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2021 Kreislaufwirtschaft Höchste Zeit für die Wende Verpackungsdesign Schweigen ist Silber, Reden ist Gold Chemisches Recycling Reicht das mechanische Recycling aus, um die Quoten zu erreichen? Kommentar Nach der Wahl – was nun zu tun ist Abfallvermeidung Auf geliebte Gewohnheiten verzichten Nachhaltigkeit Wir müssen reden Kreislaufwirtschaft Zeit für neue Koalitionen Foto: uluer servet yüce; pixabay.com
Trends, Analysen, Meinungen und Fakten zur Kreislaufwirtschaft! MINIABO Seit 75 Jahren berichten wir unabhängig und aktuell über die wirtschaftlichen, politischen und technischen Entwicklungen in der Recycling- und Entsorgungswirtschaft. Mittlerweile auch mit einer App, die neben der digitalen Ausgabe des Magazins auch tagesaktuelle kostenlose Nachrichten beinhaltet. Überzeugen Sie sich selbst und testen Sie das RECYCLING magazin: s 3 Ausgaben plus Sonderhefte s Zugang zum eJournal inklusive Heftarchiv s Prämie bei Umwandlung in ein Jahres-Abo Nur 39 Eur Jetzt abonnieren! www.recyclingmagazin.de/mini-abonnement
Editorial Ein weites Feld D ie Idee für dieses außerplanmäßige Sonderheft kam mir im Frühjahr, als wir gemeinsam mit der DGAW und dem BNW zwei Online-Seminare zum Verpackungsrecycling veranstaltet haben. Die Nachfrage bei beiden Veran- staltungen war überwältigend – und wir mussten feststellen, dass sich in 90 Minuten längst nicht alle Fragen beantworten lassen. Das gilt natürlich auch für dieses Heft, denn das Thema des Verpackungsrecyclings ist dann doch ein sehr weites Feld. Und wie Sie beim Lesen feststellen werden, liegt der Fokus fast aller Beiträge vor allem auf Kunststoffverpackungen. Da besteht offenbar der größte Handlungsbedarf, auch und gerade im Jahr 2021 noch. Ich möchte mich bei allen Autor*innen bedanken, die die- ses Heft durch ihre Beiträge erst ermöglicht haben. Und Ihnen wünsche ich eine inte- ressante und hoffentlich auch anregende Lektüre. Michael Brunn Verlagsleiter, Chefredakteur Tel.: +49 (0) 89 38 16 20-713 michael.brunn@recyclingmagazin.de Inhalt 04 Höchste Zeit 16 Auf geliebte 24 Sind kompostierbare Verpackun- für die Wende Gewohnheiten verzichten gen wirklich nachhaltiger? Die technischen Möglichkeiten für Statt Abfälle zu verwerten, müssten Sie sind derzeit in aller Munde und Veränderungen sind da, sie müssten viel mehr Maßnahmen zur Abfall- sollen das Plastikproblem lösen: nur genutzt werden. vermeidung ergriffen werden. kompostierbare Verpackungen. 08 Reicht das mechanische Recycling, 18 Design for Circularity 26 Zeit für neue um die Quoten zu erreichen? bei Verpackungen Koalitionen In Deutschland werden nur 46,7 Pro- Circular Economy und Circular Eine neue Regierung sollte auf den zent der Kunststoffabfälle einer stoff- Design sind die Schlagworte, die die Königsweg zur Emissionsminderung lichen Verwertung zugeführt. nächsten Jahre bestimmen werden. zurückgreifen: Kreislaufwirtschaft. 12 Innovative Sortiertechnologie 20 Nachhaltigkeit für das Verpackungsrecycling wir müssen reden! Es sind deshalb Maßnahmen auf Diese ominöse Nachhaltigkeit, die allen Stufen des Lebenszyklus und der gerade in aller Munde ist, ist schwer Wertschöpfungskette notwendig. zu fassen und kaum zu definieren. 15 Nach der Wahl – 22 Schweigen ist Silber, was nun zu tun ist Reden ist Gold Ein Kommentar von Dr. Katharina Was in der Kreislaufwirtschaft bei Rubriken Reuter, Geschäftsführerin Bundesver- allen Bemühungen noch nicht im 03 Editorial band Nachhaltige Wirtschaft. Kreis fließt, sind Informationen. 28 Impressum Verpackungsrecycling | 2021 3
Kreislaufwirtschaft Höchste Zeit für die Wende Kunststoffabfälle sind längst zu einem fundamentalen Problem geworden. Einen besonderen Anteil daran haben die Kunststoff- verpackungen. Die technischen Möglichkeiten für Veränderun- gen sind da, heißt es in der Studie „Verpackungswende jetzt – So gelingt der Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststof- fe in Deutschland“ von WWF und Systemiq, Sie müssten nur genutzt werden. K unststoffe sind notwendig, betonen Deutschland sei bei Verpackungen Neuplastik.“ Die nominale Recyclingquote die Autoren, da andernfalls unser längst nicht Recyclingweltmeister. Zwar sei betrage 48 Prozent, wenn man davon aus- Leben in seiner heutigen Form nicht die Quote unsachgemäß entsorgter Abfälle geht, dass die Exporte tatsächlich vollstän- möglich wäre. „Die Vorteile von Kunststoff- gering, aber das Material werde in hohem dig recycelt werden. verpackungen sind zwar unbestritten, doch Maße der thermischen Verwertung zuge- In einem Business-as-usual-Szenario die Art und Weise, wie derzeit Kunststoff führt. Zudem sei Deutschland einer der würde die Nachfrage nach Kunststoffen produziert, verbraucht und entsorgt wird, hat größten Exporteure von Kunststoffabfällen. in den kommenden zwei Jahrzehnten um vielfach verheerende Auswirkungen.“ Kunst- Auch der Rezyklateinsatz sei gering. „Geht 14 Prozent zunehmen. Der Anteil schwer zu stoffverschmutzung sei mittlerweile auf der man von den Recycling-Erzeugnissen aus, recycelnder Stoffe wie Folien oder Mehr- ganzen Welt im Übermaß zu beobachten. werden nur 30 Prozent der Kunststoffver- schichtmaterialien würde von 45 auf 48 Pro- Ohne Änderungen beim Umgang mit Kunst- packungsabfälle tatsächlich in Deutsch- zent steigen. Bei der Verbrennung würde stoffabfällen werde sich die Lage weiter ver- land recycelt, davon 10 Prozent im offenen es zu einem Anstieg um 5 Prozent kom- schärfen. Kreislauf und nur 20 Prozent als Ersatz für men, während das tatsächliche Recycling Verbleib von Verpackungsabfällen aus Kunststoff Szenario „Business-as-usual“ und Szenario „Systemwandel“ im Vergleich SZENARIO „BAU-SZENARIO“ SZENARIO „SYSTEMWANDEL“ Reduzierung, Vermeidung Reduzierung, neue 4,0 Mt 4,0 Mt Bereitstellungskonzepte 8% Substitution durch Papier 3,5 22 % 3,5 Substitution durch 23 % 3,0 3,0 biobasiertes Material 16 % Recycling in 8% geschlossenem Kreislauf 2,5 0% 4% 2,5 1% Recycling in 0% offenem Kreislauf 2,0 2,0 20 % Quelle: Analyse von SYSTEMIQ Chemisches Kunststoff- zu-Kunststoff-Recycling 1,5 1,5 14 % Exporte 56 % 1,0 1,0 7% Chemisches Kunststoff- 0% zu-Brennstoff-Recycling 3% 0,5 0,5 15 % Verbrennung 0 2% 0 1% Unsachgemäße 2020 2025 2030 2035 2040 2020 2025 2030 2035 2040 Entsorgung
in Deutschland auf 38 Prozent „Die Recyclingmärkte für Polymere, bei tum, ein nachhaltigerer Konsum, ein rück- ansteigen würde. Insgesamt denen es sich nicht um PET handelt, funkti- läufiges Gewicht der Abfälle, ein stark sin- würde die nominelle Recyc- onieren nicht“, so die Einschätzung der Stu- kender Verbrauch bei Tragetaschen und eine lingquote aber auf 42 Prozent die. Die aktuellen Recyclingziele seien zudem verstärkte Substitution von Kunststoffverpa- zurückgehen. sehr ambitioniert und nur über zusätzliche ckungen durch Papier und Papierverbunde. Bei einer Umsetzung Maßnahmen erreichbar. „Insgesamt rei- Das System bleibe aber grundsätzlich a ller bestehenden Ver- chen die derzeitigen Vorschriften nicht dafür linear. Der Anstieg des Abfallaufkommens Foto: E. Zillner pflichtungen von Politik aus, Deutschland auf dem Weg hin zu einer könne nur zum Teil durch ein effizienteres und Industrie würde der Kreislaufwirtschaft im Verpackungswesen zu und effektiveres Recycling ausgeglichen wer- Anstieg des Neukunststoff- bringen.“ den. Es würden weiterhin hohe CO2-Emissi- verbrauchs nur 4 Prozent onen anfallen. Bis 2040 nennt die Studie cir- betragen. In Bezug auf das Business-as-usual ca 17,2 Millionen Tonnen, was etwa 5 Prozent BAU-Szenario für 2040 wür- des deutschen CO2-Budgets entspreche. den das Abfallaufkommen Das schon erwähnte BAU-Szenario umfasst um 5 und die Verbrennung ein durchschnittliches jährliches Wachstum Bestehende Verpflichtungen um 32 Prozent zurückgehen. beim Verbrauch von Kunststoffverpackun- Die Recyclingquote würde auf gen von 0,6 Prozent. Bei flexiblen Monoma- In diesem Szenario liege der Schwerpunkt auf über 50 Prozent steigen. „Vor dem terialien mit 0,7 Prozent und Mehrschicht- mehr Recycling und nicht auf Abfallreduzie- Hintergrund des fast vollständig aus- verpackungen mit 1 Prozent wird von einem rung oder den Ersatz von Einwegkunststof- geschöpften Recyclingpotentials von PET überdurchschnittlichen Wachstum ausge- fen durch andere Materialien. „Beim Hebel und den nicht funktionierenden Märkten für gangen. Einer der wichtigsten Faktoren dafür Vermeidung und Reduktion sowie Substituti- andere Rezyklate sind dies ambitionierte Zie- ist laut Studie der Anstieg des Pro-Kopf-Ver- on konzentrieren sich aktuelle Politikinstru- le. Angesichts des aktuellen Systems ist nicht brauchs durch ein BIP-Wachstum, ein gro- mente auf kleinvolumige Anwendungen, wie sicher, dass sie erreicht werden können.“ ßes Angebot an preiswerten Neukunststof- etwa Trinkhalme. Großvolumige Anwendun- Die Studie weist auf diverse Schwierig- fen und der Trend zu kleineren Haushalten gen wie etwa Flaschen oder B2B-Verpackun- keiten beim Übergang zu einer Kreislauf- und Verpackungseinheiten. Auch der Trend gen werden dagegen entweder nicht angegan- wirtschaft für Verpackungen hin. So liege bei zu Convenience-Produkten und der Konsum gen oder nicht durchgesetzt.“ Daher hätten den Politikinstrumenten derzeit der Fokus unterwegs und bei Bedarf würden dazu bei- diese Maßnahmen auch nur geringe Auswir- auf Recyclingquoten und nicht auf Abfall- tragen. Zudem gebe es einen Trend zu gerin- kungen und würden zu einer Verringerung vermeidung und Mehrwegkonzepten. Durch gerwertigen und schwerer zu recycelnden des Gesamtaufkommens von lediglich 5 Pro- To-go- und Convenience-Produkte steige die Verpackungen. zent führen. Das Recycling würde in diesem Nachfrage nach Materialien, die schwieriger Die Entwicklung werde durch einige Szenario auf 55 Prozent steigen, der Anteil zu recyceln sind. Aufgrund fehlender Nor- gegenläufige Trends zwar gebremst, aber der Verbrennung um 15 Prozent zurückge- men sei zudem die Verwendung von Rezy nicht vollständig aufgefangen. Dazu gehören hen. „Mit den bestehenden Verpflichtungen klaten im Non-Food-Bereich beschränkt. laut Studie ein negatives Bevölkerungswachs- kann daher der Übergang zu einer Kreislauf- Vergleich der Auswirkungen im Szenario „Business-as-usual“ und im Szenario „Systemwandel“ Szenario „Business-as-usual“ Szenario „Systemwandel“ Kunststoffverbrauch nach 3.651 kt 2.054 kt Reduzierung und Vermeidung Kunststoffherstellung aus fossilen 3.321 kt 1.212 kt Rohstoffen Eine stärker auf Nachhaltigkeit und Kreisläufe ausgerichtete Verbrennung 2.212 kt 601 kt Kunststoff-Industrie Recycling 1.492 kt 1.595 kt Treibhausgase 17,2 Mt CO2-Äquivalente 10,2 Mt CO2-Äquivalente Quelle: Analyse von SYSTEMIQ Unsachgemäß entsorgter 65 kt 41 kt Kunststoff Kosten 781 Mio. Euro -130 Mio. Euro Ohne gesellschaftliche Nachteile Arbeitsplätze 44.500 Arbeitsplätze 45.100 Arbeitsplätze
Kreislaufwirtschaft wirtschaft im Verpackungswesen in Deutsch- ausgeschöpft werden. In diesem Szenario erzielte Reduzierungen helfen. Als wich- land nicht realisiert werden.“ würden auch die CO2-Emissionen deutlich tigste Anwendungen für diese Maßnahmen sinken – aber nicht genug, um Klimaneutra- nennt die Studie B2B-Folien; Becher, Scha- Systemwandel lität bis 2045 zu erreichen. Die Autoren beto- len, Trays; Folien; andere starre Verpackun- nen allerdings, dass in dem Szenario vom gen aus Monomaterial sowie Beutel und Die Instrumente und Technologien für den derzeitigen Energiemix ausgegangen wer- Mehrschichtmaterialien. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft sei- de und Energieeffizienzsteigerungen nicht en bereits vorhanden, heißt es. „Einfach eingeplant worden seien. Die Studie nennt Wiederverwendung ausgedrückt, wird eine Kreislaufwirtschaft außerdem einen systemweiten Zusatznutzen für Kunststoffe in Deutschland nicht durch bis 2040 von fast einer Milliarde Euro sowie Die Reduzierung in Verbindung mit fehlende technische Lösungen verhindert, einen leichten Anstieg von Arbeitsplätzen. Mehrwergkonzepten sei der größte Einzel- sondern durch unzureichend abgestimmte Die Studie identifiziert sieben System- hebel, so die Studie. Durch Mehrweg könn- Recyclingrahmen, Geschäftsmodelle, Anrei- maßnahmen zur Zielerreichung. te der Nutzen von Kunststoffverpackungen ze und Finanzierungsmechanismen entlang um 23 Prozent gesteigert werden, lebensmit- der Wertschöpfungskette.“ Mit dem Sze- Vermeidung und Minimierung telechte Flaschen würden dabei das höchste nario Systemwechsel sei eine Reduzierung Wirkpotenzial bei Reduzierungen bieten. Der des Neukunststoffverbrauchs um 59 Pro- Die Nutzung nicht erforderlicher Kunst- Anteil von Mehrwegflaschen könne bis 2040 zent gegenüber dem Verbrauch von 2019 zu stoffe müsse minimiert werden. Verpackun- auf 80 Prozent gesteigert werden. „Aufgrund erreichen. „Die durch das Szenario ‚System- gen und Verpackungskomponenten müssen seines etablierten Mehrwegsystems mit Ein- wandel‘ bewirkten kumulierten Einsparun- überflüssig gemacht oder aus auflösbarem heitsflaschen aus Glas und PET ist Deutsch- gen an Neuplastik könnten sich bis 2040 auf Material hergestellt werden. Diese Mini- land ideal aufgestellt, um den Einsatz von geschätzt 20,9 Millionen Tonnen belaufen. mierung könne etwa durch die Reduzierung Einweggetränkeflaschen zu reduzieren.“ Als Das entspräche mehr als dem Sechsfachen übermäßiger Verpackungen, Gewichtsre- eine der wesentlichen Schwierigkeiten nennt der Jahresproduktion an Kunststoffverpa- duktion oder stark konzentrierte Produk- die Studie die mangelnde politische Durch- ckungen.“ Dafür seien Maßnahmen beim te erreicht werden. Es fehle allerdings an setzung. Sinnvoll seien verbindliche Ziel- Verbraucher und nachgelagerte Maßnahmen Normen bezüglich dessen, was eine unnö- vorgaben für Hersteller und Einzelhandel. ausschlaggebend. Maßnahmen zu Vermei- tige Verpackung ist. Daher seien standar- Zudem könnten Mehrwegsysteme durch dung, Minimierung und Wiederverwendung disierte Richtlinien und Bewertungsmetho- Prämienanreize gefördert werden. Ein weite- sowie ein recyclinggerechtes Design würden den erforderlich. Eine Begrenzung unnöti- res Problem sei, dass das traditionelle deut- unmittelbar zu einem Rückgang des Neu- ger Verpackungen könne durch die Politik sche Mehrwegsystem nicht mit dem Ein- kunststoffverbrauchs führen. „Der Umgang erfolgen, etwa durch ein Verbot übermä- wegpfand konkurrieren könne. Allerdings mit den bleibenden Abfällen würde jedoch ßig füllungsfreier Verpackungen oder von würden bei Letzterem auch keine externen weiterhin linear erfolgen.“ Nur mit der Ver- Umverpackungen ohne Barrierefunktion. Kosten berücksichtigt, dies müsse geändert braucherebene nachgelagerten Maßnahmen Ein weiteres Problem sei fehlende Trans- werden. Kritisch sei auch, dass die Rückgabe wie einer verbesserten Erfassung und Anrei- parenz für die Verbraucher. Hier könnten von Mehrwertflaschen nicht überall möglich zen zur Verwendung von Post-Consumer- die Veröffentlichung eines Kunststofffuß- sei. Daher sollte ein Anspruch auf eine Rück- Rezyklat könne das Einsparpotenzial voll abdrucks und die Berichterstattung über gabe überall eingeführt werden. Verbleib und Kreislaufanteil von Kunststoffabfällen in unterschiedlichen Szenarien VERBLEIB BIS ZUM JAHR 2040 ( % DES KUNSTSTOFFBEDARFS) KREISLAUF- ANTEIL Business- 38 % 4% 56 % 2% 38 % as-usual (BAU) Bestehende 4% 51 % 4% 39 % 2% 55 % Verpflichtungen (BV) Reduzierung und 31 % 9% 29 % 4% 25 % 1% 69 % Substitution (RS) Quelle: Analyse von SYSTEMIQ Systemwandel (SW) 31 % 9% 40 % 0% 18 % 1% 80 % Recyclingquoten sind definiert als tatsächlich recyceltes Material ohne Verarbeitungsverluste. Der Kreislaufanteil (Zirkularitätsindex) ist definiert als die Summe der Hebel Vermeidung, Substitution und Recycling. Reduzierung Substitution Recycling Exporte Entsorgung Unsachgemäße Entsorgung
B2B-Transportverpackungen hätten das und mehrschichtige flexible Verpackungen; Lebensmittelechte Kunststoffe zweitgrößte Wirkpotenzial. „Aufgrund der Becher, Schalen, Trays sowie Einwegproduk- großen Abfallströme besitzt der Ausbau des te aus der Gastronomie. Lebensmittelverpackungen machen etwa Mehrweganteils bei Transportverpackungen 40 Prozent der Kunststoffverpackungen ein hohes Wirkpotential.“ Auch hier beste- Recyclinggerechtes Design aus und tragen in hohem Maße zu Verpa- he eine wesentliche Herausforderung darin, ckungsmüll bei. Zudem würden sie oft Ele- dass das Thema in der Politik kein Schwer- Flexible Materialien und Multipolymermateri- mente enthalten, die das Recycling erschwe- punkt sei. Komfortverlust und Kosten sei- alien würden etwa 45 Prozent der Kunststoff- ren. Zudem gebe es strenge Gesundheits- en ebenfalls ein Thema. Für Mehrweg- und verpackungen ausmachen. Allerdings ende und Sicherheitsanforderungen, wodurch Nachfüllkonzepte im Einzelhandel gebe es ein Großteil davon in der Verbrennung und sich das Potenzial derzeit im Wesentlichen ähnliche Herausforderungen. im Recycling in offenen Kreisläufen. Schät- auf PET aus Pfandsystemen beschränke. zungen zufolge seien etwa ein Drittel der Ver- Reduzierung, Wiederverwendung und Sub- Substitution packungen in Deutschland nicht recyclingfä- stitution seien hier von besonderer Bedeu- hig. Durch ein recyclingfähiges Design könne tung. Hilfreich wäre eine Änderung der Das Ersetzen von Material sei ein komplexes die Wertstoffausbeute deutlich erhöht werden. Vorschriften der Europäischen Behörde für Thema, bei dem viele Faktoren geprüft wer- Um dies zu erreichen, nennt die Studie einige Lebensmittelsicherheit für Rezyklate aus den müssten. Durch die Substitution durch zentrale Kriterien. So müsse es eine Abkehr dem mechanischen Recycling. Das chemi- Papier könne die Wiederverwertung aufge- von Multimaterialien geben, zudem müsse sche Recycling könne als letztes Mittel die- wertet werden, da Papier schon eine hohe auf PVC, Styropor und Industrieruß verzich- nen für Abfälle, die nicht anders behandelt Recyclingquote habe. Es könne auch eine tet werden. Es dürften ausschließlich durch- werden können. Zudem sei es eine Option, verbesserte Qualität beim Kunststoffrecyc- sichtige, farblose Behälter verwendet werden. wenn die Lebensmittelvorschriften nicht ling erreicht werden, wenn stark mit Lebens- Etiketten müssten sich einfach entfernen las- geändert würden. mittelresten verunreinigte Verpackungen in sen, zudem müsse das direkte Bedrucken von den Restmüll umgeleitet würden. Dafür wür- Behältern minimiert werden. Es müssten für Recyclingmärkte den sich vor allem biobasierte Verpackungen das Recycling unproblematische Zusätze, Bar- anbieten – allerdings nur dann, wenn ihre rieren, Beschichtungen, Kleber und Farben Derzeit würden bei der Herstellung von Umweltfreundlichkeit durch Lebenszyklus- verwendet werden, ebenso unproblematisches Verpackungen nur 11 Prozent Rezyklat analysen belegt würde. „Bei der Analyse die- Material für Verschlüsse. eingesetzt. Dies sei auf zwei wesentliche ser Systemmaßnahme handelt es sich weder Als ein wesentliches Hindernis nennt die Herausforderungen zurückzuführen: Zum um eine Prognose noch um eine Empfeh- Studie die mangelnde Transparenz bezüg- einen gebe es einen Mangel an hochwerti- lung, sondern vielmehr um einen Hinweis lich verwendeter Polymere, Zusätze und gen Angeboten mit definierter und zertifi- auf das Potential einer künftigen Skalierung anderer Stoffe. Ebenso der Grad der Recy- zierter Qualität, die sich über den gesamten von Ersatzstoffen, unter der Annahme, dass clingfähigkeit, hier sei ein stetiger Verbes- Lebenszyklus und Recyclingprozess nach- es keine unbeabsichtigten Folgen gibt“, heißt serungsprozess notwendig. „Derzeit gibt es vollziehen lässt. Zudem sei Primärmaterial es in der Studie. Bis zu 9 Prozent der Kunst- über die Mindestanforderungen hinaus für günstiger. Hier empfiehlt die Studie neue stoffverpackungen könnten bis 2040 substi- die Inverkehrbringer wenig Anreize, sich bei Normen und finanzielle Anreize. tuiert werden, davon 88 Prozent durch Papier der Gestaltung von Verpackungen um hohe Ein Systemwechsel sei möglich und und 12 Prozent durch biobasiertes Material. Recyclingfähigkeit zu bemühen“, so ein wei- damit auch die Reduzierung wirtschaftli- Eine der wesentlichen Herausforderun- teres Problem laut Studie. che, ökologischer und sozialer Kosten von gen dabei seien eine klare Kommunikation Kunststoffabfällen. Allerdings müssten die und die klare Kennzeichnung von Verpa- Hohe Erfassungs- und Sortierquote Maßnahmen schnell und flächendeckend ckungen. Ein weiterer Aspekt sei die Nach- umgesetzt werden. Es sei allerdings auch ein haltigkeit der verwendeten Materialen. „Ein Trotz einer hohen Erfolgsquote würde unsach- äußerst lohnendes Vorhaben. „Deutschland zentrales Anliegen bei der Substitution gemäßes Trennen immer noch viele Probleme kann für Europa und die Industrieländer im besteht darin, dass die eingesetzten Stoffe verursachen, dies gelte insbesondere für orga- Allgemeinen beim Übergang zu einer Kreis- nachhaltig gewonnen werden oder aus recy- nische Stoffe. Zudem würden noch zu viele laufwirtschaft für Kunststoffe zum Vorbild celten Materialien bzw. Abfällen stammen.“ Kunststoffverpackungen im Restmüll verloren werden und als Vorreiter unter Beweis stel- Auch die Gestaltung der Verpackungen spiele gehen. Notwendig seien daher eine Vereinheit- len, dass sich diese Vision verwirklichen eine wichtige Rolle. Die wichtigsten Anwen- lichung der Erfassungssysteme, eine Sensibili- lässt – und so den Weg für weitere Länder dungen seien alternative starre Verpackun- sierung der Verbraucher und klare Recycling- bereiten“, heißt es abschließend. gen aus Monomaterialien; Folien; Beutel hinweise auf den Verpackungen. Michael Brunn Verpackungsrecycling | 2021 7
Chemisches Recycling Reicht das mechanische Recycling, um die Quoten zu erreichen? L Laut dem Stoffstrombild Kunststoffe, ver- izenziert und damit Grundlage für die Quotenberechnung laut öffentlicht von der Conversio Market & Verpackungsgesetz sind insgesamt 1,8 Millionen Tonnen Ver- packungsabfälle, von denen rund 1,15 Millionen Tonnen auf Strategy GmbH, wurden in Deutschland nur Kunststoffverpackungen entfallen. Darüber hinaus werden über den 46,7 Prozent der Kunststoffabfälle, die zum gelben Sack auch rund 150.000 Tonnen nicht lizenzierte stoffgleiche Großteil aus Verpackungen stammen, einer Nicht-Verpackungen erfasst. Die Recyclingrate für Kunststoffabfälle in der EU beträgt der- stofflichen Verwertung zugeführt. Insgesamt zeit 30 Prozent. Weltweit liegt die Recyclingquote noch weit darunter. fallen laut Conversio-Studie 3,16 Millionen Die Zahlen zeigen also deutlich: Tonnen Verpackungskunststoffe an; darin s Abfallvermeidung und Zero Waste – wenn auch wünschenswert – bleiben mittelfristig eine Illusion. enthalten sind jedoch auch gewerbliche Kunst- s Die aktuell verfügbaren Rezyk late reichen keineswegs stoffverpackungen, Um- und Transportver- aus, um die geforderten Einsatzquoten aus der EU zu packungen, bepfandete PET-Flaschen sowie erfüllen, geschweige denn die Selbstverpflichtungen der Brand die falsch über den Restmüll entsorgten Kunst- Owner. s Mit dem mechanischen Recycling allein sind die Ziele nicht zu stoffverpackungen. schaffen. Trotzdem sollte die Vermeidung von Abfällen und Kunststoffen erste Priorität bleiben. Deutlich wird aber auch: Wir brauchen neue Recyclingtechnologien! 8 RECYCLING magazin Sonderheft
Rezyklatqualität denwünschen zu entsprechen, den Selbstverpflichtungen nachzu- kommen und frühzeitig auf die von der EU im Green Deal bezie- Betrachtet man die Rezyklatqualität, so geht das mechanische Recy- hungsweise im Aktionsplan Kreislaufwirtschaft vorgesehenen cling mit einer stetigen Minderung der Qualität der Rezyklate sowie Rezyklateinsatzquoten für Verpackungen zu reagieren. Hier hat der einer Anreicherung von Schadstoffen einher. Der Einsatz von Rezy- Druck von Kunden und Politik zu einem erfreulichen Umdenken klaten aus dem mechanischen Recycling im Lebensmittelbereich ist geführt. bisher nur für rPET möglich, welches durch die sortenreine Samm- Sollte eine Kunststoff- oder CO2 Steuer erhoben werden, würde lung von PET-Getränkeflaschen sehr gut mechanisch recycelt wer- sich auch Neuware verteuern, sodass alternative Recyclingverfahren den und die Lebensmittelzulassung bekommen kann. im Wettbewerb besser abschneiden. Diese Nachteile durch ein Verfahren auszugleichen, mit dem Zu beachten ist außerdem, dass mit jedem Aufbereitungsschritt man wieder Neuware auch für den Lebensmittelbereich herstellen weitere Kunststoffreste anfallen, die meist nur noch energetisch zu kann, macht den Charme der chemischen Verfahrens aus. verwerten sind. Darüber hinaus gelangt durch die Aufbereitungs- und Waschprozesse beim Recycler ein nicht unerheblicher Anteil an Wirtschaftlichkeit Mikroplastik über den Abwasserstrom in die Umwelt. Die Wirtschaftlichkeit der chemischen Recyclingverfahren ist auf- Mengenpotenziale grund der hohen Energie- und Betriebskosten aktuell noch in Frage zu stellen. Die von der EU in der Abfallrahmenrichtlinie und national im Die Verfahren des chemischen Recyclings sind sehr energiein- KrWG geforderten höheren Recyclingquoten zusammen mit der ab tensiv, daran besteht kein Zweifel. Ebenso muss dringend ein öko- Mitte 2021 geltenden neuen Berechnungsmethode (Output-Metho- bilanzieller Vergleich der Verfahren erstellt werden, der die Umwelt- de) werden wohl nur erreicht werden können, wenn das mechani- auswirkungen, den CO2-Fußabdruck sowie die Wirtschaftlichkeit sche Recycling durch andere Verfahren, zum Beispiel chemische, betrachtet. Das UBA hat hierzu kürzlich eine Studie in Auftrag gege- ergänzt wird. Hier könnte das chemische Recycling als Alternative ben, deren Ergebnisse 2023 vorliegen sollen. zur thermischen Verwertung der jetzt anfallenden Reste zum Ein- Dass aber das mechanische Recycling immer wirtschaftlich ist, satz kommen. Dies würde nicht nur die rund 45 Prozent an Sortier- stimmt nicht, wie in Zeiten niedriger Ölpreise im Jahr 2020 deutlich resten umfassen, sondern auch die bei der Rezyklatherstellung anfal- wurde. Eine Studie von McKinsey geht davon aus, dass die Wirt- lenden Reste. Ein weiteres Potenzial läge auch in den Kunststoffab- schaftlichkeit des mechanischen Recyclings erst bei Rohölpreisen fällen, die sich noch in der Restabfallfraktion befinden. von 70 bis 75 US-Dollar/Barrel und darüber gegeben, jedoch bei Die TU Hamburg hat in einer Studie aus dem Jahr 2018 berech- Preisen ab 65 US-Dollar/Barrel und darunter kaum noch darstellbar net, dass nur rund 75 Prozent der Gesamtverpackungsmenge separat ist. Ende Oktober lag der Ölpreis bei 83 US-Dollar/Barrel. erfasst wird, davon 45 Prozent als Reste thermisch verwertet wer- Hochwertige, möglichst helle Rezyklate für den Einsatz im Kon- den und von den 55 Prozent an Recycler verkaufte Kunststoffbal- sumgüterbereich waren bereits vor der Coronakrise zum Großteil len nochmals rund 25 Prozent als Reste bei der Rezyklatherstellung mehrfach teurer als Neuware und wurden eingesetzt, um den Kun- anfallen. Illustration nach: holdentrils; pixabay.com Verpackungsrecycling | 2021
Chemisches Recycling Betrachtet man das Mengenpotenzial, das in die Recyclingquo- te laut Verpackungsgesetz eingerechnet werden könnte, so erge- ben sich bei 1,15 Millionen Tonnen lizenzierten Kunststoffver- packungsabfällen und der ab 2022 geltenden Recyclingquote von 63 Prozent rund 0,42 Millionen Tonnen Sortierreste. Mit den wei- teren 25 Prozent Resten, die beim Recycler anfallen, erhöht sich das Potenzial auf 0,61 Millionen Tonnen, die derzeit thermisch verwer- tet werden. Bezogen auf die insgesamt anfallenden 5,3 Millionen Tonnen Post-Consumer-Kunststoffabfälle aus der Conversio-Studie, die Foto: Hans Braxmeier; pixabay.com im Jahr 2019 in Deutschland angefallen sind und aktuell zu rund 45 Prozent thermisch verwertet werden, ergäbe sich so ein Gesamt- potenzial von 2,39 Millionen Tonnen. Experten gehen davon aus, dass mittelfristig mit Etablierung der chemischen Recyclingver- fahren rund 1 Million Tonnen Kunststoffabfälle in den Kreislauf zurückgeführt werden könnten. Mittelfristig könnten etwa 1 Million Tonnen Rechtliche Herausforderungen Kunststoffabfälle chemisch recycelt werden. Gegenüber der Abfallrahmenrichtlinie ist das chemische Kunst- stoffrecycling im deutschen Verpackungsgesetz allerdings nicht als Recycling anerkannt und kann deshalb bisher auch nicht zur Quo- nischen Aufbereitung, jedoch weit niedriger als der zur Herstel- tenberechnung herangezogen werden. Das Umweltbundesamt hat lung von Neukunststoffen. hierzu ein eindeutiges Hintergrundpapier veröffentlicht. s Durch die Gegenrechnung von Gutschriften aus der thermi- Der Verband Chemical Recycling Europe forderte jedoch bereits schen Verwertung spielt der Energiemix eine große Rolle: Je in zwei Positionspapieren die Gleichstellung der Verfahren bezie- erneuerbarer der Energiemix, desto geringer die Klimaauswir- hungsweise eine schnelle Anerkennung des chemischen Recyclings. kungen der Pyrolyse, da die Gutschriften aus der thermischen Auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat in einem Verwertung geringer sind. Positionspapier einen Vorschlag zur systematischen und abfall- s Bei der Aufbereitung des Pyrolyseöls fallen weitere Nebenpro- rechtlichen Einordnung des chemischen Recyclings erarbeitet, der dukte an, die zum Teil behandelt werden müssen. Die Ölausbeu- die Verfahren aus dem technischen und abfallrechtlichen Blickwin- te liegt zwischen 70 Prozent und 85 Prozent. kel betrachtet. Da das Abfallrecht nicht explizit vorschreibt, ob die s Für die Gesamtausbeute liegen Angaben von einzelnen Herstel- Materialsubstitution direkt oder indirekt erfolgten muss, könnte für lern vor: Für die Herstellung von einer Tonne Neukunststoff die einzelnen Stoffströme das nachhaltigste Verfahren zum Einsatz werden rund 1,7 Tonnen Mischkunststoffe benötigt. kommen und so ein „level playing field“ eröffnet werden, ohne die s Andere Angaben gehen von mindestens zwei Tonnen spezifika- Abfallgesetzgebung zu verändern. tionsgerechtem Input für eine Tonne Neukunststoffe aus. s Je teurer die Herstellung eines Kunststoffs ist, zum Beispiel im Technischer Reifegrad der Verfahren Bereich der technischen Kunststoffe, desto mehr lohnt sich das chemische Recycling, insbesondere wenn solvolytische Verfah- Die meisten Verfahren des chemischen Recyclings sind noch nicht ren oder die Depolymerisation angewandt werden, bei denen die großtechnisch marktreif. Allerdings sind einige doch weit über den Monomere erhalten bleiben. Labormaßstab hinausgekommen. Es existieren Pilot- und Demons trationsanlagen, zum Teil auch im halbindustriellen Maßstab. Das Heranziehen der Methode der Massenbilanzierung wird kritisch Zudem liegen zahlreiche Life Cycle Assessments vor, die jedoch betrachtet und hat den Nachteil einer relativ ungenauen Quotenbe- von den Umweltorganisationen kritisiert werden. rechnung. Auf der anderen Seite ermöglicht sie aber die im Moment Insgesamt wird deutlich, dass die Überwindung der technischen kleinen Mengen an Pyrolyseölen in den bestehenden Anlagen zu Hürden noch Entwicklungsarbeit erfordert. Trotzdem kommen die verarbeiten und trotzdem deren Anteile im Endprodukt auszuwei- meisten Studien zu dem Schluss, dass es sich lohnt, die Verfahren sen. Alternativ müssten separate kleine Produktionsanlagen erstellt zukünftig in den Fokus zu nehmen. Dies sind die Kernaussagen: werden oder die Anlagen für einzelne Chargen hoch- und runter- s Je reiner das Inputmaterial, desto höher die Ausbeute. gefahren werden, was nicht effizient ist und zu hohen Mehrkosten s Energieaufwand der Pyrolyse ist zwar höher als der der mecha- der Produkte führt. Die Massenbilanzierung unterstützt damit die 10 RECYCLING magazin Sonderheft
Entwicklung und den Einsatz neuer innovativer Technologien, im Conclusion Bereich der Bioökonomie genauso wie im Bereich des chemischen Recyclings. Zur Erreichung der hoch gesteckten Recyclingquoten kommen wir Der Einsatz der Massenbilanzierung sollte unter folgenden mit dem mechanischen Recycling allein nicht aus. Dazu müssen Voraussetzungen möglich sein: Kunststoffmengen recycelt werden, die derzeit in die thermische s Zertifizierung und Überprüfung der Massenbilanzierung durch Verwertung gehen. Die Wirtschaftlichkeit sollte beim Recycling unabhängige Institute. nicht im Fokus stehen, sondern vielmehr sollten politische Weichen s Klare Regelungen für die Kommunikation und Definitionen für gestellt werden, um Märkte für Rezyklate zu schaffen, zum Beispiel die Claims, damit die Konsumenten aufgeklärt und nicht irrege- durch das Festlegen von Substitutionsquoten. Dies fordern verschie- führt werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, bei den ein- dene Verbände und Institutionen seit Jahren. gesetzten chemisch recycelten Anteilen handle es sich um Rezy- Deshalb sollten dringend weitere Studien die ökologischen Auswir- klate aus dem mechanischen Recycling. Hier bedarf es auch wei- kungen, die CO2-Bilanz und die ökonomische Machbarkeit untersuchen. terer Aufklärung der Verbraucher. Dass das chemische Recycling aktuell ein großes Potenzial hat, zeigen die zahlreichen hohen Investitionen der Chemischen Indus Plastic to Fuel kein Recycling trie, der Kunststoffverarbeiter und der Verpackungshersteller in die- se Verfahren: Bis 2030 sollen 7,2 Milliarden Euro investiert werden. Diesem Kritikpunkt stimmen die Autoren zu. Gemischte Kunststof- Die Zeit scheint reif: Klimaschutz, Kundenwunsch und politi- fe aufwendig aufzubereiten, um die Produkte, zum Beispiel Pyrolyse- scher Druck schaffen die Voraussetzungen für Innovationen. öl oder Syngas anschließend zu Brennstoff wie Diesel aufzubereiten, Diesen Verfahren in Deutschland und der EU keine Chance zu kann nicht als Recycling bezeichnet werden. geben ist deshalb rückwärtsgewandt und wird die Innovationskraft In diesem Fall erscheint die thermische Verwertung unter Nut- der Chemischen Industrie in risikofreudigere Länder verlagern. zung von Strom und Abwärme sinnvoller und nachhaltiger, da der Thomas Obermeier, CEO TOMM+C, Ehrenvorsitzender DGAW, aufwendige Aufbereitungsschritt wegfällt. Isabelle Henkel; Geschäftsführung DGAW Anzeige Kunstoff-Recycling in Produkten von Dr. Stefan Bosewitz (Hrsg) • eit Anfang der 90er Jahre werden Kunststoff- S verkaufsverpackungen im gelben Sack gesammelt • ür viele Verbraucher blieb es ein Rätsel, F was daraus wieder hergestellt wird. • unststoffrecycling wird vom Verbraucher K am Gelben Sack festgemacht. • er Herkunftskatalog bringt mit vielen Fotos D und Abbildungen Licht in das obige Dunkel. • s wird gezeigt, welche Recyclingprodukte E in der Öffentlichkeit gefunden werden können 1.Auflage 2013 DIN A5 212 Seiten, rund 400 Fotos, vielfarbig, kartoniert ISBN 978-3-86797-152-2 Der Herkunftskatalog kann bei Amazon bestellt werden.
Sortiertechnik Innovative Sortiertechnologie für das Verpackungsrecycling D Die Förderung der Kreislaufwirtschaft ist von wesentlicher Bedeu- ie meisten Kunststoffverpackun- tung für die Verwirklichung der EU-Ziele in Bezug auf den Kli- gen auf dem Markt sind nicht kreislauffähig. Falls sie verwer- ma- und Umweltschutz sowie den Erhalt der biologischen Vielfalt. tet werden, werden sie nur zu einem sehr Die Schließung des Kreislaufs bei Kunststoffen ist ein wesentlicher geringen Anteil wieder als Verpackungen Teil davon, denn gerade bei den Kunststoffen sind wir noch weit auf den Markt gebracht. Die Kreislaufwirt- schaft entwickelt sich jedoch zu einem der weg von hohen Recycling- und Wiedereinsatzquoten. Es sind des- wichtigsten Megatrends: Statt Rohstoffe halb Maßnahmen auf allen Stufen des Lebenszyklus und der Wert- einmal zu nutzen und sie dann zu entsor- schöpfungskette notwendig, beginnend mit einem besseren recy- gen, werden sie sich künftig im Kreislauf bewegen und immer wieder eingesetzt wer- clinggerechten Design, einer qualitätsorientierten Sammlung und den müssen. Verpackungen aus Kunststoff Sortierung, einem verstärkten Recycling und schließlich ein besse- haben hier einen riesigen Nachholbedarf. rer Absatz von Rezyklaten und die Nutzung in neuen Produkten. Hier nur ein paar Beispiele, das die Problematik der derzeitigen Sortierung aufzeigen soll. Kunststoffbecher mit einer großflächigen Papierbanderole werden im Sortierprozess nicht erkannt. Es wird nur die Banderole detektiert und damit wird der gesamte Kunststoff-Becher in die fal- sche Fraktion abgelegt. Andere Bestand- teile wiederum gefährden das Recycling selbst: Barriereschichten (Verbundverpa- ckungen) lassen sich nicht mehr trennen. Wenn beispielsweise eine Barriere nötig ist, dann sollte es eine sein, die mit dem Verpackungsmaterial zusammen verträg- lich recycelt werden kann. Eine EVOH- (Ethylen-Vinylalkohol-Copolyme)Bar- riere lässt sich bei einer Verpackung aus Polypropylen (PP) noch vertreten – bei einer PET-Flasche macht sie das Recycling unmöglich. Das Image von Kunststoffverpackun- gen hat zuletzt auch wegen neuer politi- scher Ziele stark gelitten, dies hängt vor allem zusammen mit den Auf lagen aus der EU-Single-Use-Plastic-Directive (seit 03.07.2019 in Kraft), zahlreiche Verbote wurden hiermit erlassen. Kunststofftüten Foto: PS werden jetzt mehr und mehr durch Tüten 12 RECYCLING magazin Sonderheft
aus Papier oder Jute ersetzt. Auch Herstel- deshalb insgesamt auf unter 25 Prozent im ppm-Bereich. Die sichtbare Fluoreszenz ler im Food-Bereich – jüngste Beispiele berechnet. Letztendlich wird im Wesent- benötigt spezielle Anregungsquellen. Die sind Frosta und Ritter Sport – stellen auf lichen zu wenig und zu unspezifisch sor- TBS-Markierung ist außerhalb der Sortier- Papierverpackungen um. tiert. Daher bleibt auch die Reinheit der anlagen vollständig unsichtbar. Vorsortierungen limitiert. Was bleibt sind Werden bereits heute hergestellte und Was bewegt die fünf „unreine Wald-und-Wiesen-Hauptpo- gehandelte Sortier-Stoffströme durch einen Recyclingwirtschaft? lymer-Fraktionen“, aus denen nicht mehr TBS-Schritt nachsortiert, um die Produkt- die Qualitäten erzeugt werden können, die reinheit zu erhöhen, so setzt dies den „TBS Derzeit gibt es seitens der Verpackungsin- eine Kreislaufwirtschaft und auch die Mar- light“-Sortieransatz um. Ersetzt die TBS- dustrie, den dualen Systemen als auch der kenhersteller brauchen. Sortierung übliche Sortierschritte weitest- Politik noch nicht ausreichend Druck, um gehend durch den einen TBS-Sortierschritt, an bestehenden Sortier- und Recycling- Welche Lösungsansätze so kann dies als „TBS complete“ bezeichnet prozessen etwas zu verbessern. In den in gibt es heute? werden. Ein konkretes Anwendungsbei- Sortieranlagen der dualen Systeme wer- spiel für die Weiterentwicklung bestehen- den momentan nur die Hauptpolymere Polyscecure bietet die technische Lösung der Sortiertechnik durch TBS besteht in der getrennt, dies zudem mit relativ niedrigen für bessere Sortierqualitäten und höhe- verlässlichen Abtrennung von Multilayer- Sortierquoten und Reinheiten. Zunächst re Ausbeuten und damit höhere Recy- Verpackungen, so dass diese die Monoma- geht bereits einiges an Kunststoffverpa- clingquoten. Mit dem selbst entwickel- terial-Ströme nicht verunreinigen. ckungen durch die nicht ordentliche Ein- ten Verfahren des Tracer-Based-Sorting Der Gründer und CEO von Polysecu- haltung der Getrennthaltungssysteme ver- (TBS) kann die Verpackungssortierung re, Jochen Moesslein, geht davon aus, dass loren. Von den 25 kg Kunststoffverpackun- auf eine nächste Qualitätsstufe gehoben rund 40 unterschiedliche Verpackungs- gen, die pro Kopf und Jahr in Deutschland werden. Für die Identifikation und Sor- fraktionen (PET bottle, PET tray, PET non- verbraucht werden, gelangen im Schnitt tierung von Kunststoffverpackungen mit food, PP-block, PP-homo, PP-copo usw.), lediglich 6 kg/(E*a) in den Restabfall, wäh- TBS werden Verpackungen mit einem spe- die man durch 40 unterschiedliche Tra- rend 19 kg/(E*a) den getrennten Systemen zifischen Fluoreszenz-Tracer entsprechend cer verlässlich sortieren könnte, ausrei- zugeführt werden. Auf der Stufe der Sor- ihres bevorzugten (zum Beispiel des wirt- chen. Die Tracer-Technologie könnte man tierung von Leichtverpackungen wird ein schaftlichsten) Verwertungspfads gekenn- auf alle Verpackungen anwenden, ob klein, Verlust von 40 Prozent der gesammelten zeichnet. Dies erfolgt in der Regel auf dem groß, f lexibel, schwarz, bedruckt oder Kunststoff-LVP-Abfälle durch designbe- im Verwertungsprozess abtrennbaren Eti- unbedruckt. Trotz der teilweise schlech- dingte fehlende Sortierbarkeit nachgewie- kett, sodass Verschleppungen des Tracers ten Bedingungen des Verpackungsab- sen. Die Ergebnisse der dritten Prozessstu- beim werkstofflichen Recycling vermieden falls (Deformation, Staub, Schmutz, hohe fe, der Rezyklat-Herstellung, zeigen einen werden. Die Fluoreszenz der Tracer wird Geschwindigkeit, unkontrollierbare Aus- weiteren Verlust von 40 bis 50 Prozent der bei Anregung mit elektromagnetischer richtung) und einer Flut von Bedruckun- abgetrennten Wertstofffraktionen – der Strahlung aktiviert. Die Fluoreszenz kann gen kann mit einer Verlässlichkeit >98 Pro- sogenannten Ballenware – aus den LVP- schnell gemessen und zur Identifizierung zent korrekt detektiert und sortiert wer- Sortieranlagen. Die Recyclingfähigkeit der eines Artikels oder Werkstoffs genutzt wer- den. Derzeit ist keine Technologie auf dem heutigen Kunststoffverpackungen wird den. Hierzu reichen bereits Tracer-Mengen Markt, die derartig hohe Quoten erreicht. Das TBS-Prinzip Quelle: Polysecure Verpackungsrecycling | 2021 13
Xxxxxxx Sortiertechnik xiblen, skalierbaren einstufigen Sortierung neuen EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft weiterentwickelt, vergleichbar mit einer vorgestellt, der zur Verwirklichung der Briefsortierung. Damit gelingt es, ohne Kreislaufwirtschaft verschiedenen Ände- Mehrkosten für die Markenhersteller, das rungen des EU-Abfallrechts einschließlich eigene Verpackungsmaterial zurückzu- Vorgaben für Kunststoffverpackungen vor- gewinnen. Diese Sortiertechnologie ins- sieht, diese Ziele sind aus unserer Sicht noch gesamt wird innerhalb der Wertschöp- nicht ambitioniert genug: fungsketten nicht kostenintensiver, denn s Die Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG die zurückgewonnenen Fraktionen haben soll auf möglichst viele Produkte ausge- einen hohen Marktwert, weil sie von besse- weitet werden und Vorgaben für deren Foto: PS rer Qualität sind. Es werden damit wesent- Kunststoff-Rezyklat-Anteil festlegen. Fluoreszierende Marker können lich höhere Recyclingquoten erreicht, Rezy- Zudem sollen durch neue Vorgaben der die Sortierung in zahlreiche unter- klat-Einsatzquoten können verbessert wer- Verpackungsrichtlinie 94/62/EG „über- schiedliche Kategorien ermögli- den und die CO2-Bilanz wirkt sich positiv trieben aufwendige“ Verpackungen ver- chen. auf das Klima aus: Nach ersten Schätzun- ringert und bestimmte Verpackungs- gen könnten allein in Deutschland mit dem materialien für spezifische Anwen- Einsatz von TBS bis zu 2 Millionen Tonnen dungen verboten werden. Bemerkung: CO2 pro Jahr eingespart werden. Verbundverpackungen sollten bei- Die unsichtbaren Wassermarken als bild Polysecure ist seit wenigen Wochen spielsweise nur dann noch zugelas- optisches Verfahren und Objekterken- Partner im neuen EU-Vorhaben Circular sen sein, wenn sie sicher (zum Beispiel nung mittels KI (Künstlicher Intelligenz) Foodpack. Das Hauptziel ist, eine bessere markiert und mit TBS) abtrennbar sind. werden lange nicht die Verlässlichkeit Abtrennung und Verwertung zur Rückge- s Mit Blick auf die Kennzeichnung von erreichen, sodass mit dieser Technologie winnung von Lebensmittelverpackungen zu Produkten sollen Mindestanforderun- wenig verlässliche Ordnung geschaffen erreichen, um sie für den direkten Einsatz gen an Nachhaltigkeitssiegel und -logos werden kann. als Lebensmittelverpackung wieder zu ver- sowie an die von den Herstellern bereit- Die Tracer auf anorganischer Basis wenden. Bei der Nutzung von durch Polyse- gestellten Informationen festgelegt wer- haben den großen Vorteil, dass sie nicht cure entwickelten Fluoreszenzmarkern in den. Hierbei soll sichergestellt werden, bioverfügbar sind und alle Toxizitätstests oder auf Verpackungen können Artikel und dass keine unzutreffenden umweltbezo- negativ sind – sie verhalten sich wie mine- Materialien nach vorgegebenen Kriterien genen Aussagen getroffen und die Ver- ralische Additive. Die Zulassung für den (Food-/Non-Food) verlässlich sortiert wer- braucher vor „Greenwashing“ geschützt Lebensmittelkontakt ist derzeit in Vorbe- den. Eine erfolgreiche TBS-Markteinfüh- werden. Bemerkung: Die Kennzeichnung reitung. Zudem sind geringste Mengen not- rung ist bereits erfolgt. Polysecure hat mit mit fluoreszierenden Markern kann dazu wendig, für alle in Deutschland in Verkehr Rehau das Abtrennen von glasfaserhaltigen beitragen, dass diese Verpackungen als gebrachte Verpackungen (etwa 3 Millionen PVC-Flakes industriell validiert. Hierfür „recyclingfähig“ gelten können. Tonnen pro Jahr) sind nur etwa 20 Ton- hat Polysecure die weltweit erste TBS-Sor- s Um einen „gut funktionierenden“ EU- nen notwendig (etwa 5–10 ppm). Mit dem tiermaschine entwickelt. Schon hier hat sich Binnenmarkt für Kunststoff-Rezyklate Kooperationspartner Carl Zeiss AG ist bestätigt, dass das patentierte TBS-Verfah- zu schaffen, sollen EU-weit die Krite- geplant, ein ganz neuartiges Detektionsmo- ren effizient funktioniert. rien zum Ende der Abfalleigenschaft dul zu entwickeln: Dies wird ein integrales für bestimmte Abfallströme harmo- Detektionsmodul sein, mit dem es gelingen Was ist politisch und regulativ für nisiert werden. Zudem soll der Markt wird, die Tracer zu erkennen, Objekte und eine bessere Sortierung notwendig? für Sekundärrohstoffe durch Normen Marken zu differenzieren sowie Farben zu gestärkt werden, die eine hohe Qualität unterscheiden. Der große Vorteil wird sein, In der EU-Richtlinie über Einwegkunststof- der gesammelten Abfälle sicherstellen. dass der bisher mehrstufige Prozess durch fe sind bereits genaue Anforderungen an den Bemerkung: Die Rückgewinnung und einen einstufigen Durchgang abgelöst wird. Rezyklatanteil von Kunststoffflaschen defi- der Wiedereinsatz markierter Verpa- Mit dem neuen Sortier-und Detektionsmo- niert, der bis 2030 30 Prozent betragen soll. ckungen für den gleichen Zweck sind dul wird man genau wissen, um welche Diese EU-Vorgaben wirken als ersten Schritt möglich, Tracer in der Druckfarbe oder Verpackung und um welches Stück Abfall in die richtige Richtung, Wertschöpfungs- im Etikett können im Recyclingprozess es sich handelt. ketten können damit bereits verändert wer- entfernt werden. Die Sortierung bisher – ein ineffizien- den. Aber das reicht bei Weitem nicht aus! tes kaskadisches System – wird zu einer fle- Die EU-Kommission hat im März 2020 den Dr. Beate Kummer, Polysecure GmbH 14 RECYCLING magazin Sonderheft
Kommentar Nach der Wahl – was nun zu tun ist Ein Kommentar von Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft Foto: Joerg Farys; www.dieprojektoren.de A ls das wichtigste Problem in Deutschland nannten die stoffversorgung und schafft durch hochwertige Aufbereitung nachhal- Wähler*innen vor der Bundestagswahl die Klimakrise. Auch tige Arbeitsplätze und generiere so eine zukunftsfähige Wertschöpfung. die Wirtschaft zeigt immer mehr Unterstützung für ein Umsteuern und warnt zunehmend davor, dass künftig mangelnder Was gehört also auf die To-do-Liste Klimaschutz zum Standortnachteil wird. Die Kreislaufwirtschaft hat der neuen Regierung? enormes Klimaschutzpotenzial und daher das Zeug dazu, ein ech- ter Gamechanger zu werden. Die neue Bundesregierung sollte genau Damit private Verbraucher*innen sich besser über kreislauffreundli- dieses Potenzial erkennen und ausschöpfen. che Produkte informieren können und Behörden eine bessere Orien- Um die ehrgeizigen Klimaziele Deutschlands für diese Dekade zu tierung bei der nachhaltigen Beschaffung haben, braucht es ein ver- erreichen, dürfen wir keine Chancen ungenutzt lassen. Das klingt sim- bindliches Kreislauflabel. Dieses Label soll Aussagen über die Wie- pel, ist es aber scheinbar nicht. Gut, dass sich die Verhandler*innen derverwendbarkeit, Reparierbarkeit, die Recyclingfähigkeit und den zum 1,5-Grad-Ziel bekennen und sich beim vorzeitigen Kohleausstieg, Rezyklatanteil eines Produkts machen. bei der Solarpflicht für Gewerbe und erhöhten Abschreibungsmög- Der Bund muss außerdem endlich seine Beschaffungspraxis, lichkeiten für Investitionen in Klimaschutz einig sind. Die laufenden insbesondere im Baubereich, ändern und den Vollzug verbessern. Koalitionsverhandlungen zeigen aber nicht nur ein neues Aufeinan- Diese Aktionen sollten auch den Ländern und Kommunen als Vor- der-Zugehen, sondern auch das Festhalten an etablierten Positionen. bild für eine nachhaltige Beschaffungspraxis dienen. Der wesentliche Beitrag, den die Kreislaufwirtschaft bei der Ener- gie- und Ressourcenwende leistet – und somit auch für den Klima- Von Klimaschutz reden, aber klimaschädliche schutz –, muss künftig noch stärker in den politischen Fokus gerückt Subventionen nicht abschaffen? werden. Vielleicht durch die Verortung der Kreislaufwirtschaft im Sinne des Green Deal als maßgebliche Steuerungs- und Koordinie- Es klingt skurril, ist aber so: Ob Kerosinbesteuerung oder Dienstwa- rungsaufgabe im Kanzleramt? Vielleicht als ein zentrales Thema in genprivileg – lieb gewonnene Absonderlichkeiten des Anti-Klima- einem Klima-Ministerium? Wichtig ist, dass die politische Steuerung schutzes lassen sich eben nicht so leicht loswerden. Die neue Regie- und Koordinierung der Umsetzung des Green Deal in Deutschland rung muss aber dringend die steuerliche Benachteiligung von Rezy- einen höheren Stellenwert erhalten als in der Ära Merkel. Auch die klaten beenden. Kunststoffe basieren auf fossilen Energieträgern aktuellen Beschlüsse aus Brüssel zeigen, dass der Green Deal erhebli- und dürfen nicht länger von der Energiebesteuerung befreit bleiben. che Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung haben wird. Die dadurch gewonnenen Steuereinnahmen können dann in einen Seit Jahren gilt Deutschland als der Recycling-Weltmeister Fonds zur Förderung der Kreislaufwirtschaft fließen, um zusätzliche schlechthin und wird oftmals als DAS Vorbild beim Thema Abfallent- CO2-Reduktionspotenziale zu heben. sorgung und Mülltrennung genannt. Aber ist das so? 18,7 Millionen Auf die To-do-Liste gehören natürlich auch: recyclingfreundli- Tonnen Verpackungsmüll, die alleine in Deutschland jährlich anfal- ches Produktdesign und produktbasierte Mindestrezyklatquoten. len, sprechen eine andere Sprache und verursachen eben auch Schäden Rohstoff- und Ressourcenpolitik müssen künftig dem Recycling in der Natur und hohe Umweltkosten. Wir müssen zirkulärer werden. einen Vorrang einräumen. Die neue Bundesregierung muss schnell Und auch in der Rohstoffversorgung Deutschlands leiste die Kreislauf- handeln. Echte Kreislaufwirtschaft ist aktiver Klimaschutz. So wirtschaft einen wichtigen Beitrag. Sie verringert durch die Produktion könnte die Regierung dafür sorgen, dass Deutschland Klimaschutz- von Recyclingrohstoffen die Abhängigkeit von Drittstaaten in der Roh- Geschichte schreibt! Verpackungsrecycling | 2021 15
Abfallvermeidung Auf geliebte den und gut zu Fuß, per Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sein. Es sollte zudem einheitliche und trans- Gewohnheiten parente Vorgaben für die Läden geben. Standardisierte und umwelt- freundliche Mehrwegsysteme verzichten „Die Etablierung standardisierter, umwelt- freundlicher Mehrweg-Systeme stellt – in Ergänzung zum Unverpackt-Konzept – eine wichtige Strategie zur Verringerung des Ein- satzes von Kunststoff-Einwegverpackungen im Lebensmittelbereich dar.“ Auch hier gebe Während meist die Frage diskutiert wird, wie man mit den anfallen- es bei den Verbraucher*innen eine klare den Verpackungsabfällen umgeht, verfolgt das Institute for Bereitschaft zur Nutzung. In einer Umfrage hätten allerdings 82 Prozent fehlende Angebo- Advanced Sustainability Studies einen anderen Ansatz. In den te bemängelt. In der gleichen Umfrage hätten „Strategien zur Reduktion von Lebensmittelverpackungen“ geht sich 78 Prozent positiv zu einer entsprechen- es darum, die Abfälle gar nicht erst entstehen zu lassen. den Verpflichtung des Handels begünstig. 62 Prozent würden einer Abgabe auf Einweg- Plastikverpackungen zustimmen, um Mehr- D weg-Verpackungen günstiger zu machen. er hohe Verbrauch an Plastikver- mern. Neben dem Verkauf im Einzelhandel Der Bericht nennt einige notwendige packungen sei ein komplexes sozi- umfasse das Konzept auch möglichst verpa- Kriterien für den Erfolg eines Mehrweg-Sys- al-ökologisches Risiko, heißt es im ckungsfreie Lösungen in der gesamten Pro- tems. Die Umlaufzahlen müssten so hoch wie Bericht. Daher müssten Überlegungen ange- duktions- und Lieferkette. „Um diesbezüg- möglich sein, nach Ende der Nutzung müss- stellt werden, wie die Reduktion des indivi- lich einen einheitlichen Standard zu etablie- ten die Verpackungen einem Recycling zuge- duellen Verbrauchs von Kunststoffverpa- ren, sollte auf Basis bewährter Praktiken der führt werden. Die Behälter müssten zudem ckungen für Lebensmittel gefördert werden Unverpackt-Läden ein verbindlicher Unver- so schnell wie möglich zurück in den Kreis- kann. Trotz eines hohen Problembewusst- packt-Standard etabliert werden.“ lauf gelangen, damit nicht unnötig viele neue seins in der Bevölkerung nehme das Auf- Laut Umfragen gebe es bei den Ver- Behälter benötigt werden. „Eine einfache und kommen an Verpackungsabfällen weiter zu. braucher*innen eine große Zustimmung zu Die Bereitschaft der Verbraucher sei zwar unverpackten Produkten, vor allem bei Obst vorhanden, scheitere aber an persönlichen und Gemüse, aber auch bei Nudeln, Reis, und strukturellen Barrieren. Daher werden Nüssen und Süßigkeiten. Allerdings gebe es im Bericht drei Strategien vorgeschlagen. nur wenige entsprechende Angebote und es sei oft unerwünscht, dass die Kund*innen Ausbau Angebot unverpackter eigene Behälter mitbringen. Durch die kür- Lebensmittel zere Haltbarkeit seien zudem mehr Einkäu- fe von kleineren Mengen notwendig. „Daher Die Förderung eines f lächendeckenden ist es wichtig, die Ausweitung des Angebots Angebots an unverpackten Lebensmitteln an unverpackten Lebensmitteln mit dem sei eine zentrale Strategie zur Verringerung Nahrungsversorgungskonzept zusammen- des Verbrauchs an Lebensmittelverpackun- zudenken.“ Der Bericht fordert daher auch gen. Das Unverpackt-Konzept sehe vor, dass eine Förderung der flächendeckenden Ver- Lebensmittel lose, in großen Spendern oder breitung von kleinen Läden mit möglichst an der Frischetheke angeboten werden. Die großem Unverpackt-Sortiment. Aus Akzep- Kunden würden dabei eigene oder vor Ort tanzgründen und zum Ausbau regiona- angebotene Mehrwegbehälter nutzen und ler Wirtschaftskreisläufe sollten diese von müssten sich selber um die Reinigung küm- vor Ort lebenden Menschen betrieben wer- Das würde den Verbrauch an Plastik- verpackungen eindämmen: zurück zu kleinen Läden, regionale Kreis- 16 läufe und Unverpackt-Sortiment.
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