KOMPETENZOFFENSIVE BAD BERLEBURG DIGITAL - (KOBOLD) BERICHTE DES NEGZ
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BERICHTE DES NEGZ NR. 14 KOMPETENZOFFENSIVE BAD BERLEBURG DIGITAL (KOBoLD) Frederike Oschinsky Aida Stelter Constantin Kaping Björn Niehaves
Für einen modernen Staat Das Nationale E-Government Kompetenzzentrum vernetzt Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft und ist die zentrale, unabhängige Plattform für Staatsmodernisierung und Verwaltungs- transformation in Deutschland. Herausgegeben und gefördert vom Nationalen E-Government Kompetenzzentrum e. V. Berlin 2021 2 Berichte des NEGZ
INHALT Zusammenfassende Empfehlungen 4 1. Einleitung 5 1.1 Digitalisierung des öffentlichen Sektors 5 1.2 Veränderte Arbeits- und Organisationsweisen des öffentlichen Sektors 5 2. Wissenschaftlicher und praktischer Hintergrund 6 2.1 Status Quo Bias 6 2.2 Status Quo Bias im öffentlichen Sektor 7 2.3 Die Studie 8 3. Ergebnisse der Studie 11 3.1 Lösung des Tätigkeitsszenarios 12 3.2 Digitale Kompetenzen 12 4. Handlungsempfehlungen 13 5. Zusammenfassung 14 Literatur 15 Über die Autorinnen und Autoren 17 Impressum 18 Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 3
ZUSAMMENFASSENDE EMPFEHLUNGEN Öffentliche Verwaltungen sind besonders zu Arbeitsräumen kommen die Mitarbeiterinnen Zeiten der Corona-Pandemie vom digitalen und Mitarbeiter dauerhaft mit dem Thema in Be- Wandel betroffen. Sowohl durch die sich immer- rührung und können sich hiermit eine positive zu verändernden gesetzlichen Regelungen als Einstellung gegenüber einer neuen Technologie auch durch die wachsenden Anforderungen der schaffen. Die Vorteile müssen auch für Bürge- Bürgerinnen und Bürger an öffentliche Verwal- rinnen und Bürger deutlich und sichtbar ge- tungen ist die Arbeit mit neuen Technologien macht werden. Von dem Ergebnis der Arbeit von großer Bedeutung. Nur durch die Techno- öffentlicher Verwaltungen profitieren Bürgerin- logieakzeptanz seitens der Mitarbeiterinnen nen und Bürger. Je deutlicher und verstärkt der und Mitarbeiter gelingt es, die Vorteile der Mehrwert für die Gesellschaft aufgezeigt wird, Digitalisierung umfassend zu nutzen (Ogonek desto positiver und engagierter sind Verwal- et al. 2016) und die Dienste für Bürgerinnen und tungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter neue Bürger effektiv und effizient zu gestalten Arbeitsweisen zu akzeptieren und zu nutzen. (Räckers et al. 2017). Ihre Unsicherheiten müssen abgebaut und be- nötigte Kompetenzen g estärkt werden. Mit Hil- Daher wurde in der vorliegenden Studie in fe von Schulungen, Mitarbeitergesprächen oder Kooperation mit der Stadt Bad Berleburg eine anonymen Fragestunden k önnen entstandene dreistufige Mixed-Methode auf Grundlage des Ängste und Unsicherheiten reduziert und ab- Status Quo Bias durchgeführt. Die Ergebnisse gebaut werden. Die Mitarbeiterinnen und Mit- zeigen, dass es notwendig ist, neue Wege zu arbeiter müssen mehr Mut für neue Technolo- finden, das persönliche Empfinden der Mitarbei- gien entwickeln. Sie müssen d aran erinnert terinnen und Mitarbeiter gegenüber dem Nutzen werden, dass auch „ältere“ Technologien und eines Systems zu erhöhen und entsprechend Arbeitsweisen in ihrer Anfangsphase neu erlernt darzustellen. Unsicherheiten sollten durch eine werden mussten und dies genau dieselbe Situ- offene Haltung, neue Möglichkeiten und Wege ation widerspiegelt. Positive Anker setzen! Je auszuprobieren, reduziert werden, sobald ein deutlicher den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter System oder eine Arbeitsweise eingeführt wird. ist, was sie bisher geleistet und welche Hürden sie bewältigt haben, desto höher ist ihre Bereit- Aus diesen Erkenntnissen lassen sich konkrete schaft neue Technologien auszuprobieren und Handlungsempfehlungen ableiten, um die Mit- zu nutzen. arbeiterinnen und Mitarbeiter öffentlicher Ver- waltungen beim Einsatz neuer Technologien Unsere Ergebnisse bieten konkrete Handlungs- frühzeitig zu unterstützen und um die kognitive empfehlungen und lösungsorientierte Vor Voreingenommenheit ihrerseits abzuschwä- schläge im Bereich der Technologieakzeptanz chen. Hierbei müssen die Vorteile neuer Tech- in öffentlichen Verwaltungen. nologien für die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter deutlich gemacht werden. Schlagworte: Öffentliche Verwaltungen, Tech- Beispielsweise durch anschaulich aufbereitete nologieakzeptanz, Status Quo Bias, Techno Präsentationen, Whiteboards oder Poster in den logiewiderstand, Begrenzte Rationalität 4 Berichte des NEGZ
1. EINLEITUNG Digitalisierung in öffentlichen Verwaltungen 90% (Eggers und Hollmann 2018). sind offen für Veränderungen der Arbeit durch neue Technologien. Aufbauend erfordert der digitale Wandel modi- fizierte Qualifikationen und Kompetenzen, um die Herausforderungen zu meistern. Hierzu gehören neben den fachlichen und technischen Kompetenzen, auch weitere Qualifikationen wie 37% beispielsweise die Aufgeschlossenheit für den schätzen ihre Fähigkeiten gegenüber Wandel und die Bereitschaft zur Weiterbildung neuen Technologien als hoch ein. (Ogonek et al. 2016). 1.2 Veränderte Arbeits- und Organisations- weisen des öffentlichen Sektors 84% befürworten eine Veränderung der Ar- Digitalisierung verändert nicht nur Arbeits beit durch neue Technologien, wenn ein weisen, sondern auch Organisationsstrukturen. Mehrwert für die Gesellschaft entsteht. Sie kann einen enormen Mehrwert bieten, erscheint häufig jedoch als Gefahr und unüber- windbare Aufgabe. Durch die Nutzung von neuen Technologien können Verwaltungsmit- 1.1 Digitalisierung des öffentlichen Sektors arbeiterinnen und -mitarbeiter effektiver und effizienter arbeiten (Räckers et al. 2017) und Die Digitalisierung hat in Deutschland alle näher auf Wünsche der Bürgerinnen und Bürger öffentlichen Verwaltungen erreicht. Dabei spielt eingehen. Ihnen w erden viele Arbeitsschritte die effektivere und effizientere Gestaltung der erleichtert oder abgenommen. Dienste eine große Rolle (Liu und Yuan 2015). Aus den neuen gesetzlichen Anforderungen Dennoch steht die Mitarbeiterschaft trotz der folgt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vielfältigen Möglichkeiten und Vorteilen vor öffentlichen Verwaltungen sowohl von techni- großen Herausforderungen. Nicht nur die Um- schen als auch von organisatorischen Verände- setzung der neuen Technologien, sondern auch rungen betroffen sind. Mit der Digitalisierung die Umstellung der Arbeits- und Organisations- und den sich damit ändernden Arbeitsprozes- weise können zu Überforderung und Nachteilen sen diversifizieren sich die Kommunikationska- führen. Öffentliche Verwaltungen stehen ferner näle und Nutzungsmöglichkeiten von Medien unter Druck, die Einhaltung von rechtlichen (Ben Rehouma 2018). Rahmenbedingungen wie dem E-Government- Gesetz oder dem Online-Zugangs-Gesetz zu Die Akzeptanz oder Resistenz gegenüber gewährleisten (Crummenerl et al. 2019). Die Technologien in öffentlichen Verwaltungen wachsenden Erwartungen der Bürgerinnen und wurde jedoch bisher nicht umfassend unter- Bürger an die Verwaltungen erhöhen den Druck sucht. Dabei ist ein gemeinsames Digitalisie- zusätzlich. Neue Maßnahmen müssen ergriffen rungsverständnis innerhalb einer Organisation werden, um die Verwaltungsmitarbeiterinnen für eine erfolgreiche Entwicklung und die an- und -mitarbeiter in ihrer Arbeit zu unterstützen. schließende Umsetzung digitaler Maßnahmen Dabei müssen die vorhandenen Kompetenzen notwendig. Noch fehlt es an einem Ab- und weiter ausgeprägt und fehlendes Wissen Angleichen des Verständnisses und der Erwar- vermittelt werden. tungen aller K olleginnen und Kollegen an die Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 5
2. WISSENSCHAFTLICHER UND PRAKTISCHER HINTERGRUND 2.1 Status Quo Bias drei Kategorien: rationale Entscheidungsfindung, kognitive Fehlwahrnehmung und psychologi- Eine typische und öfters auftretende Situation sche Verpflichtung (Samuelson und Z eckhauser denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begeg- 1988). Neben dem SQB zeigten K im und nen ist, dass sie unter bestimmten Gegeben- Kankanhalli (2009), dass die Selbstwirksamkeit heiten, wie z.B. Zeitdruck, nicht auf alle erfor- der Anwenderinnen und Anwender Widerstand derlichen Informationen zugreifen und sie nicht minimiert. Je einfacher die Handhabung und das richtig verarbeiten. Dieses Verhalten, dass sie Erlernen eines neuen Systems sind, desto an „kognitive Grenzen“ (bounded rationality) weniger Widerstand leisten die Beschäftigten. gebunden sind, hat bereits der Nobelpreisträ- Darüber hinaus spielt die Unterstützung der ger Herbert A. Simon festgestellt (Sherwood Organisation eine wichtige Rolle (Kim und 1990; Simon 1944, 1946, 1997). Bei der tägli- Kankanhalli 2009). Zum Beispiel ist es ein Plus, chen, unbewussten Aufnahme von Informatio- wenn das Management als Vorbild fungiert, das nen helfen kognitive Verzerrungen (cognitive System selbst nutzt, Motivation verbreitet und biases), die Informationsflut zu bewältigen, um Fragen beantwortet (Lee und Joshi 2017). sich auf wichtige Dinge zu konzentrieren (Kim und Kankanhalli 2009). Die folgende Untersu- Die rationale Entscheidungsfindung befasst chung hat sich zentral mit den Ursachen des sich mit dem Kosten- und Nutzen-Vergleich Nutzerwiderstands beschäftigt. von Veränderungen. Wechselkosten und Un- sicherheitskosten stehen hierbei im Zentrum. Nach Kim und Kankanhalli wird der Widerstand Wechselkosten entstehen durch die Anpas- des Nutzers als Widerstand gegen Verände sung eines neuen Systems und können während rungen im Zusammenhang mit der Implemen- oder nach einem Wechsel zu einem neuen tierung eines neuen Informationssystems System auftreten (Kim & Kankanhalli 2009). beschrieben (Kim und Kankanhalli 2009). Bei Wenn Sie b eispielsweise eine Technologie mit Veränderungen ist eine Voreingenommenheit einem bestimmten System gekauft haben, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennbar, werden Sie beim Kauf einer neuen Version eher die durch etablierte Modelle der Technologie- eine kompatible Version kaufen, um die Kosten akzeptanz nicht zu erklären ist. Demzufolge für einen vollständigen Ersatz zu vermeiden wird es als vorteilhaft erachtet, den Ansatz der ( Samuelson & Zeckhauser 1988). Unsicher- beschränkten Rationalität aus der Psychologie heitskosten führen dazu, dass die Nutzerinnen auf die Untersuchung von Mensch-Technik- und Nutzer wegen der bevorstehenden Konse- Interaktionen mit Informationstechnologien (IT) quenzen eines Wechsels bzw. einer Verände- im Allgemeinen und auf das Personal der öffent- rung b esorgt sind. Sie erinnern sich automatisch lichen Verwaltung im Besonderen zu übertra- an vergangene, vergleichbare Situationen. In gen. Denn trotz des hohen Mehrwerts digitaler den meisten Fällen treffen sie die gleichen Ent- Technologien nutzen Anwenderinnen und scheidungen wie zuvor, weil sie kein Risiko in Anwender die verfügbaren Geräte und Applika- der neuen Situation eingehen wollen (Kim und tionen nur eingeschränkt und begegnen ihnen Kankanhalli 2009). Wenn Sie zum Beispiel ein häufig mit Skepsis oder sogar Angst. Sie behar- System besitzen und den Nutzen dieses Sys- ren auf erlernten Vorgehensweisen und der tems anerkannt haben, ist der Wechsel zu Nutzung bekannter Systeme, auch wenn das einem anderen System für Sie mit hohen objektive Nachteile mit sich zieht (Kim und Unsicherheiten verbunden, auch wenn das Kankanhalli 2009). neue System sehr empfehlenswert ist. Dieses Verhalten ist in der Forschung als „Status Die kognitive Fehlwahrnehmung beschreibt Quo Bias“ (SQB) bekannt. Samuelson und Zeck- wahrgenommene Verluste durch Veränderun- hauser (1988) unterteilen die SQB-Theorie in gen. Ein Phänomen dieser Kategorie ist die 6 Berichte des NEGZ
erlustaversion (loss aversion) (Kim und V Die psychologische Verpflichtung basiert auf Kankanhalli 2009), welche dazu führt, dass gesunkenen und damit irreversiblen Kosten Menschen selbst kleine Veränderungen gegen- (sunk costs), sozialen Normen und dem über der aktuellen Situation mit größeren nega- Bemühen, die eigene Arbeit zu kontrollieren tiven Folgen in Verbindung bringen, als sie tat- (Samuelson und Zeckhauser 1988). Versunkene sächlich vorherzusehen sind. Sie neigen ferner Kosten beziehen sich auf den Wert früherer dazu, Verluste stärker zu gewichten als Gewinne Arbeitsweisen, die zu einer Zurückhaltung bei (Kahneman und Tversky 1979). Die Menschen der Umstellung auf eine neue Alternative führen, verharren im Status Quo, da die wahrgenom wie z.B. Qualifikationen, die mit der vorherigen menen Nachteile der Nichtanwendung des alten Arbeitsweise zusammenhängen und bei der Systems größer sind als die Vorteile des neuen Umstellung auf ein neues System verloren Systems (Rey-Moreno und Medina-Molina 2017). gehen. Soziale Normen beziehen sich auf die Wenn z.B. die Einführung eines neuen Systems vorherrschenden Normen bei Änderungen der mit der Abschaffung des alten Systems verbun- Arbeitsweise. Bemühungen, sich in Kontrolle zu den ist, bedeutet dies den Verlust früherer fühlen, entstehen aus dem Wunsch, Situationen Erfahrungen und Kenntnisse, da neue Fähig selbstständig zu gestalten und zu bestimmen. keiten erforderlich sind. Die vergangene Lern- Dies kann beispielsweise zu einem Widerstand phase wird als viel wertvoller empfunden als die gegen eine neue Arbeitsweise oder ein neues Vorteile, die das neue System mit sich bringt, da System führen, weil Nutzerinnen und Nutzer die viel Zeit und Mühe investiert wurde und die Kontrolle über ein bekanntes System oder eine Menschen nicht bereit sind, diese Ressourcen bekannte Arbeitsmethode nicht verlieren wollen erneut auszugeben (Novemsky & Kahneman (Kim und Kankanhalli 2009). Auch können sie 2005). Ein weiteres Phänomen dieser Kategorie sich vor falschen Entscheidungen fürchten, die ist der Verankerungseffekt (anchoring effect), sie nicht rückgängig machen können (Lee und der sich auf die bestehenden Möglichkeiten und Joshi 2017). Erwartungen einer Situation oder Umgebung bezieht. Menschen lassen sich von vielen Infor- mationen beeinflussen, ohne dass es ihnen 2.2 Status Quo Bias im öffentlichen Sektor bewusst ist. Die (Umgebungs-) Informationen haben selbst dann einen Einfluss, wenn sie für Auf der Grundlage der SQB-Perspektive von eine Entscheidung eigentlich irrelevant sind. Es Kim und Kankanhalli (2009) basiert das theore- handelt sich dann um einen Effekt, bei dem sich tisch entwickelte Modell dieser Studie, siehe das Urteil an einem willkürlichen Anker orien- Abbildung 1. tiert (Kahneman und Tversky 1979), und man in einer bestehenden Umgebung bleibt, anstatt Kim und Kankanhalli (2009) haben im Kontext offen für Neues zu sein. Beispielsweise können zur Einführung eines neuen Informationssys- die während der Lernphase aufgewendeten tems in einer Organisation ihre Untersuchungen Anstrengungen des Nutzers ein Anker sein, der durchgeführt. Für die vorliegende Studie die Bewertung für das neue System erforderli- wurden die verwendeten Fragen umformuliert, chen Lernens beeinflusst (Lee und Joshi 2017). um das Entscheidungsverhalten von Mitarbeite- Abbildung 1: Rationale Entscheidungsfindung Kognitive Psychologische Einfluss der Organisation und Fehlwahrnehmung Verpflichtung des sozialen Umfelds Theoretischer Rahmen Wahr- Verlust- Unterstützung Unsicherheits- Meinung der genommener aversion Kontrolle der Organisation kosten Kollegen Wert Wechsel- Nutzen des Verankerungs- Versunkene Vorbildfunktion Wahrgenommener kosten Wechsels effekt Kosten des Managements Wert für Bürger Kontrollvariablen Nutzerwiderstand Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 7
rinnen und Mitarbeitern in öffentlichen Verwal- sich auf den wahrgenommenen Mehrwert für tungen bei der Nutzung von IT zu erklären. andere, in diesem Fall für die Bürgerinnen und Bürger. Die größten Unterschiede zwischen den theo- retischen Vorarbeiten und der vorliegenden Die fünfte Kategorie beinhaltet mehrere Kont- Fassung sind zum einem das verwendete Sys- rollvariablen, wie Selbsteffizienz, Erfahrung im tem (NOP System) und das Mitarbeiterumfeld Umgang mit Technologien während der Arbeit, (privates Unternehmen). Diese Studie befasst Personalverantwortung, Rang innerhalb der sich mit der Einführung eines Dokumentenma- Organisation, Dauer der Arbeit und andere de- nagementsystems in öffentlichen Verwaltungen mographische Daten (z.B. Alter und Geschlecht). (Kommune Bad Berleburg). Dabei haben sich Beispielsweise könnten Mitarbeiterinnen oder folgende fünf Konstrukte für den Fragebogen Mitarbeiter in einem jüngeren A lter und mit we- ergeben. niger Berufserfahrung im öffentlichen Sektor eine größere technische A ffinität haben und Die erste Kategorie ist rationale Entscheidungs- neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegen- findung. Das Modell wurde zusätzlich um zwei über aufgeschlossener sein als ältere Mitarbeite- weitere Variablen erweitert. Der wahrgenom rinnen und Mitarbeiter oder welche mit mehr mene Wert und der Nutzen des Wechsels. Der Berufserfahrungen. wahrgenommene Wert gibt an, ob der Nutzen des neuen Systems als hoch oder niedrig ein- gestuft wird. Der Nutzen des Wechsels bezieht 2.3 Die Studie sich auf den wahrgenommenen Mehrwert durch den Wechsel zu einem neuen System. Die zweite Kategorie handelt von kognitiven Welche Faktoren erklären den Fehlwahrnehmungen, die die wahrgenomme- Technologiewiderstand von Mitarbeite- nen Verluste einer Veränderung beschreiben. rinnen und Mitarbeiter in öffentlichen Verwaltungen? Die dritte Kategorie wird als psychologische Verpflichtung bezeichnet. Die Studie bezieht sich in dieser Kategorie nur auf die gesunkenen Kosten und die Bemühungen, die eigene Arbeit zu kontrollieren. Die sozialen Normen wurden Welche Faktoren unterstützen die der vierten Kategorie hinzugefügt, um sie im Technologieakzeptanz von Mitarbeite- Kontext des öffentlichen Sektors besser messen rinnen und Mitarbeitern öffentlicher zu können. Verwaltungen? Die vierte Kategorie befasst sich mit organisa- torischen und sozialen Einflüssen und enthält vier Variablen. Die Kategorie soziale Normen wurde hier eingeordnet und in zwei separate Wie kann der Technologiewiderstand von Teile unterteilt: die Meinung der Kolleginnen Beschäftigten in öffentlichen Verwaltun- und Kollegen und das Management als Vorbild. gen reduziert werden? Ziel ist es, die Hierarchie zu berücksichtigen und den Einfluss der Meinung sowohl von direkten Kolleginnen und Kollegen als auch von ranghöheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wie z.B. Managern, separat zu messen. Des Methode Weiteren wurden dieser Kategorie noch zwei weitere Variablen hinzugefügt: organisatorische Dreistufige Mix-Methode auf Grundlage der Unterstützung und wahrgenommener Wert für Sta tus Quo Bias Perspektive (Kim und andere. Erstere handelt davon, dass die Orga- Kankanhalli 2009) nisation in Zeiten einer Veränderung Unter stützung leistet. Die zweite Kategorie bezieht 8 Berichte des NEGZ
Abbildung 2: Dreistufige Mix- Methode 1. 2. 3. Qualitative Testphase Umfrage Vorstudie Qualitative Vorstudie gen Projekt, welches kurz vor Abschluss steht. Ein projektrelevantes Dokument würden Sie Für die qualitative Vorstudie wurden zwei Ziele „ABC“ nennen, was auch von anderen Beteilig- angesetzt. Zum einem die Überarbeitung und ten genutzt werden kann. Um voran zu kom- Weiterentwicklung eines Testfragebogens und men, könnten Sie Daten aus einer anderen Ab- zum anderen die Entwicklung eines Tätigkeits- teilung gebrauchen. Sie bitten den zuständigen szenarios. Kollegen der Abteilung die Daten in das bei- spielhaft oben genannte Dokument einzutra- Für eine gemeinsame Erreichung der gesetzten gen. Der Kollege vervollständigt die Daten und Ziele, wurde eine Fokusgruppe mit Technolo- sichert das Dokument unter „CBA“. Am nächs- giebezug, die aus fünf Verwaltungsmitarbei- ten Morgen würden Sie und Ihr Projektteam terinnen und Verwaltungsmitarbeitern der gerne weiterarbeiten und können das Doku- Stadt Bad Berleburg bestand, ausgewählt. ment mit dem ursprünglichen Namen nicht fin- den. Der Kollege aus der anderen Abteilung Für das erste Ziel sollte in einem ersten Schritt nimmt an einer ganztägigen Besprechung au- jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer die ßer Haus teil und ist nicht erreichbar. persönliche Tätigkeit sowie die Technologie, welche zur Ausführung genutzt wird, näher Können Sie sich so eine Situation vorstellen? beschreiben und sowohl die Vorteile als auch die Nachteile der Nutzung aufzählen. Der Szenario Fokus lag auf der persönlichen Einstellung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Basierend auf den Interviews wurden zwei ab- Anschließend wurde in einem nächsten Schritt teilungsübergreifende Probleme identifiziert. der vorgefertigte theoretische Testfragebogen diskutiert und fehlende unabhängige Variablen 1. Nicht jede Abteilung der Kommune hat Zu- sollten identifiziert werden. griff auf digital gespeicherte Dokumente. Im Rahmen der Fokusgruppe wurden unter- 2. Es gibt keine einheitliche und standardisierte schiedliche Vorgehen und Methoden zur Imple- Form der Dokumentenbezeichnung. mentierung neuer Technologien innerhalb der Kommune erfasst. Das entwickelte Szenario handelt folglich von der Nutzung und Bezeichnung von Dokumenten Auf dieser Grundlage wurde das zweite in einem Dokumentenmanagementsystem. Ein Ziel angegangen. Die Teilnehmerinnen und Dokumentenmanagementsystem regelt und Teilnehmer haben gemeinsam ein Tätigkeits- speichert Dokumente und Informationen in szenario entwickelt, welches eine aktuelle einer zentralen Datenbank. Die Suche sowie der Implementierung einer neuen Technologie Zugriff und Austausch von Dokumenten widerspiegelt. Das Ergebnis wird in Kapitel zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „Tätigkeitsszenario: Dokumentenmanagement“ verschiedener Abteilungen ist vereinfacht und näher erläutert. effektiv gesteuert, um einen reibungslosen Informationsfluss zu ermöglichen. Des Weiteren Tätigkeitsszenario: Dokumentenmanagement können eine vorgelegte Zeichenzahl und Kate- gorie Auswahl zur Verfügung gestellt werden Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten mit zwei und somit eine einheitliche Bezeichnung Arbeitskollegen gleichzeitig an einem wichti- ermöglichen. Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 9
Das Szenario zeigt, dass eine einheitliche Die in Kapitel „Status Quo Bias im öffentlichen Bezeichnung von Dokumenten für eine intakte Sektor“ genannten Kategorien bilden gleich Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen zeitig auch die Unterpunkte des Fragebogens, sehr wichtig ist. Es muss deutlich sein, wie ge- die aus konkreten Fragen bestehen. Jede Kate- nau ein Dokument gespeichert werden muss, gorie hat eine thematische Einführung, s odass damit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sich die Beantwortenden in die Situation hinein- jeder Zeit ohne die Hilfe anderer und ohne lange versetzen können. Darüber hinaus wird in der zu überlegen, das gewünschte Dokument fin- Einführung der Kontext der dann folgenden Fra- den und nutzen können. Das Tätigkeitsszenario gen erläutert und was das jeweilige Ziel der Fra- dient dazu, dass alle Mitarbeiterinnen und Mit- gegruppe ist. An den notwendigen Stellen sind arbeiter, dieselbe Vorstellung über das vorhan- Hinweise und Definitionen gegeben, damit Miss- dene Problem haben und sich in die gegebene verständnisse vermieden werden (z.B. H inweis: Situation hineinversetzten können. Einige Fragen erfordern technische Erfahrun- gen. Falls dies nicht auf Sie zutrifft, bitten wir Testphase Sie, sich in die Lage hineinzuversetzen und Ihre persönliche Erwartung an die Situation einzu- Basierend auf dem Gespräch mit den fünf Mit- schätzen.). arbeiterinnen und Mitarbeitern der technologie- bezogenen Fokusgruppe wurde der Testfrage- Der Fragebogen besteht aus Sieben-Punkt- bogen überarbeitet. Antwortbatterien, die durch die genannten Kategorien führen, wobei sich in den Zeilen der Die Diskussionen hatten das Ergebnis, dass Batterie die einzelnen Ausprägungen der Missverständnisse verhindert und ein Konsens Fragen und in den Spalten die Antwortoptionen bei der Formulierung geschaffen wurde. Somit von eins bis sieben befinden. Dabei ist die konnte sichergestellt werden, dass alle Verwal- Zustimmung der Frage von eins bis sieben auf- tungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitar- steigend: eins = „Stimme überhaupt nicht zu“ beiter, die den Fragebogen letztendlich aus bis sieben = „Stimme voll zu“. füllen, abgeholt werden und alle Begrifflichkeiten verstehen. Fragen zu Bürgerinnen und Bürger wurden in die Umfrage einbezogen, da die Arbeit der Ver- Durch mehrere Feedbackrunden wurde der waltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter das Fragebogen überarbeitet. Der Fokus lag auf Ergebnis des Nutzens für die Bürgerinnen und einem einheitlichen Verständnis aller Beteiligten. Bürger ist bzw. die Bürgerschaft einen Mehrwert Auf dieser Grundlage wurde der Testfrage aus der Arbeit der Verwaltung ziehen können bogen anschließend als ein Onlinefragebogen, soll. Vorgesetzte und der Verwaltungsvorstand siehe Kapitel „Umfrage“ erstellt und durch das leben die Umsetzung gegebener Richtlinien vor, interne E-Mail-System der Kommune verbreitet. weshalb sie in unserem Fragebogen berücksich- tigt werden. Kontrolle und Entscheidungs Umfrage freiheit sind weitere Bestandteile des SQB und gut auf Verwaltungsmitarbeiterinnen und Der Online-Fragebogen wurde an 135 Verwal- -mitarbeiter anzuwenden. Entsprechend wurde tungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitar- die Studie um diese Variablen erweitert. beiter der Stadt Bad Berleburg versendet. Das Ziel der Umfrage war, signifikante Korrela- tions- und Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu ermitteln und die Akzeptanz gegenüber neuen Technologien am Arbeitsplatz von Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Sektor besser zu verstehen. 10 Berichte des NEGZ
3. ERGEBNISSE DER STUDIE Die Ergebnisse basieren auf Daten von insge- Selektion durchgeführt. Dabei wurden alle samt 19 Verwaltungsmitarbeiterinnen und unabhängigen Variablen schrittweise aus dem Verwaltungsmitarbeitern der Kommune Bad Modell entfernt, die am wenigsten auf die Berleburg, mit einer Rücklaufquote von 14,07 Vorhersagen der abhängigen Variable (Nutzer- Prozent. Davon sind es 10 Frauen, 5 Männer und widerstand) Einfluss haben und diese am 4 nicht spezifizierte. Alle Teilnehmerinnen und wenigsten negativ beeinträchtigen. Es zeigte Teilnehmer haben eine Kontrollfrage „Bitte sich, dass das Modell als Ganzes in drei Fällen kreuzen Sie „Stimme voll zu“ an“ in angemes- einen Erklärungsbeitrag leistet: Der wahrgenom- sener Weise beantwortet. mene Wert für andere (p = .011; Regressionsko- effizientB = -.336), der Nutzen des Wechsels Insgesamt arbeiten 14 der Teilnehmerinnen und (p = .000; RegressionskoeffizientB = -.451) und Teilnehmer in der öffentlichen Verwaltung, 1 der für die Unsicherheitskosten (p = .001; Regress- Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeitet in ionskoeffizientB = -.368). der Technikabteilung, 1 der Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Gebäudemanagerin und Hinweis: Je höher die Werte sind, desto besser -manager oder Reinigungskraft und 3 Teilneh- ist die Übereinstimmung zwischen dem Modell merinnen und Teilnehmer sind nicht näher und den Daten. angegeben. 5 der Befragten haben angegeben weniger als drei Jahre in der Gemeinde tätig zu Die Studie liefert vier interessante Befunde. Der sein. 1 der Befragten gab an zwischen sieben wahrgenommene Wert für andere, der Nutzen und neun Jahren in der Gemeinde tätig zu sein des Wechsels, der wahrgenommene Wert und und 13 der Befragten seit über elf Jahren. die geringen Unsicherheitskosten haben einen Davon haben 9 der Befragten Personalverant- negativen Einfluss auf die Resistenz von Mitar- wortung und 10 haben keine solche Verantwor- beiterinnen und Mitarbeitern öffentlicher Ver- tungen. Darüber hinaus haben insgesamt 12 waltungen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angegeben, dass sie keinerlei Erfahrungen mit der Doku- Der wahrgenommene Wert für andere spiegelt mentenverwaltung und einem Dokumenten das Ergebnis der eigenen Arbeit für andere managementsystem haben. Menschen wider. Wenn z.B. die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit den Dienstleis- Wir haben zunächst mit einer einfachen linearen tungen öffentlicher Verwaltungen nach der Ein- Regressionsanalyse begonnen, um zu prüfen, ob führung von E-Government zunimmt, sehen die ein Zusammenhang zwischen einer unabhängi- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Vorteile der gen und der abhängigen Variable (Nutzerwider- Einführung und sind eher dazu geneigt, Techno- stand) besteht. Um zu überprüfen, ob die einfa- logie tatsächlich zu nutzen. chen Regressionsmodelle insgesamt signifikant sind, wurde ein F-Test durchgeführt. Der Nutzen des Wechsels beschreibt den Wechsel zu einer neuen Technologie und die Dabei wurde geprüft, ob die Vorhersage der Vorteile, die daraus resultieren. Wenn z.B. die abhängigen Variable durch Hinzufügen der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter unabhängigen Variable verbessert wurde. Es nach einem Wechsel zu der Erkenntnis kommen, zeigte sich, dass das Modell als Ganzes in zwei dass durch Technologie die Arbeitsleistung Fällen einen Erklärungsbeitrag leistet: Für den deutlich verbessert wurde, verringert sich der wahrgenommenen Wert (F (1,17) = 8,089; p = Widerstand gegen eine Veränderung. .011) und für den Nutzen eines Wechsels (F (1,17) = 7,600; p = .013) zeigt sich, dass die Modelle als Unsicherheitskosten entstehen, weil Menschen Ganzes signifikant sind. das Gefühl der Inkompetenz vermeiden und dazu neigen, an etablierten und bekannten Sys- In einem zweiten Schritt wurde die multiple temen festzuhalten. Wenn Nutzerinnen und lineare Regressionsanalyse als eine Rückwärts- Nutzer ein System bereits besitzen und den Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 11
Nutzen dessen anerkannt haben, so ist der Administratoren oder Eigentümer von Doku- Wechsel zu einem neuen System mit hohen menten können Zugriffsrechte festlegen und Unsicherheitskosten verbunden, auch wenn das den Ablageort von Dokumenten bestimmen. So neuere System empfehlenswerter gegenüber wird unbefugter Zugriff verhindert und Doku- dem alten System ist. mente können nicht von ihrem gespeicherten Ort entwendet oder umbenannt werden. Der wahrgenommene Wert beschreibt, ob der wahrgenommene Nutzen gegenüber einem neuen System höher ist als die Kosten dafür. 3.2 Digitale Kompetenzen Wenn Nutzerinnen und Nutzer den wahrge- nommenen Nutzen einer Technologie niedriger Es bedarf für den digitalen Wandel in öffent als die Kosten dafür bewerten, so steigt der lichen Verwaltungen der Kompetenzentwick- Widerstand gegenüber diesem System. Wenn lung der Beschäftigten statt bloßer monetärer der Nutzen jedoch höher als die Kosten ist, so oder technischer Ressourcen. Im Rahmen der ist der Widerstand gegenüber der Technologie wissenschaftlichen Begleitung fiel auf, dass die geringer. innere Haltung der Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter für den digitalen Wandel vor Ort von Die Ergebnisse beziehen sich nur auf Daten der zentraler Bedeutung ist. Viele Beschäftigte Kommune Bad Berleburg, um diese skalieren wollen, dass „die Dinge so bleiben, wie sie sind“. und validieren zu können, müssen weitere Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ver- Kommunen und Organisationen ebenfalls fügbaren Geräte und Applikationen trotz des untersucht werden, um das Wissen übertragen hohen Mehrwerts nur eingeschränkt nutzen und zu können. Vor diesem Hintergrund können ihnen mit Skepsis oder sogar Angst begegnen, dann zukünftige Forscherinnen und Forscher entsteht praktischer Handlungsbedarf wie theo- Strategien ableiten, wie die Skepsis von Ver- retisches Erkenntnisinteresse. waltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmit- arbeitern im Umgang mit neuen Verfahren und Der zentrale Befund der Studie ist, dass Unsi- Technologien entgegengewirkt werden kann. cherheiten über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Trends häufig zu Heuristiken und verzerrten Einschätzungen führen. 3.1 Lösung des Tätigkeitsszenarios Bedarfsgerechte Kompetenzoffensiven wie in Um der im Tätigkeitsszenario geschilderten Pro- Bad Berleburg helfen den Mitarbeiterinnen und blematik entgegenwirken zu können, müssen Mitarbeitern, sich besser mit dem Heute auszu- die SQB-Perspektiven berücksichtigt sowie eine kennen und darauf aufbauend sicherer mit dem freundliche Umgebung geschaffen werden, in Morgen umzugehen. Es sind die eigenen Kom- der die Nutzung neuer Technologien gefördert petenzen, die sie maßgeblich dabei unterstüt- wird (siehe Kapitel „Handlungsempfehlungen“). zen, Herausforderungen passend einzuschätzen Ein Beispiel für eine neue Technologie ist die und sie als Chancen zu begreifen. Dafür ist Einführung eines Dokumentenmanagement notwendig, bestehende Lücken zu entdecken, systems. zu schließen und in die digitale Resilienz und Selbstwirksamkeit der Mitarbeiterinnen und Mit- Die Hauptproblematik des Tätigkeitsszenarios arbeiter vor Ort zu investieren. war zum einen, dass nicht alle Abteilungen auf die relevanten Dokumente zugreifen können Es kommt auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten und zum anderen, dass keine einheitliche Doku- jeder Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters an! mentenbezeichnung vorliegt. Univ.-Professor Dr. Dr. Björn Niehaves, der Direk- tor des FoKoS und Inhaber des Lehrstuhls für Ein Dokumentenmanagementsystem ist für ein Wirtschaftsinformatik an der Universität Siegen, organisationsweites Wissensmanagement kon- hebt die Bedeutung digitaler Kompetenzen zipiert, was eine gemeinsame Bearbeitung für hervor. Er will schon heute an die Arbeit in alle Abteilungen innerhalb einer öffentlichen öffentlichen Verwaltungen von morgen denken, Verwaltung ermöglicht. Dadurch wird das um so einen Mehrwert für Bürgerinnen und Informationsmanagement der Abteilungen Bürger, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und beschleunigt und die Zusammenarbeit unter schließlich die öffentliche Hand insgesamt zu den Kollegen gestärkt. generieren. 12 Berichte des NEGZ
4. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN Unsicherheiten abbauen, Kompetenzen Mehr Mut für neue Technologien! Es ist hilf- stärken! Unsicherheiten von Mitarbeiterinnen reich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran zu und Mitarbeitern können durch vor Ort Schu- erinnern, dass sie mit Systemen und Techno- lungen, Sprechstunden, anonyme Frage logien vertraut sind, bei denen sie die Einfüh- stunden oder eine offene Fehlerkultur reduziert rung bereits sehr gut gemeistert haben. Dies werden, sobald ein neues System oder eine verringert die Angst Fehler zu machen und neue Arbeitsweise eingeführt wird. Gleichzeitig schafft Mut für Neues. führt das zu einem Abbau von Skepsis. Vorteile für Bürgerinnen und Bürger deutlich Vorteile neuer Technologien deutlich machen! machen! Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Der Wert des Systems sowie die Vorteile für alle öffentlicher Verwaltungen und auch die Bürge- Beteiligten können durch anschaulich aufberei- rinnen und Bürger profitieren von neuen tete Präsentationen, Whiteboards, Poster etc. Arbeitsweisen. Diese Vorteile sind ebenfalls in den Arbeitsräumen in den Fokus rücken, durch Poster, Whiteboards etc. in den Arbeits- sodass diese allen Mitarbeiterinnen und Mitar- räumen zu unterstreichen, um eine positive beiter dauerhaft zugänglich und präsent sind, Einstellung gegenüber neuen Systemen zu um eine positive Einstellung gegenüber einem stärken und den Mehrwert für die Gesellschaft neuen System zu schaffen. zu verdeutlichen. Positive Anker setzen! Positive Anker zu setzen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst zu machen kann Ängste verringern. Durch regelmäßige Erinnerungen besuchter Schulungen oder die bewusste Hervorhebung über die bereits erlernten Fähigkeiten erhöhen die Bereitschaft neue Technologien auszupro- bieren und zu nutzen. Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 13
5. ZUSAMMENFASSUNG Diese Arbeit liefert einen Leitfaden, wie sich Mit- und Kankanhalli (2009), führten darauf auf arbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen bauend Interviews, identifizierten zusätzliche Sektors an die durch die digitale Transformation Variablen, entwickelten einen Fragebogen und verursachten Veränderungen anpassen können. ermittelten schließlich wichtige Einflussfaktoren. Vor diesem Hintergrund illustriert die Studie Die Datenerhebung unserer Studie wurde von einen ersten Schritt, um die kognitive Vorein- einer verantwortungsvollen Datenanalyse und genommenheit der Beschäftigten der öffent -interpretation begleitet. Diese Phasen können lichen Verwaltung zu berücksichtigen und ihre in anderen Settings und Bereichen wiederholt Widerstände gegen die Technologie zu reduzie- werden. ren. Mit der gemischtmethodischen Untersu- chung konnten wir aufzeigen, welche Variablen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter öffentlicher Widerstand beeinflussen und welche den größ- Verwaltungen müssen sich bewusst mit den ten Spielraum für Interventionen versprechen. Veränderungen des digitalen Wandels beschäf- Erste Indikatoren zeigen, dass sich der wahrge- tigen und offener im Umgang mit neuen Tech- nommene Wert, die Vorteile eines Wechsels, der nologien werden. In Zukunft kann es für sie Wert für andere und geringe Unsicherheits spanend sein, wie ihre Kompetenzen sich dahin- kosten negativ auf den Widerstand der Anwen- gehend verändert und weiterentwickelt haben derinnen und Anwender bei der Einführung und inwieweit ein Mehrwert ihrerseits verspürt einer neuen Technologie auswirken. In diesem und wahrgenommen wird. Des Weiteren wäre Fall kann also eine Bereitstellung bzw. einfache es interessant, wie sich ihr Widerstand gegen- Darstellung dieser Informationen zu einer über neuen Technologien mit der Zeit verändert besseren Nutzerakzeptanz führen. und wie sie mit neuen Gegebenheiten umgehen. Aus theoretischer Sicht bestand das überge Es kann für Forscherinnen und Forscher in der ordnete Ziel dieser Arbeit darin, Erkenntnisse Zukunft spannend sein, verschiedene Mitarbei- darüber zu gewinnen, wie verschiedene Modelle, tergruppen zu vergleichen, zusätzliche Kontroll- die sich aus dem Paradigma der rationalen Wahl variablen hinzuzufügen (z.B. Einsatz eigener und der begrenzten Rationalität ergeben, inte- Technologien am Arbeitsplatz) und andere griert werden können. Ziel war es, reichhaltigere Technologieszenarien zu entwickeln (z.B. künst- Erklärungen für den Technologiewiderstand in liche Intelligenz, Chat-Bots und Sprachunter- öffentlichen Verwaltungen zu liefern. Wir stütz- stützung). ten unsere Überlegungen auf die Arbeit von Kim 14 Berichte des NEGZ
LITERATUR Ben Rehouma, M. 2018. „Beteiligung der Beschäftigten bei IT-Projekten in öffentlichen Verwaltungen: Umfrage in deutschen Bundesbehörden am Beispiel der E-Akte“, Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2018, Lüneburg, S. 645-656. Crummenerl, C., Gensicke, T. J., Brückner, I., Krinke, C., Reith, J. und Herkewitz, H. 2019. „Wandel der Arbeitswelt im öffentlichen Dienst: Auswirkung der digitalen Transformation auf Personalmanagement und -strategien in deutschen Verwaltungen“, Capgemini (Hg.). Eggers, B. und Hollmann, S. 2018. „Digital Leadership – Anforderungen, Aufgaben und Skills von Führungskräften in der „Arbeitswelt 4.0““, in Disruption und Transformation Management: Digital Leadership - Digitales Mindset - Digitale Strategie, F. Keuper, M. Schomann, L. I. Sikora und R. Wassef (Hg.), Wiesbaden: Gabler, S. 43-68. Kim, H.-W. und Kankanhalli, A. 2009. „Investigating user resistance to information systems implementation: A status quo bias perspective“, MIS Quarterly (33:3), S. 567-582 (doi: 10.2307/20650309). Lee, K. und Joshi, K. 2017. „Examining the use of status quo bias perspective in IS research: Need for re-conceptualizing and incorporating biases“, Information Systems Journal (27:6), S. 733-752 (doi: 10.1111/isj.12118). Liu, S. M. und Yuan, Q. 2015. „The evolution of information and communication technology in public administration“, Public Administration and Development (35:2), S. 140-151 (doi: 10.1002/pad.1717). Ogonek, N., Greger, V., Zepic, R., Räckers, M., Becker, J. und Krcmar, H. 2016. „Auf dem Weg zu einer innovativen Verwaltung: Rollen und Kompetenzen der Verwaltung im E-Government- Kontext“, Lecture Notes in Informatics (LNI) (1), S. 13-24. Räckers, M., Nelke, A. und Gilge, S. 2017. „E-Kompetenz im öffentlichen Sektor eine Positions bestimmung“, Gesellschaft für Informatik e. V.; Nationales E-Government Kompetenzzentrum e.V. (NEGZ). Samuelson, W. und Zeckhauser, R. 1988. „Status quo bias in decision making“, Journal of Risk and Uncertainty (1:1), S. 7-59 (doi: 10.1007/BF00055564). Sherwood, F. P. 1990. „The Half-Century‘s “Great Books” in Public Administration“, Public Administration Review (50:2), S. 249 (doi: 10.2307/976872). Simon, H. A. 1944. „Decision-making and administrative organization“, Public Administration Review (4:1), S. 16 (doi: 10.2307/972435). Simon, H. A. 1946. „The proverbs of administration“, Public Administration Review (6:1), S. 53-67 (doi: 10.2307/973030). Simon, H. A. 1997. Administrative behavior: A study of decision-making processes in administrative organizations, New York, NY: Free Press. Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 15
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ÜBER DIE AUTORINNEN UND AUTOREN Frederike Oschinsky arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftsinfor- matik und am Forschungskolleg „Zukunft menschlich gestalten“ der Universität Siegen. Als ausgebildete Politikwissenschaftlerin interessiert sich Frederike Oschinsky für die Digitalisierung ländlicher Räume, die Technologieakzeptanz und -resistenz am Arbeitsplatz, die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Entscheiden bei der Nutzung von Technologie, Kreativitätstechniken und Design Thinking, sowie empirische Sozialforschung und Mixed-Methos-Ansätze. Sie ist Mit- arbeiterin in den Forschungsprojekten „Eureka – Scheduling ‚Eureka‘ Moments“, „BLB.digital“, „REGIONALE 2025“, „Gemeinsame Initiative Digitalisierung“ und „Digitale Modellkommunen NRW“. Aida Stelter arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Siegen. Sie hat ihren Masterabschluss in Wirtschaftsinformatik abgeschlossen und interessiert sich für die Digitalisierung ländlicher Räume und Technologieakzeptanz und -resistenz. Sie arbeitet im Forschungsprojekt „Open Government Lab – Kurort der Zukunft“ und erarbeitet Konzepte zur Modernisierung von Kurorten. Constantin Kaping arbeitet als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Siegen. Aktuell studiert er Wirtschaftsinformatik im Masterstudiengang und unter- stützt im Themenbereich Digitalisierung in Kommunen das Forschungsprojekt „Kompetenzoffen- sive Bad Berleburg Digital (KOBoLD)“. Univ.- Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves steht für das Thema Digitale Innovationen und ihre Bedeutung für die unternehmerische Wertschöpfung und Arbeitswelt von heute und morgen. Nach Zwischen- stationen u. a. in Harvard (USA), an der Waseda University (Japan), London School of Economics (UK), Copenhagen Business School (DK) und der Hertie School of Governance (DE) ist er heute Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik sowie Direktor des Forschungskollegs (FoKoS) an der Universität Siegen. Neben seiner Forschungstätigkeit ist Professor Niehaves als Keynote Speaker und Berater für führende Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und internationale Organisationen tätig. Zahlreiche seiner über 300 Publikationen wurden mit Forschungs- und In- novationspreisen ausgezeichnet. Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 17
IMPRESSUM Die Kurzstudie basiert auf einer Nationales E-Government Initiative des Nationalen E-Government Kompetenzzentrum e. V. Kompetenzzentrums e. V. Pressehaus / 4102 Schiffbauerdamm 40 Ansprechpartner 10117 Berlin Frederike Oschinsky +49 (0)30 80494747 Universität Siegen info@negz.org frederike.oschinsky@uni-siegen.de negz.org Aida Stelter Gestalterische Umsetzung Universität Siegen made in – Design und Strategieberatung aida.stelter@uni-siegen.de www.madein.io Constantin Kaping Universität Siegen constantin.kaping@student.uni-siegen.de Univ.-Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves Universität Siegen bjoern.niehaves@uni-siegen.de 18 Berichte des NEGZ
BERICHTE DES NEGZ Folgende Kurzstudien sind in der Reihe „Berichte des NEGZ“ bereits erschienen: Nr. 1 Schuppan, T., Köhl, S., Off, T. (2018). Vollzugsorientierte Gesetzgebung durch eine Vollzugssimulationsmaschine, Berlin. » DOI Nr. 2 Ogonek, N., Distel B., Ben Rehouma, M., Hofmann, S., Räckers, M. (2018). Digitalisierungsverständnis von Führungskräften, Berlin. » DOI Nr. 3 Djeffal, C. (2018). Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung, Berlin. » DOI Nr. 4 Fadavian, B., Franzen-Paustenbach, D., Rehfeld, D., Schmitt, M., Schweikart, D., Djeffal, C. (2019). Data Driven Government, Berlin. » DOI Nr. 5 Balta, D., Hofmann, S., Rehfeld, D., Kuhn, P., Krcmar, H. (2019). Sharing Economy: Potential im öffentlichen Sektor, Berlin. » DOI Nr. 6 Hoepner, P., Welzel, C., Wulff, M. (2019). Identifizierung und Authentifizierung leicht gemacht – die Nutzer ins Zentrum stellen, Berlin. » DOI Nr. 7 Köhl, S., Müller, H. (2019). Sicherheitsanforderungen und -nachweise bei Cloud-Diensten – Grundlagen für öffentliche Auftraggeber, Berlin. » DOI Nr. 8 Houy, C., Gutermuth, O., Fettke, P., Loos, P. (2020). Potentiale Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung von Sachbearbeitungsprozessen im Sozialwesen, Berlin. » DOI Nr. 9 Schaffer, S., Reithinger, N., Standt, J., Krebs, R. (2020). Sprachsteuerung von E-Government Diensten in Deutschland, Berlin. » DOI Nr. 10 Houy, C., Gutermuth, O., Fettke, P. (2020). Robotergestützte Prozessautomatisierung für die Digitale Verwaltung, Berlin. » DOI Nr. 11 Ogonek, N., Distel, B., Hofmann, S. (2020). Kompetenzvermittlung im öffentlichen Sektor neu gedacht, Berlin. »DOI Nr. 12 Distel, B., Hofmann, S., Østergaard Madsen, C. (2020). Nationale E-Government- Strategien: Deutschland und Dänemark im Vergleich, Berlin. »DOI Nr. 13 Halsbenning, S., Scholta, H., Distel, B. (2020). Quo vadis, Civis? Entwicklung einer Citizen Journey für eine nachfrageorientierte Dienstleistungsentwicklung im öffentlichen Sektor, Berlin. »DOI Kompetenzoffensive Bad Berleburg Digital (KOBoLD) 19
Nationales E-Government Kompetenzzentrum e. V. Pressehaus / 4102 Schiffbauerdamm 40 10117 Berlin +49 (0)30 80494747 info@negz.org negz.org ISSN (online) 2626-6032 DOI 10.30418/2626-6032.2021.14
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