Die Pandemie als neue Form der Krise. Wie COVID-19 die Restrukturierung verändert - Roland Berger Restrukturierungsstudie
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Die Pandemie als neue Form der Krise. Wie COVID-19 die Restrukturierung verändert. Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 1
Die Restrukturierungsstudie von Roland Berger zählt seit inzwischen 19 Jahren zu den am meisten beachteten Publikationen der Branche. In jeder Ausgabe geht es um ein für die Wirt- schaft und Restrukturierung aktuelles Thema – in diesem Jahr die andauernde COVID-19-Krise. Diesmal haben wir rund 500 Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nach ihrer Einschätzung der weiteren Konjunktur- entwicklung und zu den Auswirkungen der Pan demie auf die Restrukturierung befragt. Acht von zehn Studienteilnehmern stammen aus dem Bankwesen, der Sanierungsberatung oder der Insolvenzverwaltung. Die meisten Befragten betreuen mehr als sieben Restrukturierungsfälle pro Jahr. Foto Aitor Diago/Getty Images; Coverfoto Westend 61/Getty Images 2 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 3
Die Mehrheit erwartet eine Wie hoch schätzen Sie die zu erwartende Erholung ein? U-förmige Erholung Während sich im vergangenen Jahr noch die Frage stellte, ob eine konjunk- Erholung („New Normal“) Deutschland turelle Krise zu erwarten ist, hat die deutsche Wirtschaft diesmal die größte Zäsur seit Jahrzehnten zu verkraften. Mit der Pandemie hat gleich- zeitig eine neue Form der Krise Einzug gehalten, deren weiterer Verlauf kaum einzuschätzen ist. So ist nach wie vor unklar, wie stark der Einbruch ausfallen und wie schnell die Wirtschaft wieder auf die Beine kommen wird. Dabei schätzen die Befragten die Situation in Deutschland positiver als bei den europäischen Nachbarn ein. Die wenigsten rechnen jedoch 22% 24% mit einer Erholung vor 2022. Wie hoch schätzen Sie den zu erwartenden 2021 (V-förmige Erholung) 54% >2023 (mehrjährige L-förmige Einbruch der Wirtschaft ein? Entwicklung bis zu einer Erholung) Erwarteter Wirtschaftseinbruch Deutschland 2020 ⌀ -7,3% 2022 (U-förmige Erholung) 28% 23% 20% Erholung („New Normal“) Europa 14% 11% 3% 2% ≥-4% -5% -6% -7% -8% -9% ≤-10% 3% 53% Erwarteter Wirtschaftseinbruch Europa 2020 ⌀ -9,8% 44% 28% 2021 >2023 (V-förmige Erholung) (mehrjährige L-förmige Entwicklung bis zu einer Erholung) 20% 20% 16% 2022 (U-förmige Erholung) 8% 6% 2% ≥-6% -7% -8% -9% -10% -11% ≤-12% 4 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 5
Ein zweiter Lockdown Mehr Restrukturierungsfälle, ist das größte Risiko mehr Komplexität Eine zweite Welle oder ein erneuter Lockdown sind aus Sicht der Experten Mit 86 Prozent der Befragten erwartet eine deutliche Mehrheit in den aktuell die größte Gefahr für den Standort Deutschland. Danach folgen nächsten zwölf Monaten eine Zunahme der Restrukturierungsfälle – geopolitische Risiken, beispielsweise aus grenzüberschreitenden Handels- ein Befund, der angesichts der Schwere und des globalen Ausmaßes der konflikten. In der Vergangenheit häufig genannte Herausforderungen Krise wenig verwundert. Rund sieben von zehn Experten beobachten wie der Fachkräftemangel oder die konjunkturelle Entwicklung in China außerdem eine weiter steigende Komplexität der Fälle. sind dagegen eher in den Hintergrund gerückt. Welche drei aktuellen Faktoren stellen aus Ihrer Sicht Wird die Anzahl neuer Restrukturierungsfälle in den besondere Risiken für die weitere wirtschaftliche kommenden zwölf Monaten eher zu- oder abnehmen? Entwicklung in Deutschland dar? Abnahme 11% Pandemierisiko Tendenz zum Vorjahr [Pp.] Tendenz zum Vorjahr: ↗+10 Pp. Weitere Entwicklung der COVID-19- Keine Pandemie (z.B. durch zweite Welle 31% n/a oder erneuten Lockdown) Veränderung 3% Tendenz zum Vorjahr: (Wirtschafts-)politische Risikofaktoren ↘-6 Pp. Geopolitische Veränderungen 26% +2 (bspw. Handelskonflikte) → Innereuropäische Krisen (z.B. Brexit) 13% -4 Zunahme 86% → Tendenz zum Vorjahr: Veränderungen der Geldpolitik (EZB, FED) 4% → 0 ↘-4 Pp. Fachkräftemangel 3% -9 → → Ist eine Zu- oder Abnahme der Komplexität von Steigende Wettbewerbsfähigkeit 1% -2 Restrukturierungsfällen zu beobachten? der Schwellenländer Konjunkturelle Risiken Tendenz zum Abnahme 8% Vorjahr [Pp.] Tendenz zum Vorjahr: Generelle Konjunkturentwicklung ↗+8 Pp. 9% -5 Deutschland → Keine EU 5% +2 Veränderung 24% → → Tendenz zum Vorjahr: Russland 5% +4 ↘-10 Pp. China 2% -14 → → → Zunahme 68% USA 1% -4 Tendenz zum Vorjahr: ↗+2 Pp. Schwellenländer (z.B. Brasilien) 0% -1 6 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 7
Tourismus und Automobil mit Überkapazitäten verschärfen größtem Sanierungsbedarf den Handlungsdruck Mit Einführung der Reisebeschränkungen bekommen Unternehmen aus Digitalisierung und disruptive Innovationen sorgen immer noch für den der Tourismus- und Reisebranche die COVID-19-Krise voll zu spüren. Danach größten Anpassungsbedarf in den Unternehmen. Die Wettbewerbsstruk- folgt die Automobilbranche als Rückgrat der deutschen Wirtschaft auf tur rangiert erneut auf Platz 2 der wichtigsten Treiber für Veränderungen. Platz 2 der am meisten gefährdeten Industrien. Neben dem anhaltenden In die Top 3 hat es neu das Problem der Überkapazitäten geschafft, denn Technologiewandel stellt nun auch die COVID-19-Krise die Branche vor in vielen Unternehmen steigt infolge der COVID-19-Krise der Druck, immense Herausforderungen. Während der Lebensmitteleinzelhandel in nicht ausgelastete Produktionskapazitäten abzubauen. Zeiten der Pandemie boomt, erwarten die Befragten im Non-Food-Segment der Konsumgüterbranche weiterhin einen erhöhten Restrukturierungsbedarf. Bei welchen der unten genannten Branchen erwarten Sie Aktuell wesentliche Gründe für Anpassungsbedarf erhöhten Restrukturierungsbedarf? RANKING RANKING 2019 2019 Tourism & Travel Digitalisierung, disruptive Innovationen - 30% 1 37% Automotive Hohe Marktkonzentration/Konsolidierungsdruck 1 28% 2 16% Consumer Goods & Retail Überkapazitäten 2 19% - 15% Logistics & Business Services 4 7% Starke Konjunkturabhängigkeit Capital Goods & Engineering 3 8% 5 6% Komplexe Stakeholder-Strukturen Financial Services 7 7% 6 5% Starke politische Einschränkungen/Regulierung Building & Construction 4 7% 7 3% Druck durch Fachkräftemangel Energy & Utilities 6 2% 3 2% Sonstige 5 7% 8 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 9
Refinanzierung von Krediten gewinnt an Bedeutung Grundlegende strategische Veränderungen wie die Anpassung des Ge- schäftsmodells zählen nach wie vor zu den wichtigsten Maßnahmen, mit denen Restrukturierungsexperten in die Krise geratenen Unternehmen helfen. Gleichzeitig wird das Thema externe Finanzierung immer wichtiger, denn in vielen Unternehmen steht die Rückzahlung der im Rahmen der Pandemiemaßnahmen gewährten Hilfskredite an. Welche Restrukturierungsmaßnahmen von Krisenunternehmen sehen Sie stärker im Fokus (Top 10)? Tendenz zum Vorjahr [Pp.] Geschäftsmodellinnovationen/ Veränderung der 14% 0 ↗ Wertschöpfungsstrategie Externe Refinanzierung 11% ↗ +2 Kostensenkungs- bzw. ↗ 10% -1 Effizienzsteigerungsprogramme Optimierung von Organisation ↗ 9% -2 und Prozessen Entschuldung (z.B. Gesellschafter beiträge, Private Equity) 8% ↗ +1 ↗ Technologische Aufholung 7% -1 Diversifikation/Fokussierung auf Produkte/Geschäftsbereiche 7% ↗ +2 Kostenflexibilisierungsprogramme 6% 0 (Senkung der Fixkosten) ↗ Initiierung transparenter Risiko- und Controllingsysteme/Corporate 5% 0 ↗ Foto MirageC/Getty Images Governance Anpassung von Produkt- 4% 0 und Länderportfolio ↗ 10 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 11
Kurzarbeitergeld als wirksamstes „Zombie“-Unternehmen: staatliches Instrument Tilgungsstundung als Lösungsweg Kurzarbeitergeld ist nach Ansicht der Befragten das effektivste staatliche In den vergangenen Monaten war vor dem Hintergrund staatlicher Hilfs- Instrument, um die Folgen des wirtschaftlichen Einbruchs zu lindern, maßnahmen viel von sogenannten „Zombie“-Unternehmen die Rede – weil Unternehmen damit in der umsatzschwachen Phase einen Teil ihrer Firmen, deren operativer Gewinn zur Bedienung von Zins und Tilgung Kosten abdecken können. Auch KfW-Direktkredite zur Überbrückung nicht ausreicht. Ein möglicher Lösungsansatz liegt in der Stundung von Liquiditätslücken gelten als sinnvolle Maßnahme. Der Effekt der zeit- der Tilgungen. Durch diese Maßnahme gewinnen Unternehmen Zeit weisen Umsatzsteuersenkung wird dagegen als eher gering eingeschätzt. für die weitere Restrukturierung, ohne mit ihren Zahlungen in Verzug zu geraten. Die Wiedereinsetzung der Insolvenzantragspflicht wurde von den Befragten als existenzbedrohend eingeschätzt, auch wenn Wie schätzen Sie die folgenden staatlichen Maßnahmen ein derartiger Effekt bislang noch nicht zu beobachten ist. in Bezug auf ihre Wirkung zur Bekämpfung der Folgen der COVID-19-Krise ein? COVID-19-Krise erhöht die Gefahr für „Zombie“-Unternehmen – Welche Lösung erwarten Sie für diese Unternehmen? Keine Wirkung Starke Wirkung Stundung von Tilgungen 26% Ausweitung und Erleichterung Kurzarbeitergeld (Teil-)Erlass durch Schuldenschnitt 23% 6% 5% 22% 68% Prolongation der gewährten Kredite 22% KfW (Direktkredit) Verzicht auf Zinsforderungen 10% 5% 29% 38% 29% Aussetzung der Refinanzierbarkeit als Aussetzung der Insolvenzantragspflicht 9% ein Sanierungskriterium 5% 25% 20% 22% 28% Steuererleichterungen/-stundungen 4% Bundes- und Landesbürgschaften Sonstiges 7% 9% 30% 37% 23% Stundung von Steuerzahlungen Welche Entwicklung wird Ihrer Meinung nach die Überlebensfähigkeit der „Zombies“ beenden? 5% 17% 23% 41% 14% Wirtschaftsstabilisierungsfonds Aufhebung der Aussetzung der 37% Insolvenzantragspflicht 10% 15% 39% 25% 11% Zurückfahren staatlicher Hilfsprogramme 27% Reduktion der Umsatzsteuer Anstieg des Zinsniveaus 20% 32% 42% 18% 8% Ein weiterer externer Schock 15% 50% Sonstiges 2% 12 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 13
Vorinsolvenzliche Sanierung ohne Szenarien werden Teil Berücksichtigung von Staatshilfen der Business-Planung Mit der COVID-19-Krise ist der Ruf nach Sanierungsmöglichkeiten Wie wird die Pandemie den Restrukturierungsalltag verändern? Jeder außerhalb der Insolvenz wieder lauter geworden. Nun steht mit dem zweite Teilnehmer geht davon aus, dass die Business-Planung künftig Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) stärker verschiedene Szenarien und exogene Schocks abbilden muss. die Einführung eines entsprechenden gesetzlichen Rahmens zum Welches Szenario am Ende für Kreditentscheidungen herangezogen wird, Jahreswechsel bevor. Demnach sollen Unternehmen gemeinsam mit bleibt abzuwarten. Außerdem rechnen die Experten damit, dass digitale ihren Gläubigern und anderen Beteiligten Maßnahmen abstimmen und Kollaborationsinstrumente wie Webkonferenzen in Zukunft eine größere umsetzen können. Sechs von zehn Befragten sind der Ansicht, dass dieses Rolle spielen werden. Verfahren ohne Berücksichtigung geleisteter Staatshilfen erfolgen sollte. Welche Auswirkungen auf die Restrukturierungspraxis Sollten die im Rahmen der COVID-19-Krise gegebenen erwarten Sie infolge der anhaltenden COVID-19-Krise? Staatshilfen auch Bestandteil der neuen Regelung zum vorinsolvenzlichen Sanierungsrahmen sein? Verstärkte Berücksichtigung von 32% Szenarien in der Business-Planung Nein: 60% Vermehrte Nutzung 32% digitaler Instrumente Überprüfung des Sanierungs- 18% konzeptes auf externe Schocks Aktive Rolle des Staates 11% als Gläubiger/Teileigentümer Anwendung verringerter Prüfkriterien bei 6% Sanierungskonzepten Sonstiges 1% Ja: 40% 14 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 15
COVID-19 hat das Spektrum der bisher bekannten Krisen um eine neue Dimension erweitert: die Pandemie. Wann und mit welcher Dynamik sich die Wirt- schaft erholen wird, ist derzeit noch unklar. Einig sind sich die befragten Restrukturierungsexperten allerdings darin, dass eine zweite Welle oder ein erneuter Lockdown die Hoffnungen auf einen baldigen Aufschwung zunichtemachen würden. Umso wichtiger ist es, verschiedene Szenarien künftig zu einem festen Teil der Business-Planung zu machen. Auch im Hinblick auf das staatliche Instrumen- tarium zur Eindämmung der wirtschaftlichen Pandemiefolgen herrscht weitestgehend Über einstimmung. So gilt das Kurzarbeitergeld mit großem Abstand als wirksamste Maßnahme. Ein weiterer Lösungsweg besteht darin, Tilgungen zu stunden. Dieser Schritt könnte Unternehmen mit akuten Liquiditätsproblemen kurzfristig die erforderliche Luft zur weiteren Restrukturierung verschaffen. Inwiefern das neue vorinsolvenz- liche Sanierungsverfahren den Unternehmen hilft, sich aus eigener Kraft zu retten, wird sich im kommenden Jahr noch zeigen müssen. Auf ein „New Normal“ werden wir wohl noch eine Weile warten müssen. Wenn die Befragten recht Foto MR.Cole_Photographer/Getty Images behalten, wird sich die deutsche Wirtschaft nicht vor 2022 erholen. EU-weit könnte es sogar noch ein Jahr länger dauern. 16 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 17
Ihre Ansprechpartner bei Roland Berger Dr. Sascha Haghani Roland Berger, 1967 gegründet, ist die einzige der weltweit Senior Partner führenden Unternehmensberatungen mit deutscher Herkunft Opernturm und europäischen Wurzeln. Mit rund 2.400 Mitarbeitern Bockenheimer Landstr. 2-8 in 35 Ländern ist das Unternehmen in allen global wichtigen 60306 Frankfurt Märkten erfolgreich aktiv. Die 52 Büros von Roland Berger sascha.haghani@rolandberger.com befinden sich an zentralen Wirtschaftsstandorten weltweit. +49 69 29924-6444 Das Beratungsunternehmen ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 250 Partnern. Wolfgang Herrmann Senior Partner Löffelstraße 46 70597 Stuttgart wolfgang.herrmann@rolandberger.com +49 711 3275-7227 Dr. Gerd Sievers Senior Partner Sederanger 1 80538 München gerd.sievers@rolandberger.com +49 89 9230-8543 Fotos Roland Berger GmbH Quelle aller Daten und Grafiken: Roland Berger 18 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 Roland Berger Restrukturierungsstudie 2020 19
Herausgeber Roland Berger GmbH Sederanger 1 80538 München Deutschland +49 89 9230-0 RB_SAL_20_019_FLY Die Angaben im Text sind unverbindlich und dienen lediglich zu Informationszwecken. Ohne spezifische professionelle Beratungsleistung sollten keine Handlungen aufgrund der bereitgestellten Informationen erfolgen. Haftungsansprüche gegen Roland Berger GmbH, die durch die Nutzung der in der Publikation enthaltenen Informationen entstanden sind, sind grundsätzlich ausgeschlossen. © 2020 ROLAND BERGER GMBH. ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
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