Diskriminierung an Schulen erkennen und vermeiden - Praxisleitfaden zum Abbau von Diskriminierung in der Schule
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Diskriminierung an Schulen erkennen und vermeiden Praxisleitfaden zum Abbau von Diskriminierung in der Schule
Inhalt 3 Vorwort 5 1. Einleitung 6 2. Warum brauchen Schulen eine Strategie gegen Diskriminierung? 6 2.1 Diskriminierung: Begriffsklärungen 10 2.2 Diskriminierungsrisiken an Schulen 13 2.3 Auswirkungen von Diskriminierungen 14 3. Rechtliche Rahmenbedingungen 16 4. Handlungsmöglichkeiten für Schulen 17 4.1 Diskriminierung identifizieren und aufdecken 20 4.2 Prävention von Diskriminierung 25 4.3 Intervention bei Diskriminierung 28 4.4 Nachhaltige Verankerung von Maßnahmen gegen Diskriminierung 32 5. Glossar 34 6. Literatur 37 7. Serviceteil
Hinweis: In dieser Broschüre wird eine gendersensible Sprache verwendet. Es werden entweder geschlechtsneutrale Bezeichnungen (z. B. Mitarbeitende) oder die Schreibweise mit Unterstrich (z. B. Bürger_innen) benutzt. Dieser sogenannte Gender Gap macht als „Lücke“ darauf aufmerksam, dass es jenseits von Frauen und Männern auch Personen gibt, die sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zuordnen können oder wollen.
An wen richtet sich dieser Leitfaden? Dieser Leitfaden richtet sich an Lehrer_innen, Dieser Leitfaden beantwortet folgende Fragen: —— Schulleitungen und das pädagogische Personal an Schulen, an Mitarbeitende von Schulverwaltungen, Wo findet Diskriminierung in Schulen statt? —— aber auch an außerschulische Akteure wie Eltern- vereine und zivilgesellschaftliche Organisationen elche Auswirkungen haben Diskriminie- W aus dem Bereich der Antidiskriminierungsarbeit. rungserfahrungen auf Betroffene? —— Wenn Sie sich für den Schutz vor Diskriminie- rung an Ihrer Schule einsetzen wollen, finden Sie elchen rechtlichen Diskriminierungsschutz W in diesem Leitfaden Ideen für konkrete Maß- gibt es im Bereich Schule? —— nahmen, die Sie alleine oder in Kooperation mit anderen umsetzen können, sowie bestehende ie kann eine Schule Antidiskriminierung W Beispiele guter Praxis an Schulen. verankern? Wir möchten Sie mit diesem Leitfaden moti- vieren, sich aktiv für Chancengerechtigkeit und gegen Diskriminierung an Schulen einzusetzen.
1. Einleitung Eine Schülerin wird auf dem Pausenhof als dann kann es sich um eine Benachteiligung „Du dumme Lesbe“ beschimpft. Wie reagieren Sie handeln, für die Lehrkräfte und Strukturen an der in dieser Situation? Was können Sie tun, wenn Schule gleichermaßen verantwortlich sind. Darü- ein Mitschüler einem Mädchen mit Kopftuch ber hinaus gibt es gesellschaftliche Haltungen, die vorwirft, eine Terroristin zu sein? Oder wenn ein diskriminierend sind und die Schule prägen, z. B. Lehrer einen Schüler rassistisch beleidigt? In allen die Vorstellung, dass alle Kinder und Jugendlichen Fällen handelt es sich um Diskriminierungen. mit einer Behinderung auf Förderschulen unter- Kann man darüber hinwegsehen und sie als Aus- richtet werden sollten. nahme abtun oder als Konflikte zwischen Ein- zelpersonen, die diese selbst austragen müssen? Es gibt aber auch viele ermutigende Signale – wie Schulen werden vielfältiger und die Klassenräume auch die Praxisbeispiele in diesem Leitfaden zeigen. heterogener. Damit steigen die Anforderungen an Überall in Deutschland nehmen Pädagog_innen die Schule. Konflikte lassen sich nicht immer ver- die Vielfalt in der Schule als Herausforderung an meiden. Umso wichtiger ist es, Chancengerechtig- und sorgen für ein faires Miteinander und glei- keit zu fördern, Diskriminierungen zu verhindern che Chancen für alle. Weder die Schüler_innen und Antidiskriminierung als Bildungsziel zu noch die Lehrer_innen oder die Schulleitung sind verankern. Dies wird in einigen Schulgesetzen der diskriminierenden Verhaltensweisen, Regeln und Bundesländer bereits aufgegriffen. So bestimmt Routinen hilflos ausgeliefert – sie können etwas beispielsweise das Schulgesetz in Sachsen-Anhalt dagegen tun. Und sie sollten es auch, weil die (§ 1 Abs. 2 Nr. 6), „dass den Schülerinnen und Folgen von Diskriminierungserfahrungen erheb- Schülern Kenntnisse, Fähigkeiten und Werthal- lich sind: Betroffene Schüler_innen können ein tungen zu vermitteln sind, die die Gleichachtung geringeres Selbstwertgefühl entwickeln und ihre und Gleichberechtigung der Menschen unabhän- Leistungsbereitschaft, Lernbereitschaft und Iden- gig von ihrem Geschlecht, ihrer Abstammung, tifikation mit der Schule können sich verringern. ihrer Behinderung, ihrer Rasse, ihrer sexuellen Identität, ihrer Sprache, ihrer Heimat und Her- kunft, ihrem Glauben oder ihren religiösen und politischen Anschauungen fördern und über die Möglichkeit des Abbaus von Diskriminierungen und Benachteiligung aufklären“. Gleichzeitig kommen Diskriminierungen nicht nur unter Schüler_innen vor. Sie finden sich auch in Schulordnungen, z. B. durch Vorschriften, die das Tragen von Kopfbedeckungen im Unterricht verbieten und so nicht nur das Tragen einer Base cap sinnvoll verhindern, sondern auch das religiö- ser Kopfbedeckungen (z. B. Kopftuch oder Kippa). Und auch in den Benotungen oder im Verhalten von Lehrkräften gegenüber Schüler_innen, aber auch umgekehrt kommt es zu Diskriminierungen. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Gymnasial empfehlung für Kinder mit Migrationshinter grund˚ deutlich unter der anderer Kinder liegt, ˚ Begriffserläuterung im Glossar
2. Warum brauchen Schulen eine Strategie gegen Diskriminierung? Diskriminierungserfahrungen an Schulen lassen sich von der Einschulung bis zum Abschluss der —— Eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2013 zeigt, dass 6 Prozent der Befragten mit Sekundarschule beobachten. Kinder und Jugend- Behinderung schon eine Diskriminierung in liche erleben Benachteiligungen z. B. aufgrund der der Schule oder Hochschule erlebt haben ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religi- (ADS 2013c). on oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, ihrer sozialen Herkunft oder ihres Aussehens. Solche Diskrimi- —— Eine weitere Untersuchung der FRA aus dem Jahr 2013 stellt fest, dass 68 Prozent aller Befragten in den EU-Mitgliedsstaaten häufig nierungserfahrungen in der Schule sind durch oder ständig negative Kommentare oder mehrere Studien und Umfragen belegt: —— Verhaltensweisen gegenüber LSBT˚-Men- Die Repräsentativbefragung der Antidiskrimi- schen in der Schule wahrgenommen haben (FRA 2013:20). —— nierungsstelle zu Diskriminierungserfahrun- gen in Deutschland ergab, dass 23,7 Prozent as Integrationsbarometer 2012 gibt an, D aller Befragten in den letzten zwei Jahren dass sich 23,7 Prozent der Menschen mit Diskriminierungen im Bildungsbereich erlebt Migrationshintergrund in Schule oder Ausbil- haben (ADS 2016). —— dung diskriminiert fühlen (SVR 2012). Eine Befragung der Agentur der Europä- ischen Union für Grundrechte (FRA) von Tipp Menschen mit Migrationshintergrund aus Die Ergebnisse der Repräsentativbefragung der Türkei oder aus Sub-Sahara-Afrika zeigt, „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“ dass 6 bzw. 10 Prozent der Befragten in den werden durch eine umfassende Betroffenen letzten 12 Monaten im Schulkontext Diskri- befragung ergänzt. Ein Kapitel des Ergebnisberichts minierung aufgrund ihrer Hautfarbe, ethni- widmet sich dem Bildungsbereich und stellt Dis schen Herkunft oder Religion erlebt haben kriminierungserfahrungen in diesem Lebensbereich (FRA 2017). umfassend dar (Beigang et al. 2017). 2.1 Diskriminierung: Begriffsklärungen Bei Diskriminierungserfahrungen spielen Vorstel- z. B. in Kindergarten und Schule, führen können lungen von dem eine Rolle, was „normal“ und was (Fachstelle Kinderwelten 2004:1 f). Lehrer_innen „nicht normal“ ist. Diese Normalitätsvorstellungen kommt in diesem Zusammenhang eine heraus- können dazu führen, dass Menschen, die nicht ragende Rolle zu: Wenn sie diskriminierendes dieser Norm entsprechen, abgewertet und ausge- Verhalten als solches benennen, tragen sie ak- grenzt werden. Auch Kinder entwickeln bereits tiv dazu bei, Kindern und Jugendlichen andere Vorurteile, die zu diskriminierenden Handlungen, Normalitätsvorstellungen zu vermitteln, und ˚ Begriffserläuterung im Glossar
fördern dadurch Vielfalt und Chancengerechtig- keit. Dafür ist es aber ebenso notwendig, dass sich —— eligion oder Weltanschauung R Geschützt wird die Zugehörigkeit oder Nicht- Lehrer_innen über ihr eigenes möglicherweise zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltan- diskriminierendes Verhalten im Klaren sind und schauung sowie deren Ausübung. —— es reflektieren. ehinderung und chronische Erkrankungen B Menschen gelten als behindert, wenn ihre Juristischer Diskriminierungs- körperliche Funktion, geistige Fähigkeit begriff: geschützte Merkmale oder seelische Gesundheit dauerhaft einge- schränkt ist und in Wechselwirkung mit Bar- rieren aus dem sozialen Umfeld die Teilhabe Gesetzliche Verbote von Diskriminierung finden an der Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigt sich u.a. im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sein kann. Auch bei chronischen Erkrankun- (AGG) sowie in Schulgesetzen. Das AGG benutzt gen können solche Barrieren für die gesell- dabei den Begriff der Benachteiligung. Von Dis- schaftliche Teilhabe entstehen. —— kriminierung oder Benachteiligung wird in der Regel gesprochen, wenn eine Person aufgrund lter A eines bestimmten Merkmals in einer vergleichba- Der Schutz vor Diskriminierung aufgrund ren Situation schlechter behandelt wird als andere des Alters bezieht sich auf das Lebensalter Personen, bei denen dieses Merkmal fehlt und allgemein. Somit sind Ungleichbehandlungen ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt. wegen eines zu jungen oder zu alten Alters Dabei ist es unerheblich, ob das jeweilige Merkmal untersagt. —— tatsächlich vorliegt oder die Ungleichbehand- lung aufgrund eines zugeschriebenen Merkmals exuelle Identität S erfolgt. Im AGG werden beispielsweise die unten Der Begriff der sexuellen Identität bezieht aufgeführten sechs Merkmale genannt, aufgrund sich auf lesbische, schwule, hetero- und derer niemand schlechter behandelt werden bisexuelle sowie asexuelle Menschen˚. Nie- darf. Auch Landesschulgesetze formulieren ein mand darf aufgrund der sexuellen Identität diskriminierungsfreies Recht auf Bildung von benachteiligt werden. Schüler_innen im Hinblick auf diese und gegebe- nenfalls weitere Merkmale. Gemeinsames Kenn- Alle sechs genannten Diskriminierungsmerkmale zeichen dieser Merkmale und Schutzgrund ist, sind gleichwertig und gleichermaßen schutzwür- dass einzelne Menschen auf ihr Vorhandensein dig. Damit wird eine Hierarchisierung von Diskri- oder Fehlen keinen oder nur begrenzten Einfluss minierungsmerkmalen bzw. Betroffenengruppen nehmen können: verhindert. Das AGG trägt auch der Tatsache —— Rechnung, dass Menschen immer von mehreren thnische Herkunft bzw. die sogenannte E Merkmalen gleichzeitig geprägt sind und somit Rasse auch mehr als ein Diskriminierungsgrund ursäch- Das Merkmal bezieht sich auf Kategorien wie lich für Benachteiligungen sein kann. So hat jeder Hautfarbe, äußere Erscheinung, Sprache oder Mensch beispielsweise ein Alter, eine Geschlechts Migrationshintergrund. Niemand darf wegen identität oder eine sexuelle Orientierung. dieser Kategorien diskriminiert werden. Verschiedene Merkmale können dabei sowohl —— einzeln als auch gleichzeitig Anknüpfungspunkte Geschlecht für Diskriminierung sein. Ist mehr als ein Dis- Der Schutz in Bezug auf das Geschlecht gilt kriminierungsgrund für eine Benachteiligung für Frauen, Männer, Trans*Personen˚ und in einer Situation ursächlich, handelt es sich um intergeschlechtliche˚ Menschen. eine Mehrfachdiskriminierung oder mehrdimen- sionale Diskriminierung. Dabei summieren sich ˚ Begriffserläuterung im Glossar
einzelne Diskriminierungsgründe und verstärken entsprechenden Landesschulgesetze sein, die sich gegenseitig. Wenn in einer Situation mehrere einen diskriminierungsfreien Rechtsanspruch auf Diskriminierungsmerkmale zusammentreffen Bildung im Hinblick auf eine Reihe von Merkma- und derart spezifisch zusammen wirken, dass sie len verbindlich vorschreiben (Dern et al. 2013:37 ff.). nicht mehr getrennt voneinander zu betrachten sind, spricht man von intersektionaler Diskrimi- nierung (Walgenbach 2012:11). Die Formen sind Formen von Diskriminierung nicht immer eindeutig voneinander abzugrenzen. Zentral ist jedoch, dass es um die Komplexität von Man kann zwischen unmittelbarer und mittelba- Diskriminierung geht. Beispielsweise wird eine rer Diskriminierung unterscheiden. Unmittelbar Schülerin ausgegrenzt, weil sie als Frau ein mus- oder direkt ist eine Diskriminierung, wenn eine limisches Kopftuch trägt (intersektional) oder ein Person aufgrund eines der geschützten Merkmale Bewerber wird nicht als Lehrer eingestellt, weil er eine weniger günstige Behandlung als eine Ver- einen Migrationshintergrund und eine Behinde- gleichsperson erfährt. Mittelbare oder indirekte rung hat (mehrdimensional). Diskriminierungen sind scheinbar neutrale Ver- haltensweisen, Vorschriften und Regelungen, die Im Kontext der Schule sind noch andere Diskri- für alle Personen gelten, sich aber stärker benach- minierungsmerkmale zu nennen, die in anderen teiligend auf bestimmte Gruppen auswirken. Gesetzen geschützt werden, z. B. der Familien status oder Beispiel für eine unmittelbare Diskriminierung —— „ Soziale Herkunft“/sozialer Status Dieses Merkmal bezieht sich auf den fami- Trotz gleicher Leistung erhält ein Schüler mit türkischem Migrationshintergrund eine schlechtere liären Hintergrund eines Kindes, genauer Note als ein Schüler ohne Migrationshintergrund. den sozialen Status der Eltern eines Kindes. Diskriminierungen aufgrund der „sozialen Beispiel für eine mittelbare Diskriminierung Herkunft“ treffen dabei Kinder aus Familien mit geringen sozioökonomischen Mitteln In der Schulordnung einer Schule wird das Tragen oder geringem Ausbildungsniveau. Die wirt jeglicher Kopfbedeckungen im Unterricht verboten. schaftliche oder gesellschaftliche Stellung Von dieser Regelung sind muslimische Schülerinnen der Eltern darf beispielsweise nach dem oder jüdische Schüler, die ein Kopftuch bzw. eine Hessischen Schulgesetz für die Aufnahme in Kippa tragen, überproportional häufig betroffen. eine Schule nicht bestimmend sein (§ 1 Abs. 2 Hess. SchulG). Eine Diskriminierung kann auch in der Form einer Belästigung vorkommen. Das AGG definiert Tipp diese als unerwünschte Handlungen, die eine Das Themenheft „Klassismus – Diskriminierung Person wegen eines der genannten Merkmale aufgrund der sozialen Herkunft“ (Schule ohne einschüchtern, beleidigen oder erniedrigen und Rassismus – Schule mit Courage 2017) zeigt auf, was dadurch ein feindliches Umfeld schaffen oder Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft ist darauf abzielen. Belästigungen können Teil von und was sich dagegen tun lässt. Mobbingprozessen sein. Mobbing wird allge- mein als würdeverletzende Handlung über einen längeren Zeitraum hinweg beschrieben, die dabei Generell gilt: Die Gründe, weswegen es an Schu- zielgerichtet und systematisch erfolgt und auf len zu Diskriminierungen kommt, sind vielfältig eine Persönlichkeitsverletzung abzielt. Mobbing und jede Schule hat selbst die Möglichkeit, im kann direkt an eines der genannten Merkmale an- Leitbild festzulegen, wie gegen Diskriminierung knüpfen, es kann aber auch ohne Bezug zu diesen vorgegangen wird. Grundlage können dabei die Merkmalen erfolgen.
Von einer Diskriminierung in Form einer sexuel- liche Strukturen gibt, die z. B. Ressourcen ungleich len Belästigung spricht man, wenn diese Verhal- verteilen, wodurch bestimmte Gruppen benach- tensweise sexuell bestimmt ist. teiligt werden. Beispiel für eine sexuelle Belästigung Beispiel für eine Diskriminierung auf institutioneller Ebene Eine Schülerin macht gegenüber einem Mitschüler anzügliche Bemerkungen und schickt an ihn Sonderschulüberweisungen für Kinder mit ungebeten Nachrichten mit pornografischem Migrationshintergrund werden mit Sprachdefiziten Inhalt. und kulturellen Differenzen gerechtfertigt ohne eine Überprüfung der muttersprachlichen Fähigkeiten, um das Sprachdefizit als Ursache für Lernschwierigkeiten auszuschließen. Ebenen der Diskriminierung Diskriminierung erfolgt vor allem auf drei Ebe- Strukturelle Diskriminierung nen: der individuellen, der institutionellen und liegt zum Beispiel dann vor, wenn gesellschaftliche der gesellschaftlichen. Diese Ebenen sind nicht Strukturen dazu führen, dass Bildungseinrichtungen immer eindeutig voneinander zu trennen. An- in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Familien tidiskriminierungsmaßnahmen in der Schule mit Migrationshintergrund oder sozial schwächeren sollten daher immer alle drei Ebenen im Blick Familien eine vergleichsweise geringere Qualität behalten. aufweisen als in anderen Stadtteilen und dadurch Schüler_innen mit Migrationshintergrund oder aus Auf der individuellen Ebene bezieht sich Diskri- sozial schwächeren Familien benachteiligt werden. minierung auf ein Verhalten zwischen Individuen, das einzelne Personen abwertet oder ausgrenzt. Dabei geht es im Schulkontext oft um wiederkeh- Die gesellschaftliche Ebene betrifft Vorstellungen, rende verletzende Erfahrungen zwischen Lehr- Bezeichnungen und Bilder. Häufig spielen dabei Ste- kräften auf der einen und Schüler_innen auf der reotypisierungen eine Rolle. Stereotype Ideen und anderen Seite oder zwischen Schüler_innen. Bilder werden von Medien transportiert, finden sich aber auch in alltäglichen Gesprächen, in Schul- Beispiel für eine Diskriminierung auf individueller büchern oder Lehr- und Lernmaterialien wieder. Ebene Beispiel für eine Diskriminierung auf Ein Schüler, dessen Eltern homosexuell sind, wird gesellschaftlicher Ebene vom Klassenlehrer immer wieder aufgefordert, zu erzählen, wie sich seine Familie von „normalen“ In Schulmaterialien wird ein klischeehaftes Bild Familien unterscheidet. vom afrikanischen Kontinent vermittelt. Komplexe Lebensrealitäten in unterschiedlichen afrikanischen Ländern werden gar nicht oder nur vor negativem Auf der institutionellen Ebene ist für die Diskri- Hintergrund (Flüchtlingsströme, Kriege etc.) minierung das Handeln einer Organisation verant- dargestellt. Auch bei vermeintlich positiven wortlich: Die Personen handeln nicht aus eigenen Darstellungen von afrikanischen Menschen als Motiven diskriminierend, sondern die Regeln, tanz- und musikbegabt („Rhythmus im Blut“) Gesetze, Praktiken und Abläufe der Institution handelt es sich um stereotype Darstellungen, die sind für die Benachteiligung verantwortlich, dabei diskriminierend sind. handelt es sich um institutionelle Diskriminierung (Gomolla und Radtke 2007:19). Im Zusammen- hang mit der institutionellen Ebene wird häufig auch von struktureller Diskriminierung gespro- chen. Sie entsteht dadurch, dass es gesellschaft
2.2 Diskriminierungsrisiken an Schulen Im Folgenden haben wir diskriminierende Si- Geschlecht/Geschlechtsiden- tuationen anhand der im AGG genannten Dis- tität sowie sexuelle Identität/ kriminierungsmerkmale zusammengestellt, die verdeutlichen, welche Diskriminierungsrisiken Diskriminierung von LSBTIQ*- an Schulen bestehen (siehe dazu ausführlicher: Personen˚ Jennessen et al. 2013). Rassistische Diskriminierung/ —— Mobbing, Beschimpfungen, verletzende Be- merkungen: Ein Lehrer wertet die Kenntnisse ethnische Herkunft und Fähigkeiten von Mädchen im naturwis- senschaftlichen Unterricht dauernd ab („In —— Physik seid ihr nur Deko“). Ein Schüler verhält obbing, verbale Angriffe durch Mitschü- M sich gegenüber weiblichen Lehrkräften ler_innen oder Lehrkräfte: Schüler_innen mit permanent abwertend und respektlos („Von Migrationshintergrund werden von Mitschü- Frauen lasse ich mir gar nichts sagen“). —— ler_innen als „Kanaken“ bezeichnet, Schü- ler_innen ohne Migrationshintergrund als S chüler_innen werden als „Lesbe“ oder „deutsche Kartoffeln“. „Schwuchtel“ beschimpft. —— tereotype Zuschreibungen und Reduzie- S rung auf die (vermeintliche) Herkunft: Ein —— rans*Schüler_innen erleben physische Ge- T walt oder deren Androhung. —— türkischstämmiges Mädchen bekommt von einem Lehrer gesagt, ihre schlechten Noten ei Trans* und Inter*Personen: Benutzung B seien doch nicht so schlimm, da sie ja eh bald der selbstgewählten Toiletten und Umkleide- verheiratet wird. kabinen in der Schule wird erschwert. Religion/Weltanschauung —— ei Trans* Personen: Bei der Namensän- B derung sind Schulen oft nicht bereit, Zeug- nisunterlagen auf den geänderten Namen —— auszustellen. —— elästigung von muslimischen Schülerinnen B mit Kopftuch: Mitschüler_innen machen ine Trans*Schülerin wird von der Lehrerin E sich über das Kopftuch einer muslimischen nicht mit ihrem neuen Namen angesprochen. —— Schülerin lustig und versuchen ihr dieses vom Kopf zu reißen. I n einem Deutsch-Lehrbuch für die Grund- —— schule werden Mädchen generell beim ntisemitische Beleidigungen: Schüler_innen A Spielen drinnen mit Puppen, am Herd oder werden als „Du Jude“ beschimpft. in Interaktion mit anderen Mädchen gezeigt, während Jungen generell draußen sind, Fußball spielen oder mit anderen Jungen herumtollen. —— S exuelle Belästigung: unerwünschte Blicke oder Anstarren in der Umkleidekabine beim Sportunterricht, scheinbar zufällige Berüh- rungen.
Exkurs: Pauschale Kopftuchverbote im Schuldienst sind verfassungswidrig Das Bundesverfassungsgericht hat am 27.01.2015 vereinbaren. Kopftuchverbote sind demnach nur entschieden, dass pauschale Kopftuchverbote für noch in Einzelfällen möglich, wenn eine hinreichend Lehrkräfte an öffentlichen Schulen verfassungs- konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schul- widrig sind: Pauschale Kopftuchverbote lassen friedens oder der staatlichen Neutralität vorliegt. sich nicht mit dem Grundrecht auf Glaubens- und (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Januar Bekenntnisfreiheit nach Artikel 4 GG Abs. 1 und 2 2015 – 1 BvR 471/10 – Rn. (1–31)) Behinderung Zugang zur Schule —— usgrenzung, Ablehnung von Hilfe: Ein Schü- A ler, der im Rollstuhl sitzt, darf nicht an einem Durch Benachteiligungen beim Schulzugang kann strukturelle Segregation˚ entstehen: Die Mehrheit der Schüler_innen mit sonderpädago- Schulausflug teilnehmen, weil der Busfahrer gischem Förderbedarf besucht nach wie vor eine ihn aus Sicherheitsgründen nicht mitnehmen Förderschule: Im Schuljahr 2015/2016 besuchten will, obwohl im Bus ausgewiesene Stellplätze 37,7 Prozent der Schüler_innen mit sonderpäd- für Rollstühle vorhanden sind. —— agogischem Förderbedarf eine Regelschule und inem Schüler mit Hörbehinderung wird E 62,3 Prozent eine Förderschule (KMK 2016:8). die Teilnahme an der Klassenfahrt mit der Auch Schüler_innen mit Migrationshintergrund Begründung verwehrt, dass es zu viel Auf- erleben Diskriminierung beim Zugang zur Regel- wand sei, während der Klassenfahrt auf seine schule: Verstärkt wird Kindern und Jugendlichen Beeinträchtigung Rücksicht zu nehmen. mit Migrationshintergrund ein sonderpädagogi- —— ehlende Barrierefreiheit, nicht ausreichen- F de Bereitstellung von Assistent_innen (z. B. scher Förderbedarf aufgrund von vermeintlichen Sprachdefiziten attestiert. Gebärdensprachdolmetscher oder Assistenz für Toilettengänge) Leistungsbewertungen und Übergangsempfehlungen —— usätzliche Kosten für die Eltern etwa für Z eine Hortbetreuung am Nachmittag oder Leistungsunterschiede unter den Schüler_innen basieren nicht zwangsläufig nur auf Kompetenz- sehr hohe Fahrtkosten defiziten, sondern können auch auf diskriminie- rende Entscheidungspraktiken von Lehrer_innen zurückzuführen sein. Insbesondere kann man rassistische, geschlechtsspezifische oder soziale Spezifische Diskriminierungs Zuschreibungen bei der Leistungseinschätzung risiken und -erwartung beobachten. Auch Noten und Leistungstests sind mitunter nicht objektiv und Es gibt schulische Bereiche mit spezifischen diskriminierungsfrei: Empirische Studien haben Diskriminierungsrisiken. Diese treten zum Bei- gezeigt, dass Lehrer_innen die Leistungen von spiel beim Zugang zur Schule, aber auch beim Schüler_innen (unbewusst) in Abhängigkeit zu Übergang von der Grundschule zur weiterfüh- vornamengebundenen Vorurteilen bewerten. So renden Schule auf. Hierbei spielt insbesondere erhielten Aufgaben, die unter dem Namen Maxi- die Bewertung von schulischen Leistungen eine milian verfasst wurden, bessere Bewertungen als wichtige Rolle. Darüber hinaus können Lern- und die gleichen Aufgaben unter dem Namen Kevin, Lehrmaterialien Diskriminierungsrisiken aufwei- die Vornamen werden dabei als Hinweis auf die sen (Gomolla und Radtke 2007:80 f.). ˚ Begriffserläuterung im Glossar
soziale Herkunft interpretiert (Universität Olden- sowie gleichgeschlechtliche Lebensformen häufig burg 2010). „Gerechte Bewertung“ ist in der Praxis auftreten (siehe z. B. die Studien „Migration und schwierig umzusetzen und die Benotung birgt Integration“ der Beauftragten der Bundesregie- damit ein hohes Diskriminierungsrisiko. rung für Migration, Flüchtlinge und Integration von 2015 und „Geschlechterkonstruktionen und Der Übergang von der Grundschule auf die die Darstellung von LSBTI in Schulbüchern“ der weiterführende Schule ist eine entscheidende GEW von 2011). Lehrkräfte sollten sich kritisch Weichenstellung in der Bildungslaufbahn, auf der mit den Schulbüchern auseinandersetzen und alle weiteren Bildungschancen aufbauen. Es be- die problematischen Darstellungsweisen in den steht die Gefahr, dass bei diesem Auswahlprozess Materialien mit Schüler_innen thematisieren Diskriminierung eine Rolle spielt. Übergangsemp- und ergänzend Unterrichtsmaterialien nutzen, fehlungen der Schule basieren vor allem auf den die sonst vernachlässigte Themen (z. B. sexuelle in Noten gemessenen Leistungen sowie den Vielfalt) behandeln. Einschätzungen der Lehrer_innen. Neben dem Diskriminierungsrisiko, das von der Bewertung Tipp ausgeht, birgt auch die subjektive Perspektive der Im Serviceteil dieses Leitfadens finden Sie auch Lehrkräfte ein erhöhtes Risiko. Insbesondere bei Hinweise auf Organisationen, die Materialien für den Übergangsempfehlungen nach der Grund- den Unterricht erstellt haben, z. B. zu den Themen schulzeit wirkt sich die sozioökonomische Lage sexuelle Vielfalt, interkulturelle Erziehung und des Elternhauses oft negativ aus. Studien zeigen, Rassismus˚. dass trotz gleicher Leistungen die Wahrschein- lichkeit einer Gymnasialempfehlung für Kinder, Auch Sprache beeinflusst und prägt das Bewusst- deren Eltern einen Migrationshintergrund und/ sein sowie die Wahrnehmung der Welt. Damit oder einen „niedrigen sozialen Status“ haben, agiert Sprache nicht nur als Kommunikations- deutlich sinkt (Jennessen et al 2013:50 ff.). Dies liegt mittel, sondern kann auch Wertvorstellungen, auch an den von vielen Lehrer_innen als schwä- Vorurteile und Ungleichheiten transportieren. cher eingeschätzten elterlichen Unterstützungs- Wie gesellschaftliche Wirklichkeit sprachlich kompetenzen. beschrieben wird, hat einen Einfluss darauf, wie wir Wirklichkeit wahrnehmen. Sprache kann Tipp Diskriminierung beispielsweise durch Zuschrei- Der zweite Bericht der Antidiskriminierungsstelle bungen und Verallgemeinerungen hervorrufen. des Bundes an den Bundestag „Diskriminierung Eine diskriminierungsbewusste Sprache versucht im Bildungsbereich und im Arbeitsleben“ (ADS gesellschaftliche Vielfalt sichtbar zu machen und 2013a) geht in Kapitel 2.5 ausführlich auf das spricht alle Mitglieder der Gesellschaft gleicher- Diskriminierungsrisiko beim Übergang von der maßen an. Außerdem vermeidet sie stereotype Grundschule zur weiterführenden Schule ein. Darstellungen und diskriminierende Begrifflich- keiten. Lehr- und Lernmaterialien Tipp Die Broschüre der Gewerkschaft Erziehung Grundsätzlich gilt, dass Unterrichtsmaterialien und Wissenschaft „Eine Sprache, die alle nur dann zugelassen oder eingeführt werden dür- anspricht“ (GEW 2016a) gibt Anregungen, wie fen, wenn sie den in den Schulgesetzen festgeleg- eine geschlechterbewusste Sprache in der Praxis ten Bildungs- und Erziehungszielen sowie ande- umgesetzt werden kann. Die Freie Universität Berlin ren Rechtsvorschriften entsprechen. Schulbücher hat eine Toolbox „Gender und Diversity in der und andere Unterrichtsmaterialien sind jedoch Lehre“ (FU Berlin 20017) entwickelt, die umfassend oftmals nicht diskriminierungsfrei gestaltet. auf gender˚- und diversitätsbewusste Sprache in Analysen zeigen, dass stereotype Darstellungen in der Lehre eingeht und auch Anregungen für den Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund, schulischen Kontext geben kann. Religion (insbesondere den Islam), Geschlecht
2.3 Auswirkungen von Diskriminierungen Diskriminierungen gehen nicht spurlos an Neben direkten Auswirkungen auf den Lernerfolg Betroffenen vorüber, sondern haben gravieren- führen Diskriminierungserfahrungen oftmals de Auswirkungen: Empirische Untersuchungen dazu, dass Schüler_innen einem zusätzlichen konnten belegen, dass Diskriminierungen den permanenten Stress ausgesetzt sind. Dieser Stress Lernerfolg negativ beeinflussen (Universität Ulm kann zu psychischen Belastungen führen, die 2014). Wenn Schüler_innen immer wieder mit auch Auswirkungen auf die psychische und physi- Vorurteilen konfrontiert werden, entwickelt sich sche Gesundheit haben können. Eine Konsequenz ein Gefühl der Einschüchterung, welches sich auf von Diskriminierungserfahrungen, die von Be- das Verhalten auswirkt: Es entsteht eine Angst ratungsstellen berichtet wird, ist der Wechsel der davor, durch das eigene Verhalten diese Vorurteile Schule. Schulwechsel stellen für viele Betroffene zu reproduzieren. Dies kann drei Konsequenzen aufgrund mangelnder Beschwerdemechanismen haben: und fehlender Interventionsmöglichkeiten —— Leistungsminderung die einzige Möglichkeit dar, sich dauerhaft der —— Diskriminierung zu entziehen. Solche Schulwech- etroffene distanzieren sich von den Berei- B sel sind mit weiteren negativen Auswirkungen chen, in denen sie das Bedrohungsgefühl verbunden, so z. B. dem Verlust des sozialen erlebt haben. Umfeldes. —— uch zukünftige Entscheidungen, z. B. die A Berufswahl, werden beeinflusst. Betroffene Bei Diskriminierungen kann es sich auch um Erlebnisse handeln, welche auf den ersten Blick vermeiden Berufsfelder, in denen sie befürch- nicht gravierend erscheinen. Durch ihre perma- ten, erneut mit Vorurteilen konfrontiert zu nente Wiederholung tragen sie aber dazu bei, eine werden. Grenze zwischen einem konstruierten ‚„Wir“ und „den Anderen“ zu etablieren (Nguyen 2013:22). Der Fachbegriff dafür heißt „Othering“. ˚ Begriffserläuterung im Glossar
3. Rechtliche Rahmenbedingungen Schulen stehen in der Verantwortung, sich aktiv minierung im Unterrichtswesen, im Internationa- für die Beseitigung von Diskriminierungen einzu- len Pakt über ökonomische, soziale und kulturelle setzen und eine diskriminierungsfreie Bildung für Rechte (UN-Sozialpakt) und in der EU-Grund- alle Schüler_innen zu ermöglichen. Diese Verant- rechtecharta. wortung ergibt sich nicht zuletzt aus rechtlichen Regelungen in verschiedenen Rechtsbereichen: Diese völkerrechtlichen Verträge sind in Deutsch- —— auf Ebene der Menschenrechte/Grundrechte land geltendes Recht. Sie definieren Verpflich- —— tungen an den Gesetzgeber und sind verbind- a uf der Ebene des Allgemeinen Gleich liche Leitlinien für das staatliche Handeln. Das behandlungsgesetzes (AGG) und Grundgesetz (GG) selbst kennt allerdings kein —— auf Ebene des Landesschulrechts ausdrückliches Recht auf diskriminierungsfreie Bildung. Aus verschiedenen Grundrechten und dem Benachteiligungsverbot kann aber das Recht Tipp auf eine diskriminierungsfreie Bildungsteilhabe Sehr viel ausführlicher dargestellt werden abgeleitet werden (z. B. Artikel 3, 6 und 7). die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Publikationen „Schutz vor Diskriminierung Im Jahr 2006 trat das Allgemeine Gleichbehand- im Schulbereich“ (Dern et al. 2013) und „Das lungsgesetz (AGG) in Kraft. Das AGG bietet in erster Menschenrecht auf Bildung im deutschen Linie einen arbeits- und beamtenrechtlichen Dis- Schulsystem“ (DIMR 2016). kriminierungsschutz für Beschäftigte an Schulen. Lehrer_innen und andere Beschäftigte an Schulen Das Recht auf Bildung – und damit das Recht auf können sich auf das AGG berufen und arbeits- diskriminierungsfreie Bildungsteilhabe – ist ein rechtlich gegen Diskriminierungen vorgehen. Das Menschenrecht. Es ist in verschiedenen völker- AGG verpflichtet die Schule als Arbeitgeber auch, rechtlichen Verträgen festgeschrieben: Zum Lehrer_innen vor Diskriminierungen durch Dritte, Beispiel in der Allgemeinen Erklärung der Men- z. B. Schüler_innen oder Eltern zu schützen. schenrechte, im Übereinkommen gegen Diskri- Exkurs: Errichtung einer Beschwerdestelle bei Diskriminierung nach § 13 AGG Für Beschäftigte (Lehrer_innen, Erzieher_innen, Re- zuständige Stelle eingerichtet werden. Die konkrete ferendar_innen und sonstiges Personal) sind Schu- Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens und der len als Arbeitgeber durch das AGG verpflichtet, Be- Beschwerdestelle überlässt der Gesetzgeber dem schwerdestellen einzurichten. § 13 AGG räumt allen Arbeitgeber. Beschäftigten ein umfassendes Beschwerderecht bei Diskriminierungen ein. Die Beschwerdestellen nach Ausführliche Hinweise zur Umsetzung und Er- § 13 AGG haben das Ziel, dass sich Beschäftigte dort richtung einer Beschwerdestelle nach § 13 AGG beschweren können, wenn sie sich rassistisch oder können unseren Publikationen „Leitfaden Diskrimi- wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der nierungsschutz an Hochschulen“ (ADS 2014) und Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, „Beschwerdestellen und Beschwerdeverfahren des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt nach § 13 AGG“ (Liebscher und Kobes 2010) ent- fühlen. Es können konkrete Personen als Beschwer- nommen werden. destelle benannt oder eine für Beschwerdeverfahren
Für Schüler_innen an staatlichen Schulen gilt der diskriminierungsfreie Bildung, der in den Landes- Diskriminierungsschutz durch das AGG nicht. Im verfassungen enthaltene Anspruch auf gleichen Bildungsbereich sind Schüler_innen lediglich an Zugang zum öffentlichen Bildungswesen ist Schulen, in denen ein privatrechtlicher Unter- jedoch selten weiter ausdifferenziert. Manchmal richtsvertrag abgeschlossen wird oder bei priva- greift das Recht nur die Herkunft bzw. die gesell- ten Dienstleistern (z. B. Privatschulen, Nachhilfe- schaftliche Stellung der Eltern und deren wirt- einrichtungen, Volkshochschulen) durch das AGG schaftliche oder soziale Lage auf (z. B. § 1 Abs. 1 vor Diskriminierung durch die Bildungseinrich- Schulordnungsgesetz Saarland). Häufig enthalten tung selbst geschützt. Landesschulgesetze darüber hinaus ein explizites Diskriminierungsverbot bzw. Fördergebote im Gerade weil das AGG Schüler_innen an öffentli- Hinblick auch auf die im AGG genannten Merk- chen Schulen keinen ausreichenden Schutz gegen male. Diskriminierung im Bildungsbereich bietet, ist es wichtig, dass die Institution Schule und die schu- In der Gesamtschau der Landesschulgesetze lischen Akteur_innen selbst aktiv werden. fehlen aber insbesondere konkrete und niedrig- schwellige Regelungen zur Durchsetzung des Tipp Rechts auf diskriminierungsfreie Bildung – selbst Der AGG-Wegweiser (ADS 2017) erläutert umfassend in den Ländern, deren Schulgesetze Regelungen und anschaulich den Diskriminierungsschutz des gegen Diskriminierung enthalten (siehe dazu Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in den Dern et al. 2013). Bereichen „Beschäftigung und Beruf“ sowie „Alltagsgeschäfte“. Der Auftrag zum Schutz vor Diskriminierung wird an Schulen und schulische Akteur_innen auch durch die Kultusministerkonferenz heran- Da die Gesetzgebungs- und Verwaltungskom- getragen: petenzen in Schulangelegenheiten den Bundes- ländern zukommen, sind die einzelnen Landes „Sie [die Schule] tritt aktiv der Diskriminierung verfassungen und Schulgesetze der Länder einzelner Personen oder Personengruppen ent- entscheidend für die Regelung des diskriminie- gegen. Sie prüft, inwieweit Strukturen, Routinen, rungsfreien Zugangs zu Bildung. Regeln und Verfahrensweisen auch unbeabsichtigt benachteiligend und ausgrenzend wirken, und ent- Alle 16 Bundesländer verfügen über eigene wickelt Handlungsansätze zu deren Überwindung.“ Schulgesetze und Verordnungen. In fast allen (KMK 2013:3) Landesschulgesetzen findet sich ein Recht auf
4. Handlungsmöglichkeiten für Schulen Um angemessen auf Diskriminierungen zu insbesondere aus dem Bereich der Betroffenen reagieren, sollte ein schulisches Diversity˚- und vertretungen (z. B. LSBTIQ*-Netzwerke, die Antidiskriminierungskonzept erarbeitet werden. Aufklärungsprojekte in Schulen anbieten) sowie Zentrale Bausteine dafür werden in diesem Kapitel Antidiskriminierungsberatungen zusammenar- dargestellt. Zur Umsetzung der einzelnen Bau- beiten. Hinweise auf Ansprechpersonen finden steine sollten Schulen externe Fachleute hinzu- Sie im Serviceteil dieses Leitfadens. ziehen und mit außerschulischen Akteur_innen, Exkurs: Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) zur interkulturellen Bildung (siehe KMK 2013) Um die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen im Schulsystem zu ermöglichen, hat die KMK einen —— „Entwicklung eines für alle (…) gültigen Schulhauscodes als dialogischer Prozess Orientierungsrahmen für die systematische inter zwischen Schülerinnen und Schülern, Eltern kulturelle Entwicklung von Schulen erarbeitet. und Schulpersonal, Förderung der friedlichen Dabei wird ein breites Verständnis von interkultu- Konfliktaustragung.“ reller Kompetenz˚ und Bildung zugrunde gelegt. Ziel ist die Entwicklung einer Schule der Vielfalt, die sich bewusst auf die Heterogenität von Schüler_in- —— „ Förderung und Wertschätzung (…) des Ein- satzes von Schüler_innen gegen Gewalt, Ras- sismus, Antisemitismus˚, Islamfeindlichkeit˚ nen ausrichtet und frei von offener und versteckter und jede andere Form von Diskriminierung.“ —— Diskriminierung ist. „Prüfung der Lehr-/Lernmaterialien im Dabei werden Schulen aufgerufen, gesellschaftli- Hinblick darauf, ob die vielschichtige, auch che Vielfalt als Normalität wahrzunehmen, allen herkunftsbezogene Heterogenität der Schü- Schüler_innen mit Wertschätzung zu begegnen und lerinnen und Schüler berücksichtigt ist, und Diskriminierung aktiv entgegenzutreten. Schule soll ggf. Ergänzung der Materialien.“ weiter Kompetenzen vermitteln, die Schüler_innen befähigen, soziale Zuordnungen und Stereotypisie- rungen zu reflektieren und Mitverantwortung für —— „Verdeutlichung unterschiedlicher Orien- tierungen, Wertungen und Denkmuster (…). Schule kann Gemeinsamkeiten erfahrbar eine gleichberechtigte Teilhabe aller zu übernehmen. machen und Schülerinnen und Schüler er- mutigen und unterstützen, Differenz selbst- Der Beschluss der KMK empfiehlt verschiedene bestimmt zu artikulieren und sich nicht auf Maßnahmen, um diese Grundsätze zu erfüllen fremdbestimmte Zuschreibungen festlegen (KMK 2013:7–9): zu lassen.“ ˚ Begriffserläuterung im Glossar
Im Folgenden werden verschiedene Handlungs- Diese vier Ebenen bauen aufeinander auf: Nur möglichkeiten vorgestellt, mit denen Schulen wenn Diskriminierung identifiziert wird, können dazu beitragen können, Benachteiligung insbe- Maßnahmen zur Prävention und Intervention sondere durch Sensibilisierung für Diskriminie- sinnvoll ergriffen werden und nur wenn man die- rungsrisiken abzubauen. Dabei sind die folgenden se drei Ebenen umfassend berücksichtigt, ist eine vier Ebenen besonders zentral: Institutionalisierung der Maßnahmen möglich. —— Diskriminierung identifizieren und aufdecken —— Prävention von Diskriminierung —— Intervention bei Diskriminierung —— I nstitutionalisierung von Maßnahmen gegen Diskriminierung Handlungsebenen Ebene 1 Diskriminierung identifizieren und aufdecken Ebene 2 Ebene 3 Prävention Intervention Ebene 4 Institutionalisierung von Maßnahmen gegen Diskriminierung 4.1 Diskriminierung identifizieren und aufdecken Um die Schulgemeinschaft für Diskriminierun- kann dieser Schritt auch in regelmäßigen Abstän- gen zu sensibilisieren, ist es wichtig, zu prüfen, an den wiederholt werden. Denn Schule verändert welchen Stellen Diskriminierung in der Einrich- sich fortlaufend und so ist es sinnvoll, immer tung auftritt und wie sie sich äußert. Dadurch wieder die eigene Praxis zu reflektieren. werden Benachteiligungen sichtbar gemacht und ein Raum zur Thematisierung geboten. Außerdem Dazu können die folgenden Bausteine beitragen: kann eine Bestandsaufnahme zeigen, ob beste- —— Befragungen —— hende Schutzregelungen eingehalten werden und wo nachgebessert werden muss. Verschiedene ntersuchung bestehender Regeln und U Methoden und Verfahren können helfen, Diskri- Routinen minierungen an Schulen zu identifizieren. Das —— Erhebungen statistischer Ungleichheiten —— Sichtbarmachen ist einerseits der erste zentrale Schritt, den Schulen auf dem Weg zu mehr Dis- nalyse von Unterrichtsmaterialien und A kriminierungsschutz gehen sollten. Andererseits -inhalten
Befragungen Untersuchung von Regeln und Routinen Um einen Überblick über Diskriminierungs erfahrungen von verschiedenen Personengruppen Regeln und Routinen, aber auch die Organisati- innerhalb der Schule (z. B. Schüler_innen, Eltern, onsstruktur zum Beispiel im Rahmen des Auf- Lehrer_innen, andere Mitarbeitende) zu erhalten, nahmeverfahrens oder von Bewertungskriterien ist es sinnvoll, schulinterne Befragungen durch- können unbeabsichtigt benachteiligend oder zuführen. Dadurch können unterschiedliche Er- ausgrenzend wirken. Eine kritische Auseinander- fahrungen sichtbar gemacht werden und es wird setzung mit schulinternen Routinen, Regeln und deutlich, wo verstärkter Handlungsbedarf besteht. Verfahrensweisen kann aufzeigen, wo Diskrimi- Die Sichtbarmachung kann dazu beitragen, die nierungsrisiken auf struktureller Ebene beste- Schulgemeinschaft für bestehende Benachteili- hen. Die Kultusministerkonferenz (2013:3) sieht gungen zu sensibilisieren. Schulen in der Pflicht, zu prüfen, inwieweit diese strukturellen Bedingungen benachteiligend und Die Befragungen können von unterschiedlichen ausgrenzend auf verschiedene Personengruppen Personen angestoßen werden: von der Schüler_in- wirken. nen- oder Elternvertretung, von Lehrkräften oder der Schulleitung. Die Befragungen sollten anonym Folgende Fragen können die Untersuchung leiten: —— und auf freiwilliger Basis durchgeführt werden, um zu verhindern, dass sich Personen nicht trauen, elche schulinternen Abläufe wirken sich W ihre tatsächlichen Erlebnisse zu schildern. möglicherweise nachteilig auf bestimmte Personengruppen aus? Mögliche Fragen für Schüler_innen: —— —— I st das Thema Diskriminierung im Schulcurri- culum verankert? —— Wie wohl fühlst du dich an unserer Schule? —— ast du innerhalb des letzten Schuljahres H ibt es schulinterne Leitlinien zur Vergabe G von Benotungen? —— Situationen erlebt, in denen Du ungleich behandelt wurdest? —— ibt es klar benannte Ansprechpersonen für G Wie oft hast du solche Situationen erlebt? Diskriminierung? —— as denkst du: Warum wurdest du ungleich W behandelt? Durch die Untersuchung auf dieser Ebene kann institutionelle Diskriminierung identifiziert wer- —— Von wem wurdest du ungleich behandelt? den. Zur Sensibilisierung für Diskriminierungsri- —— siken bei der Notenvergabe können Klassenarbei- ie hast du auf die ungleiche Behandlung W ten beispielsweise vor der Benotung anonymisiert reagiert? werden, um sich in der Bewertung der Leistungen —— Wie hast du dich in der Situation gefühlt? nicht unbewusst durch Vorwissen über die Person —— (z. B. das Geschlecht oder einen Migrationshin- elche Unterstützung wünschst du dir für W tergrund) leiten zu lassen. Auch ist es möglich, solche Situationen? Klassenarbeiten von zwei Personen korrigieren zu lassen, um mögliche Abweichungen in der Noten- Im Rahmen von Workshops und Projekttagen vergabe sichtbar zu machen. können die Ergebnisse dieser Befragungen thematisiert werden. So wird den Schüler_innen die Möglichkeit gegeben, über Diskriminierungs- erfahrungen zu sprechen und sie sichtbar zu machen.
Erhebung statistischer Ungleichheiten —— Welche Personengruppen werden in den Un- terrichtsmaterialien in Wort und Bild reprä- sentiert, welche nicht? Schulen erheben regelmäßig verschiedene —— Werden Stereotype reproduziert? statistische Daten zu den soziodemografischen Merkmalen von Schüler_innen und Lehrkräften, die sie für die Schulstatistiken an die zuständigen —— ie wird über verschiedene gesellschaftliche W Gruppen gesprochen? Kultusministerien melden. Praxisbeispiel: Interkulturelle Büchersammlung an der Grundschule Mümmelmannsberg in Hamburg Zu diesen Daten gehören u.a. die Erfassung von nicht deutscher Muttersprache oder nicht Um die Vielfalt der Schüler_innenschaft sichtbar deutscher Staatsangehörigkeit, aber auch des zu machen, hat sich die Grundschule Mümmel- Inklusionsstatus (spezieller Förderbedarf) von mannsberg das Ziel gesetzt, diese Vielfalt auch Schüler_innen. In manchen Bundesländern wird im Lesestoff der Schulbücherei widerzuspiegeln. zusätzlich die Lernmittelbefreiung der Schüler_ Ausgewählt wurden dazu Kinderbücher, die von innen erfasst, diese kann einen Hinweis auf die nicht deutschen Autor_innen geschrieben und soziale Herkunft liefern. Bei der Erhebung kann auf Deutsch übersetzt wurden oder zweisprachig auch reflektiert werden, wie Gremien der Eltern- erschienen sind. Die neu angeschafften Bücher und Schüler_innenvertretung zusammengesetzt wurden dabei wie alle anderen Bücher in die Regale sind und welche Personengruppen in diesen einsortiert: Eine spezielle interkulturelle Bücherkiste Gremien nicht repräsentiert sind. Wenn ungleiche hätte nur wieder jene Sonderstellung betont, die Verteilungen sichtbar werden, ist es möglich, die man bewusst vermeiden wollte. Ursachen dafür zu reflektieren und Maßnahmen Empfehlenswert sind Kinderbuchlisten, die zu entwickeln, die zu einer ausgewogeneren Parti- ihre Auswahl nach vorurteilsbewussten und zipation führen. inklusiven Kriterien getroffen haben. Im Internet finden Sie eine solche Liste für die Grundschule Analyse von Unterrichts z. B. hier: http://www.situationsansatz.de/ vorurteilsbewusste-kinderbuecher.html materialien und -inhalten Eine intensive Reflexion über die genutzten Tipp Unterrichtsmaterialien sowie die vorhandenen Nicht alle diese Verfahren werden sich für jede Unterrichtsinhalte kann aufzeigen, an welchen Schule als leicht umsetzbar herausstellen. Sie Stellen Diskriminierungsrisiken durch Materiali- werden es auch aus organisatorischen Gründen en und Inhalte verstärkt oder sogar hervorgerufen oder wegen mangelnder Ressourcen vielleicht nicht werden. Die kritische Betrachtung von Lernma- schaffen, sofort alle hier genannten Bereiche zu terialien kann dabei auch gemeinsam mit den analysieren. Wichtig ist, dass Sie sich auf den Weg Schüler_innen erfolgen und somit Teil des Unter- machen und an Ihrer Schule die Methoden zum richts werden. Dabei können folgende Fragen die Einsatz bringen, die am erfolgversprechendsten Analyse leiten: sind. Ansprechpersonen, die Ihnen dabei helfen können, finden Sie im Serviceteil dieses Leitfadens.
4.2 Prävention von Diskriminierung Haben Sie an Ihrer Schule Diskriminierungsrisi- Praxisbeispiel: Schule am Goldberg, Heusenstamm, ken analysiert und aufgedeckt, können präventive 3. Platz im Schulwettbewerb Fair@school 2017 Maßnahmen ergriffen werden. Mögliche Maß- In einer jährlich stattfindenden sogenannten nahmen sind: —— „Laut:::stark“-Woche sowie in den „Laut:::stark“- Stärkung von Betroffenen Pausen während des Schuljahres trainieren —— Schulung des Lehrpersonals die Kinder und Jugendlichen der Förderschule —— gemeinsam mit externen Trainer_innen, Gefahren Trainings für Schüler_innen zu erkennen und zu vermeiden, selbstbewusst —— Informationen bereitstellen und Beratungs- angebote schaffen aufzutreten und sich im Notfall zur Wehr zu setzen. Dabei wird genau auf die unterschiedlichen —— Bedürfnisse und Diskriminierungserfahrungen der Vielfalt fördern Schüler_innen eingegangen, wird das Miteinander —— Überarbeitung der Schulordnung gefördert und werden Möglichkeiten aufgezeigt, —— mit alltäglichen Diskriminierungserfahrungen Partizipation fördern umzugehen. Stärkung von Betroffenen Tipp Die Broschüre „Diversität in Schulen: Schüler_innen und andere von Diskriminierung Diskriminierung thematisieren, Empowerment Betroffene sollten über ihre Handlungsmög- fördern und Partizipation stärken“ (LIFE e. V. 2013) lichkeiten und Rechte im Diskriminierungsfall veranschaulicht, wie Empowerment-Ansätze an aufgeklärt und darin bestärkt werden, diese auch Schulen genutzt werden können. wahrzunehmen. Diese Stärkung von Betroffenen wird auch als Empowerment bezeichnet, was sich mit „Selbstbemächtigung“ übersetzen lässt. Dabei Schulung des Lehrpersonals geht es um den Prozess, der darauf abzielt, von Diskriminierung betroffenen Gruppen Gestal- Um Lehrer_innen für das Thema Diskriminierung tungs- und Partizipationsmöglichkeiten aufzuzei- zu sensibilisieren und ihnen Handlungsmöglich- gen. Dabei werden Menschen unterstützt, sich mit keiten gegen Diskriminierung aufzuzeigen, ist ihren Stärken, Potenzialen und Ressourcen aktiv es notwendig, Lehrkräfte gezielt zu schulen. Erst in Bereiche und Situationen einzubringen, die dann sind sie in der Lage, Diskriminierungen re- wichtig für sie sind (LIFE e. V. 2013:14). gelmäßig im Rahmen des Unterrichts zu thema- tisieren. Geeignete Schulungen sind insbesondere sogenannte Anti-Bias- und Diversity-Trainings, aber auch Workshops zum Thema (Anti-)Diskri- minierung. Solche Schulungen sind besonders wirkungsvoll, weil sie in Übungen und Fallbei- spielen zum Erkennen von Diskriminierung an- leiten und konkret auf die Frage antworten, was man als einzelne Lehrkraft tun kann, wenn man eine Diskriminierung beobachtet. Im Serviceteil dieses Leitfadens werden geeignete Ansprech- personen für Workshops aufgelistet. Darüber hinaus sollten Lehrkräfte über diskriminierende Praktiken bei der Leistungsbewertung und bei Übergangsempfehlungen informiert werden und
ihnen sollten Orientierungshilfen gegeben wer- haben, sich über das Thema auszutauschen. den, wie sie diese vermeiden können. Supervisionen oder Reflexionsgruppen für Leh- rer_innen und weitere schulische Akteur_innen Neben den Schulungen für Lehrkräfte ist es können die Sensibilisierung aus Schulungen sinnvoll, dass Lehrer_innen auch in der täglichen aufgreifen und zur gegenseitigen Unterstützung Arbeit in regelmäßigem Abstand die Möglichkeit und Vernetzung beitragen. Exkurs: Anti-Bias-Ansatz Der Anti-Bias-Ansatz zielt auf die Verwirklichung Eine Expertise des Anti-Bias-Netzes skizziert die von Bildungsgerechtigkeit ab. Pädagogische und Grundlagen des Ansatzes und zeigt Bedingungen für bildungspolitische Arbeit vor dem Hintergrund die- eine erfolgreiche Umsetzung des Ansatzes im Bil- ses Ansatzes möchte gesellschaftliche Schieflagen, dungsbereich anhand konkreter Beispiele auf. Mehr welche durch Vorurteile entstehen, sichtbar machen Informationen: www.vielfalt-mediathek.de/data/ und ausgleichen. Dadurch können Diskriminierun- expertise_antibias.pdf) gen auf verschiedenen Ebenen abgebaut werden. Trainings für Schüler_innen Praxisbeispiel: Lessing-Stadtteilschule Hamburg Um Konflikten und Diskriminierungen in der Schu- Ergänzend zur sensibilisierenden Schulung der le entgegenzuwirken, wurde eine extern moderier- Lehrkräfte ist es sinnvoll, im Rahmen von Work- te Steuerungsgruppe etabliert, an der Lehrkräfte, shops oder Trainings auch die Schüler_innen für Schulleitung, Eltern- und Schüler_innenvertretung das Thema Diskriminierung zu sensibilisieren, beteiligt waren. Dort wurde entschieden, ein inter- damit sie Diskriminierung erkennen und sich für kulturelles Kompetenztraining für Schüler_innen Antidiskriminierung einsetzen können. Auch im und Lehrer_innen durchzuführen. Im Rahmen dieses Rahmen von Projektwochen kann Diskriminie- Prozesses wurden Fortbildungen durchgeführt, Ma- rung und gesellschaftliche Vielfalt zum Thema terialsammlungen erstellt sowie Elternabende und gemacht werden. Projekttage organisiert. Als Basis für die Kompe- tenztrainings wurde der Anti-Bias-Ansatz gewählt. Nach anfänglichem Widerstand hat sich nach zwei Jahren das Lehrer_innenkollegium einstimmig dafür entschieden, das Anti-Bias-Projekt in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen aufzunehmen und jedes Jahr in den Eingangsklassen verbindlich für alle Schüler_innen durchzuführen. Auch neue Lehrkräf- te werden zur Thematik fortgebildet (ADS 2013b:42).
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