Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose - Deutsche Borreliose-Gesellschaft e. V.

 
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Deutsche Borreliose-Gesellschaft e. V.

               Diagnostik und
               Therapie der
               Lyme-Borreliose

                                         April 2008
                                         A il 2008
Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose
Stand: Februar 2008

Inhaltsverzeichnis

1       Vorbemerkung............................................................................................................................. 1
2       Diagnostik der Borreliose ........................................................................................................... 1
        2.1 Die tägliche Praxis ............................................................................................................... 1
        2.2 5BSymptome der Borreliose .................................................................................................... 2
              2.2.1 9BSymptome der Borreliose im Frühstadium ............................................................... 2
              2.2.2 10BSymptome der chronischen Borreliose ..................................................................... 2
        2.3 6BLabordiagnostik ................................................................................................................... 4
              2.3.1 1BDirekte Nachweisverfahren ...................................................................................... 4
              2.3.2 12BIndirekte immunologische Nachweisverfahren ........................................................ 5
              2.3.3 13BForderungen der Borreliose-Gesellschaft zur Labordiagnostik der Borreliose ........ 6
3       Antibiotische Therapie der Borreliose ...................................................................................... 6
        3.1 Monotherapie ....................................................................................................................... 6
        3.2 Kombinationstherapie.......................................................................................................... 7
4       Gegen Borrelien wirksame Antibiotika..................................................................................... 7
5       Anmerkungen .............................................................................................................................. 8
6       Literaturverzeichnis .................................................................................................................... 9
7       Mitglieder der Arbeitsgruppe .................................................................................................. 10

Alle Angaben in dieser Broschüre beruhen auf dem neuesten Stand von Wissenschaft
und Forschung. Sie ersetzen jedoch keine professionelle Beratung und Behandlung
durch eine(n) Arzt/Ärztin. Für den Erfolg bzw. die Richtigkeit der Anwendungen in je-
dem Einzelfall kann die Deutsche Borreliose-Gesellschaft keinerlei Gewähr überneh-
men.

Die Deutsche Borreliose-Gesellschaft e. V. führt keine Patientenberatun-
gen durch. Hierzu wenden Sie sich bitte an die beiden großen Selbsthilfeorganisa-
tionen „Borreliose und FSME Bund Deutschland e. V“ www.borreliose-bund.de oder
„Bundesverband Zecken-Krankheiten e. V.“ www.bzk-online.de.

                                             Deutsche Borreliose-Gesellschaft e. V.
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                                                         Dr. Margot Eul
                                                         Brandsberg 6
                                                         53797 Lohmar
                                                  Tel.: (0 22 05) 90 10 6-85
                                                  Fax: (0 22 05) 90 10 6-88
                                                www.borreliose-gesellschaft.de
                                             margot.eul@borreliose-gesellschaft.de
                                                                                                                                                Juni 2008
                                                          Printed in Germany
                                                        Druck: Häuser KG, Köln
1

1     Vorbemerkung                                       rem Zeckenstich“ stets die Borreliose differential-
                                                         diagnostisch zu berücksichtigen.
Diese Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie
der Lyme-Borreliose wurden 2006 von einer Ar-           Die Veranlassung einer sofortigen serologischen
beitsgruppe der Deutschen Borreliose-Gesellschaft       Untersuchung ist nur sinnvoll, wenn es sich um ei-
entwickelt. Der Arbeitsgruppe gehörten folgende         nen Zeckenstich während einer beruflichen Tätigkeit
Mitglieder an:                                          (Ausschluss einer bereits früher erfolgten Borrelien-
                                                        Infektion) oder um Patienten mit Borrelioseanam-
R. von Baehr, W. Berghoff, H. Bennefeld,                nese handelt.
H.-P. Gabel, F. Hartmann, W. Heesch, G. Herrmann,
P. Hopf-Seidel, B.-D. Huismans, W. Klemann,             Falls die Zecke zur Verfügung steht, besteht die
U. Neubert, A. Roczinski, A. Schwarzbach,               Möglichkeit, mittels Borrelien-PCR nachzuweisen,
B. Weitkus, C. Uebermuth, J. Viebahn, P. Voss.          ob es sich um eine infizierte Zecke handelt. Eine un-
                                                        bedingte Notwendigkeit besteht für diese Untersu-
Anschließend wurden diese Empfehlungen den Teil-        chung nicht, da auch ein negatives PCR-Ergebnis
nehmern der Jahresversammlungen 2006 und 2007           Borrelien nicht 100%ig ausschließt und bei einer po-
der Borreliose-Gesellschaft vorgestellt. Hieraus re-    sitiven PCR eine Übertragung der Borrelien nicht er-
sultierende kritische Hinweise und Ergänzungen          folgt sein muss (11). Wenn der Arzt diese Untersu-
wurden in diese Empfehlungen eingearbeitet.             chung empfiehlt, wird er bei einem positiven Tester-
                                                        gebnis nicht umhin können, eine antibiotische Be-
Die vorliegende Fassung entspricht dem Stand der        handlung wie bei einem manifesten Frühstadium der
Diskussion von Februar 2008. Diese Empfehlungen         Borreliose zu verordnen, da eine Borrelieninfektion
werden weiter diskutiert und aktualisiert werden.       erfolgt sein könnte.

Mit Borreliose ist im Folgenden immer die Lyme-         Situation 2
Borreliose gemeint.                                     Der Patient schildert Symptome, die durch Früh-
                                                        manifestationen einer Borrelieninfektion hervorge-
2     Diagnostik der Borreliose                         rufen sein könnten. Ein Erythema migrans oder
                                                        ähnliche Hautbefunde sind eine Indikation für
Zielstellung der Diagnostik ist die möglichst frühe     eine sofortige Behandlung.
Erkennung und Behandlung der Borreliose sowie die
Kontrolle des Therapieerfolges.                         Sonst. Anamnese: Kontakt mit Haus- oder Wildtie-
                                                        ren?1 Aufenthalt im Hausgarten oder in der freien
2.1    Die tägliche Praxis                              Natur? Zeckenstich?2 Saugakt über welchen Zeit-
                                                        raum? Veränderungen der Einstichstelle (Juckreiz,
In der täglichen Praxis kommen in der Regel 3 ver-      Brennen, Rötung, Schwellung, kreisförmige Rö-
schiedene Situationen vor:                              tung,3 tastbare Schwellung oder weitere Farb- oder
                                                        Konsistenzveränderungen)?
Situation 1
Der Patient kommt mit festgesaugter Zecke oder          Eine Frühborreliose kann bereits vermutet werden,
unmittelbar nach Entfernung einer Zecke in die Pra-     wenn etwa 10 bis 14 Tage nach einem Zeckenstich
xis. Es ergeben sich folgende notwendige Hinweise       grippeähnliche Symptome,4 erhebliche Müdigkeits-
an ihn:                                                 oder Erschöpfungsgefühle eventuell mit migrieren-
• Den Ort des Zeckenstiches mindestens 4 Wochen         den flüchtigen Arthromyalgien (neu) auftreten.
  (maximal 6 Wo.) beobachten und bei Auftreten ei-
  ner Rötung (Erythem) sofort wieder vorstellen!        Die Körperstelle des Zeckenstichs ist wegen mögli-
• Das Gleiche gilt für das Auftreten von Fieber ohne    cher Folgen der Borrelieninfektion in unmittelbarer
  Rötung!                                               Nachbarschaft des Zeckenstiches wichtig:
• Für andere Symptome, wie z. B. Cephalgien,            • Kopf- und Halsregion > frühe neurologische Kom-
  Arthromyalgien, radikuläre Schmerzsyndrome u.           plikationen
  a., die bei dem Patienten neu auftreten, gilt eine    • Bei Gelenknähe > arthritische Zeichen bzw.
  Nachbeobachtungszeit von mindestens 12 Mona-            Schmerzen im betreffenden Gelenk.
  ten. Da Erstmanifestationen einer Borreliose auch
  nach einem noch längeren Zeitraum auftreten kön-      Sprechen Anamnese und Symptome für eine Früh-
  nen, ist bei einer „unklaren Erkrankung nach frühe-   manifestation der Borreliose, ist eine Ganzkörperin-
                                                        spektion der Haut notwendig. Nur so sind diskrete
2

multiple Erytheme oder ein Lymphozytom (beson-         • Kognitionsstörungen, psych. Veränderungen sowie
ders bei Kindern an Ohrläppchen, Mamillen und          • fokale Encephalitiden (sehr selten).
Genitalien) zu finden.
                                                       Uncharakteristische Allgemeinsymptome wie
Bei Situation 2 ist eine Labordiagnostik (Borrelien    „Grippegefühl“, subfebrile Temperaturen, Mü-
IgG/IgM-ELISA und Immunoblot) der Borrelienin-         digkeit und Erschöpfung, depressive Stim-
fektion immer indiziert. Bei klinischem Verdacht auf   mungslage, diffuse Schmerzsyndrome können in
eine Neuroborreliose ist eine Liquorpunktion u. a.     allen Stadien der Borreliose vorhanden sein.
mit Untersuchung auf borrelienspezifische Antikör-
                                                       Bei Situation 3 ist eine serologische Labordiagnostik
per indiziert.
                                                       und bei Verdacht auf Neuroborreliose eine Liquor-
                                                       untersuchung (Borrelien IgG- und IgM-ELISA; IgG-
Nur bei einem typischen Erythema migrans kann zu-
                                                       und IgM-Immunoblot) der Borrelieninfektion immer
nächst auf eine serologische Untersuchung verzich-
                                                       indiziert. Bei unklaren serologischen Befunden und
tet werden, diese sollte dann aber nach ca. 6 Wo-
                                                       als Ausgangsbefund für die Therapie-Verlaufskon-
chen erfolgen, um einen Ausgangsbefund für den
                                                       trolle ist der LTT-Borrelien zu empfehlen. (Weiteres
weiteren Verlauf zu erhalten. (Weiteres unter „La-
                                                       unter „Labordiagnostik“)
bordiagnostik“)
                                                       Besondere Probleme bereitet die Borreliose bei älte-
Für einige Berufsgruppen (u. a. Land- und Forst-       ren Patienten, da differentialdiagnostisch oft zahlrei-
wirte, Tierärzte) sind die Folgen von Zeckenstichen    che andere Erkrankungen (Multimorbidität) mit
in die Liste der entschädigungsfähigen Berufskrank-    Überschneidungen der Symptomatik zu beachten
heiten von den Berufsgenossenschaften aufgenom-        sind.
men worden. Für die Anerkennung solcher Leis-
tungsansprüche sind eine besonders sorgfältige Do-     2.2   5BSymptome der Borreliose
kumentation der Anamnese, der klinischen und der
Laborbefunde durch den behandelnden Arzt sowie         2.2.1 Symptome der Borreliose im
                                                               9B

Tagebuchaufzeichnungen und Fotos von Hautverän-              Frühstadium
derungen durch die Betroffenen selbst dringend zu
empfehlen.                                             Das Frühstadium ist charakterisiert durch das Ery-
                                                       thema migrans, das in etwa 40-60% der Fälle beo-
Situation 3                                            bachtet wird (12). Gleichzeitig kommt es oft zu ei-
Der Patient kommt mit Symptomen, die durch             nem grippeähnlichen Krankheitszustand. Auch kön-
Spätmanifestationen einer Borrelieninfektion be-       nen bereits im Frühstadium die folgenden Symp-
dingt sein könnten.                                    tome bzw. Erkrankungen auftreten:
                                                       • migrierende Arthromyalgien, flüchtige Arthritiden,
Anamnese: Zeckenstiche, Risikoberuf, Erytheme,         • Myositiden, Bursitiden,
frühere und aktuelle Symptome.                         • Enthesitiden,
                                                       • radikuläre Schmerzsyndrome,
Körperliche Untersuchung: unter anderem Haut-          • Cephalgie,
veränderungen? Gelenkveränderungen? Neurologi-         • Erkrankung von Hirnnerven (insbes. Facialispa-
sche Auffälligkeiten?                                    rese),
                                                       • Sensibilitätsstörungen sowie
Bei Spätmanifestationen der Borreliose sind weniger    • Herzrhythmusstörungen: AV-Überleitungsstörun-
häufig typische Symptome und Befunde zu erwar-           gen, ventrikuläre Erregungsausbreitungsstörungen
ten. Diese sind:                                         (RSB, LSB).
• Acrodermatitis chronica atrophicans inkl. Vorstu-
    fen (pathognomisch für eine Borreliose),           2.2.2 Symptome der chronischen Borre-
                                                               10B

• Morphaea,                                                  liose
• mono- oder asymmetrische Oligoarthritiden der
    großen Gelenke sowie                               Die Borreliose ist eine Multiorganerkrankung.
• chronische Enthesitiden.                             Deshalb kann die Untersuchung auf nur einem
                                                       Fachgebiet zu Fehlern bei der Diagnosestellung füh-
Zeichen der chronischen Neuroborreliose sind:          ren. Dieser Gefahr kann nur durch eine interdiszip-
• Periphere Neuropathien, diffuse Schmerzsyn-          linäre Zusammenarbeit bei der Erfassung mög-
  drome,                                               lichst vieler Informationen und deren diagnostischer
3

Analyse entsprechend einer Multiorganerkrankung          • atemabhängige Brustkorbschmerzen, v. a. verur-
begegnet werden.                                           sacht durch schmerzhafte Rippen-Brustbeinge-
Patienten mit chronischer Borreliose geben meist           lenke,
folgende Hauptbeschwerden an: Gesteigerte Müdig-         • nachts betonte LWS/BWS-Schmerzen sowie
keit und Erschöpfung, „wandernde“ muskulo-ske-           • Kiefergelenksschmerzen, Kiefergelenksknacken.
lettale Schmerzen, Cephalgie, Hirnleistungsstörun-
                                                         Neurologische Symptome
gen und psychische Veränderungen.
                                                         Erkrankung der Hirnnerven:
Folgende Symptome können bei einer chronischen           • Geruchsveränderungen (N. olfactorius),
Borreliose auftreten (meist mehrere aus verschiede-      • Sehstörungen mit Verschwommensehen oder Ge-
nen Organgruppen gleichzeitig) (21):                       sichtsfeldeinschränkungen (N. opticus); cave: MS,
                                                         • Pupillenstörungen auf Licht mit Mydriasis und
Vegetative Symptome                                        Anisokorie, schmerzhafte Augenbewegungen,
• Müdigkeit, Erschöpfbarkeit (Fatigue),                    Doppelbilder (N. oculomotorius, N. abducens, N.
• Schweißausbrüche, v. a. nachts und ohne körperli-        trochlearis),
  che Anstrengung, sowie Hitzewallungen,                 • „Zahnschmerzen“ und Zungenbrennen sowie Sen-
• Frösteln und Frieren,                                    sibilitätsstörungen des Gesichtes durch Irritationen
• Lymphknotenschwellungen, v. a. axillär und in-           im Versorgungsgebiet des N. trigeminus,
  guinal, oft auch in der Nähe der Primärinfektion,      • Gesichts- und Lidschlusslähmungen, meist einsei-
• Fieberschübe,                                            tig, sehr selten auch beidseitig, Ohrenschmerzen,
• geringe körperliche Belastbarkeit, diffuses Krank-       Geräuschüberempfindlichkeit, Augentrockenheit
  heitsgefühl (sich nie mehr richtig fit fühlen) sowie     durch Tränensekretionsstörung, Geschmacksstö-
• neue Nahrungsmittel- (und Alkohol)unverträglich-         rung für süß, salzig und sauer (N. facialis),
  keiten.                                                • Tinnitus, Hörsturz, Schwindel (N. stato-acusticus),
                                                         • Geschmacksstörungen, Schluckstörungen, einsei-
Kardiale Symptome                                          tige Halsschmerzen, Zungengrundschmerzen (N.
• Herzrhythmusstörungen (v. a. nächtliche Tachy-           glossopharyngeus),
  kardien, Palpitationen, Extrasystolen),                • Heiserkeit, Stimmlosigkeit, Schluckstörung und
• Erregungsleitungsstörungen mit passagerem AV-            parasympathische Symptome wie Bradykardie (N.
  Block I. bis III. Grades, Linksschenkel- und             vagus),
  Rechtsschenkelblock,                                   • Schulterhebung und Kopfdrehung beeinträchtigt
• Myo- und/oder Perikarditis sowie                         (N. accessorius) sowie
• dilatative Kardiomyopathie.                            • Zungenbeweglichkeitsstörung mit Phonationsstö-
                                                           rung (N. hypoglossus).
Magen-Darm-Symptome
• Übelkeit, Magendruck und Magenschmerzen, Auf-          Störungen des zentralen Nervensystems:
  stoßen,                                                • Nackenschmerzen und -steife,
• diffuse Bauchschmerzen mit Blähungen sowie             • häufige und heftige Kopfschmerzen, diffus oder
• häufig Durchfälle, selten Verstopfung.                   halbseitig auch stirnbetont, die kaum auf Analge-
                                                           tika ansprechen,
Muskulo-skelettale Beschwerden                           • Störungen des Gedächtnisses, der Konzentration,
• Gelenkschmerzen, meist in den großen Gelenken            der Auffassungsgabe, des Lesens, Lernens, Spre-
  mit wechselnder Lokalisation,                            chens mit häufigen Versprechern und Wortfin-
• Muskelschmerzen wie bei Muskelkater oder plötz-          dungsstörungen,
  lich einschießende messerstichartige Schmerzen,        • Schlafstörungen,
• Steifheitsgefühle der Muskulatur,                      • Stimmungsschwankungen, Depressionen, Gereizt-
• Schienbein- oder Fersenschmerzen im Liegen,              heit, Aggressivität,
• Nacken- und/oder Kopfschmerzen mit Ausstrah-           • Panikattacken und diffuse Angstgefühle sowie
  lung in die Schulterregion,                            • ADS-Symptomatik, Tics, v. a. bei Kindern.
• Sehnenschmerzen mit und ohne Schwellungen v.
  a. der Achillessehnen, Symptome wie bei Karpal-        Periphere Nervenstörungen:
  tunnel-Syndrom, Fußsohlenschmerz durch Plantar-        • Kribbelparästhesien, Brennschmerzen, „Elektrisie-
  fasziitis,                                               ren“ oder stichartige Schmerzzustände, meist in
• rezidivierende Schwellungen der Finger, Zehen,           den Extremitäten, gelegentlich am Rumpf,
  Hande,                                                 • einhergehend mit Veränderungen der Oberflächen-
• Epicondylopathie („Tennisarm“) und Bicepstendi-          sensibilität (meist Hyperpathien/Hyperalgesien),
  nopathie („Schulter-Arm-Syndrom“),
4

• Rückenschmerzen und Ischialgien/Brachialgien               gischer Zusammenhang mit einer Borrelieninfektion
  nachts betont (Bannwarth-Syndrom),                         bei folgenden Dermatosen in Betracht zu ziehen:
• Schmerzen der Kopfhaut und der Haarwurzeln                 • Roseoläres Exanthem,
  (Schmerzen beim Kämmen, sog. Haarwurzelka-                 • niedrig-malignes kutanes B-Zell-Lymphom,
  tarrh),                                                    • zirkumskripte Sklerodermien (Syn.: Morphaea),
• unwillkürliche Muskelzuckungen, teilweise auch             • Lichen sclerosus et atrophicus,
  Tonuserhöhungen der Muskulatur mit Steifheitsge-           • Dermatomyositis,
  fühlen beim Gehen sowie                                    • noduläre Pannikulitis sowie
• plötzlicher Kraftverlust eines Beines mit Abkni-           • Granuloma anulare.
  cken im Kniegelenk und dadurch Fallneigung mit
  Sturzgefahr.                                               Bemerkung: Unter der Vielzahl der aufgeführten
                                                             seltenen und häufigeren Symptome gelten nur das
Urogenitale Symptome                                         Erythema migrans, das Borrelien-Lymphozytom und
• Blasenbrennen und Druck auf der Blase mit Polla-           die Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) als
  kisurie,                                                   krankheitsbeweisend (pathognomisch).
• Blasenentleerungsstörungen, Inkontinenz,
• Sexuelle Beeinträchtigungen, Libidoverlust,                2.3   6BLabordiagnostik
• Potenzstörungen sowie
• rezidivierende Schmerzsyndrome (Prostata, Ho-              Eine rationale und gezielte Labordiagnostik ist im-
  den, Ovar, Blase, Vagina).                                 mer dann indiziert, wenn von Patienten Symptome
                                                             und Beschwerden angegeben oder klinische Anzei-
Augen-Symptome                                               chen gefunden werden, die durch eine Borreliose
• Sehverschlechterung, Metamorphopsien (Verzerrt-            hervorgerufen sein könnten.
  sehen), Gesichtsfeldverlust/Skotome, Störung des
  Farbensehens, Augenschmerzen, Störungen der
                                                             2.3.1 Direkte Nachweisverfahren
  Okulomotorik mit binokularen (beidäugigen) Dop-
                                                                    1B

  pelbildern, schmerzhafte Augenbewegungen,
                                                             Die Borreliose ist eine Infektionskrankheit. Unter
  Schielen unklarer Genese,
                                                             streng wissenschaftlichen Kriterien (gilt besonders
• rezidivierende Entzündungen aller Abschnitte des
                                                             für Studien als Grundlage für wissenschaftliche Pub-
  Auges (Konjunktivitis, stromale Keratitis, Iritis,
                                                             likationen) ist deshalb nur der kulturelle Nachweis
  Uveitis, Zyklitis, Retinitis, Papillitis, Neuritis nervi
                                                             von Borrelien beweisend für eine aktive Borrelienin-
  optici und Retrobulbärneuritis), retinale Gefässent-
                                                             fektion. Die Sensitivität dieser Methode ist jedoch
  zündung und Glaskörper-Netzhautentzündungen
                                                             für die tägliche Praxis zu gering.
  unterschiedlicher Lokalisation und Lage (Vitritis,
  retinale Vaskulitis, Periphlepitis, Chorioiditis,
                                                             Der Nachweis von Borrelien-DNA mittels Polyme-
  Chorioretinitis, Retinochorioditis) mit/oder ohne
                                                             rasekettenreaktion (PCR-Borrelien) ist zwar kein
  Maculabeteiligung,
                                                             100%iger Beweis für das Vorhandensein vitaler
• Pseudotumor orbitae, periorbitale Ödeme und
                                                             Borrelien, dennoch von hoher Beweiskraft für eine
  Hautveränderungen sowie
                                                             aktive Borrelieninfektion. Die Sensitivität der Bor-
• Augendruckerhöhungen als Folge eines entzündli-
                                                             relien-PCR ist besonders bei Spätmanifestationen
  chen Sekundärglaukoms.
                                                             der Borreliose verhältnismäßig gering. Dennoch
                                                             sollten bei Vorhandensein von Liquor bei Verdacht
Hautsymptome
                                                             auf Neuroborreliose, bei verdächtigen Hautbefun-
• Erythema migrans und Borrelien-Lymphozytom,
                                                             den aus der Hautbiopsie und bei sonstigen Biopsien
  multiple Erytheme, Erythemrezidive,
                                                             und Punktaten immer Untersuchungen zum Erreger-
• Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) als ty-
  pische, bei längerem Bestehen in ein atrophisches          nachweis erfolgen.
  Stadium übergehende entzündliche Hautver-
                                                             Hinweis: Bei Patienten mit Spätmanifestationen
  änderung sowie
                                                             bzw. persistierender Borreliose, besonders vor an-
• fleckförmige atrophische Hautpartien (Anetoder-
                                                             stehenden Gutachten, sollte mehr als bisher versucht
  mien) als Residuen einer Dermatitis atrophicans
  maculosa.                                                  werden, den Erregernachweis zu führen: Borrelien-
Aufgrund einzelner kasuistischer Mitteilungen über           PCR und Kultur aus Biopsien der Haut und an-
kulturell oder molekularbiologisch gelungene Erre-           derer betroffener Gewebe.
gernachweise oder serologische Befunde an größe-
                                                             Die Borrelien-PCR ist zur Zeit noch keine EBM-
ren Patientenkollektiven ist im Einzelfall ein ätiolo-
                                                             Leistung. Der kulturelle Nachweis von Borrelien ist
5

eine EBM-Leistung. Die Sensitivität dieser Metho-        • dass gegenwärtig noch keine Prüfungen der Test-
den ist zwar relativ gering, die Spezifität und damit    chargen mittels eines geeigneten Serumpanels vor
Beweiskraft für eine aktive Borrelieninfektion ist je-   einer Freigabe durch eine staatlich legitimierte
doch sehr hoch, was bei den bekannten Schwierig-         unabhängige Prüfeinrichtung durchgeführt werden.
keiten im Rahmen von Begutachtungen sehr wichtig
sein kann.                                               Ein negativer serologischer Befund kann, beson-
                                                         ders bei frühen Manifestationen der Borrelienin-
2.3.2 Indirekte immunologische Nach-
        12B
                                                         fektion, eine Borreliose nicht ausschließen.
      weisverfahren
                                                         Ein positiver serologischer Befund sagt aus, dass der
Nachweis von Antikörpern gegen Borrelien (Bor-           Patient zu irgendeinem Zeitpunkt eine Borrelienin-
relien-Serologie)                                        fektion erworben hat. Es ist jedoch nicht möglich zu
                                                         entscheiden, ob diese Infektion zum gegebenen
Die Borrelienserologie ist die Basisdiagnostik für       Zeitpunkt noch aktiv oder bereits ausgeheilt ist. Die-
die Frage, ob eine Borrelieninfektion vorliegen          se Entscheidung kann nur der behandelnde Arzt auf
könnte.                                                  der Grundlage der bei seinem Patienten bestehenden
                                                         Symptome und Beschwerden treffen. Der Begriff
Bei der großen Anzahl auf dem Markt befindlicher         „Serumnarbe“ in Verbindung mit einem positiven
Testbestecke verschiedener Hersteller besteht für al-    serologischen Befund sollte ohne Kenntnis der je-
le Testmethoden (ELISA, Immunfluoreszenz, Im-            weiligen Klinik nicht verwendet werden.
munoblot) eine eingeschränkte Vergleichbarkeit der
Befunde unterschiedlicher Labore. Deshalb sollten        Liquoruntersuchungen
im Untersuchungsbefund die verwendete Methode            Bei klinischem Verdacht auf Manifestationen der
und der Hersteller des entsprechenden Testsystems        Borreliose im Bereich des zentralen Nervensystems
angegeben werden.                                        ist eine Liquoruntersuchung vor und ggf. nach anti-
                                                         biotischer Behandlung (Therapiekontrolle) indiziert.
Die Untersuchung auf das Vorhandensein von bor-          Eine Pleozytose, Erhöhung des Eiweißgehaltes und
relienspezifischen Antikörpern ist nur mittels Immu-     der Nachweis einer intrathekalen Synthese von bor-
noblot möglich. Deshalb sollte bei klinischem Ver-       relienspezifischen Antikörpern (dafür muss immer
dacht auf eine Borrelieninfektion in jedem Fall der      eine gleichzeitig gewonnene Blutprobe eingeschickt
Immunoblot-Borrelien angefordert werden.                 werden) werden als beweisend für eine akute Neu-
                                                         roborreliose angesehen. Bei einer neurologischen
Auf dem Überweisungsschein für das Labor sollte          Symptomatik im Verlauf der chronischen Borreliose
die Anforderung lauten: Borrelienserologie inkl.         können diese typischen Liquorbefunde sehr viel
Immunoblot-Borrelien, VD: Borreliose.
                                                         diskreter sein bzw. gänzlich fehlen. Trotz der relativ
                                                         geringen Sensitivität sollte immer eine PCR-Borre-
Das vom RKI empfohlene und von der KV vorge-
                                                         lien-Untersuchung des Liquors angefordert werden.
schriebene Vorgehen, nur bei auffälligem Enzym-
immunoassay (oder anderen sog. Suchtesten) den
                                                         Lymphozytentransformationstest (LTT-Borrelien)
Immunoblot als Bestätigungstest durchzuführen
(sog. Stufendiagnostik), ist abzulehnen, da auf diese    In zahlreichen Publikationen wird die Notwendigkeit
Weise bis zu 15% der Patienten serologisch falsch        zellulär immunologischer Methoden für die Diag-
negativ eingestuft werden können. Ursache dafür ist,     nostik und Verlaufsbeobachtung der Borreliose be-
dass das im Immunoblot vorhandene Antigenspekt-          stritten. Seit mehr als 20 Jahren wird jedoch der LTT
rum meist nicht identisch im ELISA-Suchtest              als Methode zum Nachweis antigenspezifischer T-
enthalten ist. Der Immunoblot ist das spezifischere      Helfergedächtniszellen auch bei Patienten mit Bor-
und sensitivere Nachweisverfahren für Antikörper         reliose eingesetzt. Erst kürzlich sind dazu zwei Ar-
gegen Borrelien.                                         beiten erschienen (6, 23).

Die Qualität der Borrelienserologie ist durch die        Für die Notwendigkeit zellulär immunologischer
Einführung rekombinanter Antigene zweifellos ver-        Methoden im Bereich der Labordiagnostik der Bor-
bessert worden. Zu kritisieren ist jedoch,               reliose sprechen folgende Argumente:
• dass es bisher keine verbindlichen Vorgaben für        1. Die Sensitivität von Methoden zum Erregernach-
die Hersteller von entsprechenden Diagnostika gibt,      weis ist für die tägliche Praxis zu gering.
welche spezifischen Borrelienantigene im Testbe-         2. Ein positiver serologischer Befund ist allein kein
steck vorhanden sein müssen und                          Beweis für eine aktive Borreliose, da frühe Mani-
                                                         festationen spontan ausheilen oder durch antibioti-
6

sche Behandlungen beseitigt sein können. Sowohl          signifikant vermindert. Nach dieser Studie ist ein
IgM-, besonders aber IgG-Antikörper können über          Anstieg dieser Zellen als Laborparameter für eine er-
Jahre persistieren. Andererseits ist ein negativer se-   folgreiche antibiotische Therapie anzusehen. Eine
rologischer Befund kein sicherer Ausschluss einer        besondere biologische Funktion dieser NK-Zellen
bestehenden aktiven Borrelieninfektion, ganz beson-      für die Immunabwehr von Borrelien ist bisher nicht
ders bei frühen Manifestationen der Borreliose.          bekannt.

Falls kein positives Ergebnis der Borrelien-Kultur       Eine abschließende Bewertung der CD57+ NK-Zel-
oder der Borrelien-PCR vorliegt, kann mit dem            len als Basis-Labordiagnostikum einer Borreliose
LTT-Borrelien ein Hinweis dafür gewonnen werden,         kann derzeit aufgrund einer unzureichenden Daten-
ob im konkreten Fall eine aktuell aktive Borreliose      lage nicht erfolgen.
vorliegen könnte. Es ist jedoch zu berücksichtigen,
dass ein positives Ergebnis des LTT-Borrelien zwar       2.3.3 Forderungen der Borreliose-
                                                                 13B

sehr verdächtig, aber nicht beweisend (das ist nur             Gesellschaft zur Labordiagnostik
der positive Erregernachweis) für eine aktive Borre-           der Borreliose
lieninfektion ist. Voraussetzung für einen solchen
hohen Stellenwert des LTT-Borrelien ist jedoch,          • Die bisher für gesetzlich Versicherte obligate Stu-
dass das ausführende Labor die dafür notwendige          fendiagnostik der Borrelienserologie sollte aufgege-
hohe Testsensitivität und -spezifität gewährleistet.     ben werden.
Der LTT-Borrelien ist bereits im frühen Stadium der
                                                         • Der LTT-Borrelien sollte als Methode zum indi-
Borrelieninfektion (auch bei E. migrans) deutlich
                                                         rekten Nachweis einer aktiven Borreliose auch von
positiv und wird in der Regel 4 bis 6 Wochen nach
                                                         gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden.
Abschluss einer erfolgreichen antibiotischen Be-
handlung negativ, zumindest aber deutlich rückläu-
                                                         • Die Borrelien-PCR sollte in den EBM aufgenom-
                                                         men werden.
fig sein.

Die Indikationen für den LTT-Borrelien sind:             3     Antibiotische Therapie der Borre-
• Nachweis einer aktiven Borrelieninfektion bei                liose
  vieldeutiger Klinik,
• Therapiekontrolle 4 bis 6 Wochen nach Beendi-          3.1    Monotherapie
  gung der antibiotischen Behandlung sowie
• Verlaufskontrolle bei klinischem Verdacht auf ein      Zur chronischen Borreliose und zu deren antibioti-
  Rezidiv der Borrelieninfektion.                        scher Behandlung liegen bisher keine evidenzba-
                                                         sierten Studien vor. Es kann lediglich auf (10, 14,
Von einigen Laboren werden für die Beantwortung          15, 16, 17) verwiesen werden mit limitierten Be-
dieser Fragestellungen andere Methoden zum               handlungsdauern und widersprüchlichen Ergebnis-
Nachweis einer borrelienspezifischen Aktivierung         sen.
von T-Lymphozyten wie z. B. der ELISPOT-Test
angeboten. Dabei wird die Induktion der Zytokin-         Die Leitlinien Innere Medizin 2007/2008, Abschnitt
synthese auf zellulärer Ebene gemessen. (24) Der         „Lyme-Borreliose“, führen das Krankheitsbild der
Vorteil dieses Testes würde darin bestehen, dass ein     chronischen Lyme-Borreliose mit Ausnahme der
Untersuchungsergebnis bereits nach 2 Tagen (beim         chronischen Neuroborreliose nicht auf. Daraus folgt,
LTT sind es 6 Tage) vorliegt. Die Borreliose-Gesell-     dass jede, also auch antibiotische Behandlung der
schaft kann jedoch diesen Test gegenwärtig noch          chronischen Lyme-Borreliose einen Off-Label-Use
nicht bewerten, da ihr im Unterschied zum LTT-           darstellt, wenn diese Leitlinien zugrunde gelegt wer-
Borrelien von den entsprechenden Laboren noch            den. Andererseits belegen zahlreiche wissenschaftli-
keine Daten über die Spezifität und Sensitivität so-     che Arbeiten die Existenz der chronischen Lyme-
wie Verlaufsuntersuchungen zur Kenntnis gegeben          Borreliose, siehe z. B. (1, 2, 7, 9, 8, 13, 20). Über
wurden. Es wird außerdem empfohlen, Parallelun-          den Off-Label-Use muss der Patient informiert wer-
tersuchungen mit Immunoblot, ELISPOT- und LT-            den.
Test durchzuführen.
                                                         Bei Kindern und untergewichtigen Patienten sollte
CD57+ NK-Zellen                                          die Dosis der Antibiotika gewichtsadaptiert erfolgen.
CD57+ NK-Zellen sind eine Subpopulation der NK-
                                                         Die Behandlung mit Cephalosporinen der dritten
Zellen. Nach (22) sind insbesondere bei Patienten
                                                         Generation ist nach einer zunächst kontinuierlichen
mit Neuroborreliose die CD57+ NK-Zellen im Blut
                                                         Therapie (anschließend) auch in Form der gepulsten
7

Therapie sinnvoll; dabei werden die Medikamente          Bei antibiotischer Behandlung der Lyme-Borreliose,
an drei bis vier Tagen der Woche eingesetzt, Cef-        insbesondere bei längeren Behandlungszeiten und
triaxon 2-4g/Tag, Cefotaxim 3 x 4 g/Tag.                 synchroner Kombinationstherapie sollte zum Schutz
                                                         der Darmflora und zur Unterstützung des Immun-
Borreliose im Frühstadium                                systems mikrobiologisch behandelt werden (z. B.
Minocyclin                            2 × 100 mg tägl.   Perenterol 250, Mutaflor, Omniflora). Bei Auftreten
Doxycyclin                                400 mg tägl.   einer gastrointestinalen Mykose sollte über den ge-
Azithromycin                              500 mg tägl.   samten Behandlungszeitraum und darüber hinaus für
Amoxicillin                              3000 mg tägl.   etwa einen Monat antimykotisch behandelt werden.
Cefuroxim                                 500 mg tägl.   Bei der oralen und genitalen Mykose sollten die üb-
Clarithromycin                        2 × 500 mg tägl.   lichen antimykotischen Medikamente zum Einsatz
                                                         kommen.
Dauer: abhängig vom klinischen Verlauf, mind. 4
Wochen, bei fehlender Effizienz des Antibiotikums        3.2    Kombinationstherapie
hinsichtlich EM höchstens 2 Wochen (dann wech-
seln)                                                    Bei der Auswahl von Antibiotika-Kombinationen
                                                         zur Behandlung einer chronischen Borreliose sollten
Chronische Borreliose                                    Plasmahalbwertzeit, intrazelluläre Wirksamkeit,
Cefotaxim                                     3×4g       Wirksamkeit auf zystische Formen und Liquorgän-
Ceftriaxon                                     2-4 g     gigkeit beachtet werden, siehe Kapitel 4. In der
Benzathin-Penicillin G            1,2 Mio 2 × wöchtl.    Wirksamkeit ergänzen sich Cephalosporine der 3.
Minocyclin                           2 × 100 mg tägl.    Generation mit Minocyclin (liquorgängig) oder Do-
Doxycyclin                               400 mg tägl.    xycyclin, alternativ Minocyclin (oder Doxycyclin)
Azithromycin                             500 mg tägl.    mit Makroliden unter gleichzeitigem Einsatz von
Clarithromycin                       2 × 500 mg tägl.    Hydroxychloroquin.

Metronidazol                                     1,2 g   Metronidazol sollte möglichst für 10 Tage und zwar
Hydroxychloroquin                              200 mg    zum Ende der antibiotischen Behandlung parenteral
                                                         appliziert werden.
Dauer 3-6 Monate abhängig vom klinischen Verlauf,
bei Unwirksamkeit Antibiotikum wechseln, frühes-         Betalactame/Cephalosporine
tens nach 6 Wochen, spätestens nach 8 Wochen.            Ceftriaxon                  2-4 g tägl.     Dauer:
                                                         Cefotaxim               2-3 × 4 g tägl.     generell
Metronidazol maximal 10 Tage                             Tetracycline                                2 bis 3
                                                         Minocyclin            2 × 100 mg tägl.      Monate,
Der Einsatz von Cephalosporinen wird von einigen         Doxycyclin                400 mg tägl.
Ärzten der Borreliose-Gesellschaft kritisch gesehen,                                              Metroni-
                                                         Makrolide
da die Begünstigung des intrazellulären Aufenthaltes                                              dazol ≤10
                                                         Azithromycin                500 mg tägl.
von Borrelia burgdorferi und der Zystenbildung be-                                                Tage
                                                         Clarithromycin          2 × 500 mg tägl.
fürchtet wird (19, 18). Metronidazol und Hydro-          Telithromycin               400 mg tägl.
xychloroquin sind in vitro auf Zystenformen wirk-        Sonstige
sam (3, 4, 5).                                           Metronidazol                  1,2 g tägl.
                                                                           (möglichst parenteral)
Wöchentliche Kontrolle von kleinem Blutbild, GPT         Hydroxychloro-             200 mg tägl.
und Kreatinin, im weiteren Verlauf alle zwei bis drei    quin
Wochen. Bei Ceftriaxon sonographische Kontrolle
der Gallenblase alle drei Wochen, bei Makroliden
EKG alle zwei Wochen.
                                                         4     Gegen Borrelien wirksame Antibio-
Bei jeder antibiotischen Behandlung der Borreliose             tika
unabhängig vom Stadium ist die Gefahr einer Herx-
heimer Reaktion zu beachten. Dabei sollten Korti-        In der nachfolgenden Tabelle finden sich gegen Bor-
koide notfallmäßig (nicht prophylaktisch) parenteral     relien wirksame Antibiotika unter Angabe der intra-
in Abhängigkeit von der Ausprägung der Reaktion          zellulären Wirkung, der Liquorgängigkeit, der Wir-
appliziert werden.                                       kung auf zystische Formen und der Wirkdauer
8

(Plasmahalbwertzeit). Liquorgängigkeit:                       Liquor/   Menschen von z. B. kleinen Nymphen, die kaum gesehen
Serum-Konzentration in Prozent:                                         werden können. Dasselbe gilt für Haustiere, die draußen frei
                                                                        herumlaufen dürfen und mit denen geschmust wird (Kin-
                                                                        der!). Jeder Aufenthalt „im Grünen“ birgt Kontaktrisiken,
                                                                        besonders aber bei Graswuchs und Büschen.

                                              Plasmahalbwertzeit
                                              wirksam auf zysti-
                         intrazellulär wirk
                                                                        2
                                                                         Die häufigste Infektion erfolgt durch die 8-beinigen, im un-
                                                                        gesogenen Zustand 1,2-2mm großen durchsichtigen Nym-

                         Liquorgängig

                                              sche Formen
    Antibiotikum                                                        phen, am zweithäufigsten durch die erwachsenen (adulten)
                                                                        Weibchen mit rotem Hinterleib (Männchen sind ganz
                         sam                                            schwarz durch ihren körperbedeckenden Chitinpanzer).
                                                                        3
                                                                          Ein Erythema migrans (EM) wird oft auch Wanderröte ge-
                                                                        nannt, da es sich typischerweise mit der Zeit im Durchmesser
    Betalactame                                                         vergrößert und im Zentrum abblasst. Es wird so aber nur bei
                                                                        40-60% aller Borreliose-Patienten beobachtet (12). Auch
    Ceftriaxon              -          17%       -           8 Std      kann seine Form stark variieren je nach Ort des EM. So ist es
    Cefotaxim               -           +        -           1 Std      am Haaransatz, zwischen den Zehen, unter der Achsel oder
                                                                        in der Leiste meist nicht kreisrund. Das Erythem oder der
    Cefuroxim-Axetil        -           -        -           1 Std
                                                                        wandernde Randsaum können livide verfärbt sein oder auch
    Benzylpenicillin,       -           +        -          40 Min      so blass, dass sie kaum sichtbar sind. Ein umschriebenes,
    Penicillin G                                                        stärker gerötetes Knötchen („Zeckenstichlymphozytom“)
    Benzathin-Penicil-      -             +      -           3 Tage     kann im Zentrum des anulären Erythemrings verbleiben. Ge-
    lin G                                                               legentlich wurden hier auch Bläschen oder eine kleine Nek-
    Phenoxymethylpe-        -             -      -          30 Min      rose beobachtet. Brennschmerz oder Juckreiz können Vor-
                                                                        zeichen eines sich entwickelnden EM sein. Die Rötung kann
    nicillin                                                            aber auch die einzige für den Patienten wahrnehmbare Lo-
    Amoxicillin             -             -      -            1 Std     kalreaktion darstellen.
    Imipenem                -             -      -            1 Std
                                                                        Ein Borrelien-Lymphozytom kann sich statt eines EM, aber
    Tetracycline                                                        auch im Zusammenhang mit diesem oder einer Acroderma-
                                                                        titis chronica atrophicans entwickeln. Es besteht aus einer
                                                                        knotigen Ansammlung von Lymphozyten in einem weichen
    Doxycyclin              +        (14%)       -           15 Std     Gewebe, wie z. B. dem Ohrläppchen bei Kindern (sehr ty-
    Minocyclin              +         40%        -           15 Std     pisch), der Mamille oder dem Hodensack, aber auch an ande-
                                                                        ren Körperstellen, wie den Oberschenkelinnenseiten oder am
    Makrolide                                                           Nacken, wurde es schon festgestellt.
                                                                        4
                                                                          Typischerweise tritt innerhalb von 10-14 Tagen nach der
    Clarithromycin          +           -        -            4 Std     erfolgten Borrelieninfektion eine sogenanntes „Borreliose-
                                      2-5%                              Grippe“ auf mit allen Symptomen einer Grippe außer den
    Azithromycin            +           -        -          68 Std      üblichen Infektzeichen wie Rhinitis oder Husten. Fieber
                                                           Gewebs-      kann, muss aber nicht mit dabei sein. Meist besteht ein diffu-
                                                                        ses Krankheitsgefühl mit beeinträchtigtem Allgemeinbefin-
                                                             halb-
                                                                        den, ohne dass eine Krankheit richtig fassbar wird. Auch
                                                           wertzeit     Darmsymptome sind nicht selten und werden dann als Som-
    Telithromycin           +             -      -         2-3 Std      merdarmgrippe diagnostiziert, ohne dass der Zusammenhang
    Roxithromycin           +             -      -          10 Std      zur Borrelieninfektion hergestellt wird. Dies gilt vor allem
    (n. Gasser (3))                                                     für die Fälle, die kein EM entwickeln. Ab dem Zeitpunkt der
                                                                        Borrelieninfektion werden auch Impfungen, Narkosen oder
                                                                        banale Infekte deutlich schlechter vertragen
    Gyrase-Hemmer
                                                                        5
                                                                          Von den Chinolonen kommt lediglich Gemifloxacin in Be-
    Gemifloxacin5           +          20%       -          >12 Std     tracht. Allerdings ist es in Deutschland nicht zugelassen, je-
    Sonstige                                                            doch importierbar. Auch in den USA ist die Substanz nicht
    Metronidazol            +             +      +                      für die Behandlung der Borreliose zugelassen.
    Hydroxychloroquin       +             +      +

5       Anmerkungen
1
 Die Zeckenbesiedlung von Wildtieren insbesondere Ratten
und Rehen ist immens (bis zu 1.000 Zecken/Reh) und die
Gefahr besteht beim Berühren toter Tiere (Jäger beim aus der
Decke Schlagen!) durch das Überlaufen vom Tier auf den
9

 6     Literaturverzeichnis                                             miegebiet. Antikörperprävalenz und klinisches Spektrum.
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                                                                        mans: Association with Clinical Outcome, The Journal of
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     Sonntag. Lyme-Borreliose in einem europäischen Ende-
7   Mitglieder der Arbeitsgruppe

Prof. Dr. med. Rüdiger von Baehr
FA für Innere Medizin
Institut für medizinische Diagnostik, Berlin

PD Dr. med. Walter Berghoff
FA für Innere Medizin, Rheinbach

Dr. med. Harald Bennefeld
FA für Neurochirurgie, Sportmedizin, Heinrich Mann Klinik Bad Liebenstein

Hans-Peter Gabel
FA für Allgemeinmedizin, Wolfenbüttel

Prof. Dr. med. Fred Hartmann
FA für Innere Medizin, Chefarzt a. D., Ansbach

Dr. med. Wolfgang Heesch
FA für Innere Medizin, Vellmar

Dr. med. Gabriele Herrmann
FÄ für Orthopädie, Berlin

Dr. med. Petra Hopf-Seidel
FÄ für Neurologie und Psychiatrie sowie
FÄ für Allgemeinmedizin, Ansbach

Dr. med. Bernd-Dieter Huismans
FA für Innere Medizin, Umweltmedizin, Crailsheim

Dr. med. Wolfgang Klemann
FA für Innere Medizin, Pforzheim

Dr. med. Uwe Neubert
FA für Dermatologie, Dermatologische Klinik LMU München, Akad. Direktor i. R.

Dr. med. Andrea Roczinski
FÄ für Allgemeinmedizin, Königslutter

Dr. med. Armin Schwarzbach
FA für Laboratoriumsmedizin, Augsburg

Dr. med. Barbara Weitkus
FÄ für Kinderheilkunde, Berlin

Cord Uebermuth
FA für Augenheilkunde, Düsseldorf

Dr. med. Jochen Viebahn
FA für Allgemeinmedizin, Gummersbach

Dr. med. Peter Voss
FA für Allgemeinmedizin, Ulm
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