Der Grosstier-Rettungsdienst rückt aus, wenn Tiere in Not sind Hof Lebensparadies: Der Wandel von der Nutztier-haltung zum Lebenshof - PRO
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ProTier – Stiftung für Tierschutz & Ethik Frühling · 1/21 www.protier.ch PRO Der Grosstier-Rettungsdienst rückt aus, wenn Tiere in Not sind Hof Lebensparadies: Der Wandel von der Nutztier- haltung zum Lebenshof
| IMP R E S S U M | INH A LT ProTier-Magazin Editorial 3 Ausgabe Winter 1/21 51. Jahrgang, erscheint 4 x jährlich Der Hof Lebensparadies – Ausstieg aus der Nutztierhaltung 4 Abonnement Kennen Sie die 3R? 7 Gönner, Paten und Spender erhalten die Zeitschrift kostenlos. Er rückt aus, wenn Elefanten, Pferde, Nashörner oder Kühe in Not sind 8 Einzelnummer CHF 7.– Ein Engel für die Zürcher Stadtvögel 11 Redaktionelle Mitarbeit Patrick Schneider, Leitung (scp) Auf Wanderschaft 12 Barbara Kerkmeer (keb) Bettina Ebner (ebb) Vivo, wie er die Welt sieht 14 Martina Futterlieb (fum) Grosser Erfolg der Fressnapf-Spendenaktion 14 Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Weiterverwendung der Artikel Soll ich meinen Hund kastrieren lassen? 15 und Bilder nur mit ausdrücklicher, Haitauchgänge machen mich demütig – Interview 16 schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Die Beiträge decken Gestatten, mein Name ist Thor 17 sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion. Vom Ur-Huhn zur Turbo-Hybridlegehenne 18 Korrektorat Wie wir Kühe wirklich sehen sollten 21 BüroPult GmbH, bueropult.ch Layout Wettbewerb 22 Anita Estermann Design, aedesign.ch Die Macht der Farben und Stimmen 23 Druck Staffel Medien AG, 8045 Zürich Jetzt Flagge Anzeige Jetzt JetztFlagge Flagge Titelbild zeigenzeigen gegen Hof Lebensparadies © ProTier zeigengegen gegen PRO Massen Massen Massen ProTier – Stiftung für Tierschutz und Ethik tierhaltung. tierhaltung. tierhaltung. Alfred-Escher-Strasse 17 CH-8002 Zürich Telefon 044 201 25 03 tierschutz@protier.ch Spendenkonto PC 60-455782-5 KAMPAGNENMATERIAL BESTELLEN: www.massentierhaltung.ch/material IBAN CH41 0900 0000 6045 5782 5 KAMPAGNENMATERIAL BESTELLEN:BESTELLEN: KAMPAGNENMATERIAL www.protier.ch www.massentierhaltung.ch/material www.massentierhaltung.ch/material SNP21008_MTI_inserate_rz_dr.indd 2 02.03.21 09:12 Stiftung.ProTier SNP21008_MTI_inserate_rz_dr.indd 2 02.03 SNP21008_MTI_inserate_rz_dr.indd 2 02.03.21 09:12 2 ProTier 1/ 21
EDITORIAL | Liebe Leserinnen, liebe Leser Im Februar durfte ich den in der höher und dafür werden zusätzliche Schweiz einmaligen Grosstier-Ret- Legehennen gezüchtet. Ist Ostern tungsdienst (GTRD) besuchen. Wie erst einmal vorbei, werden rund eine sich Ruedi Keller, zusammen mit sei- halbe Million Legehennen entsorgt, ner Familie, mit Leib und Seele der Jahr für Jahr. Vielleicht können wir Rettung von Grosstieren verschrie- Sie mit unseren Tipps und Rezepten ben hat, ist eindrücklich und bewun- anregen, Ihren Eierkonsum an Ostern dernswert: Für diese freiwillige Auf- zu reduzieren? – Schauen Sie auf gabe ist er seit bald 25 Jahren täglich www.protier.ch nach. rund um die Uhr einsatzbereit. Über die Entstehung und Geschichte des Wir wünschen Ihnen viel Spass beim GTRD lesen Sie ab Seite 8. Lesen dieser spannenden Ausgabe. Wenn Sie sich für ein Thema einset- Foto © ProTier Jede Woche nehmen die Anfragen zen, das für unsere Leserinnen und sowohl von Landwirtinnen und Leser von Interesse sein könnte, Landwirten als auch von Privatper- schreiben Sie unserem Redaktions- sonen zu, die aus der Nutztierhal- Team (tierschutz@protier.ch). Wir tung aussteigen und/oder einen Le- sind offen für Neues und Bestehen- benshof aufbauen wollen. Die des. Wirkungskraft von Lebenshöfen ist von unschätzbarem Wert, da Tier- Für Ihre wertvolle Unterstützung in schutz nicht mehr nur Theorie ist, diesen anspruchsvollen Zeiten be- sondern in der Praxis realisiert wird. danken wir uns herzlich. Darum waren wir auch sehr gespannt auf den Hofbesuch bei Yvonne und Patrick Schneider Toni Kathriner vom Lebenshof Le- Geschäftsführer bensparadies. Sie waren die Ersten in der Schweiz, die den Mut auf- brachten und die Überzeugung hat- ten, aus der Nutztierhaltung auszu- steigen und ihren konventionellen Bauernhof in einen Lebenshof zu transferieren. Die Geschichte der Fa- milie Kathriner lesen Sie ab Seite 4. Wussten Sie, dass wir von ProTier den Aufbau neuer Lebenshöfe be- gleiten und auch bei der Umstellung von der Nutztierhaltung zum Le- benshof unterstützen? Interessante Artikel und Informatio- nen rund um das Thema Lebenshof finden Sie auf unserer Website www. protier.ch. Bald feiern wir Ostern. Traditionell wird Ostern mit dem Verzehr von «Osterchüechli» und dem sogenann- ten «Eiertütschen» gefeiert. Zu Os- tern ist der Eierbedarf 20 Prozent ProTier 1/ 21 3
| L E BE N S H Ö F E – P R O T IE R HIL F T «Es geht nicht mehr. Egal, wie es weitergeht, aber so nicht mehr!» Dieser Satz von Toni Kathriner legte 2017 den Grundstein für einen kompletten Wandel. Er und seine Frau Yvonne stiegen aus der Nutztierhaltung aus und machten aus dem Milchbetrieb einen Lebenshof – den Hof «Lebensparadies». VON MARTINA FUTTERLIEB samt, damit sie das nächste Kalb be- einen Lebenshof in ihrer Nähe, der kommen und die Milch sozusagen sie dabei unterstützte, Patenschaften «Es war ein langer Weg bis hierher, nie versiegt. Milchkühe werden in für die Tiere aufzubauen. Diese Paten- bestehend aus vielen kleinen Etap- der Schweiz nur durchschnittlich schaften helfen ihnen, den Lebens- pen, doch die waren alle nötig, um fünf Jahre alt. «Die Trennung von unterhalt ihrer Tiere zu sichern. da hinzukommen, wo wir jetzt sind», Mutter und neugeborenem Kind ist ” sagt mir Toni an diesem strahlenden, nur ein kleiner Teil des ganzen Gräu- Es gibt keine «Nutztiere». aber eisig kalten Wintermorgen. els. Es geht nicht darum, nach Kom- «Und unser Weg ist noch lange nicht promissen zu suchen, sondern dar- Es gibt nur Tiere, die vom zu Ende. Er hat erst richtig begon- um zu erkennen, dass die Tiernutzung Menschen ausgenutzt nen.» einfach nicht richtig ist, egal, wie sie werden. geschieht», sagt Toni. ” Schon als kleiner Bub Also stiegen Toni und Yvonne auf «Die eigenen programmierten Ver- Mutterkuhhaltung für die Fleischpro- haltensweisen zu hinterfragen ist habe ich geweint, wenn duktion um. Die Kälber durften bei schwer, aber wenn Du erstmal damit eine Kuh wegmusste. ihren Müttern bleiben, mit ihnen auf anfängst, zieht sich das durch alle die Weide gehen und Muttermilch Lebensbereiche und es hört nie auf», Yvonne und Toni Kathriner waren die trinken. So weit so gut. Doch nach sagt Toni. «Wir lernen von klein auf, ersten Bauern in der Schweiz, die etwa 10 Monaten wurden sie abge- dass es sogenannte «Nutztiere» gibt, aus der Nutztierhaltung ausstiegen holt und ins Schlachthaus gebracht. doch das stimmt nicht. Es gibt ledig- und damit an die Öffentlichkeit gin- Die Kühe standen dann kurz vor ihrer lich Tiere, die vom Menschen aus- gen. Ihr Betrieb liegt oberhalb von nächsten Geburt. genutzt werden. Die Unterteilung Wald im Zürcher Oberland, eingebet- zwischen Haus- und Nutztieren ist ” tet in eine wundervolle hügelige Es geht nicht darum, menschengemacht. Landschaft mit saftigen Weiden und Die Aufgabe der Tiere auf dieser alten Hochstammbäumen. nach Kompromissen Erde ist nicht, dem Menschen zu nut- Yvonne und Toni konnten den ehe- zu suchen. zen, sondern ihm als Weggefährten maligen Milchbetrieb 2010 von und Lehrer zur Seite zu stehen. Wir Yvonnes Eltern übernehmen und ha- Der innere Kampf von Toni und sollen für sie sorgen und sie be- ben ihn – erstmal – so weitergeführt. Yvonne wurde immer grösser. Eines schützen, wenn es nötig ist. Von den Auch Toni kommt aus einer Milch- Tages im August 2017 musste Toni Tieren lernen wir bedingungslose bauernfamilie. «Schon als kleiner vier Kälber für den Schlachthof ver- Liebe, sie sind nicht berechnend Bub habe ich geweint, wenn eine laden. Danach ging er zu seiner Frau oder vorausschauend wie wir. Sie Kuh oder ein Kalb wegmusste, aber und sagte: «Es geht nicht mehr. Egal, sind unsere treuesten Freunde, un- ich dachte damals, das müsse halt so wie es weitergeht, aber so nicht sere seelischen Geschwister. Erst sein», erinnert er sich. Trotzdem fühl- mehr.» Von da an schickten sie kein wenn die Tiere in Frieden leben dür- ten sie beide, dass das, was sie tun, einziges Tier mehr in den Tod. fen, werden wir Menschen das nicht richtig ist. Doch sie hatten den Hof, die Tiere auch.» In der Milchwirtschaft werden die und vier kleine Kinder – und der Die Tiere auf dem Hof Lebens Kälber gleich nach der Geburt ihren grösste Teil des Einkommens fiel paradies leben in Frieden – und das Müttern weggenommen, denn die weg. «Wir hatten noch keine Lösung sieht man, aber vor allem spürt man wertvolle Milch ist für den mensch- bereit, sondern wagten den Sprung es. Die etwas mehr als 40 Kühe und lichen Konsum bestimmt. Tagelang ins Ungewisse», sagt Toni, «aber Ochsen, zwei Ponys, vier Schweine rufen die Kühe nach ihren Kälbern manchmal muss man etwas wagen, und Hund Sina strahlen eine Zufrie- und umgekehrt. Kaum ist das Kalb um belohnt zu werden.» So fingen sie denheit und Ruhe aus, der man sich geboren, werden die Kühe so bald an zu suchen und stiessen auf den nicht verschliessen kann. «Unsere wie möglich wieder künstlich be- gemeinnützigen Verein «Hof Narr», Kühe waren nie wild», sagt Yvonne, 4 ProTier 1/ 21
Yvonne und Toni Kathriner bei ihren zufriedenen Kühen Fotos © ProTier «wir waren bereits vorher sehr liebe- Die teils älteren Kühe und vor allem müssen einerseits für eine ausrei- voll mit unseren Tieren, aber seit sie die mächtigen Ochsen mit ihren chende Versorgung mit Nährstoffen nicht mehr in der Nutzung sind, ist es wunderschönen ausladenden Hör- sorgen, andererseits zu vermeiden anders, sie sind ruhiger und vertrau- nern brauchen mehr Platz, um gut versuchen, dass sie zu schwer wer- ensvoller, weil sie wissen, dass ihnen zum Futter zu kommen und das den», sagt Toni. «Das wäre schlecht nichts Schlechtes mehr widerfahren Fressgitter anschliessend auch wie- für ihre Gesundheit – Gelenke, Kreis- wird.» der ruhig verlassen zu können. Dies lauf, Herz –, doch wir möchten, dass ermöglicht auch älteren, rangniedri- sie gesund alt werden dürfen.» Zu ” Die Tiere auf dem Hof geren Tieren, in Ruhe fressen zu kön- fressen bekommen sie nur Gras, das nen. Diese Investition war sehr teuer hier auf dem Hof wächst – im Winter Lebensparadies leben in und sie suchen noch nach Unterstüt- als getrocknetes Heu. Frieden – und das sieht zern, die ihnen bei der Finanzierung ” und spürt man. unter die Arme greifen. Die Tiere sind nicht dafür Die irrsinnige Zucht und Fütte- Die Tiere auf dem Hof Lebenspara- rung hat die Tiere so weit program- vorgesehen, älter als zehn dies leben in einem schönen Lauf- miert, dass sie Unmengen an Futter Monate alt zu werden. stall mit viel Platz. Doch es brauchte fressen und möglichst schnell zu- bauliche Anpassungen am Stall, un- nehmen. Insbesondere die Stiere «Es ist abartig, was diesen Tieren in ter anderem, weil die ausgewachse- werden in der normalen Nutztierhal- der Nutztierhaltung angetan wird», nen Ochsen sehr gross werden. Der tung nur wenige Monate alt. In der meint Toni. Allein schon die Fütte- letzte Umbau ist erst ein paar Wo- Milchviehzucht meist nur einige Wo- rung von Getreide ist für Wiederkäu- chen her. «Schon einige Jahre dür- chen oder gar nur Tage, weil sie für er eine Qual. Für die höhere Leistung fen unsere Kühe ihre Hörner behal- die Mast nicht geeignet sind. bleibt die Gesundheit der Tiere völlig ten, so wie es die Natur für sie «Die Fütterung unserer schweren auf der Strecke. Die Kühe leben in vorgesehen hat», erzählt Toni. Tiere ist eine Herausforderung. Wir Dauerschwangerschaft und wenn sie ProTier 1/ 21 5
nicht mehr trächtig werden, werden sie geschlachtet. Weitere 20 Rinder von Toni und Yvonne Kathriner leben auf einem anderen «Die schrecklichen Zustände in der Hof, denn bei der Umstellung auf einen Lebenshof war bereits klar, dass es Nutztierhaltung, die nur dem Profit nicht genug Platz für alle Kälber haben würde, wenn sie der Industrie dienen und zu 100 % auf erst mal ausgewachsen sind. Kosten der Tiere und der Umwelt ge- hen, werden mit dem Mythos gerecht- Neue Fressgitter müssen noch bezahlt werden und Spenden fertigt, Fleisch und tierische Produkte seien für eine gesunde Ernährung un- wegen der Corona-Massnahmen konnten keine der beliebten Hof-Anlässe durchgeführt werden. hilft! abdingbar. Toni und Yvonne Kathriner sind auf Spenden PC 60-455782-5 angewiesen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung! siehe Einzahlungsschein ” in der Heftmitte Der Konsument hat den Bezug zum Tier und zur Natur längst verloren. Bauern und Metzgern zu suchen, schon viel erreicht. Wir zeigen den denn als Konsument sagt man bei Menschen ‹es geht auch anders und Dabei ist Fleisch für die menschliche jedem Kauf von tierischen Produkten es geht uns sogar besser dabei›. Ver- Ernährung völlig unnötig. Es gibt ge- ‹Ja, das unterstütze ich›. änderung kann man nicht erzwingen, nügend fundierte Studien, die be- sie muss von innen kommen.» ■ ” weisen, dass tierische Produkte für Jeder einzelne von uns den Menschen unnötig, ja sogar un- gesund sind. Doch die Lobbys der hat die Macht, etwas am Fleisch-, Milch- und Eierindustrie in- System zu verändern, Online erfahren Sie noch mehr vestieren Millionen in Werbekampa- indem er seine Ess über den Hof Lebensparadies und seine Bewohner gnen, um die Menschen im Glauben gewohnheiten ändert. zu lassen, das sei nicht so. Dabei war es noch nie so einfach wie heute, an Was wir als Bauernfamilie tun kön- www.hof-lebensparadies.ch Informationen zu kommen. Wer da- nen, ist als Beispiel voranzugehen. hoflebensparadies.wald nach sucht, der findet sie auch. Es ist Wenn ein anderer sich dann sagt, hof_lebensparadies zu einfach, die Schuld nur bei den «das mach ich auch», haben wir Ein Stück Paradies im Zürcher Oberland – der Hof Lebensparadies. 6 ProTier 1/ 21
S E R IE T IE R- E T HIK – W IL D S KO LU MNE | Kennen Sie die 3R? Vor ein paar Jahren erzählte mir ein junger Mann, der eben in den Niederlanden den Doktortitel erlangt hatte, er habe sich mit diesem Titel das Recht erworben, mit dem Schwert statt dem Strick hingerichtet zu werden, sollte er ein Kapitalverbrechen begehen. Ob das wahr ist, weiss ich nicht. Aber die Anekdote sagt etwas über Universitäten: Sie entwickeln sich in manchmal atemberaubender Langsamkeit. Die ältesten Institutionen in Europa sind nicht Firmen oder Nationen, sondern die römisch-katholische Kirche und Universitäten wie Bologna, Cambridge, Prag, Wien, Heidelberg oder Basel. Es ist bemerkenswert, wie steinalt diese Hotspots geistiger Gelenkigkeit und wissenschaftlicher Wunderwerke sind. Das merkt man auch bei Tierversuchen. VON MARKUS WILD Kennen Sie die 3R? Sie stehen für das englische «replace», «reduce», «refi- ne». Im Deutschen verwandeln sie sich in 3V: «vermeiden», «verrin- gern», «verfeinern». Die 3R sind Prin- zipien für Tierversuche. Diese sollen möglichst durch tierfreie Alternativen ersetzt, die Anzahl Tiere soll verrin- gert und die Belastung durch avan- cierte Methoden vermieden werden. Natürlich ist die Krux das Wörtchen «möglichst». Manche Leute glauben, dass es niemals ohne Tierversuche gehen wird. Diese Denkweise scheint mir faul und träge, ja geradezu un- Markus Wild mit Hund Titus. Foto © Markus Wild wissenschaftlich. Wir haben bislang einfach zu wenig Fantasie, Zeit und ren, finde ich ein solches Programm heute schon weitgehend durch Alter- Geld in Alternativen investiert. im Moment politisch wirklich be- nativen ersetzt, ihre Zahl kann dras- Die 3R-Prinzipien gehen auf zwei grüssenswert. tisch reduziert und der Umgang mit Naturwissenschaftler zurück, William Bedenklich ist, dass zwischen der ihnen auf vier neue Beine gestellt Russell und Rex Burch. Beide hielten Idee von Russell und Burch und dem werden. Würde die Schweiz die 3R- Tierversuche zwar für unverzichtbar, Forschungsprogramm mehr als 60 Prinzipien für die Landwirtschaft so waren aber der Überzeugung, dass Jahre liegen. Universitäten sind ernst nehmen wie für die Wissen- sie entweder ersetzt oder aber huma- manchmal tödlich langsam. Die pri- schaft, wir hätten es mit einer regel- nisiert werden müssen. Sie haben die vate Forschung hat länger schon rea- rechten Revolution zu tun. Den Druck, 3R in ihrem Buch The Principles of lisiert, dass auch Kleinvieh im Tier- der die Forschung nun lenkt, wird Humane Experimental Technique aus- versuch Mist macht: zu teuer, zu hoffentlich bald auch die Landwirt- formuliert. Das war 1959. umständlich, imageschädigend und schaft zu spüren bekommen. ■ Am 3. Februar 2021 hat der Bun- nicht sehr zuverlässig. Für Tierver- desrat ein Nationales Forschungs- suche an Schweizer Hochschulen programm zum Thema «Advancing hingegen hat eine Studie vor ein Markus Wild 3R» lanciert. Das Programm dauert paar Jahren feststellen müssen, dass ist Philosophie-Professor an der fünf Jahre und soll die 3R voranbrin- man Forschenden allzu sehr ver- Universität Basel und beschäftigt gen. Damit reagiert der Bund nicht traut, statt genau hinzuschauen, ob sich seit mehr als zehn Jahren mit nur auf seit Jahren stagnierende das nötig und wissenschaftlich gut dem Geist der Tiere. Zu seinen statt sinkende Tierversuchszahlen, gemacht ist. Tiere sind immer noch Hauptforschungsgebieten gehört sondern auch auf die moralische Ent- Verbrauchsmaterial. die Tierphilosophie, die sich mit wicklung der Gesellschaft, Proteste Die 3R für Versuchstiere voranzu- Fragen des Mensch-Tier-Unter- gegen Tierversuche und den Druck bringen, ist ein wichtiges Mindestziel, schieds, des Denkens und des von Volksinitiativen. Auch wenn ich das wir erreichen müssen. Ich meine, Bewusstseins bei Tieren und mit mir wünschen würde, dass wir keine dass wir die 3R auch auf Nutztiere an- der Tierethik beschäftigt. belastenden Tierversuche durchfüh- wenden könnten. Nutztiere können ProTier 1/ 21 7
| P R O T IE R A K T I V Er rückt aus, wenn Elefanten, Pferde, Nashörner oder Kühe in Not sind Der Grosstier-Rettungsdienst stellt in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein einen flächendecken- den Rettungsdienst für in Not geratene Grosstiere bereit – ähnlich der Rega oder dem Notruf 144 für Men- schen. Tierärzte, die Feuerwehr, Polizei, Bauern und Privatpersonen bieten den Rettungsdienst auf, wenn Grosstiere wie Kühe oder Pferde in einer Notsituation stecken, aber auch Zoos, wenn beispielsweise ein Elefant oder ein Nashorn Hilfe braucht. VON PATRICK SCHNEIDER Tiere in Bereitschaft. «Es macht mir mit Sondersignalen an. Der Notfall nichts aus, rund um die Uhr und geht vor und unser Interview wird Es war ein verschneiter und kalter Fe- übers ganze Jahr einsatzbereit zu selbstverständlich abgebrochen. Da- bruartag, als ich den Grosstier-Ret- sein», sagt er. Was für eine Leiden- für bin ich überraschend mittendrin tungsdienst von Ruedi Keller in Em- schaft, Tiere retten zu wollen! und darf beobachten, wie Ruedi Kel- brach besuchte. ProTier unterstützt «Ich glaube, dass uns Menschen ler die nötigen Papiere und das Ein- den Rettungsdienst, und ich möchte die Tiere von der Schöpfung zur satzmaterial bereitstellt. Sehr durch- hiermit die Gelegenheit nutzen und Freude gegeben wurden. Auf jeden dacht und in einer ruhigen Eile. Jeder Ihnen von dieser einzigartigen Orga- Fall wäre für mich ein Leben auf Er- Handgriff sitzt. Draussen schliesst er nisation berichten. den ohne die Vielfalt der wunderba- den Anhänger am Wagen an und Ruedi Keller ist der Gründer und ren Tierwelt völlig trostlos und un- montiert die Notfalltafeln. Ruedi Kel- Präsident des Grosstier-Rettungs- vorstellbar. Wir tragen die Verant- ler wirkt in seiner Arbeitskleidung diensts. Er betreibt den Rettungs- wortung für alle unsere leidenden und routinierten Sprechweise am dienst ehrenamtlich und ist zusam- Mitgeschöpfe.» Aus dieser Überzeu- Telefon fast wie der Kommandant men mit 40 Kolleginnen und Kollegen, gung betrachtet Ruedi Keller die Tie- einer Feuerwehrtruppe – erfahren, an sechs Standorten in der Schweiz, re als seine Freunde, Kameraden und ruhig und fokussiert. Diese Eigen- in ständiger Bereitschaft. wertvolle Mitbewohner unserer Er- schaften sind bei den spektaku- Schon als Kind haben ihn die de. lären Einsätzen dann auch gefragt. grossen Tiere mehr fasziniert als die ” ” kleinen. Er ist gelernter Bootsbauer Und plötzlich bin ich Ihn hätten stets die und hauptberuflich im Seiler- und Sattlergewerbe tätig. Neben den Ret- mittendrin. grossen Tiere besonders tungseinsätzen baut Ruedi Keller mit fasziniert, «ihre Kraft und seinem Vater die Ambulanzfahrzeuge Ein Notfall kommt rein. Ruedi Keller ihr sanftes Wesen». um, entwickelt und schweisst neues sitzt in seiner Einsatzzentrale und te- Rettungsmaterial, konfektioniert neue lefoniert mit dem Tierarzt vor Ort. Ei- Schon als Bub half Ruedi Keller re- Netze oder näht Material für die Not- ne 25-jährige Stute hat eine schwere gelmässig bei seinem Onkel auf dem falleinsätze. Kolik und muss raschest möglich ins Bauernhof. Er ist also, wie er selbst Die ganze Familie lebt für den Tierspital verlegt werden. «Eine Kolik sagt, «mit einem Bein in der Land- Grosstier-Rettungsdienst. Draussen ist keine Krankheit, sondern ein Symp wirtschaft aufgewachsen». Ihn hät- stehen drei Rettungsfahrzeuge, im tom, das heisst ein Schmerz, der vom ten stets die grossen Tiere beson- Keller ist die Einsatzzentrale des Ret- Magen-Darm-Trakt des Pferdes aus- ders fasziniert, «ihre Kraft und ihr tungsdiensts eingerichtet, im Wasch- geht. Die Kolik ist die Nummer eins sanftes Wesen». Später als Pferde- raum hängen die Rettungskleider, im der natürlichen Todesursachen beim halter und von Pferdetierarzt Prof. Nebenraum stehen Nähmaschinen, Pferd.» Björn von Salis inspiriert, wurde Kel- um Netze oder diverses Rettungs- Von der Einsatzleitzentrale ELZ, ler bewusst, dass es für Grosstiere material selbst anzufertigen. «Die Fa- von Schutz und Rettung Zürich, der keinen organisierten Rettungsdienst milie Keller hat sich mit Leib und Kantonalen Einsatzzentrale für die gab. Brach sich ein Pferd ein Bein Seele der Rettung von Grosstieren Feuerwehr 118, der Sanität 144, dem oder stürzte eine Kuh in die Jauche- verschrieben». GTRD und dem Zivilschutz werden grube, rückte in der Regel die Feuer- alle wichtigen Informationen und Ko- wehr aus und versuchte mit improvi- Den Grosstieren verpflichtet ordinaten per Konferenzgespräch sierten Mitteln, das Tier zu bergen. Ruedi Keller betreibt den Grosstier- gesammelt und auf den PC übermit- Ruedi Keller und einige Gleichge- Rettungsdienst als Hobby. Selbstlos telt und diese ordnet in diesem Fall sinnte beschlossen Abhilfe zu schaf- ist er 24 Stunden für in Not geratene auch gleich eine Dringlichkeitsfahrt fen und gründeten deshalb 1997 die 8 ProTier 1/ 21
Grosstierrettung. Der Dienst funktio- niert gleich wie die Ambulanz für Der Grosstier-Rettungsdienst bietet einen Rettungs- Menschen. Das Personal verfügt dienst für in Not geratene Grosstiere an – ähnlich der über eine technische Ausbildung Rega oder dem Notruf 144 für Menschen. und tiermedizinisches Wissen. Die Fachausbildung erhalten die Retter Der Grosstier-Rettungsdienst leistet nebst seinen Nothilfe- am Tierspital Zürich, das seit Beginn Einsätzen auch sehr kostspielige Umrüst- und Repara- auch die Standards für die Schulun- gen setzt. turarbeiten an seinen Fahrzeugen und Rettungs materialien. Wenn ein Fahrzeug ausgedient hat, wird Spenden «Ich fühle mich verpflichtet, unse- rer Erde Sorge zu tragen so gut ich es finanziell eng. hilft! Helfen Sie uns mit einer Spende, damit auch zukünf- kann, damit auch die Menschen nach PC 60-455782-5 tig den Tieren mit voll einsatzfähigen Fahrzeugen mir noch einen schönen Planeten siehe Einzahlungsschein geholfen werden kann in der Heftmitte vorfinden. Es fühlt sich wunderbar und sehr bereichernd an, wenn ich meinen Fähigkeiten entsprechend sinnvoll helfen kann.». Gemäss Rue- beit mit Tierärzten und der Feuer- zen für die landwirtschaftlichen di Keller spielt es wahrscheinlich kei- wehr, für eine hochstehende Ber- «Nutz»tiere hilft eine Stiftung bei der ne Rolle, wo man sich einsetzt, gungs- und Transporthilfe für Gross- Kostendeckung. Hauptsache, man tut es. tiere. Im Jahr 2020 rückte Ruedi Keller und sein Team zu über 500 Einsätzen Wie birgt man ein Pferd aus Eine Rettung hat ihren Preis aus und auch in diesem Jahr muss- einem «Gülle»-Loch? «Tiere geben den Menschen als ten sie bereits über 80-mal Tieren in Vielfach kann die gesundheitliche ‹Nutz›tiere oder Heimtiere viel, sie Not helfen. Ruedi Keller unterstützt Situation des Tiers am Unfallort sind einfühlsam, unterhaltsam und zudem die Feuerwehr mit prakti- schlecht eingeschätzt werden und seelenvoll», sagt Keller. Entspre- schen Kursen zur Rettung von Gross- auch bei vielen Fällen, die auf den chend solle der Mensch helfen, wenn tieren. ■ ersten Blick schrecklich aussehen, eines dieser Mitgeschöpfe in Not sei. kann eine genaue Diagnose mit ent- Eine Rettungsaktion kostet zwischen sprechender Prognose erst in einer 1000 und 3000 Franken, in Ausnah- spezialisierten Tierarztpraxis oder in mefällen bis zu 5000 Franken. Pfer- Im nächsten Jahr feiert der Grosstier- einem Tierspital gestellt werden. Ge- debesitzer können die Rettungskos- Rettungsdienst sein 25-Jahr-Jubilä- nau hier setzt der Rettungsdienst an ten über die Horse Rescue-Mitglied- um. ProTier darf Partner und Förderer und sorgt, immer in Zusammenar- schaft abdecken und bei den Einsät- dieser einmaligen Einrichtung sein. Ruedi Keller vom Grosstier-Rettungsdienst haben die grossen Tiere schon als Kind mehr fasziniert als die kleinen. Fotos: zvg 10 ProTier 1/ 21
P R O T IE R A K T U E L L | Ein Engel für die Zürcher Stadtvögel Unsere Stadtvögel sind vor allem im Winter auf Fütterung angewiesen, um zu überleben. Häufig über- nehmen diese Aufgabe ältere Menschen, bei ihrem täglichen Spaziergang. Wegen Corona bleiben genau diese Menschen jetzt aber zuhause. Janet Baracchi hat es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, für die Stadtvögel zu sorgen. Sie füttert Tauben, Krähen, Enten, Spatzen und Möwen, alle mit dem richti- gen Futter selbstverständlich und im Normalfall auf eigene Kosten. VON MARTINA FUTTERLIEB Die Stadtvögel in Zürich sind zurzeit so hungrig wie noch nie. Bereits im ersten Lockdown war die Situation dieselbe. Normalerweise finden die Vögel Brotkrümel und Ähnliches in der Umgebung von Restaurants und Take Aways. Viele ältere Menschen bringen ihnen ausserdem bei ihrem täglichen Spaziergang durch die Zür- cher Parks Futter mit. Momentan fal- len die allermeisten dieser Futterquel- len weg und die Vögel hungern. Frühmorgens fährt Janet Barac- chi mit ihrem Velo los und macht ei- ne grosse Tour. Sie kennt alle guten Plätze, wo sich viele Vögel aufhalten, und die Vögel wiederum kennen sie Im ersten Lockdown fuhr Janet Baracchi täglich zu den Wildvögeln – und verteilte ca. 15 kg und warten auf sie. Die pensionierte Futter pro Tag. Foto: zvg Vogelliebhaberin schaut auch sonst nach dem Rechten. Entdeckt sie ei- Futter angewiesen», sagt Janet. «Die sowie auf niedrige Aggressivität und nen verletzten Vogel, lockt sie ihn Vogelbestände nehmen seit Jahren Territorialität selektioniert. Das führt mit Futter an und fängt ihn wenn kontinuierlich ab. Im Sommer müs- bei den rückverwilderten Nachfahren, möglich ein. Je nach Verletzung sen sie zwar nicht hungern, doch die die heute unsere Städte bewohnen, bringt sie ihn zum Tierarzt, in die meisten Leute füttern einfach Brot. zu früherer Geschlechtsreife und Wildvogelstation der Voliere Zürich Ich bringe ihnen artgerechtes Futter, ganzjähriger Bruttätigkeit sowie zu oder sie päppelt ihn bei sich zuhause damit sie mit den richtigen Vitaminen einer räumlich beschränkten, hohen wieder auf, um ihn dann wieder in versorgt sind», ergänzt sie. Konzentration von Brutplätzen. die Freiheit zu entlassen. Natürlich sind die meisten Stadt- Anders als Felsentauben sind In einem normalen Winter fährt vögel wie Krähen, Spatzen, Enten Stadttauben nicht mehr in der Lage, sie 1-2-mal pro Woche zum Füttern, etc. Wildtiere, die grundsätzlich oh- bei fehlendem Nahrungsangebot auf doch jetzt sei die Situation prekär. ne den Menschen auskommen natürliche Nahrungsquellen zurück- Jeden zweiten Tag fährt sie momen- müssten. Trotzdem ist der Mensch zugreifen. Sie sind auf artgerechte tan ihre Tour – im ersten Lockdown verantwortlich für ihre hohe Präsenz Fütterung durch den Menschen an- fuhr sie sogar täglich – und verteilt in der Stadt. Durch die einseitige gewiesen und müssen sich andern- ca. 15 kg Futter pro Tag. Ohne finan- Landwirtschaft und die starke Belas- falls ihre Nahrung aus menschlichen zielle Hilfe wäre das für sie nicht tung mit Pestiziden finden sie in ih- Abfällen zusammensuchen, was ei- mehr zu stemmen. «Ich bin sehr rem natürlichen Lebensraum nicht nen negativen Effekt auf ihre Ge- dankbar, dass ProTier und andere mehr genügend Nahrungsquellen. sundheit hat. Die mangelhafte Er- Tierschutzorganisationen mich und Eine grosse Ausnahme bilden die nährung ist auch verantwortlich für die Vögel in diesen schwierigen Mo- Stadttauben. Abstammend von der den flüssigen Kot, der die Hausfassa- naten mit Futterspenden unterstüt- Felsentaube, wurden sie vom Men- den verschmutzt. zen», sagt sie. schen über Jahrhunderte hinweg ge- Eine artgerechte Fütterung ist so- Im Sommer reduziert sie die Füt- züchtet und als Fleisch- und Eierliefe- mit bei allen Vögeln äusserst wichtig terung auf 1-mal die Woche. «Im Win- ranten oder als Boten und Lieb- für ihre Gesundheit. Sind die Tiere ter wie auch im Frühling, wenn sie haberobjekte genutzt. Bei der Zucht- gesund, verbreiten sich auch Krank- ihre Jungen aufziehen, sind sie auf wahl wurde auf hohe Reproduktion heiten weniger schnell. ■ ProTier 1/ 21 11
| N AT U R NE T Z P FA NNE N S T IL Auf Wanderschaft Zu Tausenden begeben sich Frösche, Unken und Molche im Frühjahr auf Wanderschaft. Das Ziel: geeignete Laichgewässer. Doch diese jährlich stattfindende Wanderung birgt viele Gefahren, und nicht jedes Tier erreicht sein Ziel. VON MALOU CZIBECK, NATURNETZ PFANNENSTIL Ein Leben zwischen Wasser und Land Amphibien sind an ein Leben zwi- schen Wasser und Land angepasst. Aus dem in Gewässern abgelegten Laich, also den Eiern der Amphibien, entwickeln sich schon bald kleine, im Wasser lebende Larven – bei Frö- schen sind dies die allseits bekann- ten Kaulquappen. Innerhalb einiger Wochen entwickeln diese sich zu kleinen Fröschen, verlassen im Som- mer das Gewässer und begeben sich zu ihrem Landlebensraum. Den Grossteil des Jahres verbringen sie in Ast- und Laubhaufen, im Wald und in feuchten Wiesen. Erst mit dem Er- Erdkröten auf der Wanderung zu ihrem Laichgebiet bei der Überquerung einer gefährlichen reichen der Geschlechtsreife bege- Strasse. Foto © Vincent Sohni, quadra gmbh ben sie sich im Frühjahr erneut zu einem Gewässer, um sich fortzu- pflanzen. Im Gegensatz zu Fröschen Wanderung ein hohes Risiko. Viele zu Schaden kommen. Nicht zuletzt bleiben Molche wie der Bergmolch Tiere werden auf Strassen überfah- nützt die Anlage und Pflege von na- länger im Gewässer und verlassen ren. Doch auch Entwässerungs-, turnahen Kleingewässern in Privat- dieses erst im Herbst, um versteckt Strassen- und Lichtschächte, in die gärten im Siedlungsraum Fröschen die kalte Jahreszeit zu überdauern. sie hineinfallen können, werden zur und allen anderen Wasserbewoh- tödlichen Falle, wenn es aus diesen nern. Die Amphibien werden es Ihnen Eine gefahrvolle Wanderschaft kein Herauskommen mehr gibt. danken. ■ Das Froschkonzert und die Amphi- bienwanderung, bei der sich Tausen- Rettung für wandernde de Tiere gleichzeitig zu ihren Laich- Amphibien gewässern begeben, bieten ein Um Frösche, Unken und Molche zu beeindruckendes Erlebnis. Die bei unterstützen, gibt es verschiedene uns am häufigsten bei der Wande- Möglichkeiten, die direkt vor unserer rung anzutreffenden Arten sind die Haustür beginnen. Haben Sie mögli- Erdkröte und der Grasfrosch. Ihre che Amphibienfallen wie Lichtschäch- Landquartiere können bis zu 3 km te, Kellertreppen oder Wassertröge von ihrem Laichgebiet entfernt sein. auf Ihrem Grundstück? Bereits mit Der Grasfrosch gehört zu den frühen einer einfachen Ausstiegshilfe durch Vögeln unter den Fröschen – bereits ein schräg gestelltes, raues Holzbrett ab Februar, wenn nachts der erste oder einen angebrachten Hasendraht wärmere Regen kommt, ziehen die kann hierin gestrandeten Amphibien Naturnetz Pfannenstil ersten Tiere los. Die Erdkröten fol- geholfen werden. Wenn Sie mit dem Rötelstrasse 84 gen ab März. Alle Amphibienarten in Auto unterwegs sind, beachten Sie 8057 Zürich der Schweiz sind geschützt. Den- Schilder, die auf Amphibienwande- noch nehmen ihre Bestände ab. Ne- rungen hinweisen und drosseln Sie, www.naturnetz-pfannenstil.ch ben dem fortschreitenden Lebens- insbesondere nachts, ihre Geschwin- naturnetzpfannenstil raumverlust bildet die jährliche digkeit, damit möglichst wenige Tiere 12 ProTier 1/ 21
Schenken Sie ein Leben auf einem Lebenshof Mit einer Patenschaft unterstützen Sie den Solidaritätsfonds für die Lebenshöfe in der Schweiz. Der Lebenshof ist ein Ort, wo Tier und Mensch auf Augenhöhe miteinander leben. Kein Lebewesen wird genutzt oder ausgebeutet. Im Zentrum dieser Höfe stehen das Wohlergehen des einzelnen Tieres und die Unterbringung und Vermittlung von Tieren in Not. Kann ein Tier in Not gerettet werden, braucht es eine schnelle und unbürokratische Lösung. Der Fonds trägt die Kosten, um das Tier zu retten, medizinisch zu versorgen oder um auf einem Hof bauliche Anpassungen vorzunehmen, so dass das Tier dort Zuflucht findet. Herzlichen Dank im Namen aller Tiere, für die wir mit Ihrer Hilfe einen Ort für ein glückliches Leben finden dürfen! Spenden hilft! PC 60-455782-5 siehe Einzahlungsschein in der Heftmitte
| S C H W E IN C HE N V I V O S KO LU MNE Vivo, wie er die Welt sieht Luna ist gestorben. Vielleicht habt ihr es schon gehört, alle auf dem Hof TierMensch waren sehr traurig, als sie ging. Aber irgendwie sind wir auch erleichtert, dass sie jetzt keine Schmerzen mehr haben muss. dentakt getötet werden, da kommt Von einem Moment auf den anderen mir das kalte Grauen. werden sie in lärmige Lastwagen Nach ihrem Tod lag der tote Kör- verladen und ins Schlachthaus ge- per von Luna noch eine Weile im karrt. Nach kurzer Zeit hat man sie Stall. So konnten wir uns alle in Ruhe getötet und zerlegt. von ihr verabschieden. Wir merkten ” schnell, dass diese Hülle nicht mehr Ich weiss nicht, was mit viel mit unserer Luna zu tun hatte, ihr Wesen hatte sie längst verlassen. diesen traurigen Seelen Wie ist das denn, mit all den We- passiert, aber ich weiss sen, Seelen von «Schlacht»tieren? sicher, dass dieses Leben Oder gibt es unter euch noch Men- und der grausame Tod schen, die allen Ernstes behaupten, der Schweinekinder so VON SCHWEINCHEN VIVO Tiere hätten keine Seele? Was ge- schieht mit all den Seelen, die plötz- nicht geplant ist. Bei uns Tieren ist der Verlust eines lich ihrer Körperlichkeit entrissen Artgenossen dem Verlust eines werden? Sie können sich nicht, wie Gestern schob ich zwei Schneebal- menschlichen Familienmitglieds bei Luna, langsam auf den Übertritt len vor mir her und sie wurden grös- gleichgesetzt. Wir trauern öffentlich vorbereiten. Diese Wesen leben in ser und grösser. Jetzt habe ich keine und verabschieden die Verstorbenen jungen, gesunden Tieren und berei- Zeit mehr, denn es hat wieder ge- feierlich. ten sich erst auf die Erlebnisse als schneit und wir wollen raus in den Wenn ich daran denke, was ihr mir Schweinekind vor. Alles bleibt ihnen Schnee und toben. erzählt habt, dass meine Leidensge- verwehrt. Sie kennen weder Mutter- nossen in der Tierfabrik alle im Stun- wärme noch Gras, Sonne und Erde. Euer Vivo ■ Grosser Erfolg der Fressnapf-Spendenaktion: Über 21’000 Freundschaftsarmbänder verkauft! Tierliebe wird bei Fressnapf gross- Wir danken allen, die das möglich geschrieben – und auch die Kunden gemacht haben, und freuen uns über haben ein Herz für Tiere in Not. Das die grosszügige Spende unseres zeigt der erneute grosse Erfolg der langjährigen Partners. Die Spende letzten Spendenaktion. Tierfreunde wird in unseren ProTier-Hilft-Fonds konnten von Oktober bis Dezember fliessen. Leider geraten täglich Tiere 2020 in allen Fressnapf-Filialen und in Not. Sie werden zurückgelassen, im Onlineshop ein Freundschafts- schlagen sich allein durch und erlei- armband erwerben. Pro verkauftes den einen Unfall, verlieren ihr Zuhau- Armband wurden zwei Franken ge- se oder sind schlichtweg nicht mehr spendet. Insgesamt ist so eine tolle gewollt. Dank der Spende können Summe von über 42’000 Franken zu- wir solchen Tieren helfen. ■ sammengekommen. Die Spenden gehen je zur Hälfte an den Schweizer Herzlichen Dank an Tierschutz und an ProTier. Fressnapf Schweiz! Christian Malzach, CEO Fressnapf Schweiz (rechts), überreicht Patrick Schneider, Geschäftsführer ProTier, den symbolischen Check. Foto: zvg 14 ProTier 1/ 21
T IE R G E S U ND HE I T | Soll ich meinen Hund kastrieren lassen? Diese Frage sollte sich jeder Hundehalter stellen. – Die Kastration des Hundes aus Sicht des Tier- arztes und wann der beste Zeitpunkt dafür ist. kose handelt. Der Eingriff in den Hor- unterdrückung. Sie muss alle 5 Mo- monhaushalt des Hundes durch die nate wiederholt werden. Sie wirkt Entfernung der Ovarien oder Hoden zuverlässig und muss in der Zwi- jedoch ist ein beträchtlicher. schenbrunstzeit, also in der sexuel- Die seit Langem bekannten nega- len Ruhephase, verabreicht werden. tiven Auswirkungen können Inkonti- Nachteil ist das gehäufte Auftreten nenz (Harnträufeln, vor allem bei von Gebärmutterveränderungen wie VON DR. JOSEF FÖHN grösseren Rassen), Gewichtszunah- der Pyometra, was wiederum eine me infolge reduzierten Grundumsat- Kastration notwendig macht. Viele Hundebesitzer melden ihren zes und Veränderungen des Haar- Liebling zur Kastration an, in der kleids (sogenanntes Babyfell bei Damit die Hundebesitzer sich Meinung, das mache man einfach langhaarigen Hunden) sein. entscheiden können, ist und es gehöre dazu. Es ist jedoch auf Auch andere negative Folgen für Aufklärung wichtig jeden Fall ratsam, sich über diesen die Hundegesundheit werden mittler- Für geschlechtsreife Rüden, bei de- Eingriff – die operative Entfernung weile diskutiert, bzw. sind durch breit nen Aggression gegenüber Ge- der Keimdrüsen (Eierstöcke bzw. Ho- angelegte Studien belegt: gehäuftes schlechtsgenossen, Schwererzieh- den) – Gedanken zu machen. Auftreten von Gelenkserkrankungen, barkeit und hypersexuelles Verhalten verschiedenen Krebsarten und der (nächtelanges Heulen, Fressunlust, Das Ziel ist klar, die sexuelle Schilddrüsenunterfunktion. Markieren) problematisch sein kön- Ruhigstellung mit all ihren nen, besteht die Möglichkeit der ” Vorteilen Sorgfältiges Abwägen «chemischen Kastration». Es handelt Kein unerwünschter Nachwuchs, sich dabei um ein Hormonimplantat, keine Scheinträchtigkeiten mit ihren über die Notwendigkeit das den Testosteronspiegel senkt, Verhaltensänderungen, keine schlaf- und den Sinn dieser zur reversiblen Schrumpfung der Ho- losen Nächte wegen des «liebes- Operation lohnt sich. den führt und je nach Dosis etwa ein kranken» Rüden, keine Blutungen halbes bis ein ganzes Jahr wirkt. während der Läufigkeit, kein lästiges Während bei Katzen die Vorteile ei- Der Hundebesitzer kann in dieser Markieren. Stattdessen ein Hund, ner Kastration bei Weitem überwie- Zeit abschätzen, ob eine operative der einfacher zu erziehen ist und gen, vor allem, weil die gesundheit- Kastration Aussicht auf die erwünsch- besser auf den Menschen hört. lichen Auswirkungen nach heutigem te Verhaltensänderung des Rüden Trotzdem sollte der Entscheid gut Kenntnisstand ungleich weniger aus- bringt. ■ bedacht werden. Und wenn man sich geprägt sind, lohnt sich für die Hun- für die Operation entschieden hat, debesitzerin ein sorgfältiges Abwä- stellt sich auch noch die Frage nach gen und vertieftes Nachdenken über dem Zeitpunkt der Kastration – vor die Notwendigkeit und den Sinn die- oder nach der ersten Läufigkeit, vor ser Operation, zumal sie unwiderruf- oder nach der Pubertät? Wird früh lich ist. kastriert, verringert sich z. B. das Ich stelle meinen Kunden jeweils Auftreten von Gesäugetumoren im die Frage, ob sie es sich vorstellen Alter um ein Vielfaches. können, zweimal im Jahr während dreier Wochen auf ihre Hündin auf- ” zupassen und ihren emotionalen Dr. Josef Föhn Der Eingriff in den Ausnahmezustand sowie Blutungen ist seit über 20 Jahren als Tierarzt Hormonhaushalt des in Kauf zu nehmen. Ich empfehle in Kleinandelfingen im Zürcher Hundes ist beträchtlich. auch, vor der Operation mindestens Weinland tätig. ProTier unterstützt eine Läufigkeit abzuwarten – die ihn und seine bäuerliche Kund- In meinen Beratungsgesprächen Hündin wird dadurch reifer und si- schaft finanziell bei Katzenkastra- weise ich stets darauf hin, dass es cherer im Umgang mit ihren Artge- tionen. sich bei der Operation an sich um nossen. Wenn man eine Operation einen Routineeingriff mit dem immer vermeiden will, gibt es eine Hormon- www.wyland-vets.ch vorhandenen kleinen Risiko der Nar- spritze (Gestagene) zur Läufigkeits- ProTier 1/ 21 15
| IN T E R V IE W MI T D R . S O N J A A . B U H O L Z E R Haitauchgänge machen mich demütig Frau Dr. Sonja A. Buholzer engagierte für die Verhinderung von Primatenversuchen und kämpfte gegen die grausame rituelle Tötung von Galgos in Spanien. Als passionierte Sporttaucherin setzt sie sich für den Schutz der Meere ein. VON BARBARA KERKMEER Welches Tier wären Sie gerne? Dr. Sonja A. Buholzer: Ein Delfin. Welche schöne persönliche Tiergeschichte können Sie uns erzählen? Dr. Sonja A. Buholzer: Bei einem Fe- rienaufenthalt in Italien hatte ich mir den Magen verdorben. Ein herren- loser Hund, der durch den Garten unserer Ferienwohnung streifte, leg- te sich schützend neben meine Liege und wich nicht von meiner Seite. Das hat mich sehr berührt, und vermut- lich habe ich mich dank dieses Hun- des sehr schnell erholt. Welche Begegnungen mit TIeren haben Sie geprägt? Dr. Sonja A. Buholzer: Meine erste Be- gegnung mit einem Delfin im Roten Meer beim Schnorcheln, die mich bis heute berührt und zum Tauchen brachte. Aber auch alle weiteren Be- gegnungen mit freilebenden Delfi- nen – ich durfte einmal mehr für kur- ze Zeit mit ihnen im Roten Meer Dr. Sonja A. Buholzer, M.A., ist Inhaberin der international tätigen Executive Coaching- und tauchen und habe in diesen Momen- Managementberatung Vestalia Vision in Zürich, persönlicher Coach für Frauen in Chefses- ten Impulse erhalten, die mehr als seln und mehrfache Bestsellerautorin sowie Keynote-Sprecherin. Bekannt aus Talkshows in TV und Radio, gehört sie zu den renommiertesten Frauen Europas, die seit über zwanzig Offenbarungen waren. Sie haben Jahren CEOs, Geschäftsleitungen und Vorstände als persönliche Beraterin begleitet. Foto: zvg mein Leben verändert. Und dann meine Haitauchgänge, die ich jährlich im Roten Meer suche, oder die geschlachtet worden wären. Warum ist Tierschutz so wichtig? die transformieren und demütig ma- Viele dieser Tiere kommen aus der Dr. Sonja A. Buholzer: Wir Menschen chen. Diese Geschichten haben mich Massentierhaltung oder wurden ins- haben jede Demut vor Tieren verlo- auch zu meinem Buch «Shark Leader- trumentalisiert. Ich finde es lobens- ren. Wir beuten sie aus. Anonymisie- ship» geführt. Eine weitere Geschich- wert, dass sich ProTier für solche Hö- ren sie auf dem Teller. Blenden das te handelt von den Rettungen meiner fe einsetzt und sie unterstützt. Leid und ihren Tod aus. Tierschutz geliebten ersten Hündin und meiner muss in die Herzen der hoffentlich spanischen Windhunde, die uns täg- Was lösen die Themen Klimawan- aufwachenden Menschen einge- lich auch Seelenbegleiter sind. del und Tierschutz bei Ihnen aus? brannt werden. Das Tier ist dem Men- Dr. Sonja A. Buholzer: No way back. schen zum Schutz anvertraut. Als Wissen Sie, was ein Lebenshof Covid-19 ruft uns auf zur Besinnung Freund anvertraut. Es macht unseren ist? auf unsere Partizipation am Netzwerk Planeten lebbar. Tierschutz hat mit Dr. Sonja A. Buholzer: Auf einem Le- Natur. Wir sind Teile «morphischer Respekt gegenüber der Schöpfung zu benshof bietet man Tieren einen art- Felder». Nicht mehr, nicht weniger. tun. Sie kann unsere Herzen retten. gerecht gestalteten Lebensplatz. Da- Wir haben uns als Gäste auf dem Pla- runter sind Tiere, die niemand mehr neten ganz schlecht benommen und wollte, die vernachlässigt wurden können es nur besser machen. ■ 16 ProTier 1/ 21
L E BE N S H Ö F E – P R O T IE R HIL F T | Gestatten, mein Name ist Thor Wer hilft mir? Wer rettet mich? Mit diesen Fragen begann mein Leben im Sommer 2019, denn ich bin ein männliches Kälbchen und damit ein Abfallprodukt in der Milchindustrie. Kurz nach meiner Geburt wurde ich von meiner Mama getrennt und wenn kein Wunder geschehen wäre, hätte mein Leben nur wenige Mo- nate gedauert, bis ich als Kalbfleisch auf dem Teller gelandet wäre. VON BETTINA EBNER immer wegstiessen, aber zum Glück kam mir eine liebe Mama mit ihren Ich hatte das grosse Glück, dass eini- Zwillingen zu Hilfe. Meine besten ge Kinder Zeugen meiner Geburt Freunde heissen «Kiran» und «Nu- wurden. Für sie und einige grössere ray» und sind ungefähr in meinem tierliebe Zweibeiner war sofort klar, Alter – mit ihnen macht alles einfach dass so ein hübscher kleiner Kerl wie viel mehr Spass. ich nicht einfach sterben darf. Inzwischen bin ich schon über ein Doch nun standen meine Retterin- Jahr alt und ein richtiger Teenie ge- nen vor der Herausforderung, mich worden. Ich kümmere mich sehr ger- meinem damaligen Besitzer abzukau- ne um die kleinen Kälbchen. Das er- fen, ein neues, sicheres Plätzchen für innert mich an meine Zeit als Baby mich zu suchen, und natürlich muss und ich kann sie beschützen wie ein ich auch fressen und brauche ab und grosser Bruder. Inzwischen kann ich zu einen Tierarzt, damit es mir immer mich aber auch wehren, wenn ich mal gut geht. Alle haben sich mit Herzblut geärgert werde – bin ja schliesslich für mich eingesetzt und so erreichte schon gross jetzt. ProTier im Spätsommer 2019 der Hil- ” feruf, dass mein Leben gerettet wer- Ich habe mein Traum Thor darf glücklich und angstfrei leben. den möchte. Für ProTier, und auch noch andere Foto: zvg zuhause gefunden und Menschen mit einem grossen Herz Die ersten 3 Monate war ich im Baby- darf glücklich und völlig für Tiere, war sofort klar, dass sie mir schlupf. Das ist ein abgegrenzter Be- angstfrei leben. gemeinsam helfen wollten. reich im Offenstall, mit einem kleinen Schlupfloch, in das nur die Kleinsten Ich liebe mein Zuhause, meine Herde ” Danke an alle, dass reinpassen. Diesen beschützten Ort und die Menschen, die mich jeden liebte ich so sehr, dass ich nach ein Tag versorgen und schauen, dass es ich der Glückspilz bin, paar Monaten fast auf den Knien mir gut geht. Aber am meisten mag der leben darf! durch den Eingang rutschen musste, ich die zweibeinige Familie, die mir, weil ich eigentlich schon zu gross war mit der Hilfe von vielen anderen, so Meine zweibeinigen Freunde haben dafür. ein Leben ermöglicht. Sie kommen beinahe Unmögliches möglich ge- Meine Zweibeiner habe ich so gut mich sehr regelmässig besuchen, macht und fanden einen Platz für erzogen, dass sie mir sogar lange schenken mir Streicheleinheiten und mich auf einem Hof in der Ost- mein Essen direkt da drin servierten. immer auch ein paar Leckereien. schweiz. Dort darf ich mein Leben in Doch irgendwann schubsten sie Ich habe das riesige Glück, dass einer Herde von Kühen, Kälbchen und mich sanft raus und ich musste mich ich leben darf, und wünsche mir Ochsen verbringen. wie die Grossen selbst zur Futterstel- nichts mehr, als dass noch viele mei- Noch vor meinem Umzug kam der le und Wassertränke bewegen. Das ner männlichen Artgenossen auch Doktor und meinte, dass ich nun kas- war am Anfang nicht so lustig für so ein Leben haben dürfen wie ich. triert werden müsste. Zum Glück mich, da mich einige Artgenossen Sie haben es genauso verdient! ■ wusste ich nicht, was das bedeutet, und ehe ich mich versah, schlief ich schon tief und fest. Alles verlief gut, und so durfte ich im November 2019 Dank Ihrer Spenden konnten wir die Rettung und somit Spenden in mein neues Zuhause umziehen. Die Menschen hier sind sehr lieb zu das Leben von «Thorchen» ermöglichen. Möchten Sie Tieren wie Thor helfen? Dann verwenden Sie den Ein- hilft! mir, aber es war alles sehr neu für zahlungsschein in der Heftmitte. PC 60-455782-5 mich. Ich musste mich erst an meine siehe Einzahlungsschein neuen tierischen Freunde gewöhnen Wir sind Ihnen für jede Hilfe von Herzen dankbar. in der Heftmitte und war etwas scheu. ProTier 1/ 21 17
| P R O T IE R A K T I V Vom Ur-Huhn zur Turbo-Hybridlegehenne Das Bankivahuhn, der Urahne unserer heutigen Hühner, legt jährlich etwa 20 Eier. Unsere modernen Legehybriden legen im Schnitt 300. Wir sollten ihnen mit Respekt begegnen, stattdessen pferchen wir sie in riesige Hallen, wo sie – gut abgeschirmt vor den Blicken der Öffentlichkeit – ihr qualvolles Dasein fristen. VON MARTINA FUTTERLIEB Angst und Schmerzen. Dann wird sie mit dem Kot, der den Boden übersät. mit 99 anderen Küken in eine Box ge- Überall hat sie kahle Stellen, wo ihr Hühner sind weltweit die am meisten steckt und in einen Aufzuchtbetrieb die Federn weggepickt wurden, be- gezüchteten und getöteten Landle- gebracht. Dort lebt sie 18 Wochen sonders am Hinterteil und am Rü- bewesen. 2019 wurden allein in der lang. In dieser Zeit wächst sie zu ei- cken. Schweiz 14’199’494 Hennen und Häh- ner stolzen Junghenne heran und Nach ungefähr einem Jahr fahren ne gehalten, 3’241’779 der Hennen tauscht ihren Kükenflaum gegen eines Nachts Lastwagen vor. Sie tra- lebten und starben für die Eierpro- strahlend weisse Federn ein. Erneut gen Tanks, die mit CO2 gefüllt sind duktion.1 Diese sogenannten Lege- wird Emma verpackt – sie zieht jetzt und auf dem Dach mehrere ver- hennen haben im Jahr 2019 erstmals in ihr definitives Zuhause um: den schliessbare Luken haben. Menschen über eine Milliarde Eier gelegt und Eierproduktionsbetrieb. in weissen Schutzanzügen steigen zusätzlich hat die Schweiz 587 Mil Als sie ankommt, ist alles neu und aus und holen nach und nach alle lionen Eier importiert. Total haben es riecht nach Desinfektionsmittel. Hennen aus dem Stall. Sie werfen sie wir Schweizerinnen und Schweizer Nach 2 Wochen legt Emma ihr erstes lebend durch die Dachluken in den 1’587’400 Millionen Eier konsumiert, Ei, das aus dem Legenest automa- Lastwagen, wo sie qualvoll ersticken. also 184 Eier pro Kopf.¹ Für die Hen- tisch in ein Auffanggitter rollt und Auch Emma wird von einem Men- nen bedeutet das eine gewaltige eingesammelt wird. Von da an wird schen an den Füssen gepackt. Es ist Leistung – und unsägliches Leid. sie fast jeden Tag ein Ei legen. Ihre Nacht, sie hat geschlafen und sich Tage sind öde und stressig zugleich nicht dagegen gewehrt. Zu diesem Aus dem Leben von Emma, – sie hat nichts, womit sie sich be- Zeitpunkt ist sie bereits eine «Althen- einer Schweizer Legehenne schäftigen könnte. Sie ist völlig über- ne» und für die Eierindustrie nicht Nach genau 21 Tagen im Brüter fordert mit dem Lärm, dem Geruch mehr rentabel, weil sie bald in die schlüpft Emma, praktisch gleichzei- und der drangvollen Nähe zu knapp erste Mauser kommen und 4 bis 6 tig mit ihren Geschwistern. Tausen- 10’000 anderen Hennen. Im ganzen Wochen lang keine Eier mehr legen de fluffige Küken piepsen jetzt um Stall versuchen die Hennen Unter- würde. Sie hat 315 Eier für den die Wette und warten auf eine Ant- gruppen zu bilden in der Grösse ihrer menschlichen Verzehr gelegt und kei- wort, die nie kommen wird. Gleich natürlichen Herde. Das gibt ihnen Si- nes davon auch nur gesehen. Ihr Le- nach dem Schlüpfen werden sie sor- cherheit und sie erstellen unterein- ben war die reinste Qual. Sie wurde tiert: Emma hat Glück, dass sie ein ander eine Hackordnung. Doch im- 18 Monate alt. Mädchen ist, und darf, zumindest mer wieder kommt Emma auch mit vorläufig, weiterleben. Ihre Brüder Hennen in Kontakt, die nicht zu ihrer Wie kommt es, dass Emma so werden sofort vergast, denn sie tau- Untergruppe gehören. Dann gibt es viele Eier in nur einem Jahr gen weder zur Mast noch zum Eier- Zankereien, da bei jeder neuen Be- legen konnte? legen. Emma wird gegen die Geflü- gegnung die Hackordnung neu defi- Es gibt verschiedene Faktoren, die gellähme geimpf t und man niert werden muss. Das stresst Em- die Legeleistung von Hühnern beein- «touchiert» ihren Schnabel, das be- ma. Sehr sogar. Einige Hennen flussen. Das Tag-Nacht-Verhältnis deutet, dass man ihr die empfindli- picken ihre Federn und manchmal spielt eine grosse Rolle, das Futter che Schnabelspitze wegbrennt, um picken sie auch weiter, wenn die Fe- ebenfalls, aber der entscheidendste Kannibalismus vorzubeugen. Sie hat dern weg sind, das tut weh. aller Faktoren ist die Zucht. Emmas Untergruppe befindet sich im hinteren Teil des Stalls. Sie hätten Die Geschlechtsbestimmung zwar Zugang zu einem Wintergarten von Eintagsküken – der Anfang 1 Quelle: Aviforum (Kompetenzzentrum der mit frischer Luft, aber höchstwahr- der reinen Legehennen-Zucht schweizerischen Geflügelwirtschaft in den scheinlich werden sie sich nie bis Ursprünglich war Geflügelfleisch Bereichen Bildung, Forschung und Dienst- dorthin vorwagen. Die Monate ver- hauptsächlich ein Nebenprodukt der leistungen mit eigenem Versuchs- und gehen und Emma sieht immer elen- kommerziellen Eierproduktion. Als Produktionsbetrieb.). www.aviforum.ch der aus. Ihre Federn sind verschmutzt 1940 die Methode der Geschlechts- 18 ProTier 1/ 21
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