Deutschland 2019: Hitlergruß im Klassenzimmer straffrei, "Antifa"-Sticker verboten - Volksverpetzer

Die Seite wird erstellt Ansgar-Maximilian Wild
 
WEITER LESEN
Deutschland 2019: Hitlergruß
im Klassenzimmer straffrei,
„Antifa“-Sticker verboten

Deutschland 2019?
Es sind beides Meldungen, die beide einzeln, und erst recht
zusammen, eine sehr beunruhigende Botschaft sprechen. So
berichten zuerst verschiedene Zeitungen wie die „MoPo“:
„Unterricht in der „Antifa Area“ Streit um linksradikale
Gruppe an Hamburger Schule“ (Quelle). Die BILD spricht gar von
„Antifa in Altona Linke Gewalt-Propaganda an Hamburger
Schule“. Das Duo, das zuletzt gemeinsam die Falschmeldung in
die Welt setzte, dass eine Kita „Indianer“-Kostüme zu Fasching
verboten hätte (Quelle), bringt wieder einmal großspurige
Schlagzeilen.

Was ist passiert? Naja, an einer Pinnwand in einer Hamburger
Schule hingen ein paar Sticker mit Aufschriften wie
„Antifaschistische Aktion“, „Jugend gegen rechte Hetze“ oder
„Antifa Altona Ost“ und ähnliche. Was das mit „Gewalt“ zu tun
haben soll, müsste mir allerdings noch erklärt werden. Nach
Hinweisen ausgerechnet über das Hamburger AfD Petz-Portal
(Mehr dazu) sprach die AfD gar von einem „linksextremen
Netzwerk“ an der Schule – wegen ein paar Anti-Nazi-Stickern.
Doch das ist gar nicht einmal das Schlimme.
Die Schulaufsicht hat sich nämlich sogleich zum Helfershelfer
der teilweise vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall
eingestuften Partei gemacht und die Sticker sofort entfernen
lassen. Das muss man sich einmal vor Augen halten. Auf
Beschwerde     einer   rechtsextremen,      teilweise     vom
Verfassungsschutz beobachteten Partei (!), die ein
datenschutzrechtlich bedenkliches Petz-Portal unterhält,
werden Sticker gegen Hetze und Faschismus entfernt. Und
darüber hinaus als „extremistisch“ und sogar „gewalttätig“
dargestellt.

Das Grundgesetz ist Antifaschistisch
Man mag sich darüber streiten, ob ein „FCKAFD“-Sticker zu weit
geht oder nicht. Aber „gegen rechte Hetze“ oder „Rechtem Spuk
entgegentreten“ sind nicht nur vollkommen vom Grundgesetz
gedeckt, sondern ein wichtiger demokratischer Konsens. Das
Grundgesetz ist „Antifa“. Wer nicht „Antifa“ ist, der gehört
vom Verfassungsschutz beobachtet. Und ratet mal, welche Partei
deshalb gerade überprüft wird? Richtig.

Die „Antifa Altona Ost“, deren Sticker an der Wand hingen,
meldete sich heute auch auf Facebook zum Vorfall.

 „Antifaschismus sollte, gerade in Deutschland, eine
 Selbstverständlichkeit sein. Es ist für uns völlig
 unverständlich, wie man den Kampf gegen ein totalitäres und
 menschenfeindliches Weltbild kriminalisieren und in einen
 Generalverdacht der Gewaltbereitschaft stellen kann. Wir
 setzen uns gegen Faschismus und für eine solidarische Welt
 ein. Darüber, inwiefern unsere Sticker und Plakate, mit
 denen wir diese Meinungen kundtun, „Gewaltpropaganda“
 darstellen, bleiben uns diverse Medienvertreter eine
 Erklärung schuldig.“
Mit Gewalt habe die Gruppe auch nichts am Hut, dazu zitiert
sie auch eine schriftliche Anfrage der AfD (Quelle) zu ihrer
Gruppe. Die AfD wollte wissen, ob Gewalttaten der „Antifa
Altona Ost“ bekannt seien. Die Antwort lautete: „Dem LfV
Hamburg liegen bislang keine konkreten Informationen im Sinne
der Fragestellung vor“. Ja, die Schulen sollten neutral sein.
Das heißt nicht, das sie unkritisch sein sollen. Und wenn
einige Schüler*innen ein paar Sticker an der Wand kleben
haben, die nichts (!) mit Gewalt zu tun haben und mit dem
Grundgesetz im Einklang sind, sollte das kein Skandal sein.

Extrem sieht anders aus
Diese Meldung wäre allein stehend schon schlimm genug. Doch
gleichzeitig wurde ein anderer Fall aus Halle bekannt, der den
Vorfall aus Hamburg noch unverständlicher erscheinen lässt.
Laut der Aussage eines Lehrers und dessen Rektors an einer
Schule in Halle, habe dieser gegen einen Schüler Anzeige wegen
Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
erstattet (Mehr dazu). Dieser Schüler habe in einem
Klassenzimmer „Heil Hitler“ gerufen und den Hitlergruß
gezeigt. Der Lehrer bekam später diesen Brief der
Staatsanwaltschaft:

 Mag ja juristisch so in Ordnung sein, ist aber moralisch und
 sozialethisch betrachtet ein sehr beschämendes Armutszeugnis
 für die Justiz, bzw. die wohl "rechtsäugig arg blinde"
 Staatsanwaltschaft in #Halle …     #NoNazis #NazisRaus #NOH8
 #FCKNZS pic.twitter.com/iOf8qZPX1A

 — Michael E. Pilarczyk (@MEPilarczyk) March 20, 2019

Laut Staatsanwaltschaft sei das nicht strafbar, weil das
Klassenzimmer kein „öffentlicher Raum“ sei und weniger als 24
Schüler*innen anwesend waren. „Ein Schlag ins Gesicht. Ich bin
geschockt. Mein Schulleiter auch“, kommentierte der Lehrer,
der sein Profil auf Twitter inzwischen gelöscht hat.
Äpfel und Birnen, oder…?
Man kann in allen diesen Fällen streiten, was die richtige
Reaktion war. Vielleicht sind „FCKAFD“- Sticker im Klassenraum
zu viel, von mir aus. Aber friedlicher Antifaschismus?
Sicherlich ist das Ausbleiben juristischer Konsequenzen für
den Schüler, der die Tat inzwischen auch bedauert (Quelle)
korrekt und wäre vielleicht auch etwas viel. Aber ist das
Entfernen der Sticker nicht auch etwas viel? Erst recht in
Anbetracht solcher Mist-Schlagzeilen wie „Linke Gewalt-
Propaganda“. Man muss nicht links sein, um Nazis Scheiße zu
finden. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die hier gerade
aufgeweicht wird.

Auf der einen Seite sind Anti-Nazi-Sticker in einer Schule ein
Skandal, auf der anderen Seite sind Symbole genau dieser Nazis
in einer Schule nicht so schlimm? Ich weiß, ich weiß. Der
Hitlergruß war eine einmalige Angelegenheit, die Sticker
kleben da den ganzen Tag. Aber die Sticker sind auch nicht
verfassungswidrig, der Gruß schon. Die Sticker rufen auch
nicht zu Gewalt auf. Der Gruß schon! Dass die AfD, eine offen
völkisch-nationalistische Partei, die teilweise bereits vom
Verfassungsschutz beobachtet wird, sich hier ins Fäustchen
lacht, sollte uns allen bewusst sein.

Wir dürfen es nicht zulassen, dass ihre Verknüpfung von
„Antifaschismus“ – also gegen Faschismus! – zu einem
Schimpfwort wird, nur mit „Linken“ assoziiert wird und erst
Recht mit Gewalt. Denn sobald die „Antifa“ genau so verpöhnt
ist, wie die „Fa“ – also die Faschisten -, dann haben sie
gewonnen. Wenn der Verfassungsschutz am Ende die AfD
beobachtet, weil sie verfassungswidrig sei, ist der dann auch
„Antifa“ und böse? Natürlich nicht. Diese Entwicklung darf
nicht vollzogen werden. Und Zeitungen wie MoPo und BILD
sollten weniger auf Klickzahlen achten, als auf seriöse
Berichterstattung. Aber vielleicht erwarte ich auch zu viel
von einem Land, in dem „Nazis Raus!“ zu einer
gesellschaftlichen Debatte führt.

 „Nazis rein/Nazis raus“ ist die dümmste Debatte des Jahres
 bisher

Artikelbild: pixabay.com, CC0

Da du diesen Artikel zu Ende gelesen hast: Möchtest du mehr
Recherchen und Analysen zu den Hintergründen von politischen
Mythen und Fake News? Oder auch Kommentare zu politischen
Forderungen und aktuellen Ereignissen? Dann unterstütze unsere
Arbeit mit einer kleinen Spende für einen Kaffee, dazu kannst
du einfach hier entlangschauen. Vielleicht hast du auch Fragen
oder     Artikelwünsche?       Dann    schreib     uns     auf
redaktion@volksverpetzer oder auf Facebook oder Twitter
Sie können auch lesen