Interkulturelle Zeitschrift am Internationalen Studienzentrum der Goethe-Universität Frankfurt 2010 - Magazin der Goethe Uni Frankfurt
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Interkulturelle Zeitschrift am Internationalen Studienzentrum der Goethe-Universität Frankfurt 2010 Japan
Inhalt Editorial ………………………………………… 3 Japan ist für mich … ……………………… 4 Sushi, Geisha & Co. ……………………… 5 Heinz – Big in Japan ……………………… 6 „Es rappelt in der Kiste“ – Theater …… 8 Nippon Connection ……………………… 10 Kitsune – Japanischer Volksgaube … 15 Haiku ………………………………………… 16 Das Blütenblatt der Sakura …………… 17 Wagner Love ……………………………… 18 Sprache ……………………………………… 21 Perspektiven ……………………………… 24 Der Boom regionaler Maskottchen in Japan …………………… 27 Manga aus Deutschland ……………… 28 Cosplay ……………………………………… 30 Shadowrun ………………………………… 32 Japanische Videospiele ………………… 33 Migration …………………………………… 34 Kulinaritäten ………………………………… 41 2 Goethe D‘A r T 2010
Editorial von Andrea Meierl „Niemand von uns war zuvor jemals in Japan. Das ist ein Land, das so Inselstaat im Pazifik einst zu einer der mächtigsten weit weg ist“, erzählte uns Tilmann von der Frankfurter Band Wagner Wirtschaftsnationen der Welt reüssieren würde, wanderten Tausende Love bei einem Interview kurz nach der ersten Japantournee 2009 von JapanerInnen nach Brasilien aus, um der ländlichen Armut im (Seite 18). Ähnlich reagierte auch unsere Redaktionsgruppe auf den eigenen Land zu entfliehen. Viele ihrer Nachkommen leben noch Vorschlag, eine Zeitschrift über Japan herauszugeben. Schließlich heute als so genannte Nikkeis in Brasilien. Wie präsent ihre japani- waren unsere Japankenntnisse vergleichbar mit den rudimentären schen Wurzeln für sie sind, ist in unserer Reportage auf Seite 34 nach- Kenntnissen der deutschen Bevölkerung, die wir auf der Straße nach zulesen. ihren Vorstellungen von Japan und den JapanerInnen befragten (Seite 5). Frei assoziierend wollte auch uns zunächst nichts Schlaueres einfal- In Deutschland ist der Anteil der japanischen MigrantInnen zwar len, als Stereotype wie Sushi, Manga, hohe Technologie, Freundlichkeit nur verschwindend gering, aber Frankfurt nimmt als deutsche Stadt, oder Teezeremonie aufzuzählen. Niemand aus unserer international die nach Düsseldorf die meisten Japanerinnen und Japaner beherbergt, zusammengesetzten Redaktionsgruppe kam zu diesem Zeitpunkt aus in diesem Punkt eine besondere Rolle ein. Uns war es daher ein Japan. Wie also konnten wir auf die aberwitzige Idee kommen, eine Anliegen, JapanerInnen, die in unserer Region leben, zu Wort kommen Zeitschrift über ein uns so fernes, fremdes Land herauszugeben? zu lassen (Seite 39). In ihren Schilderungen erfahren wir, welche Schwierigkeiten und Möglichkeiten AusländerInnen haben, sich der Den Anstoß gab die Idee zu einem Artikel über das japanische fremden, in ihrem Falle deutschen Kultur zu nähern. Ein Problem, Filmfestival Nippon Connection. Dieses findet jedes Jahr im April in den dem sich durchaus auch Deutsche zu stellen haben, wenn sie für län- Gebäuden der Universität statt und gilt mittlerweile als das größte japa- gere Zeit ins Ausland gehen, wie etwa unsere fiktive Figur Heinz. nische Filmfestival der Welt. Selbst Besucher aus Japan reisen an, um Heinz zeigt in seinem Blog (Seite 6), wie ein Europäer mit mangeln- in Frankfurt japanische Filme zu sehen, die sie in Japan sonst niemals den interkulturellen Kompetenzen in Japan unter Garantie negativ zu Gesicht bekommen würden. Ein Ereignis dieses Ausmaßes direkt auffällt und spiegelt so manche Erlebnisse überspitzt wider, die vor unserer Haustür? Unser journalistisches Interesse war geweckt, Japanologiestudierende während ihrer Studienreisen in Japan hatten. Vorkenntnisse hin oder her. Da die Annäherung an eine fremde Kultur bekanntlich über den Dass unser Vorhaben letztendlich in die Tat umgesetzt werden konn- Gaumen und mittels Sprache stattfindet, geben wir Tipps, an welchen te, ist Dr. Eike Großmann und Dr. Cosima Wagner vom Fach Orten man in Frankfurt gut japanisch speisen oder japanische Zutaten Japanologie der Universität Frankfurt und ihren Studierenden zu ver- für die eigene Küche erhalten kann (Seite 42). Natürlich leiten wir danken. Sie unterstützten uns maßgeblich bei der Konzeption der auch zu selbstgemachtem Sushi an (Seite 44)! Erste sprachliche Zeitschrift und durch ihre zahlreichen fundierten Beiträge. Unter ihrer Kompetenzen lassen sich in unseren Japanisch-Schnellsprachkursen Mitwirkung entstand eine Zeitschrift, welche Japans kulturelle Drei x Fell heißt weich und Japanische Lautmalereien (Seite 21 bis 23) Offenheit und Vielfalt betont. Dies zeigt sich an den Akzenten, die es erwerben. Wer sich daraufhin berufen fühlt, Japanologie zu studieren, in Film, Theater, Literatur und Popkultur setzt. kann sich weiter im Artikel 1945 Schriftzeichen (Seite 24) über die Anforderungen des Studiengangs informieren. Japan wirkt heute weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Vor über 100 Jahren jedoch, als noch niemand daran dachte, dass dieser Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre! Goethe D‘A r T 2010 3
Japan ist für mich … … das OAG-Studienhaus in Kôbe, in dem ich drei Monate gelebt habe. Es ist ein altes Gebäude, das zwar seinen eigenen Charme hat, jedoch muss man auch mit allerlei kleinen Tierchen und sogar manchmal Wildschweinen im Garten rechnen. … der Tôkyô-Tower, der Japans stetigen Weg nach oben symbo- Christiane Rühle lisiert. Trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Japan zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt. Christiane Mögenburg … Häuser bis zum Horizont – eine Aussicht, die mich sehr beeindruckt und gleichzeitig auch eingeschüchtert hat. Noch nie zuvor hatte ich so eine weite, dicht bebaute Fläche gesehen – und das in alle Himmelsrichtungen! Jutta Lingelbach ...nicht nur immer die Großstadt. Anna Surawska 4 Goethe D‘A r T 2010
Sushi, Geisha & Co. Das Japanbild des Abendlandes Eine Umfrage im Land der untergehenden Sonne von Antje Grzelachowski und Anna Surawska Am Römer, Frankfurt Wir fragten Passanten in der Frankfurter Fußgängerzone, welche Vorstellungen sie von Japan und den JapanerInnen haben. An der Umfrage nahmen zwanzig Personen teil. Die Befragten waren Teenager, junge Familien mit Kindern, StudentInnen, RentnerInnen und auch Geschäftsleute mittleren Alters. Ranking: Diese Umfrage ist keine quantitative empirische Erhebung, sie ist weder voll- ständig noch repräsentativ, sondern dient lediglich der Unterhaltung. Einzelne Antworten: Japanische Gärten, Essstäbchen, Kultur, Technologie (Klowärmer, Antworten bereit sind. Hauptsächlich Menschen über 50 dachten bei TV, Handys), Baseball, roter Punkt auf der japanischen Flagge, Japan spontan an Sushi oder Geisha. Während für viele Teenager, die Kundenzufriedenheit, Hiroshima, Capsule Hotels, andere Kultur, sich in ihrer Freizeit Anime anschauen und Manga lesen, Japan das Gruppenzwang „Land der Technologie“ und des „technischen Fortschritts“ ist. Wir haben während der kurzen Umfrage vor allem festgestellt, dass Einige der Jugendlichen konnten sogar auf Japanisch bis 10 zählen Menschen keine Umfragen in Fußgängerzonen mögen und selten zu und kannten diverse Begrüßungs- und Abschiedsfloskeln. Goethe D‘A r T 2010 5
Heinz Big In Japan Mein Japan-Blog von Jutta Lingelbach, Christiane Rühle er folgende Beitrag soll auf eine unterhaltsame Art und Weise das wunderbar ruhigen Ort zum Entspannen. Es handelte sich um einen D vermitteln, was man am besten schon vor einem Aufenthalt in Japan alles wissen oder wenigstens einmal gehört haben sollte. Es Tempel mit einem prächtigen roten Eingangstor. Da heute eine extre- me Hitze war, kam mir auch das dort befindliche Wasserbecken mit wird eine Art Worst-Case-Scenario beschrieben, d.h. alles, was innerhalb den bereit liegenden Kellen gerade recht. Ich nahm ein paar kräftige weniger Tage schief gehen kann, geht auch schief, nicht zuletzt aufgrund der Schlucke und setzte mich auf eine Bank in der Nähe, um meine einzigartigen Persönlichkeit unseres Protagonisten Heinz, der in Form eines Gedanken für das bevorstehende Meeting zu sammeln, schließlich Blogs seine Erlebnisse direkt aus Tôkyô schildert. (Ähnlichkeiten mit real wollte ich ja keinen Fauxpas begehen und so eventuell den Vertrag existierenden Personen sind rein zufällig und nicht von uns beabsichtigt.) gefährden. Die Zeit verflog und mein Magen, der sich langsam wieder beruhigt hatte, meldete sich zu Wort. Ich machte mich also auf die Mein Profil: Suche nach einem Restaurant und fand in einer Nebenstraße eine sehr gemütlich anmutende Gaststätte. Am Tisch sitzend brachte mir die rei- Hallo Leute, erst einmal vielen Dank, dass ihr euch meinen Blog zende Kellnerin auch sogleich ein kleines Tuch. Eigentlich fand ich das anschaut! Ich heiße Heinz, bin 35 Jahre alt und arbeite als Manager in doch sehr unpassend, aber vielleicht ist das hier ja so Brauch und so einer großen Firma. Ohne arrogant klingen zu wollen, aber ich mache wischte ich den Tisch selbst damit ab. So wusste ich wenigstens, dass es mich auch wirklich hervorragend, da ist es also kein Wunder, dass mein ordentlich gemacht wird. Auf der Speisekarte konnte ich nichts von Chef MICH dazu auserkoren hat, geschäftlich für einige Tage nach diesen Hieroglyphen lesen und tippte willkürlich, abenteuerlustig wie Tôkyô zu reisen, um dort mit potentiellen Geschäftspartnern einen ich eben bin, auf ein Gericht. Was ich allerdings serviert bekam, war Vertrag klar zu machen. Aber nun gut, ich werde jetzt noch schnell unzumutbar: klebriger Reis mit einer undefinierbaren, noch klebrige- meine Tasche packen und dann geht es morgen schon los! Mein näch- ren braunen Pampe aus Bohnen, deren Geschmack doch eher an ster Eintrag wird dann live aus Tôkyô kommen. Batteriesäure erinnerte als an ein essbares Mittagsmahl. Ich konnte gerade noch rechtzeitig die Stäbchen in die Schüssel pfeffern und zur 1.Tag: Ankunft Toilette stürzen. Zum Glück fand ich auf dem Weg zur Besprechung noch einen Laden, in dem ich mir ein Sandwich besorgen konnte. Ich bin angekommen, mehr oder weniger. Das Flugzeug-Essen hat mir ein wenig auf den Magen geschlagen und ich freue mich schon auf Jetzt aber endlich zum Meeting: ich weiß gar nicht, warum ich mir mein Bett oder besser gesagt auf eine Matte auf dem Boden, denn man Gedanken über das Treffen gemacht hatte, alles verlief einfach wun- hat mich doch tatsächlich in einen traditionell japanisch eingerichteten derbar. Alle Anwesenden übergaben mir zur Beginn ihre Visitenkarten Raum einquartiert. Aber nun werde ich noch kurz von meiner Fahrt und ich verteilte natürlich auch meine. Danach dann mein großer vom Flughafen zum Hotel berichten: Die Fahrt begann doch recht selt- Auftritt, mein Vortrag! Nach ungefähr 1,5 Stunden war ich auch schon sam. Als ich mich vorne in das Taxi setzen wollte, habe ich an der fertig und ich denke, es kam alles Wichtige rüber. Schließlich haben Beifahrertür gezogen und gezogen, aber die Tür klemmte wohl. Anstatt einige danach fast meditativ anmutend mit geschlossenen Augen dass sich der Fahrer von innen bemüht hätte, die Tür aufzustemmen, dagesessen und über mein Gesagtes nachgedacht… Danach ging es fuchtelte er nur wie wild mit seinen Armen herum, ich verstand nicht, dann gemeinsam zu einem diesmal sehr köstlichen Essen und danach was er mir sagen wollte; aber nun gut, dachte ich mir, setzt du dich halt zum Karaoke. Der Alkohol floss in Strömen und auch ich ließ mich hinten hin, denn wie heißt es doch so schön in der einen Auto- dazu hinreißen, ein paar Lieder zu schmettern. Meine Interpretation Werbung: Die wichtigsten Personen sitzen immer hinten. Am Hotel von Frank Sinatra kam sehr gut an, ich wollte das Mikrofon gar nicht angekommen wollte ich großzügig sein und steckte dem Herrn Fahrer mehr abgeben, so gut hat es mir gefallen. ein deftiges Trinkgeld zu, doch er lehnte es strikt ab, ist das zu fassen?! Schon ein komischer Kauz… Ach ja, gerade eben habe ich auch eine 3.Tag: Onsen und Einladung Erfahrung für mein Leben gemacht. Ich habe eine von diesen Hock- Toiletten benutzt. Mein Rückenproblem und ich können dazu nur Nachdem das Geschäftliche nun größtenteils besprochen war, konn- eines sagen: Eine ähnliche Haltung wie beim Abfahrtsski, nur eben mit te ich heute die angenehmen Seiten meines Aufenthalts auskosten. Ich runtergelassenen Hosen. Mit gemütlichem Zeitung lesen ist dann bummelte ein wenig durch die Stadt, bis ich dann am späten natürlich auch nichts, ich wollte mein Schicksal ja nicht noch heraus- Nachmittag zum ersten Mal einen Onsen in Anspruch nehmen konn- fordern. Warum macht man daraus nicht einfach Fußbadbecken oder te. Eine feine Sache! Mit meiner sportlichen Badehose erntete ich viele ähnliches und stellt stattdessen richtige Toiletten hin?! So, ich werde anerkennende Blicke. Ich war allerdings sehr überrascht, dass sich die jetzt Schluss machen und mich hinlegen, ich will ja morgen fit sein für anderen erst ausgiebig abschrubbten, bevor sie ins Becken stiegen. Ist meinen Vortrag und die Verhandlungen. das nicht etwas übertrieben? Ich habe mir diesen Vorgang jedenfalls gespart. Sehr viel Platz zum Schwimmen hat man allerdings nicht und 2.Tag: Erkundungstour und Meeting die Wassertemperatur ist auch etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich ließ es auf einen Versuch ankommen, mit meinem Schnorchel auf Heute war es soweit, das erste Treffen mit unseren japanischen Tauchstation zu gehen. Kurz darauf kamen zwei seltsame Männer und Freunden stand an. Da dieses jedoch erst gegen 15 Uhr stattfand, hatte baten mich, das Bad zu verlassen. Spaßbremsen! Ich war gerade dabei, ich noch ein wenig Zeit, Tôkyô allein unsicher zu machen. Ich erkun- richtig Stimmung in den müden Laden zu bringen... Am Abend folgte dete also ein wenig die Gegend um mein Hotel herum und fand einen ich der Einladung meines zukünftigen Geschäftspartners, bei ihm zu 6 Goethe D‘A r T 2010
Hause zu essen. Natürlich habe ich keine Kosten und Mühen gescheut meine Mitfahrer nicht sehr positiv, als ich in der Bahn ein paar Mal und mir für diesen Anlass ein besonderes Geschenk ausgedacht: Edle kräftig schnäuzte. Ich selbst habe die ganze Zeit über keinen Japaner bayrische Weißwürste mit Spitzensenf! Aber komischerweise waren gesehen, der diese Taschentücher tatsächlich benutzt. seine Gattin und er an meinem Geschenk überhaupt nicht interessiert. Sie verbeugten und bedankten sich zwar, stellten es aber ungeöffnet in Als meine Kollegen aus Deutschland anriefen, stand ich auch wieder die Ecke. Ich war darüber dann doch etwas entrüstet, schließlich ging im absoluten Mittelpunkt, denn mein i-phone ist schon ein echter der Überraschungseffekt auf diese Weise völlig flöten. Ich habe mich Hingucker. Ich konnte die neidischen Blicke selbst von hinten spüren! dann dazu hinreißen lassen, das Geschenk selbst von seiner Und da mit großer Wahrscheinlichkeit niemand meine Sprache verste- Zeitungspapierverpackung zu befreien, da sie sich partout nicht dazu hen kann, konnte ich so viel und laut reden, wie ich wollte... ein befrei- bewegen ließen. Sie schienen etwas irritiert, aber manche Menschen endes Gefühl! Am Flughafen machte ich dann auch die erste muss man einfach zu ihrem Glück zwingen! Die Freude war ihnen Bekanntschaft mit einer dieser sagenumwobenen Hightech-Toiletten. letztendlich doch deutlich anzumerken. Ein Volltreffer, meine Idee! Wahnsinn, was es da für Knöpfe gibt! Ich habe vorsichtshalber mal alle Das Essen schmeckte übrigens ganz fabelhaft, obwohl ich keine gedrückt – und löste damit ein wahres Konzert aus. Klassische Musik, Ahnung habe, was mir da serviert wurde. Aber ich bin ja anpassungs- Springbrunnen, rotierende Klobrille…, aber die Spülung habe ich fähig! Übrigens darf man in japanischen Häusern ja bekanntlich seine nicht gefunden. Als ich dachte, ich hätte sie, ertönte ein schriller Alarm. Schuhe nicht anbehalten, aber meine Gastgeber haben wohl bemerkt, Vielleicht hätte ich den Knopf mit der roten Aufschrift doch lieber dass ich an den Füßen fror und mir ganz reizende rosafarbene ignorieren sollen, aber der panikartige Tumult löste sich bald wieder Schlappen hingestellt. Ich bemerkte sie, als ich zur Toilette ging – sehr in Wohlgefallen auf und ich konnte unbehelligt meinen Rückflug aufmerksam! Und ganz ohne dass ich etwas sagen musste! Ich habe sie antreten. Abschließend kann ich nur sagen, dass diese Reise nach Japan natürlich auch die ganze Zeit über anbehalten. Man muss solche klei- auf jeden Fall eine wunderbare Erfahrung für mich war. Ich habe mich nen Gesten schließlich würdigen. schnell an die Gepflogenheiten angepasst und kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich dort ohne Probleme für längere Zeit leben 4. Tag: Abflug könnte. Vielleicht habe ich meine Berufung gefunden – denn ich könn- te mir durchaus vorstellen, als „Kulturbotschafter“ einige Workshops Leider habe ich mir nun am letzten Tag noch einen für „Interkulturelle Sensibilität“ anzubieten. Etwas ordentlichen Schnupfen eingefangen. Das ist zwar sauer stößt mir allerdings schon auf, dass sich sehr lästig, aber ich bin wenigstens gut mit meine japanischen Vertragspartner bis jetzt noch Taschentüchern versorgt worden – die werden nicht gemeldet haben... naja, man muss ihnen Zeit einem nämlich unterwegs ständig in die Hand lassen. Ich bin ja geduldig. gedrückt. Solche nützlichen Werbegeschenke habe ich selten gesehen! Aber komischerweise reagierten In diesem Sinne: Sayonara! futon: Japanische Matratze. steigt, ist eine gründliche Körperreinigung unerläs- Fährt man in Japan Taxi, setzt man sich üblicher- slich, um den hohen Hygienestandard zu gewähr- weise auf die hinteren Plätze. Die Tür geht meist leisten. Aufgrund der hohen Wassertemperatur automatisch auf. kann man sich nicht allzu lange im Becken aufhal- In Japan gibt man normalerweise kein Trinkgeld und es wird, jeden- ten. Die Zeit dient der Entspannung und nicht der Unterhaltung – zwar falls fernab internationaler Hotels, als Beleidigung betrachtet. Denn kann man leise Gespräche miteinander führen, doch gilt ansonsten das guter Service wird als selbstverständlich angesehen. Gebot der Ruhe. Rote Eingangstore, japanisch torii, kennzeichnen meist nur shintoi- Es gilt als unfein, Geschenke sofort nach ihrem Erhalt zu öffnen. Als stische Verehrungstätten, die als ”Schreine“ bezeichnet werden. Zeichen der Wertschätzung wird das Geschenk unausgepackt auf Tempel werden die heiligen Verehrungsstätten des Buddhismus einen Tisch oder einer anderen Ablage platziert. Man muss dem genannt. Geschenk schon an der Verpackung ansehen, dass es viel gekostet chôzuya/ temizuya: Kleiner Pavillon mit Wasserbecken zur rituellen hat. Zeitungspapier ist hier definitiv nicht angebracht. Preis und Reinigung der Hände und des Mundes vor dem Betreten eines Markenname dürfen auch deutlich erkennbar sein. Schreins. Es handelt sich um kein Trinkwasser. In japanischen Haushalten gibt es spezielle Schlappen, die nur in dem o-shibori: feuchtes Erfrischungstuch oder kleines feuchtes Handtuch, Raum, in dem sich die Toilette befindet, getragen werden dürfen. das dem Gast vor dem Essen gereicht wird, um damit Hände oder Danach wechselt man in andere Pantoffeln oder läuft wieder auf Gesicht zu reinigen. Socken. Mit Toilettenpantoffeln aus dem Bad zu treten gilt als äußerst nattô: japanisches Gericht aus fermentierten Bohnen mit intensivem unhygienisch und sollte dringend vermieden werden. Geschmack. Wird pur oder gemeinsam mit Reis verzehrt. Es ist in Japan verpönt, sich in der Öffentlichkeit oder im Beisein ande- o-hashi: Stäbchen. Stecken Sie diese bitte nie senkrecht in den Reis rer die Nase zu putzen. Tatsächlich werden einem in der Fußgänger- und geben Sie auch kein Essen von Stäbchen zu Stäbchen weiter, da zone aber häufig Taschentücher zugesteckt – ein Paradoxon? dies feste Rituale sind, die nur bei Trauerzeremonien durchgeführt wer- Auch in der Bahn ist Ruhe angesagt. Wenn möglich sollte jede Aktivität den. Ferner gilt es als unhöflich, mit den Stäbchen auf Personen zu zei- vermieden werden, die den Mitreisenden stören könnte. Dazu gehört gen. Nach dem Essen legt man die Stäbchen wieder auf das Tablett, auch lautstarkes Telefonieren mit dem Handy. nicht quer über Schüssel oder Teller. Moderne japanische Toiletten haben tatsächlich sehr viele onsen: Bezeichnung für eine heiße Quelle oder Bäder, die von heißen Funktionen, die aber nicht alle unbedingt für einen normalen Quellen gespeist werden; das mineralienhaltige Wasser gilt als Toilettengang von Nöten sind. Die vielen Knöpfe mit den unterschiedli- gesundheitsfördernd. Im onsen badet man nackt. Badekleidung ist chen Aufschriften können durchaus zu einem unerwarteten Ergebnis nicht üblich und ein typischer Fauxpas. Bevor man in das Becken führen... Goethe D‘A r T 2010 7
Es rappelt in der Die freie Theaterszene in Tôkyô kurz nach der Jahrtausendwende Kiste von Lisa Mundt W er mit der Odakyu Odawara-Linie von Shinjuku bis Umegaoka fährt, den Bahnhof durch den Südausgang verläs- japanischen Theaterpreise gewonnen und war in Europa und Amerika auf Tournee. Er ist als Kommentator der freien Theaterszene in Tôkyô st, sich nach rechts wendet und den Seven Eleven-Supermarkt passiert, regelmäßig in den wichtigen Theaterzeitschriften vertreten und seit gelangt nach wenigen Metern an eine Kreuzung. Dort ducken sich ein 2006 Vorsitzender der Japan Playwright's Association. Die Gruppe Fahrradparkplatz und ein mehrstöckiges Wohnhaus unter den Gleisen, Rinkôgun wird sowohl vom Publikum als auch von Kritikern in Japan über die unentwegt die Züge hinwegdonnern. Dass sich im Keller die- für ihre Verbindung von hohem ästhetisch-künstlerischem Niveau mit ses unscheinbaren Gebäudes ein Theaterstudio verbirgt, ist auf den politischen Stellungnahmen geschätzt und gilt als Aus- ersten Blick kaum zu erkennen. Erst ein Blick auf die Eingangstür ver- nahmeerscheinung in der freien Theaterszene: Dramaturgische rät: Hier befindet sich die Umegaoka BOX, das Studio der Virtuosität und Performance lassen rasante Bühnencollagen entstehen. Theatergruppe Rinkôgun. Dennoch haben Sakate Yôji und Rinkôgun trotz ihres Erfolgs eines Gegründet wurde die Gruppe vor mehr als 20 Jahren von Sakate Yôji mit den meisten anderen freien Theatergruppen gemeinsam: den stän- (geb. 1963), einem der renommiertesten Dramatiker und digen Geldmangel. Gastspiele im Ausland sind nur mit Fördergeldern Theaterregisseure Japans. Mit seinen Stücken hat er die wichtigsten möglich, Werbemittel und Miete für das Studio müssen durch Fotos: Rinkôgun 8 Goethe D‘A r T 2010
Sponsoren finanziert werden, die Mitglieder von Rinkôgun pendeln Store House in Ekoda auf einer Etage zwischen Supermarkt und zwischen Theater und Teilzeitjob. Denn in der japanischen Mangacafé mit Körpern in Bewegung. Seit ihrer Gründung im Jahr Kulturpolitik gelten ausschließlich die klassischen Bühnenkünste – 1994 hat die Gruppe unter der Leitung von Kimura Shingo (geb. 1957) Nô, Kabuki, Kyôgen und Bunraku – als Repräsentanten der japani- insgesamt sechs Performances erarbeitet, die die wechselseitige schen Theaterkultur, staatliche Förderung beschränkt sich auf die rund Beeinflussung von Körper, Bewegung und (Bühnen)Raum erforschen: 2500 öffentlichen Theater und Konzerthallen. Die sich immerfort bewegenden Körper erschaffen einen Raum, der wiederum Einfluss auf die Bewegungen der Performer nimmt. Und trotzdem: Die Szene boomt und brodelt und setzt unbeein- druckt von der Konkurrenz des klassischen Theaters und der medialen Rinkôgun und die Store House Company sind nur zwei Beispiele, Populärkultur kreative Energie frei. In einem künstlerischen Milieu frei die stellvertretend für die vielen anderen Theaterschaffenden die von inhaltlichen und formalen Vorgaben und Einschränkungen hat Vielseitigkeit der freien japanischen Theaterszene belegen. Die Szene sich eine Vielzahl von Stilrichtungen und Theaterkonzepten herausge- präsentiert sich kurz nach der Jahrtausendwende also überaus lebendig bildet, die von einem ebenso heterogenen Publikum mit Begeisterung und vielseitig. Gleichzeitig befindet sie sich im Umbruch, Grenzen rezipiert wird. zwischen Theater, Tanz und Performance verschwimmen zunehmend. So arbeiten junge Theaterautoren wie Okada Toshiki (geb. 1973) auch Viele Gruppen der freien Theaterszene haben für ihre Arbeiten für das Fernsehen oder verfassen Romane, was sich unmittelbar in ihrer urbane Nischen in der Megastadt Tôkyô gesucht. Sie stehen damit in Bühnensprache niederschlägt. Die Kritik spricht infolgedessen kaum der Aufführungstradition des Untergrundtheaters der 1960er Jahre, das mehr von Theater, sondern bevorzugt Begriffe wie Bühnenkunst oder den klassischen Theaterraum verließ und sich in kleinen Theaterboxen darstellende Künste. einrichtete. Wenn auch abzuwarten bleibt, wie sich das Theater in den nächsten Zu ihnen zählt zum Beispiel die Performancegruppe Store House Jahren entwickeln wird, ist eines klar: Es rappelt gewaltig in Tôkyôs Company. Sie experimentiert nicht weit von Ikebukuro in ihrem Studio Theaterkisten. Goethe D‘A r T 2010 9
Nippon Connection: Ein Festival nicht Interview mit Holger Ziegler von Kristina Hvasti nur für Japan-Fans und Christiane Mögenburg I n diesem Jahr fand zum neunten Mal das Nippon Connection Festival im Studierendenhaus Bockenheim auf dem Gelände der Goethe-Universität Frankfurt statt. Mittlerweile hat es sich zum weltweit größten japanischen Filmfestival entwickelt. Uns hat interessiert, wie es zu dieser phänomenalen Entwicklung kam und was das Besondere an Nippon Connection ist. Holger Ziegler, Mitglied der Festivalleitung, hat sich die Zeit genommen und mit uns gespro- chen. Herr Ziegler, seit wann gibt es das Festival Nippon Connection, wie ist es überhaupt entstanden? Das erste Festival fand im Jahr 2000 statt und entstanden ist es aus einer simplen Idee. Damals haben wir noch Filmwissenschaften zusammen studiert. Aus unserer Sicht gab es zum damaligen Zeitpunkt viel zu wenige Filme auf Festivals zu sehen. Wir sind dann zu dem Ergebnis gelangt, dass wir uns nicht beschweren dürfen, wenn wir nicht bereit sind, auch etwas dagegen zu tun, und stießen auf das japanische Kulturinstitut in Köln, welches eine Filmbibliothek besitzt, wo man sich Filme kostenlos ausleihen kann. Viele Kommilitonen wollten sich auch daran beteiligen, also haben wir im Rahmen des Studiums einen studentischen Workshop ins Leben gerufen. Wir sind nach Köln gefah- ren, haben uns ein ganzes Auto voller Filme geholt und sie gesichtet. Wir brauchten auch einen Ort, wo wir die Filmreihe zeigen konnten und sind auf das Studierendenhaus in Bockenheim gekommen. Was als kleine Idee begann, hat sich über einen „naiven Größenwahnsinn“ gleich zu einem Festival entwickelt. Wir haben gezittert, weil wir dach- ten, es kämen vielleicht um die 1000 Leute, wenn wir Glück hätten. richten den Blick auf uns, schauen was bei uns läuft. Wir haben da Doch dann waren es beim ersten Festival schon gleich ca. 10.000 Leute. wirklich eine Plattformfunktion. Nicht wenige Filme haben durch Das erste Festival war ein riesiger Erfolg, und hat uns darin bestärkt, ihren Anfang bei Nippon Connection eine internationale Karriere weiterzumachen. gemacht. Ein schönes Beispiel sind die sogenannten „Pink“ Filme, die erotischen Filme. Von denen, die uns geschickt werden, wählen wir bis Haben Sie das Festival rein privat finanziert zu zwei Filme aus, welche dann extra für Nippon Connection unterti- oder sich auch Sponsoren gesucht? telt werden. Indem die Filme bei uns und dann auf anderen Festivals Wir haben schon erst einmal nach Sponsoren gesucht, aber noch bis im Ausland laufen, erfahren sie auch in Japan ein größeres Interesse, heute ist das Festival eklatant unterfinanziert. Im Prinzip trägt es sich welches sie von alleine nie erhalten hätten. Nippon Connection kann erst über die Besucher. Da wir nur Privatpersonen waren, haben wir das hier als Startpunkt gesehen werden. Selbst Japaner kommen zu uns, Jahr 2001 erst mal dazu genutzt, einen Verein (Nippon Connection um sich japanische Filme anzusehen. e.V.) zu gründen und Gemeinnützigkeit zu beantragen, damit wir eine Rechtsform bekommen und das Festival veranstalten können. Von Jahr Ist das Projekt sehr zeitintensiv? zu Jahr wurde das Programm erweitert, und mittlerweile schicken wir Mittlerweile ist es sehr viel Arbeit geworden, wir verstehen uns nämlich die Filme sogar auf Tour. nicht als Studenten-, sondern als professionelles Festival, auch wenn wir uns hier im studentischen Kontext befinden. Die Arbeit an Nippon Wurde es durch die Touren international bekannt oder war das Connection ist für ein halbes Jahr ein Fulltime Job. Wir arbeiten ehren- Festivalprogramm hauptsächlich in Deutschland vertreten? amtlich, werden also nicht bezahlt. Das heißt jedoch, wir haben nor- Es wurde international bekannt, die Nippon Connection ist mittler- male Jobs nebenher, über die wir uns finanzieren, das kann schon sehr weile weltweit das größte japanische Filmfestival, und andere Festivals belastend sein. Wir platzen jetzt hier schon aus allen Nähten… 10 Goethe D‘A r T 2010
Sie haben dann auch sicher einen gewissen Qualitätsanspruch an Was ist für Sie das Spezielle am japanischen Film? das Festival? Zum einen die visuelle Erzählweise, bei der der Fokus mehr auf die Ja, natürlich. Wir haben einen absoluten Qualitätsanspruch. Dazu Bilder als auf die Geschichte gelegt wird. Zum anderen die zeitnahe gehört, dass wir auch inhaltlich ein Programm bieten wollen, das eine Herangehensweise, die es aufgrund des kurzen Produktionszeitraums Bandbreite dessen, was in Japan produziert wird, zeigt. Beispielsweise ermöglicht, aktuelle gesellschaftliche Strömungen zu integrieren. wollen wir nicht nur Anime zeigen, weil sie jetzt gerade wirtschaftlich erfolgreich sind. Wir wollen ein Festival sein, das auch mal gegen den Wie haben Sie den Namen des Festivals „Nippon Connection“ aus- Strom schwimmt. Natürlich haben wir auch immer ein paar Anime in gewählt? unserem Programm, denn man will ja die Leute mit etwas locken, das Darüber haben wir lange diskutiert. Der Name sollte gut zu behalten sie interessiert, damit sie dann vielleicht auch in einen Film gehen, den sein, aber auch zeigen, wie wir uns präsentieren. Uns war es dabei auch sie sich normalerweise nicht angesehen hätten. Wir selbst sind keine wichtig, die Bindung von Deutschland und Japan zum Ausdruck zu Japanologen, wir haben allerdings ein paar in unserem Team. Wir bringen. Irgendwann kamen wir dann auf „Nippon Connection“, hat- haben auch keine Sendungsbotschaft oder eine Idee, was Japan ist, son- ten aber leichte Bedenken, da dies ebenfalls der Name eines Romans ist dern wir wollen Diversität bieten. Jeder soll sich sein eigenes Bild von („Die rote Sonne“), in dem es um die Mafia-Strukturen in Japan geht. Japan machen können. Deswegen war es uns auch wichtig, eine Trotz aller Bedenken haben wir uns aber dafür entschieden, denn den Bandbreite des Schaffens zu bieten, die Leute auch einmal mit einem Titel „Nippon Connection“ kann man sich gut merken. anderen Blickwinkel zu konfrontieren, ihnen das zu zeigen, was sie noch nicht kannten oder nicht erwartet haben. Es ist auch sehr schön, Wie würden Sie die Festivalatmosphäre bei Nippon Connection dass wir ein Publikum haben, welches verschiedene Interessens- und beschreiben? Altersgruppen abdeckt, denn darüber gibt es einen vielfältigen Es ist eine sehr kommunikative, interaktive Atmosphäre, was uns wich- Austausch. tig ist. Die Leute sollen sich nicht nur wohl fühlen, sondern sie sollen auch angeregt werden zu erleben, zu sehen, zu entdecken. Natürlich ist Wie wichtig sind ehrenamtliche Helfer für Nippon Connection? es auch wichtig, dass wir immer Gäste dahaben, z.B. japanische Ehrenamtliche Helfer haben wir von Anfang an aktiv gesucht. Wir Filmemacher, so dass auch Begegnungen möglich sind und die organisieren das Festival zwar, aber in der Organisation ist natürlich Schranken und Hemmschwellen fallen. Man soll etwas Neues erfah- das ganze Jahr über viel zu tun. Wir haben in den fünf Tagen des ren, aus seinen Nischen hinauskommen und sich austauschen können. Festivals mehrere tausend Besucher. Mit nur einer Hand voll Leuten kann man sie natürlich nicht versorgen. Wir waren also von Anfang an Nehmen Sie die Auswahl der Filme vor oder kommt es auch immer darauf angewiesen, dass wir zusätzlich zum Organisationsteam des darauf an, wer sich jetzt bei Nippon Connection bewirbt oder wer Festivals auch noch Leute haben, die beim Aufbau helfen und während gerne seinen Film hier zeigen möchte? Oder ist es vielleicht ein Mix des Festivals präsent sind. Wir fanden in der Hinsicht auch immer aus beidem? Zuspruch. In dem Maß wie das Festival gewachsen ist, ist auch unsere Es ist Mix aus beidem. Natürlich gibt es ein Auswahlplenum. Wir ent- Datei mit potentiellen ehrenamtlichen Helfern gewachsen, die von uns scheiden, welche Filme laufen. Es gibt natürlich auch immer jedes Jahr neu kontaktiert werden. Viele machen schon seit dem ersten Einreichungen von Filmen, wir fahren auf Festivals, lassen uns Filme Festival mit und es kommen stetig neue Leute dazu. Dadurch, dass das schicken... das heißt, wir versuchen, so viele Filme wie möglich zu Festival immer an demselben Ort stattfindet, ist es noch sehr familiär. sehen, aus denen wir auswählen. Auch legen wir Schwerpunktthemen Wir haben sehr oft erlebt, dass Helfer dem Organisationsteam beitre- fest. Dieses Jahr haben wir unser Programm auf die japanischen ten, weil es ihnen bei Nippon Connection so großen Spaß gemacht hat Regisseurinnen und den Pink Film ausgerichtet. und sie sich gerne mehr einbringen möchten. Die persönliche kommu- nikative Ebene, auf der jeder sich auch ein Stück weit einbringen kann, Glauben Sie, dass das Festival auch bei Besuchern, die erst mal ist uns wichtig, auch wenn es uns nicht immer gelingt, alles umzuset- nichts mit Japan zu tun hatten, doch Interesse weckt? zen. Wir wollen den Helfern klarmachen, dass sie wichtig sind, dass Ja, auf alle Fälle, allein schon durch die Bandbreite unserer Filme und das Festival ohne sie nicht stattfinden würde. Wir haben während des unser Rahmenprogramm ist eigentlich immer für jeden etwas dabei. Festivals um die 150 Helfer, die in den unterschiedlichsten Bereichen Das Festival hat einen sehr guten Ruf regional, in Frankfurt, aber auch mitwirken. Wir können ja planen, was wir wollen, wenn wir nieman- auf internationaler Ebene. den haben, der den Einlass am Kino macht, kommt keiner ins Kino. Ihr kennt ja das Studierendenhaus hier. Wir stecken eine ganze Woche Arbeit hinein, um es zu renovieren, alles aufzubauen und eine anspre- Der Erfolg des Filmfestivals Nippon Connection beruht auf chende Atmosphäre zu schaffen. dem Engagement seiner ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Wer das nächste Filmfestival im April tatkräftig unter- stützen möchte, kann sich bewerben unter info@nipponconnection.com. http://www.nipponconnection.com Goethe D‘A r T 2010 11
Nippon Connection: pinku eiga von Martina Lenhardt B eim diesjährigen Nippon Connection Festival vom 15.-19. April stand neben vielerlei kinematografischen ten pinken Farbfilme [!]. Viele spätere Mainstream-Filmemacher sam- melten ihre ersten Regieerfahrungen im Pink Film-Genre, so etwa Neuproduktionen und (pop-)kulturellen Themen im reichhaltigen Kiyoshi Kurosawa, der mittlerweile internationale Erfolge mit Feature- Rahmenprogramm auch ein hierzulande eher unbekannter Filmen wie BRIGHT FUTURE (2003) oder TOKYO SONATA Schwerpunkt der japanischen Filmlandschaft im Zentrum: pinku eiga. (2008) feiert. Die Bezeichnung pinku eiga, zu englisch „Pink Film“, charakterisiert ein filmisches Genre, das keine genaue Entsprechung im Westen kennt. Der Frage, ob es sich im Pink Film nun um „Kunst oder Es steht für unabhängig produzierte pornografische Filme, die mit (S)Exploitation“ handelt, wurde sich während des Nippon Connection Minimalbudget auf 35mm gedreht werden und zudem häufig ästhe- Festivals auf vielfache Weise angenähert. So belegen einmal die ausge- tisch experimentell arbeiten – mitunter sogar politisch agitativ sein wählten Filmbeispiele die große Heterogenität des Genres, wie auch können. Sowohl politische Statements als auch sichtbar gemachte die Unterschiedlichkeit der teilweise nach Frankfurt gereisten und für Sexualität unterliegen in Japan äußerst strengen Auflagen und sind Gespräche zur Verfügung stehenden Regisseure, dass sich „der“ Pink nach wie vor im Mainstream-Film kaum zu finden. Selten länger als 70 Film nun wirklich nicht auf mehr als einen kleinsten gemeinsamen Minuten, gehen auch Filme des pinku eiga über bestimmte Nenner zusammendefinieren lässt. Somit wird eine grundsätzliche Zensurmargen nicht hinaus – oder finden vielmehr Grauzonen, in Beantwortung der Frage zwar nicht gänzlich umgangen, jedoch umso denen das Zeigen von Genitalien durch uneindeutige Einstellungen stärker auf die einzelne BetrachterIn zurückgeworfen: So erhält das pro forma auch als Aufnahme eines unproblematischen Körperteils Publikum des Films PARTING PRESENT (2008), der – anders als das verkauft werden kann. eigentliche Pink Film-Programm – nicht im Deutschen Filmmuseum, sondern im Festivalzentrum gezeigt wird, mitunter ungewollte 1962 läutet die Geburtsstunde des Pink Film mit NIKUTAI NO Einblicke in die Welt des Softpornos. ICHIBA (MARKET OF FLESH) von Kobayashi Satoru. Daran anschließend setzt ein Boom der Pink-Produktionen ein, deren Filme Frau Izumi findet nach dem Tod ihres Mannes heraus, dass er sie mit sich vor allem an das heterosexuelle männliche Publikum richten. einer anderen Frau betrogen hat. Beim Versuch, nach dieser Frau zu Angesichts der rasanten Verbreitung des Fernsehens und des damit ver- fahnden und Rache zu üben, entwickelt Izumi eigene sexuelle bundenen Rückzugs vom Kino in den privaten Raum, hat auch die Phantasien über die normierten Grenzziehungen des monogamen japanische Filmindustrie mit einer rapide abflauenden Konjunktur zu Eheversprechens hinaus und erlebt sie – zunächst und immer wieder kämpfen. Der Vorteil der unabhängig arbeitenden Kleinststudios, in als eben Imaginiertes, mehr und mehr jedoch aus als ausgelebte Praxis. denen die Pink Filme entstehen, verhilft pinku eiga inmitten dieser Während sich traumhafte Sequenzen und spielerische Phantasieräume schwierigen 60er Jahre, sich zum quantitativ größten Genre in Japan mit alltäglichen Szenen in Izumis Wohnung oder im öffentlichen zu entwickeln, und diesen Status bis zum heutigen Tage halten zu kön- Alltag abwechseln, gerät die ordentliche Trennung zwischen Wunsch nen. Damals wie heute werden Pink Filme in speziellen, nicht-kom- und Wirklichkeit ins Wanken – auch und gerade auf der Ebene der merziellen Kinos gezeigt und sind nach wie vor als nicht-jugendfrei Bilderzählung. Gleich zu Beginn konfrontiert PARTING PRESENT gekennzeichnet. die ZuschauerInnen mit pornografischen Sequenzen, die in unerwart- barer Schnittfolge in die Narration „auf der Straße“ hineinragen. Unter dem thematischen Feld „NIPPON RETRO – SEXPLOITA- Mamoru Watanabe, der zur Internationalen Premiere seines Films in TION AND EXPERIMENTATION: THE MANY SHADES OF Frankfurt persönlich anwesend war, gilt als Veteran des Pink Films und PINK FILM“ stellte die Programmkoordination des Festivals einen ist zur Zeit seiner aktuellen Produktion bereits 78 Jahre alt. vielfältigen Einblick in das Genre zusammen, und man hatte während der vollen fünf Festivaltage Gelegenheit, mehr über den Pink Film zu Beim Schauen der Filme steht die Vermischung von Künstlerischem erfahren. Die Forcierung des künstlerischen Anspruchs innerhalb des und Pornografischem jedes Mal erneut auf dem Spiel. Und diese pinku eiga wird beispielsweise an der 1995er Produktion TEARS OF Vermischungen zeigen sich – manchmal komisch, bisweilen schockie- ECSTASY von Hiroyuki OKI augenscheinlich: OKIs einziger hetero- rend und erotisch, oft befremdlich – als sich gegenseitig hervorbrin- sexueller Pink Film besteht wie eine mathematisch anmutende gende Kräfte desselben Kinoereignisses. Und das will vielleicht einfach Schnittform aus 60 Einstellungen von jeweils genau 60 Sekunden. nur heißen, dass die Frage nicht beantwortet werden muss, mit der das Aber auch frühere Vertreter aus den Jahren 1969 (BLUE FILM diesjährige Scheinwerferthema im Programmheft des Festivals proble- WOMAN von Kan MUKAI), 1970 (SECRET HOT SPRING matisiert ist. So entsteht jenes Changieren zwischen Erotisch- RESORT: STARFISH AT NIGHT von Mamoru WATANABE) und Anziehendem und komplexer Erzählung, zwischen Abstraktion und 1971 (GUSHING PRAYER von Masao ADACHI) waren im intimer Geste letztlich immer während des Betrachtens selbst, und ist Programm zu sehen – BLUE FILM WOMAN war dabei einer der ers- nicht als im Film bereits Festgeschriebenes zu verstehen. 12 Goethe D‘A r T 2010
Genius Party & Genius Party Beyond – Der Name ist Programm von Kyra Jäger F ilmfestivals wie Nippon Connection geben Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke abseits vom Massenmarkt einem Der Titel Genius Party Beyond lässt zunächst vermuten, dass die Regisseure noch tiefer in ihre Materie eingestiegen waren als beim größeren Publikum zugänglich zu machen. Dieses Jahr wurde das ersten Teil. Überraschenderweise erfuhr das Publikum jedoch nach der Festival durch zwei ganz besondere Anime-Kurzfilm- Präsentation von einem der Regisseure, dass Beyond sich eher auf den Zusammenstellungen verschiedener namhafter Regisseure bereichert, verpassten Abgabetermin bezog als auf die Fortsetzung des ersten Teils. nämlich durch Genius Party und Genius Party Beyond. Dennoch ist der zweite Teil ebenso abwechslungsreich wie der erste Teil, wenn auch etwas kürzer: Zu Beginn der Reihe Genius Party wird der Zuschauer langsam und bedächtig in die phantasievollen und manchmal auch grotesk anmu- Gala ist ein Mix aus Magie, Völkern, einem alten phantasievollen tenden Welten gesogen. Im gleichnamigen Einführungsfilm scheint Japanbild und der Liebe zur Natur. Die musikalische Untermalung ein großer Vogel seine Liebe zum Film in die Hirne und Herzen von reißt den Zuschauer ebenso mit in schwindelerregende Höhen wie die Steinen einzupflanzen, die sich letztlich in Projektoren verwandeln Helden und ringt ihm am Ende geradezu ein friedliches Lächeln ab. und die Wüste, in der sie leben, in gleißendes Licht tauchen. Weiter Überaus witzig und derb geht es dagegen in Moon Drive zu. Eine krimi- geht es mit einer spaßigen Hommage an die Phantasie bei Shanghai nelle, unglaublich schräge Truppe versucht, einen Schatz zu ergattern Dragon: In einer ärmlichen und dystopischen Zukunft kann nur ein klei- und stürzt dabei regelrecht vom Regen in die Traufe. Vor allem das ner Rotzbengel aus China die Welt retten, weil er noch weiß, wie man Design und die alles andere als klischeereiche Chefin bleibt einem träumt und wünscht. Gerade er zeigt übermenschlich starken Cyborgs unwillkürlich im Gedächtnis. Bei Wanwa werden wir ähnlich wie im eine ihnen längst vergessen geglaubte Welt der Phantasie. ersten Teil der Genius-Party-Reihe in eine Kindheitswelt entführt, die allein schon durch die Wahl des Designs hervorragend umgesetzt wird: In Deathtic 4 stromert eine kleine Gruppe von netten Zombiekindern Alles sieht aus, als wäre es mit Straßenkreide gemalt. Scheint die durch die stilistisch an Nightmare Before Christmas erinnernde Stadt Botschaft des Films lange Zeit zumindest tendenziell vorhersehbar zu und versucht das einzig lebendige Wesen, einen Frosch, wieder nach sein, überrumpelt den Zuschauer doch das etwas seltsame Ende, das Hause zu schicken. Dabei gerät sie in abstruse Situationen. In Doorbell die Szenen des Filmes unvermittelt in ein anderes Licht rückt. Dimension geht es ernster zu, der sehr normal anmutende Hauptcharakter wird Bomb ist ein Film, den man sehr aufmerksam verfolgen muss, da er pha- von einem verschmitzten Doppelgänger verfolgt, der ihn so lange ver- senweise nicht chronologisch bzw. überlappend ist. Es fällt anfangs einsamen lässt, bis er fast paranoid wird. Doch eine Türklingel ver- schwer so etwas wie einen roten Faden zu erkennen. Kurz: Technisch spricht Hoffnung. sehr gut umgesetzt, inhaltlich dem Titel des Werks sehr treu, (mehr- maliges Anschauen) empfehlenswert! Limit Cycle überwältigt mit einem gekonnten Mix aus brillanten Animationstechniken und philosophischen Fragestellungen. Aufgrund Den Abschluss bildet der Beitrag Toujin Kit, bei dem wir einer jungen der Sprachbarrieren und der ständigen Wechsel der Denkansätze fällt Frau dabei zusehen, wie sie ihr tristes, graues Leben führt- Die einzige es aber schwer, gleichzeitig dem Bild und der Sprache zu folgen. Farbenpracht geht von einer Art Lebewesen aus, das sie illegal züchtet. Dennoch ist dieser Film ein Muss und bringt die nötige Ernsthaftigkeit Die Präsentation wirkt gelungen, die Stilmittel gut eingesetzt, manch- in das Projekt. Bei Happy Machine fällt der Zuschauer regelrecht in die mal aber vielleicht etwas zu gut, wirkt der Film doch ab und an etwas zuweilen alptraumhafte Welt eines Kleinkindes und verliert sich zwi- langsam und dröge. Trotzdem eine gut inszenierte Mahnung an eine schen Filmrealität und Traumwelt. Die oberflächliche Darstellung der konforme Gesellschaft ohne Lebenssinn und Lebensbejahung. Welt kontrastiert wunderbar die eigentlich nachdenklich stimmende Geschichte. Abschließend kann ich sagen, dass das Projekt Genius Party seinem Namen durchaus gerecht wird. Selten hat man die Chance, die tech- Baby Blue führt uns wieder etwas zurück in die Realität und zu den nisch als auch inhaltlich herausragenden Anime solch namhafter Abenteuern, die es im wahren Leben zu bestehen gilt. Der Film spielt Regisseure (die u. a. bei Nausicaä - Aus dem Tal der Winde, Animatrix, mit dem allseits bekannten Problem, wie man gleichzeitig die eigene Cowboy Bebop usw. mitwirkten) zu sehen. Aufgrund der Vielfalt der Zuneigung für jemanden selbst anerkennt, mit Veränderungen umge- Beiträge fällt es mir schwer, ein Fazit zu ziehen, reicht doch das hen muss und seinen Charakter stärkt. Der Film ist ein gekonnter Beschreibungs-Repertoire von apokalyptisch bis hin zu zynisch. Aber Abschluss des ersten Projekts, der uns nach all den kuriosen Welten es gibt zwei wichtige Vorrausetzungen, die bei jedem Beitrag erfüllt wieder aus dem Kinosaal hinaus in die Realität entlässt. werden: Kreativität und Leidenschaft. Goethe D‘A r T 2010 13
Nippon Connection: Wenn die Kirschblüte nach Westen fliegt – Der japanische Film in seiner Entwicklung von Anna Surawska D er moderne japanische Film erlangt eine immer größere Aufmerksamkeit in der westlichen Filmbranche und erzeugt Nachkriegszeit zwischen 1950 und 1960 sehen. Nach den langen Jahren des Kriegs und der Besatzungsjahre unter US-amerikanischer ein immer größeres Publikum. Das in Frankfurt seit dem Jahr 2000 Führung fand der Staat seine lang erhoffte Unabhängigkeit. Durch die jährlich stattfindende Film-Festival „Nippon Connection“, das sich Aufhebung der Zensur war ein Durchbruch des Verbotenen und weltweit als das größte Festival des japanischen Films bezeichnen kann, Tabuisierten auch in der Kunst möglich. Während in der Kriegs- und ist ein Zeugnis des wachsenden Interesses auch hierzulande. Nachkriegszeit vermehrt Historiendramen gezeigt wurden, wurde das Die Geschichte des japanischen Films setzt fast zeitgleich mit den Kino nun zu einem Ort der Massenaufklärung. Es bot damit zugleich westlichen Filmproduktionen ein. Im Jahr 1896, nur drei Jahre nach die Möglichkeit einer Wiederbelebung des Nationalstolzes. der Erfindung des Kinetoskops von Thomas Edison, gelangt ein sol- In den 1950er Jahren erhielt der japanische Film wieder internatio- ches Gerät zum ersten Mal nach Japan, genauer gesagt, nach Kôbe. nale Aufmerksamkeit. Durch mehrere Auszeichnungen auf weltweiten Unter größtem Aufsehen fand am 25. November 1896 eine erste Filmfestivals wurden die Regisseure in ihrer Arbeit bestätigt. Als Vorführung im Kreise der kaiserlichen Familie und weniger ausge- Beispiele dafür können u.a. „Das Ergebnis der Atombombe: Hiroshima wählter Persönlichkeiten statt. Einen Monat später wurde er der und Nagasaki“, 1946 (Genshi bakudan no kôka: Hiroshima, Nagasaki) Öffentlichkeit präsentiert. von Iwasaki Akira, „Hört, die Stimme des Meeres!“, 1950 (Kike, wadat- 1897 importierte Inahata Katsutarô den Kinematograph der sumi no koe) von Sekigawa Hideo sowie „Das Kriegsschiff Yamato“, Gebrüder Lumiére nach Ôsaka. Ein dafür speziell eingeladener 1953 (Senkan yamato) von Yutaka Abe gelten. Kameramann aus Frankreich nahm in Kyôto mehrere kurze Filme auf, In den 1970er, 80er und 90er Jahren geriet das Kino jedoch durch die danach in Tôkyô vorgeführt wurden. Doch mochte man nicht eine rapide Abnahme der Kinobesucher in eine schwere Krise. Obwohl immer nur ausländische Kameramänner bestellen, um in Japan die sich im Zuge der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre viele Geräte zu benutzen. Asano Shirô war schließlich der erste Japaner, aus Filmgesellschaften auflösen mussten, überlebte der japanische Film. dessen Hand die ersten Aufnahmen eines Landsmanns stammen. 1898 Denn Japan registrierte immer mehr ausländische Regisseure im Land, nahm er zwei Kurzfilme auf: „Die verhexte Schutzgottheit“ (Bakejizô) verlegte häufiger die Dreharbeiten ins Ausland und ging und „Wiederbelebung eines Toten“ (Shinin so sosei). Kooperationen auf dem internationalen Filmmarkt ein. Japanische Obwohl der Import der Aufnahmegeräte bis dato noch die technolo- Filmproduktionen erlangten große Erfolge auf den bedeutenden gische Überlegenheit Amerikas und Europas gegenüber Japan wider- europäischen Filmfestivals. Besonders hervor trat die Verfilmung von spiegelte, wurde die Filmproduktion in Japan aufgenommen, wenn Abe Kôbô’s „Die Frau in den Dünen (Suna no onna) durch auch nur auf niedrigem Niveau. Denn trotz des großen Erfolgs von Teshigahara Hiroshi, der schon bei den Filmfestspielen von Cannes im Onoue Matsunosuke, dem ersten männlichen japanischen Filmstar Jahr 1956 den Spezialpreis der Jury bekam; oder „Die Ballade von (Hauptrolle in 1.000 Filmen innerhalb von 14 Jahren), und trotz einer Narayama“ (Narayama Bushiko) von Imamura Shohei. Er wurde 1983 maßgeblichen Weiterentwicklung der Filmtechnologie war der Film bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem höchsten Preis, „Die der Literatur und dem Theater nachgestellt. Literatur und Theater gal- Goldene Palme“, ausgezeichnet. Japanische Journalisten sprachen gar ten weiterhin als primäre Träger der hohen Kultur, während der Film von einer „Renaissance des japanischen Films“. ein Massenmedium mit niedrigem Ansehen blieb. Die Künstler des Vor allem seit den 1990er Jahren stellt man sich berechtigterweise die Theaters, vor allem die des traditionellen Nô-Theaters, grenzten sich Frage, was heute unter einem japanischen Film noch zu verstehen ist. stark vom Filmgeschäft ab, dessen Publikum vorwiegend aus Kindern Zählen hierzu auch die Produktionen der in Japan lebenden Ausländer und mittellosen Arbeitern bestand. oder auch die Werke, die in Japan nicht vor Ort gedreht wurden? Wie Mit dem Aufkommen des Tonfilms in den 1920er Jahren setzte dann „japanisch“ sind etwa Filme, die zwar auf der zu Japan zählenden süd- schließlich auch die so genannte „goldene Ära“ des japanischen Films lichen Insel Okinawa gedreht wurden, allerdings in der Sprache der ein, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs anhielt. Als erster reiner dort lebenden Bevölkerung, nämlich der Ryûkyû-Sprache, die sich Tonfilm gilt der 1931 von Gosho Heinosuke gedrehte Film „Madame wesentlich vom Standard-Japanischen unterscheidet, weswegen bei der und meine Frau“ (Madamu to nyôbô). Er handelt von einem landesweiten Ausstrahlung Untertitel eingeblendet werden müssen. Schriftsteller, dessen gesteigertes Interesse für Jazz die Vorbildhaftigkeit des amerikanischen Lebensstils für die japanische Bevölkerung wider- Die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft, der Kulturen und spiegelt. Dank der Vertonung der Filme ab den 1930er Jahren kam es die zunehmende Vergleichbarkeit der Lebensstile und der gesellschaft- zu einer Welle neuer Schauspielerkarrieren, die sich auch auf die musi- lichen Probleme in den Industrieländern sind ein wichtiges Stichwort kalischen Gattungen, wie zum Beispiel die Operette auswirkte. in diesem Zusammenhang. Nicht nur im Falle Japans fällt eine Als eine weitere Hochphase des japanischen Films kann man die Definition des „typisch Nationalen“ zunehmend schwerer. 14 Goethe D‘A r T 2010
Sie können auch lesen