DIE ALTE, EWIG JUNGE FRAU FASNACHT - Fauteuil.ch
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Vom Ryslaifer DIE ALTE, EWIG JUNGE FRAU FASNACHT Schwarz prallt auf weiss, die Fronten sind klar, alle Zwischentöne wurden durch die harte Realität ausgemerzt. Es herrscht die absolute Transparenz, bis zum letzten Rappen, bis zur letzen Schraube, bis zum letzten Atemzug. Bloss die transparenten Damennachthemden wurden abgeschafft, weil sie nicht entschieden genug weiss oder schwarz sind, sondern so etwas Un- heimliches, so etwas Lauwarmes, Unent- schiedenes ausstrahlen – und dann schim- mern sogar noch rosarote Farbtöne durch. Damit ist es heutzutage niemandem wohl. Es muss der Kampf sein, jener der Gegen- sätze, Feuer oder Wasser, spitz oder rund, trommeln oder pfeifen, Guggen oder Clique. Harte Grenzen sind gefragt. Wo ge- hörst du dazu? Im hintersten Winkel der Stadt sitzt ein Dummpeter an einer Ecke, sein Kopf ruht in seinen Händen. «Jetzt schreien sie wieder», murmelt er, «jetzt gehen sie wieder aufeinander los. Wie konnte es nur exzessiv und komplett intransparent. Ob- so weit kommen? Früher gab es Menschen, wohl ich nicht gerade mit irdischen Gütern die haben zugehört, gelesen, beobachtet, gesegnet bin, verschenke ich so manches nachgedacht, sich oft und gern flanierend Dääfeli, spendiere ich so manche Runde herumgetrieben, haben deshalb viele und schöpfe aus dem Vollen. Das ist zwar Abenteuer erlebt, viele verschiedene Sa- nicht vernünftig, aber es macht Freude… chen gewusst, so haben sie mit der Zeit ein Freude? Das ist das Problem. Den Leuten bisschen Weisheit erlangt. Heute gibt es ist die Freude abhanden gekommen. Kein nur noch hochspezialisierte, hochfahrende Wunder.» Fachkräfte, die sich derart voneinander Er steht auf, e weeneli rostig sind seine erklingt eine zweite Stimme, dann eine abgrenzen, dass sogar eine würdige Kom- Gelenke vom langen Sitzen geworden, und dritte, zwei wunderfarbige Blätzlibajasse munikation mit anderen Fachkräften nicht schaut zum Firmament empor. Da er- gesellen sich ihm zu. Und schon haben mehr möglich ist, es gibt einfach Streit. Da scheint ihm plötzlich die alte, ewig junge sie ein mächtiges Ruesse im Rücken. Drei ist mir eine ordentliche Grauzone lieber. Frau Fasnacht. Frech und fröhlich reitet Waggis mit Gleggli haben sich angehängt. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, sie auf einer Wolke, trägt ein transparentes Nach einem kurzen Marsch ist der bunte als nachts alle Katzen grau waren, an der Nachthemd und ruft: «Los, nur Mut, jetzt Zug bereits auf zwanzig Fasnachtsfiguren Fasnacht sowieso. Das war meine Welt. mach schon.» Er zückt sein Piccolo – und angewachsen, wenig später auf hundert, Was ist schon Dur ohne Moll, was ist das spielt eine wunderbare fasnächtliche Ad- dann auf tausend, etwas später auf zehn- Laute ohne das Leise? Und wo bleiben die aption der «Ode an die Freude», schon läuft tausend. Und eine farbige Welle überströmt Zwischentöne? Mein Fasnachtsbudget ist er los, im Basler Fasnachtsschritt. Plötzlich die alte Stadt – endlich wieder.
Syte 2 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 3
Liebes
Publikum Was für ein Jahr 2020! Was für ein «Pfyfferli 2021»!
Seit Frühsommer 2020 wird am Spalenberg einen Funken Freude und Zuversicht auf
kabarettistisch gebrütet, getextet, kompo- Sie überspringen zu lassen, dann wär das
niert, entworfen, entwickelt, gezeichnet schlicht und einfach wunderbar!
und gebaut. Seit November täglich ge-
sungen, getanzt und geprobt. Die epide- Im letzten Frühjahr durften wir auf unsere
miologische Lage und damit verbunden Aktion «Vive le Fauteuil – Vive la Résis-
die Massnahmen der Behörden haben sich tance» eine überwältigende Resonanz und
Wir in dieser Zeitspanne mehrfach verändert.
Und unser Theaterleben immer wieder von
neuem auf den Kopf gestellt. Trotzdem
Unterstützung erleben. Sie alle haben uns
ermutigt und getragen. Das gab uns die
Kraft, den Elan und den Mut, trotz grosser
Spielraum schaffen.
wünschen Damit der Klimawandel nicht in die
haben wir uns entschlossen, am «Pfyfferli
in Zeiten von Corona» festzuhalten und
kreativ zu bleiben.
Herausforderungen dranzubleiben und bis
jetzt durchzuhalten.
Tragödie führt. Mit erneuerbarer Auch unser aktuelles «Pfyfferli» steht auf
viel
Energie in eine nachhaltige Zukunft. Wir möchten Sie, verehrte Damen und den Pfeilern der Solidarität. An dieser
Zusammen mit uns. iwb.ch Herren, mit einem kabarettistischen Spie- Stelle gebührt unser grosser Dank den
gel einer aussergewöhnlichen Zeit über- stillen und feinen «Pfyfferli»-Freunden
Vergnügen !
raschen und damit ein Zeichen setzen. und -Investoren!
Aus eigener Energie. Mitten im Sturm. Theater und Kabarett Sie ermöglichen uns und Ihnen ein «Pfyf-
sind relevant, geistige Nahrung ist wichtig. ferli 2021»; ein grosses Abenteuer auf den
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Syte 4 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 5
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allewyl», heisst sein Motto. Da steht er Schwoobe, das haltsch jo nit us. Dasch
also am Morgestraich, um 4.30 Uhr. Das nümm my Fasnacht! Ab in d Baiz, jetz
Basler Hochamt marschiert an ihm vorbei. Er hat es gehört und schnaubt verächtlich: muess y e Kaffi Luz ha, jetz muess y
Er trägt eine saure Miene zur Schau und «Immer das Änglisch-Kuuderwälsch, das d Wuet aabeschlugge!»
murmelt vor sich hin. verdrängt unsere scheene Dialäggt, scho
syt vyyle Joor, eso fremdi Fötzel ghööre nit
«Jo, die Ladäärnemooler, das sin numme an unseri Fasnacht. Und jetz lueg emool Zeitsprung.
die Larven aa, die sin jo diefzooge, grässlig
no Sälbschtdarsteller und e baar vo deene
moole jo gar nümm, sy plotte, dasch – und Sälle dert lauft als Daifel, das macht Morgestraich 2020.
digital und ghört nit an unseri Fasnacht. me nit an unserer Fasnacht – und die zwei
Und die Sujet sin jo gar nüt me, kai Witz, Tamboure dert ääne, die hän jo Fuudilar- Er steht am Gärbergässli und nichts
kai Sprutz, kai Spitz, banal, harmlos, nit ven aa, das hätts zu myyne Zytte nit gäh. s passiert – keine Trommeln, keine Later-
aagriffig gnueg...» isch nyt meh, wie s miesst sy. Drno hän si nen, keine Piccolos, keine Larven. Es wäre
au no Gliehbiirli in de Kopfladäärne, Kerze Morgestraich, 4.30 Uhr, die Zeit des Basler
«Have you seen all the lights, they’re all miesste das sy!» Hochamts. Jawohl, da steht er am Gärber-
handmade. Those masks, absolutely bril- gässli und weint. Bitterlich.
PFYFFT liant. I wonder how much time it takes to
make all the pretty things. And the music,
«Regarde Natalie, c’est merveilleux,
m-e-r-v-e-i-l-l-e-u-x!», sagt da einer
zu seiner Freundin.
UF IHRER
isn`t it great?», ruft eine Engländerin, die
in der Nähe steht, sie ist Teil einer Zu-
Zukunft ist das, schauergruppe, alle schauen dem Treiben Er nimmt es mit wachsender Bitterkeit zur
BAUSTELL
mit leuchtenden Augen zu. Kenntnis: «Jo – und dä het au kai Ahnig!
was du daraus machst. Scho numme die neumodische Märsch,
wo do pfiffen und drummlet wärde. Die
UND NIT UF
kennsch jo alli nümm. Wo sin d Aeschle-
mer, dr Waggis, dr Saggodo?»
IHRI BAUSTELL «Mensch Bertha, das ist ja wunderbar,
schau Mal dort drüben, diese Atmosphäre,
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Syte 6 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 7
Vom Ryslaifer
DO RE
ZWAI DAAME, AI SCHLÄCHTI LUUNE
MI FA
Kein Mensch weiss, wo genau sie sitzen, aber Momentan haben sie ein bisschen
die beiden alterslosen Damen sitzen bequem, schlechte Laune, die sie einfach nicht
RI CO LA
loswerden können. Denn im letzten Jahr
beide sind stattlich, resolut und wunderschön
war nichts – und dieses Jahr scheint
anzusehen. Von ihren wolkigen Thronen aus auch nicht viel zu laufen. Ja, d Frau
sehen sie alles, was in der Stadt am Rheinknie Fasnacht und d Madame Herbschtmäss
so passiert – und beide steigen sie einmal im haben wenig zum Lachen, in der Zeit der
Jahr hinunter, zur Freude der Kinder, Frauen Lockdowns und Quarantänen.
und Männer von Basel. Sie haben eine eigen-
Madame Herbschtmäss: «Wänn Si e
artige Beziehung zueinander. Grundsätzlich Mässmogge zem Kaffi, Frä Fasnacht? Y
sind sie ja dicke Freundinnen, wobei immer ha non e ganze Huffe vorig.»
eine leichte Rivalität mitschwingt, sie erzählen
einander von ihren Abenteuern, ihren Affären, Frau Fasnacht: «Nai merci, y nimm
lieber e Stigg Zibelewäije – und e
schwelgen in Nostalgie, lassen sich aber auch
Schuss Schnaps in Kaffi.»
Stars weltweit schwören auf Ricola Kräuter- für allerlei Neues begeistern.
zucker, damit ihnen auf der Bühne nicht die
Stimme versagt. Der Klassiker aus dreizehn Madame Herbschtmäss: «Immer s
Schweizer Kräutern ermöglicht aber nicht nur Glych. Dr Schnaps fliesst au als e wee-
künstlerische Höchstleistungen, sondern neli friehner am Daag...»
ist auch für das geneigte Publikum ein wohl-
tuender Genuss zwischendurch. Frau Fasnacht: «Jo, s isch mer
main-y langwyylig. Y bi noony ganz
ricola.com eso unemyietig, wie syynerzyt, in de
Joor vo sälle groosse Krieg. Aber jetz
kaan-y denn glaub scho s zwait Mool
wie allewyl gsi isch. Jetz kennt me – am iieben und schaffe, bis si s Drummlen oder
nit aabe. S isch nämlig ainerlai, wie
Oobe, uf dr Gass – albe maine, as sällen s Pfyffe beherrscht hän. Bi dr Gaischter-
die do unden entschaide, aber wenn`s
ordinäri Protz, dr Prinz Carneval, s Zepter bahn ka men aifach yystyge...»
am Mäntig nit Vieri schloot, wenn nit
an de drey scheenschte Dääg schwinge
e jede Basler uf em Märtplatz stoht
wurd. d Zyte wärde aidytig nit besser. Und Frau Fasnacht: «Jo, wenn me zäh Stutz im
und dr Morgestraich nit rächtzytzig
wenn mir Zwai nim aabe derfe, derno wird Sagg het. Gän Si`s doch zue, Sii wärden uff
Unsere Verantwortung
drummled und pfiffe wird, derno
halt alles no schlimmer.» s Alter immer koschtspiiliger...»
derf-y au my Bsuech nit mache. Do
gits laider kai Kompromiss. Sii hän in
Madame Herbschtmäss: «Also Sii blyybe Und schon sind die beiden wieder so richtig
däm junge Johrhundert jo nummen
jo als numme drey Dääg. Yyyych blyyb zickig und beginnen zu streiten. Doch jäh
aimool miessen ussetze. Bi mir seht`s
immerhin zwai Wuche...» werden sie von einer Lautsprecherdurchsage
au fir das Joor nit guet us. Y wird halt
unterbrochen: «Frau Fasnacht und Madame
ganz duubedänzig, wenn-y kai Uslauf
Frau Fasnacht: «Jetz gän Si nit esoo digg Herbschtmäss, der Santiglaus, das Christ-
ha. Bim Krieg, do han-y mi wenigsch-
aa. Myni drey Dääg sin e glaini Unändlig- kind, Prinz Carneval, der Maienbaum, der
tens können echauffiere, iber die
kait, die wiegen e ganz Joor uff...» grosse lachende Kürbis und der Osterhase
Duble dert unde. Dasmool sin si glaub
erwarten Sie im Sitzungzimmer.»
nit emool sälber tschuld.»
Madame Herbschtmäss: «Jetz rysse Si
doch s Muul nit esoo wyt uff. Mängg ver- Madame Herbschtmäss: «Ou nai, jetz
Madame Herbschtmäss: «Do han-y
liebt Päärli het sich uf em Riiserad s erscht miemer wiider e soone laidigi Sitzig ab-
aber au andery Gschichte gheert, s
Mool umarmt und in dr Gaischterbahn s halte, mit sällem Plebs, mit den Internatio-
haig mit em Naturfrevel z due, wo si
erscht Mool gschmuust. Mit settige Sache nale...»
yyfrig bedryybe. Drotzdäm, si dien
sorg ych nit z`letscht auf fir Fasnachts-
Weltweit tätig – mer alli laid. Obwohl si mii waiss dr
nochwuggs...» Frau Fasnacht: «Denn miemer au wiider
Daifel gnueg zämmegstuucht und de-
in der Schweiz zuhause. myietigt hän, in de letschte Joor han-y
Hochdytsch parliere…»
Frau Fasnacht: «Jo, aber bi Iine koscht
mi aifach nimm esoo kennen entfalte,
alles e Huffe Gäld. Gässlen isch allewyl no Madame Herbschtmäss: «Derf-y vorhär
wie friehner…»
gratis – und Liebespäärli han-y au scho ze non e weeneli vo Ihrem Schnaps in my
Dausige zämmebrocht...» Kaffi ha?»
Frau Fasnacht: «Jo, wäm saage Si
das? Mi het men au scho in greessere
Madame Herbschtmäss: «Das mag syy,
Wirde ghalte, syynerzyt, wo alles no
aber die hän lang und vyyl miesse lehre,
Syte 8 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 9
Mehr Pfiffigkeit
für Basel. KLATSCH
Vom Saggodo
Ruckzuck, könnte man sagen, oder noch
schneller als das im Volksmund allseits
bekannte Lauffeuer verbreitete sich im
T E A T I M E A M S PA L E N ERG Pfyfferli-Ensemble und hinter der Bühne
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samen Lektüre eines Blasius-Gedichtes im Jochbeinbereich verspürte.
(vermutlich „Ändlig wider Morge- Vollends aus dem Ruder lief die Ge-
straich“Anno Domoni 1973) passiert sein. schichte am Abend der Premiere. Wäh-
jährig befallen) vom Fieber erfasst. Im
Als darauf Dietlind nichtsahnend beim rend hinter den Kulissen Laurence noch
Moment als der Vorhang fiel, hatte es
Kostümantransport Carolines Zylinder versuchte die Contact-Tracing-Daten
alle eingeholt: Das alte Fasnachtsfieber.
Mit uns schiesse Sii mit demjenigen von Myriam verwech- auszuwerten, streute Yasmin mittels
Piccoloklängen Fasnachtsluft in alle
Eingehüllt in Räpplistaub und Larven-
lackdunst waren Sorgen und Kummer
Ihri Räppli nid zum Ecken und Kanten. Roland und Ursina
wurden somit als Letzte (Felix nicht
verflogen, der Alltag vergessen, es wogte
Fänschter us.
das Vorfasnachtsvirus durch Mark und
mitgezählt, da jener seit Jahren ganz-
Bein. Eine jede und ein jeder sehnte sich
in diesem Moment mehr denn je nach
der nächsten Morgestraichdruggede am
Spalebärg, wann immer diese sein wer-
de, vereint, trotz kalten Füssen, durch
die wichtigste aller Fragen: «Brennt
äggscht s Kopfladärnli am Vieri?»
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Syte 10 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 11
«Einige Abstriche machen»
Von Christian Platz
oder: Auf den Abwegen der Fantasie
Der Chef steht vorne und schwitzt sicht-
lich, auf der Stirn, über seiner Designer-
brille. Seine beiden Fachberater*innen
sitzen ihm links und rechts zur Seite, sie
sind froh, dass sie nichts sagen müssen.
Die drei hohen Herren tragen Massanzüge.
Vor ihnen, im Saal unten, sitzt der Pöbel,
stinkend, dreckig, dumpf, schlecht geklei-
Drmit die drey scheenschte det, in der Masse aber mächtig. Es dürfte
wohl nicht einfach werden…
Dääg au scheen klinge. Der Chef setzt sein grosse Megaphon an,
es handelt sich um einen wahrlich mäch-
tigen Trichter, den er mit beiden Händen
– und kleine Grapscher hat er – umfassen
muss. Schreien ist notwendig, denn fast
alle vom Plebs, die im Ort wohnen, sind
Binningerstrasse 152 | 4123 Allschwil gekommen, nur Edi liegt daheim, besof-
info.basel@musikhug.ch fen auf dem Sofa, aber den braucht es ja
musikhug.ch/standorte/basel/ sowieso nicht.
«Ich weiss, dass Sie alle nur wegen einer
musikhug.ch
Sache hierher gekommen sind. Ich weiss,
welche Frage uns allen, ja auch mir, auch
mir, auch mir, auf den Nägeln brennt.
Deshalb und ohne viel Federlesens, ohne
INS_Fauteuil_Fasnacht_21.11.17.indd 1 21.11.17 13:44 sie alle über das Format verfügen, auch fortgesetzt: «Es wird nicht abgesagt. Wir dem Chef an den Ohren, die übrigens gar
Umschweife, ohne lange Reden, wie es
differenzierte Botschaften auszuhalten...» müssen jedoch einige Abstriche machen, stattliche Ausmasse haben, dieser erhebt
schon unsere Vorfahren aus der Gaswerk-
die Sache ein wenig modifizieren, aber nun nochmals seinen mächtigen Trichter:
siedlung gehalten haben, wie es unserem
Der Pöbel, im Chor: «Sags jetzt, sags jetzt! nichts Schmerzhaftes, nur einige situa- «Aber, das ist doch keine Absage, denn…
Ortscharakter entspricht, der ja sowohl
Gopferdammi, sags jetzt...» tionsbedingte Anpassungen.» das mit de Weggli können wir machen, d
von Barbaren als auch von Römern geprägt
Weggli werden gebacken!»
wurde, zu gleichen Teilen, damals, als...»
Der Chef verliert ein wenig die Fassung, Dem Pöbel entweicht ein unzufriedenes
seine Stimme gleitet nun, was er nicht «Uuuuuuuuuhhhh». Diese Botschaft nimmt dem Pöbel den
Schon ruft einer aus dem Pöbelhaufen:
beabsichtigt hat, in die Höhe, ja in jene Wind aus den Segeln, der Sturm verebbt.
«Sags jetzt endlich! Wird es abgesagt?»
berüchtigte Micky-Maus-Höhe, Albtraum «Wie gesagt, es sind einige kleine Ele- «Also gut», «immerhin d Weggli», «ja mei-
aller Oratoren: «Ich sags ja, ich sags ja. mente, die wir abstreichen müssen. Man netwegen», «wenigstens wird gebacken»,
Der Chef kräuselt die Lippen, die Vorweg-
Also, es wird nicht abgesagt!» könnte es auch reduce to the max nennen. diese und andere Resignationsformeln
nahme der Frage irritiert ihn, nun muss
Zum Beispiel das mit den Umgängen in entweichen dem Pöbelhaufen, der sich
er sich mit einem kleinen aber teuren Sei-
Bass erstaunt schauen ihn seine beiden Umhängen, ich weiss, wie sehr wir alle, langsam verzieht, allerdings macht der
dentüchlein den Schweiss von der Stirne
Fachberater*innen an. Der Chef, mit Nach- auch ich, auch ich, auch ich, an dieser eine oder die andere schon die Faust im
reiben: «Also, gehen wir gleich in medias
druck: «Es wird durchgeführt.» Tradition hängen, aber unter den gegebe- Sack. Doch die scharfe revolutionäre Luft
res, ich sage es unverblümt, quasi nackt
nen Umständen sind die Umgänge ein- ist verpufft.
stelle ich es in den Raum, ich weiss, dass
Die Fachberater*innen reissen die Augen fach nicht möglich. Genauso wenig, wie
Denken Sie hier auf, als hätten sie ein Gespenst gesehen.
Der Pöbel grölt und applaudiert. Heftige
das Lärmende, kein Lärm in diesem Jahr.
Ja, auch auf das Fässerrollen müssen wir
Sichtliche Erleichterung beim Chef und
den beiden Fachberater*innen. Sie klopfen
an Turnschuhe? Begeisterung im Saal, damit hat niemand verzichten, genauso wie auf die öffentli- sich gegenseitig auf die Schultern. «Gop-
Warum nicht. gerechnet. Ein herrlicher Lärm. Die beiden
Fachberater*innen sind aufgestanden und
che Auspeitsch... – äh – Abspeisung der
Waisenkinder, das Firnleuchten und das
ferdammi», sagt der Chef, «das ist ja noch
einmal gut gegangen, das muss gefeiert
Unternehmer denken weiter. Zum Beispiel, wie
schreien dem Chef beidseitig in die Ohren. Moggesuuge...» werden. Ich lade Sie beide ein.» Und so
aus Plastik müll nachhaltige Turnschuhe hergestellt Credit Suisse ziehen sie zu dritt ins Puff, in jenes, das
werden können. Und wir sind die Bank, die mitgeht. unterstützt
Unternehmer «Bitte, bitte, bitte...», ruft der Chef nun Der Pöbel tobt und drängt nach vorne, der Pöbel nicht kennt, von dem der Plebs
credit-suisse.com/unternehmer
in den Saal hinein. Langsam legt sich der eine schreiende, stinkende, zornige Men- nichts weiss, weil es den besseren Herr-
Begeisterungsorkan, die Fachberater*in- schenmasse, zu allem bereit. Die Fach- schaften*innen vorbehalten ist. Sie wer-
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Syte 12 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 13
Ressort
NostalgieVier fasnachtsprähistorische Einzelmasken aus den Vorstädten
Wir können heutzutage ja nur noch in die fasnächtliche Vergangenheit abtauchen. Sehnsucht nach der guten alten Zeit
ist bekanntlich die beste Medizin zur Linderung jener schmerzhaften Härten unserer Gegenwart. Damals war alles noch
so, wie wir es heute gerne hätten. Die Quartierfasnacht blühte, bis zum Fröschenbollwerk, zum Badischen Bahnhof, in die
Breite, ins Gundeli hinaus. Und damals gab es auch noch unzählige Einzelmasken, die als Solipsisten durch jene drei Tage
zogen, welche die Basler Welt im Lot halten. Jene ausgestorbenen Einzeltäter mit ihren originellen Ideen, teilweise recht
derben, handgreiflichen, wie sie in den guten alten Zeiten ja gang und gäbe waren. Im Nebelloch der Vergangenheit sind
sie längst verschwunden, ausgestorben. Dr Saggodo und dr Ryslaifer sind hinabgetaucht – und haben vier Trouvaillen ans
Licht der Gegenwart gebracht.
s Veyeli
vom Fröschebollwärg
dr Masseplauderi vo dr Dälsbägerallee Ihr Auftritt war zwar riskant und hochnotpeinlich, aber die Leute
liebten s Veyeli. Ihr Gosdym stellte eine Bordsteinschwalbe aus
den unausprechlichsten Zonen des tiefsten Glaibasel dar, die-
Man vermisst ja heutzutage schmerzhaft-gerne das prickelnde sem Sündenbabel auf der falschen Seite des Rheins. Sie war eine
Intrigieren. Seinerzeit, als sich alle in der Stadt noch kannten, stattliche Erscheinung, Brüste und Hintern hatten beängstigende
florierte dieses Spiel der fasnächtlichen Indiskretion. Und die Ausmasse, die Larve war mit einem psychotischen Grinsen be-
höchste Blüte jener Kunst manifestierte sich in der Einzelmaske dr malt, das linke Auge eingebläut – und sie ging immer schwanger.
Masseplauderi, vielleicht markierte er sogar den Anfang vom Ende Sie hatte es auf brave Ehepaare abgesehen, die Arm in Arm am
des Basler Intrigierwesens. Hinter der grauen Larve, die einen Strassenrad standen – und sie kannte die Namen aller Männer. Sie
höhnischen Ausdruck zur Schau trug, unter dem grauen Kostüm, pflegte sich an die Herren zu schmeissen und sagte: «He Ruedi,
tobte sich ein wohlhabender, gefürchteter Industrieller aus, der kennsch mi no? De hesch mi jo guet zahlt, aber fir dr Brooten im
in einer elefantösen Villa residierte, mit Kunstsammlungen, Oofe längt`s halt nit!» Dann kam das Schockierende, sie hockte
Maitressen, Sklaven und allem standesgemässem Prunk ausge- auf die Strasse und simulierte eine Geburt, es trat allerdings kein
stattet, am Stadtrand. Der Mann hatte wirklich en Eggen ab, Baby zutage, sondern ein frischer, grosser Fisch, ein Sonntagsbra-
bestach er doch Amtspersonen, Prostituierte, Pfarrherren, be- ten oder eine wunderbare Torte. Das grosse Rätsel – es ist auch
schäftigte er doch allerlei Spione und Privatdetektive, während heute noch nicht gelöst – wie und wann hat s Veyeli ihren Bauch
des ganzen Jahrs, nur um an Informationen für seine Fasnachts- nachgeladen? Sie konnte eine beachtliche Anzahl solcher Gebur-
indiskretionen zu kommen. Niemand hat ihn jemals erkannt, denn
sein Mantel hatte gepolsterte Schultern, er hatte einen falsche
dr Doggter Pflätteri ten hintereinander vollführen, niemand wusste, wie all die Ware
in den Bauch kam. Immer wenn sie – es könnte sogar sein, raun-
Ranze an den Bauch geschnallt. Zudem konnte er in einer lauten ten die Leute, dass ein Herr unter der Larve steckt – auftauchte,
vom Badische Bahnhof
Fistelstimme sprechen, die herrlich an den Nerven sägte. Er ist nie
auf der Strasse gelaufen, tauchte plötzlich, wie aus dem Nichts,
Intellektuellenbrille, Doktorhut, akademisches Gebaren, über und
versuchten die Damen, s Veyeli auf ihre Ehemänner aufmerksam
zu machen. Denn so eine essbare Bescherung, gratis und franko,
dr Bartab Joggeli
mitten im Publikum auf, nahm jemanden aufs Korn und warf dem bedeutete noch etwas, in jenen kargen, leider verflossenen Tagen,
Opfer alle Peinlichkeiten sowie die privatesten Geheimnisse an
über mit Schlamm, Mousse, Schaum bedeckt, der Mann und sein
den gloriosen Zeiten des Wassers und des harten Brots.
vo dr Dalbebrugg
Requisitewäägeli, das übrigens recht geräumig war, an die zwei
den Kopf, die jenes vor der Welt (teilweise sogar vor sich selber)
Meter hoch, an die vier Meter breit. In den guten alten Zeiten gab Er hat an der Quartierfasnacht immer den Besenwagen gemacht,
zu verbergen versuchte, sodass es alle im Umfeld von gewiss acht
es ja unzählige amüsante Blüten der Quacksalberei, die heutzu- denn alle Herren und ihre Damen flüchteten, wenn er auftauchte.
Metern genau hörten. Er war gefürchtet wie keine andere Einzel-
tage teil- und erfreulicherweise wieder in Mode kommen. Von In der guten alten Zeit waren ja mächtige Bärte im Schwange, die
maske. Die Leute amüsierten sich zwar, wenn es jemand anderen
Akademikern hatten die guten einfachen Leute sowieso eine klare Gesichtsbehaarung stellte den ganzen Stolz der Familie dar. Die
traf, aber niemand wollte selber getroffen werden… Wurde er
Meinung, die würden alle in dr Spinnwindi landen, weil sie zu viel Frauen pflegten zu sagen – «jo, y ha dä mit em scheeeeeenschte
wirklich nie erkannt? Tatsache ist, der wohlhabende Industrielle
nachgedacht hätten. Genau dieses Volksempfinden brachte dr Bart gnoh» –, die Kinder zogen einander entlang der väterlichen
war eines Tages plötzlich spurlos verschwunden – und nimmer-
Doggter Pflätteri auf den fasnächtlichen Punkt. Kaum zu glauben, Barthaare auf – «my Herr Babbe het dr brächtiger Bart als dyyne,
mehr aufgetaucht.
wie viele Materialien er mitführte, mit denen man wunderbar ätsch-bätsch, alli sage`s». dr Bartab Joggeli war der eigentliche
pflättern kann, Schlamm aus Elsässer Sümpfen, Schäume aller Erfinder der modernen Hutschere, nur dass es bei ihm halt noch
Gattung, Produkte aus der Chemischen. Wenn er durch die Quar- eine Bartschere war. In jeder Hand (er verfügte über zwei) hatte
tierstrassen zog, rutschten alle Fasnachtsgruppen, die auf ihn er eine dieser teleskopischen Apparaturen, die er vorne mit gar
folgten, auf seiner Schleimspur aus, was für viele Verletzungen scharfen Scheren ausgestattet hatte. Unheimlich geschickt und
sowie schadenfreudiges Gelächter am Strassenrand sorgte, jaja, infam operierte er mit diesen Instrumenten: Schnipp Schnapp
die unverfälschte Fröhlichkeit von anno dazumal. Seine Metho- – und der buschigste Bart war ab, mit ihm fiel der Familienstolz
den waren hinterhältig – und er agierte mit traumhafter Ge- ins Bodenlose. Kein Wunder ist das Publikum gerannt. Doch wer
schwindigkeit. So sagte er zu einer jungen Dame: «Y glaub, as du steckte hinter dieser Masgge? Verdächtigt wurde s Annelies, eine
ebbis hesch, Mysli. Lueg do, nimm dy Medizin.» Bevor das Opfer der ersten Suffragetten unserer alten Stadt, tatsächlich war es
in irgendeiner Weise reagieren konnte, war es eingepflättert, mit Bruder Pius, ein Einsiedler aus dem Allschwilerwald, der die Eitel-
Schlagrahm oder Haferschleim. dr Doggter Pflätteri verschonte keit aller irdischen Zierde betonen wollte. Derart philosophisch
niemanden, die vornehmen Herren wurden genauso verschlammt ward die Fasnacht im alten Basel.
wie die fröhlichen Kinder, die besoffenen Rueche und die alten
Mammeli. Er war wahnsinnig beliebt, man nannte ihn auch «dr
Schieber mit em stargge Waage», bis zu seinem tragischen Ende.
Bei seinen Fasnachtsvorbereitungen, anno Holz, hat ihn ein El-
sässer Sumpf verschluckt. Mit Stumpf und Stiel.
DIE PFYFFERLI-BANDE
SCHAUT IN DIE ZUKUNFT
Eines Morgestraichs – wir wissen nicht wann – wird die alte Caroline Rasser:
Frau Fasnacht wieder in ihrer ganzen Pracht auferstehen. «Wenn dann der Tag kommt, an dem dieser ganze Spuk vorbei ist, und
auch die drey scheenschte Dääg wieder in ihrer vollen Pracht aufblühen ...
dann werde ich wohl so erschlagen sein vor Glück, dass ich drei Tage
und Nächte in einen Tiefschlaf der Erleichterung fallen werde.
Und peng – : nomol e Fasnacht verpasst!»
Arth Paul: «An diesem Tag werde ich …
jodeln aus vollem Hals und judihuiiiiiiii schreien!!!!
Und einen neuen Marsch komponieren.»
Roland Hermann:
«An diesem Tag werde ich … werde ich am Morgen nach der 60. Pfyfferli-Vorstellung
vom Wecker um 03:59 aus dem Tiefschlaf gerissen, höre um 04:00 den Morgestraich,
Myriam Wittlin: «An däm Daag wird ich … in my Piccolo hüüle.» dreh mich dann auf die rechte Seite und schlafe weiter.»
David Bröckelmann: Marius Hatt:
«An diesem Tag werde ich … die Maske «An diesem Tag werde ich … friedlich in den milden
mit der Larve tauschen und mich positiv Morgentemperaturen meinen Kaffee auf meinem Balkon
auf Fasnacht testen lassen...» geniessen, in Gedanken versunken an meinem Gemüsegar- Ursina Früh:
Salomé Jantz: ten, tief einatmen und sagen: la vita è bella!» «An diesem Tag werde ich …
«An diesem Tag werde ich … den Wecker ausnahmsweise vor Freude ein Rad schlagen,
auf 02:00h stellen, einen Gaggo trinken, ganz viel mein Piccolo aus dem Keller
Schnuuderlümpe in den Mantel packen und mit holen, die 4. Stimme vom Arabi
Vorfreude-Tränen am Spalenberg auf die Dame warten.» lernen, einen Blätzlibajass
nähen, ein Kopfladäärnli malen
und im Räppliregen tanzen.»
Ronja Borer:
«An diesem Tag werde ich
… jubilieren, jauchzen,
Freudentänzchen auf- Felix Rudolf von Rohr:
führen und mich einfach «An diesem Tag werde
riesig freuen; denn wenn ich … ihr einen ganz, ganz
Frau Fasnacht aufersteht, dicken Schmutz auf die
bedeutet dies, dass end- oberen Backen geben,
lich langsam Normalität vielleicht auch mehrere
einkehrt und wir wieder vor (Schmütze, nicht Backen),
vollen Rängen auf der Pfyf- weil ich das dann nämlich
ferli-Bühne für Sie, liebes wie früher wieder darf.»
Publikum, singen dürfen!»
Syte 16 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 17
TAM TAM
SCHNITZELBÄNGG
SINGVOGEL
imPfyfferli
In Lause, Lieschtel, Lupsige duet s Wasser eeländ stingge Jetz spändet nägschtens scho der zwäiti Roche-Duurm Schatte,
dr Keemiker waarnt sy Kantoon: „iir deerfed säll nit dringge“ und au der Clara-Duurm stoht bald scho vor der Matte.
ai Schlugg länggt, ass s Grindwee git und em Hiirni schaadet
so wie d Rammel schwätze, hänn die joorelang drin baadet.
SPITZBUEB Und wenn die fertig sin mit allem Drum und Draa,
fangt me bim Biozentrum äifach nomoll aa.
Ych höör vom Mami hüt no d Döön
«Iss uff, denn wird morn s Wätter schöön!»
Jetzt hämmer d Stroof, dass Gott erbaarm:
Ych vyyl z digg und s Klyymaa z waarm.
DOGGDER FMH
HEIRI Si, Ych bi mit dr Greta Thunberg am WEF go käffele
Bim Sutter Beck häi sy d Mäitlibäi Glücksbringer tauft. denn het sy iber s Verschwände vo Ressource afoo wäffele
S wird nid lang goh, bis me im Dezämber Grättimensche chauft. Zem s Klima rette muess ych jetz - het die befoole
Damit mr käi Verchäufere e Strick wird chönne dräie, Myni Röntgebilder sälber moole!
bstell y, wenn dört e Zwätschge stoht, en Aprikoosewäie.
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Der Zukunft auf der Spur
KINO OUDEN-PLAZA Absolutes Locarno-Material, von der
Geschlossen sind die (wenigen) Lichtspielhäuser (die
es noch gibt), verschoben die meisten Premieren, Staub
Die Odyssee iranischen Regisseur*in Zika Zackafahani,
die dafür bekannt ist, dass sie sich niemals
setzen die Drehbücher für die Streifen der Zukunft an. festlegt. Es dreht sich um Ziegenhirt*innen,
Es ist ja nun in Mode gekommen, alte Stof-
Wir stellen Ihnen, geschätzte Filmliebhaberinnen und Kesselflicker*innen und Teebrauer*innen,
fe aus der Weltliteratur zu verhun.., äh, zu
die sich – auf der Flucht vor repressiven
Filmliebhaber, also einige Titel vor, die Sie nie im Kino veredeln, indem man sie in unsere Tage
Geschlechtsidentitäten – in die Wüste
geniessen werden. Vielleicht sehen Sie einige dieser versetzt – und die Geschichte der Vorlage
Dascht-e Lut zurückgezogen haben. Gegen-
Werke dann künftig einmal, spät nachts, am Fingge- einfach links liegen lässt. Zuletzt gesche-
seitig singen sie einander dort epische
kino, im Pyjama, bei Ueli Bier und Sunnereedli, ohne hen mit Alfred Döblins «Berlin Alexander-
prophetische Lieder über die Zukunft vor.
platz», der eine dicke Mehlsuppe mühelos
sich jener Bedeutung bewusst zu sein, die ihnen einst Und eine goldene Zukunft soll es sein, Trau-
in ein dünnes Kräuterteelein verwandeln
zugedacht war, welche sie halt nie erlangen werden. konnte, ohne Zucker (wo denken Sie auch
ben und Datteln werden an den gleichen
Büschen wachsen, nicht zu hoch, und die
hin?), dafür mit einer guten Prise Seggs,
den es in Basel bekanntlich gar nicht gibt.
ZYSCHTIG: Weinpressen werden nie stillstehen. Das
KINO NIRWANA-CLUB Werk dauert neun Stunden. Wer es sich
Nun ist also Homers Odyssee an der Reihe.
MORGESTRAICH: KINO NADA Odysseus ist eine Drag Queen, an der Bas-
anschaut, hat dabei ein gutes Stück seiner
Morgenstern Zukunft verbraten – und sehnt sich in die
He Died and Came Back ler Fasnacht immer als alte Tante unter-
wegs. Sie sucht dann jeweils den Waggis
Vergangenheit zurück.
mit der stolzesten Nase, um ihn auf dem Ein gewagtes Titanenwerk hätte es werden
Was haben wir nicht auf ihn gewartet. Leiterwäägeli, das zu diesem Zweck im sollen, dieses Lichtspiel von Meisterregis-
Weil er nicht rechtzeitig gekommen ist, hintersten Winkel des letzten Gässli par- seur Aurelio Demente. Die Handlung hätte
musste die grösste Kinokette der Welt kiert wird, zu verführen. Dabei hat sie, an sich über mehrere Zeitebenen erstreckt,
www.tuev-sued.de/ms-zert dichtmachen. Der Song war schon da, der der Fasnacht 2018, ihre Lieblingshaarnadel die blutige Geschichte des Morgensterns,
Trailer vorhanden, doch der Agent hat auf verloren, in einem mächtigen Räpplihau- Lieblingswaffe der alten Eidgenossen, wäre
43221_MI_PS-INS1_und_PS+PG_Kombi-Inserate3_A5_RZ.indd 2 28.08.20 13:59 sich warten lassen, er war wohl in einer fen. Seither irrt sie verzweifelt durch die mit einer – leicht fiktionalisierten, aber
verschneiten Berghütte, in einsamer Höhe Stadt am Rheinknie, auf der Suche lernt intellektuell anspruchsvollen – Biographie
mit einem Supermodell zugange, wobei sie allerhand wüste Gestalten kennen, die des Dichters Christian Morgenstern (John-
heftig geschüttelt und gerührt wurde… Zu sie täuschen, quälen – und dann auch noch ny Depp hätte in dieser Rolle, ausgenüch-
lange dauerte das Warten, bis an jenem auslachen. Sie irrt durchs tiefste Glaibasel, tert, sein Comeback gegeben) vermischt
Tag, an dem sogar die Zeit gestorben ist, wird von einem dämonischen Fährimaa worden. Dazu hätte man noch die Geburt
bis einfach kein Interesse mehr vorhanden zerzaust, stolpert durch die Hölle der Heu- und das bittere Ende des bösen Engels
war, der Film im Regal der Produktions- waage, bis zu den Gestaden der Schütze- Luzifer Morgenstern (Kim Kardashian in
firma verstaubte und schliesslich ver- matte hinaus. Doch die Fasnacht und den einer Hosenrolle, die Hose wäre hinten
Wir kümmern uns um
schimmelte. Nun erfolgt plötzlich der Räpplihaufen, die findet sie einfach nicht übrigens hauteng gewesen) eingebaut. Alle DONNSCHTIG
Neueinstieg, bescheiden, klein, mit Laien- mehr. Die Suche geht weiter... Komponenten des komplexen Narrativs
Ihr Wohneigentum: darstellern. 007 trinkt jetzt Gspritzte (mit sollten am Ende zu einer Apokalypse ver-
KINO ZUR LETZTEN LATERN´
• Rechtsberatung
Citro, nicht mit Mineralwasser) und trägt
ein BKB-Lyybli. Er jagt den bösen Jasser
eint werden, deren Inszenierung 150 Mil-
lionen Dollar verschlungen hätte. Leider
Alles ist Nichts
Arafat, der irgendwie heimlich überlebte hat sich Aurelio Demente beim Schreiben
• Interessenvertretung und inzwischen im St. Johann Spiel- des Drehbuchs so sehr in den Handlungs-
Jean-Paul Sartre hat einst ein dickes Buch
über das Sein und dessen kleines Brüder-
• Bauberatung schulden anhäuft, deshalb hat er sich dem strängen verheddert, dass er ganz froh war,
Bescheissen ergeben. Vom Herzkönig hat lein, das Nichts, geschrieben. Nun, alle
• Miet- und Verkehrs- als die Produktion dem 13. Lockdown zum
der Agent den Auftrag erhalten, dem Ge- Streifen dieser Welt beschäftigen sich auf
Opfer gefallen ist.
wertschatzung sellen das Handwerk zu legen. Ein Jass, wie irgendeine Art und Weise mit dem Sein.
jener zwischen 007 und dem alten Arafat, Doch das Nichts wurde noch nie verfilmt.
• Verwaltung von Christopher Nolan hat es jetzt angepackt,
wurde noch nie geklopft, ein Spiel aus der
Stockwerkeigentum Hölle. Wer wird gewinnen? Wer bekommt im breitesten Blockbusterformat, mit
das Mädchen, die schöne Schaggle aus stellarem Budget. Der Inhalt des Werks
Bottmingen, ins Bett gelegt? Wer wird zum bleibt streng geheim, gedreht wurde unter
Finale vom Dach des St. Johanns-Törli ge- schärfster Bewachung, an einem unbe-
stossen? Fragen über Fragen, tief wie jenes kannten Ort, mit Darstellerinnen und Dar-
Werden auch Sie Mitglied beim Geheimnis, welches das Jenseits birgt. stellern, deren Namen unter Verschluss
Hauseigentümerverband. gehalten werden. Der Film komme erst
ins Kino, wenn alles wieder wie früher sei;
die Premiere ist auf den Sankt-Nimmer-
Telefon 061 205 16 16 www.hev-bs.ch leins-Tag festgelegt.Syte 24 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 25
Von Christian Platz
Theater programm
Dieses Detail hinterlässt keine
Spuren. Ausser Glanz.
Funkelnde Gläser lassen Sie strahlen?
Dialäggt*
Ganz nit gschläggt
MONTAG
Ensemblebeschimpfung
Kai bitz perfäggt Von Franz-Joseph Fusske
Der Adora Geschirrspüler mit SteamFinish sorgt
für perfekten Glanz ohne Wasserflecken. Vo de Stroosse verdräggt MITTWOCH
Details machen den Unterschied.
Mehr unter vzug.com
Uf de Gasse gfunde
1966 hat Peter Handke mit seiner Publi-
kumsbeschimpfung für Furore gesorgt. Die Traumschaumspiele
In finschtere Stunde Schauspielerinnen und Schauspieler haben Vom Guschti Spaalebärg
In schuurige Runde das bezahlende Publikum beschimpft,
An kai Regelwärgg bunde hochnäsig, von der Bühne herunter. Das Agnes ist im Schaumbad eingeschlafen.
Werk war unter anderem ein Symbol dafür, Ihr Kopf ruht auf einem kleinen Plastikkis-
Aha, Si hän e Biechli glääse dass jene, die da oben auf den Brettern sen, weiss mit roten Pünktchen. Glücklich
e Dialäggtbrevier, en yysige Bääse stehen, auch sonst über den Leuten da lächelt die schlafende Dame, während der
An dr Fasnacht hogge Si uf dr heggschte Chaise unten stehen, die nichts anderes als Be- ZEISCHTAG Schaum sich langsam zurückzieht und den
Und fiehre dert säll sältsam Wääse schimpfung verdient haben. Fusske hat
nun das Gegenstück lanciert, schliesslich, Gaischter Von Baptiste Brühlisauer Blick auf ihren wohlgerundeten Körper
freigibt. Immer wieder spricht sie im
...wo Dialäggt heisst an der kurze Laine so der Autor, würden die da oben von Schlaf, singt seltsame Melodiefetzen, sagt
E Heldestraich, so kennt me maine… denen da unten leben, die teure Eintritts- Oski, jüngster Spross einer bettelarmen
«jaaajaaaajaaaa», grunzt und stöhnt, die
karten gekauft hätten. Handkes Stück pas- Familie, arbeitet als Putzmann im Kreuz-
pure Ekstase. Plötzlich dröhnt die Haus-
Aber denn rysst sich säll Wääse plötzlig los se absolut nicht mehr in unsere neodar- gang einer Kathedrale am Oberrhein. Mit
glocke los, der Lieferservice von Sandalo
Git dr Chaise (und em Daig druf) e mächtige Stooss winistische, neoliberale Welt, denn heute seinem kargen Lohn ernährt er seine fünf
ist da. Unsanft erwacht Agnes, weiss zu-
s Dialäggt isch ebbe wild und uferlos sei die alte Ordnung wieder hergestellt, die Brüder, seine kleine Schwester und seine
nächst gar nicht, wo sie sich überhaupt be-
So rennts mit usgstreggten Ärm uf d Strooss da heisse: «Wer zahlt, befiehlt». Also hat Mama, der Vater ist lange schon gestorben,
findet. Dann sinken ihre Mundwinkel nach
er die Ensemblebeschimpfung erfunden, an der Grippe. Natürlich treiben in dieser
unten, der graue Alltag hat sie eingeholt,
s umarmt s Pagg und d Rueche im grellen Licht stehen die Leute vom En- Gruft Geister ihr Unwesen, besonders arg
Tränenbäche fliessen aus ihren Augen und
Und die, wo suffen und schmuuse semble splitternackt auf den Brettern. Die treibt es der, schon zu Lebzeiten ver-
vermischen sich mit dem trüben Badewas-
Und flirte und flueche Herrschaften aus dem Publikum dürfen sie hasste, wohlhabende Schneidermeister
ser, da seufzt sie und sagt, mit zitternder
(und sogar d Katholigge, sälli gschpässigi Clique) nach Lust und Laune grob beschimpfen, Hagenbach. Er pflegt unsichtbar durch
Stimme: «Es ist schade um die Fasnacht.»
die alte Dalbanese wurds gruuse auslachen, demütigen, mit Obst bewerfen den Kreuzgang zu fliegen – und aus dem
– und sogar begrapschen oder schlagen, Nichts Ohrfeigen zu verteilen. Oski ist
«Y bruch kai Regle, bass in kai Brevier eine kleine Leiter verschafft Zuschauern sein Lieblingsopfer, Oski fängt eine nach
Y schloof under dr Brugg, y lääb im Quartier den Zugang zur Bühne. Unser Grosserfolg der anderen. Er kommt jeden Abend mit
Y suug alles uff, Champagner und Bier dieser Saison, fast alle Vorstellungen sind dicken roten Backen nachhause, die seine
Und jetz e ausverkauft. Eine grossartige Ensemble- Mutter Helen mit Juchtenfett einreibt,
Y ha nämlig meh Noten, als jedes Klavier»
feyn Ueli Bier. leistung, bei der es keine Hauptrolle gibt. will ihr aber nicht sagen, was los ist. Eines
«Hösch», saits und verschwindet, im wilde Fasnachtsdryybe Nachts stellt ihn sein kleines Schwester-
Dert will sichs an alle Kepf, alle Schänggeli (und Fudi) ryybe. lein zur Rede. Schluchzend berichtet ihr
Oski vom bösen Geist. Die Kleine entwi-
*Mer schryybes, wien ys d Fädere gwaggsen isch. Savvy? ckelt einen raffinierten Plan, wie man das
Phantom loswerden könnte. Also ziehen
sie gemeinsam zum Kreuzgang, die Kleine
trägt eine Plakatrolle unter dem Arm.
Kaum hat Oski mit dem Putzen angefan-
gen, schlägt der Schneidermeister zu, mit
Macht, der Putzmann wankt. Seine kleine
Schwester zieht ein grosses Bild aus der
Plakatrolle, entrollt es und ruft: «Sieh dir
das an, böser Geist!» Wer oder was ist auf
dem Helgen zu sehen? Eric Weber? Ein
Modellfoto des Claraturms, wie er ausse-
hen wird, wenn er einmal fertig ist? Frau
Martullo Blocher? Das Rheinbord nach
einer langen warmen Freitagnacht? Das
nächste Drämmli-Modell der BVB? Die
Jahresrechnung der Messe Basel? Wird ihr
Zauber wirken? Ja, wenn Sie das wissen
Eigenständig und charaktervoll. wollen, müssen Sie schon ins Theater
Brauerei Fischerstube. www.uelibier.ch kommen, wir schenken Ihnen doch keinen
Schluss!Syte 26 / Pfyfferli-Zytig 2O21 Pfyfferli-Zytig 2O21 / Syte 27
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ALTERNATIVBESETZUNGEN
Hagelwätter – Ronja Borer
alli Waggis und Binggis gumpen in Rhy. Ursina Früh
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Text: Hansjörg Schneider Am Spalenberg schlägt
DOOTEDANZ ein Herz für Basel.
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Text: Felix Rudolf von Rohr
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Text: Emanuel Kuhn
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REISCHL DINGS DO BAUMANN & CIE
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