Der Islamische Raum Architektur und Kontext - Hosted By One ...
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Der Inhalt 82 Die Ursprünge des Architektur- 2 begriffs der Wüstenvölker Das Projekt, das Thema und mein Blickwinkel 90 Ammar Khammash: Sins and 6 Solutions in Architecture with Die Entwicklung des Hofhauses Modesty und das Paradies 104 12 Ein Raumbegriff und ein gegen- Spanien wärtiges Potential 14 108 Spuren des letzten Emirats der Bildverzeichnis Nasriden in Granada 28 Der königliche Palast und die Kathedrale von Sevilla 40 Die Herleitung der Moschee, der heilige Raum des Islam 44 Das iberische Zentrum der islamischen Welt in Córdoba 58 Ägypten 60 Die Moschee gegen Le Corbusier in Kairo 72 Die Wüste und der islamische Begriff der Urbanität 80 Für meine Eltern. Jordanien
Das Projekt Das Thema Das Projekt, Erst einmal die Frage Auf der Hand lag nun der nach dem Warum. Kontext für diese Reise; die Länder, Diese Frage ist in Wirk- die Kultur und die Architektur: der das Thema und lichkeit schwerer zu beantworten islamische Raum. Verstanden so- als hier vielleicht nötig. Am Anfang wohl als geographischer Bereich, stand neben einem grundlegen- wie auch als gebaute Räume, den Opportunismus der Aspekt, die uns umgeben und unser Ver- mein dass ich einige der betrachteten halten und Wohlbefinden ununter- Länder besuchen würde, oder brochen beeinflussen. Im Fokus schon immer besuchen wollte. stehen also die Besonderheiten Daraufhin habe ich mich gefragt und die unverwechselbare Sprache wie ich diese Reisen geogra- der islamischen Architektur. phisch und thematisch sinnvoll Weiterhin besteht nicht verknüpfen könnte. Und nicht nur der Kontext, gegeben durch Blickwinkel zuletzt die Tatsache, dass diese die islamische Kultur selbst, Länder eine Kultur und Architektur sondern auch der Kontext, welcher beheimaten, welche mir bisher diese Kultur umgibt. Das heißt, die völlig fremd und unbekannt war, verschiedenen Länder und ihre mich aber aus der Ferne immer vorhandenen Kulturen, Strukturen schon fasziniert hat. und Landschaften. So findet sich Gepaart mit einer grund- in den drei betrachteten Ländern, legenden Neugier an allem, was Spanien, Ägypten und Jordanien, fremd und unbekannt ist, ent- eine breite Vielfalt an interes- stand so der Wunsch, im Rahmen santen Kontexten, welche ihren dieses Projektes, eine neue Weise ganz eigenen Stempel auf den in zu finden, sich auf das Fremde ihnen gewachsenen islamischen einzulassen und im besten Fall Raum drückten. am Ende mit mehr zurückzu- kehren, als nur ein paar schönen Aufgrund des frei for- Erinnerungen und vielen Fotos. mulierten Charakters dieser Arbeit und den unterschiedlichen Quellen, darunter vor Ort gesam- melte schriftliche oder mündliche Informationen, verzichte ich auf Quellennachweise. Obwohl die Informationen nach bestem Willen von mir überprüft wurden, müssen die Texte eher als ein begleitender Bericht zu dem Erlebten verstanden werden. 2 3
Mein Blickwinkel verschiedenen Architekturen er- kennen lassen, welche zwangs- Um herauszufinden, wie läufig dicht mit unseren Gesell- ich mich der Sache nähern würde, schaftsstrukturen und deren fing ich an ein Notizbuch zu führen. Fundamenten vernetzt ist. Zu Klar war, dass ich die Entwicklung diesem Zweck habe ich versucht, des Projekts auf eine auf den Raumerfahrungen zu formulieren Moment bezogene Weise gestalten und meine Eindrücke beim Erleben wollte, durch das unmittelbare der Räume festzuhalten. Festhalten von Informationen, Was ich im Laufe des Eindrücken und Zeichnungen. Projektes feststellen konnte waren Zudem stolperte ich kleine, aber stetige Veränderun- während der Vorbereitung unver- gen in der Wahrnehmung meiner hofft über eine analoge Spiegel- Umgebung. Während andere von reflexkamera mit verschiedenen einem Eindruck zum nächsten Objektiven. Daraus entstand der hetzten, zwang ich mich länger Gedanke, die Dokumentation in still zu sitzen und hinzuschauen. Bildform nicht wie üblich durch Für manche Fotos wartete ich beiläufige Aufnahmen und späteres minutenlang, nur um am Ende Aussortieren an überflüssigen doch nicht den Auslöser zu drücken. Fotos anzugehen. Meine Ver- Viele Motive wurden verworfen, mutung war, dass mich die Kost- oder so lange ins Bild gerückt, bis barkeit und Einzigartigkeit des sie das verrieten was ich suchte. einzelnen Bildes, sowie die Unge- Ich stellte fest, dass ich mehr wissheit, ob ich hierbei brauch- fokussierte, über Perspektiven bare Aufnahmen erzeugen würde, und Zusammenhänge nach- dazu verleiten würden, länger an dachte, generell mehr dachte. Und einem Ort zu verweilen und da- vielleicht dabei tatsächlich öfters bei genauer hinzuschauen, ob über etwas bewundernswertes vielleicht etwas zu entdecken ist, stolperte. Für die Möglichkeit, was ich sonst im Vorbeihuschen diesen Versuch zu unternehmen, übersehen hätte. bin ich sehr dankbar. Ein generelles Ziel war es, die These zu testen, ob es objektive Raumeindrücke gibt, also Wirkungen von unserer gebauten Umwelt auf unsere Synapsen, welche bei verschie- denen Personen die gleichen Reaktionen und Empfindungen hervorrufen. Dadurch müsste sich eine Art Sprache der 4 5
Der Ursprung Die Entwicklung Um den Charakter der islamischen Architektur zu ver- stehen, muss man sich ein Bild des Hofhauses und davon machen, wie und wo diese Baukultur ihren Ursprung hat. Dabei stößt man unumgänglich auf den Kontext der Nomaden- das kulturen, welche sich im Maghreb und im Mittleren Osten unter den dort herrschenden extremen Bedingungen entwickelt haben. Diese Kulturen, denen große bau- wurde anschließend nach Innen liche Monumente fremd waren, gebaut. Die vereinzelten Hütten prägten und verbreiteten das öffneten sich zum Zentrum hin, Paradies Raumverständnis im Islamischen in dem sich gewöhnlich eine Mittelmeerraum. Feuerstelle befand und oft die Ein besonders interes- Wertvollsten Gegenstände und santer Schritt, der auch den Raum das Vieh aufbewahrt wurden. definiert hat, war die frühe Ent- Die Eingangstür befand sich hier wicklung des Hofhauses. Diese in- nicht in der Wand der Hütten, trovertierte Urform des familiären sondern in der Wand des Hofes, Wohnraums bot viele Vorteile Besucher warteten dort auf Ein- unter den Bedingungen des lass. Diese Form der geschützten Nordafrikanischen Mittelmeer- Behausung findet man noch heute raums. So wurden die Bewohner in Bereichen Afrikas, meist be- durch die geschlossene Mauer wohnt von großen Familien oder ringsum vor wilden Tieren, feind- kleinen Dörfern. Den Vorteil bildet lichen Stämmen, dem heißen hier nicht zuletzt die Möglichkeit Wüstenwind und der brennenden Räume flexibel zu erweitern, sobald Sonne geschützt. In der Mitte die Bewohneranzahl steigt. wiederum bildete sich ein privater Diese Architektur, bei und ruhiger Freiraum, um den der die äußere Mauer eine ab- sich alles Leben konzentrierte. wehrende, geschlossene Form Das zugrundeliegende Prinzip annahm, setzte sich fest im war, dass die Nomaden anfingen, Raumverständnis dieses Kultur- Landstücke ihr Eigen zu nennen raums. Genauso der Brauch, auf und diese mit einer Mauer, an- dem abgegrenzten Gebiets von fangs einfachen Zäunen oder außen nach innen, sowie additiv dornigen Hecken, zu umgeben. beziehungsweise flexibel erweiter- Von dieser äußeren Umgrenzung bar zu bauen. 6 7
Die Adaption öffentlichen Brunnen in trockenen Das Paradies Wurzel im persischen „Faradis“, Regionen. was so viel wie: „ein von einer Dieser einfache Urtyp des Nach dem Ende des Fließendes Wasser, mit Mauer umgebener Garten“ be- Hofhauses und auch schon zwei- römischen Reiches und dem seiner Unentbehrlichkeit und deutet. Diese Gärten wurden geschossige Hofhäuser in der resultierenden Machtvakuum in Bedeutung in diesen Wüsten- nicht im natürlichen Sinne sich Stadt Ur mündeten in verschie- Vorderasien, trugen islamische kulturen, wurde früh in die Archi- selbst überlassen, sondern waren denen Interpretationen dieses Nomadenstämme, beziehungs- tektur der Hofhäuser integriert. systematisch angelegt. Oft durch Typus wie der „Târma“ im Irak, weise Halb-Nomaden den Bautyp So waren die Wasserbecken und eine mittlere Trennung des Hofes dem „Hayat“ in der Türkei, sowieweiter. Ein prägender kultureller Brunnen in der Mitte des Hofes in vier gleichgroße Flächen, wobei Adaptionen durch Mioner, Griechen, Aspekt waren hier die Textil- Ausdruck eines paradiesischen die Begrenzung entweder ein Etrusker und Römer, welche über stoffe der Zelte und in gebauter Wunschbildes. Der Garten ist Wasserbecken oder ein Geh- Handelsbeziehungen die Bau- Form, halb- oder undurchsich- hier, entgegen anderer Inter- weg war. kultur Kleinasiens entdeckten. tige Raumgliederungen durch pretationen weltweit, ein Ort der Diese Form des Wasser- Wichtig ist zu verstehen, dass Holz- oder Steingitter. Gemäß Abgeschiedenheit. beckens findet ihren mythologi- diese Entwicklungen niemals nur dem islamischen Verständnis von Auch diese Form findet schen Ursprung schon zur sume- einseitig erfolgten. Baupraktiken Öffentlichkeit und Familie er- ihren Ursprung wieder im Kontext rischen Zeit in Mesopotamien. und -techniken wurden zwischen fuhr der Raum eine stufenweise der Wüste. Gärten mussten mit Im sogenannten Zweistromland den Kulturen wechselwirkend Privatisierung. Nach dem Betreten hohen Mauern gegen heiße, entstand die Vorstellung von vier entwickelt, eine klare kulturelle gab es klare Bereiche, die für Be- sandige Winde geschützt wer- Strömen, die dem Weltenberg ent- Abgrenzung ist daher in den sucher bestimmt sind. Hinter den. Sogar das Wort Paradies springen und ein kreuzförmiges wenigsten Fällen möglich. mehreren diffusen Raumbegren- [griechisch „Paradeisos“] hat seine Koordinatensystem bilden. Erfolgskriterien für die zungen wurde die Familie, also rasche Verbreitung waren die Frauen und Kinder, vor neugierigen zentrale Feuerstelle, welche durch Blicken geschützt. den offenen Hof wirkungsvoll Hier fungierte das Haus entrauchen konnte, die effektivewie der Schleier der Frau und war Belichtung schon bei kleinen somit der einzige Ort, an dem Sie Höfen, die effiziente Erschließung sich unverhüllt zeigen konnte. der Räume mit einem geschütz- Dies resultierte aus einer Raum- ten Arbeitsbereich im Zwischen- organisation, die direkte Blick- raum, sowie die Luftzirkulation beziehungen vermied. Auf einen durch Kaminwirkung bei gleich- Fluchtpunkt ausgerichtete und zeitigem Wärmepolster bei un- symmetrische Räume wurden günstigen Witterungsbedingungen.dafür vermieden. Das römische Atrium- haus legte zudem großen Wert westlich orientalisch auf die interne Speicherung von Regenwasser in einem zentralen Wasserbecken mit Filtersystem. Durch das sogenannte Impluvium wurde das Haus aktiv gekühlt und war gleichzeitig unabhängig von 8 9
Emirat de Granada Nach weiteren inneren Konflikten und den schrittweisen Spuren des Das sogenannte „Emirat Eroberungen des neu gebilde- von Granada“ oder „Königreich ten Ehebündnisses zwischen von Granada“ war das letzte, sich Ferdinand II. von Aragón und letzten Emirats, die auf der Iberischen Halbinsel be- Isabella I. von Kastilien, wurde findende muslimische Staats- 1491 mit dem letzten Herrscher gebiet, regiert von der Dynastie des Emirats, Muhammad XII., ge- der Nasriden. Die Nasriden hatten, nannt „Boabdil“, ein Kapitulations- Nasriden in nach der Niederlage der Muslime vertrag verfasst. 1492 endete bei „Las Navas de Tolosa“, somit die Herrschaft des letzten unter ihrem ersten Herrscher muslimischen Staatswesens auf Muhammad I. in Granada ein der Iberischen Halbinsel. Darauf eigenständiges Emirat etabliert. folgte die Integration in das Dieses konnte, dank seiner geo- Königreich Kastilien. Den un- graphisch strategischen Lage, terworfenen Muslimen wurde in Granada auch nach dem Verfall von der Kapitulation Religionsfrieden al-Andalus Einfluss auf den Mittel- zugesprochen, was sich jedoch meerraum ausüben und so später unter der Inquisition für essenzielle Handelsbeziehungen die gesamte iberische Halbinsel aufrechterhalten. wieder ändern sollte. Trotz der langen Blütezeit des Reiches, welche kulturelle, sowie wirtschaftliche Entwick- lungen der Stadt und einen großen Ausbau der Palastanlagen mit sich brachten, war das Emirat stets in einer beengten Situation. Durch andauernde Konflikte zwischen Berbern und den regierenden Dynastien war das Reich oftmals geschwächt und konnte sich nur schwerlich gegen das Vordringen der Königreiche Kastilien und León verteidigen. Dies hatte den Verlust von Länder- eien zufolge. Granada musste zudem den christlichen Herr- schern Tribut zahlen und diese als Obrigkeiten anerkennen, um einen 20-jährigen Frieden zu erreichen. 14 15
Arco Elvira Das ehemalige Haupt- tor der mittelalterlichen Stadt liegt im Norden des Stadtteils Albaicín, am Ende der belebten Calle Elvira. Was hier direkt auffällt, ist die nicht axiale und dezentrale Lage des Tors. Hinter dem großen Durchgang findet man sich nicht, wie man es vielleicht erwarten würde, auf einem offenen Platz, sondern steht unmittelbar in der kleinen Straßenstruktur des Albaicíns. Nicht nur das, die Straße hinter der Mauer knickt auch unmittelbar ab. Um der Calle Elvira in die Stadt zu folgen, muss man sich um neunzig Grad drehen. Dies bewirkt, dass der Raum vor und hinter dem Tor stark unterschiedliche Wirkungen auf den Erlebenden ausübt. Sobald man sich im Inneren befindet, muss man sich wieder umorientieren und vergisst, was vor dem Tor lag. Man fühlt sich von der Stadt umgeben, ohne einen optischen Bezug zum Außen. Neben dem militärischen Vorteil dieser Art der verwinkelten Wegeführung, lässt sich hier eine Parallele zu den typischen „ver- bergenden“ Eingangssituationen im islamischen Raum erkennen. 16 17
El Bañuelo Wand, Säule, Bogen und Decke. – Raumerfahrung Frei-, oder Außenraum existie- ren nicht, auch die Beziehung „Das ehemalige arabische zur Außenwelt wird durch die Dampfbad liegt versteckt hinter kleinen Lichtlöcher in der Decke einer unscheinbaren Straßen- verneint. Man könnte sich hier, fassade im Stadtteil Albaicín. in dieser geschützten Höhle, an Nicht nur die Fassade ist irre- jedem beliebigen Ort der Welt führend, auch nach dem Betreten befinden. Der Raum strahlt eine des Gebäudes offenbart sich Ruhe und Geborgenheit aus. dessen Raumgefüge nicht. Zu- Jedes Gewölbe möchte entdeckt nächst gelangt man über einen, werden und lässt den Besucher selbstverständlich nicht grad- vergessen, wie er dorthin ge- linigen, Eingang in einen Vorhof. funden hat.“ In dessen Mitte befindet sich ein Wasserbecken. An einer Seite befinden sich drei Torbögen, von denen der mittlere und größte nur eine ausgemauerte Nische ist. Die beiden Eingänge links und rechts wirken beiläufig, ihre Höhe reicht kaum, um aufrecht hindurch zu gehen. Wie sich herausstellt, verbergen sich hinter dem linken die Räumlichkeiten der ehemaligen Latrine, während der rechte als Haupteingang in die Badeanlage fungiert. Betritt man diese, erschließt sich einem eine spannende Raumabfolge von immer neuen, verschieden großen Gewölben. Belichtet wird das Bad, welches in drei Tem- peraturzonen aufgeteilt war, durch in der Decke eingelassene dekorative Löcher. Wie ein Sternenzelt ruhen die Gewölbe auf schlanken Marmorsäulen mit Hufeisenbögen. Besonders ist, dass es sich hier um einen rein architektonischen Raum handelt, zusammengesetzt aus 18 19
La Alhambra Nach dem Zusammen- Als demonstratives Zei- Palacio de las Nazaries bruch des Kalifats im Jahr 1031 chen des Sieges des katholi- Der über der heutigen fiel die Stadt unter die Herrschaft schen spanischen Reiches über Was an der Palastanlage Stadt Granada thronende Palast- der nordafrikanischen Berber, die letzte Bastion der Muslime der Alhambra auffällt, ist zunächst komplex ist das wohl bedeu- woraufhin die Stadt Granada wurde unter Karl V., Kaiser des die untypische Lage des Thron- tendste Beispiel maurischer gegründet wurde und näher an Heiligen Römischen Reiches, saals. Auf der Aufnahme der Architektur und islamischer Kunst die Festung heranwuchs. Darauf entworfen von Pedro Machuca, hohe Turm rechts im Bild. Er liegt in Spanien. Die Alhambra, ab- folgte die Herrschaft des Emirats der Renaissancepalast im Zent- unmittelbar in der Außenmauer geleitet von „Qasr al-Hamra“ [der von Granada unter Herrschaft rum der Alhambra errichtet. und ragt sogar weit in den Hang rote Palast] ist heute Weltkultur- der Nasriden, welche die Zitadelle Während der franzö- hinaus. Trotz der guten Aussicht erbe und umfasst ausgedehnte oder Alcazaba zu einem rein sischen Besetzung Spaniens auf die Untertanen im Albaicín Befestigungs-, Palast- und Garten- militärischen Nutzen umbauten bis 1814 wurden die Bewässe- ist dies eine eigenartige Position anlagen, mit einer Gesamtlänge und die Oberstadt weiter befes- rungssysteme der Alhambra für das Herzstück der Burg. von 740 m und einer Breite von tigten. Aus dieser Zeit stammt wiederhergestellt und diese als Diese dezentrale Lage lässt sich 220 m. ein Großteil der heutigen Anlage, strategische Festung genutzt. vielleicht durch die Gewohnheit Der Bergausläufer aus welche sich in vier grundlegende Bei dem Rückzug der Franzosen der islamischen Architektur er- der Sierra Nevada, mit seiner Teile Gliedern lässt: wurden jedoch auch einige Teile klären, von einer Außenmauer strategisch erhöhten Lage und die Alcazaba oder Zita- der Festung zerstört. Im 19. Jahr- nach innen zu Bauen und der der Nähe zu den beiden Flüssen delle, eine Befestigungsanlage hundert begann dann die Wieder- damit einhergehenden Vertraut- Darro und Genil, wurde bereits mit städtischem Charakter, die entdeckung und Restaurierung heit, wichtige Räumlichkeiten an vor dem Einfluss der Römer be- Palastanlagen der Nasriden, der Alhambra. der Außenmauer zu platzieren. siedelt. Es wurde jedoch erst nach welche den Herrschaftssitz bildet den maurischen Eroberungen auf und in der nördlichen Außenmauer der iberischen Halbinsel eine erste mit Blick auf die Stadt gelegen ist, Befestigungsanlage errichtet. die Medina, die den Palast um- Diese wurde im 11. Jahrhundert gebende befestigende Oberstadt, erstmals erweitert, um sich vor in der sich die Verwaltung, Aufständen in der Bevölkerung der Wohnsitz höherer Bürger, des Albaicíns, der maurischen die wichtigsten Handwerker sowie Stadt unterhalb der Burganlage, die Waffenschmiede befanden zu schützen. und zuletzt die Generalife, die Während der Herrschaft Sommerresidenz oder Freizeit- des Kalifats von Córdoba in anlage außerhalb der Mauern al-Andalus ab dem Jahr 929 der Alhambra. erlebten Stadt und Palastanlagen Unter den Nasriden über- eine Blütezeit. Dies brachte dauerte Granadas Blütezeit das einen in Europa unvergleichlichen von den katholischen Königen Aufschwung von Kultur, Bildung, besiegte Kalifat von Córdoba bis Handwerk und Kunst mit sich. zur eigenen Niederlage gegen Zudem verfügte die gesamte Kastilien und der Kapitulation Stadt über eine funktionierende und Übergabe der Alhambra im Frischwasserversorgung. Jahre 1492. 20 21
Puertas de la Alhambra Die „Puerta de la Justicia“, einer der Hauptzugänge zur Alhambra, liegt in der südlichen Außenmauer. Interessant ist die militärisch wirksame Anlage des Tores, welche man auch in den anderen befestigten Toren findet. Der Besucher gelangt nicht direkt durch das Tor, sondern muss beim Durchschreiten mehrmals die Richtung wechseln. Dies macht das Tor uneinsichtig für Feinde und schwieriger einzunehmen. Im Zwischenbereich der beiden Por- tale befindet sich ein S-förmiger Korridor, welcher den Weg zu- sätzlich verlängert. Über dem äußeren Tor- bogen befindet sich das Relief einer Hand, ein Symbol für sicheres Passieren des Tores, aber auch für die Macht des Hausherren. Nach der Eroberung der Alhambra wurden hier viele Symbole plat- ziert, um den neuen Glauben zu demonstrieren. So befindet sich in der Front über dem Eingang nun eine Nische mit einer Maria Figur, während beim inneren Portal ein Altar angebracht wurde und eine Steintafel mit Inschrift den Sieg Kastiliens 1492 feiert. 22 23
Torres de la Alhambra Viele Wehrtürme in der Nordmauer der Alhambra sind im Inneren zum Wohnen ausgebaut. Diese Struktur zeigt nach außen lediglich kleine Fenster. Nach innen öffnet sich die massive Baumasse zu einem geschoss- übergreifenden Freiraum, welcher zu allen Seiten gleichwertig an die Zimmer angeschlossen ist und über ein Oberlicht belichtet wird. Dieser Raum ist wie der weiche Kern des Turms und bildet einen Kommunikationsraum, der alle Dies deckt sich mit der Raumge- Zimmer direkt miteinander ver- staltung der Türme, welche wenig knüpft. Der Sage nach sperrte nach außen kommunizieren, aber hier ein Sultan seine drei Töchter im Inneren, analog zum Hofhaus, ein, um sie vor fremden Blicken einen geschützten und privaten zu beschützen. Wohnraum bieten. 24 25
Palacio de Carlos V 1527 gab Kaiser Karl V. den Auftrag zum Bau eines neuen Palastes inmitten der Anlage der Alhambra, in direkter Nähe zu den Palästen der Nasriden. Einige Teile wurden sogar für den Bau abgerissen. Jedoch wurde das Bauwerk nie fertiggestellt, geschweige denn bewohnt. Im Geiste der Renaissance ist der quadratische Bau perfekt symmetrisch angelegt und wirkt wie ein Fremdkörper im restlichen Burgkomplex. In der Mitte befindet sich ein kreisrunder, zweistöckiger Patio mit umlaufendem Säulen- gang. Die Symmetrie war in der Renaissance ein Ausdruck von Macht, zweifellos ein finales Zeichen des Sieges des König- reiches und damit auch der letzte große Stempel, den die Ge- schichte auf die Architektur der Alhambra drückte. 26 27
Sevilla Der königliche Palast Erobert wurde die Stadt von den maurischen Truppen im Jahre 712 und war fortan und die Kathedrale Teil des Kalifats von Córdoba in al-Andalus. Nach Überfällen der Normannen im Jahr 844 hatten diese kurzzeitig die Kontrolle über von Sevilla, sowie anderer Städte im Südosten der iberischen Halb- insel. Als Reaktion darauf wurden mehrere Städte des Reiches erst- mals umfangreich befestigt. Der Fall des Kalifats von Córdoba führte die Stadt unter Sevilla der Dynastie der Abbadiden in eine Blütezeit. Diese wurden ab- gelöst von den berberischen Almoraviden und später den Almohaden. In dieser Zeit wuchs Sevilla zur bedeutendsten Stadt in al-Andalus heran. Zeugen dieser Zeit waren die inzwischen über- baute Moschee und deren Minarett, die Giralda. Als Ferdinand III. von Kastilien die Stadt 1248 eroberte, wanderte ein Großteil der Muslime nach Granada und Nordafrika ab, was wirtschaftliche Folgen für die Stadt hatte. Unter Peter I. wurde von maurischen Baumeistern aus Granada der Alcazar-Palast errichtet. Eines der bedeutendsten Bauwerke dieses Baustils unter christlichem Einfluss. 28 29
Real Alcazar de Sevilla königlichen Sitz bauen zu lassen. Die zentrale Palastanlage aus Unter muslimischer Herr- der Zeit der Almohaden musste schaft wurde 913 mit dem Bau hierfür weichen. Dies waren aber des Palasts begonnen. Dieser nicht die ersten Änderungen. Ihnen wurde mehrere Male erweitert und voraus gingen Bauten im gotischen umgebaut. Heute sind noch die Stil, welche mit dem neuen Palast Außenmauern der großflächigen ergänzt wurden. Gärten und das intakte römische Dieser ist ein wahrer Mix Wassersystem vorhanden, welches aus Symbolen und Ornamenten. die Mauren wiederaufbauten. Peter I., welcher großes Interesse Der bedeutendste Teil an der arabischen Kultur hatte, bleibt jedoch der königliche Alcazar- hat auch versucht die arabische Palast aus dem 14. Jahrhundert. Sprache und Schrift zu lernen. Die Begonnen wurden die Bauarbeiten Schriftzüge, welche die Wände 1356 unter Auftrag von Peter I. Er des Palastes schmücken, sollen erwarb Baumeister und Arbeiter von ihm stammen und werden in aus Granada, um sich im Stil der seiner spanischen Version der ara- Mudéjar-Architektur, des Archi- bischen Sprache von links nach tekturstils der konvertierten Mus- rechts geschrieben, andersrum lime im christlichen Spanien, einen als im Arabischen üblich. 30 31
Auch die Ornamente des Palastes erzählen von einem Zusammenfügen der Kulturen. So sind christliche Symbole, wie Muscheln oder die Wappen des Königshauses, von muslimischen floralen Motiven umrankt. In kufischer Sprache titelt „Das Reich für Allah“. An anderer Stelle findet man in gotischen Schrift- zeichen geschrieben: „Der höchste, nobelste und mächtigste Eroberer Don Pedro, unter Gottes Gnaden König von Kastilien und León, hat den Bau dieses Alcazar und dieser Paläste und dieser Fas- sade bewirkt, was im Jahr 1402 [1364] geschah.“ Die Privatgemächer sind geschmückt mit Säulen, entnom- men aus den Ruinen der Palastan- lage Madīnat az-zahrā in Córdoba, während die für die Gäste zugäng- lichen Bereiche neu gestaltete Säulen verwenden. Ein weiterer großer Umbau erfolgte, als hier 1526 die Hochzeit von Karl V und Isabella von Portugal gefeiert wurde. Für diesen Anlass wurde unter anderem über dem Patio de las Doncellas und dem Thronsaal ein zweites Geschoss mit königlichen Gemächern konstruiert. Die Fenster dieser Gemächer öffnen direkt in die oberen Wände des Thron- saals. Auch wurde das ursprüngli- che Wasserbecken in der Mitte des Thronsaals entfernt, um Isabellas Kleid nicht zu beschmutzen. 32 33
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Catedral de Sevilla Catedral de Sevilla – Raumerfahrung Zwischen 1184 und 1198 „Nach der Kathedrale wurde die Moschee von Sevilla mit ihren bekannten gotischen errichtet. Der Bau bestand haupt- Schiffen, ihrer imposanten Höhe, sächlich aus Ziegeln, war jedoch ihrem Prunk in Silber und Gold mit seiner Größe und dem mäch- und ihrer Symmetrie, alles ausge- tigen Minarett, der Giralda, eines richtet auf einen zentralen Altar, der bedeutendsten Bauwerke im wirkt der Patio de los Naranjos damaligen al-Andalus. fast beiläufig. Dennoch wirkt er Nach der Rückeroberung mit seiner angenehmen Größe, im Jahre 1248 durch Ferdinand III. den Orangenbäumen, dem plät- wurde der sakrale Bau zur Kathe- schernden Wasser und dem drale erklärt. Es folgten zwischen frischen Wind einladender und 1434 und 1517 Bauarbeiten an drängt zum Verweilen. Das alles der gotischen Kathedrale, welche muss nicht bedeuten, dass die Halle der Moschee vollständig die ursprüngliche Anlage, unter ersetzte. Viele Erweiterungen, muslimischen Glauben den darunter die königliche Kapelle gleichen Charakter gehabt im Renaissance-Stil, sowie der haben soll, zeigt aber sehr wohl aufgesetzte Glockenturm der ein gewisses raumgestaltendes Giralda, folgten. Potential dieser Form der Spiri- Heute ist die Kathedrale tualität auf.“ mit 23.500 m², einer Länge von 126 m, einer Breite von 83 m und einer Höhe von 37 m im Transept, sowie der Giralda mit 96 m, die größte gotische Kathedrale der Welt. 36 37
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Die Schwelle Die Tradition unter freiem Himmel zu beten findet sich Die Herleitung der Wenngleich der Beginn noch heute in der Flexibilität der der Moschee als sakraler gebauter Gläubigen wieder. Sie können an Raum schwerlich an einem Punkt jedem Ort und zu jeder Zeit beten. Moschee, der festzumachen ist, gibt es hier ein Zum Beginn des 16. Jahrhunderts klares bauliches Merkmal, welches gab es auch unter christlicher unzertrennlich mit deren Entste- Herrschaft auf der iberischen hung verbunden ist: die Grenze Halbinsel noch Musallas, die von heilige Raum des zum Außenraum. Lange bevor die den wenigen Mauren genutzt Moschee sich zu einem Gebäude wurden. Als die Conquistadores entwickelte, gab es im arabischen Südamerika eroberten, expor- Raum sogenannte Musallas. tierten sie diese Art des Gebets- Diese waren im Grunde offene, platzes sogar, indem sie die durch eine Mauer geschützte Einheimischen in sogenannten Grundstücke, auf welchen gebetet „Capilla de Indios“, also Indianer- Islam wurde. Auch für militärische kirchen, missionierten. Paraden, Spiele und als Markt- Während die ersten Mu- platz wurde dieser öffentliche sallas noch Richtung Jerusalem Raum bei Bedarf genutzt. ausgerichtet waren, orientieren sich die Moscheen nach Moham- meds Einfluss Richtung Mekka. Die Rolle des Propheten in der architektonischen Entwicklung dieses heiligen Raumes ist auch aus weiteren Gründen nicht zu verkennen. Musalla in Aswan, Ägypten 40 41
Der Prophet Ein begünstigender Fak- Das Innere tor für die rasche Ausbreitung der Mohammeds Wohnhaus Religion war die Einfachheit der In der späteren Entwick- in Medina wird oft als erste Bauten und der Rituale. Insbe- lung der Moschee lassen sich Moschee bezeichnet und gilt als sondere der gepredigte, mini- genau diese Grundlagen, in ge- Inspiration für die ersten religiösen malistische Lebensstil ließ sich baute Form übersetzt, ablesen. Bauten des Islam. Dabei hatte ohne Komplikationen mit dem Die Moscheen wachsen zu immer er selbst kein Interesse an Archi- Brauchtum und den Umständen größeren, geborgenen Bereichen, tektur und lehnte jede Form von der Nomadenstämme vereinen. umschlossen von einer Mauer. Prunk in Zusammenhang mit Auch gab es, zumindest im frühen Vor dem Betreten müssen Be- sakralen Bauten ab. Die Archi- Islam, keinen Bedarf an heili- sucher ihre Schuhe ausziehen. tektur seines Hauses folgte rein gen Stätten oder Sakralbauten, Die Schwelle, das Verhältnis von pragmatischen Faktoren. Um lediglich die Himmelsrichtung innen zu außen, wird so noch mehr der wachsenden Anhängerzahl wurde zum Beten benötigt. Dies in den Vordergrund gehoben. gerecht zu werden, wurde dem mündete nicht nur darin, dass Um im Inneren Schatten großen Hof der meiste Raum ge- muslimische Astronomen zu jeder zu gewähren wurden mehr und Große Moschee, Kufa lassen, lediglich gegliedert von Zeit im Stande sein mussten, die mehr Bereiche durch Säulen- einem Portico im Süden. Vorge- Himmelsrichtung von Mekka her- gänge überdacht. Aus diesen ent- sehen war dieser wohl für Arme, auszufinden, sondern auch, dass wickelten sich die Riwaqs und die welche ihrem Propheten aus den Gläubigen ein einfacher Ort Bethalle der Mosche, der Haram. Mekka gefolgt waren. Die Wohn- und ein Teppich für das tägliche Im Zentrum wurde der übrige räume selbst wurden durch beiläu- Gebet genügten. offene Hof so zu einem eigen- fig in die Außenmauer des Hofes In der frühen Ausbrei- ständigen, von der Außenmauer gebrochene Durchgänge erreicht. tungszeit des Islam waren soge- separaten Gestaltungsmerkmal. Wobei sich die eigentlichen Räume nannte Wüstenmoscheen üblich. Die eigentliche Fassade der außerhalb der Mauer befanden und Diese waren einfache Zeltkon- Moscheen wurde die Hoffassade, nur durch einen Vorhang nach in- struktionen, die an jeder Stelle während die Außenmauer immer nen verdeckt wurden. temporär oder dauerhaft aufge- weiter hinter wachsenden Säulen- stellt werden konnten. Spuren hallen zurücktrat. Dies erzeugte dieser temporären Gebetsorte im Inneren einen weitläufigen lassen sich nur noch in Löchern horizontalen Raum, isoliert von im Untergrund erahnen, dort jeglichen äußeren Einflüssen. wurden die Stützen der großen Bei vielen der größten Zelte gehalten. Moscheen, so beispielsweise bei der Mezquita-Catedral in Córdoba, ist zu beobachten, wie flexibel sie über die Jahre erweitert wurden. Für wachsende Gemeinden musste lediglich die Außenmauer abgerissen werden, um weitere Säulenreihen um den Innenhof Wohnhof des Propheten, Medina zu addieren. 42 43
Califat de Córdoba Hinzukommende Konflikte zwi- schen Berbern und Arabern Das iberische Das Kalifat von Córdoba führen zum Machtverlust des war zwischen 929 und 1031 ein Kalifats über al-Andalus. Nach islamischer Staat auf der iberi- dem stetigen Verfall des Kali- Zentrum der schen Halbinsel. Anfangs war fats und seiner resultierenden das umayyadische Emirat von Schwäche wird Córdoba 1236 Córdoba nur ein Satellit von von Ferdinand III. von Kastilien Damaskus, überlebte dann aber zurückerobert. islamischen Welt in den Niedergang der dortigen umayyadischen Dynastie. Die Anfänge des Reiches waren von Aufständen der Aris- tokratie und von Konflikten mit den Berberstämmen geprägt. Das Kalifat wurde nach deren Be- Córdoba friedung ausgerufen und konnte seinen Machtanspruch durch Siege über Kastilien und León durchsetzen. Diese mussten die Umayyaden anerkennen und dem Kalifat Tribut zahlen. Unter umay- yadischer Herrschaft, besonders unter Abd al-Rahman III., gewann Córdoba an Einfluss, Wirtschaft und Kultur florierten. Das Kalifat wurde zu einem der reichsten und kultiviertesten Länder seiner Zeit. Hier lebten um die 500.000 Ein- wohner und die Stadt wurde in der islamischen Welt wichtiger angesehen als Damaskus. In diese Periode fällt auch die Errichtung der Madīnat az-zahrā. Unter der Herrschaft der Amiriden, begonnen durch die Machtübernahme des Kämme- rers Abi Amir Almansor, werden Barcelona, Kastilien und León erfolgreich angegriffen. Macht- kämpfe unter den Amiriden schwächen das Kalifat jedoch. 44 45
Mezquita-Catedral nicht gehetzt. Die Leute gucken – Raumerfahrung mehr in die Luft und man könnte fast meinen, in dem gedämpften „Es fühlt sich an, als Rascheln der Schritte weniger würde man in einem endlosen Kameras klicken zu hören.“ Wald aus Säulen umherwandern. Jegliche Orientierung scheitert an der Wiederholung von Pfeiler und Bogen. Wären da nicht die nachträglichen Abwandlungen und kleine Besonderheiten wie Gewölbe und Decken verschie- dener Zeiten, Altäre und vor allem das in der Mitte des Haram angelegte Kirchenschiff der Kathedrale, würde der Blick immer nur wieder zwischen Säulen in die diffuse Ferne wandern und nicht wissen, wo er halten soll. Es entsteht eine natürliche Lust umherzuwandern, man fühlt sich 46 47
Mezquita-Catedral Ungewöhnlich ist, dass die Moschee nicht nach Mekka Im Gegensatz zu der über orientiert ist, sondern nach Süd- die Jahrhunderte stark veränder- osten. Wahrscheinlich deutet dies ten Kathedrale von Sevilla, ist ein auf die wichtige Beziehung zu großer Teil der Mezquita-Catedral Damaskus hin, dessen Moschee in Córdoba noch als Moschee zu aus Syriens geographischer Lage erkennen. Die Kathedrale wurde in Richtung Südosten, also nach eher in den Haram integriert, die Mekka gerichtet ist. Mauern, der große Patio und die Die Moschee wurde Tore der Moschee sind beinahe mit wachsender Einwohnerzahl unverändert vorzufinden. mehrere Male erweitert und zum Dies bedeutet nicht, dass Vorbild für die Moscheen von das Gebäude nicht zahlreiche Sevilla und Marrakesch. Erweiterungen erfahren hat. Auf Nach der Zurückerobe- dem ehemaligen Gelände eines rung durch die Christen wurde römischen Tempels stand hier vor die Moschee zur Kirche benannt. der Eroberung durch die Muslime Neben kleinen Änderungen an der eine westgotische Basilika, welche Moschee wurde die Villavisciosa unter muslimischer Herrschaft Kapelle im gotischen Stil gebaut. von beiden Glaubensgemeinden 1523 begann der entscheidende parallel genutzt wurde. Erst als Umbau, bei dem in der Mitte der die muslimische Bevölkerung Bethalle Säulen entfernt wur- Córdobas stark zunahm, soll den, um im plateresken Stil ein Abd ar-Rahman I. den Christen Kirchenschiff zu errichtet. Trotz die Basilika für eine große Summe großem Widerstand vom Stadtrat Geld abgekauft haben, während Córdobas, wurde die Kirche 1607 diese außerhalb der Stadt neue unter Billigung von Karl V. fertig- Kirchen bauen durften. Die Kirche gestellt. Als dieser Córdoba nach wurde abgerissen und an der glei- der Fertigstellung besuchte, soll chen Stelle zwischen 786 und 788 er allerdings gesagt haben: die erste Moschee errichtet. Die Arkaden laufen recht- „Ich wusste nicht, um winklig zur Qibla-Wand, welche was es sich hier handelte. Denn die Betrichtung der Moschee wenn ich es gewusst hätte, angibt. Die Doppelbögen der hätte ich nicht erlaubt, dass man Arkaden werden von schlanken Hand an das alte Gebäude legt. Säulen getragen, welche zum Ihr habt getan, was möglich war, Großteil aus römischen Gebäu- etwas erbaut, was es andernorts den stammen. Daher variieren schon gibt, und dafür habt ihr Farben und Kapitelle der Säulen etwas zerstört, was einmalig in deutlich. der Welt war“. 48 49
Madīnat az-zahrā Madīnat az-zahrā – Raumerfahrung Die Madīnat az-zahrā „Sobald man den Aus- ist eine Palaststadt, wenige grabungsbereich betritt, beginnt Kilometer von Córdoba, am Fuß man sich von Raum zu Raum der Sierra Morena. Der Bau der zu bewegen. Alles scheint Ge- Stadt wurde vom umayyadischen bäude, alles ohne Dach und Kalifen, Abd ar-Rahman III., 936 daher gleichwertig. Den Unter- in Auftrag gegeben. Der Name schied macht nur die Größe war eine Widmung an eine seiner der Orte, von denen der Groß- Konkubinen namens az-Zahra. teil rechtwinklig und Richtung Die Neugründung solcher Städte Süden, den Hügel hinab ins Tal war Tradition unter den Kalifen, blickt. In der Madinat gibt es regelmäßig wurden die Herr- nichts als Straße, Hof, Kam- schaftssitze gewechselt und mer und Mauern, die das Ganze quasi aus dem Nichts aufge- voneinander teilen. Hier ist alles baut. 945 zog der Kalif in seine architektonischer Raum, alles ist neue Stadt ein, Verwaltung, gebaute Struktur und mehr wie Militär und Münzpresse folgten. ein geometrischer Teppich aus Die Anlage ist in Terrassen ange- steinerner Baumasse, als von legt, mit dem Palast an oberster einzelnen Häusern.“ Stelle, danach die Verwaltung und hinter einer hohen Mauer schließlich die Stadt. Die Palast- anlage mit rechteckigem Grund- riss hatte eine Größe von 1500 auf 750 Meter und besaß ein funktio- nierendes Frisch- und Abwasser- system. Die längste Mauer des 112 Hektar großen Stadtgebiets war 4500 Meter lang. Die Stadt hatte jedoch nur ein kurzes Leben, schon 1010 wurde sie in Folge der Konflikte zwischen Berbern und Arabern erobert und geplündert. Danach verwandelte sich die Stadt schnell in einen Steinbruch, Mitbringsel finden sich in verschiedensten Gebäuden Spaniens wieder, so zum Beispiel die Säulen im Real Alcazar in Sevilla. 50 51
Madīnat az-zahrā – Raumanalyse Die Palastanlage bestand aus einer zusammenhängenden Struktur, anders als beispiels- weise antike Tempel- oder Palast- anlagen, welche meist erhoben auf freiem Feld standen. Hier gab es keine solchen Pufferzonen, vielmehr wird die Abstufung der Bereiche 1 durch verwinkelte, uneinsichtige Raumabfolgen organisiert. Die Folge ist, wie schon in der Raumerfahrung beschrieben, dass alles Teil eines großen Ge- 3 bäudes zu sein scheint. So er- folgt der Zugang [1] zum großen Vorplatz [2] der administrativen Basilika [3] beispielsweise über eine Folge von Kammern, die an einer Ecke des Hofes ins Freie führen. So überrascht einen der große Freibereich ohne Ankün- digung. Dennoch wirkt er nur wie ein weiterer, von Mauern in seiner Horizontalen definierter 2 Raum eines lückenlosen Gesamt- gefüges. Wären die halbhohen Mauern der Ruine nicht von oben einsichtig, wäre es leicht zu vergessen, von wo man ge- kommen ist. Dies ist sinnbildlich für alle Raumstaffelungen der Madī- nat az-zahrā, die sich wie in ei- nem organischen Gewebe aus Räumen von einem Bereich zum nächsten ergeben. Die Folge ist eine hohe Dichte an Funktionen auf engem Raum, bei gleichzei- tiger Abgeschiedenheit dieser voneinander. 52 53
Casa de Ya’far Belange mit dem Minister klären. – Raumanalyse Die folgenden Räume bilden eine Pufferzone zu den privaten Ge- Auch dieser Teil des Pa- mächern. Betritt der Gast den- lasts, welcher die Wohnräume des noch diese Zone, muss er sich um höchsten Ministers der Madīnat neunzig Grad nach links drehen, az-zahrā beherbergte, ist eine bevor er weiter gehen kann. Ein Struktur aus Raumabfolgen. direkter Einblick wird somit ver- Diese Abfolge und die Lage der hindert. Von hier folgt ein weiterer Bereiche wirken auf den ersten Freibereich [b] mit Wasserbecken. Blick beliebig, eine kohärente Nach dem Durchqueren einer Symmetrie ergibt sich zunächst weiteren Kammer befindet er nicht. Erst beim systematischen sich schließlich im Herzstück des Durchschreiten der Räume offen- Hauses. Hier sind die Privat- 2 bart sich eine Gliederung. gemächer des Ministers. An den Während der Gast die intimen Patio [c] gliedern sich ein Anlage über einen großen Emp- Schlafsaal und eine Latrine an. Die fangspatio erreicht, welcher sei- zweite Betrachtung zeigt die Pers- c nerseits durch einen verwinkelten pektive der Bediensteten [2]: Eingang [1] abgeschirmt wird, Über einen Vorraum er- d gibt es für die Bediensteten einen reichbar liegt der zweitgrößte zweiten Eingang [2] und einen Patio [d]. Zu diesem öffnen sich darauffolgenden Innenhof. So gibt mehrere Kammern, alle mit einer b es bei dem Gebäude quasi zwei bestimmten Funktion, die dem Anfänge der Raumabfolgen und Unterhalt des Hauses zuge- somit gezwungenermaßen auch schrieben wird. Dieser Patio ist a einen Mittel- oder Höhepunkt. für die Bediensteten Dreh- und Die erste Betrachtung gilt der Angelpunkt. Sie können über 1 Perspektive des Gastes [1]: die Latrine in das Herzstück des Zunächst gelangt er in Hauses [c] vordringen. den repräsentativen Patio [a], Das Ergebnis ist eine welcher beeindrucken soll und für ungemein klare Aktionskette mit den Gast eine zugeschriebene zwei Polen und einem Zentrum. Funktion hat; nämlich die des Die Räume sind unverrückbar mit Empfangs. Darauf folgt eine offene ihrer Funktion verknüpft und in Vorhalle, parallel zum Hof. An diese einer wohl geplanten, verwinkelten schließen sich drei Räume an, der Raumabfolge aneinander aufge- Besucher kann jedoch die beiden reiht. So wird demjenigen, der das seitlichen Kammern nur über die Gebäude erlebt, nicht klar, dass mittlere betreten. Es ist der offi- sich der Empfangspatio [a] und der zielle Teil des Gebäudes. In diesem Hof der Bediensteten [d] beinahe funktionalen Bereich kann er alle nebeneinander befinden. 54 55
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Ägypten 58 59
Blickwechsel Die stetig wachsende Struktur dieser Stadt wird heute Die Moschee Kairo bedeutete einen nur noch durch informelle Beton- Richtungswechsel meiner bishe- konstruktionen ermöglicht, ba- rigen Betrachtung. Neben den in sierend auf dem Stützen-Platten gegen Le Corbusier ihrer Architektursprache vertrauten System der Corbusierschen Monumenten islamischer Archi- Moderne. Das bekannte Dom-Ino tektur, vor allem den vielen Mo- System, welches wohl auf eine von scheen aus frühislamischer Zeit, seinem Erfinder nicht antizipierte in bot sich eine chaotische und Weise die Welt eroberte, tat dies bunte Vielfalt, welche mich faszi- hauptsächlich wegen der Möglich- nierte. Auf engstem Raum formte keit, die Konstruktion nach oben sich ein lebhaftes Gemisch aus hin unfertig zu lassen. So können überwältigender Historie und Bewohner bei begrenzten finanzi- Architektur auf der einen, und ver- ellen Mitteln zur gegebenen Zeit, stopften Straßen, dem süßlichen beispielsweise beim Anwachsen Kairo Geruch nach Abgasen, lauten Ba- der Familie, flexibel erweitern. saren und einem Leben inmitten Gleichzeitig können die schnell von Abfällen auf der anderen hergestellten, Schutz bietenden Seite. Diese beiden Extreme be- Betonskelette von den Bewoh- gegnen sich auf eine Weise, bei nern selbst stückweise ausge- der die Grenzen an vielen Stellen mauert werden. Ich betrachte verwischt werden. Anders als im diese Konstruktionsweise hier konservierenden Denkmalschutz als technischen Kontext und Europas, wird hier in und mit den als grundlegendsten Faktor für Denkmälern gelebt. Historisches das Formen solcher informellen an Modernem. Diese paradoxe urbanen Gebiete. Kollision wollte ich versuchen einzufangen. War ich bei meinen Auf- nahmen in Spanien darauf be- dacht, die Architektur auf eine fokussierte, fast isolierende Weise abzulichten, wählte ich nun den entgegengesetzten An- satz: mit dem 28mm Objektiv, also ohne Möglichkeit durch Zoomen zu kaschieren, versuchte ich die alten Bauwerke in ihrem vollen Kontext zu fotografieren. Also mit Menschen, Tieren, Autos, Dreck und Nachbargebäuden. 60 61
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Moschee des Amr Ibn Moschee des Amr Ibn Al-As Al-As – Raumerfahrung Gelegen in al-Fustat, der „Nach den lauten Straßen ersten islamischen Stadtgrün- al-Fustats kehrt nach dem Betre- dung Ägyptens und Teil des ten der Moschee eine unmittel- heutigen Kairos, liegt eine der bare Ruhe ein. Der Schritt wird eindrucksvollsten Moscheen des langsamer sobald man den gro- Landes. Gebaut kurz nach der ßen, mit Teppichen bedeckten Eroberung der oströmischen Raum betritt. Verteilt sitzen Provinz durch die Muslime im Männer auf Stühlen oder auf Jahr 641, ist die Moschee eine der dem Boden und beten, oder sie ältesten noch existierenden der liegen schlafend zwischen den islamischen Welt. Nach mehreren schlanken Säulen. Der Hof in Erweiterungen und Umbauten der Mitte bildet mit seinen hellen misst das heutige Gebäude 105 Farben und den gleichmäßigen auf 117 Meter. Die Arkaden, wel- Bögen einen beruhigenden, che auf Säulen vorheriger Ge- zentralen Ort. In der Mitte des bäude ruhen, sind mit schlanken offenen Bereiches, welcher den Holzbindern ausgesteift und rechten Winkel bewusst zu ver- gliedern den Raum zusätzlich meiden scheint, befindet sich ein durch ihre additive quadratische Pavillon mit Trinkwasserbecken Grundstruktur. darunter. Mit den vielen kleinen Bücherregalen und den lesen- den Gläubigen inspiriert der Raum die Idee der Urform einer Bibliothek. Ein Raum, den man nicht gerne verlässt, in dessen von Säulen gegliederte Weite mit ihrem Kontrast aus Licht und Schatten man gerne zurück- schaut.“ 70 71
Die Wüste Die Zeltstadt Die Wüste und der Was bei einem Versuch, Der islamischen Stadt die islamisch urbane Kultur und liegt also ein Paradox von den deren Entstehung zu verfolgen unendlichen Weiten des offenen, islamische Begriff nicht zu vernachlässigen ist, sind ungestalteten und ungesicherten die sozialen und klimatischen Be- Außenraums und der geschlos- dingungen, welche den ersten senen Hülle des Innenraums zu- islamischen Stadtgründungen grunde. Dieses Paradox war schon der vorausgingen. Viele dieser Städte, in den Zeltstädten der Nomaden- welche anfangs meist als Militär- völker vorhanden, welche den lager gegründet wurden, befan- Metropolen des Islams zeitlich den sich in heißen und ariden vorausgingen. Wobei es sich hier Landschaften. So beispielsweise mehr um Lebensumstände als um al-Fustat, im heutigen Kairo, aber gebaute Struktur handelte. Die auch weitere Neugründungen und Stämme brauchten starke und Urbanität Eroberungen in Ägypten. resiliente politische und soziale Was diesen urbanen System, um sich in ihrer Umge- Zentren gemeinsam ist, ist die bung und gegenüber anderen Nähe zum Wasser des Nils und Stämmen zu beweisen. Dies be- die gleichzeitige Nähe zur uner- ruhte auf einer klaren Hierarchie, giebigen Wüste. Viele Städte im der starken Rolle der Familie und islamischen Raum entstanden dem Vertrauen in die Gemein- in einer Umgebung, wo frucht- schaft. Die Behausungen waren bares Land streng limitiert war eher Mittel zum Zweck, mussten und der Fußabdruck urbaner Ge- beweglich und leicht zu transpor- biete wohl überlegt sein musste. tieren sein. Dies kann als ein begünstigender Die Schlagkraft der mus- Faktor für die erhöhte Kompakt- limischen Heere wird genau auf heit solcher Städte gesehen diese Lebensumstände zurück- werden. Mit dem Hofhaus als geführt. Mit deren Eroberungen eine Art Atom oder Grundbau- einher ging eine Spannung zwi- stein der Stadt, optimal wegen schen Wüste und Stadt: die sess- seiner Fähigkeit auf engem Raum hafte Stadtbevölkerung wurde oft und lückenlos addiert zu von den abgehärteten Nomaden- werden. Auch die Wichtigkeit der stämmen überwältigt, woraufhin Stadtmauer, um sich vor Feinden die neuen Herrscher selbst sess- zu schützen, aber auch um sich haft wurden. Diese Symbiose von dem harten landschaftlichen zwischen Nomaden und Stadt- Kontext abzuschirmen, findet bevölkerung, Krieger und Kauf- sich in vielen islamischen Städten mann, wurde zum Erfolgsfaktor bis nach Spanien wieder. für die Ausbreitung des Islam. 72 73
Ein Umstand, der noch Die Öffentlichkeit heute im Islam durch die vor- geschriebene Pilgerfahrt nach Eine weitere Folge dieses Mekka vertreten ist. Systems der Stadtgründung war Die Organisation der die Vernachlässigung gemein- Zeltstädte, sowie der späteren samen, öffentlichen Raumes. festen Siedlungen, beruhte auf der Innerhalb der Bezirke wurde das Parzellierung und Aufteilung von Straßennetz auf ein Minimum Raum auf Sippen und Familien. reduziert. Plätze entstanden zu- Hierbei wurde, beispielsweise fällig an Aufweitungen der Straße. bei Stadtneugründungen, einem Während in europäischen mittel- Stamm ein Stück Land übertra- alterlichen Städten eine Straße gen, auf diesem klar begrenzten Platz für zwei passierende Karren Gebiet wurde von den Grenzen an garantieren musste, war die Maß- nach innen gebaut. einheit im Orient zwei vollbe- ladene Kamele. Während sich in Europa Fassaden und Schaufenster ent- wickelten, gab es in den Städten des Islam dafür wenig Verwen- dung. Es wurde sogar bewusst auf Fassaden in der Öffentlich- keit verzichtet. Wobei die Zurück- haltung ein Zeichen von Respekt den Nachbarn gegenüber sein sollte. Zwischen den geschlossenen So bestand zwar eine Außenmauern der Hofhäuser Kontrolle auf der Makroebene, bleibt das Straßennetz wie der auf der Mikroebene, nämlich der Negativraum der Stadt übrig. Der Stadtteilbebauung, gab es je- öffentliche Raum der islamischen doch relative Freiheiten. Dies Stadt ist undifferenziert, ohne hatte eine gewisse Autonomie Gesicht, aber geheimnisvoll und der Wohnbezirke zur Folge, eine verborgen, man könnte hier eine übergeordnete gestalterische Formulierung der Gleichheit aller Planung fehlte. Das Ergebnis war Muslime vor Gott erahnen. eine Mischung unterschiedlicher Ethnien mit eigenen Traditionen. Auch nach der Homogenisierung und dem stetigen Auflockern der ursprünglichen Bezirke blieb der Charakter der introvertierten Stadtteilbebauung erhalten. 74 75
Oase von Siwa Oase von Siwa – Raumerfahrung Die Oase von Siwa ist die „Alles hier ist aus einem westlichste Oase Ägyptens in der Ton, die Häuser wirken wie Stal- libyschen Wüste und befindet sich aktiten, aus dem salzigen Sand unweit der Grenze zum Nachbar- herausgewachsen. Die wenigen land. Sie erstreckt sich über eine Palmenstämme, welche die alten, Länge von 80 Kilometern, bei einer bröckelnden Decken tragen, Breite zwischen 2–20 Kilometern. sind mit einer dicken Schicht Im Schnitt ist das gesamte Gebiet Staub bedeckt. Trotz dieser ein- etwa 18 Meter unter dem Meeres- zigen Farbe im Farbschema spiegel gelegen, was die hohe Siwas, wirkt die Ruine dieses Dichte an Frisch- und Warmwas- Ortes alles andere als eintönig. serquellen, sowie die zwei großen Ohne Ankündigung verlaufen Salzwasserseen mitten im Wüs- sich die staubigen, Motorrad be- tensand erklärt. fahrenen Straßen der Oase in Die etwa 23.000 Einwoh- dem Geflecht aus ausgestorbenen ner, welche zwischen Plantagen Nomadenhäusern in Shali, Alt- von über 300.000 Dattelpalmen Siwa. Die Grenzen der alten und 70.000 Olivenbäumen leben, Siedlung werden durch deren gehören zum Großteil dem Volks- zerfallenen Zustand verwischt. stamm der Berber an. Sie spre- Dieses Netzwerk erinnert stark chen untereinander Siwi, was die an die klassische islamische Oase zur einzigen berberischen Art einer verwobenen Stadt, Sprachinsel Ägyptens macht. welche man beispielsweise in Die Geschichte des Ortes Córdoba wiederfindet. Was in geht 3500 Jahre zurück, auf den Siwa jedoch hinzukommt, die Haupttempel des Gottes Amun. Orientierung erschwert und Die Wahrsagungen seines Orakels die Entdeckungslust befördert, waren weit über die Grenzen ist die Dreidimensionalität der des Pharaonenreiches bekannt. Ruine. Die Räume überlagern Alexander der Große besuchte bei sich regelrecht. Häuser lassen seinem Aufenthalt in der Oase das sich nicht voneinander trennen Orakel, welches ihn infolgedessen und so erschließt sich der Ort zum „Sohn des Zeus“ ernannte. wie ein System aus Höhlen und Nach der Bekanntheit in der An- Schluchten in winkelreichen Um- tike als „Ammonium“, verschwand wegen die Hügel hinauf. Wie eine die Orakelstätte der Beduinen. riesige, ungeplante Freilicht- Sie wurde erst im 18. Jahrhun- skulptur, gegossen in einem Ma- dert wiederentdeckt und mit dem terial und nur dem Gesetz der historischen Ort in Verbindung Überraschung folgend.“ gebracht. 76 77
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