Blick beliebig, eine kohärente         Nach dem Durchqueren einer
Symmetrie ergibt sich zunächst         weiteren Kammer befindet er
nicht. Erst beim systematischen        sich schließlich im Herzstück des
Durchschreiten der Räume offen-        Hauses. Hier sind die Privat-
                                                                                      2
bart sich eine Gliederung.             gemächer des Ministers. An den
           Während der Gast die        intimen Patio [c] gliedern sich ein
Anlage über einen großen Emp-          Schlafsaal und eine Latrine an. Die
fangspatio erreicht, welcher sei-      zweite Betrachtung zeigt die Pers-                          c
nerseits durch einen verwinkelten      pektive der Bediensteten [2]:
Eingang [1] abgeschirmt wird,                   Über einen Vorraum er-                         d
gibt es für die Bediensteten einen     reichbar liegt der zweitgrößte
zweiten Eingang [2] und einen          Patio [d]. Zu diesem öffnen sich
darauffolgenden Innenhof. So gibt      mehrere Kammern, alle mit einer                                 b
es bei dem Gebäude quasi zwei          bestimmten Funktion, die dem
Anfänge der Raumabfolgen und           Unterhalt des Hauses zuge-
somit gezwungenermaßen auch            schrieben wird. Dieser Patio ist           a
einen Mittel- oder Höhepunkt.          für die Bediensteten Dreh- und
Die erste Betrachtung gilt der         Angelpunkt. Sie können über            1
Perspektive des Gastes [1]:            die Latrine in das Herzstück des
           Zunächst gelangt er in      Hauses [c] vordringen.
den repräsentativen Patio [a],                  Das Ergebnis ist eine
welcher beeindrucken soll und für      ungemein klare Aktionskette mit
den Gast eine zugeschriebene           zwei Polen und einem Zentrum.
Funktion hat; nämlich die des          Die Räume sind unverrückbar mit
Empfangs. Darauf folgt eine offene     ihrer Funktion verknüpft und in
Vorhalle, parallel zum Hof. An diese   einer wohl geplanten, verwinkelten
schließen sich drei Räume an, der      Raumabfolge aneinander aufge-
Besucher kann jedoch die beiden        reiht. So wird demjenigen, der das
seitlichen Kammern nur über die        Gebäude erlebt, nicht klar, dass
mittlere betreten. Es ist der offi-    sich der Empfangspatio [a] und der
zielle Teil des Gebäudes. In diesem    Hof der Bediensteten [d] beinahe
funktionalen Bereich kann er alle      nebeneinander befinden.
                                   54                                                     55
56   57
Ägypten

   58     59
Blickwechsel                           Die stetig wachsende
                                                           Struktur dieser Stadt wird heute

Die Moschee
                              Kairo bedeutete einen        nur noch durch informelle Beton-
                     Richtungswechsel meiner bishe-        konstruktionen ermöglicht, ba-
                     rigen Betrachtung. Neben den in       sierend auf dem Stützen-Platten

gegen Le Corbusier
                     ihrer Architektursprache vertrauten   System der Corbusierschen
                     Monumenten islamischer Archi-         Moderne. Das bekannte Dom-Ino
                     tektur, vor allem den vielen Mo-      System, welches wohl auf eine von
                     scheen aus frühislamischer Zeit,      seinem Erfinder nicht antizipierte

in
                     bot sich eine chaotische und          Weise die Welt eroberte, tat dies
                     bunte Vielfalt, welche mich faszi-    hauptsächlich wegen der Möglich-
                     nierte. Auf engstem Raum formte       keit, die Konstruktion nach oben
                     sich ein lebhaftes Gemisch aus        hin unfertig zu lassen. So können
                     überwältigender Historie und          Bewohner bei begrenzten finanzi-
                     Architektur auf der einen, und ver-   ellen Mitteln zur gegebenen Zeit,
                     stopften Straßen, dem süßlichen       beispielsweise beim Anwachsen

       Kairo
                     Geruch nach Abgasen, lauten Ba-       der Familie, flexibel erweitern.
                     saren und einem Leben inmitten        Gleichzeitig können die schnell
                     von Abfällen auf der anderen          hergestellten, Schutz bietenden
                     Seite. Diese beiden Extreme be-       Betonskelette von den Bewoh-
                     gegnen sich auf eine Weise, bei       nern selbst stückweise ausge-
                     der die Grenzen an vielen Stellen     mauert werden. Ich betrachte
                     verwischt werden. Anders als im       diese Konstruktionsweise hier
                     konservierenden Denkmalschutz         als technischen Kontext und
                     Europas, wird hier in und mit den     als grundlegendsten Faktor für
                     Denkmälern gelebt. Historisches       das Formen solcher informellen
                     an Modernem. Diese paradoxe           urbanen Gebiete.
                     Kollision wollte ich versuchen
                     einzufangen.
                              War ich bei meinen Auf-
                     nahmen in Spanien darauf be-
                     dacht, die Architektur auf eine
                     fokussierte, fast isolierende
                     Weise abzulichten, wählte ich
                     nun den entgegengesetzten An-
                     satz: mit dem 28mm Objektiv,
                     also ohne Möglichkeit durch
                     Zoomen zu kaschieren, versuchte
                     ich die alten Bauwerke in ihrem
                     vollen Kontext zu fotografieren.
                     Also mit Menschen, Tieren, Autos,
                     Dreck und Nachbargebäuden.
         60                                            61
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Moschee des Amr Ibn 		               Moschee des Amr Ibn
        Al-As                                Al-As
        – Raumerfahrung
                                             Gelegen in al-Fustat, der
        „Nach den lauten Straßen     ersten islamischen Stadtgrün-
al-Fustats kehrt nach dem Betre-     dung Ägyptens und Teil des
ten der Moschee eine unmittel-       heutigen Kairos, liegt eine der
bare Ruhe ein. Der Schritt wird      eindrucksvollsten Moscheen des
langsamer sobald man den gro-        Landes. Gebaut kurz nach der
ßen, mit Teppichen bedeckten         Eroberung der oströmischen
Raum betritt. Verteilt sitzen        Provinz durch die Muslime im
Männer auf Stühlen oder auf          Jahr 641, ist die Moschee eine der
dem Boden und beten, oder sie        ältesten noch existierenden der
liegen schlafend zwischen den        islamischen Welt. Nach mehreren
schlanken Säulen. Der Hof in         Erweiterungen und Umbauten
der Mitte bildet mit seinen hellen   misst das heutige Gebäude 105
Farben und den gleichmäßigen         auf 117 Meter. Die Arkaden, wel-
Bögen einen beruhigenden,            che auf Säulen vorheriger Ge-
zentralen Ort. In der Mitte des      bäude ruhen, sind mit schlanken
offenen Bereiches, welcher den       Holzbindern ausgesteift und
rechten Winkel bewusst zu ver-       gliedern den Raum zusätzlich
meiden scheint, befindet sich ein    durch ihre additive quadratische
Pavillon mit Trinkwasserbecken       Grundstruktur.
darunter. Mit den vielen kleinen
Bücherregalen und den lesen-
den Gläubigen inspiriert der
Raum die Idee der Urform einer
Bibliothek. Ein Raum, den man
nicht gerne verlässt, in dessen
von Säulen gegliederte Weite
mit ihrem Kontrast aus Licht und
Schatten man gerne zurück-
schaut.“

                                 70                                       71
Die Wüste                            Die Zeltstadt

Die Wüste und der
                               Was bei einem Versuch,              Der islamischen Stadt
                     die islamisch urbane Kultur und      liegt also ein Paradox von den
                     deren Entstehung zu verfolgen        unendlichen Weiten des offenen,

islamische Begriff
                     nicht zu vernachlässigen ist, sind   ungestalteten und ungesicherten
                     die sozialen und klimatischen Be-    Außenraums und der geschlos-
                     dingungen, welche den ersten         senen Hülle des Innenraums zu-
                     islamischen Stadtgründungen          grunde. Dieses Paradox war schon

der
                     vorausgingen. Viele dieser Städte,   in den Zeltstädten der Nomaden-
                     welche anfangs meist als Militär-    völker vorhanden, welche den
                     lager gegründet wurden, befan-       Metropolen des Islams zeitlich
                     den sich in heißen und ariden        vorausgingen. Wobei es sich hier
                     Landschaften. So beispielsweise      mehr um Lebensumstände als um
                     al-Fustat, im heutigen Kairo, aber   gebaute Struktur handelte. Die
                     auch weitere Neugründungen und       Stämme brauchten starke und

      Urbanität
                     Eroberungen in Ägypten.              resiliente politische und soziale
                               Was diesen urbanen         System, um sich in ihrer Umge-
                     Zentren gemeinsam ist, ist die       bung und gegenüber anderen
                     Nähe zum Wasser des Nils und         Stämmen zu beweisen. Dies be-
                     die gleichzeitige Nähe zur uner-     ruhte auf einer klaren Hierarchie,
                     giebigen Wüste. Viele Städte im      der starken Rolle der Familie und
                     islamischen Raum entstanden          dem Vertrauen in die Gemein-
                     in einer Umgebung, wo frucht-        schaft. Die Behausungen waren
                     bares Land streng limitiert war      eher Mittel zum Zweck, mussten
                     und der Fußabdruck urbaner Ge-       beweglich und leicht zu transpor-
                     biete wohl überlegt sein musste.     tieren sein.
                     Dies kann als ein begünstigender              Die Schlagkraft der mus-
                     Faktor für die erhöhte Kompakt-      limischen Heere wird genau auf
                     heit solcher Städte gesehen          diese Lebensumstände zurück-
                     werden. Mit dem Hofhaus als          geführt. Mit deren Eroberungen
                     eine Art Atom oder Grundbau-         einher ging eine Spannung zwi-
                     stein der Stadt, optimal wegen       schen Wüste und Stadt: die sess-
                     seiner Fähigkeit auf engem Raum      hafte Stadtbevölkerung wurde
                     oft und lückenlos addiert zu         von den abgehärteten Nomaden-
                     werden. Auch die Wichtigkeit der     stämmen überwältigt, woraufhin
                     Stadtmauer, um sich vor Feinden      die neuen Herrscher selbst sess-
                     zu schützen, aber auch um sich       haft wurden. Diese Symbiose
                     von dem harten landschaftlichen      zwischen Nomaden und Stadt-
                     Kontext abzuschirmen, findet         bevölkerung, Krieger und Kauf-
                     sich in vielen islamischen Städten   mann, wurde zum Erfolgsfaktor
                     bis nach Spanien wieder.             für die Ausbreitung des Islam.
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Ein Umstand, der noch               Die Öffentlichkeit
heute im Islam durch die vor-
geschriebene Pilgerfahrt nach                  Eine weitere Folge dieses
Mekka vertreten ist.                 Systems der Stadtgründung war
         Die Organisation der        die Vernachlässigung gemein-
Zeltstädte, sowie der späteren       samen, öffentlichen Raumes.
festen Siedlungen, beruhte auf der   Innerhalb der Bezirke wurde das
Parzellierung und Aufteilung von     Straßennetz auf ein Minimum
Raum auf Sippen und Familien.        reduziert. Plätze entstanden zu-
Hierbei wurde, beispielsweise        fällig an Aufweitungen der Straße.
bei Stadtneugründungen, einem        Während in europäischen mittel-
Stamm ein Stück Land übertra-        alterlichen Städten eine Straße
gen, auf diesem klar begrenzten      Platz für zwei passierende Karren
Gebiet wurde von den Grenzen an      garantieren musste, war die Maß-
nach innen gebaut.                   einheit im Orient zwei vollbe-
                                     ladene Kamele.
                                               Während sich in Europa
                                     Fassaden und Schaufenster ent-
                                     wickelten, gab es in den Städten
                                     des Islam dafür wenig Verwen-
                                     dung. Es wurde sogar bewusst
                                     auf Fassaden in der Öffentlich-
                                     keit verzichtet. Wobei die Zurück-
                                     haltung ein Zeichen von Respekt
                                     den Nachbarn gegenüber sein
                                     sollte. Zwischen den geschlossenen
        So bestand zwar eine         Außenmauern der Hofhäuser
Kontrolle auf der Makroebene,        bleibt das Straßennetz wie der
auf der Mikroebene, nämlich der      Negativraum der Stadt übrig. Der
Stadtteilbebauung, gab es je-        öffentliche Raum der islamischen
doch relative Freiheiten. Dies       Stadt ist undifferenziert, ohne
hatte eine gewisse Autonomie         Gesicht, aber geheimnisvoll und
der Wohnbezirke zur Folge, eine      verborgen, man könnte hier eine
übergeordnete     gestalterische     Formulierung der Gleichheit aller
Planung fehlte. Das Ergebnis war     Muslime vor Gott erahnen.
eine Mischung unterschiedlicher
Ethnien mit eigenen Traditionen.
Auch nach der Homogenisierung
und dem stetigen Auflockern der
ursprünglichen Bezirke blieb der
Charakter der introvertierten
Stadtteilbebauung erhalten.
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Oase von Siwa                        Oase von Siwa
             – Raumerfahrung
                                                    Die Oase von Siwa ist die
              „Alles hier ist aus einem   westlichste Oase Ägyptens in der
     Ton, die Häuser wirken wie Stal-     libyschen Wüste und befindet sich
     aktiten, aus dem salzigen Sand       unweit der Grenze zum Nachbar-
     herausgewachsen. Die wenigen         land. Sie erstreckt sich über eine
     Palmenstämme, welche die alten,      Länge von 80 Kilometern, bei einer
     bröckelnden Decken tragen,           Breite zwischen 2–20 Kilometern.
     sind mit einer dicken Schicht        Im Schnitt ist das gesamte Gebiet
     Staub bedeckt. Trotz dieser ein-     etwa 18 Meter unter dem Meeres-
     zigen Farbe im Farbschema            spiegel gelegen, was die hohe
     Siwas, wirkt die Ruine dieses        Dichte an Frisch- und Warmwas-
     Ortes alles andere als eintönig.     serquellen, sowie die zwei großen
     Ohne Ankündigung verlaufen           Salzwasserseen mitten im Wüs-
     sich die staubigen, Motorrad be-     tensand erklärt.
     fahrenen Straßen der Oase in                   Die etwa 23.000 Einwoh-
     dem Geflecht aus ausgestorbenen      ner, welche zwischen Plantagen
     Nomadenhäusern in Shali, Alt-        von über 300.000 Dattelpalmen
     Siwa. Die Grenzen der alten          und 70.000 Olivenbäumen leben,
     Siedlung werden durch deren          gehören zum Großteil dem Volks-
     zerfallenen Zustand verwischt.       stamm der Berber an. Sie spre-
     Dieses Netzwerk erinnert stark       chen untereinander Siwi, was die
     an die klassische islamische         Oase zur einzigen berberischen
     Art einer verwobenen Stadt,          Sprachinsel Ägyptens macht.
     welche man beispielsweise in                   Die Geschichte des Ortes
     Córdoba wiederfindet. Was in         geht 3500 Jahre zurück, auf den
     Siwa jedoch hinzukommt, die          Haupttempel des Gottes Amun.
     Orientierung erschwert und           Die Wahrsagungen seines Orakels
     die Entdeckungslust befördert,       waren weit über die Grenzen
     ist die Dreidimensionalität der      des Pharaonenreiches bekannt.
     Ruine. Die Räume überlagern          Alexander der Große besuchte bei
     sich regelrecht. Häuser lassen       seinem Aufenthalt in der Oase das
     sich nicht voneinander trennen       Orakel, welches ihn infolgedessen
     und so erschließt sich der Ort       zum „Sohn des Zeus“ ernannte.
     wie ein System aus Höhlen und        Nach der Bekanntheit in der An-
     Schluchten in winkelreichen Um-      tike als „Ammonium“, verschwand
     wegen die Hügel hinauf. Wie eine     die Orakelstätte der Beduinen.
     riesige, ungeplante Freilicht-       Sie wurde erst im 18. Jahrhun-
     skulptur, gegossen in einem Ma-      dert wiederentdeckt und mit dem
     terial und nur dem Gesetz der        historischen Ort in Verbindung
     Überraschung folgend.“               gebracht.
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