Klima-Zeitung - anja kollmuss
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Klima-Zeitung Juli 2021 Ein zwei-monatlicher Newsletter für Menschen, die sich zum Klimawandel informieren möchten. Zusammengestellt von Anja Kollmuss und Thomas Schenk. Schweiz mamassnahmen umso geringer ist, je höher die persönlichen Kosten erscheinen. Generell haben Lenkungsabgaben in Volksbefragungen einen Warum das CO2-Gesetz abgelehnt wurde schweren Stand erst recht, wenn nur ein Teil Das CO2-Gesetz ist mit 51.6% der Stimmen an die Bevölkerung zurückerstattet wird. Mehr knapp abgelehnt worden. Damit wird absehbar, dazu hier (Paywall). dass die Schweiz ihre Verpflichtung von Paris, bis 2030 den Treibhausgas- Wie geht es nach dem ausstoss gegenüber 1990 zu Nein zum CO2-Gesetz halbieren, nicht einhalten weiter? kann. Das Parlament wird ver- Der Stadt-Land-Graben war suchen, Teile des heuti- markant. Die beiden Agrarini- gen CO2-Gesetzes, die tiativen, über die gleichzeitig Ende 2021 auslaufen, zu abgestimmt wurden, mobili- verlängern. Die Umwelt- sierten im ländlichen Raum kommission des Natio- stark. Gemeinden mit einem nalrates hat bereits be- hohen Nein-Anteil zum CO2- schlossen, die Befreiung Gesetz wiesen eine über- von Unternehmen von durchschnittliche Stimmbe- der CO2-Abgabe, die sich teiligung auf. Stellvertretend zu Klimaschutzmassnah- dazu Zahlen aus dem Kanton men verpflichten, bis Luzern: In der Stadt Luzern 2024 zu verlängern, wurde das Gesetz mit 67% ebenso die Kompensati- angenommen (bei einer onspflicht für die Import- Stimmbeteiligung von 59%), eure von Benzin und in der Gemeinde Hasle im Diesel. Entlebuch wurde die Vorlage Mit der Gletscherinitiati- mit 72% abgelehnt (bei einer ve kann der Klimaschutz Stimmbeteiligung von über gestärkt werden. Die 80%). Die Republik zeigt auf, Initiative fordert bis 2050 dass das CO2-Gesetz vor al- den Ausstieg aus den lem dort abgelehnt wurde, wo fossilen Energien wie der Anteil an Wohneigentum Erdöl, Erdgas und Kohle und eine mindestens und Personenwagen hoch ist. Gemäss einer lineare Absenkung der Treibhausgas- Nachwahlbefragung von Tamedia hatte keine Emissionen auf netto Null. Der Gegenvorschlag Altersgruppe das CO2-Gesetz deutlicher abge- des Bundesrates sieht kein Verbot fossiler Ener- lehnt als die unter 35-Jährigen. Mehr dazu hier gien vor. Spätestens bis August 2021 muss der und hier (Paywall). Der Wirtschaftsverband Bundesrat die Botschaft zur Gletscherinitiative swisscleantech, die Republik und der Datenana- vorstellen. Danach entscheidet das Parlament, lyst Robert Rhode analysieren, wie es zur Ab- ob es die Ziele der Initiative in einem indirekten lehnung kam und was die Befürworter in der Gegenvorschlag aufnehmen will. Damit könnten Kampagne falsch machten. das Netto-Null-Ziel auf Gesetzesstufe verankert Der Ausgang der Abstimmung hat die Erfah- und gleichzeitig auch erste Massnahmen zu rung bestätigt, wonach die Akzeptanz von Kli- dessen Erreichung festgelegt werden; zudem Klima Zeitung Mai 2021 1
müssten nicht die Hälfte der Kantone zustim- tiven auf nationaler, kantonaler und kommuna- men. Mehr dazu hier, hier und hier. ler Ebene soll die Diskussion rund um Klima- schutz gestärkt werden. Angeregt werden Ini- Die jungen Grünen wollen die Umweltverant- tiativen zu den Themen sauberer Strom, kos- wortungsinitiative vorantreiben. Damit soll die tendeckende Vergütungen für erneuerbare Schweiz verpflichtet werden, innert zehn Jahren Energien, erneuerbares Heizen sowie emissi- die sogenannten planetaren Grenzen in den onsfreie Personenwagen. Mehr dazu hier. Bereichen Klima, Biodiversität, Landnutzung, Wasserverbrauch, Stickstoff- und Phosphorein- Climate Analytics hat ein neues Webtool veröf- trag nicht mehr zu überschreiten. fentlicht, das die erforderlichen nationalen Ziele aufzeigt, um das 1.5o-Grad-Ziel zu erreichen. Der grüne Verkehrsclub der Schweiz (VCS) hat Danach müsste die Schweiz ihre Inlandemissio- einen Masterplan für einen «fossilfreien Ver- nen bis 2030 um knapp zwei Drittel senken. kehr» präsentiert. Die Studie zeigt notwendige Massnahmen auf, um den Verbrauch fossiler Bundesgesetz über Stromversorgung Treibstoffe im Verkehr zu stoppen und die Kli- maziele in diesem Bereich zu erreichen. Zentra- Der Bundesrat hat die Botschaft über das um- les Instrument ist eine Lenkungsabgabe von 1 fangreiche Gesetzespaket zum Strommarkt Franken pro Liter Benzin – eine erstaunliche verabschiedet. Die Vorlage verknüpft die Revisi- Forderung nach der Ablehnung des CO2- on des Energiegesetzes mit jener des Stromver- Gesetzes, das die Erhöhung auf maximal 12 sorgungsgesetzes. Die vorgesehenen Massnah- Rappen begrenzt hätte. Weitere Massnahmen men sollen die Energiewende vorantreiben: sind Tempo 30 in Siedlungsgebieten und eine Solar- und Windenergie sollen bis 2035 17 Reduktion von Parkplätzen. Terawattstunden Strom liefern, fast sechsmal mehr als heute. Erneuerbare Energien sollen in Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse fordert in Zukunft nur noch über Investitionsbeiträge der Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik» eine gefördert werden; die bisherige Förderung über zurückhaltende Regulierung, eine konsequente Einspeisevergütungen wird bis 2035 verlängert. Bepreisung des Treibhausgasausstosses und Und der Strommarkt soll vollständig geöffnet eine enge globale Koordination. So soll die werden. Werden die Ausbauziele verfehlt, nennt Schweiz etwa prüfen, ob sie das in der EU vor- der Bundesrat auch Gaskombikraftwerke als gesehene Grenzausgleichssystem übernehmen Option, unter der Voraussetzung, diese werden will, mit dem Importe abhängig von den verur- klimaneutral betrieben. sachten CO2-Emissionen belastet werden sollen. Die Botschaft hat zahlreiche kritische Reaktio- Swisscleantech listet konkrete Vorstösse auf, nen ausgelöst. Die Schweizerische Energiestif- um den Schweizer Klimaschutz zu stärken. tung fordert einen rascheren Ausbau der erneu- Dazu zählen ein Modernisierungsfonds für die erbaren Energien. Strittig ist auch, wie viel energetische Sanierung von Gebäuden, der Strom die Schweiz im Winter importieren kann. beschleunigten Bau von Ladestationen für Nach dem Scheitern des Rahmenabkommens Elektrofahrzeuge, die Verschärfung des CO2- mit der EU ist ein Stromabkommen mit Brüssel Grenzwerts für Personenwagen sowie die Er- in weite Ferne gerückt. Die Eidgenössische zeugung von erneuerbarem Winterstrom, die Elektrizitätskommission fordert deshalb einen mittels Auktionen gefördert werden soll. deutlich schnelleren Ausbau der neuen Erneu- Die Klimaaktivist*innen von Extinction Rebelli- erbaren und der Wasserkraft. Vor allem im on haben den Bundesrat zu sofortigen Mass- Winter müsse die Produktion erhöht werden. nahmen zum Schutz des Klimas aufgefordert. SP und Grüne kritisieren die vollständige Falls die Regierung den Forderungen nicht Marktöffnung. Mehr dazu hier und hier. Als nachkomme, droht der Schweizer Ableger der Reaktion auf den Abbruch der Verhandlungen Bewegung die Stadt Zürich im Oktober «lahm- mit der EU erwägt der Bund laut Medienberich- zulegen». Mehr dazu hier. ten, die Laufzeiten der Schweizer AKWs um weitere zehn Jahre zu verlängern. Mehr dazu Mit der Lancierung von Klimainitiativen wollen hier. Klimaschütz*innen auf die Ablehnung des CO2- Gesetzes reagieren. Mit zahlreichen Volksinitia- Klima Zeitung Juli 2021 2
Warum hinkt die Schweiz bei den zeigt, dass bis Mitte des Jahrhunderts fast ge- erneuerbaren Energien hinterher? nauso viel Energie zum Kühlen wie zum Heizen benötigt wird. Die Schweiz liegt beim Ausbau der Solarenergie im internationalen Vergleich weit zurück. Das Temperaturen und Extremwetter bestätigt die jüngste Auswertung der Schweize- nehmen zu rischen Energiestiftung. Nur 4.7% beträgt der Anteil von Wind- und Solarenergie am Schwei- Die Nullgradgrenze in der Schweiz ist in den zer Stromverbrauch. In Europa produzieren letzten 150 Jahren um 200 bis 700 Meter ange- einzig Tschechien, Ungarn, Slowenien, die Slo- stiegen – besonders stark im Winter. Der An- wakei und Lettland mittels Solar- und Wind- stieg hat sich in den letzten Jahrzehnten be- kraft weniger Strom pro Kopf. schleunigt, vor allem im Frühling und im Som- mer, zeigt eine neue Studie. Klimaforscher Reto Warum die Schweiz im Rückstand ist, erklärt Knutti erklärt hier, was die jüngsten Unwetter Rudolf Rechsteiner im neuen Buch «Die Ener- mit der menschgemachten Klimaerhitzung zu giewende im Wartesaal». Laut dem Ökonomen tun haben. Klimafakten.de erklärt, was die und Ex-SP-Nationalrat sind es nicht die hohen Forschung über den Zusammenhang von Kli- Kosten der Solarenergie oder der Einfluss der mawandel und Extremwettern sagt. Atom- oder Erdöl-Lobby, die den Ausbau verzö- gern. Vielmehr würden Politik und Verwaltung Gerichte entscheiden gegen ihren Fokus noch immer auf die Wasserkraft Klimaaktivist*innen richten. Das Bundesgericht hat Klimaaktivist*innen, die Wo sollte die Schweiz idealerweise die erneuer- 2018 in einer Lausanner Filiale der Credit Suis- baren Energien ausbauen? Das hat die EPFL se die Finanzierung von fossilen Energien ange- untersucht. Die Studie zeigt, dass Solarpanels prangert hatten, wegen Hausfriedensbruch im optimalen Szenario in den Alpen montiert verurteilt. In erster Instanz hatte der zuständige werden, nicht in den Städten. Und der beste Richter deren Vorgehen als notwendig und Standort für Windturbinen sind die Juraketten. angemessen und ihr Handeln daher als gerecht- Auf diese Weise liesse sich die Produktion er- fertigt beurteilt. Das Bundesgericht argumen- neuerbarer Energie in der Schweiz maximieren. tiert nun, dass im konkreten Fall keine «unmit- Der Bundesrat zeigt in einem Bericht auf, wie telbare Gefahr» vom Klimawandel ausgehe. Um die Stromerzeugung im Winter mit Photovoltaik eine Aktion zu rechtfertigen, müsse eine Gefahr (PV) erhöht werden kann – allerdings nur mi- «kurzfristig, zumindest innerhalb von Stunden nim. Derzeit liefern Schweizer PV-Anlagen 27% nach der Tat» eintreten. Die Klimaakti- ihres Stroms im Winter. Würden PV-Anlagen vist*innen werden den Fall an den Europäi- auf nach Süden ausgerichteten Fassaden instal- schen Gerichtshof für Menschenrechte in liert, könnte der Winteranteil auf 30% gestei- Strassburg weiterziehen. Mehr dazu hier. gert werden. In Zürich sind Klimaaktivist*innen wegen einer Sitzblockade am Credit-Suisse-Hauptsitz verur- Tieferer Energiekonsum wegen Corona teilt worden. Der Richter verneinte einen Not- – langfristig höherer Bedarf für Kühlung stand als Rechtfertigung, um die Haupteingänge 2020 ist der Endenergieverbrauch der Schweiz der Bank zu blockieren. Die Betroffenen wollen gegenüber dem Vorjahr um 10.6% gesunken. das Urteil an das Zürcher Obergericht weiter- Gemäss dem Bundesamt für Energie lag das ziehen. Mehr dazu hier. zum einen an den Massnahmen gegen die Co- vid-19 Pandemie. So gingen Verkehrsvolumen Klimarelevante Entscheide von und Industrieproduktion zurück. Zudem trug Bundesrat und Parlament die wärmere Witterung zur Abnahme des Ener- Der Bundesrat zeigt in einem Bericht auf, dass gieverbrauchs bei. Demand-Side-Management (DSM) im künftigen Durch den klimabedingten Temperaturanstieg Stromsystem wichtiger wird. Wenn der Strom wird der Kühlbedarf von Gebäuden in absehba- der Schweizer Kernkraftwerke in Zukunft weg- rer Zeit stark zunehmen. Eine Studie der Empa falle und der Anteil erneuerbarer Energien stei- Klima Zeitung Juli 2021 3
ge, müsse die Flexibilität auf Seite der Strom- Importe aus Ländern ohne CO2 Preis oder ETS, verbraucher erhöht werden. Dazu zählt die sollen besteuert werden. Steuerung von elektrischen Speicherheizungen, Eine der zentralen Streitfragen ist: Soll der ETS Elektroboiler oder Wärmepumpen, um die Spit- ausgeweitet werden und künftig auch den Ver- zenlast zu reduzieren. Weil heute wirtschaftli- kehr und Gebäude erfassen? Die EU Kommissi- che Anreize fehlen, wird DSM in der Schweiz on schlägt vor, dass für den Strassenverkehr noch wenig eingesetzt. Zudem ist der Spielraum und Gebäudesektor ab 2026 ein eigenes Emissi- dafür im teilweise liberalisierten Strommarkt onshandelssystem aufgebaut werden soll. begrenzt. Deutschland hat ein solches auf nationaler Ebe- Zwar ist 2020 der Anteil der Elektrofahrzeuge, ne gerade eingeführt und wird den Vorschlag die in der Schweiz neu registriert wurden, stark auf EU-Ebene wahrscheinlich unterstützen. gestiegen; batterieelektrische Fahrzeuge und Jedoch sind die meisten EU-Staaten und auch Plug-in-Hybride machten 14% der Neuzulas- die Umweltverbände gegen einen solchen sungen aus. Dennoch wurde der CO2-Zielwert Schritt. Sie kritisieren, dass Jahre bis zur Ein- für Neuwagen von 95 Gramm/km deutlich ver- führung vergehen werden und das Preisniveau fehlt. Er betrug 123.6 Gramm/km, wofür die zu gering sein wird, um eine Wirkung zu haben. Importeure von Personenwagen 132 Millionen Emissionen aus der Schifffahrt sollen ab 2026 CHF Busse bezahlen müssen. Mehr dazu hier. in den Emissionshandel eingeschlossen werden. Die Schweiz will CO2-Emissionen künftig auch Mehr dazu vom Öko-Institut. Weiterhin sollen in Thailand kompensieren können. Eine ent- nur intra-Europäische Flüge teil des ETS sein. sprechende Absichtserklärung haben die beiden Internationale Flüge müssen weiterhin keinen Länder unterzeichnet. Mit Peru und Ghana be- CO2 Preis bezahlen. Mehr zur ETS Reform von stehen bereits solche Verträge, mit Senegal und Sandbag. Vanatu hat der Bundesrat entsprechende bilate- Die Debatte zur Überarbeitung der EU- rale Abkommen genehmigt. Klimaschutzverordnung wird ebenfalls zentral sein. Diese regelt die Emissionen ausserhalb des Europäische Klimapolitik Emissionshandels – das sind zurzeit rund 60% der gesamten EU-Emissionen. Die grosse Mehr- Zentrale Gesetzesentwürfe für das -55% heit der Mitgliedsstaaten will an rechtlich ver- Klimaziel der EU veröffentlicht bindlichen Reduktionsziele für jeden Mitglied- Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten staat festhalten. Das ist wichtig, denn Mitglied- im Dezember vereinbart, den Ausstoss von Kli- staaten können nur mit nationalen Reduktions- magasen bis 2030 um mindestens 55% zu sen- zielen für ihre Klimaschutzpolitik zur Rechen- ken statt bisher 40%. Im Juli hat nun die EU- schaft gezogen werden. Besonders umstritten Kommission ihr Legislativ-Paket «Fit für 55» wird die Frage sein, wie sehr die einkommens- vorgelegt. Dieses Paket ist der Startschuss für schwächeren (vorwiegend östlichen) EU- eine der wichtigsten EU-Debatten der nächsten Staaten ihre Emissionen reduzieren müssen Jahre. Im Herbst werden die Verhandlungen und wie viel finanzielle Hilfe sie dafür erhalten. zwischen den Mitgliedsstaaten sowie zwischen Widerstand ist absehbar, Polen gilt als grösster Europäischem Rat, Europaparlament und Bremser. EU-Diplomaten mutmassen, dass sich Kommission beginnen. Mehr dazu von Germa- das Land zumindest weitere Hilfen für den Koh- nwatch und EEG. Hier einige der wichtigsten leausstieg sichern will, auch wenn dafür bereits Themen: Geld aus Brüssel zugesagt ist. Mehr dazu hier. Der Europäische Emissionshandel (ETS) - Die Autoindustrie muss CO2 Emissionen bis der die Strom- und Industriesektoren und somit 2030 um 55% senken und ab 2035 CO2 frei knapp 45% der EU Emissionen erfasst – soll auf sein. bis 2030 die Emissionen um 61% unter das Niveau von 2005 senken. Um die EU Industrie zu schützen, soll gleichzeitig ein CO2- Grenzausgleich geschaffen werden: Gewisse Klima Zeitung Juli 2021 4
Wie kann Deutschland die CO2- onen sowie Massnahmen der Export-, Handels- Emissionen bis 2030 um 60% senken? und Finanzpolitik. Allerdings wollen die G7- Staaten Kohlekraftwerke mit CCS-Technologie, Ende April hatte das deutsche Verfassungsge- bei der das CO2 abgefangen und unterirdisch richt eine Klimaklage von Jugendlichen gutge- endgelagert werden soll, weiterhin finanzieren. heissen und die Regierung die Deutschen ver- pflichtet, die Klimaziele zu verschärfen. Die Bis 2030 will die G7 laut Abschlusserklärung Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes wird ihren Stromsektor «weitgehend dekarboni- noch vor der Sommerpause des Bundestags siert» haben. Das heisst: Bis Ende dieses Jahr- erwartet. Die Politik muss in der neuen Legisla- zehnts soll im Prinzip kein Strom mehr aus Öl, turperiode unverzüglich konkrete Instrumente Gas und vor allem Kohle kommen. Doch bei vorlegen, mit denen Deutschland sein angeho- Erdöl und Gas blieben die G7-Staaten sehr vage. benes Ziel erfüllen und den CO₂-Ausstoss bis Schon 2016 hatten sie sich dazu verpflichtet, ab 2030 im Vergleich zu 1990 um mindestens 65% 2025 nicht mehr in «ineffiziente» fossile Ener- senken kann. Die Stiftung Klimaneutralität, gieträger zu investieren. Nun haben die Minis- Agora Energiewende und Agora Verkehrswende ter*innen das fünf Jahre alte Versprechen wie- haben dazu 50 Handlungsempfehlungen veröf- derholt («Wir werden neue unmittelbare staat- fentlicht, mit welchen die nächste Bundesregie- liche Unterstützung für CO2-intensive fossile rung das 2030-Ziel erreichen und Fehlinvestiti- Energie auslaufen lassen, ausser in begrenztem onen vermeiden kann. Die Handlungsempfeh- Umfang im Ermessen jedes Landes.») Mehr lungen sind nach den für den Klimaschutz rele- dazu hier, hier und hier. vanten fünf Sektoren Energie, Verkehr, Indust- rie, Gebäude und Landwirtschaft gegliedert. Kohleförderung wird weiter ausgebaut Hinzu kommen sektorübergreifende Massnah- Eine Studie des Global Energy Monitor zeigt, men. Dazu zählt etwa ein «automatischer Nach- dass derzeit weltweit mehr als 400 neue Koh- steuerungsmechanismus» im Bundes- leminenprojekte in Entwicklung sind. Ein Vier- Klimaschutzgesetz. Dieser soll dafür sorgen, tel davon wird bereits realisiert. Werden sämtli- dass der CO₂-Preis erhöht wird oder vergleich- che Projekte umgesetzt, könnte die globale Koh- bar wirksame Massnahmen greifen, falls die leproduktion um 30% steigen und damit das Sektorziele verfehlt werden. Erreichen der Pariser Klimaziele verunmöglicht werden. Die Projekte konzentrieren sich auf Wasserstoff ist kein Allheilmittel in der einige wenige kohlereiche Regionen in China, Klimakrise Australien, Indien und Russland. Mehr dazu Expert*innen des deutschen Sachverständigen- hier. rats für Umweltfragen warnen davor, Wasser- Hingegen plant die asiatische Entwicklungsbank stoff als wirksame Lösung in der Klimakrise zu den Kohleausstieg. Gemäss dem Entwurf zu betrachten. Sie widersprechen damit den Wahl- einer neuen Energiepolitik soll nicht mehr in programmen deutscher Parteien und der euro- Kohleförderung oder -verstromung investiert päischen Lobby der Gasindustrie, die auf Was- werden. Mehr dazu hier. serstoff setzen, berichtet das Journa- list*innenkollektiv Correctiv. Diese Kritik trifft Aus für Keystone-XL-Pipeline, doch auch auf den Wasserstoff-Plan der SVP zu. viele Erdöl- und Gasprojekte gehen weiter Internationale Klimapolitik Nachdem US-Präsident Biden die Bewilligung für den Bau der Keystone-XL-Pipeline entzogen G7 will keine Kohlefinanzierung mehr, hat, gibt nun die Betreiberfirma das umstrittene bleibt bei Öl und Gas aber vage Projekt auf. Keystone XL sollte ein bestehendes Minister*innen der sieben grossen Industrie- Pipelinesystem ergänzen, um mehr Öl aus der länder (G7) haben sich im Mai bei einem virtu- kanadischen Provinz Alberta in den amerikani- ellen Treffen darauf geeinigt, ab 2022 keine schen Gliedstaat Nebraska und von dort zu den Staatsgelder mehr in Kohlekraftwerke zu ste- Raffinerien in Texas zu bringen. Mehr dazu cken. Das umfasst Entwicklungshilfe, Investiti- hier. Klima Zeitung Juli 2021 5
Weiter hat Biden die Lizenz für Erdöl- und Gas- Internationale Energie-Agentur verlangt bohrungen im Arctic National Wildlife Refuge sofortigen Stopp fossiler Investitionen ausgesetzt. Damit ist das Projekt in einem der Die Internationale Energie-Agentur (IEA) hat grössten unerschlossenen Wildnisgebiete der ihre Empfehlungen zur Förderung von Erdöl USA, das Vorgänger Trump am Schluss seiner und Erdgas radikal angepasst. In ihrem Bericht Amtszeit bewilligt hatte, vorerst blockiert. «Net Zero by 2050: a Roadmap for the Global Mehr dazu. Energy Sector» fordert die IEA, dass ab sofort Diese positiven und medienwirksamen Ent- keine Investitionen in neue Erdöl-, Erdgas-, scheidungen stehen jedoch im Kontrast zu den oder Kohlefelder fliessen dürfen, falls bis 2050 mehr als 2100 Bewilligungen zur Erdöl- und das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden Erdgasförderung, die unter Biden bereits verge- soll. Ab 2025 dürften keine Autos mit Verbren- ben wurden; mehr als unter jedem anderen nungsmotor verkauft werden. Gemäss dem Präsidenten seit G.W. Bush. aufgezeigten Weg müssten sich die Investitio- nen in den Energiesektor bis 2030 von heute 2 Die weltweite Nachfrage nach Erdöl steigt wei- auf 5 Billionen USD pro Jahr mehr als verdop- ter. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) peln. Das Climate Action Network, das über erwartet, dass bis Ende 2022 wieder das Niveau 1500 Organisationen der Zivilgesellschaft ver- vor der Covid-Krise erreicht wird. Auf die glo- eint, hält den IEA-Bericht für bahnbrechend. bale wirtschaftliche Erholung, werden Erdöl Die Energieagentur liefere zum ersten Mal ei- exportierende Staaten mit einer Erhöhung der nen umfassenden Fahrplan dafür, wie Länder Fördermengen reagieren. Mehr dazu. eine Energiewende erreichen könnten, die mit Rund um den Globus wird weiter in die Erdöl- dem Paris Klimaabkommen vereinbar sei. Mehr produktion investiert, wie eine Zusammenstel- dazu hier und hier. Doch es gibt auch Kritik am lung von Extinction Rebellion zeigt. Die Organi- neuen Bericht, da er massiv auf Biomasse setzt sation listet Projekte von Alaska über Russland und auf einem ungebremsten ökonomischen bis Norwegen auf, von Uganda, Nigeria und Wachstum in reichen Ländern basiert, siehe Südafrika bis nach Mexiko und Brasilien, von hier und hier. Japan über Vietnam bis Pakistan und Papua- Neuguinea. Eine Analyse von Carbon Brief Gerichte und Aktionäre machen Druck nimmt Mexiko unter die Lupe und zeigt, wie auf Ölkonzerne und Länder das Land die eigene fossile Industrie fördert. Mit Shell, Exxon Mobil und Chevron werden Weil das in Mexiko geförderte Erdöl einen ho- mehrere Ölkonzerne gezwungen, ihre Klima- hen Schwefelanteil hat und auf den Weltmärk- schutzmassnahmen zu verstärken, und auch ten deshalb nicht mehr gefragt ist, wird es an- Australien und Belgien kommen unter Druck. stelle von Erdgas vermehrt zur Stromprodukti- Shell wurde von einem niederländischen Ge- on eingesetzt. richt dazu verpflichtet, schärfere Emissionsziele Saudi-Arabien, die USA, Kanada, Norwegen und zu verfolgen. Mit Verweis auf die Menschen- Katar haben sich in der Klimaallianz «Net Zero rechte gab das Gericht Umweltorganisationen Oil Producer Initiative» zusammengeschlossen. und Bürger*innen recht, die vom Öl- und Gas- Sie wollen Methanlecks stoppen und CCS- konzern verlangt hatten, er müsse den CO2- Technologien (CO2-Speicherung) fördern. Die Ausstoss bis 2030 um 45% senken. Shell wollte fünf Länder, die weltweit für 40% der Öl- und den CO2-Ausstoss bis 2030 um 20% senken. Gasförderung verantwortlich sind, wollen je- Dies ist das erste Mal, dass ein Unternehmen doch die Förderung ihrer fossilen Energien für seinen Beitrag zum Klimawandel rechtlich nicht drosseln. Eine solche Strategie ist nicht haftbar gemacht wird. Mehr dazu hier und hier. kompatibel mit den Pariser Klimazielen. Dazu Bei Exxon Mobil konnte ein Investor, der sich muss der Verbrauch von fossilen Energien bis für Klimaschutz engagiert, dank der Unterstüt- 2030 halbiert und bis spätestens 2050 völlig zung der Aktionäre seine Position im Verwal- aufhören. Mehr dazu hier. tungsrat stärken. Nun wird erwartet, dass der Konzern eine klimafreundlichere Geschäftsstra- tegie einschlagen wird. Auch bei Chevron ver- Klima Zeitung Juli 2021 6
langen die Aktionäre mehr Klimaschutz: Sie giere auf Preisveränderungen reagieren. Fazit: hiessen einen Antrag gut, der die Reduktion von Die Obergrenze müsste massiv höher sein, um CO2-Emissionen fordert. Mehr dazu hier, hier eine deutliche Verhaltensänderung zu bewirken und hier. – was im Parlament aber kaum Chancen hat, berichtet die NZZ. In Australien hat ein Gericht die Politiker dazu verpflichtet, junge Menschen vor den Folgen Fluggesellschaften müssten Emissionen redu- des Klimawandels zu schützen. Jugendliche zieren, anstatt sie zu kompensieren, denn viele hatten gegen die Erweiterung einer Mine von der Zertifikate seien von ungenügender Qualität Whitehaven Coal geklagt, einem der grössten und brächten keinen Klimanutzen, berichtet Kohleproduzenten des Landes. Mehr dazu hier. The Guardian. Dies könnte z.B. durch eine EU- weite Besteuerung von Kerosin geschehen. Eine Auch in Belgien wurde eine Klimaklage gutge- neue Studie des Öko-Instituts schlägt dazu ei- heissen, welche die Non-Profit-Organisation nen Massnahmenkatalog vor. Klimaatzaak und fast 60‘000 Bürger*innen eingereicht hatten. Das Gericht entschied, dass die Regierung Belgiens und die Regionalregie- Neues zum Klimawandel rungen gegen belgisches Recht und gegen die Menschenrechte verstossen hätten, weil sie die Ein Drittel der Hitzetoten wird durch die Klimaziele verfehlt hätten. Dabei ging das belgi- Klimaerwärmung verursacht sche Gericht nicht so weit wie das Deutsche Eine extreme Hitzewelle hat Grosse der West- Bundesverfassungsgericht und das oberste Ge- küste von Kanada und den USA erfasst. Das richt der Niederlande in ihren Klimaurteilen; in Dorf Lytton in der kanadischen Provinz British Deutschland und den Niederlanden waren die Columbia, wo die Temperatur fast 50°C er- Klimaziele als unzureichend eingestuft worden. reicht, ist fast vollständig abgebrannt. Wissen- Das belgische Gericht lehnte es denn auch ab, schafter*innen bestätigen dass eine solche Hit- den Regierungen schärfere Klimaziele vorzu- zewelle "ohne Klimawandel nicht geben könnte“ schreiben. Klimaatzaak will deshalb den Fall vor und in Zukunft häufiger werde. den Europäischen Gerichtshof für Menschen- rechte in Strassburg zu bringen. Mehr dazu Die Behörden haben hunderte von plötzlichen hier. Todesfällen registriert, die meisten davon aus- gelöst durch Hitze. Mehr dazu hier und hier. Erneuerbare Energien sind seit 2009 nur Weltweit ist jeder dritte Todesfall, der in den ganz leicht gewachsen letzten 30 Jahren während einer Hitzewelle Gemäss dem Renewables Global Status Report registriert wurde, auf die globale Erwärmung 2021 von REN21, einer Vereinigung von Ak- zurückzuführen, wie eine neue Studie zeigt. Am teur*innen aus Wissenschaft, Regierungen, meisten zusätzliche Todesfälle traten in Län- NGOs und Industrie, haben die erneuerbaren dern mit niedrigem und mittlerem Einkommen Energien wie Solar- und Windenergie 2019 erst in Süd- und Mittelamerika sowie in Südostasien 11.2% des weltweiten Energiemix erreicht, ver- auf. Steigende Temperaturen führen zu intensi- glichen mit 8.7% im Jahr 2009. Unverändert veren und häufigeren Hitzewellen, wovon ältere hoch ist dagegen der Anteil fossiler Brennstoffe, Menschen und solche mit chronischen Erkran- 80.2% gegenüber 80.3% zehn Jahre zuvor. kungen überdurchschnittlich betroffen sind. Die Rana Adib, die Chefin von REN21, kommentiert Forscher*innen gehen davon aus, dass der An- die Zahlen so: «Wir wachen gerade mit der teil der hitzebedingten Todesfälle weiter anstei- bitteren Realität auf, dass die klimapolitischen gen wird. Mehr dazu hier. Versprechen der letzten zehn Jahre grösstenteils leere Versprechen waren.» Mehr dazu hier. Klimawandel bringt Überschwemmungen Auch die Starkregen und Überschwemmungen Flugverkehr braucht ambitioniertere in Deutschland, der Schweiz und zahlreichen Massnahmen anderen Ländern, sind Zeichen des Klimawan- Ein Professor*innenenteam der ETH und der dels. Die höheren Lufttemperaturen können Universität Lausanne hat analysiert, wie Passa- mehr Luftfeuchtigkeit speichern, diese entlädt Klima Zeitung Juli 2021 7
sich heftiger: in Starkniederschläge und Stür- men. Die plötzlich auftretenden, grossen Was- sermassen können von den Böden weniger gut absorbiert werden, gleichzeitig braucht die Luft danach länger, um wieder Feuchtigkeit anzu- sammeln. Dadurch kann es trotz heftigen Nie- derschlägen auch zu Trockenheiten und Dürren kommen. In den letzten Wochen erlebten wir in der nörd- lichen Hemisphäre sehr lang anhaltenden Wet- terlagen, welche einerseits Hitze und Feuer andererseits Überschwemmungen gebracht haben. Diese festsitzenden Wetterlagen sind Zeichen des Klimawandels: der destabilisierte Jetstream führt dazu, dass Hoch- und Tief- druckgebiete länger steckenbleiben, siehe Bild rechts. Mehr hier und hier. Dürre ist die nächste Pandemie - und es gibt keine Impfung dagegen Die Uno warnt in einem Spezialbericht zu Dür- ren davor, dass Millionen von Menschen unter Wasserstress leben müssten. Dadurch würden Mangelernährung, Armut und Ungleichheit vergrössert. Dürre sei eine versteckte globale Krise, die zur nächsten Pandemie zu werden Eine in Nature publizierte Studie zeigt, dass 51- drohe, falls keine Massnahmen zum Wasser- 60% der Flüsse und Bäche der Erde mindestens und Landmanagement und zur Bewältigung der einmal im Jahr austrocknen. Selbst grosse Klimakrise ergriffen würden. Zwischen 1998 Ströme wie der Nil, der Indus und der Colorado und 2017 waren mindestens 1.5 Milliarden Men- River sind in den letzten 50 Jahren versiegt. Die schen direkt von Dürre betroffen, die wirt- schaftlichen Kosten werden auf 124 Milliarden Gründe dafür sind der Klimawandel, Landnut- USD geschätzt. Die wahren Kosten dürften um zungsänderungen und die Entnahme von Was- ein Vielfaches höher liegen, da ein Grossteil der ser. Mehr dazu hier. Auswirkungen in Entwicklungsländern nicht berücksichtigt würden. Mehr dazu hier. Die Erde absorbiert deutlich mehr Sonnenenergie Das Mittelmeer erwärmt sich stark, Laut einer Studie hat sich das Energieungleich- auch grosse Flüsse trocknen gewicht der Erde von 2005 bis 2019 verdoppelt. regelmässig aus Grund dafür ist ein Anstieg der Treibhausgase Das Mittelmeer erwärmt sich zwei- bis dreimal und des Wasserdampfs sowie eine Abnahme der stärker als die Ozeane. Das zeigt eine neue Stu- Wolken und der mit Eis bedeckten Flächen auf die, für die Satellitenbilder der letzten 35 Jahre der Erde. Weil Erdatmosphäre und -oberfläche analysiert wurden. Gleichzeitig sinken die Re- doppelt so viel Strahlungsenergie von der Sonne absorbieren, als sie ins Weltall schicken, heizt genmengen. Dadurch nehmen Wasserreservoire sich der Planet auf. Der als «alarmierend» be- ab und Wüstengebiete dehnen sich aus. Laut zeichnete Anstieg wurde anhand von Satelliten- den Forscher*innen bestätigt die Studie, dass sensoren, die den Ein- und Austritt von Energie das Mittelmeer «das Epizentrum des Klima- in das Erdsystem messen, und mittels Messda- wandels» Europas sei. ten aus den Ozeanen ermittelt. Mehr dazu hier. Klima Zeitung Juli 2021 8
Der Klimawandel kann gefährliche westantarktische Eisschild ist besonders anfällig Dominoeffekte auslösen auf die globale Erwärmung ist, weil ein Gross- teil davon unterhalb des Meeresspiegels liegt Eine Studie des Potsdam Instituts für Klimafol- und relativ warmes Ozeanwasser die schwim- genforschung warnt davor, dass der Klimawan- menden Schelfeisränder zum Schmelzen bringt. del Prozesse in Gang bringt, die sich selbst ver- stärken. Mit fortschreitender globaler Erwär- Klima und Artenvielfalt sollen mung steige das Risiko, dass ein oder mehrere gemeinsam geschützt werden Kippelemente im Klimasystem eine kritische Schwelle überschreiten würden. Bereits bei Der Uno-Klimarat IPCC und die Uno- einer Erwärmung um 2°C drohen schwerwie- Biodiversitätsrat IPBES haben erstmals einen gende Folgen für das globale Klima, die Ökosys- gemeinsamen Bericht erarbeitet, der aufzeigt, teme und die menschliche Gesellschaft. Die wie die Klima- und Biodiversitätskrise gleichzei- Untersuchung zeigt die Wechselwirkungen zwi- tig angegangen werden können. Gemäss dem schen Eisschilden in Grönland, der Westantark- Bericht soll der Verlust jener Ökosysteme ge- tis, dem warmen atlantischen Golfstrom und stoppt oder rückgängig gemacht werden, die dem Amazonas-Regenwald auf. Ein Beispiel sowohl artenreich als auch reich an gespeicher- eines solchen Prozesses ist das Abschmelzen tem Kohlenstoff sind. Dazu zählen Wälder, von Grönlands Inlandeis. Dadurch wird die Moore, Salzsümpfe und Savannen, im Meer atlantischen Strömungen beeinflusst, wodurch zudem Seegraswiesen und Lebensräume von wärmeres Wasser Richtung Antarktis gelangt Seetang. Kritik äussern die beiden Uno-Gremien und das Eis destabilisiert. Mehr dazu hier und an der Wiederaufforstung mit Monokulturen hier. ortsfremder Arten, die zum Beispiel in Brasilien und Äthiopien finanziell gefördert werde. Mehr Der IPCC arbeitet an einem Bericht über mögli- dazu hier und hier. che Kipppunkte im Klimasystem. Der Bericht soll nächstes Jahr veröffentlicht werden, doch Der Klimawandel gefährdet die bereits Ende Juni sind Auszüge einer früheren Ernährungssicherheit Version bekannt geworden. Darin äussern sich die beteiligten Forscher*innen besorgt darüber, Steigen die Treibhausgasemissionen unge- dass die globale Erwärmung eine Dynamik aus- bremst weiter, drohen riesige Verluste der Nah- lösen kann, die zu einer weit verbreiteten und rungsmittelproduktion. Eine Studie zeigt, dass möglicherweise unwiderruflichen Katastrophe bis zum Ende des Jahrhunderts ein Drittel der führen werden. Mehr dazu hier. landwirtschaftlichen Flächen weltweit nicht Andere Untersuchungen zeigen, die sich einzel- mehr nutzbar sein könnte. 95% der derzeitigen ne dieser Systeme bereits solchen Kipppunkte Nahrungsmittelproduktion findet in Gebieten nähern. Gemäss einer Studie befindet sich stattfindet, wo sich Temperatur, Niederschlag Grönlands Eiskappe an einem kritischen Punkt. und Trockenheit innerhalb relativ enger Gren- Selbst wenn die globale Erwärmung gestoppt zen bewegen. Falls die Temperaturen bis 2100 würde, wäre ein beschleunigtes Abschmelzen um 3.7°C oder mehr steigen, würden sich die nicht mehr aufzuhalten, warnen die For- Bedingungen nicht mehr in diesem vorteilhaf- scher*innen. Mehr dazu hier. ten Bereich bewegen. Dies hat vor allem Aus- Auch in der Westantarktis befürchten For- wirkungen auf Staaten in Süd- und Südostasien scher*innen, dass Kipppunkte erreicht werden. und die Sahelzone in Afrika. Mehr dazu hier. Der Pine Island Gletscher, dessen Fläche vier- mal so gross ist wie die Schweiz, bewegt sich Eine andere Studie zeigt auf, wie die Boden- seit ein paar Jahren deutlich schneller. Eine fruchtbarkeit in Zukunft abnimmt. In Feldver- neue Studie warnt davor, dass der Rest des suchen wird die Produktivität von Acker- und Schelfeises, der den Gletscher an Land hält, in Grasland untersucht, wobei bezüglich Tempera- wenigen Jahrzehnten auseinanderbrechen tur und Niederschlag die im Jahr 2070 erwarte- könnte, und nicht wie bisher angenommen in ten Bedingungen simuliert werden. Dabei wird einem Jahrhundert. Dadurch könnte der Mee- klar, dass selbst fruchtbare Schwarzerde, wie resspiegel weltweit um 3 Meter ansteigen. Der Klima Zeitung Juli 2021 9
sie in Osteuropa, Teilen von Asien und Nord- Swiss Re zeigt enorme ökonomische amerika verbreitet ist und die viel Wasser zu- Schäden durch den Klimawandel auf rückhalten kann, stark auf die Veränderungen Der Rückversicherer Swiss Re analysiert in reagiert. Ein Grund dafür ist, dass die positive seinem neuen Bericht «Economics of Climate Aktivität von Kleinlebewesen deutlich sinkt. Change Risks», wie sich der Klimawandel auf Mehr dazu hier. eine Reihe von Ländern auswirkt wird. Die zu erwarteten Verluste des globalen Bruttoinland- Die Entwaldung nimmt viel schneller zu produkts bis 2050 sind enorm: als neuer Wald nachwächst Minus 18% bei einem Temperaturanstieg 2014 haben Dutzende von Regierungen, Organi- von 3.2°C, d.h. wenn aller Länder ihre ur- sationen und Unternehmen ein freiwilliges Ab- sprünglichen Klimazielen unter dem Pari- kommen unterzeichnet, die Abholzung bis 2020 ser Abkommen einhalten. zu halbieren und bis 2030 ganz zu stoppen. Minus 14% bei einem Temperaturanstieg Eine Studie zeigt, dass seither die Abholzung von 2.6°C, d.h. wenn aller Länder ihre ak- von Tropenwäldern um 50% zugenommen hat. tualisierten Klimazielen unter dem Pariser Die meiste Fläche wird für die kommerzielle Abkommen einhalten. Landwirtschaft gerodet, und das meist illegal. In Brasilien und Indonesien wurden die grössten Minus 11% bei einem Temperaturanstieg Waldverluste registriert. Mehr dazu hier. von 2°C, wenn die Ziele nochmals deutlich erhöht werden. Gemäss einer anderen Studie ist in den letzten 20 Jahren neuer Wald der Grösse Frankreichs Minus 4% bei einem Temperaturanstieg nachgewachsen. Die Bäume haben das Potenzi- von unter 2°C, d.h. wenn die Ziele so ver- al, mehr CO2 aufzunehmen als die USA jährlich schärft werden, dass damit die Ziele des ausstossen. Das reicht allerdings nicht, um den Pariser Abkommens erreicht werden. Effekt durch die Abholzung wirksam zu dämp- fen. Denn seit 2000 ging eine siebenmal grösse- re Waldfläche durch Rodungen verloren. Mehr dazu hier. Danke und herzliche Grüsse von Anja und Thomas! Die Klimazeitung darf gerne an andere weitergeleitet werden. Falls du noch nicht auf dem Verteiler bist, schreib einfach ein kurzes Mail an: climate@anjakollmuss.com Klima Zeitung Juli 2021 10
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