Der Nachteilsausgleich bei Prüfungen für Schülerinnen und Schüler mit Autismus
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Nachteilsausgleich 27 Edith Vogt-Hörler, Nicole Ulrich-Neidhardt, Nikola Bellofatto und Thomas Girsberger Der Nachteilsausgleich bei Prüfungen für Schülerinnen und Schüler mit Autismus Zusammenfassung Komplex und oft nicht sichtbar sind die Beeinträchtigungen bei Schülerinnen und Schülern mit Autismus. Diese machen den Schulbesuch wie auch das Ablegen von Prüfungen für sie zu einer grossen Herausforderung. Besonders ihre autisti- sche Wahrnehmung und Denkweise sowie ihre erschwerte Verarbeitung von Reizen benachteiligen sie klar gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Behinderung. Deshalb haben Schülerinnen und Schüler mit Autismus An- spruch auf einen individuell auf sie abgestimmten und gemeinsam vereinbarten Nachteilsausgleich bei Prüfungen. Résumé Les limitations des élèves atteints d’autisme sont complexes et souvent invisibles. De ce fait, tant la fréquentation de l’école que le passage d’examens, représentent un grand défi pour ces élèves. Leur perception, leur manière de penser ainsi que leur traitement plus difficile de stimuli sont des particularités propres à l’autisme qui pénalisent clairement ces élèves par rapport à leurs camarades valides. C’est pourquoi, lors d’examens, les élèves autistes ont droit à des mesures de compen- sation des désavantages adaptées à leurs besoins individuels et établis en collaboration avec toutes les parties concernées. Einleitung teilung diskriminierend. Besonders möch- Für Schülerinnen und Schüler mit einer Be- ten wir an dieser Stelle betonen, dass der hinderung gilt heute der Grundsatz: Integ- Überprüfung der Lernziele immer eine au- ration vor Separation. Immer mehr Schüle- tismusspezifische Förderung vorausgehen rinnen und Schüler mit einer Beeinträchti- muss. Bereits das Lernen des geforderten gung werden in Regelklassen beschult und Schulstoffes muss durch integrative Mass- ausgebildet. Das ist ein äusserst wichtiger nahmen und Hilfsmittel begleitet sein. Schritt in Richtung Gleichstellung von Men- schen mit und ohne Behinderung. Die Schu- Was heisst Nachteilsausgleich? le bildet in diesem Sinne die bedeutende Die Stiftung Schweizer Zentrum für Heilpä- Schwelle zur Integration in die Gesellschaft. dagogik definiert wie folgt: Das gemeinsame Lernen in einer Schule für alle bringt Erfolgserlebnisse und Befriedi- «Der Nachteilsausgleich dient dazu, Ein- gung genauso wie Herausforderungen und schränkungen durch Behinderungen aufzu- Unsicherheiten rund um die Heterogenität heben oder zu verringern. Dieser Begriff be- des neuen Schülerverbandes. zeichnet die Anpassung der Bedingungen, Menschen mit Autismus müssen ihr Le- unter denen Lernen / Prüfungen stattfinden ben, genau wie andere Menschen mit einer und nicht eine Modifikation der Lernziele / Behinderung auch, mit einem sogenannten Ausbildungsziele oder eine Noten- bzw. Fä- «unverschuldeten Nachteil» bestreiten. Be- cherdispens. Nachteilsausgleich kommt in urteilt man die Leistung eines Menschen mit der Schul- und Berufsbildung sowie den ent- Behinderung, ohne diesem Nachteil ad- sprechenden Aufnahme- und Qualifikations- äquat Rechnung zu tragen, ist diese Beur- verfahren zur Anwendung.» (SZH, 2011) Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
28 Nachteilsausgleich Grundlegend für das Verständnis des Nach- an Schulbildung. Ein Nachteilsausgleich für teilsausgleichs bei Prüfungen ist die Er- Prüfungen an den öffentlichen Schulen lässt kenntnis, dass es sich bei Prüfungsanpas- sich aus dem verfassungsmässigen Diskrimi- sungen für Schülerinnen und Schüler mit nierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) und den Autismus nicht um eine Prüfungserleichte- oben erwähnten Bestimmungen ableiten. rung, sondern um den Ausgleich eines un- Das Recht auf ausreichenden Grundschulun- verschuldeten Nachteils in Prüfungssituati- terricht umfasst auch Anpassungen der Leis- onen handelt. Wichtig für die Anerkennung tungsüberprüfung und damit die Anwen- des Rechts auf Nachteilsausgleich bei Prü- dung des Nachteilsausgleichs. fungen und dessen Einführung in der Praxis Das Bundesgesetz vom 13. Dezember ist der Wechsel von einer defizit- zu einer 2002 über die Beseitigung von Benachteili- ressourcenorientierten Sicht auf Behinde- gungen von Menschen mit Behinderung rung. Nicht die Einschränkungen, die durch (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG), die Behinderung entstehen, sind entschei- konkretisiert diesen verfassungsrechtlichen dend. Vielmehr geht es darum, die Fähig- Anspruch in Art. 20 und fordert die Kanto- keiten jeder einzelnen Schülerin und jedes ne auf, Kindern und Jugendlichen mit Be- einzelnen Schülers zu fördern. hinderung eine Grundschulung anzubieten, Das Recht auf Nachteilsausgleich bei die ihren Bedürfnissen angepasst ist. Eine Prüfungen und die Anerkennung desselben Benachteiligung bei der Inanspruchnahme sind zwingende Voraussetzungen für die von Aus- und Weiterbildung liegt gemäss Vermeidung einer Diskriminierung in Prü- Art. 2 des BehiG insbesondere vor, wenn die fungssituationen. Ausserdem ist der Nach- Verwendung behindertenspezifischer Hilfs- teilsausgleich eine wichtige Grundlage für mittel oder der Beizug notwendiger persön- ein möglichst selbstbestimmtes Leben und licher Assistenz erschwert werden und, für für die Inklusion in unsere Gesellschaft. Die Schulen besonders wichtig, die Dauer und Separation von Schülerinnen und Schülern Ausgestaltung des Bildungsangebots sowie mit Behinderung sollte heute die Ausnahme Prüfungen den spezifischen Bedürfnissen sein. Wenn Kinder mit einer Behinderung ei- Behinderter nicht angepasst sind. ne Regelklasse besuchen, sollte es ihnen er- Während bei öffentlichen Bauten und möglicht werden, die Schule nach der obli- im öffentlichen Verkehr die Beseitigung von gatorischen Schulzeit mit einem Abschluss- Benachteiligungen von Menschen mit Be- zeugnis mit Noten zu verlassen. hinderung im Sinne des BehiG gegenwärtig, ersichtlich und bekannt ist, ist dies in den Nachteilsausgleich Grundschulen oftmals weniger der Fall. aus juristischer Sicht Gesetzliche Grundlage Gesetzliche Grundlage auf Bundesebene auf kantonaler Ebene Die Bundesverfassung (BV) gewährleistet in Im Kanton Zürich existieren keine Gesetze Art. 19 und 62 einen unentgeltlichen und zur Beseitigung von Benachteiligungen von ausreichenden Grundschulunterricht. Dieser Menschen mit Behinderung und auch den Anspruch steht selbstverständlich auch Kin- Schulgesetzen sind keine behindertenspezi- dern mit Behinderung zu und gewährt als di- fischen Bestimmungen zu entnehmen. Da rekt durchsetzbarer Anspruch das Minimum der Nachteilsausgleich in den kantonalen Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
Nachteilsausgleich 29 gesetzlichen Grundlagen nicht ausdrücklich Beispiel: Handhabung des Nachteilsaus- erwähnt ist, muss dieses Recht vom überge- gleichs an der Volksschule des Kantons Zü- ordneten Recht (BehiG) und den Grundla- rich gemäss Handreichung «Angebote für gen der Volksschule des Kantons Zürich ab- Schülerinnen und Schüler mit besonderen geleitet werden. Damit gilt der Nachteils- pädagogischen Bedürfnissen. Beurteilung ausgleich auch für jene Kantone, welche im Zeugnis und in Lernberichten» vom No- diesen nicht ausdrücklich in ihrer Gesetzge- vember 2012» bung verankert haben. Die Bildungseinrich- Einige Monate, nachdem die Beitragsreihe tungen im Kanton Zürich sind bisher unter- über den Nachteilsausgleich im Autismus schiedlich damit umgegangen. Forum Schweiz erschienen ist und verschie- dene kantonale Bildungsdirektionen darü- Beispiel: Handhabung des Nachteilsaus- ber aktiv informiert worden sind, hat der gleichs an den Zürcher Mittelschulen Kanton Zürich das bisher nicht explizit ge- Für die Mittelschulen des Kantons Zürich be- setzlich geregelte Thema ebenfalls aufge- stehen seit dem 1. Juli 2011 sogenannte nommen und den Nachteilsausausgleich in «Richtlinien über die Gewährung von Nach- einer sonderpädagogischen Handreichung teilsausgleichsmassnahmen an kantonalen mit dem oben erwähnten Titel ausdrücklich Mittelschulen». Diese Richtlinien wurden von der Schulleiterkonferenz Mittelschulen (SLK) im Sinne eines Eckwertpapiers über die Wenn Kinder mit einer Behinderung Gewährung von Nachteilsausgleichsmass- eine Regelklasse besuchen, sollte es ihnen nahmen an kantonalen Mittelschulen be- ermöglicht werden, die Schule nach schlossen und umfassen die von der SLK im der obligatorischen Schulzeit mit einem Ab Einvernehmen mit dem Mittelschul- und Be- schlusszeugnis mit Noten zu verlassen. rufsbildungsamt erarbeiteten Grundsätze. Die Richtlinien bezwecken eine einheit- liche Umsetzung der von der SLK erarbeite- anerkannt und Lösungsmöglichkeiten auf- ten Grundsätze über die Gewährung von gezeigt. Diese Handreichung richtet sich Nachteilsausgleichsmassnahmen bei Vor- vorwiegend an die Schulen, d. h. Schullei- liegen einer Behinderung bzw. einer Teilleis- tungen, Schulpflegen und Lehrerschaft und tungsstörung und gelten nur für Schülerin- hält darin den Umgang, die schulischen nen und Schüler der kantonalen Mittelschu- Möglichkeiten und aber auch die Rechte der len. Es handelt sich somit nicht um ein for- Eltern bzw. der betroffenen Schüler und mell erlassenes Gesetz für alle Zürcher Schülerinnen verbindlich fest. Die Handrei- Schulen, sondern nur um Richtlinien, wel- chung selbst bildet keine gesetzliche Grund- che von den Züricher Mittelschulen, d. h. lage im juristischen Sinne, wird von Volks- nicht von der Volksschule (Primar- und schulamt/Bildungsdirektion aber als Kon- Oberstufe), anzuwenden sind. Die in den kretisierung der gesetzlichen Bestimmun- Richtlinien enthaltenen Grundsätze und das gen über die Sonderpädagogik verstanden Vorgehen können und sollen jedoch als vor- (Volksschulgesetz VSG, Volksschulverord- bildhafte Lösung für die Erfassung und den nung VSV, Verordnung über die Sonderpäd- Umgang mit dem Nachteilsausgleich gese- agogischen Massnahmen VSM, Zeugnisre- hen werden. glement ZRegl.). Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
30 Nachteilsausgleich Nachteilsausgleich Nachteilsausgleich und Autismus bei Berufs- und Fachprüfungen Grundsätzliches sowie an Hochschulen Integrativ geschulte Kinder und Jugendliche Der verfassungsmässige Anspruch auf mit Autismus haben nicht nur während des Nachteilsausgleich gilt für alle Menschen Unterrichts besondere Bedürfnisse, son- mit Behinderung und zwar unabhängig von dern auch bei der Leistungsbewertung (Be- der Ausbildungsstätte, die besucht wird. notung). Die Leistungserhebung und -be- Das Staatssekretariat für Bildung, For- wertung orientiert sich grundsätzlich an schung und Innovation hat dazu ein Merk- den fachlichen Anforderungen der Bil- blatt erlassen (SBFI, 2013). In diesem Merk- dungspläne des jeweiligen Schultyps. Bei blatt wird der Anspruch anerkannt und es Schülerinnen und Schülern mit Autismus werden mögliche Massnahmen erwähnt. soll nicht a priori von diesen für alle gültigen Das Merkblatt versucht auch die Grenzen Lernzielen abgewichen werden. Vielmehr des Nachteilsausgleichs zu umschreiben, sollen individuelle Bedingungen bei der wobei es dabei hauptsächlich um eine Ab- Leistungserhebung und Leistungsbewer- wägung geht. Das Bundesamt versteht den tung im Sinne des Nachteilsausgleichs ge- Nachteilsausgleich nur als «technische und währt werden. organisatorische Massnahme» und über- Worin besteht nun im Bereich des Au- lässt den jeweiligen Entscheid den Prü- tismus-Spektrums der allfällige Nachteil, fungskommissionen. Wird ein angemessen der bei der Leistungsbewertung ausgegli- begründetes Begehren abgelehnt, ist dies chen werden soll? Diese Frage kann auf- nur mit einer ausreichenden Begründung grund der Unterschiedlichkeit der individu- möglich. ellen Bedürfnisse von Schülerinnen und Das SBFI (ehemals BBT) hat zudem ei- Schüler mit Autismus nicht allgemein be- nen Leitfaden für die individuelle Beglei- antwortet werden. Das heisst, für jede tung von Lernenden in der beruflichen Schülerin bzw. jeden Schüler mit Autismus Grundausbildung publiziert (BBT, 2007). muss der Nachteilsausgleich individuell Diese individuelle Begleitung ist für Jugend- festgelegt werden. liche mit unterschiedlichen Schwierigkeiten Dennoch ist es möglich, einige Aspek- gedacht und fokussiert die berufliche te aufzuzählen, die im Zusammenhang mit Grundausbildung. Leistungsbeurteilung auf praktisch alle Für Studierende ist i. d. R. ebenfalls ein Schülerinnen und Schüler mit Autismus zu- Nachteilsausgleich vorgesehen. Dieser ist treffen: meist in einem Reglement festgelegt. So • Schülerinnen und Schüler mit Autismus sieht z. B. die Ordnung für das Bachelorstu- haben keinen natürlichen Bezug zu den dium Rechtswissenschaft der Juristischen Bereichen Wettbewerb und Leistungs- Fakultät der Universität Basel in § 31 Abs. 2 orientierung. So kommt es immer wieder vor, dass bei Vorliegen besonderer Umstän- vor, dass sie während einer Prüfung de, insbesondere bei Behinderung, die Stu- nicht «vorwärtsmachen», sondern z. B. diendekanin bzw. der Studiendekan zum an einem Detail herumstudieren. Nachteilsausgleich auch den Prüfungsmo- • Bei Unsicherheiten lassen sie die Ant- dus ändern kann. Die Umsetzung obliegt wort lieber ganz wegfallen als etwas zu sodann den zuständigen Stellen. schreiben, das nicht ganz korrekt ist. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
Nachteilsausgleich 31 Prüfungsblätter werden deshalb oft nur Mögliche Massnahmen unvollständig abgegeben. zum Nachteilsausgleich bei Kindern • Oft ist es auch so, dass wegen semanti- und Jugendlichen mit Autismus scher Verständnisprobleme Prüfungsfra- Im Folgenden werden einige mögliche gen nicht richtig verstanden werden. Massnahmen zum Nachteilsausgleich für Das betreffende Kind schreibt dann et- Schülerinnen und Schüler mit Autismus auf- was völlig Falsches, das gar nicht erfragt gelistet. Die Liste erhebt keinen Anspruch wurde, oder es schreibt gar nichts. auf Vollständigkeit, sondern soll als Unter- • Andere Probleme können sich aus sen- stützung dienen, auf das jeweilige Kind ab- sorischen Überempfindlichkeiten erge- gestimmte Massnahmen zu finden. Wichtig ben: optisch, akustisch usw. Auch hier ist ist, die beschlossenen Massnahmen festzu- es sinnvoll, das Kind in einem anderen halten und regelmässig (mindestens jedes Raum arbeiten zu lassen oder den Ar- beitsplatz speziell anzupassen/abzu- Bei Schülerinnen und Schülern mit schirmen. • Bei vielen Schülerinnen und Schülern mit Autismus soll nicht a priori von diesen für Autismus kommt zudem eine ungünstige alle gültigen Lernzielen abgewichen Kombination von Perfektionismus und werden. Vielmehr sollen individuelle motorischer Unzulänglichkeit zum Tra- Bedingungen bei der Leistungserhebung gen. Dies wirkt sich bei schulischen Ar- und Leistungsbewertung im Sinne beiten, Hausaufgaben usw. im Allgemei- des Nachteilsausgleichs gewährt nen negativ aus, ist aber auch bei Prü- fungen hinderlich. werden. Spezielle Regelungen für Semester) zu evaluieren und gegebenen- Abschlussprüfungen und Zeugnisse falls anzupassen. Alle möglichen Anpassun- Für die Gestaltung von Abschlussprüfungen gen müssen der Schülerin bzw. dem Schüler gelten die gleichen Prinzipien wie bei der mit Autismus bereits vor der Prüfung be- Leistungserhebung und -bewertung im Un- kannt sein. Der Nachteilsausgleich soll terricht. Die Massnahmen des Nachteilsaus- transparent gemacht werden. Die Kommu- gleichs müssen jedoch für jedes Prüfungs- nikation wird vorgängig mit dem betroffe- fach zuvor von der Schulleitung genehmigt nen Kind abgesprochen. werden. Die Anpassungen der Prüfungssituati- In den Unterrichtsfächern, in denen be- onen können grob in fünf Kategorien einge- hinderungsspezifische Nachteile aufgrund teilt werden: der Gegebenheiten des Faches nicht durch • Zeitpunkt der Prüfung Massnahmen im Sinne des Nachteilsaus- • Dauer / Segmentierung der Prüfung gleichs kompensiert werden können, sollte • Setting / Durchführung der Prüfung die Frage der Benotung im Einzelfall geprüft • Präsentation der Prüfung werden. • Antwortmöglichkeit auf Prüfungsfragen In Zeugnissen dürfen die Massnahmen des Nachteilsausgleichs nicht aufgeführt werden! Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
32 Nachteilsausgleich Nachteil Kategorie Möglicher Nachteilsausgleich Wenig Flexibilität Zeitpunkt • Keine Überraschungstests Setting / • Planung der Prüfung an einem Tag, an dem KEINE Veränderung Durchführung des üblichen Ablaufes besteht) Präsentation • Bei mündlichen Prüfungen nur EINE fragende Person • Kann eine Prüfungsfrage nicht gelöst werden, Hilfe beim Überspringen dieser Aufgabe • Mathe: bei gemischt abgefragten Operationen, klare Kennzeichnung der Operationen durch Farbmuster (z. B. rot = Multiplikation, blau = Division usw.) Aufmerksamkeits Zeitpunkt • Planung der Prüfung zu einem Zeitpunkt, an dem das Kind problematik Dauer / mit Autismus üblicherweise konzentriert ist (eher Vormittag Segmentierung als Nachmittag) Setting / Durchfüh- • Prüfung in kürzeren Etappen, mehr Pausen rung • Mündliche Prüfungen • Gehörschutz / Paravent • Prüfung in separatem Raum Schwierigkeit mit Dauer / • Zusätzliche Lösungszeit Graphomotorik Segmentierung • Mündliche anstelle schriftlicher Prüfung Setting / • Keine Bewertung des Schriftbildes Durchführung • Bei Geometrie: grössere Exaktheitstoleranz Antwortmöglichkeit • Lösen der Prüfung am Computer • Spezialisierte Schreibwerkzeuge Überforderung bei Setting / • Vorher festgelegter Sitzplatz mit wenig Ablenkung Unvorhergese- Durchführung (z. B. an der Wand, Gehörschutz, Paravent) henem, • A rbeitsplatz in separatem Raum Sensorische Über • J e nach sensorischer Übersensibilität darauf achten, empfindlichkeit dass Lichtverhältnisse, Gerüche, Geräusche minimiert sind Verlieren Setting / • Zur Verfügung stellen von ausreichender Zeit zur Vorbereitung: in Details Durchführung Bereitlegen der Stifte etc. Präsentation • Deutlich sichtbar notierte Maximalzeit für die Lösung einer Aufgabe, evtl. Time Timer • K EINE Comics / Illustrationen auf Prüfungsblättern • Unterstreichen von Schlüsselwörtern Wenig eigene Setting / • Lösungsblätter nach zuvor gelerntem Muster gestalten: Strukturierung Durchführung unterschiedliche Farben, Schreiblinien, ausreichend Platz für Probleme Präsentation die Lösungen mit Handlungs • Einzelne Prüfungsblätter nacheinander austeilen und gelöste abläufen Blätter bereits einsammeln, zur Korrektur zurückgeben, sobald letzte Aufgabe gelöst ist • Persönliche Begleitung durch Coach: Hilfe bei Übergängen von Aufgabe zu Aufgabe, beim «Verfall in Stereotypien» etc. (nicht direkt beim Lösen der Aufgaben) • Übersichtliche Prüfungsblätter • Aufgabenbeginn und -ende durch dicke Striche und genügend Abstand klar kennzeichnen • Einzelne Arbeitsschritte durch Zusatzfragen verdeutlichen • Grosse, gut leserliche Schriftart • Wenig, gut strukturierter Text auf einem Blatt • G enügend Zeilenabstand Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
Nachteilsausgleich 33 Nachteil Kategorie Möglicher Nachteilsausgleich Schwierigkeiten Präsentation • Aufsatzthemen anpassen (z. B. Erstellen einer Bildbeschreibung im Berichten und anstelle Erlebnisbericht / Interpretationen) Bewerten (soziale • Keine emotionalen / sozialen Fragen sondern nur Fact-Fragen bei und emotionale Lernfächern (Naturkunde, Geographie, Geschichte) Themen) Auditive Präsentation • Sprachverständnis in allen Sprachen schriftlich bewerten Verständnis (keine Hörverständnis-Tests) probleme • V isualisierung durch Bild oder Schrift von mündlich ges tellten Fragen Prüfungsangst Präsentation • Beginn mit einfacher Frage • Vorheriges Üben an Probeprüfungen Wortwörtliches Präsentation Eindeutige Formulierung der Prüfungsfragen (z. B. «Nenne 4 Beispie- Verständnis, le» anstelle von «Kannst du 4 Beispiele nennen?») Semantische Ver- Einfache Formulierungen ständnisprobleme Verwenden von bereits aus Übungsbeispielen bekannten Formulie- rungen KEINE mehrgliedrigen Fragen Trennung von Information und Frage (z. B. «Metalle werden nicht gleich heiss. Warum?» anstelle von «Warum werden Metalle nicht gleich heiss?») Prüfungsvorschau eine Woche vor Termin, um Missvers tändnisse zu bereinigen Anführen eines Lösungsbeispiels Assistenz-Person zur Klärung von Verständnisfragen Motorische Antwortmöglichkeit Im Turnen keine Bewertung der motorischen Leistungen Ungeschicklichkeit Rechtschreib- Antwortmöglichkeit Keine Bewertung der Rechtschreibung Probleme Einsatz von Computer Erschwerte Antwortmöglichkeit Hilfsmittel der unterstützten Kommunikation (Symbole, Kommuni- Kommunikation kationscomputer etc.) Autismus Forum Schweiz Literatur Autismus Forum Schweiz setzt sich konse- BBT (Bundesamt für Berufsbildung und Tech- quent dafür ein, dass Menschen mit Autis- nologie). (2007). Leitfaden individuelle mus in allen Lebensbereichen, besonders Begleitung von Lernenden in der berufli- bei der Schulung, in der Ausbildung, am Ar- chen Grundbildung. Bern. Internet: www. beitsplatz, beim Wohnen und in der Freizeit sbfi.admin.ch/berufsbildung/01550/in- mehr Anteil an unserer Gesellschaft haben dex.html?lang=de [Stand 16.07.2013] und dass Barrieren, die dies erschweren SBFI (Staatssekretariat für Bildung, Forschung oder behindern, abgebaut werden. und Innovation). (2013). Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen bei Berufsprüfungen und höheren Fachprü- fungen. Bern. Internet: http://www.sbfi. admin.ch/berufsbildung/01472/01474/ index.html?lang=de [Stand 16.07.2013] Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
34 Nachteilsausgleich SZH (Schweizer Zentrum für Heil- und Sonder- pädagogik). (2011). Nachteilsausgleich. Bern. Internet: http://www.szh.ch/de/Inf- oplattform-zur-Heil-und-Sonderpaedago- gik-in-der-Schweiz/Nachteilsausgleich/ page34217.aspx [Stand 09.07.2013] Zürich (Kanton). Bildungsdirektion, Mittel- schul- und Berufsbildungsamt. (2011). Richtlinien über die Gewährung von Im Sihlhof 39, 8134 Adliswil Nachteilsausgleichsmassnahmen an kan- kontakt @autismusforumschweiz.ch tonalen Mittelschulen. Internet: http:// www.autismusforumschweiz.ch www.mba.zh.ch/internet/bildungsdirek- www.facebook.com/ tion/mba/de/maturitaetsschulen/rechtli- AutismusForumSchweiz che_grundlagen_mittelschulen/fueh- PC 50-666655-0 rungshandbuch.html [Stand 16.07.2013] Zürich (Kanton). Bildungsdirektion, Volks- VORSTAND: schulamt. (2012). Beurteilung im Zeugnis Nicole Ulrich-Neidhardt (Präsidentin) und in Lernberichten. Internet: http:// RA lic. iur. Nikola Bellofatto E.M.B.L.-HSG www.zh.ch/internet/bildungsdirektion/ Dr. med. Thomas Girsberger (Vizepräsident) vsa /de /schulbetrieb_und _unterricht / Dr. Thomas Ulrich zeugnisse.html [Stand 16.07.2013] lic. phil. Edith Vogt MAS Psychotherapy Themenschwerpunkte der Schweizerischen Zeitschrift für Heilpädagogik 2013 Heft Schwerpunkt Redaktionsschluss 1 / 2013 Schwer- und Mehrfachbehinderung 16.11.2012 2 / 2013 Behinderung, besondere Erziehungsbedürfnisse und Migration 07.12.2012 3 / 2013 Autismus-Spektrum-Störungen 11.01.2013 4 / 2013 Frühe Kindheit 08.02.2013 5 / 2013 Therapien / Methoden (Logopädie / Psychomotorik) 08.03.2013 6 / 2013 Schulische Integration 12.04.2013 7 – 8 / 2013 Soziale Interaktion (geschlossene Nummer) 10.05.2013 9 / 2013 Nachteilsausgleich 14.06.2013 10 / 2013 Lebensqualität 16.08.2013 11 – 12 / 2013 Berufliche Integration 13.09.2013 Anregungen, Beiträge, Fragen etc. an: redaktion@szh.ch Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 19, 9 / 2013
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