Neuer Horizont Y Bauen in China Y Forschen mit China Y Chinas Vizebildungsministerin will an die Weltspitze - Sinoptic

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Neuer Horizont Y Bauen in China Y Forschen mit China Y Chinas Vizebildungsministerin will an die Weltspitze - Sinoptic
Das Magazin der ETH Zürich, Nr. 1/Mai 2006

Neuer Horizont
Y Bauen  in China
Y Forschen mit China

Y Chinas Vizebildungsministerin
  will an die Weltspitze
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       Inhalt

 5   Editorial
  
 7   ETH Persönlich

 8   ETH Brennpunkt
   Zukunftsvisionen für die Hochschule

10   ETH Research
   Designtoproduction: Revolution im Bau

13   ETH Spin-off
   Flisom AG: Solarzelle will auf Siegeszug

15      ETH Teaching
      J oint Master: Geophysiker als Weltenbummler

16     Dossier China
16    Ein Land im Baufieber - Reportage aus Peking
24     Weltspitze als Ziel - Interview mit Chinas Vizebildungsministerin
28     Beziehung zu China - Die ETH als Schweizer Leading House
 31    Den Austausch fördern - Interview mit China-Koordinatorin Haijing Wang
33     Neuland entdecken - ETH-Projekte in China, vier Beispiele
38     Erfahrungen in China - Ein Unternehmer und ein Forscher erzählen

40   ETH Partner
40 ETH und Wirtschaft in Kontakt
41 Einstiegshilfen ins Berufsleben

44     ETH Input
44     Medien
45     Treffpunkt
46     Nachgefragt

       IMPRESSUM. Herausgeber: ETH Zürich. Redaktion: Corporate Communications, Martina Märki (Redaktionsleitung), Conny Schmid.
       Mitarbeit: Roland Fischer, Rolf Probala, Norbert Staub, Felix Würsten. Inserate: Go!Uni-Werbung, St. Gallen, Tel. 071 244 10 10,
       E-Mail info@go-uni.com. Gestaltung: Inform. Agentur für visuelle Kommunikation AG, Zürich. Korrektorat und Druck: NZZ
       Fretz AG, Schlieren. Auflage: 29 500, erscheint viermal jährlich. Weitere Infos und Kontakt: www.cc.ethz.ch/ethglobe, E-Mail:
       ethglobe@cc.ethz.ch, Tel. 044 632 42 52.
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Editorial

China – ein neuer Horizont: Als junge Studentin teilte ich einen Sommer lang mein Logis mit einer
Kollegin, die Sinologie studierte. Mir erschien dies damals nicht nur wegen der seltsamen Laut-
folgen, in denen sie sich hingebungsvoll übte, äusserst exotisch. Bis vor kurzem gehörte Sinologie
auch in der offiziellen Wahrnehmung durch Bildungsexperten zu den so genannten Orchideen­
fächern: hübsch, aber nicht gerade alltagstauglich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das
ändert. China ist als Wirtschaftspartner und Marktfaktor schon länger in der öffentlichen Wahr-
nehmung präsent, jetzt entdecken wir den asiatischen Riesen auch als ernst zu nehmenden Faktor
in der Wissenschafts- und Bildungslandschaft.

Ein Faktor mit Ambitionen, wie das aufschlussreiche Gespräch mit der chinesischen Vizebildungs-
ministerin Qidi Wu in diesem neuen ETH-Magazin zeigt. «Wir wollen mit 30 unserer Universitäten
zur Weltspitze gehören», kündigt die chinesische Vizeministerin, die einmal an der ETH Zürich
studiert hat, an. Die Botschaft hat man in der Schweiz bereits verstanden. Die ETH Zürich ist seit
dem Jahr 2003 schweizerisches Leading House in den Wissenschaftsbeziehungen zu China und
pflegt aktiv den Kontakt zum kommenden Wissenschaftsland. So gibt es bereits heute gegen
90 Professoren und viele weitere Forschende an der ETH, die in irgendeiner Form mit chinesischen
Partnern zusammenarbeiten. Einige wenige können wir Ihnen hier vorstellen. Nicht alle ge-
hen gleich so weit wie Architekturprofessor Bruno Keller, der in China eine erfolgreiche Firma für
nachhaltiges Bauen gegründet hat. «Es macht wenig Sinn, in der Schweiz mit vollem Engagement
einzelne Nullenergiehäuschen zu bauen, wenn in China ganze Stadtviertel gebaut werden müs-
sen», ist er überzeugt und exportiert sein Wissen um nachhaltiges Bauen lieber nach China.
ETH GLOBE-Redaktorin Conny Schmid begleitete ihn auf seine Grossbaustelle für energiesparende
Hochhäuser in Peking – und entdeckte einen neuen Horizont. Andere, wie der ETH-Professor Wolf-
gang Kinzelbach oder Albert Baehny, CEO der Firma Geberit, können auf jahrelange Erfahrungen
in oder mit China zurückblicken.

ETH GLOBE, das neue Vierteljahresmagazin der ETH Zürich, möchte Sie teilhaben lassen an der
Entdeckung neuer Horizonte. Es geht um Entdeckungen in der Welt der ETH-Forschung und -Wis-
senschaft und im Netz der weltweiten Partnerschaften zwischen ETH Zürich, Wirtschaft und
Gesellschaft sowie anderen Wissensinstitutionen. Und dies in einer Welt, die zunehmend auf ver-
antwortungsbewusste und inspirierende Partnerschaften angewiesen ist. Vielleicht entdecken auch
Sie mit ETH GLOBE den einen oder anderen Anknüpfungspunkt – die ETH-Welt steht Ihnen offen.

Martina Märki
Redaktion ETH GLOBE

                                                                                ETH GLOBE  1/2006   
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IT bei UBS – ein Einstieg mit Zukunft
Alexandra Hochuli absolviert nach ihrem              Die IT gilt als Männerdomäne. Fühlen Sie
Studium der Wirtschaftsinformatik das                sich als Frau allein gelassen?
Graduate Training Program (GTP) bei                  Überhaupt nicht! Ich habe bei UBS die Er-
UBS. Hier schildert sie ihre Erfahrungen.            fahrung gemacht, dass man als Frau in der IT
                                                     sehr gut akzeptiert wird. Insgesamt habe ich
Warum haben Sie UBS und nicht eine                   den Eindruck, dass sich immer mehr Frauen
IT-Firma für Ihre Ausbildung gewählt?                die Computerwelt erschliessen.
Mir gefällt die Bankenwelt. Ich habe eine
Banklehre gemacht und anschliessend Wirt-            Was macht in Ihren Augen das GTP aus?
schaftsinformatik studiert. Ich interessiere         Das GTP ist ein Sprungbrett für eine Karriere
mich vor allem dafür, den Anwendern die              bei UBS. Das GTP bietet viele Aus- und Weiter-
Computerwelt leicht zugänglich zu machen.            bildungsmöglichkeiten sowie einen Mentor,
Bei UBS kann ich mein Wissen optimal ein-            der mich während des gesamten Programms
setzen, also bin ich hier an der richtigen Stelle.   berät und unterstützt. Dazu kommen gute
                                                     Karriereaussichten: Fachspezialisten sind sehr
Was fasziniert Sie persönlich an der Welt            gefragt und UBS bietet viele Möglichkeiten,
der Computer?                                        sich weiter zu entwickeln.
                                                                                                         UBS Marketplace für
Faszinierend finde ich, wie rasant die Com-                                                              Hochschulabsolventen
puter unser Leben verändern und alles be-            Warum würden Sie UBS als Arbeit-                    20. Juni 2006, Zürich-Altstetten
schleunigen. Die Vorstellung, dass Infor-matik       geberin und das GTP empfehlen?
eine rein technische Disziplin ist, wo man im        Mir gefällt das Arbeitsklima bei UBS: Man ar-       Sie erhalten Informationen über Karriere-
stillen Kämmerchen an Programmen brütet,             beitet im Team und wird immer mit neuen             möglichkeiten bei UBS aus erster Hand.
ist falsch. Ich arbeite sehr viel mit Anwendern      Aufgaben konfrontiert, bei welchen man sich         Nach einer Präsentation beantworten
und Entwicklern zusammen und habe eher               bewähren muss.                                      Experten aus unterschiedlichen Bereichen
eine Übersetzerfunktion. So finden wir Lös-          Das GTP ist sehr anspruchsvoll und erfordert        Ihre Fragen.
ungen, die unseren Kunden das Leben leichter         viel Eigeninitiative, gibt aber auch viel zurück:
machen.                                              Neue Ideen, internationale Kontakte und Ein-        Interessiert? Dann schicken Sie Ihren Lebens-
                                                     blick in verschiedene Arbeitsgebiete.               lauf bis spätestens 12. Juni 2006 an
                                                                                                         gtp@ubs.com

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ETH Persönlich

                                                                                                   den Universitäten Edinburgh (Schottland) und
                                                                                                   Stanford (USA) setzte er seine Karriere am Zen-
                                                                                                   trum für Molekulare Biologie der Universität
                                                                                                   Heidelberg in Deutschland fort. Seit 2000 ist er
                                                                                                   Mitglied des Direktoriums, und zwischen 2001
                                                                                                   und 2004 hat er das Zentrum als geschäfts-
                                                                                                   führender Direktor geleitet. Renato Paro ist
                                                                 02_PAC-Car-Team geehrt            verheiratet und Vater von zwei Kindern. In sei-
                                                                                                   ner Freizeit widmet er sich seiner Familie, hält
                                                                                                   sich mit Laufen und Skifahren fit und hört ger-
                                                                                                   ne klassische Musik.
                                                                                                   Renato Paros Forschungsgebiete sind die Epi-
                                                                                                   genetik und die Chromatinregulation, die er
                                                                                                   anhand von Fruchtfliegen untersucht. Paro in-
                                                                                                   teressiert sich unter anderem für das Gedächt-
                                                                                                   nis von Zellen. Während der Entwicklung einer
                                                                                                   Zelle zu einem spezialisierten Zelltyp – etwa ei-
                                                                                                   ner Leberzelle – muss die Information, was aus
01_Olympiasiegerin Daniela Meuli                                 03_Renato Paro                    der Zelle werden soll, über viele Zellteilungen
                                                                                                   hinweg aufrechterhalten werden. Diese Infor-
                                                                                                   mation steckt in Gen-Markierungen, die durch
                                                                                                   bestimmte Proteine angebracht und erkannt
                                                                                                   werden. Auf diese Weise entsteht eine epige-
01_Frau mit Olympiagold                           1. Preis in der Kategorie Jugend zusprach. Am    netische (nicht in den Genen kodierte) Bot-
Die ETH Zürich hat eine Olympiasiegerin. Die      Projekt arbeiteten rund 20 ETH-Studierende       schaft, welche von Zellteilung zu Zellteilung
Turn- und Sportlehrer-Studentin Daniela Meuli     mit, die meisten davon aus dem Departement       weitervererbt werden kann. Paros Forschungs-
gewann im Februar an den Olympischen Spie-        Maschinenbau und Verfahrenstechnik.              gruppe in Heidelberg gehörte zu den ersten,
len in Turin die Goldmedaille im Snowboard-       Das ETH-Team hatte mit dem Fahrzeug PAC-         die ein Gen für ein solches Markierprotein cha-
Riesenslalom. Sie bescherte damit der Schweiz     Car, das von einer Wasserstoff-betriebenen       rakterisieren konnten. Darüber konnte Paros
die fünfte Goldmedaille der diesjährigen Olym-    Brennstoffzelle angetrieben wird, Ende Juni      Gruppe als erste nachweisen, dass solche Gen-
pischen Winterspiele und der ETH einen Grund      2005 mit 5385 Kilometern pro Liter Benzin        markierungen nicht nur an Zellen innerhalb
zum Feiern.                                       einen neuen Weltrekord im sparsamen Treib-       eines Organismus übertragen, sondern auch
Der feierliche Festakt mit Empfang durch den      stoffverbrauch aufgestellt. Theoretisch könnte   an die nächste Generation weitervererbt wer-
ETH-Präsidenten (natürlich in den Sporthallen     das Fahrzeug so mit nur 8 Litern Benzin einmal   den können. Epigenetische Phänomene spie-
der ETH-Polyterrasse) konnte allerdings erst im   die Welt umrunden. Einige Ideen und Ansätze      len auch bei Krebs, der Geweberegeneration
April stattfinden, denn bis Ende März war die     aus dem Projekt werden in künftigen Autos re-    und in der Stammzellenforschung eine wich-
Saison für die junge Snowboarderin noch nicht     alisiert werden können.  //                      tige Rolle.
beendet. Zuerst galt es noch, das Weltcupfina-                                                     Unter der Führung von Renato Paro sollen im
le in Japan zu bestreiten. Für die junge ETH-                                                      C-BSSE Naturwissenschaftler, Informatike-
Studentin kein Problem: «Sport bedeutet alles
für mich», sagt sie, «ruhig auf einem Stuhl zu
                                                  03_Direktor des Zentrums                         rinnen und Ingenieure gemeinsam biologische
                                                                                                   Systeme quantitativ beschreiben. Eine wich-
sitzen dagegen, ist für mich die reinste Qual.»   für Biosysteme                                   tige Rolle wird die Simulation dieser Systeme
Zum Glück sorgt auch das Sportlehrerstudium                                                        in Computermodellen spielen, dies sowohl in
an der ETH, das die junge Frau seit Herbst 2001   Der Direktor des Zentrums für Biosysteme der     Hinsicht auf das grundlegende Verständnis
absolviert, für viel Bewegung. Und damit sie in   ETH Zürich in Basel heisst Renato Paro. Der      biologischer Netzwerke als auch im Hinblick
Sachen Board nicht aus der Übung kommt,           ETH-Rat hat den Biologen zum Professor für       auf spätere medizinische Anwendungen. Im
tauscht Daniela Meuli im Sommer das Snow-         Biosysteme der ETH Zürich ernannt. Damit         Mittelpunkt wird die Zelle stehen. Ein Ziel ist,
board gegen das Surfbrett aus.  //                macht auch SystemsX, die Schweizer Initia-       Gen-Netzwerke offenzulegen, um ein gezieltes
                                                  tive in Systembiologie, einen grossen Schritt    Umprogrammieren von Zellen – etwa für die
                                                  vorwärts. Aufgabe Paros wird es sein, das Cen-   Geweberegeneration – zu ermöglichen. Der

02_Ehre in Vancouver                              ter of Biosystems Science and Engineering
                                                  (C-BSSE) zu einer weltweit bekannten Adresse
                                                                                                   molekulare Aufbau von Zellen, die Dynamik in
                                                                                                   Zellen wie auch die Kommunikation zwischen
Energiesparend um die Welt, für  Florian Kolb     in Systembiologie zu machen. Im Endausbau        Zellen sollen mit den neusten Methoden der
und den PAC-Car ist das keine Utopie. Im März     soll das Zentrum mindestens 15 Professuren       Systembiologie beschrieben werden, um Bio-
konnten er und sein Kollege Pius Kobler als       in verschiedenen Disziplinen der Lebens-, In-    Ingenieuren die Baupläne für einzelne zellu-
Vertretung des gesamten PAC-Car-Teams in          genieur- und Informatikwissenschaften um-        läre Maschinen und langfristig von ganzen
Vancouver den renommierten Energy Globe           fassen.                                          Organen zur Verfügung zu stellen.   //
Award entgegennehmen. Der Energy Globe            Der 51-jährige Schweizer Renato Paro studierte
Award wird von einer hochkarätigen interna-       bis zur Promotion am Biozentrum der Univer-
tionalen Jury vergeben, die dem PAC-Car den       sität Basel. Nach Forschungsaufenthalten an

                                                                                                                                 ETH GLOBE  1/2006   
Neuer Horizont Y Bauen in China Y Forschen mit China Y Chinas Vizebildungsministerin will an die Weltspitze - Sinoptic
ETH Brennpunkt

    Newsticker
    Y IDEA League plus: Zu den vier führen-
    den Technischen Universitäten in Europa
    ist eine fünfte hinzugekommen: Imperial
    College London, TU Delft, ETH Zürich und
    RWTH Aachen haben das 1999 gegründe-
    te Netzwerk der IDEA League um ParisTech
    erweitert. Die fünf Hochschulen bekräfti-
    gen ihren Willen zur intensiven Koopera-
    tion. Im Mittelpunkt steht dabei die Inter-
    nationalisierung der Ausbildung und die
    Lancierung gemeinsamer Forschungspro-
    jekte. Angestrebt ist ein vermehrter Aus-
    tausch von Studierenden nach Abschluss
    der ersten drei Studienjahre, zum Beispiel
    nach dem Bachelor-Examen. Die Studie-         Auch in Zukunft ein Top-Ort für junge Talente. (Foto: Christian Aeberhard)
    renden sollen dann aufbauend den Mas-
    tergrad an einer der fünf  IDEA-Hochschu-
    len erlangen können. Ziel des Netzwerkes
    ist es, eine herausragende Stellung in der    Take-off für ETH 2020
    europäischen Wissenschaftslandschaft in
    Europa zu erreichen.                          Der neue ETH-Präsident Ernst Hafen hat mit «ETH 2020» eine grund-
                                                  legende Diskussion über die Ausrichtung der Hochschule angestossen.
      www.idealeague.org
                                                  Damit will er die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen.

    Y Der Schweizerische Nationalfonds
    (SNF) hat kürzlich 31 Förderungsprofes-       Als der neue ETH-Präsident am 1. Dezember                              das bedeutet nach Meinung des Präsidenten
    suren vergeben. Die folgenden 5 haben         2005 sein Amt antrat, hatte er bereits einen                           mehr als nur einen Managementkurs zusätz-
    ihren Gastort an der ETH Zürich:              ersten ETH-Marathon hinter sich: die Visions-                          lich: «Wir müssen klar definieren, welches die
    Martin Ackermann                              woche vom November. Zum Abschluss der Fei-                             ‹graduate qualities› eines ETH-Absolventen
    «Phenotypic Variation: Investigating          ern ihres 150-jährigen Bestehens hatte die ETH                         sein sollen. Dann muss natürlich das gesamte
    Evolutionary Causes and Consequences          zu einer Schwerpunktwoche mit Symposien,                               Lehrangebot auf die Erfüllung dieser Krite-
    with Experimental Evolution», Ecology         Diskussionsforen und Workshops geladen, an                             rien hin überprüft werden. Wir müssen auch
    and Evolution, Departement Umwelt­            der Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft,                          Alternativen zum dominierenden passiven
    wissenschaften.                               Wissenschaft und Gesellschaft zum gemein-                              Lernen schaffen und mehr Freiräume, damit
    Michael Gamper                                samen Nachdenken über die Zukunft der ETH                              die Studierenden ihr Wissen selbst erarbeiten
    «Experimentierkunst. Poetologie und Äs-       und des Bildungsplatzes Schweiz gebeten wa-                            können.» Auch auf Stufe der Doktorierenden
    thetik des Versuchs 1700–2000», Kompe-        ren. Man zielte in Gedanken auf das Jahr 2030                          könnte sich einiges ändern im Ausbildungspro-
    tenzzentrum «Geschichte des Wissens»,         oder gar 2055. Nun, wo er selbst am Ruder ist,                         gramm. Mit der Schaffung eigentlicher Gra-
    Universität Zürich und ETH Zürich.            darf es ein wenig schneller gehen. Kaum im                             duate Schools will man auf dem internationa-
    Patrick Meraldi                               Amt, startete Ernst Hafen gemeinsam mit der                            len Markt die besten Doktorierenden gewinnen
    «Functional and proteomics-based ana-         übrigen Schulleitung einen ETH-internen Dis-                           können. Aber auch im heimischen Markt will
    lysis of human kinetochores», Institut für    kussionsprozess zur Zukunftsentwicklung mit                            man nicht passiv auf den Nachwuchs warten.
    Biochemie, Departement Biologie.              dem Namen «ETH 2020».                                                  «Wir können nicht erst auf Hochschulniveau
    Jeroen A. Van Bokhoven                                                                                               mit der Nachwuchsförderung und speziell mit
    «New Spectroscopic Tools for the De-          Fünf Schwerpunkte zur Diskussion                                       der Frauenförderung beginnen», ist Ernst Ha-
    tection of the Catalytically Active Sites     Zum Amtsantritt präsentierte der Präsident                             fen überzeugt. «Wir müssen die Schnittstelle
    in Heterogeneous Catalysis», Institut         fünf Schwerpunkte, die seiner Meinung nach,                            zu den Gymnasien viel intensiver pflegen. Wir
    für Chemie- und Bio-Ingenieurwissen-          neben hervorragender Forschung selbstver-                              müssen die Lehrkräfte regelmässig mit den
    schaften, Departement Chemie und              ständlich, für die Zukunft der ETH Zürich ent-                         neuesten Entwicklungen der Wissenschaft
    Angewandte Biowissenschaften.                 scheidend sind: Lehre, Nachwuchsförderung,                             vertraut machen, und wir müssen den Schü-
    Johannes Walcher                              Finanzierung, Technologietransfer und Kom-                             lerinnen und Schülern direkte Einblicke in die
    «Unification and Duality: Structures of       munikation. In zwei Klausuren entwickelte                              Forschungswelt verschaffen. Dies ist das Ziel
    N=1 compactifications of String Theory»,      die Schulleitung der ETH sodann konkretere                             der Learning Centers, die wir jetzt aufbauen.»
    Institut für Theoretische Physik, Depar­      Zielvorstellungen zu den einzelnen Gebieten.                           So sollen bis im Jahr 2020 die Hälfte aller ETH-
    tement Physik.                                In der Lehre sollen zum Beispiel neben der                             Studierenden junge Frauen sein, auf Profes-
                                                  Fachkompetenz die unternehmerischen Fähig-                             sorenstufe sollen es immerhin 30% sein. Und
      www.snf.ch
                                                  keiten der Studierenden gefördert werden. Und                          um genügend Brainpower auf dem globalen

    ETH GLOBE  1/2006
Neuer Horizont Y Bauen in China Y Forschen mit China Y Chinas Vizebildungsministerin will an die Weltspitze - Sinoptic
Wissensmarkt zu haben, soll es bis dann 100
zusätzliche Professuren geben. Spätestens hier       Managing Complexity –
wird klar, dass dies nicht alles auf dem traditio-
nellen Weg  finanziert werden kann. Das sieht        die ersten 100 Tage
auch Ernst Hafen so:  «Ich sehe hier drei Stoss­     im Amt
richtungen: erstens den Nationalfonds. Wer
wie wir den Anspruch hat, die besten Wissen-
schaftler zu beschäftigen, darf damit rechnen,
sich hier zu steigern. Zweitens sollen aus der
                                                                         Bereitet die ETH heute auf die
Zusammenarbeit mit der Industrie wesentlich
                                                                    Herausforderungen von morgen vor:
mehr Mittel zufliessen als bisher. Und dann                                 ETH-Präsident Ernst Hafen.
sehe ich ein grosses Potenzial bei den EU-Mit-                                    (Foto: Ex-Press/Heike Grasser)

teln. Die ETH hat daraus im letzten Jahr rund
16 Millionen Franken generiert. Die Schweiz
zahlt aber fast 300 Millionen Franken an die         Managing Complexity – der Begriff könnte                      tierten mein Kollege Patrick Aebischer von
EU. Ich finde, da sollte auch mehr zurückflies-      zum «Wort des Jahres» werden. Es gibt                         der EPFL und ich unsere Visionen zum For-
sen.» Dazu sieht er auch die ETH-Schulleitung        kaum mehr einen Lebensbereich, in dem                         schungs-, Innovations- und Bildungsstand-
und sich selbst beim Fundraising mehr heraus-        wir nicht gezwungen sind, mit Komplexität                     ort Schweiz. Mir bot der Anlass Gelegenheit,
gefordert. Umgekehrt soll auch viel Know-how         umzugehen. In meinen etwas mehr als hun-                      unsere Politikerinnen und Politiker auf die
den Weg in die Wirtschaft finden. Eines der          dert Amtstagen habe ich versucht, die Kom-                    grossen Chancen hinzuweisen, die sich der
Ziele heisst Verdoppelung der jährlichen Spin-       plexität unserer Hochschule, die seit 150                     Schweiz zurzeit eröffnen. Wir können welt-
off-Gründungen bis zum Jahr 2011.                    Jahren einen nationalen Auftrag erfüllt, zu                   weit die besten wissenschaftlichen Talente
                                                     erfassen und sachgerecht zu managen. Ich                      in unser Land holen, wenn wir es geschickt
Neue Wege in der Kommunikation                       will nicht behaupten, ich hätte es schon ge-                  anstellen. Mit der engen Verbindung von
Nun sind alle ETH-Angehörigen dazu einge-            schafft. Noch befinde ich mich in einer stei-                 Ausbildung und Forschung, wie wir sie an
laden, sich zu den Zielvorstellungen zu äus-         len Lernkurve. Doch wir alle an der ETH Zü-                   unseren Schweizer Hochschulen fördern,
sern, danach will die Schulleitung konkrete          rich möchten, dass unsere Hochschule auch                     besitzen wir gegenüber unseren Nachbar-
Massnahmen entwickeln. Das Vernehmlas-               in Zukunft eine internationale Spitzenuni-                    ländern Deutschland und Frankreich einen
sungsverfahren dazu läuft bis Juli auf unter-        versität bleibt und ihre Aufgaben meistert.                   enormen Vorsprung. Mit der Einführung
schiedlichen Kanälen: Da gibt es einmal den          Dies setzt voraus, dass wir uns heute auf die                 des Bachelor/Master-Systems sind wir auch
traditionellen Weg der offiziellen Stellung-         Herausforderungen von morgen einstellen.                      im internationalen Bildungswettbewerb
nahme der einzelnen Stände und Departe-              Meine Schulleitungskollegen und ich ha-                       konkurrenzfähig. Und die Universitätsran-
mente. Und es gibt als Novum einen Weblog,           ben deshalb, als Ergänzung zur Forschungs-                    kings, die immer wichtiger werden, tra-
auf den jeder ETH-Angehörige zugreifen kann,         strategie für die Jahre 2008–2011,  mit ETH                   gen dazu bei, dass wir uns in Europa und
um seine Meinung kundzutun. Für Ernst Hafen          2020 einen Prozess der Zukunftsgestaltung                     in Übersee sehr gut positionieren können.
ist der Weblog auch ein Symbol dessen, was           in Gang gesetzt, an dem sich alle Angehö-                     Voraussetzung für den Erfolg ist allerdings,
ihm in Sachen Kommunikation am Herzen                rigen der ETH beteiligen können. Bis zum                      dass wir national noch enger zusammen-
liegt: «Mehr Kommunikation, und zwar so di-          7. Juli läuft jetzt ein intensiver interner Mei-              arbeiten, sei es in der Ausbildung von
rekt wie möglich. Was sich da zum Beispiel           nungsbildungsprozess, den wir von der                         Lehrkräften für die Gymnasien, bei der Ge-
anlässlich der Visionswoche am Tag der Lehre         Schulleitung auch mit zahlreichen Diskus-                     staltung der Bachelorprogramme oder im
an direkten und persönlichen Diskussionen            sionsveranstaltungen unterstützen. Mit                        Entwickeln eines nationalen Efforts, um
                                                     den Departementsvorstehern haben wir an                       die Schweiz zu einem internationalen Spit-
  «Mir liegt viel an einem ver­                      einer Klausur die Ziele, Massnahmen sowie                     zenreiter in der Systembiologie zu machen.
stärkten, kontinuierlichen Dialog                    mögliche Konsequenzen für die Organisa-                       Den beiden ETHs und dem Nationalfonds
mit Politik und Gesellschaft.»                       tion der ETH Zürich ausführlich besprochen.                   kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Ma-
Ernst Hafen                                          Bei Pizza und Bier habe ich mit den Assis-                    naging Complexity ist daher von einem
                                                     tenzprofessoren und -professorinnen über                      ETH-Präsidenten im föderalen Schweizer
zwischen Dozierenden und Studierenden ent-           ihre guten Erfahrungen mit neuen Dokto-                       Bildungs- und Hochschulsystem ganz be-
wickelt hat, ist von unschätzbarem Wert. Die-        randenprogrammen diskutiert. Sie haben                        sonders gefragt. Komplexität in diesem
sen Geist möchte ich in der ETH-Kultur weiter        uns ermuntert, den Aufbau internationaler                     Bereich  erfolgreich zu managen, ist jedoch
stärken und auch nach aussen tragen.» So sol-        Graduate Schools  voranzutreiben. Auch die                    auch eine Frage ausreichender finanziel-
len auch die Möglichkeiten zum Dialog mit der        Vertreter des Mittelbaus sprachen sich für                    ler Mittel. Hier haben wir noch einiges an
Bevölkerung ausgebaut werden.  Gesucht wird          unseren Vorschlag aus, Graduate Schools                       Überzeugungsarbeit zu leisten.
zudem nach neuen Formen und Foren des re-            rasch einzuführen.
gelmässigen Dialogs mit Politik und Wirt-            Gefragt war meine Präsenz aber auch in                        Ernst Hafen
schaft. «Mir liegt viel an einem verstärkten,        Bern, bei der Wirtschaft und auf dem inter-
kontinuierlichen Dialog mit Politik und Gesell-      nationalen Parkett. An einem Hearing mit
schaft, national und international», betont der      rund 40 Parlamentsangehörigen präsen-
neue Präsident.  //

Martina Märki, Norbert Staub

                                                                                                                                                ETH GLOBE  1/2006   
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ETH  Research

Revolution im Bau
Im Atelier des Architekten ist  das digitale Zeichenbrett längst Alltag. Dennoch wird sein
Potenzial, den gesamten Arbeitsprozess von der Planung bis zur Realisierung zu ver­
ändern, wenig erkannt. Eine Forschungsgruppe an der von Ludger Hovestadt geleiteten
Professur für CAAD der ETH Zürich hilft, diesen «digitalen Bruch» zu überwinden.

«designtoproduction» nennen Fabian Scheurer,       Architekten Daniel Libeskind entstanden – wie       über 2200 Einzelteile der 98 Holztürme sind
Christoph Schindler und Markus Braach ihr          auch auf der Produktionsseite. Tatsächlich          untereinander durch eine Vielzahl matt schim-
Projekt, das hie und da in der Fachwelt bereits    werden nämlich die Möglichkeiten zeitgemäs-         mernder Schwalbenschwänze aus Aluminium
für einiges Aufsehen sorgt. Die designtopro-       ser Bautechnik von den Architekten wenig in         verbunden, was eine grosse Exaktheit beim
duction-Macher hat ein Phänomen schon lang         Anspruch genommen – die Handwerker, die             Herausarbeiten aller Nuten voraussetzt. Dies
gestört, das sie den «digitalen Bruch» nen-        eben längst nicht mehr nur von Hand werken,         ist in solch grossem Massstab nur machbar,
nen: eine Lücke in der Verarbeitungskette vom      können schlicht mehr, als ihnen die Planer für      wenn man die genaue Berechnung der Ver-
Arbeitstisch des Architekten bis zum Werk-         gewöhnlich abverlangen. Diesem Missverhält-         bindungsstellen dem Computer überlässt und
betrieb. So gut wie alle an einem Bauvorhaben      nis abzuhelfen ist der Hauptantrieb für das de-     die Fertigung der Einzelteile einer vollautoma-
Beteiligten setzen inzwischen ganz selbstver-      signtoproduction-Team.                              tischen Fräse. In Handarbeit wäre allein das
ständlich Computer ein, doch sind die einzel-      Bis anhin waren die Möglichkeiten rationeller       Meistern dieses Details unendlich aufwendig
nen Abschnitte im Planungs- und Bauprozess         Fertigungsmethoden dem industriellen Bau-           und schlicht unbezahlbar. Insgesamt haben die
noch kaum miteinander verkettet. So ist es         en vorbehalten, welches zwar, wie Christoph         ETH-Architekten für ihre Methode eine über
zum Beispiel heute noch gängige Praxis, dass       Schindler sagt, «die Architekten gerade wegen       siebzigprozentige Kosteneinsparung gegen-
die Pläne des Architekten, obschon in digitaler    der standardisierten Formen durchaus faszi-         über dem herkömmlichen Holzbau errechnet.
Form verfügbar, von der Handwerksfirma (z. B.      niert». Doch, fügt er an, «den Menschen, die
einem Zimmermannsbetrieb) neu skizziert            darin wohnen und arbeiten müssen, gefallen          Von der Planung direkt in die Fertigung
und in eine Zeichensprache übersetzt werden,       solche industriell gefertigten Gebäude zumeist      Am Werkstoff Holz lässt sich laut Christoph
mit der die ebenfalls vollautomatisch arbei-       weniger». Wenn es nun gelingt, den digitalen        Schindler die Überlegenheit des durchgehend
tenden Maschinen etwas anfangen können.            Bruch zu überbrücken, so kann der Varianten-        digitalen Fertigungsprozesses ausgezeichnet
Um diesen digitalen Bruch zu kitten, pflegt        reichtum aus den kreativen Köpfen der Planer        demonstrieren, da bereits eine Armada von
man am Lehrstuhl für CAAD (Computer Aided          endlich beinahe ohne Beschränkung auf der           leistungsfähigen automatischen Säge- und
Architectural Design) die Interdisziplinarität:    Baustelle Gestalt annehmen. Und das zu Prei-
Fabian Scheurer ist als diplomierter Informati-    sen, die nicht so exorbitant sind, dass die Rea-      «Am Schluss steht die Vision des
ker der Fachmann für die digitalen Tüfteleien      lisierung Renommierbauten wie Museen oder           maschinengefertigten, aber
im Team. «Es braucht zwar», findet er, «kein       Luxushotels vorbehalten ist.                        trotzdem individuellen Hauses.»
Informatik-Studium für die Arbeit mit CAAD,        Daniel Libeskinds Projekt «Futuropolis» bei-        Christoph Schindler
bei komplexeren Aufgabenstellungen können          spielsweise, eine komplexe skulpturale Instal-
ein paar Vorlesungen in Informatik aber na-        lation für die Universität St. Gallen, hätte ohne   Fräsmaschinen zur Verfügung steht. Diese
türlich nicht schaden.» Das nötige Know-how        die Hilfe von designtoproduction nicht gebaut       werden bislang aber vorwiegend im Fertig-
können sich Architekturstudenten an der ETH        werden können, ist Christoph Schindler über-        hausbau eingesetzt, wo eben wiederum die
aber auch direkt am CAAD-Lehrstuhl holen, in       zeugt. Libeskind habe ein halbes Jahr nach          Langeweile des Standards herrscht. Ebenso ste-
den Grundvorlesungen oder vertieft in einem        einer technischen Umsetzung gesucht, man            hen schon Maschinen zur Fertigung von Beton-
Masterstudiengang.                                 habe verschiedene Materialien und Produk-           teilen zur Verfügung, die sich des Prinzips eines
                                                   tionsstätten geprüft, aber auch eine manuelle       groben Tintenstrahldruckers bedienen und
Auch Daniel Libeskind tuts                         Fertigung in China hätte den finanziellen und       jede denkbare Wandform ausspritzen können.
designtoproduction soll bald als Spin-0ff in die   zeitlichen Rahmen bei weitem gesprengt. Erst        In Zukunft will man bei designtoproduction
unternehmerische Freiheit entlassen werden,        dank des durchgehend digitalen Planungs-            alle möglichen maschinellen Verarbeitungs-
nachdem man in der Geborgenheit des For-           und Fertigungsprozesses wurde die Realisie-         schritte direkt an die digitale Planungsphase
schungsbetriebs an der ETH bisher drei grosse      rung möglich. Ganz nebenbei konnte man              ankoppeln – am Schluss der Forschungs- und
Projekte durchgespielt und zur Realisation ge-     dabei auch einer alten und bewährten Technik        Entwicklungsarbeit steht die Vision des ma-
bracht hat. Die Fachwelt hat aufgehorcht, so-      (die parallel zur reinen Handarbeit langsam         schinengefertigten, aber trotzdem frei nach
wohl auf Seiten der Planer – eines der Projekte    aus den Betrieben verschwunden war) zu ei-          individuellen Wünschen gestalteten Hauses.
ist in Zusammenarbeit mit dem New Yorker           ner unerwarteten Renaissance verhelfen: Die         Christoph Schindler bezweifelt allerdings,

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1 Visionäre Projekte genial umgesetzt: Daniel Libeskinds Projekt «Futuropolis». (Foto: Christoph Schindler)
2 Kugelpavillon für die Swissbau. (Foto: Jürg Gasser)
3 Dachkonstruktion für die Bäckeranlage Zürich. (Foto: Barbara Wiskemann)

                                                                                                                  ETH GLOBE  1/2006   11
ETH Research

     Projektinfo
     designtoproduction wurde 2005 von Fabian Scheurer        tingleistungen für Architekten und Bauausführende,
     (Dipl.-Informatiker) und Christoph Schindler (Dipl.-     die digitale Produktionsketten für anspruchsvolle
     Ing. Architekt SIA) gegründet mit dem Ziel, einen        Bauvorhaben nützen wollen. Innovative Program-
     Teil der Forschungsarbeit an der Professur für CAAD      miertechniken, Erfahrung mit computergesteuerten
     hin zur praktischen Anwendung zu führen. Für die         Maschinen und enge Zusammenarbeit mit Indus-
     drei exemplarischen Vorprojekte im Holzbau stiess        triepartnern kennzeichnen die Arbeit von designto-
     zusätzlich Markus Braach (eben­­falls dipl. Architekt)   production.
     mit zum Team. designtoproduction bietet Consul-            www.designtoproduction.com

dass diese Vision bald Realität werden könnte; zu             dar. Ziel wäre ein Minimum an ungenutztem            kein Widerspruch: Je mehr gerade das zeitge-
viele Gewerke, wie das die Architekten nennen,                Raum, an verschlossenen Ecken und unzu-              nössische Bauen die freie, einem natürlichen
seien an der Erstellung eines Gebäudes beteili-               gänglichen Winkeln. Je nach Grundriss passen         Wachsen nachempfundene Form sucht, desto
gt, und sie alle müssten erst zu einem digitalen              ein paar Betten mehr in die kleinen Zimmer,          unverzichtbarer wird bei der Planung wie bei
Netz verwoben werden, vom Sanitär über den                    doch hier das Optimum herauszutüfteln, wür-          der Realisierung der Einsatz des Computers.
Ofenbauer bis zum Aufzugskonstrukteur. Dieses                 de einen Planer am Zeichentisch ebenso viel          Letztlich geht es den designtoproduction-
Ziel ist noch in weiter Ferne, fürs Erste beisst              Zeit wie Nerven kosten.                              Machern aber nicht ums laute Verkünden von
man sich schon an der einfachen digitalen Kette               An dem Punkt kommt nun wieder der Compu-             Visionen; sie verteilen kein pointiertes Mani-
zuweilen die Zähne aus.                                       ter ins Spiel, und zwar auf eine Weise, die weit     fest zur Zukunft des Bauens. Möglichkeiten
                                                              über die Harmonisierung von Produktionsab-           sollen aufgezeigt werden, und gern tüftelt
Berghütte digital                                             läufen hinausgeht. Die Maschine wird, bringt         man auch Lösungen für ganz unprätentiöse
Aber die designtoproduction-Leute sammeln                     man ihr erst die nötigen Algorithmen bei, Teil       Projekte aus: Hackbrettbauer wussten schon
fleissig Erfahrungen. Drei Projekte haben sie                 des kreativen Prozesses; sie greift entschei-        lang, dass ein gewölbter Resonanzkasten den
schon abgeschlossen, alle in enger Zusam-                     dend schon in die Entwurfsphase mit ein – die        tonnenschweren Zugkräften der Saiten bes-
menarbeit mit der Schreinerei Bach Heiden                     designtoproduction-Leute nennen das «gene-           ser widerstehen könnte, doch vermochten sie
AG. Neben Libeskinds installativem Holzraum                   risches Entwerfen». Gibt man dem Computer            diese Form an der Werkbank nicht zu meistern.
sind dabei eine Plattform für die Ausstellung                 den ungefähren Rahmen für den Grundriss und          Über die digitale Kette war die Fertigung des
«Inventioneering Architecture» entstanden,                    das Prinzip der Raumaufteilung zur Leitplanke,       idealen Kastens endlich möglich, und die Hack-
mit der sich die vier Architektur-Hochschu-                   findet er selbständig die optimale Form, bei         brettbauer sind – wer hat da Traditionalisten
len der Schweiz im Ausland präsentieren, so-                  der möglichst wenig Leerraum übrigbleibt.            gesagt? – begeistert. Wer weiss, vielleicht tritt
wie ein kugelförmiger Pavillon für die Messe                                                                       designtoproduction zunächst eine kleine Re-
Swissbau ’05. Zurzeit arbeitet man mit an der                 Freie Form als Herausforderung                       volution im Verborgenen los, bevor es dereinst
Monte-Rosa-Hütte, einem Jubiläumsprojekt                      Eine ähnliche Aufgabe stellte Fabian Scheurer        von Grund auf die Art und Weise verändert,
der ETH Zürich, zusammen mit dem SAC. Das                     seinem Computer schon bei der Entwicklung            wie wir Häuser bauen. //
Projekt hat das Zeug, den Bau von Berghüt-                    des Kugel-Pavillons für die Swissbau. Die Kas-
ten zu revolutionieren, und dies nicht allein                 settenkonstruktion optimierte sich im Rechner        Roland Fischer

in ästhetischer Hinsicht. Der unregelmässige                  selbständig rund um die vorgegebenen Öff-
Monolith wird die Formensprache der fel-                      nungen herum, was in einem organisch wir-
sigen Umgebung aufnehmen und dennoch                          kenden Netzwerk aus 1200 verschiedenen Ein-
aufgrund seiner Grösse und der unkonven-                      zelteilen resultierte. Tatsächlich hat die eigens
tionellen Fassadengestaltung einen heraus-                    programmierte Software für diesen Entwurf
stechenden Bezugspunkt in der Schnee- und                     Wachstumsprozesse simuliert – das Ergebnis
Felslandschaft am Fuss der Dufourspitze bil-                  ist eine wunderschön fliessende Struktur jen-
                                                                                                                     Ausstellung
den. designtoproduction fällt die Aufgabe                     seits aller geometrischen Rigidität.                   Die Ausstellung «Inventioneering Architecture»
zu, die von Prof. Andrea Deplazes und seinen                  Ebenfalls mit Hilfe eines Optimierungsalgo-            wird, nach Stationen in San Francisco, New York,
Studenten erdachte Holzkonstruktion zu reali-                 rithmus und in Zusammenarbeit mit Prof.                Dubai und Schanghai, diesen Oktober ein
sieren. Hier ist die Schnittstelle zwischen Plan-             Andrea Deplazes entwickelt das Team derzeit            Heimspiel an dem ETH-Standort Hönggerberg
skizzen und dem Zimmereibetrieb erst noch zu                  eine Dachkonstruktion, die bald einen Pausen-          haben. Die vierzig Meter lange, begehbare
schaffen, erstmals wagt man sich an ein inte-                 platz bei der Zürcher Bäckeranlage beschirmen          Plattform zeichnet einen idealisierten topogra-
grales, nutzbares Gebäude. Das Vorhaben ist,                  soll. Das Modell erinnert an ausladende Blät-          phischen Schnitt durch die Schweiz nach. Die
wie Christoph Schindler sagt, «eine Nummer                    ter von niedrig und dicht wachsendem Kraut,            Reliefstruktur besteht aus 1000 verschieden
grösser» als alle vorigen Projekte.                           und ähnlich sollen die einzelnen Dachblätter           geformten Balken, die mittels designtopproduc-
Eine Herausforderung stellt dabei auch die                    sich gegenseitig das Regenwasser zuspielen,            tion berechnet und gefräst wurden.
komplexe, nichtorthogonale Raumaufteilung                     ehe es schliesslich am Rand abfliesst. Es ist

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ETH Spin-off

Solarzelle will auf Siegeszug
Zwei  Weltrekorde, eine Firmengründung und kürzlich der «ZKB Pionierpreis Techno-
park» 2006: Die flexible Dünnschicht-Solarzelle des ETH-Teams Flisom AG sorgt für
Schlagzeilen. Jetzt will sie den Markt erobern.

                                                                                                                    einstrahlung einen Laptop zu betreiben. Die
                                                                                                                    Eigenschaften der neuartigen Solarzelle sind
                                                                                                                    aber auch sonst bestechend. Dies hängt mit
                                                                                                                    dem verwendeten Material zusammen. Wäh-
                                                                                                                    rend herkömmliche Solarzellen auf Silicium
                                                                                                                    setzen, verwendet das ETH-Team Kupfer, Indi-
                                                                                                                    um, Gallium und Selen (CIGS). Dieses Material
                                                                                                                    erbringt auch bei 100-mal dünnerer Schicht-
                                                                                                                    dicke einen gleichwertigen Wirkungsgrad wie
                                                                                                                    kristallines Silizium und ist langzeitstabil. Der
                                                                                                                    zerstörerische Einfluss von Strahlung ist ein
                                                                                                                    bekanntes Problem, das die Leistungsfähigkeit
                                                                                                                    von Solarzellen mit der Zeit stark herabsetzen
                                                                                                                    kann. «Wir haben auch schon Strahlungsexpe-
                                                                                                                    rimente bei Weltraumbedingungen gemacht
                                                                                                                    und dabei festgestellt, dass sich die CIGS-Solar-
                                                                                                                    zellen einiges besser halten als konventionelle
                                                                                                                    Silicium- oder die im Weltall verwendeten
                                                                                                                    Gallium-Arsenid-Solarzellen. Es konnte sogar
                                                                                                                    schon gezeigt werden, dass sich die CIGS-
                                                                                                                    Schicht selber regenerieren kann, wenn durch
Das Flisom-Team auf dem Weg zum Markteintritt. (Foto: Martin Guggisberg)                                            kosmische Strahlen Schäden auftreten», freut
                                                                                                                    sich Marc Kaelin. «Und in der gegenwärtigen
                                                                                                                    Marktlage, wo es auf dem Siliciummarkt we-
                                                                                                                    gen der steigenden Nachfrage zu Engpässen
Bis jetzt ist sie 5 mal 5 Zentimeter gross, nun                   rium für Festkörperphysik der ETH Zürich. Der     kommt, können wir mit unserem Material eine
wird man sie versuchsweise etwa in Serviet-                       Name der jungen Firma ist ihr Programm: Fle-      Alternative bieten.»
tengrösse, genauer auf 30 mal 30 Zentimetern,                     xible and Lightweight Solar Modules.
herstellen. Und bald soll sie dann im grossen                                                                       Auf der Erde und im Weltraum
Stil von der Rolle gehen, die flexible Solarzel-                  Einzigartiges Verfahren                           Die Markteigenschaften sehen nicht schlecht
le als Endlosband am Laufmeter sozusagen.                         Die Solarzellen-Forscher der ETH Zürich ent-      aus. Hauchdünne Plastikfolien als Träger-
Die Versuchsanlage dazu steht im Technopark                       wickelten ein neues Verfahren, um dünne So-       material vereinfachen die Herstellung und
Zürich. Von aussen sieht man nicht viel mehr                      larzellen auf Polymerfolie herzustellen. Diese    verringern die Produktionskosten. Bei gleicher
als eine Vakuumtonne auf 4 Beinen, in deren                       sind dadurch nicht nur flexibel, sondern auch     Leistung wie ein herkömmliches Solarzellen-
Innerem sich alles Entscheidende abspielt.                        ultraleicht. Zudem weisen die Solarzellen der     modul kann das Gewicht um einen Faktor 10
Hier wird eine hauchdünne Schicht photovol-                       Flisom AG einen überdurchschnittlich hohen        bis 20 gesenkt werden. Die zur Herstellung
taischen Materials auf eine Plastikfolie auf-                     Wirkungsgrad auf. Das Flisom-Team hält seit       der Solarzelle notwendige Energie amortisiert
gedampft. «Alles selbst gebaut», erklärt Marc                     dem technologischen Durchbruch 1999 den           sich dank ihres Wirkungsgrades von über 14%
Kaelin, eines der Mitglieder von Flisom AG,                       Weltrekord für Solarzellen auf Plastik. Im Jahr   innerhalb eines Jahres. Wirtschaftsprognosen
stolz. «Für dieses Verfahren gibt es eben keine                   2005 schlug das Team seinen eigenen Welt-         sehen für den Bereich Photovoltaik auch in
fertigen Technologien auf dem Markt, auf die                      rekord noch einmal. Leistungsfähigkeit ist ein    Zukunft weiterhin gute Wachstumschancen
wir zurückgreifen könnten.» Flisom AG, das ist                    gutes Argument für die neuen Solarzellen.         voraus, auch wenn der Anteil der Photovolta-
ein junger ETH-Spin-off, hervorgegangen aus                       So genügt eine Solarzelle in der Grösse eines     ik an der gesamten Stromproduktion derzeit
der Gruppe Dünnschichtphysik am Laborato-                         A3-Blatts, um bei durchschnittlicher Sonnen-      noch bescheiden ist und dies noch längere

                                                                                                                                                  ETH GLOBE  1/2006   13
ETH Spin-off

 Zeit so bleiben wird. In der Schweiz liegt er       mobilen elektronischen Geräten, wie zum Bei-         mässig durchgeführten Businessplan-Wettbe-
 gegenwärtig gerade mal im Promillebereich.          spiel Mobiltelefonen, iPods, Laptops oder Digi-      werb «Venture» teil und gelangte mit seinem
 Aber immer mehr Länder setzen vermehrt auf          talkameras. Hohes Marktpotenzial ortet das           Businessplan von über 205 Beiträgen in der
 Solarstrom. Der gebürtige Inder mit Schwei-         Flisom-Team zudem in der Architektur oder            ersten Runde unter die 10 besten Teams. Nun
 zer Pass Ayodhya N. Tiwari, der geistige Vater      gar für den Einsatz im Weltraum.                     stehen Coaches aus der Wirtschaft dem Team
 der flexiblen Solarzelle und Mitbegründer der                                                            mit professionellem Rat bei der Ausarbeitung
 Flisom AG, glaubt schon lange an die Zukunft        Unterwegs zur Marktreife                             der Geschäftsstrategie und eines konkreten
 der Solartechnologie und plädiert für eine          Ganz konkurrenzlos steht das Team allerdings         Finanzierungsplans zur Seite. Durchaus auch
 globale Sichtweise. Gerade in vielen Entwick-       nicht da. «Es gibt bereits Firmen, die ebenfalls     ein Thema ist derzeit auch noch die Suche
 lungsländern bestünden aufgrund der klima-          flexible Solarzellen produzieren wollen, zu-         nach einem industriellen Partner für die Pro-
 tischen Verhältnisse ideale Voraussetzungen         meist auf Metallfolien», gibt Mark Kaelin zu.        duktion in grossem Stil. In etwa 2 bis 3 Jahren
 für den Einsatz der Photovoltaik und auch ein       «Allerdings haben wir gute Chancen, da wir ei-       soll es dann so weit sein: Die flexible Solarzelle
 grosses Bedürfnis danach – nur müssten die          nen höheren Wirkungsgrad erzielen können»,           geht auf den Markt.  //
 Solarzellen dafür billig genug werden. «Ob wir      stellt er fest. Nun arbeitet das Flisom-Team
 längerfristig mit Dünnschichtsolarzellen auch       mit Hochdruck daran, sein eigenes Produkt            Martina Märki

 preislich mit konventionellem Strom konkur-         zur Marktreife zu bringen. Als technische Her-
 rieren können, muss sich erst noch zeigen. Es       ausforderung stellt sich die Homogenität der
 ist jedoch ein viel versprechender Schritt in       Schicht auf grösseren Flächen dar und die Pro-
 die richtige Richtung», meint Marc Kaelin. Er       duktionsgeschwindigkeit. «Zum Glück können
                                                                                                            Flisom AG
 sieht grosse Einsatzchancen für die Solarzellen     wir immer noch eng mit Forschenden aus der
 von der Rolle zum Beispiel in Katastrophenein-      ETH zusammenarbeiten und dürfen als ETH-               Ein Spin-off der ETH Zürich
 sätzen, da sie leicht, gut transportierbar und      Spin-off auch die Infrastruktur hier benutzen.         Gegründet 2005
 fast überall einsetzbar seien. Generell bietet      Der Kontakt zur Forschungsgruppe ist in dieser         Ayodhya N. Tiwari, Dominik Rudmann,
 der Outdoor-Bereich viele Einsatzmöglich-           Situation extrem wichtig und hilfreich», betont        Marc Kaelin, David Brémaud und
 keiten. Dank ihrer Flexibilität kann die Folie      Marc Kaelin. Man will im Lauf der Zeit auch            Hans Zogg
 problemlos auf gekrümmten Oberflächen wie           noch weitere Leute in der jungen Firma anstel-         Technopark Zürich
 zum Beispiel Zelten oder Kleidungsstücken           len. Wichtig und hilfreich ist zudem der Kontakt          www.flisom.ch
 angebracht werden. Die flexiblen Solarzellen        zur Business-Welt. Das Flisom-Team nahm am                info@flisom.ch
 eignen sich auch besonders für den Einsatz in       von McKinsey & Company und der ETH regel-

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                                                                                                                      zur Industrie, insbesondere von der langjäh-
                                                                                                                      rigen Zusammenarbeit der TU Delft mit der
                                                                                                                      Royal Dutch/Shell Group. So können die drei
                                                                                                                      Hochschulen eine Ausbildung garantieren, die
                                                                                                                      nicht an den Bedürfnissen der Industrie vor-
                                                                                                                      beigeht. Im Gegenteil: Es ist vorgesehen, dass
                                                                                                                      ein «Industrial Committee» den Studiengang
                                                                                                                      begleitet und Inputs für die Lehre liefert. Aus-
                                                                                                                      serdem können Studierende einzelne Semes-
                                                                                                                      terarbeiten, vor allem aber die Masterarbeit
                                                                                                                      in einem der industriellen Partnerbetriebe
                                                                                                                      absolvieren. Und die freuen sich schon. «Als in-
                                                                                                                      ternationales Unternehmen haben wir grosses
                                                                                                                      Interesse an Studierenden, die mobil sind und
Keiner kennt die obersten Erdschichten besser als die Geophysiker. Ein neues Joint-Master-Programm garantiert ihnen   die wir global einsetzen können», bekräftigt
eine fundierte Ausbildung.                                                                                            Eric de Graaff, Chef-Geophysiker bei Shell.

                                                                                                                      Der neue Joint Master ist auch aus hochschul-
                                                                                                                      politischer Sicht sinnvoll. Denn zum Teil ist das
                                                                                                                      neue Programm aus der Not entstanden. «Der

Geophysiker als Weltenbummler                                                                                         Fachbereich angewandte Geophysik war bis-
                                                                                                                      her ein relativ kleiner Kurs», erklärt Hansruedi
                                                                                                                      Maurer. Die Folge davon: Es können in der Lehre
Europäische Hochschulzusammenarbeit war bisher vor allem ein Thema für Sonntagsreden.
                                                                                                                      nicht alle Teilbereiche sehr vertieft abgedeckt
Jetzt wird sie greifbar: Gemeinsam mit zwei Partneruniversitäten lanciert die ETH Zürich
                                                                                                                      werden, an der ETH dominierte der Ingenieur-
erstmals ein Joint-Master-Programm mit einheitlichem Diplom für Geophysiker – und für
                                                                                                                      und Umweltbereich. Den anderen Unis ging es
die Industrie.
                                                                                                                      ähnlich. Und so kam das neue Programm in er-
                                                                                                                      staunlich kurzer Zeit zustande: «Sechs Monate
                                                                                                                      nachdem man den Entscheid zugunsten eines
Vergleichbare Studienabschlüsse in ganz Eu-                  Anders Hagström vom Prorektorat für interna-             Joint Masters gefällt hatte, konnten die betei-
ropa, erleichterte Mobilität zwischen den                    tionale Beziehungen an der ETH. Zwar gebe es             ligten Unis bereits die Verträge unterzeich-
Hochschulen und eine auf die Bedürfnisse des                 bereits viele Arten der Zusammenarbeit unter             nen», erzählt Anders Hagström. Das ist inso-
Arbeitsmarktes ausgerichtete akademische                     europäischen Hochschulen. «Doch dass drei                fern bemerkenswert, als zahlreiche Details
Ausbildung, das alles soll die Bologna-Reform                Unis einen Master mit einheitlicher Prüfungs-            geklärt werden mussten: Wie oft darf eine Prü-
bringen. Bisher hat sie vor allem für Verunsi-               ordnung und gemeinsamem Diplom anbieten,                 fung wiederholt werden, welche Vorlesungen
cherung und Kopfzerbrechen gesorgt. An den                   ist neu.» Die ersten Studierenden werden im              sind Pflicht, welche nicht, wie viele Kredit-
Lehrinstituten brüten die Verantwortlichen                   Herbst beginnen, das Interesse ist gross. Hans-          punkte werden wo vergeben? Dinge, die in je-
über den Details der Umstellung, während                     ruedi Maurer vom Institut für Geophysik ist an           der Uni unterschiedlich geregelt waren, wur-
sich Studierende und Arbeitgeber fragen, wie                 der ETH mitverantwortlich für die Durchfüh-              den innert kurzer Zeit vereinheitlicht. Dass dies
viel die neuen Abschlüsse wohl auf dem Markt                 rung des Programms und hat bereits wenige                möglich war, dürfte nicht zuletzt auf die lange
wert sind. Doch jetzt zeigt die ETH Zürich mit               Wochen nach der Ausschreibung des neuen                  Zusammenarbeit der drei Unis zurückzufüh-
einem neu lancierten Master-Studiengang für                  Studiengangs zahlreiche Anfragen erhalten.               ren sein. Die TU Delft, die ETH und die RWTH
angewandte Geophysik, was Bologna konkret                                                                             Aachen gründeten zusammen mit dem Impe-
bedeuten kann. Das neue Programm ist eine                    Alle können profitieren                                  rial College London vor sechs Jahren die IDEA-
europäische Premiere: Der Joint Master in Ap-                Das verwundert kaum, denn der Joint Master               League. «Ein Grundvertrauen war also bereits
plied Geophysics ist eine Zusammenarbeit der                 bietet für alle Seiten zahlreiche Vorteile. Die          da», so Hagström.
ETH mit der TU Delft (Niederlande) und der                   Studierenden erhalten Gelegenheit, in drei               Der Joint Master in Geophysik ist erst der
RWTH Aachen (Deutschland). Die Unterrichts-                  Ländern und an drei hochkarätigen Ausbil-                Anfang der europäischen Zusammenarbeit.
sprache ist Englisch, und die Teilnehmenden                  dungsstätten zu leben und zu lernen. Ausser-             Bereits sind an der ETH weitere gemeinsame
werden für jeweils vier bis fünf Monate nach-                dem ist jede der drei Partnerschulen auf ein             Master-Studiengänge in den Bereichen Biolo-
einander an den drei Partnerhochschulen stu-                 bestimmtes Gebiet spezialisiert: Die TU Delft            gie und Chemie geplant – Bologna ist definitiv
dieren. Danach können sie frei wählen, wo sie                ist besonders stark im Bereich der Öl- und               nicht mehr aufzuhalten.  //
ihre Masterarbeit machen wollen – an einer                   Gasexploration, die RWTH Aachen hat aus-
der drei Unis oder in der Industrie. Am Ende                 gewiesene Qualitäten in den Bereichen Bohr-              Conny Schmid

halten sie ein Diplom in den Händen, das von                 lochgeophysik und Geothermie, und an der
allen drei Hochschulen gemeinsam ausge-                      ETH kennt man sich bestens aus mit Fragen zu               maurer@aug.ig.erdw.ethz.ch
stellt wird. «Das ist ein Novum in Europa», sagt             Umweltbelastungen und Naturgefahren. Die                   www.idealeague.org/geophysics

                                                                                                                                                    ETH GLOBE  1/2006   15
Dossier China   Reportage

Baustelle China
Chinas boomende Wirtschaft macht die Volksrepublik zur treibenden Kraft der Weltökonomie
und zum Gesprächsthema Nummer eins der Meinungsführer. Doch der Aufschwung hat auch
negative Seiten: Bei weltweit schwindenden Ressourcen nimmt Chinas Energiebedarf rasant
zu. Ein Spin-off der ETH Zürich mit Sitz in Peking gibt Gegensteuer.

16   ETH GLOBE  1/2006
Rubriktitel Rubriktitel

Text: Conny Schmid     Fotos: John Currie

Wir haben die endlose Weite der Wüste Gobi         Anflug auf Peking, China, Reich der Mitte, Land
hinter uns gelassen. Tief unter uns nimmt jetzt,   der Träume, Volksrepublik der unbegrenzten
Strasse um Strasse, Dach um Dach, die Zivili-      Möglichkeiten. Seit sich die kommunistische
sation Gestalt an. Wie ein Bild, das sich lang-    Regierung dem kapitalistischen Westen geöff-
sam vor unseren Augen aufbaut, werden die          net hat, ist Chinas Wirtschaftswachstum kaum
Dimensionen dessen, was uns unten erwartet,        mehr zu bremsen. Billige, willige Arbeitskräfte
immer klarer erkennbar. Wir befinden uns im        und ein riesiger neuer Absatzmarkt lassen

                                                                                                       ETH GLOBE  1/2006   17
Dossier China   Reportage

                                                                                                                    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser:
                                                                                                                   Yuan Tian überprüft die Heizungsrohre.

                                                                 «Ab 2007 dürfen keine Grossbauten mehr
                                                               in Angriff genommen werden. Deshalb sind
                                                                   jetzt alle wie die Verrückten am Bauen.»
                                                                                                                             Yan Wang, Architekt

westliche Investoren in die Taschen greifen.      Stau. Vor uns, hinter uns, neben uns kommen       fessor für Bauphysik am Institut für Hochbau-
Unternehmer, Politiker, Wissenschaftler: alle     sich mit Kisten, Kleidern, Kochtöpfen beladene    technik. Vor 5 Jahren baute er zusammen mit
sprechen von China, der treibenden Kraft der      Fahrräder und dunkle Edelkarossen gefährlich      seiner chinesischen Kollegin, der Architektin
Weltwirtschaft, der Werkbank der Wirtschafts-     nahe. Legionen von Strassenfegern sind von        Yuan Tian, das erste Wohngebäude Chinas, das
welt. Das Rezept der Regierung lautet «ein        früh bis spät per Velo und Anhänger unter-        Minergie-Standards erfüllt. Das Grundprinzip
Land, zwei Systeme». Es vereint Kommunismus       wegs, bekämpfen mit Besen und Atemmaske           ist einfach: Eine gut isolierte, luftdichte Hülle
und Kapitalismus, Fünfjahresplan und Sonder-      den Staub, den der Wüstenwind pausenlos in        und ein sanftes Heizungs-, Kühlungs- und Be-
wirtschaftszonen in einem Staat. China ist ein    die Stadt weht. Auch im Behai-Park trifft man     lüftungssystem, abgestimmt auf das Pekinger
Experiment, Peking sein politisches Zentrum.      sie an; dort, wo die Zeit ansonsten stillzuste-   Klima, sorgen bei geringem Energieverbrauch
Wir setzen zur Landung in SimCity an.             hen scheint. Dort, wo sich Menschen, die vor      für konstante Raumtemperaturen und Luft-
                                                  der Imbissbude drängeln und schubsen, wie in      feuchtigkeit. «High Comfort, low energy» – ho-
Der Flieger spuckt uns aus, wirft uns hinein in   Zeitlupe bewegen und mit strengem Blick ihre      her Komfort, wenig Energie – lautet der Slogan.
eine pulsierende 16-Millionen-Stadt mit stau-     Taiji-Übungen absolvieren.                        Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Ge-
biger Luft und über 1000 Baustellen. Peking,                                                        bäude verbraucht ein solches Haus etwa fünf-
Olympiastadt 2008, ist im Umbruch. Im Jahr        «Der reiche Mann denkt an die Zukunft, der        mal weniger Energie. Und solche Einsparungen
2005 wurden hier allein für Wohnzwecke fast       arme an die Gegenwart.»                           sind bitter nötig. Denn wenn China im gleichen
12 Millionen Quadratmeter Land überbaut. Ein      Arm und Reich, Dreck und Sauberkeit, Hektik       Tempo weiter wächst, werden die vorhande-
stetes Hämmern, Schirren und Rumpeln erfüllt      und Ruhe: Peking ist eine Stadt der Gegensät-     nen Energieressourcen den Bedarf bald nicht
die Metropole, Kräne, wohin man blickt, halb-     ze. Und je näher die Olympischen Spiele rücken,   mehr decken können. In Schanghai müssen
fertige Hochhäuser und nagelneue Glas- und        desto grösser scheinen sie zu werden. «Ab 2007    die Behörden bereits heute regelmässig den
Stahlbauten bestimmen das Bild. Historische       dürfen vorerst keine neuen Grossbauten mehr       Strom abschalten, um einen Zusammenbruch
Stadtteile werden mit Bulldozern dem Erd-         in Angriff genommen werden, deshalb sind          des Netzes zu verhindern. «Es ist nicht sinnvoll,
boden gleich gemacht, tausende von Men-           jetzt alle wie die Verrückten am Bauen», er-      unser ganzes Engagement in ein paar Null-
schen umgesiedelt. «Über Vergangenes mach         klärt Yan Wang und lässt seinen Blick über die    energiehäuschen in der Schweiz zu stecken
dir keine Sorgen, dem Kommenden wende             Stadt schweifen. Wir stehen auf dem Dach je-      und gleichzeitig zuzuschauen, wie China die
dich zu», lautet ein chinesisches Sprichwort,     nes 28-stöckigen Hochhauses, in dem der jun-      Fehler westlicher Industriestaaten wiederholt.
dem solches Handeln zu folgen scheint. Pe-        ge Architekt sein Büro hat. Wang arbeitet für     Hier können und müssen wir etwas fürs globa-
king steigt auf wie Phönix aus der Asche. Der     KT Technologies, ein Spin-off der ETH Zürich.     le Klima tun», ist Bruno Keller überzeugt. Tech-
Taxichauffeur hupt sich seinen Weg durch den      Hinter dem grossen K steckt Bruno Keller, Pro-    nologietransfer sei vonnöten.

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