Der Landwirt als Energiewirt - Ökologische Chancen und Irrwege von Ina Walenda

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Der kritische Agrarbericht 2004

Der Landwirt als Energiewirt
Ökologische Chancen und Irrwege

von Ina Walenda

                   Energie vom heimischen Acker genießt ein „grünes Image“. Gleichwohl wird erst weniger als
                   ein Prozent des End-Energieverbrauchs in Deutschland mittels nachwachsender Rohstoffe
                   gedeckt. Das Potenzial läge jedoch nach Ansicht der Fachleute bei etwa zehn Prozent. Könnte
                   hier ein neuer Markt für Landwirte entstehen, die angesichts sinkender Erzeugerpreise auf
                   neue Einkommensquellen angewiesen sind? Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die
                   Marktpotenziale und bewertet sie aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes. Denn nachwach-
                   sende Rohstoffe sind nicht per se mit Klima-Neutralität, Umweltfreundlichkeit oder ethischer Ver-
                   antwortbarkeit gleichzusetzen. Auch hier gibt es mehr oder weniger zukunftsfähige Varianten.

Die Ausgaben der Verbraucher für Lebensmittel befin-             Damit hat der Anbau nachwachsender Rohstoffe in
den sich auf historischem Tiefststand, die Gesellschaft          Deutschland eine Rekordmarke erreicht.In den zurück-
ist immer weniger bereit, weiterhin für kontraproduk-            liegenden zehn Jahren haben die deutschen Landwirte
tive Agrar-Subventionen aufzukommen (1), die Funk-               diese Anbauflächen um fast 250 Prozent ausgeweitet.
tionäre des Bauernverbandes verhindern anstehende                Zugenommen hat zuletzt insbesondere der Anbau auf
Reformen – all das führt dazu, dass jährlich rund                nicht stillgelegten Flächen, der 2002 nahezu 490.000
15.000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland               Hektar betrug. Der Löwenanteil der angebauten Kultu-
aufgeben. Entsprechend melden die Zeitungen: „Den                ren entfiel mit mehr als 660.000 Hektar auf Raps, vor-
Landwirten stehen dürre Zeiten bevor“, „So schlimm               nehmlich zur Herstellung von Biodiesel. Inzwischen ist
war es noch nie“ und „Was wird aus dem Land ohne den             Deutschland neben Frankreich eines der Hauptanbau-
Landwirt?“. Eine Konsequenz: Landwirte suchen nach               länder nachwachsender Rohstoffe. Das liegt vor allem
neuen Einkommensquellen. Dabei erhalten sie Hilfe                daran,dass hier die Rahmenbedingungen für die energe-
von der Politik. Deren Entscheidungsträger sehen die             tische Biomasse-Nutzung erheblich verbessert wurden.
Zauberformel gegen das anhaltende Schrumpfen eines                    Mit der EU-Verordnung zum Anbau von nachwach-
Berufsstandes in einer nicht länger auf die Nahrungs-            senden Rohstoffen auf Stilllegungsflächen (3) und mit
mittelproduktion beschränkten Landwirtschaft. Das                der 2003 beschlossenen EU-Agrarreform wurden Wei-
von ihnen favorisierte Konzept „Multifunktionale                 chen für eine weitere Ausweitung dieser Anbauform ge-
Landwirtschaft“ ist zum Leitbild der Gemeinsamen                 stellt. Nach übereinstimmenden Potenzialabschätzun-
Agrarpolitik der EU avanciert und zielt auf eine Politik         gen könnten theoretisch bis zu zehn Prozent des End-
für die ländlichen Räume ab.                                     Energieverbrauches in Deutschland durch die Nutzung
                                                                 nachwachsender Rohstoffe gedeckt werden (4).Dadurch
                                                                 und durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der
Überlebensstrategie „Landwirt als Energiewirt“                   Bundesregierung sowie durch die Steuerbefreiung von
                                                                 Bio-Kraftstoffen eröffnet sich ein neues Marktpoten-
Eine in diesem Zusammenhang entwickelte Zukunfts-                zial für die Landwirtschaft: als dezentraler Energieer-
perspektive ist der „Landwirt als Energiewirt“. Im Jahr          zeuger auf Biomasse-Basis.
2002 wurden bereits rund 840.000 Hektar landwirt-                     Eine ökologisch wie ethisch kontrovers diskutierte
schaftlich genutzter Fläche für die Erzeugung von Bio-           Variante des Energiewirtes ist der Landwirt, der Getrei-
Rohstoffen verwandt (2). Das bedeutet gegenüber dem              de zu Heizzwecken anbaut – ein Konzept, für das der
Vorjahr einen Anstieg um annähernd 130.000 Hektar.               Bauernverband Schleswig-Holstein mit dem Slogan

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Natur und Umwelt

„Kornkraft statt Kernkraft“ wirbt. Der Deutsche Bau-              eignen. Parallel wirbt die Agrarlobby um Akzeptanz in
ernverband hat dazu jüngst ein Positionspapier veröf-             der Gesellschaft.
fentlicht (5). Hintergrund: Sinkende Getreidepreise bei               Zu dieser potenziellen neuen Einnahmequelle hat
gleichzeitig steigenden Preisen für Erdöl und die Aus-            der BUND Meinungen gesammelt: Danach ist das „Ver-
sicht auf ein lukratives Einkommen.                               brennen“ von Getreide, egal ob Weizen oder Roggen,
                                                                  emotional besetzt. Es gibt eine psychologische Sperre
                                                                  bei diesem Thema.Insbesondere ältere Menschen plagt
Getreide als Brennstoff?                                          wegen der symbolischen Bedeutung ein ungutes Gefühl
                                                                  („Unser täglich Brot“,„Urkeim des Lebens“).Auch Asso-
Der Durchschnitts-Erlös für eine Dezitonne Getreide               ziationen wie „Müllverbrennung“ oder noch frische Bil-
liegt je nach Getreideart zwischen rund zehn bis elf Eu-          der von der Verbrennung getöteter Rinder während der
ro. Etwa 2,6 Kilogramm Roggen können einen Liter                  BSE-Krise und der Geflügel-Pest bereiten Unbehagen.
Heizöl ersetzen (gleicher Energiegehalt), so dass es sich             Darüber hinaus spielen folgende Aspekte in der öf-
momentan rechnet, statt Heizöl (0,38 Euro pro Liter,              fentlichen Wahrnehmung eine Rolle: Wenn der Anbau
Stand Oktober 2003) Roggen als Brennstoff einzusetzen.            von Grundnahrungsmitteln zum Zweck ihrer Verbren-
Auch für „Energie-Weizen“ lässt sich ein höherer Erlös            nung (bzw.Wärmegewinnung) ökonomisch ratsam sei,
erzielen als für Weizen, der als Lebens- oder Futtermit-          klafften der am Markt erzielbare Preis und die Bedeu-
tel verwendet wird. Die außergewöhnliche Dürre des                tung von Nahrungsmitteln für das Wohlbefinden der
Sommers 2003 und die dadurch in einigen Regionen                  Menschheit, d.h. ihr realer Stellenwert im Sinne einer
schlechte Getreidequalität hat diese Alternative noch-            essentiellen Lebensgrundlage, exorbitant auseinander.
mals näher ins Visier gerückt.Ein weiterer Aspekt gesellt         Länder der sogenannten Dritten Welt werden die Ein-
sich hinzu: Getreidemengen, die für die menschliche               führung einer Getreideheizung angesichts der vielen
Ernährung oder zur Verfütterung nicht in Frage kom-               hungernden Menschen auf der Welt als Provokation
men (Abfall- und Ausputzgetreide), dürfen laut „Tech-             deuten und ihre Vorbehalte gegen die Industrienationen
nischer Anleitung Siedlungsabfall“ (Allgemeine Ver-               verstärken.
waltungsvorschrift zum Abfallgesetz) ab dem Jahr 2005                 Der BUND meint,dass der ökonomische Zwang zum
nicht mehr auf die Deponie. Daher müssen für diese                „Heizen mit Weizen“ einer systematischen Entwertung
Partien alternative Entsorgungswege gesucht werden.               von Lebensmitteln gleichkommt (nichts einzuwenden
Für einen Landwirt ist das „Heizen mit Energiekorn“               ist gegen eine energetische Nutzung von Abfall- und
zudem aus logistischen Gründen attraktiv. Die benötig-            Ausputzgetreide). Die Lösung des Grundproblems,
te Technik für Ernte und Beschickung eines Ofens ist              nämlich das Abrutschen der Erzeugerpreise, wird nicht
ohnehin auf den Betrieben vorhanden und die Heiz-                 durch die Alternativnutzung „Wärmegewinnung“ ge-
technik verglichen mit derjenigen anderer nachwach-               löst. Stattdessen müssen im Rahmen der Agrarpolitik
sender Rohstoffe (z.B. Stroh) einfach; überdies sind              und Verbraucheraufklärung Maßnahmen ergriffen
Energie-Ertrag pro Hektar und Energiedichte relativ               werden, um mehr Geld bei den Urproduzenten, den
hoch (6).                                                         Landwirten, zu belassen. Gleichzeitig sind die Verbrau-
     Aber: Getreide ist gemäß der Interpretation der 1.           cher gefragt, für umweltgerecht erzeugte Lebensmittel
Bundes-Immissionsschutzverordnung durch die Länder                einen adäquaten Preis zu bezahlen (7).
kein Regelbrennstoff,das heißt es darf ohne Ausnahme-
genehmigung nicht verfeuert werden. Allerdings kön-
nen Bauern ihre Stilllegungsflächen zur Energiepflan-             Das Problem der Flächenkonkurrenz
zen-Erzeugung nutzen, ohne die Stilllegungsprämie zu
verlieren. Eine Nutzung als Energieträger kann entwe-             Unabhängig von agrarökonomischer Notwendigkeit
der auf dem eigenen Betrieb erfolgen, oder Landwirte              oder ethischer Bewertung steht eine Steigerung des
müssen mit einem Abnehmer einen Anbau- und Liefer-                Energiepflanzenanbaus wie Getreide oder anderer
vertrag abschließen, der die Verarbeitung der Ernte zu            Ackerfrüchte in Konkurrenz zur Umsetzung einer kon-
technischen Zwecken außerhalb der Nahrungsmittel-                 sequent umweltgerechten Nahrungsmittelproduktion
Produktion sicherstellt. Diese Neuregelung hat das                und zu speziellen Flächenansprüchen des Naturschut-
Interesse der Landwirte hervorgerufen, welches so groß            zes.Das vom BUND angestrebte Langfrist-Szenario, die
ist, dass inzwischen sogar Änderungen der gesetzlichen            intensive konventionelle Bewirtschaftung vollständig
Rahmenbedingungen verlangt werden, die eine Ener-                 durch eine ökologische zu ersetzen, hat zur Folge, dass
gienutzung sämtlicher nicht marktgängiger Getreide-               die Agrarfläche dem Energiepflanzenanbau keinen
partien ermöglichen. Die Bundesregierung prüft be-                Platz übrig lässt (8): Die ökologische Landwirtschaft
reits, ob sich Weizen & Co. als neuer Energie-Rohstoff            benötigt nicht nur wegen geringerer Erträge mehr Flä-

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Der kritische Agrarbericht 2004

che als die herkömmliche Intensiv-Erzeugung von                  Ökologische Mindeststandards
Lebensmitteln, sondern zusätzlich auch für die laut
Richtlinien der Öko-Anbauverbände vorgegebene Pro-               Fälschlicherweise wird der Biomasse immer wieder auto-
duktion von Futtermitteln auf dem eigenen Betrieb                matisch ein Beitrag zum Klimaschutz attestiert (5).
oder in der Region. Zu keiner Flächenkonkurrenz käme             Doch die nähere Betrachtung zeigt,dass bei der Produk-
es nur unter zwei Bedingungen: Bei einem drastischen             tion von Energiepflanzen kein Netto-Energiegewinn er-
Rückgang des Fleischkonsums (8) oder der Bevölke-                zielbar ist: Die Herstellung von Mineraldüngern sowie
rung.                                                            von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln,
    Neben den Flächenansprüchen für eine umwelt-                 der damit verbundene Transport, ihre Ausbringung, die
und tiergerechte Landwirtschaft sind weitere Ansprü-             Aussaat der Energiepflanzen, notwendige Bodenbear-
che des Naturschutzes relevant, so die Umsetzung der             beitung, Ernteprozesse und die weitere Verarbeitung
EU-Wasserrahmenrichtlinie. Ihr Ziel ist es, für alle Ge-         der Energiepflanzen kosten zunächst einmal Energie und
wässer innerhalb von wenigen Jahren einen „guten öko-            bedeuten damit eine klimaschädliche CO2-Freisetzung.
logischen Zustand“ zu erreichen: Bäche und Flüsse                So gesehen sind Energiepflanzen keineswegs klima-
sollen wieder mäandrieren dürfen. Aber sich durch die            neutral. Dabei ist die Reparatur möglicher Umweltaus-
Land(wirt)schaft schlängelnde Gewässer benötigen                 wirkungen als Resultat des Einsatzes chemisch-synthe-
Raum, der dann unter Umständen nicht mehr als agra-              tischer Betriebshilfsmittel hier noch nicht einmal ein-
rische Nutzfläche zur Verfügung stehen wird.Allein das           gerechnet.
Land Schleswig-Holstein rechnet beim Gewässerschutz                  Flächenmäßig dominiert unter den Energiepflan-
mit einem Bedarf von 70.000 Hektar, für den die Agrar-           zen Raps, weil der Anbau zur Zeit dadurch forciert wird,
produktion bis zum Jahr 2015 zumindest eingeschränkt             dass „Biotreibstoff“ von der Mineralölsteuer befreit ist.
und zum Teil entfallen könnte. Bundesweite Schätzun-             Gerade Raps bedarf „intensiver Führung“,d.h.für einen
gen mit konkreten Zahlen gibt es noch nicht. Für das             optimalen Ertrag geht ohne aufwändigen Pflanzen-
mit neun Prozent der Landesfläche waldärmste Bundes-             schutz gar nichts (daher meiden ihn fast alle Bio-Bau-
land Schleswig-Holstein kommt ebenfalls noch Flächen-            ern). Die pauschale Aussage, Biomasse sei per se um-
bedarf zur Neuwaldbildung hinzu.                                 weltfreundlich, stimmt also nicht.
    Zusätzlich problematisch wirkt, dass die Agrarflä-               Auch im Zusammenhang mit der Milchviehhaltung
chen tendenziell sogar rückläufig sind. Dafür sorgt die          gibt es Überlegungen zur energetischen Nutzung von
anhaltende Umwidmung von aktuell 117 Hektar pro Tag              Biomasse: Durch sich verändernde wirtschaftliche
in zumeist Siedlungs- und Verkehrsflächen. So gesehen            Rahmenbedingungen tendiert die Milchviehhaltung
ist der gezielte Anbau nachwachsender Rohstoffe eine             zur ganzjährigen Stallhaltung mit maisbetonten Ratio-
begrenzte Ressource zur Energie-Erzeugung. Für den               nen, weil das zu einer höheren Milchleistung führt. Für
BUND hat bei diesem Zielkonflikt in der Landnutzung              das nicht mehr zur Fütterung verwendete Gras wird
die Ausdehnung einer umweltverträglichen Nahrungs-               nun nach alternativen Verwertungsmöglichkeiten ge-
mittelproduktion Priorität, zumal es hier, im Gegensatz          sucht. Da taucht die Idee von der „nachwachsenden
zur Energie-Erzeugung, keine nachhaltige Alternative             Energie vom Grünland“ auf: Auch Gras soll als Energie-
gibt.                                                            träger eingesetzt werden (9). Für den BUND steht fest:
                                                                 Das Grünland darf nur dann energetisch genutzt wer-
  Tab. 1: Fruchtfolgebeispiel Mischfruchtanbau*                  den, wenn eine artgerechte Tierhaltung auf der Weide
                                                                 gewährleistet bleibt.
                                         kein Öl-Ertrag              Vor diesen Hintergründen muss es als Mindest-
  Zweijähriges Kleegras
                                         für zwei Jahre          standard Anbaukriterien für Energiepflanzen geben,
                                                                 die über die gute fachliche Praxis hinausgehen.
  Sommerweizen-Leindotter                 150 Liter Öl

  Sommergerste-Leindotter                 150 Liter Öl           Mehr Mischfruchtanbau!

  Erbse-Leindotter                        200 Liter Öl           Eine Sonderstellung beim Energiepflanzenanbau neh-
                                                                 men Zwei- oder Mehrkulturnutzungen ein: Neben einer
  Sommergerste-Leindotter                 150 Liter Öl           Hauptkultur können von der gleichen Fläche Ölpflan-
                                                                 zen gratis als Nebenprodukt geerntet werden. Gute Er-
  *(auf einen Hektar berechnet)
                                                                 fahrungen liegen für die Kulturen Erbse / Leindotter,
                                                                 Sommergerste/Leindotter,Sommerweizen/Hafer/ Lein-
Quelle: BUND Naturschutz Bayern, 2003.                           dotter vor (10) (Tab. 1). Der erhoffte Effekt ist eine Pa-

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Natur und Umwelt

  Tab. 2: Ungenutzte Potenziale – am Beispiel Schleswig-Holsteins
  Potenzial erntebarer Biomasse ohne Einschränkung der Nahrungsmittel-Produktion

  Wald                                                      144.500 ha = 3,5 t/ha                         505.750 t
  Knick                                       45.000km = 15.000 ha = 3,5 t/ha                              52.500 t
  Grünland                                  70.000 ha (kaum genutzt) = 10 t/ha                            700.000 t
  Rapsstroh                                                     92.000 ha = 5t/ha                         460.000 t
  Getreidestroh                                        121.500 t Überschussstroh                          364.500 t

  Fazit: Rein rechnerisch könnte die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein jeden Landesbürger jährlich mit Heizmaterial
  versorgen, dessen Energiegehalt mit dem von 150 Litern Heizöl vergleichbar ist.
Quelle: Internationale Vereinigung zur Förderung nachwachsender Rohstoffe und Energiepflanzen (2002).

rallelproduktion des Energiebedarfs für die Bestellung                 baumethode dient ebenfalls einer Reduktion nationaler
des Ackers, ohne die Hauptfrucht, die der Nahrungs-                    Produktionsüberschüsse.Bei Umsetzung der EU-Agrar-
mittelproduktion dient, im Ertrag einzuschränken.                      reform eröffnet sich in Kombination mit dem EEG eine
     Intensive Bodenbearbeitung benötigt etwa 80 bis                   mögliche wirtschaftliche Attraktivität. Wegen der un-
100 Liter Treibstoff pro Hektar und Jahr. Das bei Mehr-                veränderten Beibehaltung konventioneller Produktion
kulturnutzung gewonnene Leindotteröl deckt diesen                      bei den Kulturpflanzen zur Nahrungsmittelerzeugung
Verbrauch vollständig. Leider besteht für Landwirte                    stellt diese Methode jedoch kein in sich schlüssiges Kli-
kein Anreiz, dieses ackerbaulich und ökologisch wert-                  ma- und Naturschutzkonzept dar und ist somit eher ein
volle Landnutzungskonzept zu praktizieren: Bei Zwei-                   Zwischenschritt auf dem Weg zu einer umweltgerechten
kulturnutzung geht die Prämienberechtigung für die                     Landbewirtschaftung.
Hauptfrucht verloren. Bei Mischungen ist jeweils nur
die niedriger bewertete Pflanze maßgeblich für die Aus-
gleichszahlung (Leindotter ist gar nicht ausgleichs-                   Reststoffe – ein ungenutztes Potenzial
zahlungsberechtigt!). Diese Diskriminierung bei der
EU-Förderung kann mit der aktuellen Agrarreform in                     Die ökologische Bedeutung einer energetischen Nut-
Richtung auf einheitliche Flächenprämien revidiert                     zung ohnehin anfallender organischer Reste (z.B.Wald-
werden. Der Mehrkulturnutzung sollte nun mehr Auf-                     restholz,Abfallgetreide) steht außer Zweifel und ist den-
merksamkeit und Unterstützung gewidmet werden. Zu                      noch ein weitgehend ungenutztes Potenzial. So werden
prüfen bleibt, inwiefern sich die im süddeutschen                      etwa Reststoffe aus der Landwirtschaft von Schleswig-
Raum gemachten Erfahrungen auf nördlichere Regio-                      Holstein (Knickholz, Stroh) nach Skandinavien ver-
nen übertragen lassen (andere klimatische Bedingun-                    kauft,wo sie der Wärmegewinnung dienen.Teilweise ist
gen, kürzere Vegetationszeiten). Die Zeit ist jedenfalls               es sogar noch üblich, das Restholz der landschaftstypi-
reif, Forschung und Projektförderungen zu Leindotter                   schen Wallhecken (Knicks) zusammen mit dem Stroh
und verwandten Arten zu intensivieren.                                 auf dem Acker zu verbrennen.
                                                                           Die in vielen Regionen erfolgte Spezialisierung von
                                                                       Betrieben auf reinen Ackerbau hat zu Strohüberschüs-
Ökopflanzen in konventioneller Fruchtfolge?                            sen geführt, für die es gegenwärtig keine nutzbringende
                                                                       Verwendung gibt. In der Bundesrepublik könnte ein
Beim „Fruchtfolge-integrierten Biomasse-Anbau“ (11)                    Anteil der Getreidestrohernte von mindestens zwanzig
sind ökologisch erzeugte Energiepflanzen ein Fruchtfol-                Prozent und der Rapsstrohernte von zehn Prozent ener-
geglied in einer ansonsten konventionellen Fruchtfolge.                getisch verwertet werden. Allerdings darf diese Situa-
Die durch ökologische Erzeugung der Energiepflanzen                    tion keinesfalls dazu führen, nicht umweltverträgliche
bedingte Auszeit in der Fruchtfolge für chemisch-syn-                  Spezialisierungen oder eine nicht artgerechte, einstreu-
thetische Betriebshilfsmittel wie Mineraldünger und                    lose Viehhaltung zu forcieren und einen entsprechen-
Pflanzenbehandlungsmittel stellt eine Entlastung vor-                  den Bedarf gar erst zu erzeugen. Das gleiche gilt für die
handener Ökosysteme dar, bietet zudem ackerbauliche                    Umwandlung von Gülle zu Biogas und eine dadurch
Vorteile und ermöglicht eine energetische Selbstversor-                möglicherweise erschwerte Abkehr von der Nutztier-
gung oder den Verkauf der Energie-Rohstoffe. Die An-                   haltung auf Spaltenböden.

                                                                 181
Der kritische Agrarbericht 2004

    Zur Mobilisierung dieses enormen Potenzials an                Anmerkungen
organischen Reststoffen (Tab. 2) müssen die ökonomi-
schen Rahmenbedingungen weiter verbessert werden –                 (1) Ribbe, Lutz: Anmerkungen über die Umweltverträglichkeit des
ein wesentlicher Punkt für eine Weiterentwicklung des                  EU-Agrarhaushaltes, Projektstudie EURONATUR (2002).
                                                                   (2) Agrarbericht 2003: Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht
EEG. Solange die Reststoff-Verwertung nicht ausge-
                                                                       2003 der Bundesregierung.
schöpft wird, sieht der BUND keinen Handlungsbedarf                (3) EG-Verordnung Nr. 587/ 2001.
zur Steigerung des Flächenanteils und zur Förderung                (4) Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft des
von Energiepflanzen.                                                   Landes Schleswig-Holstein: Energetische Nutzung von Biomasse
                                                                       in Schleswig-Holstein – Potentiale, Ziele und Positionen (2003);
                                                                       UBA-Forschungsbericht FB 02/02. 2002.
                                                                   (5) Deutscher Bauernverband: „Wärme aus Energiegetreide“. Posi-
Zusammenfassung und Ausblick
                                                                       tionspapier des Deutschen Bauerverbandes zur energetischen
                                                                       Verwertung von Getreide (2002).
Eine Gesamtabwägung ergibt, dass die umweltverträg-                (6) Eggersglüß, Walter: Energetische Nutzung von Getreide in Klein-
lichen Potenziale der Energiepflanzen-Erzeugung be-                    feuerungsanlagen – Erfahrungsbericht Schleswig-Holstein, Land-
grenzt sind.Sie decken lediglich den betrieblichen Eigen-              wirtschaftskammer Schleswig-Holstein, 2003.
bedarf mit mehr oder weniger geringen Überschüssen.                (7) Walenda, Ina: BUNDhintergrund „Nahrungsmittel verheizen -
                                                                       neue Nische für Landwirte oder ökologisch-ethischer Irrweg?“,
Wegen der Knappheit der Ressource Boden würde eine
                                                                       BUND Schleswig-Holstein e.V. 2002; Bilke, Ralf: BUNDposition
Ausweitung der Energiepflanzen-Erzeugung nur denk-                     „Verbrennung von Getreide zur Energiegewinnung – Irrweg
bar sein, wenn die intensive konventionelle Produktion                 oder Ausweg?“, BUND Nordrhein-Westfalen e.V. 2002.
von Lebensmitteln beibehalten wird. Das ist nach An-               (8) Wolters, Dirk: Bioenergie aus ökologischem Landbau – Möglich-
sicht des BUND weder umweltgerecht noch klimaver-                      keiten und Potentiale. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,
träglich. Der Energiewirt würde so zum Mittäter beim                   Energie, 1999.
Treibhaus-Effekt. Und das kann nicht im Interesse der              (9) Taube, Friedhelm; Kornher, Alois et al. (Christian-Albrechts-Uni-
                                                                       versität Kiel): Nachwachsende Energie vom Grünland. Bauernblatt
Landwirtschaft sein: Sie ist wetterabhängig wie kaum                   Schleswig-Holstein und Hamburg, Heft 31 (2. August 2003).
ein anderer Wirtschaftssektor.                                    (10) Interessengemeinschaft Mischfruchtanbau, Kontakt: Margret
     Aus Sicht des BUND ist bei der Energieproduktion                  Stephan, Erlenstr. 29 b, 85416 Langenbach, Tel. 08761/ 752135;
durch die Landwirtschaft die Integration in ein zukunfts-              Bund Naturschutz Bayern e.V.: Pressemitteilung 057/ LFGS Land-
fähiges Lebensmittelproduktionssystem das Entschei-                    wirtschaft (2003).
dende. Nur eine Kombination aus ökologischer Nah-                 (11) Scheffer, Konrad: Die Bedeutung einer integralen Landwirtschaft.
                                                                       Institut für Nutzpflanzenkunde der Universität Kassel / Witzen-
rungsmittel- und ökologischer Energieerzeugung steht
                                                                       hausen, 2003.
im Einklang mit der proklamierten Agrarwende, nur
dann stößt der Landwirt als Energiewirt auf gesellschaft-
liche Akzeptanz. Deshalb heißen die Öko-Favoriten aus
der Landwirtschaft Reststoff- und Mehrkulturnutzung.              Autorin
     Marktmechanismen und agrarpolitische Rahmen-
bedingungen sollten so gestaltet werden, dass für die             Dr. Ina Walenda ist Diplom-Agraringenieu-
Landwirtschaft kein wirtschaftlicher Anreiz zum Ener-             rin und Referentin für Landwirtschaft beim
                                                                  BUND-Landesverband Schleswig-Holstein
giepflanzenanbau gegeben wird, sondern die nachhal-
                                                                  e.V. sowie Mitglied des BUND-Bundes-
tige Erzeugung von gesunden Lebensmitteln Vorrang                 arbeitskreises Landwirtschaft.
hat. Durchsetzungsversuche auch ethisch fragwürdiger
Einkommensquellen wären überflüssig, wenn agrarpo-
litisch wie gesellschaftlich darauf hingearbeitet würde,
                                                                  BUND Landesgeschäftsstelle Kiel
dass Landwirte für umweltverträglich erzeugte Produk-
                                                                  Lerchenstr. 22
te kostendeckende Preise erhalten. Letztendlich ist es            24103 Kiel
das Fehlen einer ökologischen Gesamtbilanzierung in               Telefon: 0431 / 6606050
der Umweltgesetzgebung, die den Blick auf die wahren              E-Mail: ina.walenda@bund-sh.de
Kosten vermeintlich billiger Lebensmittel / Energie-
pflanzen verschleiert.

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