Umsetzung der UN-Behinderten-rechtskonvention in Österreich

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Umsetzung der UN-Behinderten-rechtskonvention in Österreich
ÖKSA | jahrestagung 2011                                                     Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
                                              Fotos: picturedesk.com, Wikipedia

Österreichisches Komitee für Soziale Arbeit
                                                                                                rechtskonvention
                                                                                                    in Österreich
                                                                                                  Umsetzung der
                                                                                                 UN-Behinderten-
Umsetzung der UN-Behinderten-rechtskonvention in Österreich
Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention
          in Österreich

        DOKUMENTATION DER
       JAHRESKONFERENZ 2011
         vom 23. November 2011, Wien

   Österreichisches Komitee für Soziale Arbeit
Gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und
Konsumentenschutz (bmask)

REDAKTIONSTEAM:
Irene Köhler
Claudia Klambauer

IMPRESSUM
Redaktion und Herausgeber:

Österreichisches Komitee für Soziale Arbeit
Geigergasse 5–9/3. Stock
1050 Wien

Tel.: (01) 548 29 22
Fax: (01) 545 01 33
E-Mail: office@oeksa.at
www.oeksa.at

Produktion: Info-Media, 1010 Wien, office@info-media.at
Vorwort
Im Oktober 2008 trat in Österreich die „UN Konvention über die Rechte von Men-
schen mit Behinderungen“ in Kraft. Die Konvention, die auf den Prinzipien der Selbst-
bestimmung, der Chancengleichheit und der Partizipation basiert, bezieht sich dabei
umfassend auf alle Lebensbereiche von Menschen mit Behinderungen. Dennoch sind
Menschen mit Behinderungen immer noch vielfach aus gesellschafts- und sozialpoli-
tischen Prozessen ausgeschlossen.

Die Jahreskonferenz der ÖKSA rückte daher die Umsetzung der Konvention in Öster-
reich in den Mittelpunkt. Dass dieses Thema die Menschen bewegt, zeigte sich am
großen Andrang zur Konferenz. Mehr als 140 Personen konnten in der Wiener Hofburg
mit ExpertInnen über die Umsetzung diskutieren und Best-Practice-Beispiele aus Ös-
terreich, Deutschland und der Schweiz hören. Die vorliegende Veranstaltungsdoku-
mentation soll die Ergebnisse auch einem breiteren Publikum zugänglich machen.

Zudem ist die besondere Zusammensetzung des Österreichischen Komitees für Soziale
Arbeit für die Bearbeitung eines so komplexen Themas wie der Umsetzung der „UN
Konvention“ hilfreich. Als Dialogplattform zwischen Bund, Ländern, Städten, Gemein-
den und Trägern der „Freien Wohlfahrt“ schafft das ÖKSA einen Rahmen, in dem ge-
meinsam über die Chancen für gemeinsame Lösungen diskutiert werden kann.

Die „UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ soll uns die
nächsten Jahre in der Behindertenpolitik leiten. Dass nicht nur verschiedene Strategi-
en im Umgang mit der Konvention existieren, sondern auch großer Handlungsbedarf
insbesondere bei der Selbstbestimmung besteht, hat uns die Jahreskonferenz 2011
deutlich gemacht.

                                                    Pfarrer Mag. Michael Chalupka
                                                                Präsident des ÖKSA

                                                          Michael Chalupka | Vorwort   3
INHALTSVERZEICHNIS
    VORWORT
    Michael Chalupka.................................................................................. 3

    Eröffnung
    Rudolf Hundstorfer................................................................................. 10

    BEGRÜSSUNG
    Kurt Wagner.......................................................................................... 12
    Michael Löher........................................................................................ 13

REFERATE
   Thorsten Afflerbach
   Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention – Instrumente und
   Aktivitäten des Europarates . ............................................................ 15

    Antje Welke
    Bericht über die Ergebnisse des 3-Länder-ExpertInnentreffens des
    International Council on Social Welfare (ICSW) in Wien zum Thema:
    „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen –
    Deutschland, Österreich und Schweiz im Vergleich“............................... 21

    Max Rubisch
    Der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinderung 2011–2020.... 31

    Marianne Schulze
    Die Umsetzung begleiten – die Arbeit des Monitoringausschusses........... 39

    Gelungene Umsetzungsbeispiele aus der Praxis zu Barrierefreiheit,
    Bildung und Arbeit
    Maria Rosina Grundner...................................................................... 43
    Günther Schuster......................................................................... 57

4   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
PODIUM
   Hansjörg Hofer...................................................................................... 62
   Renate Hackl......................................................................................... 64
   Wolfgang Palle...................................................................................... 65
   Michael Svoboda.. .................................................................................. 66
   Heide Tomacek . .................................................................................... 67
   Sabine Franz.. ........................................................................................ 69
   Lukas Huber.......................................................................................... 70

    Berichte der BeobachterInnen: Die österreichische Diskussion aus
    deutscher und Schweizer Perspektive
    Barbara Braun.. ..................................................................................... 73
    Daniel Hadorn....................................................................................... 76

Anhang
  Mitwirkende . ........................................................................................ 78
  Teilnehmende Organisationen.................................................................. 79

                                                                                                           5
„Ich habe mich zeitlebens viel zu sehr darauf konzentriert, nicht behindert zu wirken oder
 auszuschauen – was für eine Energieverschwendung; es ist mein Recht, blind zu sein.“
Otto Lechner, Musiker

„Umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung geht uns alle an! Vor allem
 brauchen wir ein grundlegendes Umdenken hin zu einer inklusiven Gesellschaft.“
Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Ehrenpräsident des ÖKSA

„Die Stadt Wien bekennt sich klar zur Chancengleichheit. Die Hindernisse auf dem
 Weg zur Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung befinden sich aber nicht
 nur in unserer Umgebung, sondern auch in den Köpfen der Menschen. In der gesamten
 Gesellschaft, in allen Lebensbereichen muss die Bereitschaft wachsen, Lebensräume
 für Inklusion zu schaffen.“
Sonja Wehsely, Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Land Wien

„Die ‚UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen‘ betrifft Men-
 schen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen. Die Konvention ist aber nicht nur
 Grundlage, sondern zugleich auch Chance, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.“
Michael Chalupka, Präsident des ÖKSA

„Ich freue mich, dass auch in Österreich die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-
 vention so aktiv vorangebracht wird. In Deutschland bestimmt dieses Thema derzeit
 eine Vielzahl der sozialpolitischen Diskussionen: ‚Reform der Leistungen für Menschen
 mit Behinderungen‘, ‚Schaffung eines inklusiven Bildungssystems‘, ‚Aufbau inklusiver
 Sozialräume in den Kommunen‘ sind nur einige Stichworte. Der Deutsche Verein für
 öffentliche und private Fürsorge treibt diese Entwicklungen aktiv voran.“
Michael Löher, Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V.

„Der Behindertenaktionsplan 2006–2015 des Europarates gilt für alle 47 Mitglied-
 staaten der Straßburger Menschenrechtsorganisation. Er sollte von ihnen als ein euro-
 päisches regionales Instrument zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
 auf nationaler Ebene genutzt werden, da er komplementär zur Konvention ist und
 durch seine konkreten Handlungsempfehlungen von den Regierungen wie ein prakti-
 sches Werkzeug zur Gesetzgebung und Politikentwicklung angewendet werden kann.
 Nichtregierungsorganisationen sollten in die Umsetzung des Aktionsplans und in das
 Monitoring einbezogen werden.“
Thorsten Afflerbach, Abteilung Integration von Menschen mit Behinderungen, Europarat

6    ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
„Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention stellt alle Länder vor große Her-
 ausforderungen. Das Ziel und der Handlungsrahmen sind durch die Konvention be-
 schrieben. Die Wege der Umsetzung sind vielfältig. Gerade deshalb ist ein länderüber-
 greifender Austausch über Möglichkeiten, Methoden und Mittel der Umsetzung extrem
 hilfreich.“
Antje Welke, Leiterin des Arbeitsfeldes „Alter, Pflege, Rehabilitation, Gesundheit, Grundsatzfragen des
Sozialrechts“ im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.

„Die UN-Behindertenrechtskonvention muss mit vielen Säulen umgesetzt werden – der
 Nationale Aktionsplan ist das Dach darüber.“
Max Rubisch, Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

„Die Praxis menschenrechtlichen ‚Monitorings‘ ist darauf ausgerichtet, durch verschie-
 dene Mittel darauf hinzuwirken, dass die – vor allem staatlichen – Verantwortungs-
 träger die UN-Konvention einhalten und umsetzen.“
Marianne Schulze, Vorsitzende des unabhängigen und weisungsfreien Monitoringausschusses

„Barrierefreiheit ist dann gegeben, wenn niemand aufgrund seiner Behinderung einen
 Nachteil hat. Dazu braucht es Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen helfen,
 gleiche Chancen zu bekommen.“
Maria Rosina Grundner, Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR)

„Durch die Ratifizierung der UN-Konvention hat sich Österreich verpflichtet, ein inklu-
 sives Bildungssystem umzusetzen. Dies erfordert eine klare und eindeutige Strategie
 auf allen Ebenen im Schulbereich. Inklusion kann umfassend – unabhängig von Art
 und Schwere einer etwaigen Beeinträchtigung – gelingen, wenn sie politisch er-
 wünscht ist und pädagogisch angemessen begleitet wird.“
Roland Astl, Landesarbeitsgemeinschaft Sonderpädagogik Tirol

„Der erfolgreiche Übergang Schule/Beruf ist von entscheidender volkswirtschaftlicher
 und individueller Bedeutung; Übergangsmanagement kann dazu einen Beitrag leisten.“
Günther Schuster, Bundessozialamt

„Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die volle gesellschaftliche Teilhabe von
 Menschen mit Behinderung sind durch das Behindertengleichstellungsrecht und die
 UN-Behindertenrechtskonvention gegeben. Uneingeschränkte Teilhabe an allen Le-
 bensbereichen hat sehr viele Facetten und geht uns alle etwas an! Neben konkreten
 Maßnahmen zum Abbau von unterschiedlichsten Barrieren braucht es vor allem
 auch ein Umdenken von uns allen.“
Hansjörg Hofer, Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

                                                                                           ZITATE    7
„Die UN-Behindertenrechtskonvention sieht umfassende Rechte für Menschen mit Be-
 einträchtigungen vor. Die alles andere als einfache Umsetzung bedarf einer gemein-
 samen Anstrengung von Bund, Ländern, Dienstleistungserbringern und Interessenver-
 tretungen. Ein gemeinsames bzw. abgestimmtes Bild der Zukunft erleichert es, den
 dafür notwendigen Weg zu finden und zu gehen. Schritt für Schritt in ein selbstbe-
 stimmteres Leben für Menschen mit Beeinträchtigungen.“
Renate Hackl, Land Oberösterreich

„Von Almosen und Ausgrenzung über Verbot von Diskriminierung und Bekenntnis zur
 Integration bis hin zur Inklusion! Wir sind gut unterwegs, wenn wir es auch selbst in
 die Hand nehmen!!!“
Michael Svoboda, Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation

„Die UN-Konvention ist uns deshalb so wichtig, da in dieser geschrieben steht, dass
 alle Menschen mit und ohne Behinderungen die gleichen Rechte haben.“
Heide Tomacek, Forum Selbstvertretung für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen innerhalb
der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation

„Die UN-Konvention gibt es schon seit 2008. Jedoch ist bei uns das Gefühl da, dass
 sie noch nicht überall angekommen ist.“
Sabine Franz, Forum Selbstvertretung für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen innerhalb
der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation

„Es reicht nicht, auf Ankündigungen der Ministerien zur Umsetzung der UN-Behinder-
 tenrechtskonvention zu vertrauen. Erst die Taten werden zeigen, dass der Paradigmen-
 wechsel tatsächlich vollzogen wird. Nicht dass bloß bereits existierende Integrations-
 konzepte einfach umbenannt werden und sonst alles beim Alten bleibt. Daher liegt
 die Herausforderung in der Vermittlung dessen, was Inklusion und Partizipation im
 Sinne der Menschen mit Behinderungen wirklich ist.“
Lukas Huber, Österreichischer Gehörlosenbund

„Ein Zitat, das meine Sicht der Umsetzung der Konvention gut trifft, stammt von Para-
 celsus: Wer glaubt, alle Früchte würden zugleich mit den Erdbeeren reif, der versteht
 nichts von den Trauben. Für meine eigene Arbeit mit der Konvention auf Stadtebene
 gilt: Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach.“
Wolfgang Palle, Beauftragter der Stadt Graz für Menschen mit Behinderung, Österreichischer Städtebund

„Mit der Konvention ist zum einen der Menschenrechtsgedanke im Themenfeld Behin-
 derung angekommen, und zugleich ist das Thema Behinderung endlich bei den Men-
 schenrechten angekommen. Beides ist nicht selbstverständlich, denn es bedeutet: Der

8    ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Umgang mit dem gesellschaftspolitischen Thema Behinderung muss geleitet sein von
der Einsicht, dass Menschen Ansprüche haben, Rechtsansprüche, Menschenrechtsan-
sprüche. Das sind unveräußerliche Menschenrechte, nicht nur moralische Postulate:
Sie müssen wirksam werden, das ist eine Verpflichtung.“
Barbara Braun, Referentin im deutschen Bundesministerium für Arbeit und Soziales

„Als Gehörloser finde ich die UNO-Konvention deshalb wichtig, weil sie die Gebärden-
 sprache und die Gehörlosenkultur ausdrücklich anerkennt und würdigt. Genereller ist
 die Konvention aus meiner Sicht für alle Gruppen von Menschen mit Behinderung und
 auch für Senioren wichtig, weil sie sämtliche Bereiche des Alltagslebens abdeckt und
 den Menschen mit Behinderung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft behandelt.“
Daniel Hadorn, Schweizerischer Gleichstellungsrat

                                                                                   ZITATE   9
Rudolf Hundstorfer
Eröffnung

Das von der UN-Generalversammlung am 13. Dezember 2006 beschlossene Über-
einkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz UN-Behinder-
tenrechtskonvention) ist das erste Menschenrechtsdokument, das den exklusiven
Fokus auf die Gruppe der Menschen mit Behinderungen legt. Die zentrale Vision
dabei ist eine inklusive Gesellschaft, die Menschen mit Behinderungen die gleichbe-
rechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen ermöglicht.

Insgesamt haben zum Stand November 2011 bereits 106 Staaten die Konvention
und 63 das Protokoll ratifiziert. Das bedeutet, dass die Konvention völkerrechtlich
immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Die UN-Behindertenrechtskonvention ist in Österreich seit 26. Oktober 2008 in Kraft.
Was die innerstaatlichen Verpflichtungen betrifft, so müssen sowohl die Gesetzge-
bung als auch die Verwaltung und die Rechtsprechung die Konvention beachten. Da
Österreich auch das Fakultativprotokoll zur Konvention ratifiziert hat, besteht für
behinderte Menschen auch eine Individualbeschwerde-Möglichkeit an den UN-Aus-
schuss für die Rechte der Menschen mit Behinderungen in Genf.

Zur Frage der Geltung der Konvention ist anzumerken, dass die Konvention ohne
Ausnahme für alle Teile eines Bundesstaates gilt. Sie gilt daher in Österreich für
Bund, Länder und Gemeinden (alle Gebietskörperschaften).

Österreich hat den Vereinten Nationen den ersten Staatenbericht zur Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention im Oktober 2010 übermittelt und darin Bilanz über
die ersten zwei Jahre seit dem Inkrafttreten der Konvention in Österreich gezogen. Die
Prüfung Österreichs durch den UN-Ausschuss erfolgt voraussichtlich im Jahr 2013.

Hinsichtlich der innerstaatlichen Durchführung und Überwachung der UN-Behinder-
tenrechtskonvention sind von Österreich nach Artikel 33 in dreifacher Hinsicht Vor­
keh­rungen zu treffen:
    l  Einrichtung einer oder mehrerer staatlicher Anlaufstellen (Focal Points) für
       Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Durchführung der Konvention;
    l  Schaffung oder Bestimmung eines staatlichen Koordinierungsmechanismus,
        der die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen in verschiedenen Be-
        reichen und auf verschiedenen Ebenen erleichtern soll;
    l  Schaffung eines unabhängigen Mechanismus zur Überwachung der Konvention.

10   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Anlaufstelle des Bundes ist das BMASK. Die Länder haben – in Entsprechung des
Artikels 33 UN-Behindertenrechtskonvention und der österreichischen Bundesverfas-
sung – jeweils eigene Focal Points für ihren durch die föderale Struktur bedingten
Zuständigkeitsbereich einzurichten.

Den österreichischen Koordinierungsmechanismus stellt das BMASK unter Einbezie-
hung des Bundesbehindertenbeirats sicher. Dieser Beirat, der seit 1990 besteht und
in dem alle wichtigen Akteure der österreichischen Behindertenpolitik vertreten sind,
hat die Aufgabe, den Sozialminister in Fragen der Menschen mit Behinderung zu
beraten und Stellungnahmen und Empfehlungen abzugeben. Durch diesen Beirat
wird insbesondere auf die in Artikel 33 Absatz 3 geforderte Einbeziehung der Zivil-
gesellschaft geachtet.

Seit Dezember 2008 existiert ein unabhängiger Überwachungsmechanismus im Be-
reich des Bundes (der Monitoringausschuss nach § 13 BBG). Im Monitoringausschuss
sind – unter dem Vorsitz der Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze – ausschließ-
lich Mitglieder der Zivilgesellschaft vertreten (Organisationen der Menschen mit Be-
hinderungen, Vertreter der Menschenrechte, der Entwicklungszusammenarbeit und
der Wissenschaft). Der Monitoringausschuss hat bisher rund 35-mal getagt – darun-
ter waren auch fünf öffentliche Sitzungen, die ein großes öffentliches Echo gefunden
haben.

Zur inhaltlichen Umsetzung der Konvention:
Derzeit werden in einem Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen
Zielsetzungen und Maßnahmen der österreichischen Behindertenpolitik auf Bundes-
ebene bis 2020 erarbeitet. Der NAP soll dabei gleichzeitig auch der österreichischen
Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention dienen.

 Wir sind dabei auf einer Linie mit der Europäischen Union: Auch die EU hat die Kon-
 vention ratifiziert und sich zu ihrer Umsetzung – im Rahmen der EU-Zuständigkeiten
– verpflichtet. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission im Novem-
 ber 2010 die Europäische Behindertenstrategie 2010–2020 beschlossen.

Bereits in der Auftaktveranstaltung wurden ja mit allen wichtigen Akteuren der Be-
hindertenpolitik Zielsetzungen und Maßnahmen erarbeitet. Für den NAP haben alle
Bundesministerien inhaltliche Beiträge geliefert. Ein erster Entwurf liegt im BMASK
bereits vor – er wird demnächst mit den Behindertenorganisationen, den Ländern,
den Sozialpartnern und allen anderen betroffenen Stellen diskutiert werden. Entspre-
chend den Vorgaben der UN-Konvention wird die Zivilgesellschaft, insbesondere die
Behindertenverbände, intensiv in die Erstellung des Aktionsplans eingebunden.

                                                    BM Rudolf Hundstorfer | Eröffnung   11
Kurt Wagner
Begrüßung

Die Stadt Wien an der Seite von Menschen mit Behinderung
Inklusion, die Teilhabe für Menschen mit Behinderung in Wien, ist unser vorderstes
politisches Ziel. Dabei geht es um alle Bereiche des Lebens, von der Kindheit über die
Ausbildung bis zum Arbeitsleben. Das Wiener Chancengleichheitsgesetz stärkt Wie-
nerinnen und Wiener mit Behinderung in ihrer Selbstbestimmung.

Auf diesem Weg der Inklusion müssen wir in der Gesellschaft lernen, nicht nur bauli-
che Barrieren, sondern auch Barrieren in den Köpfen abzubauen. Es geht darum,
dass Menschen mit Behinderung am Leben in unserer Stadt teilhaben und teilneh-
men können.

Dafür braucht es gesetzliche Regelungen. Die UN-Konvention über die Rechte der
Menschen mit Behinderungen war ein wesentlicher Schritt und ist auch ein Motor für
die weitere Entwicklung. Wien hat 2010 gemeinsam mit der Interessenvertretung der
Menschen mit Behinderung das Wiener Chancengleichheitsgesetz, das auf der UN-
Konvention fußt, entwickelt und beschlossen. Werkstättenräte und Wohnräte wurden
neu im Gesetz verankert. Auch Förderleistungen wurden in das Gesetz aufgenommen,
etwa für Persönliche Assistenz, Arbeits- und Berufsintegration und Gebärdensprach-
dolmetschleistungen. Damit spiegelt das Gesetz die Leistungen für Menschen mit
Behinderung wider und führt so zu mehr Transparenz. Das Gesetz ist ein wichtiger
Schritt zu einer zeitgemäßen Regelung der Wiener Behindertenhilfe.

Zu einer vollständigen gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung
ist noch ein langer Weg zu gehen. Auf diesem Weg steht die Stadt Wien an der Seite
der Menschen mit Behinderung und unterstützt sie tatkräftig in den Bereichen Be-
schäftigung, Wohnen, Mobilität sowie Assistenz und Beratung.

12   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Michael Löher
Begrüßung

Sehr geehrte Damen und Herren!
   l   Herzlichen Dank an das ÖKSA für die Einladung nach Wien und Glückwunsch
       für die so gut besuchte Jahreskonferenz!
   l	Dank auch an den International Council on Social Welfare, ICSW, unter des-

       sen Dach das ÖKSA und der DV (Deutscher Verein für öffentliche und private
       Fürsorge) schon seit über 50 Jahren gute Beziehungen pflegen. Neben der
       internationalen Arbeit auf der globalen Ebene des ICSW wirken das ÖKSA
       und der DV bereits seit den Siebzigerjahren als Nachbarländer im Rahmen
       von Tagungen zum Erfahrungsaustausch zusammen.
   l   Im ICSW wurde damals die Idee der „Drei-Länder-Treffen“ unter Beteiligung
       des DV, des ÖKSA und der SKOS (Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe)
       geboren. Schon damals ging es darum, dem länderübergreifenden Austausch
       zu Fragen der Sozialentwicklung und der Sozialarbeit ein Forum zu bieten.
       Die ähnlichen Strukturen der sozialen Arbeit und der sozialen Sicherung er-
       leichterten den gemeinsamen Diskurs und Vergleich der Systeme.
   l	Das erste „Drei-Länder-Treffen“ fand 1979 zum Thema „Möglichkeiten und

       Probleme der Koordination und Integration sozialer Dienste auf örtlicher Ebe-
       ne“ beim Deutschen Verein statt. In der Dokumentation zu diesem Treffen ist
       festgehalten: „Ziel ist es, nicht Patentrezepte erarbeiten zu wollen, sondern
       standardisiert nach typischen Versorgungsbereichen – Ballungsräumen, rein
       ländlichen Gebieten – Modelle vorzustellen, die positiven und negativen Er-
       fahrungen, die personelle und finanzielle Ausstattung sowie die wesentli-
       chen Merkmale für die Nutzer und Nutzerinnen von Einrichtungen und Diens-
       ten aufzuzeigen. Ein solches Vorgehen wird es den Experten und Expertinnen
       erlauben festzustellen, welche Teile jeweils entsprechend den Gegebenheiten
       im eigenen Land … zur Verbesserung der Koordination und Integration über-
       nommen werden können.“ Entsprechend diesen Grundsätzen verstehen wir
       unsere Arbeit noch heute und pflegen wir nach wie vor den Rechts- und Pra-
       xisvergleich.
   l   Im letzten Jahr fand eines dieser „Drei-Länder-Treffen“ beim Deutschen Ver-
       ein in Berlin zum Thema „Die Pflege in der Finanzierungsfalle? – Zukunftsmo-
       delle aus deutscher, österreichischer und schweizerischer Sicht im Vergleich“
       statt. Ein weiteres Treffen fand bei der SKOS in Luzern zum Thema „Armuts-
       bekämpfung“ statt, und gestern und vorgestern trafen sich auf Einladung des
       ÖKSA österreichische, deutsche und schweizerische Experten und Expertin-
       nen in Wien, um im Vorfeld dieser Jahreskonferenz über die Umsetzung der

                                               Kurt Wagner, Michael Löher | Begrüssung   13
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den
       drei Ländern zu diskutieren. – Hierzu wird Frau Welke später ausführlicher
       berichten.
     l Ich persönlich freue mich, dass auch in Österreich die Umsetzung der UN-
       Behindertenrechtskonvention so aktiv vorangebracht wird. Auch in Deutsch-
       land bestimmt dieses Thema derzeit große Teile der sozialpolitischen Diskus-
       sion. Der Deutsche Verein wirkt hier aktiv mit.
     l Unsere Empfehlungen zur inklusiven Bildung haben eine breite Diskussion
       insbesondere bei den Kommunen angestoßen. Wobei wir uns schon einig
       sind, dass nicht mehr über das Ob von gemeinschaftlicher Bildung, sondern
       nur noch über das Wie zu streiten ist. Hier hat uns die UN-Konvention einen
       großen Schritt nach vorne gebracht. Zurzeit bereiten wir Eckpunkte für einen
       inklusiven Sozialraum vor.
     l	Das in der Behindertenrechtskonvention beschriebene Ziel von einer inklusi-

       ven Gesellschaft reicht weit über die rein behindertenpolitischen Diskussio-
       nen hinaus und bereichert die Gesellschaft insgesamt. Die Herausforderun-
       gen sind hoch, ebenso besteht hoher Bedarf an Diskussion und Austausch. In
       diesem Sinne wünsche ich uns allen heute aufschlussreiche und spannende
       Diskussionen.

14   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Thorsten Afflerbach
Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention: Instrumente
und Aktivitäten des Europarates

Sehr geehrte Herren Bundesminister Hundstorfer, Gemeinderat Wagner, ÖKSA-Präsi-
dent Chalupka, sehr verehrte Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung zur
ÖKSA-Jahrestagung 2011 in die Hofburg nach Wien. Es ist mir eine große Ehre und
Freude, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen, insbesondere an so einem geschichts-
trächtigen Tagungsort und vor so einem spezialisierten Publikum.

Ich werde Ihnen die behindertenpolitischen Instrumente und Aktivitäten des Europa-
rates vorstellen, die auch in einem engen Zusammenhang mit der UN-Behinderten­
rechts­konvention stehen, aber eben auch spezielle europäische Dimensionen enthalten.

Der Europarat, Straßburg
Bevor ich ins Detail gehe, erlauben Sie mir bitte, Ihnen kurz die Organisation vorzu-
stellen, die ich vertrete. Der Europarat ist eine intergouvernementale (= zwischen-
staatliche) Organisation. Sie wurde 1949 gegründet und hat zurzeit 47 Mitgliedstaa-
ten. Geografisch reichen diese von Iberien bis Sibirien. In ihnen leben 800 Millionen
Menschen. Der Sitz des Europarates ist Straßburg, Frankreich.1

Österreich ist Mitglied des Europarates seit 19562, Deutschland seit 1950 und die
Schweiz seit 1963. Der Europarat hatte bisher drei österreichische Generalsekretäre:
die Herren Walter Schwimmer (1999–2004), Franz Karasek (1979–1984) und Lujo
Toncic-Sorinj (1969–1974).

Der Europarat sollte nicht verwechselt werden mit der Europäischen Union, die 27
Mitgliedstaaten hat, welche alle auch Mitgliedstaaten im Europarat sind. Deutlich
wird der Unterschied auch bei den jeweiligen Aufgaben und Zielen.

Laut Satzung hat der Europarat die Aufgabe, „einen engeren Zusammenschluss un-
ter seinen Mitgliedern zu verwirklichen, um die Ideale und Grundsätze, die ihr ge-
meinsames Erbe sind, zu schützen und zu fördern und um ihren wirtschaftlichen und
sozialen Fortschritt zu begünstigen“.3

Daraus ergeben sich folgende konkrete Ziele: Schutz der Menschenrechte, Schutz der
pluralistischen Demokratie und Schutz der Rechtsstaatlichkeit sowie als „flankierende
Maßnahme“ die Förderung des sozialen Zusammenhalts in Europa.

                          Thorsten Afflerbach: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention:     15
                                        Instrumente und Aktivitäten des Europarates | Referate
Zur Erreichung seiner Ziele bedient sich der Europarat im Wesentlichen der folgen-
den drei Instrumente: Konventionen, Empfehlungen und Berichte/Analysen.

Konventionen sind völkerrechtliche Verträge, die nach Unterzeichnung und Ratifizie-
rung durch die Mitgliedstaaten für diese bindend sind, z. B. die Europäische Men-
schenrechtskonvention (1950)4 oder die Europäische Sozialcharta (1961, revidiert
1996)5.

Empfehlungen sind politisch bindende Willenserklärungen, verabschiedet vom Minis-
terkomitee des Europarates, dem höchsten Entscheidungsorgan der Organisation,
das sich zusammensetzt aus den 47 Außenministern bzw. ihren Vertretern, z. B. der
Behindertenaktionsplan des Europarates (= Empfehlung Rec(2006)5)6.

Berichte und Analysen zu bestimmten Themen der Behindertenpolitik sind weder
rechtlich noch politisch bindend, sondern dienen vorrangig dem Wissenstransfer,
dem Transfer von Know-how und Know-what. Dennoch ist ihre normative Wirkung
im Sinne eines „social benchmarking“, gerade auch in Zusammenarbeit mit Nichtre-
gierungsorganisationen, nicht zu unterschätzen.

Der Europarat und die UN-Behindertenrechtskonvention
Zurzeit ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Men-
schen mit Behinderungen von 45 Europarat-Mitgliedstaaten unterzeichnet und von
29 Europarat-Mitgliedstaaten ratifiziert.7

Viele Delegationsmitglieder der europäischen UN-Mitgliedstaaten, die in New York
die UN-Behindertenrechtskonvention ausgearbeitet haben, waren auch Mitglieder in
dem Ausschuss, der den Behindertenaktionsplan des Europarates erarbeitet hat.

Das Generalsekretariat des Europarates war bei der Erarbeitung der UN-Behinder-
tenrechtskonvention durch einen Sitz mit Beobachterstatus im entsprechenden UN-
Ad-hoc-Ausschuss vertreten und hat die Arbeiten mit Rat und Tat begleitet.

Der Behindertenaktionsplan des Europarates ist komplementär zur UN-Behinderten-
rechtskonvention. Seine 15 Aktionslinien spiegeln die 30 materiellen Artikel der UN-
Konvention wider, setzen aber dabei teilweise andere – europäische – Akzente. Der
Aktionsplan kann von den Mitgliedstaaten als ein europäisches regionales Instru-
ment zur Umsetzung der UN-Konvention genutzt werden, dank seiner konkreten
Handlungsempfehlungen als praktisches Werkzeug zur Gesetzgebung und Politikent-
wicklung.

16   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Der Behindertenaktionsplan des Europarates 2006–2015
 Der Behindertenaktionsplan 2006–2015 des Europarates heißt mit vollem Titel:
„Empfehlung Rec(2006)5 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zum Aktions-
 plan des Europarats zur Förderung der Rechte und vollen Teilhabe behinderter Men-
 schen an der Gesellschaft: Verbesserung der Lebensqualität behinderter Menschen
 in Europa 2006–2015“8.

Das mag zwar etwas umständlich erscheinen, denn in diesem Fall ist der Name Pro-
gramm. Der Name sagt klar, was das Instrument ist, nämlich eine Empfehlung, also
politisch verbindlich; von wem es kommt, nämlich vom Ministerkomitee, also den
Außenministern, als höchstem Entscheidungsorgan des Europarates; an wen es ge-
richtet ist, nämlich an die Regierungen der 47 Mitgliedstaaten, und zwar ab dem
Datum der Verabschiedung durch das Ministerkomitee (5. April 2006); welche Ziel-
gruppe es hat, nämlich Menschen mit Behinderungen; um welche Themen es geht,
nämlich 1. Rechte, 2. volle Teilhabe und 3. Lebensqualität; wo der Plan gilt, nämlich
in Europa; und wann, nämlich 2006–2015.

Ganz im Sinne des Leitmotivs dieser Jahrestagung „Nichts Abstraktes, sondern etwas
Konkretes“, enthält der Aktionsplan des Europarates 15 zentrale Aktionslinien mit
insgesamt 41 Zielen, welche die Mitgliedstaaten erreichen sollten, und 163 konkreten
Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten zur Erreichung der Ziele ergreifen sollten.

Die 15 Aktionslinien umfassen alle Aspekte des Lebens: Teilhabe am politischen und
kulturellen Leben; Information und Kommunikation; Bildung; Beschäftigung, Berufs-
beratung und -ausbildung; barrierefreies Bauen; Transport und Verkehr; Deinstitutio-
nalisierung; Gesundheitsversorgung; Rehabilitation; sozialer und rechtlicher Schutz;
Schutz vor Gewalt und Missbrauch; Forschung und Entwicklung sowie Öffentlich-
keitsarbeit.

Außerdem beinhaltet der Aktionsplan fünf sogenannte „Querschnittsaspekte“, die im
Wesentlichen solchen Personengruppen gewidmet sind, die von multipler Diskrimi-
nierung betroffen sein können, nämlich: Frauen und Mädchen mit Behinderungen,
Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, behinderte Menschen im Alter, behin-
derte Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, behinderte Migranten, Asylanten,
Flüchtlinge, Roma oder Angehörige von Minderheiten.

Für diese Personengruppen wurden keine speziellen Aktionslinien verfasst, sondern
das Instrument der „Querschnittsaspekte“ gewählt, weil die Bedürfnisse dieser Perso-
nen die 15 existierenden Aktionslinien sozusagen horizontal – eben querschnittartig

                          Thorsten Afflerbach: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention:     17
                                        Instrumente und Aktivitäten des Europarates | Referate
– durchschneiden. Damit wurde ein anderer Ansatz gewählt als in der UN-Behinder-
 tenrechtskonvention, die z. B. Artikel für Frauen oder Kinder enthält.

Die Frage, wer den Behindertenaktionsplan des Europarates umsetzen soll, ist in
Kapitel 5, „Umsetzung und Folgemaßnahmen“, klar geregelt: Den Regierungen der
Mitgliedstaaten kommt die Hauptverantwortung für die Umsetzung auf nationaler
Ebene zu, insbesondere für die Umsetzung der in den einzelnen Aktionslinien ge-
nannten konkreten Maßnahmen. Es heißt dort aber auch, dass die Beteiligung von
repräsentativen Behindertenorganisationen in allen Phasen der Umsetzung, Über-
wachung und Bewertung auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene
als äußerst wichtig erachtet wird.

Zur Frage, wie der Plan umgesetzt werden kann, werden verschiedene Schritte und
Umsetzungsstrategien empfohlen: Zunächst sollte der Europarat-Aktionsplan in die
jeweilige(n) Landessprache(n) übersetzt werden, um ihn einer möglichst großen Leser-
schaft zugänglich zu machen. Zurzeit existiert er in 31 europäischen Sprachen, ein-
schließlich Deutsch. Versionen in Braille oder in „leichter Sprache“ gibt es in verschie-
denen europäischen Sprachen. Dann sollten die Regierungen der Mitgliedstaaten
ihre bestehende Behindertengesetzgebung und -politik vor dem Hintergrund des
Europarat-Aktionsplans (der dabei als „Blaupause“ dient) analysieren und bewerten,
um festzustellen, in welchen Bereichen noch Handlungsbedarf besteht und welche
speziellen Aktivitäten durchzuführen sind. Ausgehend von dieser Analyse und Bewer-
tung sollten Mitgliedstaaten Strategien entwickeln, Prioritäten setzen und einen
Zeitplan zur Durchführung erarbeiten.

Beim Monitoring und den Folgemaßnahmen auf nationaler Ebene kommt ebenfalls
den Regierungen der Mitgliedstaaten die Hauptverantwortung zu. Sie sollten dabei
die entsprechenden Beteiligten konsultieren, insbesondere Nichtregierungsorganisa-
tionen behinderter Menschen.

Das Monitoring und die Folgemaßnahmen auf europäischer Ebene unternimmt der
Europarat mithilfe eines intergouvernementalen Fachausschusses aus Regierungsex-
perten der 47 Mitgliedstaaten und Vertretern anderer Europaratsorgane (z. B. parla-
mentarische Versammlung, Menschenrechtskommissar), anderer internationaler Orga­
nisationen und europäischer Nichtregierungsorganisationen. Dazu fordert er in
regel­­mäßigen Abständen mithilfe eines Fragebogens Berichte von den Regierungen
der 47 Mitgliedstaaten und von europäischen Nichtregierungsorganisationen ein. Die
Berichtsintervalle 2007–2009–2012 (geplant) –2014 (geplant) wurden vom oben
erwähnten Fachausschuss festgelegt. Für 2015 ist eine komplette Evaluierung geplant.

18   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Ein Zwischenbericht wurde 2010, zur Halbzeit des Europarat-Behindertenaktions-
plans 2006–2015, vorgelegt und auf einer internationalen Konferenz im Dezember
2010 in Istanbul präsentiert.9 Der Bericht basiert auf einer Analyse der Antworten
zum Fragebogen des Berichtszyklus 2009, die von 44 Mitgliedstaaten eingesandt
worden waren. Demzufolge haben die meisten Mitgliedstaaten im Berichtszeitraum
die folgenden Prioritäten in ihrer nationalen Gesetzgebung und Politik für Menschen
mit Behinderungen gesetzt: Schul- und Berufsbildung, Rehabilitation, Beschäftigung,
Barrierefreiheit („Universal Design“). Für die 2. Hälfte des Europarat-Behindertenak-
tionsplans 2011–2015 ergibt sich Handlungsbedarf der Mitgliedstaaten auf natio-
naler Ebene in folgenden Bereichen: alle fünf Querschnittsaspekte; Teilhabe am poli-
tischen Leben, Teilhabe am kulturellen Leben, inkl. Sport, Freizeit, Tourismus;
Deinstitutionalisierung, chronische Erkrankung und Behinderung; psychische Erkran-
kungen; Daten und Statistik.

Als Fazit und Abschlussempfehlung möchte ich meine Eingangshypothese wie folgt
leicht revidiert formulieren: Der Behindertenaktionsplan des Europarates sollte von
den Mitgliedstaaten als ein europäisches regionales Instrument zur Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention genutzt werden, dank seiner konkreten Handlungs-
empfehlungen als praktisches Werkzeug zur Gesetzgebung und Politikentwicklung.
Nichtregierungsorganisationen sollten in Umsetzung und Monitoring einbezogen
werden.

Zum Schluss möchte ich Sie noch auf ein ganz neues Instrument des Europarates
hinweisen: Die Empfehlung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am poli-
tischen und öffentlichen Leben wurde vom Ministerkomitee am 16. November 2011
verabschiedet10. Sie wurde erarbeitet, um eines der im Zwischenbericht 2010 genann­
ten Desiderata zu beheben und die Möglichkeiten behinderter Menschen zur Teilha-
be am politischen Leben zu verbessern. Sie ergänzt den Europarat-Behindertenakti-
onsplan um Elemente aus der UN-Behindertenrechtskonvention, vor allem auch im
Bereich Betreuungsrecht/Sachwalterschaft. Die Empfehlung liegt zurzeit nur auf
Englisch und Französisch (den beiden einzigen offiziellen Amtssprachen des Europa-
rates) vor.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Europarates, www.coe.int, oder
erhalten Sie per Anfrage an E-Mail: disability@coe.int

                          Thorsten Afflerbach: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention:     19
                                        Instrumente und Aktivitäten des Europarates | Referate
ANMERKUNGEN
1) http://www.coe.int/lportal/de/web/coe-portal/home
2) http://www.coe.int/lportal/web/coe-portal/country/austria?dynLink=true&layoutId=132&dlgrou
    pId=10226&fromArticleId=
3) http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/001.htm
4) http://www.echr.coe.int/NR/rdonlyres/F45A65CD-38BE-4FF7-8284-EE6C2BE36FB7/0/
    GER_CONV.pdf
5) http://www.coe.int/lportal/de/web/coe-portal/european-social-charter?dynLink=true&layoutId=7
    74&dlgroupId=10226&fromArticleId=
6) http://www.coe.int/t/e/social_cohesion/soc-sp/Rec_2006_5%20German.pdf
7) Stand: 21. November 2011
8) http://www.coe.int/t/e/social_cohesion/soc-sp/Rec_2006_5%20German.pdf
9) Council of Europe Disability Action Plan 2006–2015 (Recommendation Rec(2006)5). Mid-term
    Review Report, Strasbourg, 10 December 2010; doc. ref. CAHPAH(2010)8final.
10) Recommendation CM/Rec(2011)14 of the Committee of Ministers to member states on the
    participation of persons with disabilities in political and public life, adopted by the Committee of
    Ministers on 16 November 2011 at the 1126th meeting of the Ministers’ Deputies. https://wcd.coe.
    int/com.instranet.InstraServlet?Index=no&command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=1
    976932&SecMode=1&DocId=1821736&Usage=2

20   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Antje Welke
Bericht über die Ergebnisse des 3-Länder-Expert/Innen-
treffens des International Council on Social Welfare
(ICSW) in Wien zum Thema: „UN-Konvention über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen – Deutschland, Österreich und
Schweiz im Vergleich“

          Antje Welke: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Deutschland,     21
                                                      Österreich und Schweiz im Vergleich | Referate
22   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Antje Welke: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Deutschland,     23
                                            Österreich und Schweiz im Vergleich | Referate
24   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Antje Welke: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Deutschland,     25
                                            Österreich und Schweiz im Vergleich | Referate
26   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Antje Welke: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Deutschland,     27
                                            Österreich und Schweiz im Vergleich | Referate
28   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Antje Welke: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Deutschland,     29
                                            Österreich und Schweiz im Vergleich | Referate
30   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Max Rubisch
Der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinde-
rung 2011–2020

        Max Rubisch: Der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinderung 2011–2020 | Referate   31
32   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Max Rubisch: Der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinderung 2011–2020 | Referate   33
34   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Max Rubisch: Der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinderung 2011–2020 | Referate   35
36   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Max Rubisch: Der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinderung 2011–2020 | Referate   37
Marianne Schulze
Die Umsetzung begleiten – die Arbeit des Monitoring­
ausschusses

Der Titel dieses Vortrags kann in mehrere Richtungen zerlegt werden, eine überaus
abstrakte – Was ist Monitoring? – oder auch eine sehr praktische: Was bedeutet es,
die Arbeit zu begleiten, vor allem: Was sind die Herausforderungen in der Begleitung
der Umsetzung?

Was bedeutet Monitoring?
Monitoring ist, wie der Leiter der deutschen Monitoringstelle, Valentin Aichele, fest-
gestellt hat, „darauf ausgerichtet, durch verschiedene Mittel darauf hinzuwirken,
dass die – vor allem staatlichen – Verantwortungsträger die UN-Konvention einhal-
ten und umsetzen“. Die Mittel, derer man sich bedient, sind zum einen die Struktur-
analyse – die kritische Beleuchtung von Systemen und Institutionen und deren Zu-
sammenwirken. Der zweite Angelpunkt sind Einzelfälle, anhand derer sich Schlüsse
ziehen lassen, ob und inwieweit einem Menschenrechtsvertrag, hier: Konvention über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen, entsprochen wird.

Praktisch betrachtet: Der Monitoringausschuss hat vor knapp drei Jahren, am 10. De-
zember 2008, unter bekannten Umständen seine Arbeit aufgenommen. Nach eige-

        Marianne Schulze: Die Umsetzung begleiten – die Arbeit des Monitoringausschusses | Referate   39
ner Einschätzung entspricht das Konstrukt des Ausschusses nicht den Unabhängig-
keitskriterien, die die Vereinten Nationen für nationale Menschenrechtsinstitutionen
vorsehen. Der Monitoringausschuss, dessen Arbeit auf der Website MonitoringAus-
schuss.at nachgelesen werden kann, hat in knapp 30 Stellungnahmen und mehr als
35 Sitzungen, davon fünf öffentlichen, versucht aufzuzeigen, wo die Konventionsver-
pflichtungen Handlungsbedarf nach sich ziehen.

Trotz großem Engagement – die Mitglieder des Ausschusses arbeiten ehrenamtlich,
der Ausschuss selbst hat kein Budget – und dem Anstoß öffentlicher Debatten muss
selbstkritisch eingestanden werden, dass die Arbeit des Ausschusses auf das Leben
von Menschen mit Behinderungen selbst keine Auswirkungen gehabt hat.

Strukturelle Probleme
In der Umsetzung der Konvention gibt es einige strukturelle Probleme, darunter fal-
len vor allem drei auf: der Föderalismus, das mangelnde Bewusstsein dafür, dass die
Konventionsprinzipien Querschnittsmaterie sind, und die mangelnde Verwirklichung
des Menschenrechtsansatzes in Österreich.

Die Aufteilung der Zuständigkeit für Menschen mit Behinderungen zwischen ver-
schiedenen Behörden und Ämtern, insbesondere zwischen Bund und Ländern, führt
in den Diskussionen des Ausschusses regelmäßig dazu, dass Lösungen jenseits der ei-
genen Zuständigkeit nicht angedacht werden können. In einem Denkansatz, in dem
die Umsetzung der Konvention nicht zu Ende gedacht werden kann, wird die fakti-
sche Verwirklichung unmöglich. Es bedarf daher dringend eines Forums, in dem die
notwendigen Änderungen in einem größeren Rahmen diskutiert werden können.

Das soziale Modell, die Grundprinzipien der Konvention1, gerade die zentralen Ele-
mente Selbstbestimmung und Partizipation, können nicht nur von den historisch zu-
ständigen Sozialabteilungen umgesetzt werden. Barrierefreiheit in ihren vielfachen
Dimensionen2 muss von allen Behörden und Ämtern als Auftrag verstanden werden:
Inklusion geht alle etwas an. Bewusstseinsbildung ist gerade in diesem Bereich drin-
gend notwendig.

Die Berufung auf Menschenrechte als Grundlage politischen Handelns kann in Ös-
terreich noch stark aufgewertet werden. In der Umsetzung der Konvention über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen wird die mangelnde Verwirklichung des
Menschenrechtsansatzes deutlich spürbar. Gerade in der Verwirklichung von Sozial-
politik liegt in der Implementierung des Menschenrechtsansatzes viel Potenzial. Eine
Herausforderung ist das Bewusstsein dafür, dass Menschenrechtskonventionen als

40   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
völkerrechtliche Verträge Verpflichtungen nach sich ziehen und bindend sind. Eine
andere Herausforderung in der Umsetzung von Menschenrechten, insbesondere für
Menschen mit Behinderungen, ist die diffizile Auseinandersetzung mit der jüngeren
Vergangenheit: Für zu viele Menschen ist die systematische Verfolgung und Ermor-
dung von Menschen mit Behinderungen unter dem Verweis auf „lebensunwertes Le-
ben“ noch nicht adäquat aufgearbeitet.

Institutionelle Probleme
Das Selbstverständnis des Ausschusses, dessen Auftrag es ist, die Umsetzung der
Konvention kritisch zu überprüfen, stößt immer wieder an die Grenzen des öster-
reichischen Amtsverständnisses. Faktische Kritik wird zu oft als persönlich empfun-
den und das Faktum, dass § 13 BundesbehindertenG – die Bestimmung, mit der
der Monitoringausschuss eingerichtet wurde – nicht das emotionale Wohlbefinden
von SpitzenbeamtInnen anführt, übersehen. Strukturell problematisch ist auch die
Auffassung, wonach angenommen wird, dass alles in Ordnung ist, wenn es keine
Beschwerden gibt. Diese Sicht ist aus Menschenrechtsperspektive nicht haltbar und
ist gerade im Fall einer marginalisierten Gruppe wie Menschen mit Behinderungen
höchst fragwürdig.

Ein institutionelles Problem, das den Ausschuss selbst trifft und seine Arbeit beein-
flusst, ist der Ressourcenmangel: Es ist derzeit für den Ausschuss selbst kein Budget
vorgesehen, laut Erläuternden Bemerkungen zur Einführung des Ausschusses sind
knapp E 25.000,– in Form einer halben Dienststelle geplant. Knapp 18 Monate nach
Beginn der Arbeit wurde eine Aufwandsentschädigung für den/die Vorsitzende/n
beschlossen, die übrigen Mitglieder sind ehrenamtlich tätig.

Forderungen
   1. Ein Forum, in dem jenseits von föderalistischen Zuständigkeiten über die Ver-
       wirklichung der Querschnittsthemen der Konvention diskutiert werden kann;
   2. Bewusstseinsbildung in Hinblick auf das soziale Modell und den Querschnitts­
       charakter der Konvention;
   3. Vier konkrete Gesetzesprojekte aus verschiedenen Ministerien, die mit ent-
       sprechender Vorlaufzeit effektive Partizipation, vor allem auch von Menschen
       mit Lernschwierigkeiten, möglich machen.

ANMERKUNGEN
1) Vgl. Artikel 3 Konvention.
2)	Dazu zählen u. a. kommunikative, intellektuelle, bauliche, soziale, institutionelle und ökonomische
   Barrierefreiheit.

          Marianne Schulze: Die Umsetzung begleiten – die Arbeit des Monitoringausschusses | Referate    41
Maria Rosina Grundner
Gelungene Umsetzungsbeispiele aus der Praxis zu Barrie-
refreiheit, Bildung und Arbeit

Barrierefreiheit ist dann gegeben, wenn niemand einen Nachteil hat. Dazu braucht
es Maßnahmen, die helfen, gleiche Chancen zu geben.

Eine Maßnahme kann sein, dass jeder sein eigenes Stockerl bekommt, um gleich groß
zu sein, wie hier in der schematischen Darstellung. Damit alle Menschen gleiche
Chancen haben, brauchen sie unterschiedliche Hilfsmittel.

Ich habe verschiedene Beispiele vorbereitet, die gute Barrierefreiheit herstellen.

            Maria Rosina Grundner: Gelungene Umsetzungsbeispiele aus der Praxis zu Barrierefreiheit,   43
                                                                  Bildung und Arbeit | Referate
Im Schloss Schönbrunn gibt es schon länger einen Audio-Guide. Das ist ein tragbares
Gerät, das in den Ausstellungsräumen auf Knopfdruck erklärt, was genau man sehen
kann. Damit gehörlose Menschen im Schloss Schönbrunn auch dieses Angebot nut-
zen können, gibt es ähnliche Geräte mit Display, die Gebärdensprachvideos zeigen.
Diese Geräte nennt man Sign Language Guides. Es gibt in Wien eine Firma, die diese
Videos herstellt.

Mehr und mehr gibt es vergleichbare Angebote auch in anderen Museen.

44   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Schriftdolmetscher und Schriftdolmetscherinnen übersetzen für schwerhörige, gehör-
lose und hörende Personen in die Schriftsprache. trans.SCRIPT-Austria verwendet die
Methode der „konventionellen Textverarbeitung mittels Laptop“. Das kann man sich
so vorstellen: Wenn eine Sprecherin spricht, werden gleichzeitig ihre Worte von dem
Schriftdolmetscher, der Schriftdolmetscherin in einen Computer getippt und auf einer
Leinwand gezeigt. So können Leute, die nicht gut hören, mitlesen, was gesagt wird.

            Maria Rosina Grundner: Gelungene Umsetzungsbeispiele aus der Praxis zu Barrierefreiheit,   45
                                                                  Bildung und Arbeit | Referate
Damit Wege leicht gefunden werden, orientiert man sich an Wegweisern, Straßenna-
men, Ansagen und Gebäuden. Für Menschen mit Sehbehinderungen, besonders für
blinde Menschen, ist das nicht so einfach. Sehr oft brauchen sie eine Begleitperson.

Im Forschungsprojekt der Wiener Linien und der ÖBB wird eine Möglichkeit entwi-
ckelt, wie mit dem Handy Wege angesagt werden können.

46   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Dieses Orientierungssystem soll im Freien und in Gebäuden funktionieren. Im Freien
fließt die Information vom und zum Nutzer über das Internet am eigenen Handy.
Man muss nur ein Programm am Handy installieren.

In U-Bahn-Stationen und in Bahnhöfen werden Computerchips im Boden im Bereich
taktiler Bodenleitlinien eingebaut. Ein elektronischer Leser wird am Schuh montiert,
der dann die Informationen auf das Handy funkt.

Ein ganz kompliziertes System soll aufgebaut werden. Unter anderem soll es möglich
sein, mit der Straßenbahn Informationen auszutauschen.

            Maria Rosina Grundner: Gelungene Umsetzungsbeispiele aus der Praxis zu Barrierefreiheit,   47
                                                                  Bildung und Arbeit | Referate
Wie hier am Bild gezeigt: Ein blinder Mann hört an seinem Handy ab, welche Stra-
ßenbahn gerade hinter ihm in die Station einfährt. „Linie O Richtung Raxstraße
hält.“

48   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
Die leichte Sprache ist für Menschen mit Lernschwierigkeiten die wichtigste Maßnah-
me, die es braucht, um Barrierefreiheit zu erreichen. Die leichte Sprache hat feste
Regeln; wenn bei Texten Bilder dabei sind, kann man sie meistens besser verstehen.

Zum Beispiel wären Stimmzettel barrierefrei, wenn Bilder neben den Namen der Poli-
tiker vorhanden wären.

            Maria Rosina Grundner: Gelungene Umsetzungsbeispiele aus der Praxis zu Barrierefreiheit,   49
                                                                  Bildung und Arbeit | Referate
Die leichte Sprache hilft vielen Menschen: Menschen, die wenig Deutsch sprechen oder
kaum lesen können; auch Menschen, die sich an einem Ort noch nicht auskennen.

Gut ist auch, wenn man die Texte hören kann. Das wäre bei Automaten am Bahnhof
zum Kauf einer Fahrkarte wichtig.

An dieser Stelle erlaube ich mir Klaus Candussi zu zitieren. Der hat in unserer letzten
ÖAR-Zeitschrift „monat“ geschrieben: „Der Blick in die Zukunft ist positiv: Eines Ta-
ges werden wohl sogar Fahrkarten-Automaten von Uni-Professoren ohne Einschu-
lungskurs bedienbar sein.“

50   ÖKSA-Jahreskonferenz 2011 | Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich
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