DIE KUNST DES AUFGEBENS - Was wir gewinnen, wenn wir loslassen, statt durchzuhalten - Ciando
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ZWEI UND ZWEI Wenn Paare mit Paaren MÄRZ 2019 befreundet sind AM HERD Die Psychologie des Kochens DAS SELBST Ist es nur eine Illusion? DIE KUNST DES AUFGEBENS D6940E Was wir gewinnen, wenn wir SFR 10,90 loslassen, statt durchzuhalten € 7,50 HEFT 3 46. JAHRGANG
www.klett-cotta.de/schattauer 3211_Hullmann_120x185_SC 14.07.16 17:25 Seite 1 3292_Christmann.qxp_120x185_SC 06.02.18 15:15 Seite 1 Fred Christmann Ina Hullmann Ina Hullmann Fred Christmann 2018. 337 Seiten, 10 Abb., Klappaenbroschur. Mit einem Geleitwort von Katharina Domschke Coach Dich doch selber! 2017. 208 Seiten, 14 Abb., Klappenbroschur. Faszination Psyche Den eigenen inneren Superhelden entdecken »… Es ist doch unfassbar: Wir besitzen das genialste Wie unsere Psyche funktioniert Denkorgan dieses Planeten und können manchmal »Wer sich und andere besser versteht, wird eher Mit Leichtigkeit mentale Superkräfte entfalten rein gar nichts damit anfangen. Ganz im Gegenteil – ein gutes Leben führen können und auch mehr von Alltagsstress, Grübelfallen – und zu allem Überfluss raubt uns Wer sich selbst und andere besser versteht, hat es ein ganzes einer Psychotherapie profitieren. Sie erfahren in eine Prüfung oder ein anstehendes Bewerbungsgespräch nachts es wendet sich scheinbar gegen uns und macht sein Dr. Fred Christmann Sich selbst und andere besser verstehen € 24,99 (D) | ISBN 978-3-608-43292-3 Dipl.-Psych. Ina Hullmann Stück weit leichter im Leben. Das neue Buch des bekannten Ver- diesem Buch viel über sich, das Leben und den Um- Mit einem Geleitwort von Gunther Schmidt € 19,99 (D) | ISBN 978-3-608-43211-4 € 19,99 (D) | ISBN 978-3-608-43225-1 auch noch den Schlaf: Manchmal scheint das Leben nichts Besse- eigenes Ding! Ob Eifersucht, Versagensängste oder Ina Hullmann ist Diplom-Psychologin, Hypnotherapeutin haltenstherapeuten Dr. Christmann öffnet die Türen auch Schlafprobleme – ganzzuoftden fühlen wir uns den gang mit anderen. Als erfahrener Psychothera- res zu tun zu haben, als uns Steine in den Weg zu legen. Die aus Dipl.-Psych., ist Psychologischer Psychotherapeut sowie und Autorin mit zusätzlicher Bühnen- und Sprecheraus- faszinierenden Facetten unserer Psyche. »Machenschaften« des Gehirns hilflos ausgeliefert. peut, der zudem seit vielen Jahren psychologische 2017. 256 Seiten, Klappaenbroschur. einer Beratungsserie im Fernsehen bekannte Diplom-Psychologin Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Er ist der Faszination Psyche bildung. Nach dem Studium Klinischer Psychologie war Ina Hullmann zeigt mit ihrem fünfstufigen Programm zum Selbst- Insbesondere, da es scheinbar besonders gerne in Inhalte in Ausstellungsführungen vermittelt, weiß Gründer des ersten deutschen Ausbildungsinstituts für Zunehmend suchen Menschen Hilfezuschlägt, in Psychotherapien, sie zunächst vier Jahre als Psychologin in Fachkliniken coaching, wie Sie Krisen meistern und gestärkt aus ihnen her- Zeiten in denen wirum ohnehin schon ex- ich, dass viele Menschen an der Psychologie und Coach Dich doch selber! Verhaltenstherapie und langjähriger Leiter der staatlich für sich zu klären, was ein gutes tätig. vorgehen. In zahlreichen Übungen leitet sie dazu an, hinderliche tremenLeben ausmacht undausgesetzt Herausforderungen wie sind. Diese ihrer Anwendung interessiert sind. Dieses Buch soll anerkannten Ausbildungsstätte für Psychotherapie und dieses gelingen könnte. Meist komplexen ist selbst inHirnwirren einer Psychotherapie Denkmuster zu durchbrechen, die Fähigkeit zum Perspektivwech- und -wunder zu meistern, ist Ihrer lebensbejahenden Einstellung und Berufung fol- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Stuttgart. das bestehende Interesse befriedigen.« sel zu erweitern und brachliegendes eigenes Potenzial zu er- nicht einfach die Zeit zu knapp, um alle wichtigen – eineanzusprechen. Punkte so komplexe Technologie muss gend, löste sie sich 1999 vom traditionellen Psychothera- Seit 2014 Vorsitzender der Stiftung Psyche in Stuttgart. schließen. Die Stufen des Programms sind: man erst einmal Denn alles hängt mit allem zusammen. Dieses bedienen lernen! Buch schafft die Wie eine Raum- Fred Christmann piekonzept, um sich in Hamburg als Coach und Trainerin fähre, miteinen der man eine Entdeckungsreise zu neuen einem modernen, ressourcenorientierten Ansatz zuzu- Den mentalen Laser aktivieren Grundlage für mehr Orientierung und besseren Umgang wenden. Techniken zur Entfaltung menschlicher Poten- Die eigene Wahrnehmung erweitern mit sich und anderen. Es stelltHorizonten unternehmen möchte. anhand wissenschaftlicher Ex-Da wäre es eben- falls sinnvoll, vor dem Abflug (…) zumindest mal die ziale, Meditation und die Hypnotherapie nach Milton Sich selbst erkennen perimente und der Praxiserfahrung des Autors ein großes Bedienungsanleitung zum Navigieren in der Schwere- Erickson stehen seitdem im Fokus ihrer Arbeit. Von Ham- Mental neu »programmieren« Spektrum psychologischer Themen unseres Alltags dar: vom inkl. Downloadmaterial losigkeit gelesen zu haben. burg verlegte sie 2009 ihren Praxissitz in die Schweiz, Mentale Superkräfte entwickeln Umgang mit Gefühlen wie Angst und Glück über Kreativität Nichts dergleichen tut der Hirnbesitzer, wenn er sich zunächst nach Zürich, dann 2015 nach Luzern. Zu ihren bis hin zu Selbstwertstärkung, Persönlichkeit und Verän-neurochemisches Die wahren Möglichkeiten im Leben zu erschließen, ist reine Kopf- tagtäglich auf sein komplexes internationalen Klienten zählen u. a. Unternehmer, Füh- derungsmöglichkeiten. Die 60-minütige Onlineübung und sache. Gehen Sie mit Ina Hullmann auf Entdeckungsreise und Wunderwerk verlässt. Er vertraut auf den Zufall und rungskräfte aus Wirtschaft und Politik, Leistungssportler lernen Sie, Ihre Gedanken zu lenken und aus negativen Grübel- konkrete Anregungen helfen,die dievielen gewonnene Erkenntnis Generationen vor ihm,indenen der graue und Künstler. kreisläufen auszusteigen. neues Verhalten umzusetzen. Kasten im Oberstübchen auch einfach irgendwie Als Fachdozentin für Psychologie und Coaching lehrt sie beim Überleben half. Dieses seit Jahrtausenden an renommierten Ausbildungsinstituten in der Schweiz. Sie werden feststellen: Nichts ist bloße übliche Wissenschaft, Vorgehen allesdem Fahren eines gleicht aber eher 2002 veröffentlichte sie ihr erstes Fachbuch zum Thema betrifft Sie persönlich. PS-starken Sportwagens im Rückwärtsgang mit an- Coaching. Seit 2012 ist sie Autorin im Schattauer Verlag gezogener Handbremse als einer einigermaßen effi- und Herausgeberin der «myCoach Meditationen». Seit zienten Gehirnbedienung.« vielen Jahren tritt sie als TV-Psychologin und Expertin im deutschsprachigen Fernsehen auf (VOX, RTL). NEU www.schattauer.de www.schattauer.de Gregor Hasler Ina Hullmann Fred Christmann Resilienz: Der Wir-Faktor Coach Dich doch selber! Faszination Psyche Gemeinsam Stress und Ängste überwinden Mit Leichtigkeit mentale Superkräfte entfalten. Sich selbst und andere besser verstehen Fragen Sie sich auch, warum wir zunehmend Alltagsstress, Grübelfallen – und zu allem Wie unsere Psyche funktioniert. Wer sich gestresst sind, Ängste und chronische Er- Überfluss raubt uns eine Prüfung oder ein selbst und andere besser versteht, hat es schöpfung sich wie eine Epidemie verbreiten? anstehendes Bewerbungsgespräch nachts ein ganzes Stück weit leichter im Leben. Das Die Ursachen sind komplexer als man denkt, auch noch den Schlaf: Manchmal scheint neue Buch des bekannten Verhaltensthera- aber wir sind dieser Dynamik nicht hilflos das Leben nichts Besseres zu tun zu haben, peuten Dr. Christmann öffnet die Türen zu ausgeliefert. Das Buch führt vor Augen, was als uns Steine in den Weg zu legen. Die aus den faszinierenden Facetten unserer Psyche. uns in die Stress-Krise geführt hat – und zeigt einer Beratungsserie im Fernsehen bekannte Sie werden feststellen: Nichts ist bloße den Schlüssel, der uns auch wieder hinaus- Diplom-Psychologin Ina Hullmann zeigt mit Wissenschaft, alles betrifft Sie persönlich. führen kann: den Wir-Faktor. ihrem fünfstufigen Programm zum Selbst- coaching, wie Sie Krisen meistern und ge- stärkt aus ihnen hervorgehen. Giovanni A. Fava Thorsten Heedt Andreas Hillert Hillert Lehr Koch Bracht Ueing Sosnowsky-Waschek Lüdtke AGIL – Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf Well-Being Borderline- AGIL – Arbeit und € 24,99 (D) | ISBN 978-3-608-40009-0 € 34,99 (D) | ISBN 978-3-608-43291-6 € 24,99 (D) | ISBN 978-3-608-40006-9 Gesundheit im Therapie (WBT) Persönlichkeitsstörung Lehrerberuf Eine Kurzzeittherapie zur psychischen Stabilisierung Das Kurzlehrbuch 2019. ca. 312 Seiten, broschiert. Das persönliche Arbeitsbuch 2019, ca. 224 Seiten, broschiert Behandlungsmanual – Arbeitsmaterialien – Klinische Anwendungen 2018. 159 Seiten, broschiert. inkl. Downloadmaterial inkl Downloadmaterial Übersetzt und bearbeitet von Eva-Lotta Brakemeier, Isabel Schamong, Simon Bollmann NEU NEU NEU Giovanni A. Fava Thorsten Heedt Hillert, Lehr, Koch, Bracht, Ueing, Sosnowsky-Waschek, Lüdtke Well-Being Therapie (WBT) Borderline- Eine Kurzzeittherapie zur psychischen Persönlichkeitsstörung AGIL – Arbeit und Stabilisierung. Behandlungsmanual - Arbeits- Gesundheit im Lehrerberuf Das Kurzlehrbuch materialien - Klinische Anwendungen Das persönliche Arbeitsbuch Informativ, konzis und auf der Höhe der Wie kann Psychotherapie eine Haltung Forschung bietet dieses Buch einen schnellen AGIL, ist ein auf die spezifische Situation vermitteln, durch die Patienten ihr Wohlbefin- und doch fachkundig-genauen Überblick von Lehrerinnen und Lehrern ausgerichtetes den aktiv selbst beeinflussen können? Dieses über die Störung und die möglichen Vorge- Präventions- und Behandlungsprogramm. Buch zeigt, wie dies mit dem neuen Well- hensweisen in bestimmten Therapiephasen Wissenschaftliche Studien belegen: Durch Being-Therapie- Ansatz (WBT), basierend und -situationen. Es definiert, was eine Bor- das Programm verbessert sich die Lebens- auf der positiven Psychologie, gelingt. Die derline-Persönlichkeitsstörung ausmacht und qualität stark belasteter Lehrkräfte gute Nachricht: Positive Gefühle sind nicht stellt das nötige neurobiologische Grundla- deutlich – kommen auch Sie AGIL durch das Ergebnis äußerer Einflüsse, sondern man genwissen sowie Behandlungsansätze vor. den Schulalltag! kann lernen, auf sie einzuwirken.
Liebe Leserinnen und Leser E s war ein Julitag in den Vogesen, und Jan Ullrich war erkältet. Ausgerechnet er – als Träger des Gelben Trikots der Tour de France – zeigte bei der Bergetappe Schwächen. Da fuhr sein Teamkollege Udo Bölts zu ihm heran und sagte den berühmt gewordenen Satz: „Quäl dich, du Sau.“ Bislang schien mir klar zu sein: Für Leistungssportler ist Aufgeben nie- mals eine Option. „Das würde ich nicht so sehen“, sagt Professor Oliver Stoll. Er leitet den Bereich Sportpsychologie & Sportpädagogik & Sport- soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und beglei- tet Profisportler als psychologischer Berater. Oliver Stoll erklärt mir, warum gerade Aufgebenkönnen aus seiner Sicht eine zentrale Fähigkeit für einen Leistungssportler ist: „Wenn ein wirklich hochklassiger Marathonläufer bei Kilometer 20 merkt: es geht heute nicht, dann gibt er durchaus auf. Der muss sich nicht beweisen, dass er einen Marathon in 2 Stunden 20 laufen kann, wenn er eine Bestzeit von 2 Stunden 12 anstrebt. Dann spart er sich Dorothea Siegle, Chefredakteurin lieber die Körner, die er auf den weiteren 22 Kilometern investieren müss- te, für den nächsten Versuch. Diesen kann er dann auch schneller wieder angehen, weil die Erschöpfung nicht so groß ist. Es ist also als Leistungs- sportler häufig eine sehr rationale und sinnvolle Entscheidung, ein Rennen aufzugeben.“ Natürlich vielleicht nicht gerade, wenn man in einem olym- pischen Finale steht, räumt Stoll ein. Als Sportpsychologe unterstützt er Profis im Bereich „Volition“, das heißt bei der Willensentwicklung. Sie lernen zum Beispiel, Belohnungsaufschub zu ertragen und durch intensive Trainingseinheiten zu gehen. Für das Auf- geben entwickeln die Sportler selbst eine Expertise, so Oliver Stoll, die Athleten kennen ihren Körper durch die vielen Jahre der Erfahrung am bes- ten und wissen, wann es richtig ist aufzuhören. Woher kommt denn dann die Vorstellung vom Helden, der immer die Zähne zusammenbeißt und durchzieht? „Das ist aus meiner Sicht eher die Gesellschaft, die vom stets erfolgreichen, stets nach vorne blickenden Sportler ausgeht – ein Bild, das die Menschen wahrscheinlich gerne von sich selbst hätten“, so Stoll. Aber auch manchem Sportler gelingt es nicht, zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören. Wir sehen das beim Thema Doping, und wir sehen das bei Sportlern, die ihre Karriere beenden müssen, weil ihre Schmerzen einfach unerträglich geworden sind. Unser Blick auf sie hat daran seinen Anteil. Wie können wir selbst in unserem Alltag die Fähigkeit entwickeln aufzugeben? Den richtigen Moment dafür erkennen? Und lernen, dass es kein Zeichen von Schwäche ist, sondern manchmal einfach: eine gute Entscheidung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich unsere Titelgeschichte ab Seite 16. Viel Vergnügen mit der „Kunst des Aufgebens“ wünscht PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019 3
IN DIESEM HEFT TITEL 16 Die Kunst des Aufgebens Wann uns Loslassen weiterbringt als Durchhalten Von Annette Schäfer 24 Von Zielen und Zweifeln Wie leicht wir Projekte aufgeben, hängt auch von unserem Alter ab Von Annette Schäfer Im Fokus: Im Angesicht 12 der Katastrophe Der Sozialwissenschaftler Martin Voss über menschliches Verhalten in Krisen 28 Das Ideal des perfekten Körpers Weshalb Schönheit in unserer Gesell- schaft zur ethischen Pflicht wurde Von Silke Pfersdorf 34 „Eine große Kraft, die wir viel zu wenig nutzen“ Laut Nachhaltigkeitsforscher Thomas Bruhn braucht es für eine umwelt- freundliche Gesellschaft nicht nur bes- sere Technik, sondern auch die richtige Geisteshaltung 40 Eine Politik zum Glück Eine große Analyse zeigt, wo Staaten ansetzen können, um die Zufriedenheit der Bürger zu steigern Von Jochen Paulus TITELTHEMA 16 Unbewusste Gedanken 46 Um jeden Preis weitermachen. und Gefühle? Das ist ein weitverbreitetes Ideal. Nichts als Hirngespinste Doch bereits die Formulierung zeigt, dass Warum wir unser Selbst womöglich uns D urchhalten viel kosten kann. Manchmal gar nicht verstehen können, erklärt vergessen wir dadurch uns selbst und das, Nick Chater worum es uns wirklich geht. – Was wir gewin nen, wenn wir Projekte aufgeben, und wie wir den richtigen Zeitpunkt dafür erkennen 4 PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019
58 Freunde im Doppelpack Treffen befreundete Paare aufeinander, haben sie erst einmal eine gute Zeit. Unbeachtet bleibt, wie sie sich dabei vergleichen und aneinander wachsen Von Lisa Meyer 64 Abgebrochen Anders als bisweilen suggeriert, stürzen Frauen nach einer Abtreibung nur selten in eine Krise. Wie sie die Entscheidung verarbeiten, hängt nicht nur von ihnen selbst ab 46 Ist Selbsterkenntnis unmöglich? Der Psychologe Nick Chater revol Von Susanne Donner Die Psychologie des Kochens 72 tiert gegen Grundannahmen Über die beruhigende Wirkung der Psychologie und behauptet, der Zubereitung von Essen dass das, was wir für Einsichten Von Lisa Meyer in unser Selbst halten, nichts als Einbildungen sind. Unser Bemü hen um Reflexion sei überflüssig. Das kann beängstigend sein, RUBRIKEN aber auch befreiend Therapiestunde 26 Kein Plan Von Michael Broda Psychologie nach Zahlen 38 Auf Fremde zugehen Von Anna Gielas Studienplatz 70 Tausende Jahre in drei Tagen Von Ariane Wetzel Lekys Aussichten 78 Ich bebe mich durchs Leben Von Mariana Leky 3 Editorial 6 Themen & Trends 72 Warum zelebrieren so viele Leute das Kochen? Weil es nicht nur körperliche, sondern auch 52 Körper & Seele 57 Schilling & Blum: Irgendwas mit Menschen 80 Buch & Kritik psychische Bedürfnisse befriedigt. 91 Medien Kochen vermengt sinnliche, konzentra 92 Leserbriefe tive, soziale und kulturelle Elemente. 93 Impressum Was mit unserer Psyche geschieht, wäh 94 Noch mehr Psychologie Heute rend wir schnippeln, rühren und braten 95 Markt 106 Im nächsten Heft PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019 5
REDAKTION: SUSANNE ACKERMANN Ich will Sinn zu finden in all unserem Tun ist auch Nicht alles, was wir tun, macht uns gleichermaßen und ob sie zufrieden damit waren, wie sie gerade eine Frage der Selbstdisziplin Spaß. Wie könnte man sich motivieren? Vielleicht ihre Zeit verbrachten. Bei allen wurde außerdem er- indem man sich sehr disziplinierte Menschen zum mittelt, wie hoch ihre Selbstkontrolle war. Vorbild nimmt. Sie sind offenbar in der Lage, per- Die sehr disziplinierten Teilnehmer konnten Sinn sönliche Gründe für ihre Aktivitäten zu finden oder in allen Aufgaben finden, egal ob sie dazu aufgefor- diese als sinnvoll anzusehen – auch wenn sie sie ge- dert worden waren oder die Tätigkeit selbst gewählt rade nicht mögen. Diese Fähigkeit macht es ihnen hatten, egal ob diese langweilig oder spannend war. leichter, durchzuhalten und Ziele zu erreichen. Sie schrieben sich quasi selbst vor, etwas tun zu wol- Zu diesem Fazit kommen Psychologen nach vier len und es für sinnvoll zu erachten. Die Forscher ent Studien mit 3000 Teilnehmern, in denen erstmals deckten auch Hinweise darauf, dass die Probanden ein möglicher Zusammenhang zwischen Selbstkon- dies vor allem dann machten, wenn sie es am meisten trolle und der sogenannten „autonomen Motivation“ brauchten, etwa in Momenten der Erschöpfung. untersucht wurde. Diese Art der Motivation beruhe Außerdem stellten die Psychologen fest: Je besser auf einem ausgeprägten Gefühl der Selbstbestim- ihre Probanden in der Lage waren, selbstbestimmte mung, heißt es. Gründe für eine Aufgabe zu finden, desto zufriede- Die Forscher ließen einen Teil der Probanden an ner waren sie damit, wie sie ihre Zeit gerade verwen- acht aufeinanderfolgenden Tagen in einer Tagebuch- deten. Auch waren diese Teilnehmer mit ihrem Leben studie erfassen, was sie tagsüber in der Arbeit gerade insgesamt zufriedener und fühlten sich weniger aus- machten. In den Experimenten mussten die Teilneh- gebrannt. SAC mer wiederholt langweilige und sinnlose Aufgaben Benjamin A. Converse u. a.: Self-control and the reasons behind erledigen. Außerdem erhoben die Psychologen, was our goals. Online first publication, 2018. Journal of Personality die Probanden gerade antrieb, wie sie sich fühlten and Social Psychology. DOI: 10.1037/pspp0000188 6 PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019
Mein Job gehört mir! Menschen, die ihren Job als ihr Eigentum betrachten, engagieren sich mehr bei ihrer Arbeit. Manchmal wirkt sich dies aber Bis zu 80 der Teilnehmer zweier nationaler US-Umfragen mit 2000 und 2500 Befragten gaben an, ihrem Arzt re- % negativ aus, nämlich dann, wenn diese levante Fakten zu verschweigen, etwa über ihre Ernährung oder ob „mentalen Jobbesitzer“ zugleich vermehrt sie Medikamente nehmen und Sport treiben. Die Forscher sehen Angst vor Verlusten haben. Dann neigen sie zu zwei Gründe dafür: Menschen möchten nicht, dass ihre Ärzte sie destruktivem Verhalten, behalten zum Beispiel verurteilen. Und es sei ihnen pein- lich, dass sie sich womöglich falsch wichtige Informationen für sich, um ihren verhalten. Besitz, sprich den Job zu schützen. Sie tun das DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2018.5293 nicht, um anderen zu schaden. DOI: 10.1037/apl0000337 Wie Frauen und Männer sind Sind Männer wirklich risikobereiter als Frauen und Frauen altruistischer als Männer? Die Frage klingt wie ein veraltetes Klischee, aber offenbar ist es tat- sächlich so, stellten Forscher in einer Metaanalyse fest. Hierzu werteten sie Daten von repräsentativen Stichproben aus 76 Ländern und mit 80 000 Teilneh- mern aus allen Kontinenten und unterschiedlichsten Kulturen aus. Das Ergebnis: Je weiter ein Land wirtschaftlich entwickelt war und je mehr Gleichheit es zwischen den Geschlechtern gab, desto unterschiedlicher die seelischen Neigungen von Frauen und Männern. Die Forscher folgern daraus: Stehen uns alle materiellen und immateriellen Ressourcen zur Verfügung, un- sere psychischen Präferenzen auch auszuleben, dann machen wir das. Frauen und Männer sind offenbar sehr wohl unterschiedlich – sofern sie die Möglich- keit dazu haben, so die Studienautoren. SAC Armin Falk, Johannes Hermle: Relationship of gender diffe- rences in preferences to economic development and gender equality. Science, 362, 2018. DOI: 10.1126/science.aas9899 PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019 7
Mütter bevorzugen Töchter und Fußballtrainer toben manchmal und schreien herum, wenn ihre Väter Söhne, wenn es darum Mannschaft schlecht spielt. Sie sollten das nicht tun, ergab eine geht, in welches ihrer Kinder sie Studie. Trainer seien erfolgrei- cher, wenn sie ihre Gefühle im investieren wollen. Diese einfache Griff haben und diese regulieren, gerade nach Niederlagen. An- Antwort erhielten US-amerikanische und dernfalls steige das Risiko eines Teufelskreises: Verliere eine finnische Forscher auf die Frage, wovon es Mannschaft mehrmals, wird der Coach immer wütender, und es abhängt, wie Eltern in die Zukunft ihrer wird schwerer, diesen Negativ- Kinder investieren. Dabei spielten weder trend zu durchbrechen – weil die Kluft zwischen dem Trainer und finanzielle Möglichkeiten noch der Mannschaft weiter wächst. Bildung noch das soziale Milieu DOI: 10.3390/sports6040123 eine Rolle, nur das Geschlecht der Befragten. DOI: 10.1038/s41598-018-33650-1 Du siehst gut aus! Zu viele Selfies zu machen und sich zu vergleichen ver- schlechtert das Selbstwertgefühl und das Körperbild von Jugendlichen – solche Sorgen machen sich manche Eltern. Das brauchen sie aber nicht, zeigt eine kleine psychologische Studie mit 179 jungen Frauen zwischen 18 und 21 Jahren. Anders als erwartet, beschäftigten sich diejenigen am intensivsten mit den digitalen Selbst- porträts, die mit ihrem Körper zufrieden waren und über ein gutes Selbstbewusstsein verfügten. Offenbar sei dies für solche Frauen eine Möglichkeit, mehr Anerkennung für ihr gutes Aussehen zu bekommen, heißt es. Dagegen fanden die Psychologen weder Hinweise darauf, dass intensives Selfieposten das Körperbild ver- schlechterte, noch darauf, dass sich Probandinnen mit einem negativen Körperbild oder geringem Selbstwert- gefühl intensiver mit Selfies beschäftigten, etwa um mehr Anerkennung zu bekommen. Einige Teilneh- merinnen gaben an, pro Woche bis zu 30 Bilder von sich ins Netz zu stellen. SAC Jolanda Veldhuis u. a.: Me, my selfie, and I: The relations between the selfie behaviors, body image, self-objectification, and self-esteem in young women. Psychology of Popular Media Culture, 2018. DOI: 10.1037/ppm0000206 8 PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019
Digitaler Stress Die E-Mails nehmen überhand, die aktuelle Soft- ware ist ein Rätsel, und der Chef kündigt ein noch komplizierteres Programm an? Wer diese Umstän- de nur allzu gut kennt, empfindet wahrscheinlich digitalen Stress. Er entsteht nicht durch die bloße Präsenz digitaler Technologien, ergab eine Studie. „Vielmehr tritt er dort auf, wo der Digitalisierungs- grad des Arbeitsplatzes nicht zu den Kompetenzen der Arbeitnehmer passt“, schreiben die Forscher. Wenn die Herausforderung der Technologien die Fähigkeiten des Einzelnen übersteigt, entstehe Lei- densdruck. Die Studie beleuchtet digitalen Stress unter deut- schen Arbeitnehmern. Die Wissenschaftler befrag- ten über 2600 Freiwillige zwischen 19 und 88 Jah- ren mithilfe eines Onlinefragenkatalogs. Die meis- ten Umfrageteilnehmer gaben ein mittleres Ausmaß an digitalem Stress an. Dabei waren Frauen stärker und Omnipräsenz von Geräten wie Smartphone und Unsere gestresst als Männer und Jüngere stärker betroffen Tablet. Letztere empfanden die Befragten als den Fähigkeiten passen nicht als Ältere – womöglich weil Arbeitgeber von jüngeren kleinsten der Stressfaktoren. immer zu den Mitarbeitern besonders gute digitale Kompetenzen Die Forscher hoffen, dass ihre Studie Präven- Anforderungen erwarten. tionsmaßnahmen fördern kann: „Das Ziel ist, ein der Software „Die Verunsicherung im Umgang mit digitalen Gleichgewicht zwischen den individuellen Kompe- Technologien wird als größter Stressor wahrgenom- tenzen und den Anforderungen durch die Digitali- men“, so die Forscher. Daneben gebe es noch andere sierung herzustellen.“ ANNA GIELAS Faktoren, die dazu beitrügen: die Unzuverlässigkeit der Technologien, die digitale Überflutung – also Henner Gimpel u. a.: Digitaler Stress in Deutschland. Eine Be- fragung von Erwerbstätigen zu Belastung und Beanspruchung Beschleunigung, Zeitdruck und Zunahme der Arbeit durch Arbeit mit digitalen Technologien. Diskussionspapier durch digitale Technologien – sowie die Komplexität Nr. 101, Hans-Böckler-Stiftung 2018 Das innere Kind heilen Auch als E-Book erhältlich ISBN 978-3-466-34719-3 336 Seiten| € 24,00 [D] Erwachsene, deren Mütter in der Kindheit emotional abwesend waren, können oft nicht genau beschreiben, was in ihrem Leben fehlt. Sehr oft jedoch kämpfen sie mit Beziehungs- oder Selbstwertproblemen. Dieses Buch hilft dabei, die verborgenen Verletzungen auszugraben. Einfühlsam wird gezeigt, wie man sich selbst die Mutter sein kann, die man sich damals gewünscht hätte. PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019 www.koesel.de 9
Ganz ehrlich? Stets vollkommen ehrlich mit anderen zu sein, das ver- meiden wir eher – manchmal fürchten wir, unhöflich zu sein, auf Unverständnis, Ärger und Ablehnung zu stoßen. Aber offenbar sind diese Erwartungen falsch, ergab eine Studie. Die Psychologen brachten Teilnehmer in einem Feld- experiment sowie im Labor in verschiedene Gesprächs- situationen und forderten sie auf, entweder stets abso- lut ehrlich, jeweils sehr freundlich oder einfach wie im- mer zu sein. Dabei definierten die Forscher Ehrlichkeit als Übereinstimmung mit den eigenen inneren Über- zeugungen, Gedanken und Gefühlen, unabhängig da- von, ob diese richtig oder falsch waren. Die Teilnehmer fanden die ehrlichen Gespräche viel angenehmer als gedacht und reagierten weniger negativ als befürchtet auf offene Kritik. Die grundehrlichen Un- terhaltungen erhöhten das Wohlbefinden, wurden als sehr sinnvoll empfunden und stärkten das Gefühl, mit Viele mögen dem Gesprächspartner verbunden zu sein. SAC das Alleinsein nicht Emma Levine, Taya R. Cohen: You can handle the truth: Mispredic- ting the consequences of honest communication. SSRN, 2018. DOI: 10.2139/ssrn.2910067 Jeder ist immer wieder mal allein – aber es ist nicht für alle dasselbe. Die einen fühlen sich einsam und deprimiert, andere genießen die Ruhe, mal ganz für sich zu sein. Psychologen haben 100 Ältere und 50 Studenten je dreimal am Tag über zehn Tage hin- weg zu ihren Gedanken, ihrer sozialen Situation und ihrem emotionalen Empfinden befragt. Sie wollten wissen, wie die Teilnehmer das Alleinsein erlebten und ob es etwas mit ihrer Persönlichkeit zu tun hatte. Die Mehrheit – 50 Prozent der Probanden – ent- wickelte negative Gefühle, wenn sie allein waren oder keine soziale Interaktion hatten. Eine Minderheit von 25 Prozent machte positive Erfahrungen. Die übrigen Teilnehmer empfanden gemischte Gefühle. Diejenigen Befragten, die leicht ins Grübeln ge- rieten, sich immer wieder selbst reflektierten und hinterfragten, neigten eher zu negativen Gefühlen. Teilnehmer mit einem guten Selbstvertrauen, die po- sitiv über ihre sozialen Fähigkeiten dachten, konnten es eher genießen, allein zu sein. Laut den Forschern sind weitere Untersuchungen nötig, um herauszu- finden, wie viel Zurückgezogenheit für die jeweiligen Charaktere wohltuend ist und wann das Alleinsein doch zu viel wird. ARIANE WETZEL Jennifer C. Lay u. a.: By myself and liking it? Predictors of distinct types of solitude experiences in daily life. Journal of Personality, 2018. DOI: 10.1111/jopy.12421 10 PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019
HAHA! Lachen ist gesund. Aber warum? Und was bringt uns überhaupt zum Lachen? FRÜHE ENTWICKLUNG Lachen ist etwas, das Menschen über alle Kulturen teilen und das uns in die Wiege gelegt ist: Säuglinge Hihi lachen schon ab einem Alter von etwa vier Monaten, wenn man sie kitzelt, oder sogar noch früher. Viele lächeln schon im ersten Monat nach der Geburt. o h o H Hehe TYPISCHES MUSTER KOOPERATIVE WIRKUNG Ein Lachen besteht aus einer raschen Lachen wirkt ansteckend und verbindet uns Folge von Lauten, die in einem charak- so mit anderen. Es signalisiert grundsätzlich teristischen rhythmischen Muster ver- die Bereitschaft zum „Spielen“, zeigt also, knüpft sind. Trotz individueller Unter- dass wir uns in einer Situation sicher fühlen, schiede können wir es bei anderen und das schafft Vertrauen und Nähe. Es leicht als solches erkennen. Stimmhaf- führt zudem zu einer kurzzeitigen tes Lachen empfinden wir als positiver Schwächung der Muskulatur. Die Quellen zu dieser Studiengrafik finden Sie auf psychologie-heute.de / literatur. Illustration: Anton Hallmann / Sepia. Text: Eva-Maria Träger und freundlicher als lautloses. SOZIALE FUNKTION Lachen ist wie Lächeln ein wichtiges soziales Signal. Es tritt in mehr als 95 Prozent unserer Unterhaltungen auf. In einem Gespräch mit Menschen, mit denen wir befreundet sind, lachen wir eher, als wenn wir uns mit Fremden austauschen. GERICHTETER EINSATZ Wir werden häufig unwillkürlich zum Lachen gebracht, können Lachen aber auch bewusst selbst hervorrufen – und setzen es mitunter auch strategisch ein. Vor oder nach einem verbalen Angriff etwa lachen wir oft, um die Situation zu entschärfen. POSITIVER EINFLUSS Wir lachen aus vielfältigen Gründen – etwa BESCHÄMENDE ERFAHRUNG weil wir uns amüsieren, um Zustimmung zu Unter Gelotophobie versteht man die Furcht, zeigen oder einfach weil andere auch lachen. ausgelacht zu werden. Betroffene sind davon Meist ruft es positive Gefühle in uns hervor, überzeugt, auf andere lächerlich zu wirken. es fördert Stimmung und Energie und wirkt Sie empfinden Lachen nicht als Ausdruck Angst, Ärger und Stress entgegen. von Freude, sondern als bösartig und beziehen es irrational häufig auf sich. PSYCHOLOGIE HEUTE 03/2019 11
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