DER SCHWEIZER STIFTUNGSREPORT - CEPS Forschung und Praxis - Band 28 - SwissFoundations
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CEPS Forschung und Praxis – Band 28 DER SCHWEIZER STIFTUNGSREPORT Dr. Lukas von Orelli Prof. Dr. Dominique Jakob Prof. Dr. Georg von Schnurbein Julia Jakob Zentrum für Stiftungsrecht, Center for Philanthropy Studies SwissFoundations, Verband der Universität Zürich (CEPS), Universität Basel Schweizer Förderstiftungen
DER SCHWEIZER STIFTUNGSREPORT 2022 Der Schweizer Stiftungsreport wird jährlich von Dr. Lukas von Orelli, Präsident SwissFoundations und Direktor der Velux Stiftung, Julia Jakob, Co-Geschäftsführerin SwissFoundations, Prof. Dr. Dominique Jakob, Leiter Zentrum für Stiftungsrecht an der Universität Zürich, und Prof. Dr. Georg von Schnurbein, Leiter Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel, herausgegeben. Er enthält aktuelle Zahlen, Fakten und Trends aus dem In- und Ausland und soll zu einer besseren Wissensgrundlage im Stiftungswesen beitragen. Der Report erscheint in deutscher und französischer Sprache. Beide Versionen finden sich auf www.stiftungsreport.ch zum kostenlosen Download. Center for Philanthropy Studies (CEPS) Das Forschungs- und Weiterbildungszentrum für Philanthropie und Stiftungswesen wurde 2008 auf Initiative von SwissFoundations an der Universität Basel gegründet. Mit seinen interdisziplinären Aktivitäten will das CEPS das Grundlagen- und Transferwissen über Philanthropie verbessern. Seine Weiterbildungs- und Beratungsangebote bieten direkten Nutzen für Stiftungen und andere Non-Profit-Organisationen. → www.ceps.unibas.ch SwissFoundations 2001 als Gemeinschaftsinitiative gegründet, vereinigt SwissFoundations die gemeinnützigen Förderstiftungen der Schweiz und gibt ihnen eine starke und unabhängige Stimme. Als aktives und der Innovation verpflichtetes Netzwerk fördert SwissFoundations den Erfahrungsaustausch, die Transparenz und die Professionalität im Schweizer Stiftungssektor. Die Mitglieder und assoziierten Partner von SwissFoundations investieren jährlich mehr als eine Milliarde Schweizer Franken in gemeinnützige Projekte und Initiativen. Damit repräsentiert SwissFoundations über ein Drittel aller jährlichen Stiftungsausschüttungen in der Schweiz. → www.swissfoundations.ch Zentrum für Stiftungsrecht Das Zentrum für Stiftungsrecht wurde 2008 von Prof. Dr. Dominique Jakob als Forschungs- stelle an der Universität Zürich gegründet. Es dient der Förderung von Lehre und Forschung im themenrelevanten Bereich und bildet eine Kommunikationsplattform für Wissenschaft, Stiftungspraxis, Wirtschaft und Politik. Inhaltlich blickt es auf gemeinnützige sowie privatnützige Stiftungsarten und bezieht ausländische Rechtsformen sowie internationale Entwicklungen mit ein. → www.zentrum-stiftungsrecht.uzh.ch
CEPS Forschung und Praxis – Band 28 DER SCHWEIZER STIFTUNGSREPORT 2022 Dr. Lukas von Orelli SwissFoundations, Verband der Schweizer Förderstiftungen Julia Jakob SwissFoundations, Verband der Schweizer Förderstiftungen Prof. Dr. Dominique Jakob Zentrum für Stiftungsrecht, Universität Zürich Prof. Dr. Georg von Schnurbein Center for Philanthropy Studies (CEPS), Universität Basel
Impressum: Center for Philanthropy Studies (CEPS), Universität Basel SwissFoundations, Verband der Schweizer Förderstiftungen Zentrum für Stiftungsrecht, Universität Zürich Layout: © Neeser & Müller, Basel ISBN: 978-3-9525428-4-2 © Dr. Lukas von Orelli, SwissFoundations, Verband der Schweizer Förderstiftungen; Julia Jakob, SwissFoundations, Verband der Schweizer Förderstiftungen; Prof. Dr. Dominique Jakob, Zentrum für Stiftungsrecht, Universität Zürich; Prof. Dr. Georg von Schnurbein, Center for Philanthropy Studies (CEPS), Universität Basel, 2022. Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung der Autoren ist unzulässig.
INHALTSVERZEICHNIS 4 Vorwort 5 I. ZAHLEN UND FAKTEN 6 Der Schweizer Stiftungssektor im Überblick 12 Bevorstehende Veranstaltungen 13 II. RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN 14 Aktuelle politische Geschäfte 18 Aktuelle Rechtsprechung 20 Die Reform des Stiftungsrechts ist beschlossen – was ist gewonnen, was ist verloren, was bleibt? ∙ Autorenbeitrag von Prof. Dr. Dominique Jakob 23 Entschädigung des Stiftungsrats ∙ Gastbeitrag von Dr. Dr. Thomas Sprecher 25 Comparative study on foundation laws underscores need for a single market for philanthropy and public good ∙ Gastbeitrag von Hanna Surmatz 27 III. GUTE GRÜNDE FÜR STIFTUNGEN 31 IV. SPECIAL: NEUE FÖRDERANSÄTZE 32 Die Stiftung ist tot – lang lebe die Stiftung! ∙ Autorenbeitrag von Dr. Lukas von Orelli 34 « Unrestricted Funding » – Hype, Trend oder Chance? ∙ Gastbeitrag von Dr. Karsten Timmer 36 Philanthropie jenseits der Stiftung ∙ Gastbeitrag von Vincent Pfammatter 38 Warum wir Klimainitiativen in der Schweiz finanzieren ∙ Gastbeitrag von Nathan Argent 41 V. THEMEN UND TRENDS 42 eESA – Die Digitalisierung der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht ESA ∙ Gastbeitrag von Nils Güggi 44 It’s time to connect the dots ∙ Gastbeitrag von Delphine Moralis und Max von Abendroth 46 Stärkung des Stiftungsstandorts Kanton Zürich – Standortstudie 2021 ∙ Gastbeitrag von Dr. Matthias Inauen und Dr. Lukas von Orelli 48 10 Empfehlungen für kleine Stiftungen ∙ Autorenbeitrag von Prof. Dr. Georg von Schnurbein 51 Endnoten 53 VI. STUDIEN UND NEUERSCHEINUNGEN 2021 54 Studien und Neuerscheinungen 56 Kurzporträt der Herausgeber
4 VORWORT Ob es der Pandemie geschuldet ist oder nicht, wird man wahrscheinlich erst später wis- sen. Aber der Stiftungssektor bewegt sich enorm. Nicht nur strukturell (siehe Zahlen), son- dern auch im Selbstverständnis und in der Arbeitsweise der Stiftungen. Nicht allein, dass sich ein Paradigmenwechsel anbahnt, bei dem sich die regelmässig als Solitär agierenden Stiftungen zu mehr Kollaboration und Partizipation hinbewegen. Auch die Fördermethoden entwickeln sich von den üblichen « Vergabungen » hin zu « Investitionen ». Zwar wird schon länger auf Wirkung geschaut, aber nun geht es darum, diese zu messen und auszuweisen. Und schliesslich wird auch immer mal wieder hinterfragt, ob es denn überhaupt eine (selbst- ständige) Stiftung sein muss. Im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen ist auch der im neu aufgelegten Swiss Foundation Code eingeführte neue Grundsatz der gesellschaftlichen Verantwortung zu sehen. Die Anpassung an die Entwicklungen der Zeit ist notwendig, aber auch schon in vollem Gange. Ein weiteres wichtiges Zeichen der Zeit ist das stark wachsende Angebot der Weiterbildungs- formen für Stiftungsräte und Stiftungsangestellte. Ein Generationenwechsel vollzieht sich, und es ist erfreulich, dass damit die Entwicklung zu solider Ausbildung und Diversität voran- schreitet. Auch politisch ist im Stiftungssektor einiges passiert. Die Parlamentarische Initiative Lu- ginbühl wurde nach Jahren der Verzögerung und etlichem Hin und Her in der Wintersession abgeschlossen (siehe Beitrag D. Jakob, S. 20 ff.). Leider nicht zugunsten des Sektors. Die margina- len administrativen Verbesserungen wiegen die verpasste Chance für eine stringente Regelung der Aufsichtsbeschwerde und der Stiftungsratshonorierung bei weitem nicht auf. Besonders in letzterem Fall kann der parlamentarische Entscheid, die Honorierung bei Steuerbefreiung nicht zu regeln, als ablehnendes Votum verstanden werden. Es wird sich weisen, welche Aus- wirkungen diese Schlussfolgerungen auf die Praxis in den Kantonen haben werden. Die Motion Noser hat einige Diskussionen zum Gemeinnützigkeitsbegriff ausgelöst, die wohl, trotz der Ablehnung der Motion, so bald nicht enden werden. Ein starkes Zeichen zugunsten der Stiftungen hat dafür der Kanton Zürich gesetzt (siehe Beitrag M. Inauen und L. von Orelli, S. 46 ff.). Gerade noch rechtzeitig vor Weihnachten be- schloss der Regierungsrat, den Stiftungsstandort zu fördern. Dies ist ein klares Signal an den Schweizer Stiftungssektor. Verbessert Zürich seine Standortqualität für Stiftungen, wird das für die ganze Schweiz Konsequenzen haben und den Schweizer Sektor im globalen Vergleich aufwerten. Dem positiven Entscheid lag eine Studie zugrunde, die der Kanton Zürich zusam- men mit SwissFoundations durchgeführt hat. Aber auch auf internationaler Ebene hat sich einiges getan. Die beiden europäischen Ver- bände DAFNE und EFC haben nach langer Vorbereitung zu Philea fusioniert (siehe Beitrag D. Moralis und M. von Abendroth, S. 44 – 45). Es gibt nun eine länderübergreifende Stimme für die gemeinnützigen Stiftungen in Europa mit rund 10’000 angeschlossenen Stiftungen. Auch die Situation rund um den Automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) be- wegt sich. Die Verhandlungen gehen voran und gestalten sich schwierig. International findet das Schweizer Stiftungsmodell wenig Verständnis. Die Angst vor Steuerhinterziehung ist (wohl nicht ganz unverschuldet) sehr gross. Lukas von Orelli, im Mai 2022
5 I. ZAHLEN UND FAKTEN Trotz der Coronapandemie sind 2021 in der Schweiz 365 Stiftungen neu gegründet worden, so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr. Im kantonalen Vergleich hat Zürich den Kanton Genf bei den Neu- gründungen überholt. Das Nettowachstum hat sich im Vergleich zum letzten Jahr beinahe verdoppelt, obwohl die Zahl der Liquidatio- nen weiterhin hoch bleibt. Ein Blick auf die Stiftungsräte zeigt, dass bei den meisten Stiftungen viele operative Aufgaben von den ehrenamtlichen Stiftungsrats- mitgliedern übernommen werden: Gerade einmal 14,6% aller Stif- tungen weisen eine Geschäftsführung aus. Bei der Geschlechterver- teilung bildet der Anteil der Frauen trotz eines leichten Anstiegs immer noch die Minderheit. Die allermeisten StiftungsrätInnen der gemeinnützigen Schweizer Stiftungen haben nur ein Mandat inne (92%), und rund 13% aller StiftungsrätInnen sind keine Schweizer.
Abb. 16 DER SCHWEIZER STIFTUNGSSEKTOR IM ÜBERBLICK Die Coronapandemie hat die Aktivitäten von vielen Stiftungen eingeschränkt. So wie es scheint, hat die Pandemie aber keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Stiftungssektors generell bewirkt. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr sind in der Schweiz so viele neue Stiftun- gen gegründet worden wie seit fünf Jahren nicht mehr. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 365 gemeinnützige die bemerkenswerteste der Zusammenschluss der beiden Stiftungen gegründet, jedoch bleibt mit 219 die Zahl der Li- Hilfswerke Brot für alle und Hilfswerk der Evangelischen quidationen auf dem hohen Niveau der letzten Jahre. Mit Kirchen der Schweiz (HEKS), wobei die neue Stiftung wei- 13’667 gemeinnützigen Stiftungen total bleibt der Sektor terhin HEKS heissen wird. dynamisch, mit vielen neuen Stiftungen einerseits und ei- Zusätzlich sind noch 143 Stiftungen « in Liquidation » ner deutlichen Zahl an Auflösungen andererseits (Abb. 1). (im Vorjahr: 139), d.h., der Beschluss zur Aufhebung dieser Unter den liquidierten Stiftungen sind 19 durch Fusion in Stiftungen ist bereits gefallen, jedoch hält das Liquidati- andere Organisationen aufgegangen, und es sind sechs onsverfahren noch an. Diese Stiftungen werden deshalb in Konkurse zu verzeichnen. Von den Fusionen ist sicherlich den weiteren Übersichten nicht berücksichtigt, wodurch Abb. 1 Entwicklung des Stiftungswesens mit Neugründungen und Liquidationen ab 1990 ANZAHL NEUGRÜNDUNGEN ANZAHL STIFTUNGEN 500 15’000 400 12’000 300 9’000 200 6’000 100 3’000 0 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 TOTAL Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank 2021 Anmerkung: Die Tabelle enthält neu auch Stiftungen «in Liquidation », die nach wie vor im Handelsregister eingetragen, aber nicht mehr aktiv sind. Aktuell sind dies 143 Stiftungen. 13’667 I. Zahlen und Fakten
7 ein Total von 13’524 aktiven gemeinnützigen Stiftungen Abb.2 besteht. Entwicklung des Stiftungswesens 2021 Das Nettowachstum hat sich im Vergleich zum letz- Kanton Total Neu- Liquidationen Netto- Wachstum ten Jahr von 74 auf 146 beinahe verdoppelt (Abb. 2). Dabei Ende gründungen wachstum bereinigt 2021 fallen einzelne Kantone besonders auf, die eine hohe An- zahl an Neugründungen ausweisen. Kantone mit einem AG 491 21 3 3.7% 18 zweistelligen Zuwachs sind Aargau, Bern, Basel-Stadt, AI 36 1 1 0.0% 0 Genf, Thurgau, Zug und Zürich. Es mag ein Zufall sein, aber AR 114 1 0 0.9% 1 BE 1’390 29 17 0.9% 12 abgesehen von Zug und Thurgau sind dies alles Kantone, BL 305 7 4 1.0% 3 in denen sich in den vergangenen Jahren Initiativen zur BS 908 29 11 2.0% 18 FR 402 5 2 0.7% 3 Stärkung des Stiftungssektors entwickelt haben, die oft- GE 1’294 48 33 1.2% 15 mals gerade auch eine verbesserte Zusammenarbeit zwi- GL 120 2 0 1.7% 2 GR 520 16 9 1.3% 7 schen staatlichen Behörden und dem Stiftungssektor zum JU 124 5 3 1.6% 2 Ziel hatten. LU 544 9 10 – 0.2% –1 NE 299 4 3 0.3% 1 NW 88 4 1 3.4% 3 Regionale Verteilung OW 67 4 1 4.5% 3 SG 513 9 10 – 0.2% –1 Die Kantone mit den meisten Neugründungen sind SH 107 1 0 0.9% 1 Zürich und Genf, wobei Zürich den Kanton Genf in dieser SO 270 3 5 – 0.7% –2 SZ 215 5 5 0.0% 0 Hinsicht abgelöst hat. Wie in den Vorjahren hat der Kan- TG 257 16 1 5.8% 15 ton Genf mit 46 Neugründungen jedoch das höchste TI 819 13 12 0.1% 1 UR 52 2 0 3.8% 2 Wachstum vorzuweisen. Wie bereits erwähnt, ist der po- VD 1’370 24 31 – 0.5% –7 sitive Zuwachs an Stiftungen vor allem einigen wenigen VS 591 20 17 0.5% 3 ZG 396 36 4 8.1% 32 Kantonen zuzuschreiben. Auf der anderen Seite gibt es ZH 2’232 51 36 0.7% 15 vier Kantone mit einer schwach negativen Entwicklung. 365 219 CH 13’524 1.1% 146 Dabei sticht der Kanton Waadt mit einem Minus von sie- ben Stiftungen hervor. Nach der Anzahl Stiftungen ist die Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank Abb. 2 2’232 Abb. 3 Regionale Verteilung SH 107 908305 der Stiftungen 2021 BS 124 BL ZH AR 114 257 SO 270 AG 491 TG AI 36 NE 299 LU 544 ZG 396 SZ 215 SG 513 FR 402 NW 88 OW 67 UR 52 GL 120 VD 1’370 1’390 BE GR 520 VS 591 TI 819 GE 1’294 Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank [CH] 13’524 I. Zahlen und Fakten
8 Abb. 4 Stiftungsdichte* nach Kantonen 2021 15.5 BS ZG GL GR GE TI AI AR NW OW NE VS JU VD CH ZH UR BE SZ LU SH FR BL SG SO TG AG *Anzahl Stiftungen auf 10’000 Einwohner Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank Reihenfolge der Kantone unverändert, mit Zürich an der Insgesamt gibt es in gemeinnützigen Stiftungen Spitze (2’232), gefolgt von Bern (1’390), Waadt (1’370), Genf 71’043 Stiftungsratsmandate, die von 63’886 Personen ge- (1’294) und Basel (908) (Abb. 3). Die meisten Stiftungen auf halten werden. Nach Geschlechtern verteilt sich die Ge- 10’000 Einwohner sind erneut dem Kanton Basel-Stadt samtheit zu 68,3% auf Männer und zu 31,7% auf Frauen. Da- mit 46,3 Stiftungen zuzurechnen (Abb. 4). Durch den mit ist der Anteil Frauen im Vergleich zum Vorjahr nur Boom der Krypto-Stiftungen steht Zug inzwischen mit 30,7 leicht gestiegen. Wie auch in anderen Branchen tendieren an zweiter Stelle bei der Stiftungsdichte. Danach folgen Männer stärker dazu, mehrere Mandate anzunehmen. Bei Glarus (29,2), Graubünden (25,9) und Genf (25,5). Der den Personen mit nur einem Mandat sind es 31,4% Frauen, Schweizer Durchschnitt liegt bei 15,5 Stiftungen auf 10’000 bei mehr als fünf Mandaten dann nur noch 12,8%. Einwohner. Nach wie vor haben die meisten Personen nur ein Stiftungsratsmandat (92%). Weniger als 2% der Stiftungsrät- Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte Innen habe mehr als zwei Mandate (Abb. 6). Auch dies lässt Im vergangenen Jahr wurde im Parlament diskutiert, darauf schliessen, dass ein Mandat als Stiftungsrat Zeit eine angemessene Entschädigung im Ehrenamt – insbe- braucht und verantwortungsvoll erfüllt wird. Bemerkens- sondere in Stiftungsräten – gesetzlich zuzulassen, ohne wert ist auch die Internationalität des Schweizer Stiftungs- dass dadurch die Gemeinnützigkeit der Stiftung infrage sektors: 12,9% der StiftungsrätInnen sind nicht Schweizer gestellt werden würde. Während der Nationalrat grund- Staatsbürger (Doppelstaatsbürgerschaften werden nicht sätzlich offen war, verweigerte der Ständerat eine entspre- erfasst), und in 4’205 Stiftungen (30,8%) ist mindestens ein chende Anpassung im Gesetz. Es wurden Bedenken Stiftungsratsmitglied kein Schweizer Staatsbürger. geäussert, dass sich StiftungsrätInnen unrechtmässig be- reichern könnten. Wie weit weg diese Bedenken von der Realität sind, zeigt die Tatsache, dass gerade einmal 14,6% der Stiftungen (1’981) eine Geschäftsführung ausweisen (Abb. 5). Dies bedeutet, dass in den übrigen Stiftungen die ehrenamtlichen Stiftungsräte auch viele operative Aufga- ben selbst übernehmen müssen. Schliesslich fehlen den meisten Stiftungen die finanziellen Möglichkeiten, über- haupt eine Entschädigung zu zahlen. I. Zahlen und Fakten
9 Abb. 5 Übersicht der StiftungsrätInnen Stiftungsrat total 63’886 30.7% Ebene Präsidium 12’542 22% Ebene Geschäftsführung 1’981 38.1% Total Frauen Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank Abb. 6 Verteilung von Stiftungsratsmandaten 1 Mandat 2 Mandate 3–5 Mandate mehr als 5 Mandate 31.6% 23.5% 18.5% 12.8% 68.4% 76.5% 81.5% 87.2% Total: 58’544 Total: 3’905 Total: 1’107 Total: 86 Frauen Männer Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank I. Zahlen und Fakten
10 Stiftungszwecke Stiftungsaufsichten An der Verteilung der Stiftungszwecke lassen sich ge- Nachdem auf kantonaler Ebene durch den Zusam- sellschaftliche Veränderungsprozesse ablesen (Abb. 7). menschluss mehrerer Stiftungsaufsichten sowie die Aus- Vergleicht man die Verteilung der Tätigkeitsbereiche aller gliederungen der Behörden ein Professionalisierungs- Stiftungen mit jener bei den Stiftungen der letzten zehn schub eingesetzt hat, wird sich auch die Eidgenössische Jahre, fällt auf, dass Bereiche wie Bildung und Forschung, Stiftungsaufsicht in den nächsten Jahren weiterentwi- Umwelt sowie Advocacy und Politik überdurchschnittlich ckeln. Wie die Übersicht in Abbildung 9 zeigt, ist sie die zugenommen haben, während andere wie Kultur oder Re- wichtigste Aufsichtsbehörde, da 36,2% der Stiftungen von ligion weniger Beachtung finden. ihr betreut werden. Die Hälfte dieser Stiftungen ist in drei Kantonen angesiedelt, nämlich in Bern, Zürich und Genf. Kirchliche Stiftungen und Familienstiftungen Dies verdeutlicht einerseits die Rolle Berns als nationale Zum 1. Januar 2021 sollten alle kirchlichen und Famili- Hauptstadt und die internationale Ausrichtung der beiden enstiftungen im Handelsregister eingetragen sein. Je- Städte Genf und Zürich. Hinzu gesellt sich noch der Kan- doch sind auch im vergangenen Jahr nochmals solche ton Zug, in dem 76,7% aller Stiftungen einen nationalen Stiftungen registriert worden. Der Vollständigkeit hal- oder internationalen Zweck verfolgen und deshalb unter ber wird hier eine Übersicht nach Kantonen gezeigt eidgenössischer Aufsicht stehen. Ganz anders ist die Situ- (Abb. 8). Bei den kirchlichen Stiftungen fällt auf, dass ation in den Kantonen Basel-Stadt oder Waadt, wo 74,5% diese besonders in katholisch geprägten Kantonen be- bzw. 72,9% der Stiftungen unter kantonaler Aufsicht ste- stehen, was sich mit der Tradition der Stiftung im kano- hen und damit auch viel stärker im Alltag vor Ort wahrge- nischen Recht der Kirche erklären lässt. nommen werden. Abb. 7 Stiftungszwecke 2022 22.4% Kultur und Freizeit 19.9% Bildung und 20.8% Forschung 23.2% Soziale Dienste 21.8% 21% Gesundheitswesen 10.1% 9.9% 6.7% Umweltschutz 9.6% Entwicklung und 5.3% Wohnungswesen 5.2% Internationale Aufgaben 4.6% 3.7% Religion 2.7% Advocacy und Politik 1.9% 2.8% Wirtschaft und 1.5% Berufsorganisationen 0.7% Sonstige 1% 0.9% Philanthropische 0.2% Total Gründungen der Intermediäre 0.4% letzten 10 Jahre Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank I. Zahlen und Fakten
0 30 60 90 AG 25.2% 74.8% Abb. 8 Abb. 9 AI 16.7% 83.3% AG AR 19.1% 67.8% 13.0% AI I. Zahlen und Fakten BE 38.3% 53.6% 8.1% AR BL 20.1% 70.9% 9.1% BE Eidgenössische BL Stiftungsaufsichten Stiftungsaufsicht BS 24.1% 74.5% 1.3% FR 34.5% 65.5% BS GE 56.0% 44.0% FR Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank Quelle: Der Schweizer Stiftungsreport 2022/CEPS Datenbank GL 6.0% 91.5% 2.6% GE GR 22.8% 77.2% GL JU 14.2% 85.8% GR LU 31.5% 37.4% 31.1% JU und Konkordate NE 21.8% 78.2% LU NW 50.0% 36.0% 14.0% NE OW 38.7% 41.9% 19.4% NW Kantonale Stiftungsaufsichten SG 21.6% 78.4% OW SG Übersicht der kirchlichen Stiftungen und Familienstiftungen SH 14.8% 61.1% 24.1% Kirchliche Stiftungen: Total: 556 SO 22.3% 77.7% SH SZ 46.7% 37.3% 16.0% SO TG 22.2% 68.1% 9.7% SZ TI 31.2% 68.7% 0.1% TG Kommunale UR 30.8% 69.2% TI Stiftungsaufsichten VD 27.1% 72.9% UR VS 21.5% 41.7% 36.8% VD ZG 76.7% 22.0% 1.4% VS ZH 54.1% 28.3% 17.6% ZG ZH Familienstiftungen: Total: 356 Total 36.2% 56.0% 7.9% 11
12 Bevorstehende Veranstaltungen SAVE THE DATE Aufgrund der Coronapandemie muss mit kurzfristigen Änderungen bei der Durchführung von Veranstaltungen gerechnet werden. PHILEA FORUM ZÜRCHER STIFTUNGSTAG 30. Mai – 1. Juni 2022, Barcelona 6. September 2022 Veranstalter: Philanthropy Europe Association Rahn + Bodmer Co., Zürich → www.philea.eu Veranstalter: Rahn + Bodmer Co. → www.rahnbodmer.ch SWISSFOUNDATIONS MITGLIEDERVERSAMMLUNG BESTE STIFTUNGSRATSPRAXIS 2. Juni 2022, Bern 20. September 2022, Lake Side, Zürich Veranstalter: SwissFoundations Veranstalter: Europa Institut an der → www.swissfoundations.ch Universität Zürich → www.eiz.uzh.ch FORUM DES FONDATIONS SwissFoundations 7. Juni 2022, Lausanne →www.swissfoundations.ch Veranstalter: SwissFoundations Center for Philanthropy Studies → www.forum-des-fondations.ch → www.ceps.unibas.ch in Zusammenarbeit mit: AGFA (Association de Genève des Fondations DEUTSCHER STIFTUNGSTAG Académiques) → www.agfa-ge.ch 28. – 30. September 2022, Leipzig ACAD (Académie des Administrateurs) Stiftungen – Zukunft nachhaltig gestalten → www.acad.ch Veranstalter: Bundesverband Deutscher Stiftungen Geneva Center for Philanthropy → www.stiftungen.org → www.unige.ch/philanthropie EUROPÄISCHER TAG DER STIFTUNGEN IMD → www.imd.org 1. Oktober 2022 proFonds → www.profonds.org Diverse europaweite Initiativen rund um den SOCIAL ENTREPRENEURSHIP & Aktionstag PHILANTHROPY → www.swissfoundations.ch 8. – 9. Juni 2022, Genf BETTER FOUNDATION GOVERNANCE Veranstalter: Geneva Center for Philanthropy und 27. – 29. Oktober 2022, Hotel Odelya, Basel Schwab Foundation for Social Entrepreneurship Veranstalter: Foundation Board Acadamy → www.unige.ch/philanthropie → www.foundationboardacademy.ch PHILANTHROPIE AM MORGEN 16. Juni 2022, Basel, 21. Juni 2022, Zürich SCHWEIZER STIFTUNGSTAG 9. November 2022, Stadttheater Olten, Olten Veranstalter: Center for Philanthropy Studies Veranstalter: proFonds → www.ceps.unibas.ch → www.profonds.org 11. BASLER STIFTUNGSTAG 30. August 2022, Biozentrum 6. ZÜRCHER STIFTUNGSRECHTSTAG Universität Basel, Basel 31. Januar 2023, Universität Zürich, Zürich Veranstalter: Zentrum für Stiftungsrecht Generationen-Clash an der Universität Zürich Veranstalter: Stiftungsstadt Basel → www.zentrum-stiftungsrecht.uzh.ch → www.stiftungsstadt-basel.ch 21. SCHWEIZER STIFTUNGSSYMPOSIUM 1. September 2022, kultur & kongresshaus aarau, Aarau Perspectives Veranstalter: SwissFoundations → www.stiftungssymposium.ch
13 II. RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN Das Jahr 2021 stand auf politischer Ebene ganz im Zeichen der Parla- mentarischen Initiative Luginbühl, bei der nach sieben Jahren die Schlussentscheidung fiel. Daneben kam es zu weiteren Entwicklungen, die den Gemeinnützigkeitssektor beeinflussen können (Revision zur Stiftungsaufsicht im Kanton Zürich, Motion Noser, Datenschutz- gesetzgebung etc.). Die Rechtsprechung in diesem Jahr wurde von einschneidenden Urteilen zu Familienstiftungen geprägt, die das Leben dieses Rechts- instituts weiter erschweren. Zudem erging ein fragwürdiges Urteil zur Steuerbefreiung von gemeinnützigen Holdingstiftungen. Im Folgenden werden die für den Stiftungssektor wichtigsten Ent- wicklungen dargestellt. Einzelheiten zur aktuellen Rechtsetzung, Rechtsprechung und Literatur können dem jährlich erscheinenden Band Verein – Stiftung – Trust, Entwicklungen 2021, njus.ch, von Jakob/Eichenberger/Savanovic/Studhalter/Trajkova entnom- men werden.1
14 AKTUELLE POLITISCHE GESCHÄFTE Finale Entscheidung bei der und Stiftungsurkunde in Einklang steht, beschwerdebe- Parlamentarischen Initiative « Schweizer rechtigt sein sollen.14 Hinsichtlich der Honorierung wurde Stiftungsstandort. Stärkung » der Antrag der Mehrheit angenommen, an einer Regelung Fast auf den Tag genau sieben Jahre nach der Einrei- der Frage festzuhalten.15 chung der Pa.Iv. Luginbühl (14.470) fiel am 13. Dezember In der zweiten Runde der Differenzbereinigung ka- 2021 die Schlussentscheidung. Doch der Reihe nach: Nach- men vom SR Zugeständnisse betreffend die Stiftungsauf- dem die RK-S am 22. Februar 2021 die auf die Punkte 3 und 4 sichtsbeschwerde, nicht jedoch betreffend die Honorie- der Pa.Iv. reduzierte Vorlage 2 verabschiedet hatte,3 stimmte rung. Bei der Stiftungsaufsichtsbeschwerde wurde der der Bundesrat dieser in seiner Stellungnahme vom 12. Mai Antrag der Minderheit angenommen.16 Nach wiederum 2021 zu.4 Die Punkte 3 und 4 waren immer unbestritten und neuem Wortlaut sollen Begünstigte oder Gläubiger der wurden von beiden Räten angenommen. Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Um den weiteren Inhalt der Vorlage sowie deren Wort- Stiftungsratsmitglieder, die ein Interesse daran haben, laut entstand jedoch eine Debatte, die die Geschehnisse im dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stif- Jahr 2021 prägte: Am 10. Juni 2021 erteilte der SR dem Ent- tungsurkunde in Einklang steht, Beschwerde erheben wurf seine Zustimmung ohne Gegenstimme.5 Die RK-N können.17 Betreffend Honorierung setzte sich die Mehr- beantragte am 19. August 2021 ihrem Rat hingegen, zwei heit mit ihrem Antrag durch, die Honorierung neuerlich der zuvor aus der Vorlage gestrichenen Punkte wieder auf- zu streichen.18 zunehmen.6 Sie beantragte einerseits, die Stiftungsauf- In derselben Runde der Differenzbereinigung fiel am sichtsbeschwerde gesetzlich vorzusehen und denjenigen 13. Dezember 2021 letztlich die Entscheidung. Der NR folgte Personen, die ein berechtigtes Kontrollinteresse daran diskussionslos dem Antrag seiner RK auf Zustimmung haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und zum Beschluss des SR betreffend Stiftungsaufsichtsbe- Stiftungsurkunde in Einklang steht, ein Beschwerderecht schwerde.19 Bezüglich der letzten verbliebenen Differenz zukommen zu lassen (Art. 84 Abs. 3 des Entwurfs zur Än- betreffend Honorierung stimmte der NR schliesslich dem derung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [E-ZGB]).7 SR zu,20 womit die gesetzliche Regelung der Honorierungs- Zudem stellte sie den Antrag, die Honorierung der Lei- möglichkeit letztlich der kategorisch ablehnenden Haltung tungsorgane wieder in die Vorlage aufzunehmen und des SR zum Opfer fiel. Art. 23 Abs. 2 des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG) Die Vorlage wurde in der Schlussabstimmung vom und Art. 56 Abs. 2 des Gesetzes über die direkte Bundessteu- 17. Dezember 2021 sowohl vom SR als auch vom NR ange- er (DBG) dahingehend zu revidieren, dass eine angemesse- nommen.21 Die Schweiz erhält – vorbehältlich eines Refe- ne Honorierung der Stiftungsorgane der Steuerbefreiung rendums bis zum 7. April 2022 22 – somit ein leicht revidier- der Stiftungen nicht entgegensteht.8 Diese erweiterte Vor- tes Stiftungsrecht, das eine Erweiterung der Stifterrechte lage wurde in der Gesamtabstimmung von der RK-N ange- durch eine Ausdehnung des Änderungsvorbehalts des nommen.9 Im NR war die Regelung zur Stiftungsaufsichts- Stifters in der Stiftungsurkunde auf Organisationsände- beschwerde unbestritten.10 Mit Blick auf die Honorierung rungen (Art. 86a nZGB), die Vereinfachung von unwesent- konnte sich der Antrag, der auf die Aufnahme der Honorie- lichen Änderungen der Stiftungsurkunde (Art. 86b nZGB), rungsmöglichkeit in die Vorlage gerichtet war, durchset- eine Klarstellung betreffend die Form von Urkundenände- zen. Die Annahme der Vorlage wurde sodann in der Ge- rungen (keine notarielle Beurkundung nötig; Art. 86c samtabstimmung vom NR einstimmig beschlossen.11 nZGB) sowie eine gesetzlich geregelte Stiftungsaufsichts- In der ersten Runde der Differenzbereinigung am beschwerde (Art. 84 Abs. 3 nZGB) enthält, nicht jedoch 22. September 2021 folgte der SR seiner RK und strich er- eine gesetzliche Honorierungsmöglichkeit für die Stif- neut sowohl die Stiftungsaufsichtsbeschwerde als auch die tungsorgane. Honorierungsregel aus der Vorlage.12 Der NR befasste sich Der Ausgang der Pa.Iv. Luginbühl ist aus Sicht des am 6. Dezember 2021 mit gleich drei Anträgen zur Stif- Stiftungssektors bedauerlich. Ob durch den beschlosse- tungsaufsichtsbeschwerde. Dem Antrag der Mehrheit fol- nen Wortlaut zur Stiftungsaufsichtsbeschwerde die jetzi- gend 13 wurde der Wortlaut des Art. 84 Abs. 3 E-ZGB so ge- ge Situation verbessert wird, muss der Umgang der Ge- ändert, dass Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der richte damit zeigen. Die abgelehnte gesetzliche Regelung Stifter, Zustifter oder Spender sowie ihnen nahestehende der Honorierungsmöglichkeit hingegen setzt durch das Personen und Stiftungsratsmitglieder, die ein Interesse da- ablehnende Votum der Parlamentarier ein verheerendes ran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz Zeichen für den Gemeinnützigkeitssektor, die angestrebte II. Rechtliche Entwicklungen
15 Professionalisierung sowie den anstehenden Generatio- Damit sieht die Stiftungsaufsicht im Kanton Zürich neu nenwechsel in den Leitungsorganen. wie folgt aus: Die kantonale BVS ist die Aufsichtsbehörde Siehe zu diesem Geschäft auch den Autorenbeitrag über Stiftungen nach Art. 84 ZGB, die ihrer Bestimmung von Prof. Dr. Dominique Jakob auf Seite 20 ff. nach einer Gemeinde angehören. Ausgenommen sind Stiftungen, die nach § 2a von der Gemeinde beaufsichtigt Revision der Stiftungsaufsicht im Kanton Zürich werden (§ 2 Abs. 3 nBVSG). Gemäss § 2a Abs. 1 nBVSG kann Zentrales Anliegen der Revision zur Stiftungsaufsicht der Gemeindevorstand für einzelne Stiftungen gemäss § 2 im Kanton Zürich soll sein, dass die kantonale BVG- und Abs. 3 beschliessen, die Aufsicht selbst wahrzunehmen, Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich (BVS) Zuständigkeit wenn eine Stiftung eine Bilanzsumme von weniger als erlangt auch für die den Gemeinden angehörenden Stiftun- CHF 5 Millionen ausweist und im Jahresdurchschnitt über gen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 des Entwurfs zur Änderung des Geset- weniger als fünf Vollzeitstellen verfügt. Die BVS ist ab dem zes über die BVG- und Stiftungsaufsicht [E-BSVG]). Die 1. Juli, der dem Inkrafttreten der Vorlage folgt, für die Auf- Gemeindevorstände können aber mittels Beschluss ihre sicht gemäss § 2 Abs. 3 zuständig (Ziff. II der Übergangsbe- Aufsichtszuständigkeit behalten (§ 2 Abs. 3 Satz 2 und 3 E- stimmungen zum nBVSG). BVSG).23 Unabhängig von den Details dürfte die Entwicklung Insbesondere letztere Bestimmung wurde von der der Sache nach in die richtige Richtung gehen. Denn eine Kommission für Staat und Gemeinden des Kantonsrats klare Struktur der kantonalen Aufsicht dient der Erhö- Zürich (StGK) am 9. Juli 2021 neu gefasst. Neu sollte der hung der Kompetenz und damit dem Schutz der Stiftun- Gemeindevorstand die Aufsicht nur dann ausüben dürfen, gen und der Glaubwürdigkeit des Sektors. wenn kein Mitglied des Gemeindevorstands Stiftungsrat in einer von ihm beaufsichtigten Stiftung ist. Wird ein Ge- Initiative zur Stärkung des Stiftungsstandorts meindevorstand ein solches Mitglied, soll er seinen Be- Zürich schluss aufheben und dies der Anstalt mitteilen.24 Der Kanton Zürich befasst sich jedoch auch grundle- Der Kantonsrat tagte am 4. Oktober 2021 über die von gend mit dem Stiftungswesen. Eine am 15. Dezember 2021 der StGK beschlossene Vorlage. Die Redaktionskommissi- veröffentlichte Studie zur Evaluierung des Stiftungssek- on (REDKO) stellte am 3. November 2021 bezüglich § 2 tors Zürich stellte fest, dass eine Stärkung des Sektors Abs. 3 E-BVSG den gleichen Antrag wie die StGK.25 Hans- möglich sei, und möchte mit der Handlungsempfehlung 3 Peter Brunner (SVP, Horgen) reichte hingegen am 8. No- insbesondere die Anpassung steuerrechtlicher Aspekte vember 2021 einen Abänderungsantrag bezüglich § 2 erreichen.30 Am 8. Dezember 2021 nahm der Regierungsrat Abs. 3 E-BVSG ein, gemäss welchem grundsätzlich die BVS des Kantons Zürich die Studie zur Kenntnis und beauf- als Aufsichtsbehörde zuständig sein soll, der Gemeinde- tragte die Projektkoordinationsgruppe « Stiftungsstand- vorstand die Aufsicht jedoch selbst wahrnehmen könne, ort Kanton Zürich », ein Umsetzungskonzept inkl. Projekt- wenn eine Stiftung über eine ausgewiesene Bilanzsumme organisation zu den Handlungsempfehlungen der Studie von weniger als CHF 5 Millionen oder weniger als über das auszuarbeiten.31 Rechnungsjahr gemittelt 500 Stellenprozente verfügt. Für den Fall, dass einer der Höchstwerte im späteren Verlauf Totalrevision des Datenschutzes definitiv überschritten wird, soll der Gemeindevorstand Über die abgeschlossene Totalrevision des Daten- seinen Beschluss aufheben, sodass die Aufsicht an die An- schutzgesetzes (DSG) wurde bereits berichtet.32 Damit stalt per Folgejahr zurückfallen würde.26 Im Rahmen sei- dieses in Kraft treten kann, bedarf die dazugehörige Ver- ner zweiten Lesung am 15. November 2021 erteilte der Kan- ordnung (VDSG) ebenso einer Revision. Der Bundesrat tonsrat seine Zustimmung zum Antrag Brunner.27 veröffentliche am 23. Juni 2021 den Vorentwurf samt erläu- In einer dritten Lesung am 7. Februar 2022 wurde ein terndem Bericht.33 Ersterer enthält insbesondere Mindest- nochmals neuer Antrag der REDKO vom 2. Dezember anforderungen an die Datensicherheit (Art. 1 ff. VE-VDSG), 202128 im Kantonsrat behandelt, der den Antrag Brunner Regeln zur Bekanntgabe von Personendaten ins Ausland insoweit abänderte, als er eine kumulative (statt alternati- (Art. 8 ff. VE-VDSG) und zu den Rechten der betroffenen ve) Anwendung der Kriterien, unter denen der Gemeinde- Person (Art. 20 ff. VE-VDSG) sowie die Bestimmung zur vorstand die Aufsicht selbst wahrnehmen kann, fordert. Ausnahme von der Pflicht zur Führung eines Datenbearbei- Der Antrag der REDKO wurde genehmigt und die Vorlage tungsverzeichnisses für privatrechtliche Organisationen in der Schlussabstimmung einstimmig angenommen.29 mit weniger als 250 Mitarbeitenden, sofern nicht besondere II. Rechtliche Entwicklungen
16 Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 26 VE-VDSG). Die Ver- Art. 84b nZGB 41 (Offenlegung von Vergütungen) liegt darin, nehmlassungsfrist dauerte bis zum 14. Oktober 2021, der dass dort die Vergütungen gegenüber der Aufsichtsbehör- Bericht zu den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfah- de offenzulegen sind, hier jedoch gegenüber der Behörde, rens ist noch nicht erschienen. DSG und VDSG sollen die über die Steuerbefreiung entscheidet.42 gleichzeitig am 1. September 2023 in Kraft treten. Der da- Eine Anwendung der Swiss GAAP FER würde für die für notwendige Entscheid des Bundesrats muss noch er- Stiftungen einen grossen Aufwand bedeuten. In seiner folgen.34 Stellungnahme beantragt der Bundesrat mangels Hand- lungsbedarfs daher zu Recht die Ablehnung der Motion.43 Ablehnung der Motion Noser Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten. Die von SR Ruedi Noser eingereichte Motion (20.4162) forderte den Bundesrat auf, die Einhaltung der Anforde- Entwurf Praxisanpassung Mehrwertsteuergesetz rungen an die Steuerbefreiung juristischer Personen bei (MWSTG) zum Thema « eng verbundene der direkten Bundessteuer wegen Gemeinnützigkeit im Personen » Falle politischer Tätigkeit zu überprüfen.35 2021 fand die Am 28. Januar 2022 veröffentliche die Eidgenössische parlamentarische Beratung statt. Die Vorlage wurde im SR Steuerverwaltung (ESTV) einen ersten Praxisentwurf zum am 9. Juni 2021 äusserst knapp mit 21 zu 20 Stimmen bei Thema « eng verbundene Personen », der vor allem für sog. 3 Enthaltungen angenommen.36 Im NR setzte sich hingegen Corporate Foundations, d.h. Stiftungen, die von Unterneh- der Antrag der Minderheit durch, der zur Ablehnung der men i.d.R. zur Erfüllung ihrer Corporate Social Responsibi- Motion führte.37 Damit ist die Motion Noser endgültig vom lity gegründet werden, von Relevanz ist. Gemäss Entwurf Tisch. Aus Sicht des Gemeinnützigkeitssektors ist die Ent- gelte eine Stiftung gegenüber einer Person oder Organisa- scheidung erfreulich: Denn gemeinnützige Stiftungen tion als eng verbunden i.S.v. Art. 3 lit. h Ziff. 2 des Mehrwert- agieren selten im politikfreien Raum und dürfen in der Art steuergesetzes (MWSTG), wenn sie über keine eigenen Mit- ihrer Zweckerfüllung und Wirkungserzielung nicht unnö- tel und Ressourcen (Personal, Infrastruktur, flüssige Mittel tig eingeschränkt werden. etc.) verfügt, die es ihr ermöglichen, ihren Zweck zu errei- Bei der in die gleiche Richtung gehenden St. Galler chen. Kumulativ müssten die benötigten Mittel und Res- Motion (42.20.26) wurde der Regierungsrat zwar eingela- sourcen von dieser Person oder Organisation zur Verfü- den, ein Stiftungsverzeichnis mit steuerbefreiten, poli- gung gestellt werden, von der die Stiftung wirtschaftlich tisch engagierten Stiftungen zu erstellen sowie Anpassun- und personell abhängig sei. Bei Naturalspenden an diese gen zur Aufhebung der Steuerbefreiung vorzuschlagen,38 eng verbundenen Personen liege ein Leistungsverhältnis allerdings wurde die Motion in der Folge zurückgezogen.39 vor und die Naturalspende gelte als entgeltliche Leistung. Die Bemessung richte sich damit nach Art. 24 Abs. 2 Motion Reimann betreffend Honorierung MWSTG, womit die Leistung zum Wert, der unter unab- und Swiss GAAP FER hängigen Dritten vereinbart würde, in Rechnung zu stellen Dass die Honorierung von Leitungsorganen in der Po- sei.44 Die Frist zur Stellungnahme läuft bis zum 1. März 2022. litik ein Brennpunkt ist, zeigt auch der folgende Vorstoss. NR Lukas Reimann beauftragte mit seiner am 5. Mai 2021 Peer Review zum Automatischen eingereichten Motion den Bundesrat, die Gesetze dahinge- Informationsaustausch (AIA) hend anzupassen, dass für gemeinnützige Organisationen, Am 17. November 2021 wurde die « Peer Review of the die von der öffentlichen Hand eine Unterstützung erhal- Automatic Exchange of Financial Account Information ten oder von der Steuerpflicht befreit werden, die Rech- 2021 » vom Global Forum on Transparency and Exchange of nungslegungsstandards des Swiss GAAP FER inkl. FER 21 Information for Tax Purposes veröffentlicht. Dieses über- zur zwingenden Voraussetzung für die Unterstützung wacht und überprüft die Umsetzung der internationalen bzw. Steuerbefreiung gemacht werden.40 Swiss GAAP FER Standards für den Informationsaustausch auf Anfrage so- 21 ordnet an, dass der Gesamtbetrag aller Vergütungen der wie den automatischen Informationsaustausch.45 Mitglieder des obersten Leitungsorgans (z.B. Vorstand, Die schweizerische Gesetzgebung in diesem Bereich Stiftungsrat) sowie der Gesamtbetrag aller Vergütungen wird als verbesserungswürdig eingestuft, wobei zwei von Personen, die mit der Geschäftsführung betraut sind, Empfehlungen ausgesprochen werden. Zum einen soll die im Anhang der Jahresrechnung offenzulegen sind. Der Schweiz Stiftungen mit einem öffentlichen, gemeinnützi- Unterschied zum in die ähnliche Richtung gehenden gen oder ideellen Zweck von der Liste der nicht melde- II. Rechtliche Entwicklungen
17 pflichtigen Finanzinstitute streichen. Zum anderen sollen IPRG-Revision zur Teilharmonisierung mit der Konten von solchen Stiftungen nicht länger als nicht mel- Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) depflichtige Finanzkonten gelten.46 Der weitere Verlauf Um das Internationale Privatrecht (IPRG) teilweise bleibt abzuwarten. Die laufende Entwicklung zum Com- mit der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) mon Reporting Standard (CRS) verheisst für gemeinnützi- zu harmonisieren, sollen in erster Linie die Zuständigkeits- ge Stiftungen nichts Gutes. und Anerkennungsvorschriften angepasst werden.52 Einzig mit Blick auf Art. 87 Abs. 1 sowie Art. 88 Abs. 1 des Entwurfs Digitalisierung in der Stiftungsaufsicht zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Ziel des Projekts eESA der Eidgenössischen Stiftungs- Privatrecht (E-IPRG) fasste der NR einen vom Entwurf ab- aufsicht ist es, die Stiftungsaufsicht auf Bundesebene so weichenden Beschluss, der jedoch bloss der redaktionel- weit wie möglich elektronisch und automatisiert abzuwi- len Präzisierung dient (« Zuständigkeitskonflikte » statt ckeln.47 In Abkehr vom ursprünglichen Vorhaben, die Be- « Kompetenzkonflikte »).53 Als Nächstes folgen die Durch- dingungen für die Gegebenheiten des eESA-Systems in führung von Anhörungen sowie die Detailberatung in der der Verordnung über die elektronische Übermittlung im RK-S.54 Die Änderungen im internationalen Erbrecht wür- Rahmen eines Verwaltungsverfahrens (VeÜ-VwV) zu den die internationale Nachlassplanung mittels Stiftun- konkretisieren,48 wurde – soweit ersichtlich – bisher kei- gen betreffen. ne Revision der genannten Verordnung eingeleitet oder vorgenommen. Neu gibt es allerdings neben der postali- schen Kommunikation mit Formularen voraussichtlich ab April 2022 die Möglichkeit der digitalen Kommunikation via EasyGov. Die daraus resultierende Veränderung der Kommunikationswege zwischen den Stiftungen und der ESA werden in zwei Merkblättern 49 genauer erläutert.50 Schliesslich informierte die ESA in ihrem dritten Newslet- ter vom 21. Januar 2022 darüber, dass durch die verstärkte Konzen-tration auf die Rechtsaufsicht und den geplanten Schritt in Richtung risikobasierter Aufsicht ein neues Auf- sichtskonzept umgesetzt werden soll.51 Diese Entwick- lung klingt vielversprechend und ist mit Spannung wei- ter zu beobachten. II. Rechtliche Entwicklungen
18 AKTUELLE RECHTSPRECHUNG Feldzug gegen Familienstiftungen soll die Stiftung die erforderliche Infrastruktur für eine ar- Im Jahr 2021 ergingen einschneidende Urteile gegen- beitsfreie Entspannungszeit zur Verfügung stellen, um vor über Familienstiftungen: In allen Fällen wurde ihnen die Burnouts vorzubeugen ») der reinen Repräsentation und Eintragung ins Handelsregister verweigert, weil sie als un- Erholung diene.59 Auch diese Familienstiftung würde als zulässige Unterhaltsstiftungen im Sinne von Art. 335 Abs. 1 Unterhaltsstiftung « offensichtlich » gegen den zwingen- ZGB zu qualifizieren seien. den Art. 335 Abs. 1 ZGB verstossen.60 Im Urteil B-1749/2020 des Bundesverwaltungsge- Sichtbar wird in diesen Fällen eine grundsätzliche, richts vom 16. August 2021 ging es um eine seit 1939 beste- vom EHRA initiierte und vom Bundesverwaltungsgericht hende Familienstiftung. Die Stiftung verfolgte den Zweck gestützte Fehlentwicklung, die geradezu als ein Feldzug der « Einräumung eines voraussetzungslosen Wohn- und gegen Familienstiftungen anmutet, vor allem gegen sol- Aufenthaltsrechts, der Erhaltung eines Hauses und den che, die bereits seit Jahrzehnten im Rechtsverkehr beste- darin abgehaltenen periodischen Zusammenkünften ». hen. Es war weder die Intention des Gesetzgebers, mit der Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass eine un- Eintragungspflicht Familienstiftungen den Garaus zu ma- zulässige Unterhaltsstiftung vorliege, die niemals Rechts- chen, noch liegt es in der Kognitionsbefugnis des Handels- persönlichkeit erlangt habe. Die Verweigerung der Eintra- registers, über Streitfragen betreffend die Auslegung von gung ins Handelsregister sei verhältnismässig, « da eine Art. 335 ZGB zu entscheiden. Zudem muss es durchaus in Heilung durch Änderung einzelner der widerrechtlichen der Kompetenz der Stiftungen stehen, ihre Zwecke an eine Zwecksetzungen auf eine Umgehung zwingenden Rechts (in den meisten Fällen nachträglich) geänderte Rechtspre- hinausliefe und zudem dem Charakter der Familienstif- chung anzupassen und mögliche teilnichtige Zwecke (die tung widerspräche ».55 also ohnehin nicht zur gänzlichen Nichtigkeit der Stiftung Am gleichen Tag, in einem anderen Urteil (B-951/2020) führen) durch Statutenänderung geradezuziehen. Dass derselben Kammer wurde die Eintragung einer weiteren, hierfür nun – und entgegen jahrzehntealter Praxis – zwin- seit 1918 bestehenden Familienstiftung abgelehnt. Zu- gend ein Gericht hätte zuständig sein sollen, widerspricht gleich befasst sich das Bundesverwaltungsgericht mit der der Konzeption des Schweizer Stiftungsrechts und schafft wichtigen Frage, ob der Stiftungsrat einen unzulässigen eine immense Rechtsunsicherheit für die unzähligen Fa- Teilzweck eigenständig ändern durfte oder ob er dafür milienstiftungen, die in der Vergangenheit anders verfah- das Zivilgericht hätte beiziehen müssen. Obwohl der Ge- ren sind.61 setzgeber Familienstiftungen von der staatlichen Auf- sicht befreit und die gerichtliche Aufsicht nur für Auflö- Keine Steuerbefreiung für gemeinnützige sungsentscheide (Art. 88 Abs. 2 ZGB) vorbehalten hat, stellt Holdingstiftung sich das Bundesverwaltungsgericht entgegen der herr- In diesem französischen (und nun amtlich publizier- schenden Lehre und Praxis 56 auf den Standpunkt, dass ten Entscheid) BGE 147 II 287 ff. vom 10. Mai 2021 ging das für die Abänderung ein summarisches zivilgerichtliches Bundesgericht erstmals der Frage der Steuerbefreiung Feststellungsverfahren durchzuführen sei.57 Immerhin einer gemeinnützigen Holdingstiftung i.S.v. Art. 56 lit. g schränkte es sein Urteil dahingehend ein, dass zumindest Satz 3 DBG nach. Die betroffene Stiftung hatte ihren kom- dann das Zivilgericht zwingend zuständig sei, wenn die merziellen Gastronomiebereich auf eine von ihr 100% be- Stiftungsurkunde die Abänderung nach dem Tod des Stif- herrschte Tochtergesellschaft übertragen. Für das Bun- ters verbiete, was im vorliegenden Fall gegeben war.58 desgericht war ausschlaggebend, dass die Stiftung den Und schliesslich hat das Bundesverwaltungsgericht Grossteil ihres Vermögens in ihre einzige Tochtergesell- in seinem Urteil B-5100/2020 vom 23. November 2021 die schaft investiert hatte, von deren Schicksal sie nun abhän- Eintragung einer dritten (diesmal neu zu errichtenden) Fa- ge.62 Das Interesse an der Erhaltung des Unternehmens sei milienstiftung ins Handelsregister versagt. Der Stiftungs- damit nicht mehr untergeordnet, weshalb die Vorausset- rat der Familienstiftung hatte insgesamt drei Mal ohne zungen für eine Steuerbefreiung nicht vorliegen würden.63 Erfolg versucht, den Zweck der Stiftung so umzuformulie- Das Bundesgericht legt damit überraschend ein anderes ren, dass er den Anforderungen des Handelsregisteramts Verständnis des Kriteriums der « Unterordnung », nämlich standhalten konnte. Das Bundesverwaltungsgericht stütz- im Sinne eines Gebots der « hinreichenden Diversifizie- te die Ansicht des Handelsregisteramts mit der Begrün- rung », zutage als die Praxis und das entsprechende Kreis- dung, dass der Zweck (« den Destinatären eine stressfreie schreiben64, die bisher von dem Gebot einer « ausreichen- Zeit nebst dem täglichen Leben zu ermöglichen. Überdies den Alimentierung » der Stiftung durch die gehaltene II. Rechtliche Entwicklungen
19 Gesellschaft (neben dem Verzicht auf einen « beherrschen- den Einfluss » auf diese) ausgingen.65 Einreichungszeitpunkt für ein Revisionsbefreiungsgesuch Im Urteil B-1546/2020 vom 28. Juni 2021 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht erstmals mit der Frage, ob eine Stiftung ein Gesuch um Befreiung von der Revisions- stellenpflicht schon einreichen kann, bevor sie über zwei revidierte Jahresabschlüsse (die Auskunft über die Bilanz- summe i.S.v. Art. 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Re- visionsstelle von Stiftungen [VO-RvS] geben) verfügt. Das Bundesverwaltungsgericht qualifizierte zunächst die (eine solche Prüfung ablehnenden) E-Mails der Stiftungsauf- sichtsbehörde als Verfügungen: Obwohl diese formell mangelhaft seien (insb. keine Rechtsmittelbelehrung, kein Einverständnis zum elektronischen Versand etc.), würden sie den Inhalt beidseitig verbindlich anordnen.66 Nach ei- ner sorgfältigen Auslegung kam das Bundesverwaltungs- gericht anschliessend zum Ergebnis, dass ein Gesuch um Befreiung von der Revisionsstellenpflicht bereits im Zeit- punkt der Stiftungserrichtung gestellt werden könne.67 In einem solchen Fall müsse die Stiftungsaufsichtsbehörde prüfen, ob eine Revision für eine zuverlässige Beurteilung der Vermögens- und Ertragslage erforderlich sei. Falls dies nicht zutreffe, könne « prospektiv » bzw. bei Vorliegen des ersten revidierten Jahresabschlusses « teils retrospektiv » die Bilanzsumme überprüft werden.68 II. Rechtliche Entwicklungen
20 Die Reform des Stiftungsrechts ist beschlossen – was ist gewonnen, was ist verloren, was bleibt? Autorenbeitrag von Prof. Dr. Dominique Jakob Nach sieben Jahren Diskussion hat das Parlament am 17. Dezember 2021 die Reform des Stiftungsrechts beschlossen. Leider ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Beitrag analysiert die wichtigsten Ergebnisse und wirft einen Blick in die Zukunft. Die Reform des Stiftungsrechts – kaum ein Thema hat in den Räten zeigte. So war es durchaus überraschend, dass den Sektor in den letzten Jahren so auf Trab gehalten und die Initiative schlussendlich doch angenommen wurde auch so gespalten wie dieses. Braucht es überhaupt Refor- und die Rechtskommission des Ständerats am 28. Novem- men? Wenn ja, welche? Oder ist es nicht eher gefährlich, in ber 2019 einen Gesetzesentwurf vorlegte, der alle acht ein Wespennest zu stechen, wo es doch im derzeitigen Punkte der Pa.Iv. enthielt.73 Das weitere streitige Ringen in rechtlichen und politischen Umfeld fast unmöglich ist, die den Räten bis zur Annahme des endgültigen Entwurfs am Ergebnisse von gesetzgeberischen Prozessen vorherzusa- 17. Dezember 2021 soll an dieser Stelle nicht noch einmal gen und Verschlimmbesserungen vorzubeugen? Am Ende nachgezeichnet werden.74 Vielmehr soll der Blick auf das ist man immer schlauer, oder: Die Geister, die man rief. Ergebnis gerichtet werden. Die parlamentarische Initiative Luginbühl Was auf der Strecke blieb Die parlamentarische Initiative Luginbühl (Pa.Iv.) Relativ früh herausgefallen im Gesetzgebungsprozess « Schweizer Stiftungsstandort. Stärkung » (14.470) aus dem waren die Einführung eines Gemeinnützigkeitsregisters Jahr 2014 wurde im Sektor zwiespältig aufgenommen. für steuerbefreite Personen, die Haftungsmilderung für War doch kurz zuvor die Motion Luginbühl zur « Steige- Organe sowie die geforderte Verbesserung der steuerli- rung der Attraktivität des Stiftungsstandortes Schweiz » chen Situation bei Stiftungserrichtungen (Möglichkeit (09.3344) aus dem Jahre 2009 mit Pauken und Trompeten eines Verlustvortrags etc.). Nachvollziehbare Entschei- gescheitert und auf Antrag des Bundesrats 69 im Jahre 2013 dungen, weil die entsprechenden Punkte entweder zu relativ lapidar abgeschrieben worden. Zwar hat bereits der kontrovers diskutiert wurden oder weil, wie etwa bei der Abschreibungsbericht des Bundesrats damals gezeigt, wie Frage der Haftungserleichterung, die im Entwurf vorge- wenig Verständnis und Wohlwollen dem Stiftungswesen schlagene Regelung nicht überzeugend erschien.75 Über- entgegengebracht wird, dennoch wurde der Misserfolg raschend unstrittig waren indes diejenigen beiden Punkte, der Motion vor allem auf die unglückliche Formulierung die zur Flexibilisierung des Stiftungswesens beitragen soll- der Eingabe zurückgeführt.70 Der damalige Motionär liess ten: die Erleichterung von unwesentlichen Statutenände- sich jedoch nicht entmutigen und berief eine Experten- rungen und die Erweiterung des Stifterrechts auf Organi- kommission ein, die in einem nächsten Schritt eine parla- sationsänderungen. mentarische Initiative vorbereiten sollte. In der Experten- gruppe, der auch der Unterfertigte angehörte, wurden Die neue Flexibilisierung im Stiftungsrecht verschiedene Vorschläge zusammengestellt, die den Stif- Die erste Flexibilisierung betrifft die Erleichterung von tungsstandort und das Stiftungsrecht verbessern würden. unwesentlichen Statutenänderungen – nicht von allen Statu- Aus dieser Zusammenstellung, die schon in der Experten- tenänderungen, wie bei den parlamentarischen Diskussio- gruppe naturgemäss einen Kompromiss bildete, wurden nen oder verschiedenen Pressemeldungen immer wieder vom Initiator dann diejenigen Punkte ausgewählt, die im fälschlicherweise verlautbart wurde.76 Diese Gesetzesän- politischen Umfeld opportun erschienen – wie an anderer derung war überfällig und ist durchwegs zu begrüssen. Die Stelle gesagt: 71 alles gut gemeint, aber eben keine systema- im bisherigen Recht enthaltene Schwelle, dass eine Statu- tisch durchdachte Reform des Stiftungsrechts. Dabei hätte tenänderung, die an der Identität der Stiftung gar nichts es, wenn man schon am Stiftungsrecht Hand anlegen ändert (weil sie eben unwesentlich ist), aus triftigen sachlichen möchte, durchaus Ansatzpunkte für eine nachhaltige Re- Gründen geboten sein muss, ist zu hoch und wurde von den form gegeben.72 Aufsichtsbehörden zum Teil auch zu restriktiv gehandhabt. Ohnehin hatte man lange gedacht, dass es der Re- Nun reicht es, dass eine Änderung aus sachlichen Gründen als form am nötigen politischen Rückhalt fehlen würde, was gerechtfertigt erscheint und (wie bisher) keine Rechte Dritter sich nicht zuletzt durch ein relativ deutliches Hin und Her beeinträchtigt (Art. 86b nZGB). Wie alle Statutenänderun- gen sind auch unwesentliche weiterhin bei der zuständigen II. Rechtliche Entwicklungen
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